Jahresbericht XENIA, Fachstelle Sexarbeit 2016
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dann finde ich das verdächtig. Da sage ich immer gleich, dass wir mehrere sind,<br />
auch wegen der Sicherheit.<br />
B Ich finde Humor ganz wichtig. Wenn einer anruft und fragt, «wie teuer<br />
bist du» – und ich dann sage «ich bin unbezahlbar». Da gibt es Männer, die sich entschuldigen,<br />
andere werden wütend oder verstehen gar nicht, was ich sagen will.<br />
Mit anderen Männern hat man wirklich Spass am Telefon. Dann gibt es diese, die dich<br />
mit einem Laptop bezahlen wollen – es ist wirklich lustig, was ich hier alles erlebe.<br />
Ich arbeite aber hier auch nur, um Taschengeld für mich zu verdienen, seit September.<br />
Ich habe noch einen anderen Job und ich brauche auch Sex. Und Taschengeld.<br />
V Für mich ist es wichtig, den Menschen zu sehen, ob er Respekt hat.<br />
Hautfarbe, Alter, Herkunft interessiert mich nicht. Es gibt überall Arschlöcher.<br />
B Wir passen auch aufeinander auf.<br />
V Ich bin sehr nett, kann aber auch hart sein. Ich lehne Kunden teilweise ab.<br />
Aber wir sprechen uns ab, wer die Türe öffnet, wir können nicht alle mit den gleichen<br />
Kunden gut umgehen. Auch eine professionelle Haltung ist wichtig. Beispielsweise,<br />
dass eine Frau nicht selber einen Kunden anruft. Ausser es ist ein Stammkunde,<br />
der eingewilligt hat. Diskretion ist wichtig, d.h. keine Telefone, keine SMS, weil du ja<br />
nicht weisst, ob seine Partnerin nicht seine SMS liest oder die Nummern überprüft.<br />
Schwierig sind in diesem Zusammenhang die anonymen Anrufe – einerseits ist es<br />
nachvollziehbar, wollen die Kunden maximale Diskretion, gleichzeitig haben wir so gar<br />
keine Angaben über die Kunden.<br />
Wir sind Psychologinnen, Schauspielerinnen. Es kommen Kunden, die wollen<br />
nur sprechen, kuscheln. Andere kommen, weil die Partnerin keinen Sex mehr möchte<br />
oder gestorben ist. Da ist das Sprechen wichtig oder auch Tipps – z.B. für eine<br />
Partner massage. Zentral ist auch das Wissen um die Wirkung von Berührungen. Viele<br />
Kunden, die kommen, wissen nicht, wie sie eine Frau berühren sollen oder wurden<br />
selber schon lange nicht mehr auf eine angenehme Weise berührt.<br />
B Ich würde die Beziehung als «gut» beschreiben, wenn der Kunde anständig<br />
ist, mir gegenüber Respekt zeigt und mit der Dienstleistung zufrieden ist.<br />
L Wichtig ist auch Respekt gegenüber dem Kunden, dass wir es wertschätzen,<br />
dass er sich die Zeit genommen hat und auch Arbeitszeit investiert hat, um überhaupt<br />
zu uns kommen zu können. Ich sage den fordernden Kunden auch klar, dass ich nicht<br />
immer verfügbar bin, noch einen anderen Job und ein anderes Leben habe – das<br />
irritiert die Kunden häufig: «Was, du hast noch ein anderes Leben?!». Wenn sie wollen,<br />
spreche ich mit den Männern auch über ihr Sexleben zu Hause, frage, ob sie mit<br />
der Partnerin über ihre Bedürfnisse sprechen können, wenn sie äussern, dass zu Hause<br />
nichts läuft. Viele können das nicht, ihre Beziehung ist diesbezüglich kaputt. Und dann<br />
kommen sie zu uns.<br />
V Die Jungen sprechen auch nicht mehr miteinander, im Zug oder an anderen<br />
Orten. Viel spielt sich im Internet ab und wenn sie sich das erste Mal sehen, sollte<br />
es dann schon um Sex gehen. Das ist ein Problem. Die Leute haben keine Zeit, aber<br />
wollen Sex. Sie wissen aber nicht wie.<br />
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