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NPHM_Herbst 2014

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transponiert, und der Hörer erwartet die Überleitung zur Kadenz, doch eine<br />

solche bleibt aus, und der Satz geht nach wenigen Takten in e-Moll zu Ende. An<br />

zweiter Stelle steht eine Romanze mit der Tempoangabe Larghetto, ein überaus<br />

sanftes, lyrisches Stück in E-Dur. Die Orchesterbesetzung ist reduziert: Oboen,<br />

Trompeten, Posaunen und Pauken schweigen, die Violinen spielen con sordino.<br />

Nach wenigen Einleitungstakten der Streicher setzt das Klavier ein und stellt<br />

das Thema vor, das im weiteren Verlauf rhythmisch frei umspielt und verziert<br />

wird. Der Satz wirkt wie eine Vorahnung der späteren Nocturnes. Er endet mit<br />

einer Coda, in der Chopin zum ersten und einzigen Mal die Begrenzungen des<br />

Virtuosenkonzerts überwindet und zu einer echten Partnerschaft zwischen<br />

Klavier und Orchester gelangt. Die Streicher spielen im Pianissimo das Thema,<br />

begleitet von glitzernden Kaskaden und Fiorituren des Klaviers. Das Schlussrondo,<br />

ein Vivace wieder in E-Dur, schließt sich unmittelbar an. Wenige Takte des<br />

Orchesters leiten über zum munteren Rondothema, das vom Klavier vorgestellt<br />

wird und einen Volkstanz aus Krakau, den Krakowiak, darstellt. Dieser Tanz im<br />

raschen 2/4-Takt taucht bei Chopin ausschließlich in Werken für Klavier und<br />

Orchester auf; hier durchzieht sein synkopischer Rhythmus den ganzen Satz.<br />

Im kurzen ersten Couplet dominiert das Orchester. Das ausgedehnte zweite<br />

Couplet wird vom Klavier beherrscht und enthält eine einprägsame Melodie, die<br />

fast als Seitenthema angesehen werden kann. Danach kehrt das Rondothema<br />

zunächst in der „falschen“ Tonart Es-Dur wieder, bevor der Solist seinen „Fehler<br />

korrigiert“ und durch eine Rückung ins „richtige“ E-Dur zurückleitet. Es folgt<br />

wieder ein kurzes Couplet des Orchesters und ein längeres das Klaviers; auch<br />

das Seitenthema ist ein zweites Mal zu hören, diesmal in H-Dur. Der Komponist<br />

verzichtet darauf, ein letztes Mal das Rondothema zu zitieren, und führt den Satz<br />

mit virtuosen Spielfiguren des Klaviers schwungvoll-elegant zu Ende.<br />

Die beiden Klavierkonzerte von Chopin haben viel Kritik über sich ergehen<br />

lassen müssen. Ungeschickte, schematische Instrumentierung hat man ihnen<br />

vorgehalten, äußerliches Virtuosengeklingel ohne wirkliche Verarbeitung der<br />

Themen. Beim e-Moll-Konzert kam der Vorwurf tonaler Monotonie hinzu: das<br />

Konzert verlässt, von kurzen Episoden abgesehen, niemals den Bereich von<br />

e-Moll und E-Dur. All diese Einwände zielen aber an den Absichten des Komponisten<br />

vorbei, der eben nicht von der Ästhetik Mozarts und Beethovens ausging,<br />

sondern von Hummel, Kalkbrenner und Moscheles, die kaum mehr gespielt<br />

werden und deshalb als Vergleichsmaßstab nicht geläufig sind. Es war nicht<br />

zuletzt Chopin selbst, der mit seiner Persönlichkeit und seiner melodischen wie<br />

harmonischen Erfindungskraft seine Vorgänger in den Schatten stellte und aus<br />

den Konzertprogrammen verdrängte. Und so konnte alle Kritik den Erfolg der<br />

beiden Chopin-Konzerte nicht schmälern, die bis heute zu den erfolgreichsten<br />

und beliebtesten Klavierkonzerten der Frühromantik zählen. Frédéric Chopin hat<br />

sein Klavierkonzert in e-Moll seinem bewunderten Vorbild Friedrich Kalkbrenner<br />

gewidmet. Die Uraufführung fand am 11. November 1830 im Warschauer<br />

Nationaltheater statt; der 20-jährige Komponist saß selbst am Klavier. Es war

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