SeidenSpinner Ausgabe 17 Juni/Juli 2017
Der SeidenSpinner - Frische Szenekost aus Krefeld und Drumrum
Der SeidenSpinner - Frische Szenekost aus Krefeld und Drumrum
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ALLEStheAter<br />
Zugang erarbeiten. Was zeigt, dass der Autor dem Kern seines<br />
Werks grundsätzlich vertraut und nichts vorgeben will.<br />
Glücklicherweise, denn für mich war und ist es ein reizvolles<br />
Freispiel voller Herausforderungen.<br />
Wie haben Sie angefangen?<br />
Blockhaus: Mein erster Schritt war, eine Kurzfassung zu<br />
erarbeiten. Der Roman hat für einen Theaterabend viel zu viel<br />
Material – man muss sich entscheiden, was man weglässt. Der<br />
Filter, den man über den Inhalt des Romans legt, wird bei jedem<br />
Kürzungsvorgang immer feiner – das ist manchmal ein ziemlich<br />
mühsamer und schmerzhafter Prozess, der mir auch schon mal<br />
schlaflose Nächte bereitet hat.<br />
Brauchen Sie eine bestimmte Umgebung, eine besondere<br />
Stimmung zum Schreiben?<br />
Blockhaus: Eine Bühnenfassung schreiben, das ist wie<br />
Komponieren. Das geht für mich nur, wenn ich Ruhe und Muße<br />
habe, deshalb arbeite ich vor allem abends und nachts.<br />
UnterWerFUnG AlS FOlGePrOJeKt<br />
VOn Кein Schöner lAnd<br />
Was wollen Sie mit ihrer Fassung erzählen?<br />
Blockhaus: Wir sehen „Unterwerfung“ als Folgeprojekt von<br />
„Kein schöner Land“ mit der Fragestellung „Was passiert in einer<br />
Gesellschaft durch die Ankunft von Flüchtlingen? Was verändert<br />
das im Selbstverständnis des einzelnen und im Umgang<br />
miteinander?“ Für „Unterwerfung“ mussten wir uns entscheiden,<br />
was wir aus „Kein schöner Land“ konzeptionell übernehmen<br />
wollen. Wichtig war uns, die chorische Form des Erzählens<br />
beizubehalten. Wir haben ein maßgeschneidertes Konzept für<br />
diese Inszenierung erarbeitet. Genau für dieses Theater, für<br />
diesen Regisseur und dieses Ensemble. Apropos Chor… Es<br />
ist der Chor, der auch bei „Kein schöner Land“ am Start war.<br />
Die Schauspieler sollen zunächst wie Menschen aus der<br />
Stadt wirken, die sich zum gemeinsamen Singen treffen. In<br />
„Unterwerfung“ wird dieser Chor zu Beginn mit dem Roman<br />
konfrontiert und muss sich dazu verhalten. Das ist der<br />
Einstieg in unseren Abend. Jeder Chorsänger verwandelt<br />
sich dann in einen von acht potentiellen François‘, der<br />
Hauptfigur der Geschichte.<br />
Warum verteilen Sie die rolle des François auf acht<br />
Schauspieler?<br />
Blockhaus: Das hat den Vorteil, dass wir unterschiedliche<br />
Aspekte der Figur schärfer konturieren und bestimmte<br />
Inhalte deutlicher hervorheben können.<br />
Welche rolle spielt Musik in der Bühnenfassung und in<br />
der inszenierung?<br />
Blockhaus: Die Musik ist ein Bindeglied zwischen Bühne<br />
und Zuschauer. Ich habe eine ganze Reihe bekannter<br />
Chansons, zum Beispiel von Gilbert Bécaud und Jacques Brel,<br />
eingebaut, die unser musikalischer Leiter Jochen Kilian mit<br />
den Schauspielern einstudiert. Durch die eingearbeiteten<br />
Lieder wird der gesprochene Text musikalisch gespiegelt,<br />
und der Abend wird deutlich unterhaltsamer, woran uns<br />
sehr gelegen ist.<br />
„Unterwerfung“ beinhaltet ja auch einen packenden<br />
Wahlkrimi – vor kurzem hat Frankreich gewählt. Sind<br />
die ergebnisse in das Stück eingeflossen?<br />
Blockhaus: Bei der Premiere am 10. <strong>Juni</strong> werden den<br />
Zuschauern die Präsidentschaftswahlen sicher noch gut<br />
im Gedächtnis sein. Wir haben aktuell darauf reagiert –<br />
Macron kommt bei uns deshalb auch vor. Denn obwohl das<br />
Stück aus der Perspektive des Jahres 2023 erzählt wird, sind<br />
die Ereignisse aus dem Wahljahr 20<strong>17</strong> wichtiger Bestandteil<br />
der Geschichte.<br />
Der Autor der Bühnenfassung thomas Blockhaus ist seit<br />
der Spielzeit 2016/<strong>17</strong> Schauspieldramaturg am theater<br />
Krefeld und Mönchengladbach. Nach Engagements<br />
als Theaterregisseur war er als freier Regisseur für die<br />
Hörspielabteilung des Westdeutschen Rundfunks in<br />
Köln tätig, wo er Hörspiele und Features inszenierte.<br />
Auch seine zahlreichen Hörspielbearbeitungen (Romane<br />
von Don DeLillo, Gerard Donovan, Garry Disher u.a.) und<br />
sein selbstverfasstes Hörspiel „Memo“ realisierte er für<br />
den WDR Hörfunk.<br />
„Unterwerfung“ feiert am Samstag, den 10. <strong>Juni</strong> um<br />
19.30 Uhr Premiere im Theater Krefeld. Karten sind<br />
erhältlich unter (02151.805125 oder<br />
auf www.theater-kr-mg.de.<br />
Schauspieldramaturg thomas Blockhaus. Foto: Stutte<br />
<strong>SeidenSpinner</strong> · <strong>Ausgabe</strong> <strong>17</strong> · 21