Heft 03/09 - beim LCH
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BILDUNG SCHWEIZ 3 I 20<strong>09</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . REPORTAGE<br />
men, zum Beispiel der Besuch historischer<br />
Orte. Bestenfalls besucht man<br />
benachbarte Schulen.<br />
Wichtig ist offenbar das Weihnachtsprogramm.<br />
Dazu erscheinen Eltern, Grosseltern,<br />
andere Schulen. Ebenfalls wird<br />
bei Schulende ein Picknick ausgerichtet.<br />
Eltern können zu Schulbesuchen vorbeikommen<br />
und tun dies auch. Ein Kindergarten<br />
ist nicht bekannt, für die Kinder<br />
beginnt die Schule mit sechs Jahren.<br />
Repetenten gibt’s, doch sind sie selten.<br />
Schwimm-, Turn- und Hauswirtschafts/<br />
Handarbeits-Unterricht sind unbekannt.<br />
Die Kinder werden frühmorgens mit Bibellese,<br />
Gebet und dem gemeinsamen<br />
Vaterunser sowie dem Singen geistlicher<br />
Lieder eingestimmt. Dann wird bis 10<br />
Uhr durchgemacht, ohne Pause.<br />
Grundfertigkeiten, das genügt<br />
Gelehrt werden die Schnürlischrift –<br />
eine alte deutsche Art – und Druckbuchstaben.<br />
Gerne möchte ich während des<br />
Unterrichts umherwandern und den<br />
Schülern über die Schulter schauen. Das<br />
wird nicht erlaubt. Die Lehrerin unterrichtet<br />
hauptsächlich frontal. Einzig die<br />
wenigen Erstklässlerinnen üben an der<br />
Wandtafel. Alle Kinder tragen Amisch-<br />
Kleider, die Knaben ausnahmslos Hosenträger,<br />
die Mädchen ihr «Ribeli», allerdings<br />
ohne Bonnet («Hübli»). Dieses<br />
ist bloss bei Gottesdiensten, Besuchen<br />
und ab der 8. Klasse Vorschrift.<br />
Gemalte Bilder von den Kindern entdecke<br />
ich nirgends, dafür alle Namen je<br />
auf einer Art papierenem Amischhut<br />
aufnotiert. Über dem Innentor der<br />
Schule steht: «Ehre Vater und Mutter.»<br />
An der Seite ein Plakat: «There is no such<br />
thing as failure if you try.» Ein gusseiserner<br />
Ofen verströmt im Winter Wärme.<br />
Ein kleines Gestell umfasst irgendwelche<br />
Bücher.<br />
Höhere Schulbildung – wie das die «Englischen»<br />
und die glaubensverwandten<br />
Mennoniten befürworten – wird laut<br />
Beiler nicht angestrebt; im Gegensatz zu<br />
letzteren betreiben Amische deshalb<br />
auch keine eigene höhere Lehranstalt.<br />
Im Landesdurchschnitt schneiden aber<br />
Amischkinder in den schulischen Grundfertigkeiten<br />
ebenso gut ab wie die «Englischen».<br />
Die Kinder besuchen den<br />
Unterricht während 36 Wochen pro<br />
Jahr oder 180 Tage bzw. 900 Stunden.<br />
Spätestens mit 15 Jahren ist Schluss.<br />
Die Unterrichtssprache ist hauptsächlich<br />
Englisch. Das so genannte Pennsylvania-Dutch<br />
– eine Mischung von Hoch-<br />
deutsch und Englisch – gehört in die<br />
Familie, die Gemeinde und den Alltag.<br />
«Es ist Zeit zu gehen!»<br />
Ich werde gebeten, etwas aus ihrer ursprünglichen<br />
Heimat zu erzählen. Die<br />
Amisch haben nämlich ihre Wurzeln in<br />
der Schweiz. Ich singe ihnen ein Lied<br />
vor und übersetze den Inhalt. Schüch-<br />
Amische halten strenge Disziplin<br />
27<br />
Alles geschieht<br />
unter dem<br />
Kreuz – sogar<br />
das Wäschetrocknen.<br />
ternes Lächeln. Fragen zu stellen wagen<br />
sie nicht. Die ganze Zeit werde ich den<br />
Eindruck nicht los, innerlich auf Distanz<br />
gehalten zu werden. Nach drei Stunden<br />
heisst es dann auch: «Das genügt. Es ist<br />
Zeit zu gehen.» Mit einem herzlichen<br />
Dankeschön verlasse ich die Ausbildungsstätte.<br />
Der Name «Amish» entwickelte sich aus dem Namen Jakob Ammann, der Ältester,<br />
also Gemeindeleiter, einer Mennonitengemeinde in der Schweiz war und sich<br />
1693 mit Gleichgesinnten vom Hauptzweig der Mennoniten abtrennte. Die Gruppe<br />
der Amischen wahrte eine strenge Disziplin innerhalb ihrer Gemeinschaft und<br />
sah sich aufgrund dessen zunehmend Feindseligkeiten und Verfolgungen ausgesetzt.<br />
Der Grossteil der Amischen wanderte im 18. Jahrhundert nach Pennsylvania<br />
in Nordamerika aus, weil sie dort nicht verfolgt wurden. Mittlerweile sind Amische<br />
in über zwanzig US-Staaten und Ontario, Kanada, zu finden. Die Amischen leben<br />
nicht in geschlossenen Siedlungen bzw. Dörfern. Zwar gibt es Gebiete, wo sie<br />
dominieren, aber oft leben sie neben «englischen» Nachbarn. Der Zuwachs der<br />
Amischen beläuft sich auf etwa drei bis vier Prozent (4,5% für 2004), alle 20 bis 25<br />
Jahre verdoppelt sich ihre Mitgliederzahl.