Sellarie sitzt auf dem Sofa - Medienobservationen
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Lebensgemeinschaft, die unberührt vom wilden Weltgetümmel ihrer ureigenen<br />
<strong>auf</strong> schwarzweiß getrimmten Gemütslage entsprechend zu leben<br />
imstande ist. Das Chanson hält uns so den Spiegel vor, ohne den wir,<br />
ganz im Gegensatz zu Karl, nicht sein und werden könnten. Es ist darin<br />
drittens eine wunderbar musikalisch umgesetzte Selbstverabschiedung<br />
und der lakonisch-kurzweilige Ausklang eines klug zusammengestellten<br />
Liedprogramms.<br />
Symbole der Bürgerlichkeit und deren Subversion<br />
Die fränkischen Chansons, die Mia Pittroff und David Saam <strong>auf</strong> ihrer<br />
Debüt-CD zum Besten geben, sind so gut, dass ich, nach der Vereinnahmung<br />
Jacques Derridas zu Beginn dieser Rezension, einen weiteren<br />
Vergleich unter Einbeziehung großer Namen wagen will. Es gibt einen<br />
bekannten Sketch, an <strong>dem</strong> Loriot und Evelyn Hamann beteiligt sind. In<br />
diesem Sketch geht es um eines der Grundsymbole der Bürgerlichkeit<br />
schlechthin, ein Klavier. Drei Generationen einer Familie, deren Oberhaupt<br />
von Loriot gespielt wird, sitzen um einen Kaffeetisch. Keiner der<br />
Beteiligten allerdings <strong>sitzt</strong> dort nur zum Spaß. Ganz im Gegenteil haben<br />
alle versammelten Personen ihren Beitrag zur heimischen Familienidylle<br />
zu leisten, und dazu gilt es, <strong>auf</strong> der Bühne in einem Spiel im Spiel eine<br />
Rolle zu verkörpern, die nicht gerade den Sehnsüchten der Beteiligten<br />
entspricht.<br />
Es geht darum, der Urgroßmutter im fernen Massachusetts glaubhaft zu<br />
machen, dass ihr Geschenk, das Klavier, bei ihrem Sohn und der Familie<br />
gut und mehr noch, voller Freude, <strong>auf</strong>genommen wurde. Um die Urgroßmutter<br />
zu überzeugen, soll das Eintreffen des Klaviers <strong>auf</strong> Videokassette<br />
festgehalten werden. Das Familienoberhaupt betätigt sich dazu<br />
als Regisseur und überfordert mit seinen Anweisungen nicht nur die<br />
durchaus willigen Möbelpacker, auch der Rest der Familie tut nicht so,<br />
wie er wohl will. Alle stehen unter Stress, aber jeder hat sich <strong>dem</strong> Patriarchen<br />
zu fügen. Evelyn Hamann, die die weibliche Seite der zweiten Generation<br />
der versammelten Familie vertritt, ist frisiert, dass man sich<br />
fragt, wie so etwas überhaupt statisch möglich ist, und ihre Funktion besteht<br />
weitestgehend darin, fügsam auszurufen: Ein Klavier, ein Klavier!<br />
Vermutlich hat das <strong>Sofa</strong>, <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Mia Pittroff und David Saam sich für<br />
ihr Coverheft fotografieren ließen, weniger Transportschwierigkeiten<br />
verursacht als das oben angesprochene Klavier. Wahrscheinlich kommt