2010/03 r+s recht und schaden - Die - VOV GmbH
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92 <strong>r+s</strong> 3/<strong>2010</strong> Lange, <strong>Die</strong> D&O-Selbstbehalt-Versicherung<br />
Aufsåtze<br />
3. Hat der Rechtsanwalt keine Zustimmung des Versicherers<br />
zu einer Klage oder einem Rechtsmittel eingeholt (§ 17<br />
Abs. 5 c) aa) ARB 2000) scheint es mir fraglich, ob eine<br />
Zurechnung çber die Rechtsfigur des Wissenserklårungsvertreters<br />
in Betracht kommt. Der Rechtsanwalt gibt im Sinne<br />
der BGH Rechtsprechung ja gerade keine (falsche) Erklårung<br />
ab, sondern unterlåsst nur eine Abstimmung mit dem Versicherer.<br />
<strong>Die</strong> Frage, ob der allgemeine Stellvertretergedanke,<br />
der gr<strong>und</strong>såtzlich allerdings auch der Rechtsfigur des Wissenserklårungsvertreters<br />
zugr<strong>und</strong>e liegt, vom BGH gebilligt<br />
wçrde, mæchte ich eher verneinen. <strong>Die</strong>ser Gedanke liegt ja<br />
aus Sicht der bis dato herrschenden Meinung ± unabhångig<br />
von der Intransparenz der Generalklausel ± der Zurechnung<br />
des Verstoûes zugr<strong>und</strong>e. Davon ausgehend håtte es in dem<br />
schriftlichen Hinweis des BGH bzw. den Øuûerungen in der<br />
mçndlichen Verhandlung keines ergånzenden Hinweises auf<br />
die fehlende Zurechenbarkeit bedurft, bzw das Gericht håtte<br />
es bei der Unwirksamkeit der Klausel belassen kænnen.<br />
4. Bei der Informationspflicht des VersNehemers nach § 17<br />
Abs. 3 ARB 2000 dçrfte der Rechtsanwalt unproblematisch<br />
als Wissenserklårungsvertreter angesehen werden, bei der<br />
Auskunftspflicht des § 17 Abs. 5 b) ARB 2000 m. E. analog<br />
den Ausfçhrungen zur Abstimmungspflicht dagegen nicht.<br />
Hier wird denn auch ± was die Problematik aus Versicherersicht<br />
entschårft ± trotz des sog. Dreiecksverhåltnisses çberwiegend<br />
von einen direkten Auskunftsanspruch des Versicherers<br />
gegençber dem Rechtsanwalt ausgegangen23 .<br />
Am schwersten aus Versicherersicht wirkt sicher der Umstand,<br />
dass die Generalklausel zukçnftig wohl als unwirksam<br />
betrachtet werden muss.<br />
Gliederung:<br />
I. Einleitung<br />
II. Versicherung des Selbstbehalts durch eine D&O-Einzelpolice<br />
III. Versicherung des Selbstbehalts durch eine Selbstbehalt-Versicherung<br />
1. Der Risikotråger einer Selbstbehalt-Versicherung<br />
2. Das Anrechnungs- <strong>und</strong> das Zusatzkapazitåtsmodell<br />
3. <strong>Die</strong> Akzessorietåt der SB-Versicherung zur D&O-Versicherung<br />
4. <strong>Die</strong> Bezugnahme der Versicherungsbedingungen auf die<br />
D&O-Versicherung<br />
IV. Zusammenfassung<br />
I. Einleitung<br />
§ 93 Abs. 2 S. 3 AktG bestimmt, dass Vorstandsmitglieder<br />
von Aktiengesellschaften, fçr die eine von der Gesellschaft<br />
abgeschlossene <strong>und</strong> finanzierte D&O-Versicherung (sog.<br />
¹Firmenpolice``1 ) besteht, einen Selbstbehalt ¹von mindestens<br />
10 Prozent des Schadens bis mindestens zur Hæhe des<br />
Eineinhalbfachen der festen jåhrlichen Vergçtung des Vorstandsmitglieds``<br />
zu tragen haben. <strong>Die</strong>ser sog. ¹Pflichtselbstbehalt``<br />
besteht nicht kraft Gesetzes, sondern nur, wenn die<br />
Parteien des Versicherungsvertrags ± die versicherungsnehmende<br />
Gesellschaft <strong>und</strong> der Versicherer ± ihn vereinbaren.<br />
Es bedarf also eines Umsetzungsakts2 . Zu einer solchen Umsetzung<br />
durch eine Selbstbehaltvereinbarung werden die Vertragsparteien<br />
durch § 93 Abs. 2 S. 3 AktG gesetzlich verpflichtet3<br />
. <strong>Die</strong> Selbstbehaltvereinbarungspflicht besteht nach<br />
der gesetzlichen Regelung nicht, wenn statt der Gesellschaft<br />
ein Vorstandsmitglied eine D&O-Versicherung fçr sich als<br />
sog. ¹Einzelpolice``4 abschlieût <strong>und</strong> bezahlt. Davon ist<br />
Oliver Lange, LL. M. (M&A), LL. M. (Insurance)*<br />
<strong>Die</strong> D&O-Selbstbehalt-Versicherung<br />
Allerdings bedeutet eine (teilweise) fehlende Zurechenbarkeit<br />
<strong>und</strong> der Wegfall der Generalklausel noch nicht, dass<br />
damit das Thema erschæpfend behandelt wåre. Unabhångig<br />
von den Regelungen der ARB bleiben nåmlich die Pflichten<br />
des Rechtsanwalts aus dem Anwaltsvertrag mit dem Mandanten/VersNehmer<br />
bestehen, also vor allem die Pflicht<br />
den ¹sichersten <strong>und</strong> kostengçnstigsten Weg`` der Rechtsdurchsetzung<br />
zu wåhlen. Anders als bisher kann es danach<br />
nicht mehr zu einem Interessenkonflikt des Rechtsanwalts<br />
zwischen seinen beruflichen Pflichten einerseits <strong>und</strong> dem<br />
Verlangen des Versicherers andererseits kommen, bestimmte<br />
Maûnahmen zu unterlassen, die der Rechtsanwalt<br />
fçr fachlich geboten hålt. Gleichzeitig ist der Versicherer<br />
aber dadurch geschçtzt, dass eventuelle Schadenersatzansprçche<br />
des VersNehmers aus einer Verletzung dieser<br />
Pflichten ± soweit es um die Kosten geht ± gem. § 17<br />
Abs. 8 ARB 94/2000 auf den Versicherer çbergehen 24 .<br />
<strong>Die</strong>se Læsung bietet aus Versicherersicht auûerdem den<br />
Vorteil, dass der subjektive Tatbestand der Obliegenheit<br />
bzw. die Ønderungen der VVG ± Reform (¹Aufgabe des<br />
Alles-oder-Nichts-Prinzips``) keine Rolle spielen, er also in<br />
voller Hæhe Regress nehmen kann. Andererseits kann der<br />
Streit zu Recht nicht mehr auf dem Rçcken des VN ausgetragen<br />
werden, weil es dann Sache des Versicherers ist<br />
eventuelle Regressansprçche auf eigenes Risiko hin zu verfolgen.<br />
&<br />
23 Harbauer/Bauer, a. a. O., § 16 ARB 75 Rn. 7.<br />
24 Harbauer/Bauer, a. a. O., § 15 ARB 75 Rn. 13; OLG Kæln r +s 94,<br />
382= VersR 94, 813.<br />
jedoch abzuraten (dazu II.). Im Ûbrigen ist ein in einer<br />
Firmenpolice vereinbarter Pflichtselbstbehalt durch eine von<br />
* Der Autor ist Rechtsanwalt <strong>und</strong> Wirtschaftsmediator (cvm) <strong>und</strong> fçr<br />
die Schadenbearbeitung der <strong>VOV</strong>, einer D&O-Versicherungsgemeinschaft,<br />
verantwortlich. <strong>Die</strong> Ausfçhrungen geben ausschlieûlich seine<br />
persænliche Meinung wieder, die sich nicht zwangslåufig mit der Meinung<br />
der <strong>VOV</strong> decken muss.<br />
1 Auch bezeichnet als ¹Unternehmenspolice`` oder ± wenn neben der versicherungsnehmenden<br />
Gesellschaft auch deren Tochtergesellschaften in<br />
den Versicherungsvertrag einbezogen sind ± als ¹Konzernpolice``.<br />
2 Fçr vor dem 5. 8. 2009 geschlossene D&O-Versicherungsvertråge<br />
(¹Altvertråge``) ist die Umsetzung gem. § 23 Abs. 1 EGAktG bis zum<br />
1. 7. <strong>2010</strong> vorzunehmen, fçr nach dem 4. 8. 2009 geschlossene Vertråge<br />
¹Neuvertråge`` bereits von Anfang an (zu Einzelheiten siehe Lange,<br />
VersR 2009, 1011, 1012 f.).<br />
3 Zur Selbstbehaltvereinbarungspflicht gem. § 93 Abs. 2 S. 3 AktG siehe<br />
Albers, CCZ 2009, 222 ff.; Dauner-Lieb/Tettinger, ZIP 2009, 1555 ff.;<br />
Koch, AG 2009, 637 ff.; Lange, VersR 2009, 1011 ff.; Laschet, PHi<br />
2009, 158, 160 ff.; Olbrich/Kassing, BB 2009, 1659 ff.; Schulz, VW<br />
2009, 1410 ff.; ders., ZfV 2009, 558 ff.; van Kann, NZG 2009,<br />
1010 ff.. <strong>Die</strong> Vereinbarung eines Selbstbehalts wird vom ¹Public Corporate<br />
Governance Kodex des B<strong>und</strong>es`` (PCGK) in der Fassung vom<br />
30. 6. 2009 auch Unternehmen empfohlen, die zwar keine Aktiengesellschaften<br />
sind, aber als privat<strong>recht</strong>liche Unternehmen (z. B. als<br />
<strong>GmbH</strong>) betrieben werden <strong>und</strong> an denen der B<strong>und</strong> mehrheitlich beteiligt<br />
ist (Abschnitt 3.3.2 PCGK). Auûerdem empfiehlt Abschnitt 3.8 Abs. 2<br />
S. 2 des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) in der Fassung<br />
vom 18. 6. 2009 Selbstbehaltvereinbarungen zulasten von Aufsichtsratsmitgliedern<br />
bærsennotierter Aktiengesellschaften. Vællig ungewiss<br />
ist, welche Rechtsfolge eintritt, wenn das Umsetzungsgebot des<br />
§ 93 Abs. 2 S. 3 AktG nicht beachtet wird (mit unterschiedlichen Vorschlågen<br />
hierzu: Dauner-Lieb/Tettinger, ZIP 2009, 1555, 1556 f.;<br />
Gådtke, VersR 2009, 1565, 1567 ff.; Koch, AG 2009, 637, 639; Lange,<br />
VersR 2009, 1011, 1023; Laschet, PHi 2009, 158, 161 f.; Olbrich/Kassing,<br />
BB 2009, 1659, 1661; Schulz, VW 2009, 1410, 1414).<br />
4 Auch bezeichnet als ¹Singularpolice``, ¹Individualpolice`` oder<br />
¹persænliche D&O-Versicherung``.
Lange, <strong>Die</strong> D&O-Selbstbehalt-Versicherung <strong>r+s</strong> 3/<strong>2010</strong> 93<br />
Aufsåtze<br />
dem Vorstandsmitglied abgeschlossene <strong>und</strong> bezahlte<br />
D&O-Selbstbehalt-Versicherung versicherbar 5 . <strong>Die</strong> meisten<br />
D&O-Versicherer bieten den Vorstånden der bei ihnen versicherten<br />
Aktiengesellschaften derartigen individuellen Versicherungsschutz<br />
an 6 . <strong>Die</strong> Versicherungskonzepte sind allerdings<br />
vællig unterschiedlich <strong>und</strong> deshalb erlåuterungsbedçrftig<br />
(dazu III.).<br />
II. Versicherung des Selbstbehalts durch eine D&O-Einzelpolice<br />
Da die Selbstbehaltvereinbarungspflicht des § 93 Abs. 2 S. 3<br />
AktG nur D&O-Versicherungsvertråge betrifft, die von der<br />
Gesellschaft fçr ihre Vorstandsmitglieder geschlossen <strong>und</strong><br />
bezahlt werden, kann eine Selbstbehaltversicherung auch darin<br />
bestehen, dass ein Vorstandsmitglied sich nicht mehr von<br />
der Gesellschaft D&O-versichern låsst <strong>und</strong> ergånzend zur<br />
gesellschaftsfinanzierten Firmenpolice eine selbstfinanzierte<br />
Selbstbehalt-Versicherung abschlieût, sondern dass es von<br />
vornherein eine eigene D&O-Versicherung (¹Einzelpolice``<br />
7 ), die als solche gem. § 93 Abs. 2 S. 3 AktG keine Selbstbehaltvereinbarung<br />
enthalten muss, abschlieût <strong>und</strong> selber<br />
bezahlt 8 . Ein derartiges Vorgehen erscheint als nahe liegende<br />
Antwort der Praxis darauf, dass der Gesetzgeber gesellschaftsfinanzierte<br />
D&O-Versicherungen zugunsten von Vorstandsmitgliedern<br />
mit einem Pflichtselbstbehalt belastet,<br />
selbstfinanzierte D&O-Versicherungen hingegen nicht. Mæglicherweise<br />
låutet § 93 Abs. 2 S. 3 AktG somit eine Zeitenwende<br />
ein, nåmlich weg von der gesellschaftsfinanzierten<br />
5 Albers, CCZ 2009, 222, 225; Ihlas, VW 2009, 1360; Olbrich/Kassing,<br />
BB 2009, 1659, 1662; Sieg/Schramm, D&O/Berufshaftpflicht, PHi ±<br />
4/2009, 138; Thçsing, Das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergçtung,<br />
AG 2009, 517, 527. Gleiches gilt fçr eine von der Gesellschaft<br />
fçr die Vorstandsmitglieder geschlossene SB-Versicherung, sofern<br />
die Pråmie hierfçr von den versicherten Vorstandsmitgliedern (<strong>und</strong><br />
nicht der versicherungsnehmenden Gesellschaft) aufgebracht wird. Das<br />
gilt selbst dann, wenn die Gesellschaft den Pråmienanteil eines jeden<br />
Versicherten von dessen Gehalt einbehålt <strong>und</strong> gesammelt an den Versicherer<br />
abfçhrt. Zweck des gesetzlichen Pflichtselbstbehalts ist es nåmlich<br />
nicht, zu verhindern, dass die Vorstandsmitglieder sich im Wege<br />
einer Fremdversicherung versichern lassen <strong>und</strong> die Organisation der<br />
Zahlungsstræme von der Gesellschaft çbernommen wird, sondern lediglich,<br />
die Vorstandsmitglieder durch Androhung einer wirtschaftlichen<br />
Beteiligung an pflichtwidrig verursachten Schåden zu disziplinieren<br />
(BT-Drucks. 16/13 433, S. 17). <strong>Die</strong>se wirtschaftliche Beteiligung<br />
darf aus verfassungs<strong>recht</strong>lichen Grçnden (hierzu: Gådtke, VersR 2009,<br />
1565, 1569 f.; Hirte, in: Rechtsausschuss des BT, Zusammenstellung<br />
der Stellungnahmen zu der æffentlichen Anhærung des Rechtsausschusses<br />
zu den BT-Drucksachen 16/12 278, 16/10 885 <strong>und</strong> 16/12 112,<br />
S. 27, 32; Laschet, PHi 2009, 158, 166; Schulz, VW 2009, 1410,<br />
1414) durch die Aufbringung von Versicherungspråmie substituiert<br />
werden. Darauf, wer den Versicherungsvertrag abschlieût, kommt es<br />
angesichts dieses Gesetzeszwecks nicht an. In der Praxis werden ¹Firmen-SB-Versicherungen``<br />
bzw. ``Gruppen-SB-Versicherungen`` derzeit<br />
allerdings kaum nachgefragt, weil alle Beteiligten (Vorstandsmitglieder,<br />
Makler, Versicherer) fçrchten, dass ein derartiger Versicherungsschutz<br />
dem Umgehungsvorwurf ausgesetzt sein <strong>und</strong> deshalb <strong>recht</strong>liche Unwågbarkeiten<br />
mit sich bringen kænnte. Der ± nicht ge<strong>recht</strong>fertigte ±<br />
Umgehungsvorwurf ist jedenfalls bereits in den Raum gestellt worden,<br />
vgl. Laschet, PHi 2009, 158, 165: ¹Denkbar als entsprechende ¹Umgehung``<br />
wåre z. B. der Abschluss einer Selbstbehaltsversicherung, wiederum<br />
ausgestaltet als Versicherung fçr fremde Rechnung, durch die<br />
Gesellschaft fçr alle versicherten Personen``.<br />
6 Insoweit besteht ein erhebliches Marktpotential, wenn man die Zahl<br />
der vom Selbstbehalt-Risiko betroffenen Vorstandsmitglieder bedenkt;<br />
vgl. hierzu FTD vom 4. 12. 09: ¹Betroffen sind die r<strong>und</strong> 42 000 Vorstånde<br />
der 14 000 deutschen Aktiengesellschaften.`` Hinzu kommen<br />
weitere betroffene Personenkreise, wie sich aus Fuûnote 3 ergibt.<br />
7 Wie Fuûnote 4.<br />
8 Derartige Policen werden bislang nur vereinzelt abgeschlossen; nach<br />
Ihlas, D&O Directors & Officers Liability, 2. Aufl. 2009, S. 335, liegt<br />
der Marktanteil aller Einzelpolicen (nach Stçckzahlen) ¹unter 1%.<br />
Stellt man darauf ab, wie viele natçrliche Personen çber eine Firmenpolice<br />
<strong>und</strong> wie viele çber eine Einzelpolice D&O-versichert sind, oder<br />
vergleicht man die Pråmienvolumina, wird der Anteil der Einzelpolicen<br />
jeweils weit unter 1 Promille liegen.``<br />
D&O-Fremdversicherung 9 hin zur selbstfinanzierten<br />
D&O-Eigenversicherung. Gegen diese in der Praxis geåuûerte<br />
Vermutung spricht allerdings, dass die Einzelpolice vor<br />
allem im Bereich der Innenverhåltnisdeckung keine ebenbçrtige<br />
Alternative zur Firmenpolice darstellt, wie die folgenden<br />
Ausfçhrungen zeigen werden. <strong>Die</strong> Firmenpolice gewåhrt den<br />
versicherten Managern auch Versicherungsschutz gegen Innenhaftungsansprçche<br />
der versicherungsnehmenden Gesellschaft<br />
<strong>und</strong> der in den Versicherungsvertrag einbezogenen<br />
Tochtergesellschaften (¹Innenverhåltnisdeckung``). Da der<br />
Versicherer aufgr<strong>und</strong> dieser Vertragsgestaltung Rechtsbeziehungen<br />
zu beiden Streitparteien unterhålt ± zur anspruchstellenden<br />
Gesellschaft (oder ihrer Muttergesellschaft) als<br />
Vertragspartner <strong>und</strong> zum in Anspruch genommenen Manager<br />
als Inhaber der Rechte aus dem Versicherungsvertrag<br />
(§ 44 Abs. 1 S. 1 VVG) ± kommt ihm eine Mediations-Funktion<br />
zu. In der Innenverhåltnisdeckung steht der Versicherer<br />
einer Firmenpolice also weder im Lager der Gesellschaft,<br />
noch im Lager des Managers, sondern ± vermittelnd <strong>und</strong><br />
schlichtend ± zwischen den streitenden Parteien. <strong>Die</strong> versicherungsnehmende<br />
Gesellschaft zahlt den auf die Innenverhåltnisdeckung<br />
entfallenden Teil der Pråmie somit nicht ±<br />
wie bisweilen behauptet wird 10 ± dafçr, dass der Versicherer<br />
sich im Innenhaftungsfall hinter den Versicherten stellt <strong>und</strong><br />
der Versicherungsnehmerin oder ihrer Tochtergesellschaft<br />
¹das Leben schwer macht``, sondern dafçr, dass der Versicherer<br />
in Konflikte vermittelnd eingreift <strong>und</strong> sie (ggf. durch<br />
Zurverfçgungstellung von Geld aus der Versicherungssumme)<br />
schlichtet 11 . <strong>Die</strong>se Funktion zeigt sich in der Praxis daran,<br />
dass Innenhaftungsfålle, in die ein D&O-Versicherer<br />
involviert ist, idR auûergerichtlich <strong>und</strong> durch Vergleich be-<br />
9 Zur Rechtsnatur der Firmenpolice als Fremdversicherung <strong>und</strong> den sich<br />
hieraus ergebenden Konsequenzen siehe OLG Mçnchen, VersR 2005,<br />
540, 541; LG Mçnchen I, VersR 2005, 543, 544; LG Marburg DB<br />
2005, 437, 438; Dreher, DB 2005, 1669, 1670 ff.; Haehling von Lanzenauer,<br />
in: Looschelders/Pohlmann (Hrsg.), VVG, <strong>2010</strong>, Anhang C<br />
D&O-Versicherung Rn 49; Held, in: Halm/Engelb<strong>recht</strong>/Krahe, Handbuch<br />
des FA Versicherungs<strong>recht</strong>, 3. Aufl. 2008, 33. Kapitel Rn 24;<br />
Koch, in: Looschelders/Pohlmann (Hrsg.), VVG, <strong>2010</strong>, § 43 Rn 32,<br />
46; Lorenz, in: FS fçr Prælss, 2009, S. 177, 179; Sieg, in: Terbille<br />
(Hrsg) Mçnchener Anwaltshandbuch Versicherungs<strong>recht</strong>, 2. Aufl.<br />
2008, § 17 Rn 61; ausfçhrlich zur Fremdversicherung: Terbille, in: Terbille<br />
(Hrsg), Mçnchener Anwaltshandbuch Versicherungs<strong>recht</strong>,<br />
2. Aufl. 2008, § 2 Rn 252 ff.<br />
10 Siehe etwa Peltzer, <strong>Die</strong> deutsche D&O-Versicherung <strong>und</strong> ihr (noch<br />
operabler) Geburtsfehler, in: FS fçr Harm Peter Westermann, 2008,<br />
S. 1257, 1268: ¹Im Klartext: Der Versicherungsnehmer (die Gesellschaft)<br />
zahlt eine Pråmie dafçr, dass ihm in der Mehrzahl der Fålle<br />
die Durchsetzung seiner Ansprçche erheblich erschwert, wenn nicht<br />
gar verunmæglicht wird. (. . .) Eine Versicherung, mit der ein Versicherungsnehmer<br />
sich Erschwernis bei der Durchsetzung seiner Ansprçche,<br />
also einen wirtschaftlichen Nachteil erkauft, ist auf jeden<br />
Fall ein Unding, aus psychiatrischer Sicht eine unspezifische Perversion<br />
mit stark masochistischem Einschlag. Damit ist aber das ganze<br />
Dilemma der D&O-Versicherung schon aufgezeigt. Sie erschwert die<br />
Durchsetzung, sorgt aber andererseits dafçr, dass ein ± im Regelfall<br />
nach langem, mçhsamem Prozess ± <strong>recht</strong>skråftig zuerkannter Anspruch<br />
auch vollstreckt werden kann. In dieser Erschwernis der<br />
Durchsetzung einerseits <strong>und</strong> (quasi) Sicherstellung der Vollstrekkungsmæglichkeit<br />
andererseits zeigt sich im Ûbrigen, wie eng beieinander<br />
Fremd- <strong>und</strong> Eigeninteresse stehen.``; siehe auch FTD vom<br />
04. 06. 08, Sonderbeilage Managerhaftung, in der ein Makler wie<br />
folgt zitiert wird: ¹<strong>Die</strong> D&O-Versicherung ist ein wenig schizophren<br />
(. . .) Zwar zahlt das Unternehmen in der Regel die Pråmie. Im Schadenfall<br />
stellt sich der Versicherer aber nicht hinter das Unternehmen,<br />
sondern hinter den Manager. Dessen Verteidigung gegen die Ansprçche<br />
çbernimmt der Versicherer ± aus Sicht des klagenden Unternehmens<br />
mit der Pråmie, die es selbst gezahlt hat. Ist der Versicherer<br />
dabei erfolgreich, muss er nicht zahlen.``<br />
11 Vgl. Held, in: Halm/Engelb<strong>recht</strong>/Krahe (Hrsg), Handbuch des FA Versicherungs<strong>recht</strong>,<br />
3. Aufl. 2008, 33. Kapitel, Rn 38, wonach sich ¹der<br />
wesentliche Wertgehalt einer D&O-Police`` darin zeigt, dass ¹einer Eskalation<br />
des Falles frçhzeitig entgegengewirkt werden kann``; Kolde,<br />
in: Lçcke (Hrsg), Beck  sches MandatsHandbuch Vorstand der AG,<br />
2004, § 11 Rn 93: ¹Der Versicherer soll schlichten (. . .)``.
94 <strong>r+s</strong> 3/<strong>2010</strong> Lange, <strong>Die</strong> D&O-Selbstbehalt-Versicherung<br />
Aufsåtze<br />
endet werden12 . Wie ein Mediator versucht der Versicherer,<br />
den Streit zu moderieren, die gegençberstehenden Positionen<br />
einander anzunåhern, die handelnden ± gelegentlich verfeindeten<br />
± Personen wieder miteinander ins Gespråch zu bringen<br />
<strong>und</strong> die widerstreitenden Interessen zum græûtmæglichen<br />
Ausgleich zu bringen13 .<br />
Seine Mediations-Funktion kann der Versicherer nur erfçllen,<br />
wenn beide Streitparteien ihm såmtliche Informationen<br />
çberlassen, die zu einer umfassenden Bewertung der Sachlage<br />
in haftungs- <strong>und</strong> deckungs<strong>recht</strong>licher Hinsicht notwendig<br />
sind. Auf lçckenhafter oder falscher Tatsachengr<strong>und</strong>lage<br />
låsst sich eine die be<strong>recht</strong>igten Interessen aller Beteiligten<br />
angemessen berçcksichtigende Schlichtung eines Haftpflichtfalls<br />
nicht erreichen. Nicht zuletzt deshalb wird die<br />
D&O-Versicherung als Fremdversicherung ausgestaltet14 .<br />
Gem. § 31 VVG ist in der Fremdversicherung nåmlich nicht<br />
nur der Versicherte dem Versicherer zur vollståndigen <strong>und</strong><br />
wahrheitsgemåûen Auskunft verpflichtet, sondern ebenso<br />
die versicherungsnehmende Gesellschaft15 . Auch von dieser<br />
kann der Versicherer nach Eintritt des Versicherungsfalls<br />
also verlangen, jede Auskunft zu erteilen, ¹die zur Feststellung<br />
des Versicherungsfalls oder des Umfanges der Leistungspflicht<br />
des Versicherers erforderlich ist``16 . Darçber hinaus<br />
kann der Versicherer gem. § 31 VVG von der versicherungsnehmenden<br />
Gesellschaft ± wie vom Versicherten ± die Vorlage<br />
såmtlicher fçr seine Prçfung erforderlichen Unterlagen<br />
verlangen, soweit die Beschaffung zumutbar ist. <strong>Die</strong>s umfasst<br />
insbesondere Unterlagen zur Beurteilung der Haftpflichtfrage,<br />
also etwa Gesellschaftsvertråge, Geschåftsordnungen,<br />
Anstellungsvertråge, Aufhebungsvertråge, Abschriften des<br />
E-Mail-Verkehrs, Protokolle von Aufsichtsrats-, Vorstandsoder<br />
Geschåftsfçhrungssitzungen, Protokolle von Gesellschafterversammlungen,<br />
Strafverfahrensakten, Insolvenzgutachten<br />
etc. 17 . <strong>Die</strong> von den Streitparteien erhaltenen Informationen<br />
çber den Haftpflichtfall versetzen den Versicherer in<br />
die Lage, eine objektivierte Bewertung der Sach- <strong>und</strong> Rechtslage<br />
vorzunehmen. <strong>Die</strong>s wiederum ermæglicht es ihm, die<br />
Parteien von Fehlvorstellungen çber ihre jeweilige Rechtsposition<br />
abzubringen, die kontråren Ausgangspositionen einander<br />
anzunåhern <strong>und</strong> letztlich ± ggf. unter Zurverfçgungstellung<br />
von Geld aus der Versicherungssumme ± eine vergleichsweise<br />
Beilegung der Streitigkeit zu erreichen.<br />
Aus der Mediations-Funktion des Versicherers ergibt sich das<br />
Hauptargument gegen die ¹persænliche`` D&O-Versicherung<br />
(¹Einzelpolice``) 18 . Da diese nicht als Fremdversicherung von<br />
einem Unternehmen fçr seine Fçhrungskråfte geschlossen<br />
wird, sondern von einem Manager (als Eigenversicherung)<br />
fçr sich selbst, besteht keine Rechtsbeziehung zwischen Versicherer<br />
<strong>und</strong> Unternehmen. Folglich besteht auch weder eine<br />
Auskunftsobliegenheit des Unternehmens gegençber dem<br />
Versicherer, noch ein Interesse des Versicherers, das Unternehmen<br />
im Hinblick auf eine Vertragsbeziehung rçcksichtsvoll<br />
zu behandeln. <strong>Die</strong>s hat wiederum zur Folge, dass der<br />
Versicherer nicht ± wie bei der D&O-(Fremd-)versicherung ±<br />
schlichtend zwischen die Streitparteien tritt, sondern ausschlieûlich<br />
auf Seiten einer Partei, nåmlich des versicherungsnehmenden<br />
<strong>und</strong> versicherten Managers, als ¹Streithelfer`` tåtig<br />
wird. Es liegt auf der Hand, dass eine solche Konstellation,<br />
in der es an einem Mediator fehlt, viel schwerer zu einer<br />
vergleichsweisen Læsung findet, als wenn der Versicherer sich<br />
vermittelnd zwischen die Parteien stellt. Mangels Vertragsbeziehung<br />
zum anspruchstellenden Unternehmen hat der Versicherer<br />
vor allem kein Interesse daran, eine Eskalation zu<br />
vermeiden. Vielmehr wird er versuchen, den Haftpflichtstreit<br />
in das Unternehmen hineinzutragen, indem er anderen Managern<br />
Allein- oder Mitverantwortung vorwirft, um auf diese<br />
Weise den Haftungsanteil seines VersNehmers zu minimieren19<br />
. Das kann dazu fçhren, dass auf Seiten des ¹angreifenden``<br />
Unternehmens letztlich jeder gegen jeden kåmpft, vor<br />
allem dann, wenn die vom Versicherer in den Streit verwickelten<br />
weiteren Manager selber keine persænliche D&O-Versicherung<br />
(¹Einzelpolice``) besitzen <strong>und</strong> deshalb um ihre wirtschaftliche<br />
Existenz bangen mçssen.<br />
Auûerdem wird der Versicherer konsequent von § 86<br />
Abs. 1 S. 1 VVG Gebrauch machen. Hiernach geht ein<br />
12 Vgl. Ihlas, VW 2007, 660, 665, wonach ¹çber 90 Prozent der Fålle mit<br />
einem Vergleich abgeschlossen werden``; Sieg, in: Terbille (Hrsg)<br />
Mçnchener Anwaltshandbuch Versicherungs<strong>recht</strong>, 2. Aufl. 2008, § 17<br />
Rn 18, wonach ¹ein Groûteil der nicht von vornherein offensichtlich<br />
unbe<strong>recht</strong>igten D&O-Schadenfålle im Laufe der Zeit zwischen Versicherer<br />
<strong>und</strong> Anspruchsteller unter Einbeziehung der versicherten Personen<br />
einvernehmlich <strong>und</strong> wirtschaftlich vernçnftig geregelt`` wird;<br />
ebenso Klinkhammer, VP 2008, 82, 84; Lange, DStR 2002, 1626,<br />
1628.<br />
13 Dass der Versicherer zu Beginn eines Innenhaftungsfalls bisweilen<br />
mehr mit dem Versicherten als der Gesellschaft kommuniziert, wodurch<br />
diese mæglicherweise den Eindruck gewinnt, er arbeite gegen sie,<br />
liegt nicht daran, dass er seine Mediator-Funktion leugnen will. Ursache<br />
ist vielmehr, dass nach einer Ansprucherhebung durch die Gesellschaft<br />
erst einmal der Sachverhalt mit dem Versicherten aufgearbeitet<br />
werden muss, damit der Versicherer sich ein Bild von der Be<strong>recht</strong>igung<br />
des erhobenen Anspruchs machen kann. <strong>Die</strong> Gesellschaft hat ihre Sachverhaltsarbeit<br />
vor der Anspruchserhebung idR bereits abgeschlossen,<br />
der Versicherte <strong>und</strong> der Versicherer kænnen damit erst nach der Anspruchserhebung<br />
beginnen.<br />
14 Siehe auch Ihlas, VW 2007, 660, 665, der von einer ¹unverzichtbaren<br />
Vertragskonstruktion`` spricht.<br />
15 von Westphalen, VersR 2006, 17, 18. In der Regel wird das auch versicherungsvertraglich<br />
vereinbart, vgl. folgendes Klauselbeispiel: ¹<strong>Die</strong><br />
Versicherten <strong>und</strong> die Versicherungsnehmerin sind verpflichtet,unter<br />
Beachtung der Weisungen des Versicherers (. . .) alles zu tun,was der<br />
Klarstellung des Schadenfalles dient,sofern ihnen dabei nichts Unbilliges<br />
zugemutet wird. Sie haben den Versicherer bei (. . .) der Schadensermittlung<br />
<strong>und</strong> -regulierung zu unterstçtzen,ihm ausfçhrliche <strong>und</strong><br />
wahrheitsgemåûe Schadenberichte zu erstatten,alle Tatumstånde,die<br />
mit dem Anspruch oder dem gegen die Versicherten eingeleiteten Verfahren<br />
in Zusammenhang stehen oder stehen kænnten,mitzuteilen <strong>und</strong><br />
alle nach Ansicht des Versicherers fçr die Beurteilung des Schadenfalles<br />
erheblichen Schriftstçcke einzureichen.``<br />
16 Ebenso Haehling von Lanzenauer, in: Looschelders/Pohlmann (Hrsg.),<br />
VVG, <strong>2010</strong>, Anhang C D&O-Versicherung Rn 37.<br />
17 Ein åhnlicher Auskunftsanspruch steht dem in Anspruch genommenen<br />
Manager aus § 810 BGB gegen die anspruchstellende Gesellschaft zu<br />
(von Westphalen, VersR 2006, 17, 20).<br />
18 Zu weiteren Argumenten siehe Ihlas, D&O Directors & Officers Liability,<br />
2. Aufl. 2009, S. 335 f., wonach ¹erst die Firmenpolice einen guten<br />
Schutz bieten kann. Denn die Einzelpolice bietet nur eine niedrige<br />
Versicherungssumme. In Abhångigkeit vom Risiko wird beispielsweise<br />
bei einer Firmenpolicen-Versicherungssumme von 10 Mio. e fçr eine<br />
Einzelpolice nur eine Mio. e Versicherungssumme angeboten. Bei einem<br />
DAX-Unternehmen mit 300 Mio. e Versicherungssumme wçrde<br />
keine Einzelpolice angeboten. Fçr ein Risiko mit einer Versicherungssumme<br />
von typischerweise 100 Mio. e findet sich vielleicht ein Versicherer,<br />
der eine Einzelpolice mit einer Versicherungssumme von 3 bis<br />
maximal 5 Mio. e anbietet. Ein Kåufer wçrde sich dann aber wegen<br />
der Pråmienhæhe fçr eine Versicherungssumme zwischen 1 bis<br />
3 Mio. e entscheiden. Bezweckt wird mit den vergleichsweise niedrigen<br />
Versicherungssummen fçr die Einzelpolicen, dass die Pråmie bezahlbar<br />
bleibt. Andererseits sind herausragend hoch versicherte einzelne<br />
Organpersonen attraktiv fçr den Vorwurf, die fçr den Schaden<br />
hauptursåchliche Pflichtverletzung begangen zu haben. Dafçr findet<br />
sich kein Versicherer. Damit hat die Einzelpolice im Vergleich zur Firmenpolice<br />
bereits drei Nachteile. Sie kostet die sich selbst versichernde<br />
Person Geld beim Abschluss <strong>und</strong> Zeit fçr die Risikoprçfung <strong>und</strong> Verhandlung.<br />
Dann bietet sie eine niedrige Versicherungssumme. Der<br />
vierte Nachteil gegençber der Firmenpolice ergibt sich aus der gesamtschuldnerischen<br />
Haftung. Organmitglieder haften dem Geschådigten<br />
oft als Gesamtschuldner i. S. d. § 421 BGB. Im Innenverhåltnis zueinander<br />
besteht eine Ausgleichspflicht nach § 426 Abs. 1 S. 1 BGB. <strong>Die</strong><br />
Einzelpolicen leisten regelmåûig nur diesen ausgleichspflichtigen Teil<br />
als Schadenersatz. Entsprechende Regeln gelten dann fçr die Abwehrkosten.<br />
Das Regressrisiko gegen die nicht versicherten Organmitglieder<br />
gemåû § 426 Abs. 1 Satz 2 <strong>und</strong> Abs. 2 Satz 1 trågt der Versicherte.``<br />
19 In der D&O-Fremdversicherung wird der Versicherer idR nicht so vorgehen,<br />
weil er çber den von der VN geschlossenen Versicherungsvertrag<br />
nicht nur den konkret in Anspruch genommenen Manager versichert,<br />
sondern auch alle anderen Fçhrungskråfte, so dass es ihm meistens<br />
nichts nçtzt, den Streit auf weitere Personen auszuweiten.
Lange, <strong>Die</strong> D&O-Selbstbehalt-Versicherung <strong>r+s</strong> 3/<strong>2010</strong> 95<br />
Aufsåtze<br />
Ersatzanspruch, der dem Versicherungsnehmer im Zusammenhang<br />
mit dem Versicherungsfall gegen einen Dritten<br />
zusteht, auf den Versicherer çber, soweit dieser den Schaden<br />
ersetzt. Wenn der Versicherer den bei ihm versicherten<br />
Manager von einem Innenhaftungsanspruch des Unternehmens<br />
freistellen muss, wird er also Regressansprçche des<br />
Managers gegen fçr den Schaden mitverantwortliche Dritte,<br />
z. B. Geschåftsfçhrer-Kollegen, leitende Angestellte oder<br />
Aufsichtsråte des Unternehmens, durchsetzen, um zumindest<br />
einen Teil der gezahlten Versicherungsleistung wieder<br />
hereinzuholen. <strong>Die</strong> Einzelpolice birgt deshalb die Gefahr,<br />
dass ein Unternehmen durch Erhebung eines Innenhaftungsanspruchs<br />
eine nicht mehr zu kontrollierende Prozesslawine<br />
auslæst.<br />
Eine weitere Gefahr droht dem versicherungsnehmenden<br />
Manager. Wird bekannt, dass er (persænlich) versichert ist,<br />
zieht er Haftpflichtansprçche auf sich ¹wie Speck die Måuse``.<br />
Sind mehrere Geschåftsfçhrer oder Vorstandsmitglieder<br />
fçr einen Schaden verantwortlich, haften sie als Gesamtschuldner,<br />
so dass der Geschådigte sich aussuchen kann, von<br />
wem er Schadenersatz verlangt. Ist nur einer versichert,<br />
wird der Geschådigte vorrangig diesen in Anspruch nehmen,<br />
weil er sich um dessen Bonitåt nicht sorgen muss20 . Da der<br />
¹persænliche`` D&O-Versicherer somit letztlich fçr den Gesamt<strong>schaden</strong><br />
aufkommen muss (wenn auch mit Regressmæglichkeit),<br />
entspricht die Pråmie einer Einzelpolice bei<br />
identischer Versicherungssumme in etwa derjenigen einer<br />
Firmenversicherung21 . Zwar låsst sich das Risiko, Haftpflichtansprçche<br />
auf einen persænlich versicherten Manager<br />
zu fokussieren, senken, indem die Einzelpolice absolut vertraulich<br />
behandelt wird. Spåtestens wenn der Versicherer<br />
nach dem ersten Schadenfall regressiert, wird der Versicherungsschutz<br />
aber offenbar. Und wie die dann in Regress<br />
genommenen nicht versicherten Manager gegençber dem<br />
versicherten Kollegen reagieren werden, ist leicht vorstellbar22<br />
.<br />
All dies macht deutlich, dass eine D&O-Einzelpolice keine<br />
ebenbçrtige Alternative zur D&O-Firmenpolice darstellt. Da<br />
sie dem Unternehmensfrieden weitaus mehr schadet als sie<br />
ihm nutzt, liegt es vor allem im Interesse der Unternehmen,<br />
durch die Besorgung von Versicherungsschutz çber Firmenpolicen<br />
zu verhindern, dass ihre Manager sich mit Einzelpolicen<br />
¹bewaffnen``23 . Nur das wegen § 93 Abs. 2 S. 3<br />
AktG verbleibende Selbstbehaltrisiko sollte also durch Einzelpolicen<br />
abgesichert werden. Setzt sich diese Erkenntnis<br />
durch, ist nicht damit zu rechnen, dass § 93 Abs. 2 S. 3<br />
AktG tatsåchlich zur flåchendeckenden Ersetzung der<br />
(selbstbehaltpflichtigen) gesellschaftsfinanzierten D&O-Firmenpolice<br />
durch (selbstbehaltfreie) eigenfinanzierte D&O-<br />
Einzelpolicen fçhren wird.<br />
III. Versicherung des Selbstbehalts durch eine Selbstbehalt-Versicherung<br />
Soll der Pflichtselbstbehalt durch eine Selbstbehalt-Versicherung<br />
abgesichert werden, stellt sich ± zumindest derzeit ± das<br />
Problem, dass die angebotenen SB-Versicherungen åuûerst<br />
unterschiedlich sind24 . <strong>Die</strong> Unterschiede betreffen nicht nur<br />
Details, sondern gr<strong>und</strong>såtzliche konzeptionelle Aspekte. Aus<br />
Raumgrçnden kann im Folgenden nur auf wesentliche konzeptionelle<br />
Unterschiede eingegangen werden. <strong>Die</strong> Detailunterschiede,<br />
die fçr die Wahl des passenden Versicherungsprodukts<br />
bisweilen ausschlaggebend sein kænnen, sollte sich<br />
der Verbraucher ± Vorstandsmitglieder sind als Versicherungsnehmer<br />
Verbraucher im Sinne des § 13 BGB25 ± von<br />
seinem Versicherungsvermittler erlåutern lassen. Auch ein<br />
Vergleich der Produktinformationsblåtter der Versicherer<br />
kann hilfreich sein 26 .<br />
1. Der Risikotråger einer Selbstbehalt-Versicherung<br />
In der Regel bieten die Versicherer SB-Versicherungen nur<br />
den Vorstandsmitgliedern an, die bereits çber eine Firmenoder<br />
Konzernpolice bei ihnen D&O-versichert sind 27 . <strong>Die</strong><br />
meisten Versicherer lehnen es ab, ein Vorstandsmitglied mit<br />
einer SB-Versicherung auszustatten, wenn die D&O-Versicherung,<br />
deren Selbstbehaltvereinbarung den Abschluss einer<br />
SB-Versicherung erst erforderlich macht, von einem anderen<br />
Versicherer gestellt wird. Praktisch kann ein Vorstandsmitglied<br />
eine SB-Versicherung also nur bei dem Versicherer<br />
abschlieûen, bei dem die D&O-Versicherung des<br />
Unternehmens bzw. Konzerns besteht.<br />
¹Der Versicherer bietet Versicherungsschutz fçr den Fall,<br />
dass der Versicherungsnehmer aufgr<strong>und</strong> des gesetzlich vorgesehenen<br />
Selbstbehalts gemåû § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG in<br />
Anspruch genommen wird. (. . .) Der Versicherungsschutz<br />
wird nur geboten,sofern das Unternehmen,bei dem der<br />
Versicherungsnehmer als Vorstand tåtig ist,eine bestehende<br />
20 Held, in: Halm/Engelb<strong>recht</strong>/Krahe (Hrsg), Handbuch des FA Versicherungs<strong>recht</strong>,<br />
3. Aufl. 2008, 33. Kapitel, Rn 24; Ihlas, D&O Directors<br />
& Officers Liability, 2. Aufl. 2009, S. 336; Pammler, <strong>Die</strong> gesellschaftsfinanzierte<br />
D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktien<strong>recht</strong>s,<br />
2006, S. 31; siehe auch FTD vom 1. 8. 08: ¹Versicherer preisen die individuelle<br />
Managerhaftpflicht nur ungern an. Einige Anbieter wie<br />
<strong>VOV</strong> verkaufen D&O-Policen zwar an Unternehmen, nicht aber einzeln<br />
an Manager. Das Problem ist nåmlich die gesamtschuldnerische<br />
Haftung. Verursachen mehrere Geschåftsfçhrer oder Vorstånde einen<br />
Schaden gemeinsam, kænnen Anspruchsteller von jedem den gesamten<br />
Ausgleich verlangen. ¹Ist in einem Gremium nur ein einzelner Geschåftsfçhrer<br />
versichert, wird immer nur er belangt werden, auch wenn<br />
eigentlich der Kollege fçr den Schaden verantwortlich ist``, sagt <strong>Die</strong>derik<br />
Sutorius, Geschåftsfçhrer bei <strong>VOV</strong>.``<br />
21 Pammler, <strong>Die</strong> gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld<br />
des Aktien<strong>recht</strong>s, 2006, S. 31; Sieg, in: Terbille (Hrsg)<br />
Mçnchener Anwaltshandbuch Versicherungs<strong>recht</strong>, 2. Aufl. 2008, § 17<br />
Rn 69. Siehe auch Ihlas, D&O Directors & Officers Liability, 2. Aufl.<br />
2009, S. 335 f.<br />
22 Insoweit hilft es wenig, das Geheimhalten einer persænlichen<br />
D&O-Versicherung pråmiensenkend zu berçcksichtigen, wie es in der<br />
Praxis bisweilen gehandhabt wird, vgl. FTD vom 1. 8. 08: ¹Gr<strong>und</strong>såtzlich<br />
mçsse der K<strong>und</strong>e fçr eine individuelle Managerhaftpflicht-Police<br />
genauso viel bezahlen wie das Unternehmen fçr einen D&O-Vertrag,<br />
sagt Udo Pçtzer, Geschåftsfçhrer der Zeichnungsagentur Dual, die im<br />
Auftrag von Arch Insurance D&O-Vertråge in Deutschland verkauft.<br />
(. . .) Doch die Pråmie, die der Manager aus eigener Tasche zahlen<br />
muss, låsst sich senken. Auf Wunsch baut Dual eine Verschwiegenheitsklausel<br />
in den Vertrag ein. Der K<strong>und</strong>e verpflichtet sich damit, den Arbeitgeber<br />
nicht çber die Police zu informieren. Auf solche Klauseln gewåhrt<br />
Dual bis zu 30 Prozent Pråmienrabatt.``<br />
23 Das gilt auch dann, wenn eine persænliche D&O-Versicherung nur<br />
subsidiår zu einer Firmenpolice abgeschlossen wird. <strong>Die</strong> Subsidiaritåt<br />
¹entschårft`` eine persænliche D&O-Versicherung nur vorçbergehend.<br />
Spåtestens wenn die eine Subsidiaritåt begrçndenden Umstånde entfallen<br />
<strong>und</strong> die persænliche D&O-Versicherung dadurch ¹scharf`` wird,<br />
treten all die Effekte ein, derentwegen die persænliche D&O-Versicherung<br />
weder im Interesse des Vorstandsmitglieds noch der Gesellschaft<br />
liegt.<br />
24 Vgl. FTD vom 4. 12. 09, wonach ¹die verwirrende <strong>und</strong> sich teils widersprechende<br />
Angebotssituation aufseiten der Versicherer immer wieder<br />
zu Irritationen`` fçhrt.<br />
25 § 13 BGB lautet: ¹Verbraucher ist jede natçrliche Person, die ein<br />
Rechtsgeschåft zu einem Zweck abschlieût, der weder ihrer gewerblichen<br />
noch ihrer selbståndigen beruflichen Tåtigkeit zugerechnet werden<br />
kann.``<br />
26 Einem VN, der Verbraucher ist, haben die Versicherer gem. § 4 VVG-<br />
InfoV Produktinformationsblåtter zur Verfçgung zu stellen. Im Falle<br />
eines fehlenden Produktinformationsblatts kommt gem. § 8 VVG der<br />
Widerruf eines geschlossenen Versicherungsvertrags in Betracht.<br />
27 Ist das nicht der Fall, wird dem Vorstandsmitglied nahe gelegt, dafçr<br />
zu sorgen, dass die andere D&O-Versicherung zeitnah aufgegeben <strong>und</strong><br />
der Versicherungsvertrag auf den SB-Versicherer umgedeckt wird, vgl.<br />
FTD vom 8. 7. 09: ¹Versicherer kænnten die Policen fçr Manager als<br />
Akquisitionsgelegenheit nutzen, um auch die D&O-Police des Unternehmens<br />
zu bekommen``.
96 <strong>r+s</strong> 3/<strong>2010</strong> Lange, <strong>Die</strong> D&O-Selbstbehalt-Versicherung<br />
Aufsåtze<br />
Vermægens<strong>schaden</strong>-Haftpflichtversicherung fçr Organe juristischer<br />
Personen bei dem Versicherer dieses Vertrags unterhålt<br />
(Unternehmenspolice)``28 .<br />
<strong>Die</strong> Weigerung der Versicherer, SB-Versicherungen auf fremde<br />
D&O-Versicherungen zu verkaufen, beruht vor allem29 auf<br />
der Befçrchtung, im Schadenfall der Regulierung eines fremden<br />
Versicherers ausgesetzt zu sein. Da der D&O-Versicherer<br />
zunåchst die Anspruchsabwehr organisiert <strong>und</strong> finanziert, der<br />
SB-Versicherer sich hingegen heraushålt, weil er nur die Freistellung<br />
vom Selbstbehalt (nicht aber die Anspruchsabwehr<br />
bis zur Hæhe des Selbstbehalts) schuldet30 ,<br />
¹Der Versicherungsschutz umfasst die Erstattung des Selbstbehaltes,der<br />
von dem Versicherungsnehmer unter dem<br />
D&O-Versicherungsvertrag der Gesellschaft zu tragen ist.<br />
<strong>Die</strong> Erstattung erfolgt unmittelbar an den Versicherungsnehmer.``<br />
¹Versichert ist der bedingungsgemåûe Selbstbehalt,den der<br />
Versicherungsnehmer als Vorstandsmitglied einer deutschen<br />
Aktiengesellschaft aufgr<strong>und</strong> der Befriedigung von Haftpflichtansprçchen<br />
(Schadenzahlung) im Rahmen eines<br />
D&O-Versicherungsvertrages selbst zu tragen hat.``<br />
¹Der Versicherungsschutz besteht im Verzicht des Versicherers<br />
auf die Geltendmachung des VorstAG-Selbstbehalts``31 .<br />
hat letzterer keinen Einfluss auf den Erfolg der Abwehrbemçhungen.<br />
Somit hångt seine Eintrittspflicht vom Abwehrwillen<br />
<strong>und</strong> -geschick des ersteren ab. Der Abwehrwille<br />
des D&O-Versicherers wird aber umso geringer sein, je græûer<br />
der Anteil des Selbstbehalts ± <strong>und</strong> damit des SB-Versicherers<br />
± an der Haftpflichtforderung ist. Weiû der D&O-Versicherer,<br />
dass er durch die Haftpflichtforderung nach Abzug<br />
des Selbstbehalts nicht oder nur noch geringfçgig belastet<br />
wird, lohnt es sich fçr ihn nicht, græûere Betråge in die<br />
Anspruchsabwehr zu investieren32 . Viel lohnenswerter ist es,<br />
den Versicherungsfall auf Kosten des SB-Versicherers so zu<br />
erledigen, dass dieser den Selbstbehalt an den Geschådigten<br />
auszahlen muss. Aber selbst wenn der D&O-Versicherer ein<br />
eigenes Interesse an effektiver Anspruchsabwehr hat, mag er<br />
sich unter Umstånden ungeschickt verhalten. Dann droht<br />
dem SB-Versicherer eine Leistungspflicht, obwohl es ihm<br />
mæglicherweise gelungen wåre, den Anspruch weitergehend<br />
oder sogar ganz abzuwehren. Und wenn der D&O-Versicherer<br />
einen Haftungsvergleich im Namen des Versicherten<br />
schlieût, droht dem SB-Versicherer selbst dann eine Leis-<br />
28 Bei dieser <strong>und</strong> den im Folgenden wiedergegebenen Klauseln handelt es<br />
sich um Beispiele aus der Praxis.<br />
29 Zu weiteren denkbaren Erwågungen der Versicherer siehe Ihlas, VW<br />
2009, 1360: ¹Wenn der Versicherer der Gesellschaft nicht gleichzeitig<br />
der SB-Versicherer ist, kann die Beschaffung der vom SB-Versicherer<br />
geforderten Policeninformationen mçhsam werden. Bei den Industrie<strong>und</strong><br />
Konzern<strong>und</strong>erwritern wird wenig Begeisterung aufkommen, Einzelpolicen<br />
mit komplexem Underwriting zu bearbeiten. Viel Arbeit fçr<br />
wenig Geld bei noch unbekannten Trefferquoten macht keinen Spaû.``<br />
30 Einige SB-Versicherungen erstrecken sich zwar auch auf die Kosten der<br />
Anspruchsabwehr bis zur Hæhe des Selbstbehalts (Bsp.: ¹Der Versicherer<br />
bietet Versicherungsschutz fçr den Fall, dass der Versicherungsnehmer<br />
aufgr<strong>und</strong> des gesetzlich vorgesehenen Selbstbehalts gemåû § 93<br />
Abs. 2 Satz 3 AktG in Anspruch genommen wird. (. . .) Der Versicherungsschutz<br />
umfasst die Abwehr unbe<strong>recht</strong>igter Schadenersatzansprçche<br />
<strong>und</strong> die Freistellung des Versicherungsnehmers von be<strong>recht</strong>igten<br />
Schadenersatzverpflichtungen.``). Derartige Regelungen liegen<br />
aber nur im Interesse des VN, wenn die Abwehrkosten nicht die Versicherungssumme<br />
der SB-Versicherung verbrauchen. Andernfalls besteht<br />
die Gefahr, dass nichts oder nicht genug fçr die Freistellung vom<br />
Selbstbehalt çbrig bleibt. In der Regel ist allerdings das Gegenteilige<br />
(Verbrauch der Versicherungssumme durch Abwehrkosten) in den AVB<br />
vorgesehen (Bsp.: ¹<strong>Die</strong> Versicherungssumme stellt die Hæchstleistung<br />
des Versicherers pro gemeldetem Schadenfall <strong>und</strong> fçr alle wåhrend eines<br />
Versicherungsjahres gemeldeten Schadenfålle dar. Abwehrkosten<br />
sind darin inbegriffen.`` ).<br />
tungspflicht im Umfang des Selbstbehalts, wenn er sich angesichts<br />
der Sach- <strong>und</strong> Rechtslage nicht oder nicht so verglichen<br />
håtte. Mæglicherweise kann er sich dann zwar gegençber<br />
seinem VN darauf berufen, dass der Vergleich ihn nicht<br />
binde33 , sicher ist das jedoch nicht34 .<br />
Da im Allgemeinen niemand sein Schicksal gerne in die<br />
Hånde eines Konkurrenten legt, ist es verståndlich, dass die<br />
SB-Versicherer idR darauf achten, nur solche Vorstandsmitglieder<br />
zu versichern, fçr deren Anspruchsabwehr sie bereits<br />
aus einem D&O-Versicherungsvertrag zuståndig sind. Es<br />
liegt aber nicht nur im Interesse der Versicherer, D&O-Versicherung<br />
<strong>und</strong> SB-Versicherung in einer Hand zu bçndeln.<br />
Auch die versicherten Vorstandsmitglieder profitieren von<br />
dieser Konstellation weit mehr, als wenn die Risikotråger<br />
nicht identisch sind35 . Bei unterschiedlichen Risikotrågern<br />
besteht fçr den jeweiligen Versicherten vor allem das Risiko<br />
von Deckungslçcken wegen inkongruenter Ausgestaltung<br />
der D&O-Versicherung einerseits <strong>und</strong> der SB-Versicherung<br />
andererseits. Denkbar ist etwa, dass abweichende Risikoausschlçsse<br />
oder Obliegenheiten bestehen36 . <strong>Die</strong> ungeteilte Verantwortlichkeit<br />
nur eines Versicherers verhindert auûerdem<br />
Streitigkeiten, die auf dem Rçcken des Versicherten ausgetragen<br />
werden, namentlich die bereits erwåhnten Streitigkeiten<br />
çber die Sachge<strong>recht</strong>igkeit einer (letztlich erfolglosen) Anspruchsabwehr<br />
<strong>und</strong> çber die Angemessenheit eines Haftungsvergleichs.<br />
Nach erfolgloser Anspruchsabwehr wird der<br />
SB-Versicherer insbes. rçgen, dass der D&O-Versicherer fehlerhaft<br />
agiert habe. Mit dieser Behauptung wird er eine Verletzung<br />
der Schadenminderungsobliegenheit des Vorstands-<br />
31 <strong>Die</strong>se Leistungsbestimmung beruht auf einer Besonderheit der vom<br />
Versicherer im Rahmen seiner D&O-Versicherung getroffenen Selbstbehaltvereinbarung.<br />
Sie besteht darin, dass der Versicherer seine Schadenzahlung<br />
aus der D&O-Versicherung nicht direkt um den vereinbarten<br />
Selbstbehalt des Versicherten kçrzt (bzw. nicht erst im Anschluss an<br />
den Selbstbehalt leistet, sog. ¹Anschlussmodell``), sondern zunåchst<br />
den gesamten Schaden des Haftpflichtglåubigers ersetzt <strong>und</strong> dann im<br />
Umfang des Selbstbehalts beim Versicherten Regress nimmt. Vor diesem<br />
Hintergr<strong>und</strong> kann die Leistung aus der SB-Versicherung darin bestehen,<br />
dass der Versicherer auf den ihm aus der D&O-Versicherung<br />
zustehenden Regress verzichtet. Von einer Ausgestaltung der<br />
D&O-Selbstbehaltvereinbarung nach diesem sog. ¹Regressmodell``<br />
(auch ¹Vorleistungsmodell`` genannt) ist aus Sicht der von dem Selbstbehalt<br />
betroffenen Vorstandsmitglieder dringend abzuraten. Der Regress<br />
des D&O-Versicherers gegen Vorstandsmitglieder zum Zwecke<br />
der Erlangung des Selbstbehalts fçhrt nåmlich dazu, dass Versicherer<br />
<strong>und</strong> Versicherter sich, bezogen auf die Haftpflichtforderung (die nun ja<br />
vom Versicherer gegen den Versicherten verfolgt wird) letztlich als<br />
Gegner gegençberstehen. Durch diese von Anfang an vorhersehbare<br />
Perspektive ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Versicherer<br />
<strong>und</strong> Versichertem, wie sie zur Verteidigung des Versicherten<br />
gegen den Haftpflichtanspruch der Gesellschaft erforderlich ist, praktisch<br />
ausgeschlossen. Der Versicherte wird bei allem, was er dem Versicherer<br />
anvertraut, von Anfang an damit rechnen mçssen, dass der<br />
Versicherer das erlangte Wissen spåtestens im Regressprozess gegen ihn<br />
verwenden wird.<br />
32 Mæglicherweise darf der D&O-Versicherer in diesen Fållen noch nicht<br />
einmal viel Abwehraufwand betreiben. Da die Versicherungssumme<br />
nicht nur einem Versicherten zusteht, sondern allen Versicherten fçr<br />
den Zeitraum einer Versicherungsperiode, ist er nåmlich zum wirtschaftlichen<br />
Umgang mit der Versicherungssumme verpflichtet.<br />
33 Zur Bindungswirkung eines vom VN (oder in dessen Namen) geschlossenen<br />
Vergleichs fçr den Haftpflichtversicherer des VN siehe Lange,<br />
VersR 2006, 1313 ff.<br />
34 <strong>Die</strong> Unsicherheit rçhrt daher, dass die Gr<strong>und</strong>såtze der Bindungswirkung<br />
eines Vergleichs aus den Vorschriften çber die Haftpflichtversicherung,<br />
dort namentlich aus § 105 VVG, abgeleitet werden <strong>und</strong> ungewiss<br />
ist, ob eine SB-Versicherung çberhaupt eine Haftpflichtversicherung<br />
darstellt, soweit sie den Versicherer nicht ± wie § 100 VVG fçr<br />
die Haftpflichtversicherung voraussetzt ± auch dazu verpflichtet ¹unbegrçndete<br />
Ansprçche abzuwehren``. Ungeklårt ist derzeit ferner, ob<br />
eine analoge Anwendung der Gr<strong>und</strong>såtze çber die Bindungswirkung<br />
auf eine Versicherung in Betracht kommt, die keine Haftpflichtversicherung<br />
ist.<br />
35 Ebenso Albers, CCZ 2009, 222, 226; Olbrich/Kassing, BB 2009, 1659,<br />
1662; ferner AON FSG-Report Oktober 2009, S. 5.<br />
36 Olbrich/Kassing, BB 2009, 1659, 1662.
Lange, <strong>Die</strong> D&O-Selbstbehalt-Versicherung <strong>r+s</strong> 3/<strong>2010</strong> 97<br />
Aufsåtze<br />
mitglieds rçgen, welches sich das Verhalten seines<br />
D&O-Versicherers zurechnen lassen muss. Mit der angeblichen<br />
Obliegenheitsverletzung wird der SB-Versicherer eine<br />
zumindest teilweise Leistungsfreiheit gem. § 28 VVG anstreben.<br />
Und angesichts eines Haftungsvergleichs wird der SB-<br />
Versicherer seine Leistungspflicht gegençber dem VersNehmer,<br />
wie schon gesagt, mit dem Argument bestreiten, dass<br />
ihn dieser Vergleich nicht binde. Potential fçr Streitigkeiten<br />
auf dem Rçcken des Versicherten besteht selbst dann, wenn<br />
der SB-Versicherer vertraglich eingeråumt hat, der Regulierungsentscheidung<br />
des D&O-Versicherers zu folgen.<br />
¹Eine Schadenzahlung des D&O-Versicherers der Aktiengesellschaft<br />
læst ohne weitere Prçfung die Zahlungsverpflichtung<br />
dieser Selbstbehaltversicherung aus``37 .<br />
Denkbar ist nåmlich, dass der SB-Versicherer sich darauf<br />
beruft, an die vereinbarte Folgepflicht gem. § 242 BGB wegen<br />
der besonderen Umstånde des Einzelfalls nicht geb<strong>und</strong>en<br />
zu sein. So muss mit der Argumentation gerechnet werden,<br />
der D&O-Versicherer, dessen Verhalten sich der VersNehmer<br />
zurechnen lassen muss, habe die Haftpflichtforderung<br />
zwar oberhalb des Selbstbehalts mit Erfolg bekåmpft, um<br />
eine eigene Belastung zu vermeiden, bis zur Hæhe des ± von<br />
ihm ja nicht zu tragenden ± Selbstbehalts aber absichtlich<br />
geringere Bemçhungen entfaltet, um dadurch einem Konkurrenten,<br />
dem SB-Versicherer, zu <strong>schaden</strong>.<br />
2. Das Anrechnungs- <strong>und</strong> das Zusatzkapazitåtsmodell<br />
Infolge der Identitåt von D&O- <strong>und</strong> SB-Versicherer kænnen Kapazitåtsprobleme<br />
auftreten. Hiermit ist gemeint, dass der Versicherer fçr ein<br />
Risiko, fçr das er bislang ± unter der D&O-Versicherung ± nur eine<br />
bestimmte Versicherungssumme zur Verfçgung gestellt hat, nunmehr ±<br />
durch das Hinzukommen von SB-Versicherungen ± weitere Versicherungssummen<br />
(¹Kapazitåten``) zur Verfçgung stellen muss (¹Zusatzkapazitåtsmodell``)<br />
38 , so dass sich seine Risikoexposition erhæht. Da<br />
jeder Versicherer eine interne Risikoobergrenze definiert hat, um ¹total<br />
losses`` auf einzelne Risiken zu beherrschen, kann es sein, dass ein<br />
Versicherer Probleme damit hat, neben der Versicherungssumme fçr die<br />
D&O-Versicherung (ausreichende) Zusatzkapazitåten fçr alle weiteren<br />
benætigten SB-Versicherungen anzubieten39 . Vor diesem Hintergr<strong>und</strong><br />
sehen einige SB-Versicherer in ihren AVB vor, dass die Versicherungssumme<br />
der SB-Versicherung auf die Versicherungssumme der<br />
D&O-Versicherung angerechnet wird (¹Anrechnungsmodell``). Damit<br />
ist letztlich gemeint, dass Leistungen, die aus der SB-Versicherung erbracht<br />
werden, die Versicherungssumme der D&O-Versicherung verbrauchen.<br />
Das ist bisweilen ganz offen geregelt,<br />
¹Im Leistungsfall wird die Zahlung aus der SB-Versicherung mit der im<br />
D&O-Vertrag fçr Schadenersatzleistungen vorgesehenen Versicherungssumme<br />
verrechnet.``<br />
¹<strong>Die</strong> Verpflichtung des Versicherers fçr såmtliche fçr einen Versicherungsfall<br />
<strong>und</strong> insgesamt fçr alle Versicherungsfålle einer Versicherungsperiode<br />
unter<br />
. vorliegender Versicherung,<br />
. anderen bei dem Versicherer abgeschlossenen Selbstbehaltversicherungen<br />
zugunsten von Vorstandsmitgliedern der Versicherungsnehmerin<br />
der Unternehmens-D&O oder eines ihrer Tochterunternehmen<br />
<strong>und</strong><br />
. der Unternehmens-D&O zu erbringenden Leistungen ist begrenzt<br />
durch die im Versicherungsschein der Unternehmens-D&O angegebene<br />
Versicherungssumme.``<br />
manchmal aber auch im Bedingungswerk versteckt, etwa in einer ¹Kumulklausel``:<br />
¹Ist der geltend gemachte Schaden unter mehreren D&O-Vertrågen des<br />
Versicherers dieses Vertrages gedeckt,so ist die Leistung des Versiche-<br />
37 Es ist schwer nachzuvollziehen, was einen Versicherer dazu bewegt,<br />
sein Schicksal derart in die Hånde anderer Versicherer, seiner Konkurrenten<br />
(!), zu legen. Jedenfalls gençgt angesichts dieser Regelung eine<br />
Schadenzahlung des D&O-Versicherers in Hæhe eines Cents, um den<br />
SB-Versicherer zur Zahlung des vollen Selbstbehalts zu zwingen.<br />
rers insgesamt auf die hæchste seiner summenmåûigen Beteiligungen je<br />
Versicherungsfall <strong>und</strong> Versicherungsperiode begrenzt.``<br />
Derartige Regelungen in einer SB-Versicherung sind als unzulåssiger<br />
Vertrag zulasten Dritter unwirksam 40 , wenn sie nicht durch entsprechende<br />
Regelungen im D&O-Versicherungsvertrag legitimiert werden.<br />
Das liegt auf der Hand, da die Vertragsparteien der SB-Versicherung<br />
(Vorstandsmitglied <strong>und</strong> Versicherer) nicht vollståndig mit denen der<br />
D&O-Versicherung (Gesellschaft <strong>und</strong> Versicherer) identisch sind. Allerdings<br />
stellt sich die Frage, ob in der D&O-Versicherung çberhaupt<br />
wirksam vereinbart werden kann, dass die Versicherungssumme durch<br />
die Erfçllung von Leistungspflichten verbraucht wird, die sich aus<br />
anderen Vertrågen ± den SB-Versicherungen ± ergeben. Dagegen spricht<br />
bereits § 93 Abs. 2 S. 3 AktG. Wenn eine aus einer SB-Versicherung<br />
erbrachte Leistung die Versicherungssumme der D&O-Versicherung<br />
verbraucht, wird der fçr die D&O-Versicherung gesetzlich geforderte<br />
Pflichtselbstbehalt zwar unmittelbar aus der SB-Versicherung, mittelbar<br />
aber aus der D&O-Versicherung aufgebracht. Folglich wird er nicht<br />
nur aus der vom Vorstandsmitglied fçr die SB-Versicherung, sondern<br />
auch aus der von der Gesellschaft fçr die D&O-Versicherung gezahlten<br />
Pråmie finanziert. Das widerspricht § 93 Abs. 2 S. 3 AktG, wonach die<br />
Gesellschaft eine D&O-Versicherung nur bis zur Grenze des Pflichtselbstbehalts,<br />
nicht aber darçber hinaus, abschlieûen <strong>und</strong> bezahlen<br />
darf 41 . Das Anrechnungsmodell ist also nicht gesetzeskonform, weil es<br />
entgegen der Vorgabe des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG dazu fçhrt, dass die<br />
38 <strong>Die</strong> Frage, wie hoch die Versicherungssumme einer SB-Versicherung<br />
sein sollte, låsst sich nicht allein mit einem Hinweis auf das 1,5-fache<br />
des Jahresfestgehalts eines zu versichernden Vorstandsmitglieds beantworten.<br />
<strong>Die</strong>ser Betrag bildet nach der Gesetzesbegrçndung zu § 93<br />
Abs. 2 S. 3 AktG nåmlich lediglich die Obergrenze fçr den Selbstbehalt,<br />
den ein Vorstandsmitglied fçr alle Schåden befçrchten muss,<br />
die es innerhalb eines Jahres pflichtwidrig verursacht hat (BT-<br />
Drucks. 16/13 433, S. 17). Wer in verschiedenen Jahren verschiedene<br />
Schåden pflichtwidrig verursacht, muss nicht nur mit einem Pflichtselbstbehalt<br />
in Hæhe eines 1,5-fachen Jahresfestgehalts, sondern mit<br />
mehreren derartiger Pflichtselbstbehalte rechnen. Sicherheitshalber<br />
sollte ein Vorstandsmitglied deshalb mehr als das 1,5-fache seines derzeitigen<br />
Jahresfestgehalts als Versicherungssumme fçr die Selbstbehaltversicherung<br />
wåhlen (ebenso: AON FSG-Report Oktober 2009, S. 9).<br />
Aus Sicht des VN ungeeignet ist vor diesem Hintergr<strong>und</strong> folgende einer<br />
SB-Versicherung entnommene Klausel, die die Leistung aus der SB-Versicherung<br />
pro Versicherungsperiode auf das 1,5-fache des Jahresfestgehalts<br />
begrenzt: ¹<strong>Die</strong> Leistungspflicht des Versicherers innerhalb einer<br />
Versicherungsperiode ist je Versicherungsfall <strong>und</strong> fçr alle Versicherungsfålle<br />
zusammen auf die im Versicherungsschein genannte Dekkungssumme<br />
begrenzt,maximal jedoch auf das Eineinhalbfache der festen<br />
jåhrlichen Vergçtung des versicherten Vorstandsmitgliedes.``<br />
39 Albers, CCZ 2009, 222, 226. <strong>Die</strong> Pråmie fçr eine SB-Versicherung auf<br />
Basis des Zusatzkapazitåtsmodells liegt laut FTD vom 19. 10. 09 <strong>und</strong><br />
Bærsen-Zeitung vom 4. 12. 09 bei bis zu 40 000 Euro. Laut FTD vom<br />
4. 12. 09 ¹gelten Preise von 10 000 e bis 20 000 e``. Albers, CCZ<br />
2009, 222, 226, berichtet von einer Spannbreite ¹von e 1200 pro Million<br />
(nicht fçr DAX-Unternehmen) bis zu e 50 000 pro SB-Police``.<br />
40 Zum Vertrag zulasten Dritter <strong>und</strong> seiner Unwirksamkeit siehe BGHZ<br />
54, 247; 61, 361; 68, 231; 78, 374.<br />
41 Unrichtig insoweit Albers, CCZ 2009, 222, 226: ¹Hat der Versicherer<br />
bereits Maximalkapazitåten auf der Unternehmenspolice platziert,<br />
kænnen fçr SB-Deckungen ggf. keine weiteren Kapazitåten ausgegeben<br />
werden. Eine Læsung bietet hier das Modell, dass der Unternehmensversicherer<br />
unter Anrechnung auf die Versicherungssumme bei einem<br />
erstattungsfåhigen D&O-Schaden auch fçr den SB in Vorleistung tritt,<br />
Zug um Zug gegen Abtretung des Schadensersatzanspruchs gegen das<br />
Organmitglied. Versichert derselbe Versicherer auch das individuelle<br />
SB-Risiko der Organmitglieder, so kann er den abgetretenen Schadensersatzanspruch<br />
mit der SB-Police verrechnen. Ein Kumul ergibt sich dadurch<br />
fçr ihn nicht. Fçr das Unternehmen hat diese Regelung den Vorteil,<br />
dass es die vollståndige versicherte Schadensersatzzahlung aus einer<br />
Hand von dem Versicherer erhålt. Der Versicherer çbernimmt in<br />
Hæhe des Selbstbehaltes das Regressrisiko. Hierin liegt auch kein Verstoû<br />
gegen § 93 AktG. <strong>Die</strong> betroffenen Vorstånde tragen auch bei Vorleistung<br />
den Selbstbehalt, lediglich der Schuldner wechselt aufgr<strong>und</strong><br />
der Abtretung. Unzulåssig wåre allerdings, dies mit einer Vereinbarung<br />
zu verbinden, die abgetretenen Forderungen nicht oder weniger strikt<br />
durchzusetzen.`` Das ist unrichtig, weil jede Anrechnung einer Leistung<br />
aus der SB-Versicherung auf die D&O-Versicherung letztlich eine teilweise<br />
Finanzierung des Pflichtselbstbehalts durch die von der Gesellschaft<br />
gezahlte D&O-Versicherungspråmie enthålt (zum anderen Teil<br />
wird der Pflichtselbstbehalt durch die vom Vorstandsmitglied gezahlte<br />
Pråmie fçr die SB-Versicherung finanziert). Zu dem von Albers fçr die<br />
Selbstbehaltvereinbarung im D&O-Versicherungsvertrag befçrworteten<br />
Regressmodell siehe oben in Fuûnote 31.
98 <strong>r+s</strong> 3/<strong>2010</strong> Lange, <strong>Die</strong> D&O-Selbstbehalt-Versicherung<br />
Aufsåtze<br />
Aufbringung des Pflichtselbstbehalts durch ein Vorstandsmitglied von<br />
der Gesellschaft bezuschusst wird 42 .<br />
Im Ûbrigen sprechen AGB-<strong>recht</strong>liche Bedenken gegen das<br />
Anrechnungsmodell. Es dçrfte eine çberraschende (§ 305 c<br />
Abs. 1 BGB) <strong>und</strong> eine unangemessene (§ 307 BGB) Benachteiligung<br />
des VersNehmers einer SB-Versicherung darstellen,<br />
wenn er, obwohl er eine Versicherungspråmie zahlt 43 , keinen<br />
Versicherungsschutz aus seiner SB-Versicherung mehr hat,<br />
sobald die Versicherungssumme der D&O-Versicherung ±<br />
aus der die SB-Versicherung nach dem Anrechnungsmodell<br />
ja gespeist wird ± durch andere Versicherungsfålle verbraucht<br />
ist. Darçber hinaus dçrfte es çberraschend <strong>und</strong> unangemessen<br />
sein, dass der VersNehmer zwar eine Pråmie<br />
zahlt, der SB-Versicherer hierfçr aber keine eigenståndige<br />
geldwerte Gegenleistung erbringt, weil er den Versicherungsschutz<br />
letztlich nicht aus der SB-Versicherung, sondern aus<br />
der Versicherungssumme der D&O-Versicherung <strong>und</strong> damit<br />
aus einem anderen Versicherungsvertrag, fçr den er bereits<br />
eine Pråmie erhålt, leistet.<br />
3. <strong>Die</strong> Akzessorietåt der SB-Versicherung zur D&O-Versicherung<br />
<strong>Die</strong> meisten SB-Versicherungen sind so ausgestaltet, dass die<br />
Leistung des SB-Versicherers ± Freistellung des VN von der<br />
gegen ihn bestehenden Haftpflichtforderung in Hæhe des<br />
Selbstbehalts44 ± von der Leistungspflicht des D&O-Versicherers<br />
abhångt. Das wird teilweise ganz offen geregelt,<br />
¹Voraussetzung fçr die Leistungspflicht ist,dass der Versicherer<br />
des fçr die im Versicherungsschein benannte(n) Aktiengesellschaft(en)<br />
geschlossenen D&O-Versicherungsvertrages<br />
Deckung gewåhrt.``<br />
¹Tritt unter dem von der Gesellschaft abgeschlossenen<br />
D&O-Versicherungsvertrag ein Versicherungsfall ein,fçr<br />
den Versicherungsschutz unter dem D&O-Versicherungsvertrag<br />
besteht <strong>und</strong> verbleibt fçr den Versicherungsnehmer ein<br />
Selbstbehalt nach § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG oder Ziffer 3.8<br />
DCGK,so gewåhrt der Versicherer dem Versicherungsnehmer<br />
çber diese persænliche Selbstbehaltversicherung zusåtzlichen<br />
Versicherungsschutz in Hæhe des Selbstbehaltes.``<br />
¹Dem Versicherungsnehmer wird Versicherungsschutz gewåhrt,insoweit<br />
der Versicherer in einem nach Abschluss<br />
vorliegenden Versicherungsvertrags eintretenden Versicherungsfall<br />
unter der Unternehmens-D&O alleine aufgr<strong>und</strong><br />
des VorstAG-Selbstbehalts zur Freistellung des Versicherungsnehmers<br />
von einem Schadenersatzanspruch nicht verpflichtet<br />
ist.``<br />
oft aber auch im Bedingungstext versteckt, vor allem, indem<br />
die Leistung aus der SB-Versicherung von der Fålligkeit oder<br />
der (vorherigen) Bewirkung der aus der D&O-Versicherung<br />
geschuldeten Leistung abhångig gemacht wird.<br />
¹<strong>Die</strong> Leistungspflicht des Versicherers wird fållig,wenn ein<br />
Anspruch des Versicherungsnehmers auf Versicherungsschutz<br />
fçr die Befriedigung begrçndeter Schadenersatzansprçche<br />
unter dem D&O Versicherungsvertrag der Gesellschaft<br />
entsteht <strong>und</strong> eine nicht versicherte Haftung des Versicherungsnehmers<br />
gegençber der Gesellschaft in Hæhe des<br />
unter dem D&O Versicherungsvertrag vereinbarten Selbstbehaltes<br />
verbleibt.``<br />
¹Versichert ist der bedingungsgemåûe Selbstbehalt,den der<br />
Versicherungsnehmer als Vorstandsmitglied einer deutschen<br />
Aktiengesellschaft aufgr<strong>und</strong> der Befriedigung von Haftpflichtansprçchen<br />
(Schadenzahlung) im Rahmen eines<br />
D&O-Versicherungsvertrages selbst zu tragen hat.``<br />
¹Der Anspruch auf die Versicherungsleistung wird zwei Wochen<br />
nach Leistung des Versicherers des D&O-Versicherungsvertrages<br />
fållig. (. . .) Der Versicherer leistet je Versicherungsfall<br />
maximal 10 Prozent des von der D&O-Versicherung<br />
der Aktiengesellschaft ohne Selbstbehalt zu erstattenden<br />
Schadens. (. . .) Eine Schadenzahlung des D&O-Versicherers<br />
der Aktiengesellschaft læst ohne weitere Prçfung<br />
die Zahlungsverpflichtung dieser Selbstbehaltversicherung<br />
aus.``<br />
<strong>Die</strong> uneingeschrånkte Abhångigkeit einer SB-Versicherung<br />
von der D&O-Versicherung (¹unlimitierte Akzessorietåt``)<br />
kann fçr den VersNehmer åuûerst misslich sein. So kann<br />
etwa ein Verbrauch der Versicherungssumme der D&O-Versicherung,<br />
ein Verzug mit der Zahlung der Pråmie fçr die<br />
D&O-Versicherung oder eine unter der D&O-Versicherung<br />
begangene Obliegenheitsverletzung, die idR jeweils eine vællige<br />
oder teilweise Leistungsfreiheit des D&O-Versicherers<br />
zur Folge haben, zugleich zur vælligen oder teilweisen Leistungsfreiheit<br />
des SB-Versicherers fçhren. Das ist ± im Hinblick<br />
auf seine eigene Pråmienzahlung ± nicht nur nicht<br />
lohnenswert fçr den VersNehmer der SB-Versicherung, sondern<br />
auch AGB-<strong>recht</strong>lich bedenklich. Jedenfalls wird man es<br />
als çberraschend (§ 305 c Abs. 1 BGB) <strong>und</strong> den VersNehmer<br />
unangemessen benachteiligend (§ 307 BGB) ansehen mçssen,<br />
wenn er seinen Leistungsanspruch aus der von ihm abgeschlossenen<br />
<strong>und</strong> bezahlten SB-Versicherung ohne weiteres<br />
verliert, sobald sein Leistungsanspruch aus der D&O-Versicherung<br />
erlischt. Das gilt vor allem, wenn der Verlust des<br />
Leistungsanspruchs aus der SB-Versicherung vællig unabhångig<br />
davon eintritt, ob der VersNehmer den Verlust des Leistungsanspruchs<br />
aus der D&O-Versicherung zu vertreten hat.<br />
Um Fålle fehlenden Vertretenmçssens handelt es sich etwa,<br />
wenn die Versicherungssumme der D&O-Versicherung fçr<br />
Versicherungsfålle verbraucht ist, die andere Versicherte betroffen<br />
haben oder wenn ein Vorstandskollege des VersNehmers<br />
es versåumt hat, die Pråmie fçr die D&O-Versicherung<br />
42 Hierauf weist bereits der AON FSG-Report Oktober 2009, S. 8, hin:<br />
¹Zum anderen wird die Anrechnung teilweise vor dem Hintergr<strong>und</strong> einer<br />
mæglichen Umgehung des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG fçr gesellschafts<strong>recht</strong>lich<br />
problematisch gehalten. Denn dadurch, dass die D&O-Versicherung<br />
die Selbstbehaltversicherung zumindest çber die Versicherungssumme<br />
¹quersubventioniert``, auch die Pråmien hierfçr sind<br />
natçrlich geringer, entsteht zwischen dem versicherten Risiko der<br />
D&O- <strong>und</strong> dem der Selbstbehaltsdeckung eine Nåhe, die vom Gesetzgeber<br />
mæglicherweise nicht gewollt war <strong>und</strong> den Regelungszweck des<br />
§ 93 Abs. 2 S. 3 AktG weitlåufiger umgeht, als dies in der unterlassenen<br />
Regelung dieses Gesamtkomplexes im Gesetzgebungsverfahren ohnehin<br />
schon billigend in Kauf genommen wurde.`` Verfehlt ist allerdings<br />
der in der Praxis gegen das Anrechnungsmodell erhobene Untreue-Vorwurf.<br />
Zu diesem Vorwurf siehe FTD vom 26. 01. <strong>2010</strong>, wo<br />
ein namhafter Versicherungsmakler mit der Behauptung zitiert wird,<br />
das Anrechnungsmodell sei ¹Anstiftung zur Untreue``, weil die Versicherung<br />
des Vorstandsselbstbehalts aus der Pråmie fçr die Unternehmenspolice<br />
subventioniert werde. Der Vorwurf ist unbe<strong>recht</strong>igt, denn<br />
wenn sich keine die Anrechnung legitimierende Regelung im<br />
D&O-Versicherungsvertrag findet, ist die Anrechnung ohnehin nicht<br />
mæglich <strong>und</strong> wenn sich eine Regelung findet, kommt eine Untreue zum<br />
Nachteil der Vertragspartner der D&O-Versicherung nicht in Betracht,<br />
weil diese die Anrechnung durch ihre Vereinbarung legitimiert haben.<br />
43 Laut Bærsen-Zeitung vom 4. 12. 09 bietet ein Versicherer eine SB-Versicherung<br />
auf Basis des Anrechnungsmodells ¹zu einer Pråmie ab<br />
200 Euro an`` (zzgl. Versicherungssteuer). Laut FTD vom 19. 10. 09<br />
kostet die Anrechnungslæsung bei einem anderen Versicherer ¹immer<br />
vierstellig``. Der Verfasser weiû von einem weiteren Versicherer, der<br />
eine Pråmie zwischen 400 <strong>und</strong> 800 e verlangt, je nach (konsolidierter)<br />
Bilanzsumme der die D&O-Versicherung haltenden Gesellschaft.<br />
Hierzu heiût es ± ein wenig sçffisant ± im AON FSG-Report Oktober<br />
2009, S. 12: ¹Interessant ist, dass (. . .) die Pråmien an der Bilanzsumme<br />
der D&O-Versicherungsnehmerin ausrichtet. <strong>Die</strong>ser Weg erscheint<br />
kompliziert, insbesondere dann, wenn sich bei einer Anrechnung<br />
der Versicherungssummen auf die D&O-Versicherung die Pråmien<br />
lediglich mit zusåtzlichem administrativen Aufwand begrçnden<br />
lassen.``<br />
44 Siehe aber Fuûnote 30.
Lange, <strong>Die</strong> D&O-Selbstbehalt-Versicherung <strong>r+s</strong> 3/<strong>2010</strong> 99<br />
Aufsåtze<br />
zu entrichten oder die gesetzliche Auskunftsobliegenheit der<br />
Gesellschaft gegençber dem D&O-Versicherer (§ 33 Abs. 1<br />
VVG) zu erfçllen.<br />
Fçr Fålle dieser Art muss die SB-Versicherung, um AGB<strong>recht</strong>lichen<br />
Bedenken standzuhalten, also eine Begrenzung<br />
(¹Limitierung``) der Akzessorietåt vorsehen.<br />
¹Der Versicherer gewåhrt dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz<br />
aus diesem Vertrag (Individualpolice),<br />
wenn <strong>und</strong> soweit dem Versicherungsnehmer nur deshalb<br />
kein Versicherungsschutz aus der im Versicherungsschein<br />
bezeichneten D&O-Versicherung (Unternehmenspolice) zusteht,weil<br />
darin ein Selbstbehalt vereinbart ist. Wenn <strong>und</strong><br />
soweit dem Versicherungsnehmer nur oder auch aus anderen<br />
Grçnden als der Selbstbehaltvereinbarung kein Versicherungsschutz<br />
aus der Unternehmenspolice zusteht,hat er<br />
auch keinen Versicherungsschutz aus dieser Individualpolice<br />
(Akzessorietåt). <strong>Die</strong>se Beschrånkung gilt nicht,wenn <strong>und</strong><br />
soweit kein Versicherungsschutz aus der Unternehmenspolice<br />
besteht,weil Pflichten aus der Unternehmenspolice<br />
verletzt werden,ohne dass der Versicherungsnehmer dieser<br />
Individualpolice die Pflichtverletzungen zu vertreten hat<br />
oder weil die Versicherungssumme der Unternehmenspolice<br />
verbraucht ist (limitierte Akzessorietåt).``<br />
<strong>Die</strong> <strong>recht</strong>liche Notwendigkeit zur Limitierung der Akzessorietåt<br />
ergibt sich auch aus den Gr<strong>und</strong>såtzen çber die Zurechnung<br />
fremden Verhaltens. Eine unlimitierte Akzessorietåt<br />
hat nåmlich faktisch zur Folge, dass sich der VersNehmer<br />
der SB-Versicherung das Verhalten anderer, namentlich der<br />
Versicherungsnehmerin der D&O-Versicherung, zurechnen<br />
lassen muss, ohne dass irgendwelche anerkannten Zurechnungstatbestånde45<br />
erfçllt sind. So ist insbesondere kein<br />
Rechtsgr<strong>und</strong> dafçr ersichtlich, warum sich der VersNehmer<br />
eines Vertrags (der SB-Versicherung) Obliegenheitsverletzungen<br />
der VersNehmerin eines anderen Vertrags (der D&O-<br />
Versicherung) zurechnen lassen sollte.<br />
Ein åhnliches Ergebnis wie durch eine Limitierung der Akzessorietåt<br />
låsst sich unter Umstånden durch eine Subsidiaritåts-Regelung<br />
erreichen. Hierzu wird in der SB-Versicherung<br />
vereinbart, dass diese gegençber der D&O-Unternehmenspolice<br />
subsidiår ist.<br />
¹<strong>Die</strong> Unternehmenspolice geht diesem Versicherungsvertrag<br />
vor.``<br />
¹Soweit der geltend gemachte Vermægens<strong>schaden</strong> auch unter<br />
einer fçr eines der im Versicherungsschein genannten Unternehmen<br />
abgeschlossenen anderweitigen D&O-Versicherung<br />
in Form der Anspruchsabwehr <strong>und</strong> gegebenenfalls Freistellung<br />
von begrçndeten Schadenersatzansprçchen,auch im<br />
Rahmen von Vergleichen,gedeckt ist,besteht aus dem vorliegenden<br />
Versicherungsvertrag kein Versicherungsschutz.``<br />
Derartige Vereinbarungen sollten an sich darauf hinauslaufen,<br />
dass die SB-Versicherung eingreift, wenn die D&O-Versicherung<br />
dem Vorstandsmitglied im Einzelfall keine Deckung<br />
gewåhrt, also etwa dann, wenn Pflichten aus der Unternehmenspolice<br />
verletzt werden, ohne dass der VersNehmer<br />
der SB-Versicherung die Pflichtverletzungen zu vertreten hat<br />
oder wenn die Versicherungssumme der Unternehmenspolice<br />
verbraucht ist. Allerdings besteht die Gefahr, dass der SB-Versicherer<br />
sich im Schadenfall mit Erfolg darauf berufen kann,<br />
bereits deshalb nicht zur Leistung verpflichtet zu sein, weil ein<br />
Selbstbehalt im Sinne der SB-Versicherung schon begrifflich<br />
nicht vorliegt, wenn die D&O-Versicherung nicht (mehr) eingreift.<br />
Denn der Selbstbehalt des Versicherten ist dessen Beteiligung<br />
am versicherten Schaden, setzt streng genommen also<br />
eine Leistungspflicht des Versicherers voraus 46 . Ist der<br />
D&O-Versicherer leistungsfrei, kann der SB-Versicherer<br />
mæglicherweise argumentieren, dass sein VersNehmer gar<br />
keinen Selbstbehalt zu tragen <strong>und</strong> deshalb auch keine Leistung<br />
aus der SB-Versicherung zu erwarten hat. Bei dieser<br />
Argumentation kommt es auf die Subsidiaritåtsklausel gar<br />
nicht mehr an, so dass ihr dann auch keine die Akzessorietåt<br />
limitierende Wirkung zukommen kann.<br />
4. <strong>Die</strong> Bezugnahme der Versicherungsbedingungen auf<br />
die D&O-Versicherung<br />
Wie dargelegt, hångt der Versicherungsschutz aus einer SB-<br />
Versicherung ± jedenfalls gr<strong>und</strong>såtzlich ± davon ab, dass<br />
Versicherungsschutz aus einer D&O-Versicherung besteht<br />
(Akzessorietåt). <strong>Die</strong> Bedingungen der SB-Versicherungen<br />
nehmen folglich auf die der jeweiligen D&O-Versicherung<br />
Bezug.<br />
¹<strong>Die</strong> Versicherungsbedingungen der Unternehmens-D&O<br />
werden Vertragsbestandteil vorliegenden Versicherungsvertrages.``<br />
¹Tritt unter dem von der Gesellschaft abgeschlossenen<br />
D&O-Versicherungsvertrag ein Versicherungsfall ein,fçr<br />
den Versicherungsschutz unter dem D&O-Versicherungsvertrag<br />
besteht,<strong>und</strong> verbleibt fçr den Versicherungsnehmer ein<br />
Selbstbehalt nach § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG oder Ziffer 3.8<br />
DCGK,so gewåhrt der Versicherer dem Versicherungsnehmer<br />
çber diese persænliche Selbstbehaltversicherung zusåtzlichen<br />
Versicherungsschutz in Hæhe des Selbstbehaltes.``<br />
¹Der Versicherer gewåhrt dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz<br />
aus diesem Vertrag (Individualpolice),<br />
wenn <strong>und</strong> soweit dem Versicherungsnehmer nur deshalb kein<br />
Versicherungsschutz aus der im Versicherungsschein bezeichneten<br />
D&O-Versicherung (Unternehmenspolice) zusteht,<br />
weil darin ein Selbstbehalt vereinbart ist. Wenn <strong>und</strong> soweit<br />
dem Versicherungsnehmer nur oder auch aus anderen Grçnden<br />
als der Selbstbehaltvereinbarung kein Versicherungsschutz<br />
aus der Unternehmenspolice zusteht,hat er auch keinen<br />
Versicherungsschutz aus dieser Individualpolice.``<br />
<strong>Die</strong>se ¹abstrakte Bezugnahme`` wird vereinzelt fçr nicht ausreichend<br />
gehalten. Behauptet wird, die SB-Versicherung<br />
mçsse entweder alle Bedingungen der in Bezug genommenen<br />
D&O-Versicherung wiederholen oder ihr mçsse als Anlage<br />
der Vertrag çber die D&O-Versicherung beigefçgt werden<br />
(¹konkrete Bezugnahme``) 47 . Zur Begrçndung wird angefçhrt,<br />
dass der Gehalt der SB-Versicherung nur anhand der<br />
Versicherungsbedingungen <strong>und</strong> Ausschlçsse der Unternehmenspolice<br />
zu bemessen sei, da ¹die SB-Deckung in ihrer<br />
Deckungsbreite der Unternehmenspolice`` folge. Ohne konkrete<br />
Bezugnahme biete die SB-Versicherung dem VersNehmer<br />
nicht diejenige ¹Klarheit çber seine eigene Deckung, die<br />
er angesichts seiner eigenen Pråmienleistung erwarten`` kænne48<br />
. <strong>Die</strong>se Argumentation wird dem Informationsbedçrfnis<br />
des VersNehmer nicht ge<strong>recht</strong>. Aus dessen Sicht soll die SB-<br />
Versicherung lediglich die Deckungslçcke fçllen, die in der<br />
D&O-Versicherung durch die dort ± gem. § 93 Abs. 2 S. 3<br />
AktG oder aufgr<strong>und</strong> entsprechender Vorschriften49 ± getrof-<br />
45 Zu den anerkannten Zurechnungstatbestånden siehe Terbille, in: Terbille<br />
(Hrsg.) Mçnchener Anwaltshandbuch Versicherungs<strong>recht</strong>,<br />
2. Aufl. 2008, § 2 Rn 248 ff.<br />
46 Vgl. Albers, CCZ 2009, 222, 226: ¹Der SB ist nur eine betragsmåûige<br />
Beteiligung an einem definierten versicherten Risiko.``<br />
47 Albers, CCZ 2009, 222, 226.<br />
48 Albers, CCZ 2009, 222, 226.<br />
49 Etwa der Vorschrift des Abschnitts 3.8 DCGK oder des Abschnitts<br />
3.3.2 PCGK (hierzu siehe Fuûnote 3).
100 <strong>r+s</strong> 3/<strong>2010</strong> Versicherungsvertrags<strong>recht</strong><br />
Rechtsprechung<br />
fene Selbstbehaltvereinbarung besteht. Folglich gençgt es<br />
seinem Informationsinteresse, in den Bedingungen der SB-<br />
Versicherung nachlesen zu kænnen, dass die Versicherung<br />
ihm Schutz gewåhrt, sobald <strong>und</strong> soweit in einer (auch) zu<br />
seinen Gunsten abgeschlossenen D&O-Versicherung eine<br />
Deckungslçcke besteht, die auf einer Selbstbehaltvereinbarung<br />
beruht. Ob die Bedingungen der D&O-Versicherung<br />
eng oder weit gefasst sind, insb. ob sie viele oder wenige<br />
Ausschlçsse enthalten, ist fçr den VersNehmer einer SB-Versicherung<br />
irrelevant. Selbst wenn die D&O-Versicherung<br />
nicht viel Schutz gewåhren <strong>und</strong> damit ± wegen des Gr<strong>und</strong>satzes<br />
der Akzessorietåt 50 ± auch die SB-Versicherung selten<br />
greifen sollte, wçrde diese doch vollauf ihren Zweck erfçllen,<br />
eine etwaige ¹Selbstbehaltslçcke`` zu schlieûen. Hinzu<br />
kommt, dass der SB-Versicherer idR gar nicht be<strong>recht</strong>igt sein<br />
wird, dem VersNehmer einer SB-Versicherung den Inhalt des<br />
in Bezug genommenen D&O-Versicherungsvertrags (Versicherungsschein<br />
einschl. besonderer Deckungsvereinbarungen<br />
<strong>und</strong> AVB sowie såmtlicher etwaigen weiteren Vereinbarungen<br />
51 ) zugånglich zu machen. Gem. § 44 Abs. 1 S. 2<br />
VVG kann bei einer Versicherung fçr fremde Rechnung ±<br />
<strong>und</strong> die D&O-Versicherung ist eine solche 52 ± nåmlich nur<br />
deren Versicherungsnehmer, also die versicherungsnehmende<br />
Gesellschaft, die Ûbermittlung des Versicherungsscheins vom<br />
Versicherer verlangen. Dem widerspråche es, wenn der Versicherer<br />
die Bedingungen der in Bezug genommenen<br />
D&O-Versicherung in den Bedingungstext der SB-Versicherung<br />
¹hineinkopieren`` oder wenn er der SB-Versicherung<br />
eine Kopie des D&O-Versicherungsvertrags als Anlage beifçgen<br />
wçrde. Beides darf der Versicherer jedenfalls nicht<br />
ohne Zustimmung der Gesellschaft tun. <strong>Die</strong>se wird die Zustimmung<br />
idR aber nicht erteilen, da der D&O-Versicherungsvertrag<br />
håufig Informationen enthålt oder Rçckschlçsse<br />
zulåsst, die nicht fçr die Úffentlichkeit bestimmt<br />
sind.<br />
IV. Zusammenfassung<br />
<strong>Die</strong> SB-Versicherung ist eine zulåssige <strong>und</strong> sinnvolle Ergånzung<br />
der D&O-Versicherung. Sie schlieût die Deckungs-<br />
Versicherungsvertrags<strong>recht</strong><br />
1 Keine Verwendereigenschaft des Versicherers bei<br />
Einbeziehung von Bedingungen des Maklers des VN<br />
BGB § 305<br />
Der Versicherer ist nicht Verwender von VersBedingungen,<br />
wenn diese durch einen vom VN beauftragten Makler entworfen<br />
<strong>und</strong> auf dessen Betreiben in den VersVertrag einbezogen<br />
worden sind <strong>und</strong> der Versicherer in Vertrågen, die nicht durch<br />
Vermittlung des Maklers abgeschlossen werden, anders gestaltete<br />
eigene VersBedingungen fçr den betreffenden VersZweig<br />
verwendet.<br />
BGH,Beschl. v. 22. 7. 2009 ± IV ZR 74/08 (OLG Frankfurt/M.)<br />
Aus den Grçnden: [1] <strong>Die</strong> Nichtzulassungsbeschwerde<br />
zeigt nicht auf, dass die Rechtssache gr<strong>und</strong>såtzliche Bedeutung<br />
hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung<br />
Rechtsprechung<br />
lçcke, die der Gesetzgeber durch die in § 93 Abs. 2 S. 3<br />
AktG fçr die D&O-Versicherung begrçndete Selbstbehaltvereinbarungspflicht<br />
gerissen hat. Allerdings hångt der Nutzen<br />
einer SB-Versicherung stark von ihrer konkreten Ausgestaltung<br />
ab. Bis sich ein einheitliches Deckungskonzept am<br />
Markt durchgesetzt hat, wird noch einige Zeit vergehen. So<br />
lange ist jeder, der sein Selbstbehalt-Risiko auf einen Versicherer<br />
abwålzen mæchte, gut beraten, sorgfåltig zu prçfen,<br />
mit wem <strong>und</strong> auf welches Vertragswerk er sich einlåsst. Zu<br />
bedenken ist vor allem, dass<br />
. die Absicherung des Selbstbehalt-Risikos durch D&O-<br />
Einzelpolicen dem Unternehmensfrieden mehr schadet als<br />
nçtzt, weil der Innenhaftungs-Rechtsstreit durch die Schadenzahlung<br />
des Versicherers nicht endgçltig befriedet,<br />
sondern durch den vom Versicherer betriebenen Gesamtschuldnerregress<br />
noch weiter in das Unternehmen hineingetragen<br />
wird,<br />
. eine Selbstbehalt-Versicherung bei dem Versicherer abgeschlossen<br />
werden sollte, bei dem der VersNehmer bereits<br />
çber eine Firmenpolice D&O-versichert ist, weil nur dadurch<br />
verhindert wird, dass zwei Versicherer Streitigkeiten<br />
çber ihre Leistungspflicht auf dem Rçcken des Versicherten<br />
austragen,<br />
. die Versicherungssumme der SB-Versicherung zusåtzlich<br />
zur Versicherungssumme der D&O-Versicherung zur Verfçgung<br />
stehen muss, weil ein Verbrauch der Versicherungssumme<br />
der D&O-Versicherung durch Leistungen<br />
aus einer SB-Versicherung gegen die Selbstbehaltvereinbarungspflicht<br />
des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG verstæût,<br />
. der Leistungsanspruch aus einer SB-Versicherung nicht<br />
ausnahmslos an den Leistungsanspruch aus einer D&O-<br />
Versicherung gekoppelt sein darf, weil der durch die SB-<br />
Versicherung gewåhrte Schutz sonst von Umstånden, die<br />
der VersNehmer nicht zu vertreten hat, also vom Zufall,<br />
abhångt. &<br />
50 Siehe unter III 3.<br />
51 Beispielsweise eines Side-Letters.<br />
52 Wie Fuûnote 9.<br />
einer einheitlichen Rspr. eine Entscheidung des Revisionsgerichts<br />
erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).<br />
[2] Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde geltend macht,<br />
der Rechtssache komme gr<strong>und</strong>såtzliche Bedeutung zu, weil<br />
einzelne Bedingungen der hier in Rede stehenden Directors<br />
& Officers-Versicherung (D&O-Versicherung) einer Klauselkontrolle<br />
zu unterziehen seien, çbersieht sie, dass nach dem<br />
Parteivortrag feststeht, dass die Bekl. nicht Verwender der<br />
hier vereinbarten Bedingungen fçr die D&O-Versicherung<br />
ist. Eine Ûberprçfung dieser Bedingungen anhand der<br />
§§ 305 ff. BGB scheidet mithin aus, weshalb es auf die von<br />
der Beschwerde insoweit aufgeworfenen Fragen nicht ankommt.<br />
[3] Verwender Allgemeiner Geschåftsbedingungen ist derjenige,<br />
auf dessen Veranlassung die Einbeziehung der vorformulierten<br />
Bedingungen in den Vertrag zurçckgeht (vgl. P.<br />
Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht 10. Aufl.<br />
§ 305 BGB Rdnr. 27; Staudinger/Schlosser, BGB [2006]<br />
§ 305 Rdnr. 28, jeweils m. w. N.).