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<strong>Sturm</strong> <strong>und</strong> <strong>Drang</strong><br />
http://de.wikipedia.org/wiki/Stu<br />
rm_<strong>und</strong>_<strong>Drang</strong><br />
Literaturhistorischer<br />
Epochenüberblick<br />
zum Studienkurs 03532<br />
Teil I a<br />
Prof. Dr. Martin Huber<br />
©M. Huber<br />
Programm der Vorlesung<br />
<strong>1.</strong> Gr<strong>und</strong>lagen des <strong>Sturm</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>Drang</strong><br />
2. ‚<strong>Sturm</strong> <strong>und</strong> <strong>Drang</strong>‘ im Drama<br />
3. Formen der Vergesellschaftung<br />
von Kunst. Die<br />
Dichtergruppe „Göttinger Hain“<br />
4. Konstruktion der Volkspoesie<br />
5. Konzept Erlebnislyrik<br />
6. Leseliste / Literaturliste<br />
2<br />
©M. Huber<br />
<strong>Sturm</strong> <strong>und</strong> <strong>Drang</strong><br />
Wortgeschichte
in Mannheim, wo sein Interesse an der<br />
Kunst der Antike <strong>und</strong><br />
der Renaissance geweckt wurde.<br />
Kurfürst Karl Theodor ernannte ihn zu<br />
seinem Kabinettsmaler. Seit dieser Zeit<br />
hatte Müller Kontakt zu Gotthold Ephraim<br />
Lessing, Christoph Martin<br />
Wieland <strong>und</strong> Friedrich Schiller. Sein<br />
Verhältnis zu dem gleichaltrigen Johann<br />
Wolfgang von Goethe war zunächst<br />
fre<strong>und</strong>schaftlich; Goethe lobte Müllers<br />
Zeichnungen <strong>und</strong> Illustrationen <strong>und</strong> stand<br />
mit ihm in regem Briefwechsel. Zudem<br />
arbeiteten beide am Faust-Stoff; 1778<br />
erschien ein Fragment Müllers als „Fausts<br />
Leben dramatisirt“.<br />
H.L.Wagner, Leisewitz,<br />
Leisewitz war der Sohn eines Weinhändlers<br />
<strong>und</strong> verbrachte seine Kindheit <strong>und</strong> Jugend<br />
in Celle. In Göttingen studierte er 1770 bis<br />
1774 Rechtswissenschaften <strong>und</strong> trat dort<br />
1774 dem Göttinger Hainb<strong>und</strong> bei.<br />
Bei einem Preisausschreiben des<br />
Theaterdirektors Konrad Ernst<br />
Ackermann <strong>und</strong> seiner Ehefrau Sophie<br />
Charlotte Schröder wurde Leisewitz 1775<br />
von Friedrich Maximilian Klinger besiegt. Die<br />
Jury bewertete dessen Stück Die<br />
Zwillinge besser.<br />
Nach erfolgreichem Studienabschluss ließ<br />
sich Leisewitz 1775 in Braunschweig als<br />
Jurist nieder. Aus dieser Zeit stammen seine<br />
Kontakte (Briefwechsel) zu Gotthold<br />
Ephraim Lessing, Johann Joachim<br />
Eschenburg, Jakob Mauvillon u. a. In<br />
Braunschweig war er Mitglied des 1771<br />
gegründeten Argonauten-Ordens, der 1779<br />
in einem Tagebucheintrag Erwähnung<br />
findet.<br />
Im Jahre 1776 hielt sich Leisewitz längere<br />
Zeit in Berlin auf <strong>und</strong> schloss dort auch<br />
Bekanntschaft mit Friedrich Nicolai. Als<br />
Ostern desselben Jahres Lessing das<br />
Trauerspiel Julius von Tarent von Leisewitz<br />
las, unterstellte er ob der Genialität die<br />
Autorenschaft Johann Wolfgang von<br />
Goethes. Dieses Stück begründete die<br />
Bekanntheit Leisewitz' als Schriftsteller <strong>und</strong><br />
gilt auch heute noch als eines der<br />
bedeutendsten Theaterstücke des <strong>Sturm</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>Drang</strong>.<br />
1780 besuchte Leisewitz Goethe in Weimar.<br />
Wahrscheinlich mit Fürsprache Goethes<br />
wurde Leisewitz 1786 zum Hauslehrer des<br />
späteren Herzogs Ferdinand von<br />
Braunschweig-Lüneburg berufen. Vier Jahre<br />
später wurde Leisewitz<br />
in Braunschweig Mitglied dessen Regierung.<br />
1801 avancierte Leisewitz zum Geheimen<br />
Justizrat <strong>und</strong> als solcher leitete er ab 1805<br />
als Präsident das Obersanitätskollegium. Im<br />
Alter von 54 Jahren starb Johann Anton<br />
Leisewitz am 10. September 1806 in<br />
Braunschweig. In seinem Testament<br />
verfügte Leisewitz die Vernichtung seines<br />
gesamten literarischen Nachlasses, was<br />
geschah.
Werke [Bearbeiten]<br />
Silhouette Leisewitz aus der SammlungJohann<br />
Heinrich Voß<br />
� Die Pfandung (dramatische Szene),<br />
1775<br />
� Der Besuch um<br />
Mitternacht (dramatische Szene), 1775<br />
� Julius von Tarent (Trauerspiel), 1776<br />
� Selbstgespräch eines starken Geistes in<br />
der Nacht (dramatisches Fragment),<br />
1776<br />
� Konradin (dramatisches Fragment),<br />
1776<br />
� Alexander <strong>und</strong><br />
Hephästion (dramatisches Fragment),<br />
1776<br />
� Rede eines Gelehrten an eine<br />
Gesellschaft Gelehrter (Satire), 1776<br />
� Geschichte der Entdeckung <strong>und</strong><br />
Eroberung der Kanarischen<br />
Inseln (Übersetzung aus dem<br />
Englischen), 1777<br />
� Nachricht von Lessing's Tod (Brief an<br />
Lichtenberg), 1781<br />
� Über die bei Einrichtung öffentlicher<br />
,<br />
Armenanstalten zu befolgenden<br />
Gr<strong>und</strong>sätze, 1802
<strong>Sturm</strong> <strong>und</strong> <strong>Drang</strong><br />
1767 Herder: „Fragmente über die<br />
neuere<br />
deutsche Literatur“#<br />
Johann Gottfried von Herder, geadelt<br />
1802 (* 25.<br />
August 1744 in Mohrungen, Ostpreußen;<br />
† 18. Dezember 1803 in Weimar) war ein<br />
deutscher Dichter, Übersetzer, Theologe un<br />
d Geschichts- <strong>und</strong> Kultur-<br />
Philosophder Weimarer Klassik. Er war<br />
einer der einflussreichsten Schriftsteller <strong>und</strong><br />
Denker Deutschlands im Zeitalter<br />
der Aufklärung <strong>und</strong> zählt mit Christoph<br />
Martin Wieland, Johann Wolfgang<br />
Goethe <strong>und</strong> Friedrich Schillerzum<br />
klassischen „Viergestirn“ von Weimar.<br />
� 1 Leben <strong>und</strong> Werk<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
[Verbergen]<br />
o <strong>1.</strong>1 Kindheit <strong>und</strong> erste Jugendjahre<br />
o <strong>1.</strong>2 Studium in Königsberg<br />
o <strong>1.</strong>3 Erste literarische Werke<br />
o <strong>1.</strong>4 Reisender Fürstenerzieher<br />
o <strong>1.</strong>5 Hofprediger in Bückeburg<br />
o <strong>1.</strong>6 Generalsuperintendent in Weimar<br />
o <strong>1.</strong>7 Fre<strong>und</strong>schaft mit Goethe, Hauptwerk<br />
o <strong>1.</strong>8 Italienreise, Zerwürfnis mit Goethe<br />
o <strong>1.</strong>9 Spätwerk<br />
o <strong>1.</strong>10 Freimaurerei <strong>und</strong> Mitgliedschaft im<br />
Illuminatenorden<br />
o <strong>1.</strong>11 Die Familie<br />
� 2 Bedeutung <strong>und</strong> Nachwirkung<br />
� 3 Ehrungen<br />
� 4 Editionsgeschichte<br />
� 5 Werke<br />
� 6 Literatur<br />
� 7 Weblinks<br />
� 8 Anmerkungen
1770 Goethe <strong>und</strong> Herder in<br />
Straßburg<br />
1773-76 Hauptphase<br />
1781 Schiller „Die Räuber“, 1784<br />
„Kabale <strong>und</strong><br />
Liebe“ als Ausläufer<br />
Kommt etwas spät eigentlich nach –<br />
Ausläufer<br />
Hier sieht man Modernität der<br />
Bewegung<br />
©M. Huber<br />
<strong>1.</strong> <strong>Sturm</strong> <strong>und</strong> <strong>Drang</strong><br />
»Wir werden geboren – unsere<br />
Eltern geben uns Brot <strong>und</strong> Kleid –<br />
unsere Lehrer drücken in unser<br />
Hirn Worte, Sprachen <strong>und</strong><br />
Wissenschaften – irgendein artiges<br />
Mädchen drückt in unser Herz den<br />
Wunsch, es eigen zu besitzen, es in<br />
unsere Arme zu schließen [...] Es<br />
entsteht eine Lücke in der Republik,<br />
wo wir hineinpassen – unsere<br />
Fre<strong>und</strong>e, Verwandte, Gönner setzen<br />
an <strong>und</strong> stoßen uns glücklich hinein<br />
– wir drehen uns eine Zeitlang in<br />
diesem Platz herum wie die andern<br />
Räder <strong>und</strong> stoßen <strong>und</strong> treiben – bis<br />
wir, wenn´s noch so ordentlich geht,<br />
abgestumpft sind <strong>und</strong> zuletzt wieder<br />
einem neuen Rad Platz machen<br />
müssen – das ist meine Herren!<br />
Ohne Ruhm zu melden unsere<br />
Biographie [...] Aber heißt das<br />
gelebt? Heißt das seine Existenz<br />
gefühlt,<br />
seine selbständige Existenz, den<br />
Funken von Gott?«<br />
(Jakob Michael Reinhold Lenz,<br />
Über Götz von Berlichingen ca. 1774)
Gr<strong>und</strong>befindlichkeit der Jugend, s.o.<br />
5<br />
©M. Huber<br />
<strong>Sturm</strong> <strong>und</strong> <strong>Drang</strong> ist<br />
Jugendbewegung, relativ kurz,<br />
rein literarische Bewegung,<br />
nicht in kunst, malerei<br />
Zeichen für Übergangsphase<br />
• <strong>Drang</strong> <strong>und</strong> Fülle, Geniedrang,<br />
Herzensdrang,<br />
Seelendrang<br />
• Übergangsphase: Begriff des<br />
Genies verleiht Lebensgefühl<br />
Ausdruck, Schöpferkraft<br />
Genie: Blitzartig<br />
aufleuchtendes Feuer<br />
Bleibt für viele nur<br />
Durchgangsstadium<br />
©M. Huber<br />
Johann Georg Hamann Aesthetica<br />
in nuce (1762)<br />
Johann Georg Hamann (* 27.<br />
August 1730 in Königsberg; † 2<strong>1.</strong><br />
Juni 1788 in Münster) war<br />
ein deutscher Philosoph <strong>und</strong> Schriftsteller.<br />
Wegen seines Hangs zum Irrationalen <strong>und</strong><br />
seiner mystisch-prophetischen Sprache<br />
erhielt er den Beinamen „Magus des<br />
Nordens“. [1]<br />
� 1 Leben<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
[Verbergen]<br />
� 2 Die Sicht der Welt durch die Sprache<br />
� 3 Wirkung<br />
� 4 Werke<br />
� 5 Literatur<br />
� 6 Weblinks<br />
� 7 Einzelnachweise<br />
Leben [Bearbeiten]<br />
Hamann war der Sohn eines Baders, der<br />
auch als W<strong>und</strong>arzt tätig war. 1746 begann<br />
er an der Universität Königsberg Theologie<br />
zu studieren. Später wechselte er zur<br />
Rechtswissenschaft. Er beschäftigte sich
aber vor allem mit Sprachen, Literatur <strong>und</strong><br />
Philosophie <strong>und</strong> außerdem mit den<br />
Naturwissenschaften. Er gehörte 1749/50 zu<br />
den Herausgebern der<br />
Wochenzeitschrift Daphne, verließ 1752<br />
ohne Abschluss die Universität <strong>und</strong> wurde<br />
in Livland Hofmeister. In dieser Zeit setzte<br />
er seine breitgefächerten privaten Studien<br />
fort.<br />
Hamann wurde 1756 von<br />
dem Rigaer Handelshaus Christoph<br />
Berens` angestellt. Ein Jahr später reiste er<br />
nach London, wo er bis zum Frühsommer<br />
1758 blieb. Er geriet in eine tiefe Krise <strong>und</strong><br />
studierte intensiv die Bibel. Dabei kam es<br />
1758 zu einem Erweckungserlebnis. In<br />
Gegnerschaft zu den Philosophen der<br />
Aufklärung (unter ihnen sein<br />
Fre<strong>und</strong> Immanuel Kant) verfocht er unter<br />
dem Eindruck Giordano<br />
Brunos, Leibniz’,Spinozas <strong>und</strong><br />
des Neuplatonismus eine Rückbesinnung<br />
auf Motive wie Gottesbestimmung,<br />
Schöpfung <strong>und</strong> göttliche Menschwerdung<br />
sowie auf die Einheit von Vernunft <strong>und</strong><br />
Sinnlichkeit, Allgemeinem <strong>und</strong> Einzelnem<br />
bzw. Begriff <strong>und</strong> wahrnehmbarem Zeichen.<br />
Mit der Kaufmannsfamilie Berens war<br />
Hamann eng vertraut. Er verlobte sich mit<br />
Berens’ Tochter Katharina. Die Verlobung<br />
wurde wieder gelöst, als Berens es nicht<br />
schaffte, Hamann zu einer normalen Denk-<br />
<strong>und</strong> Ausdrucksweise zu bekehren. Hamann<br />
hatte es u. a. abgelehnt, eine Reihe von<br />
Artikeln aus der Encyclopédie Denis<br />
Diderots zu übersetzen; er urteilte, keiner<br />
der betreffenden Artikel sei eine<br />
Übersetzung wert. [2] Er kehrte Anfang 1759<br />
wegen einer schweren Erkrankung seines<br />
Vaters nach Königsberg zurück <strong>und</strong> nahm<br />
dort einen bürgerlichen Beruf auf, der für ihn<br />
aber eher nebensächlich war. Wohl wegen<br />
eines Sprachfehlers konnte er weder<br />
predigen noch Vorlesungen halten. Jedoch<br />
waren ihm seine Belesenheit <strong>und</strong> seine<br />
Kenntnis fremder Sprachen bei seiner<br />
umfangreichen schriftstellerischen Tätigkeit<br />
hilfreich. Eine Fre<strong>und</strong>schaft verband ihn mit<br />
dem Verleger Johann Friedrich<br />
Hartknoch. [3] Seine „Essais à la Mosaique“<br />
sowie eine Sammlung kleiner Schriften<br />
erschienen bei Hartknoch. [4] 1762 begann<br />
die Fre<strong>und</strong>schaft mit Johann Gottfried<br />
Herder, den er stark beeinflusste. 1764<br />
reiste er nach Frankfurt. Die Möglichkeit<br />
einer dortigen Anstellung zerschlug sich<br />
allerdings.<br />
Hamann erhielt 1767 durch Vermittlung<br />
Kants bei der preußischen Zollverwaltung<br />
eine Stelle als Übersetzer. Er begann eine<br />
nie legalisierte Gewissensehe mit Anna<br />
Regina Schumacher, die ihm vier Kinder<br />
schenkte. 1777 wurde er zum<br />
Packhofverwalter ernannt. Die berufliche<br />
Tätigkeit ließ ihm genügend Zeit zum<br />
Schreiben <strong>und</strong> zu ausgedehnter Lektüre.<br />
Von 1764 bis 1779 war er Mitarbeiter<br />
der Königsbergschen Gelehrten <strong>und</strong><br />
Politischen Zeitungen, für die er viele<br />
Rezensionen verfasste. 1787 erhielt er auf<br />
eigenes Gesuch seinen Abschied; er reiste<br />
nach Düsseldorf zu Friedrich Heinrich
Jacobi <strong>und</strong> nach Münster, wo er Kontakt<br />
zum Kreis um Amalia Fürstin<br />
Gallitzin aufnahm. Hier starb er am 2<strong>1.</strong> Juni<br />
1788. Sein Grab liegt heute auf dem<br />
historischen Überwasser-Friedhof in<br />
Münster.<br />
Grab von Johann Georg Hamann in Münster<br />
Die Sicht der Welt durch die<br />
Sprache [Bearbeiten]<br />
Hamann trat durch seine Londoner<br />
Sinnkrise von 1758, wie er selbst sagte,<br />
die Höllenfahrt der Selbsterkenntnis [5] an.<br />
Angeregt durchs 5. Kapitel des 5. Buchs<br />
Mose erfuhr er das Wort neu <strong>und</strong><br />
unmittelbar. Er wünschte sich von da an,<br />
dass man es bewusst höre <strong>und</strong> gerade in<br />
seiner Undurchschaubarkeit lebendig<br />
erfahre. [6] Er fürchtete aber, dass die<br />
aufgedeckte Tiefe seines Herzens<br />
missbraucht werden könnte, um einen<br />
„Thurm der Vernunft“ zu errichten, „dessen<br />
Spitze, bis an den Himmel reicht <strong>und</strong> durch<br />
dessen Ziegel <strong>und</strong> Schleim wir uns einen<br />
Namen zu machen gedenken <strong>und</strong> dessen<br />
Fahne der irrenden Menge zum<br />
Wahrzeichen dienen soll.“ [7] Deshalb wollte<br />
er „lieber gar nicht als unrecht verstanden<br />
werden.“ [8]<br />
Überzeugt davon, dass unsere seelischen<br />
Regungen sich in einem Halbdunkel (des<br />
Unbewussten?) abspielen, schuf Hamann<br />
sich selbst eine neue, schwer verständliche<br />
Sprache. Er deutete Sokrates` Bekenntnis<br />
zum „Nichtwissen“ als eins zum<br />
Irrationalismus <strong>und</strong> verlangte vom Dichter<br />
<strong>und</strong> Denker die „Herzwärme der Willkür“.<br />
Seine Schriften – die meist recht kurz sind –<br />
sind durchzogen mit vielen Zitaten <strong>und</strong><br />
Anspielungen. Allerdings widerspricht der<br />
rätselhafte Stil dem seines Briefwechsels,<br />
der recht deutlich <strong>und</strong> klar ist. Daher ist<br />
vermutet worden, Hamann habe den Leser<br />
zur aktiven Mitarbeit zwingen wollen.<br />
Sinngemäß sagte er einmal, ein Autor, der<br />
heute sofort verstanden werde, werde<br />
morgen falsch verstanden. Autor <strong>und</strong> Leser<br />
sind bei Hamann komplementär verb<strong>und</strong>en:<br />
sie bilden zwei Hälften eines Ganzen, die<br />
sich aufeinander einstellen müssen, um ein<br />
gemeinsames Ziel zu erreichen.<br />
Dies mündet in die coincidentia<br />
oppositorum (den Zusammenfall der<br />
Gegensätze), die für Hamann ein zentraler<br />
Begriff ist <strong>und</strong> die er überall aufsucht. Er<br />
weist sie in den christlichen Mysterien sowie<br />
in der rätselhaften Vereinigung von Körper<br />
<strong>und</strong> Geist, von Sinnlichkeit <strong>und</strong> Vernunft
zw. von Schicksal <strong>und</strong> Verantwortung im<br />
menschlichen Leben nach.<br />
Die coincidentia oppositorum ist für ihn ein<br />
Pfad zur Ironie, die in seinen Schriften<br />
vielfach auflebt, das Verständnis allerdings<br />
noch einmal zusätzlich erschwert. In dieser<br />
Sache zeigt sich eine Verwandtschaft mit<br />
den Romanen von Hamanns<br />
Zeitgenosse Laurence Sterne.<br />
Wirkung [Bearbeiten]<br />
Hamann war ein Wegbereiter des <strong>Sturm</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>Drang</strong>, als dessen Prophet er<br />
bezeichnet worden ist, <strong>und</strong> der Romantik. Er<br />
hatte wesentlichen Anteil an der<br />
Entwicklung von Denkern wie Herder,<br />
Jacobi <strong>und</strong> Goethe (der ihn einmal den<br />
hellsten Kopf seiner Zeit nannte) <strong>und</strong> übte<br />
nachhaltigen Einfluss<br />
auf Hegel, Schelling, Ernst von Lasaulx <strong>und</strong><br />
vor allem Søren Kierkegaard aus.<br />
Kierkegaard studierte Hamanns Schriften<br />
intensiv <strong>und</strong> entwickelte u.a. aus ihnen<br />
seine eigene – ähnliche – Philosophie.<br />
Nachweisbar ist auch ein Einfluss auf Ernst<br />
Jünger (vgl. u. a. Das Abenteuerliche<br />
Herz in der zweiten Fassung von 1938).<br />
Die Schriften Hamanns sind darüber hinaus<br />
vielfältig in der Sprachphilosophie rezipiert<br />
worden.<br />
»Poesie ist die Muttersprache des<br />
menschlichen<br />
Geschlechts [...] Sinne <strong>und</strong><br />
Leidenschaften reden <strong>und</strong><br />
verstehen nichts als Bilder. In<br />
Bildern besteht der<br />
ganze Schatz menschlicher<br />
Erkenntniß <strong>und</strong><br />
Gückseeligkeit. Der erste Ausbruch<br />
der Schöpfung,<br />
<strong>und</strong> der erste Eindruck ihres<br />
Geschichtsschreibers; --<br />
die erste Erscheinung <strong>und</strong> der erste<br />
Genuß der Natur<br />
vereinigen sich in dem Worte: Es<br />
werde Licht! hiemit<br />
fängt sich die Empfindung von der<br />
Gegenwart der<br />
Dinge an.«<br />
#
Bildlichkeit, Stellenwert der Poesie,<br />
Mensch in Analogie zum Schöpfer:<br />
wichtiger Aspekt<br />
6<br />
©M. Huber<br />
<strong>1.</strong> <strong>Sturm</strong> <strong>und</strong> <strong>Drang</strong><br />
Herder als ›Theoretiker‹,<br />
Auch eine Philosophie der<br />
Geschichte zur Bildung der<br />
Menschheit, 1773/74:<br />
• Organismus-Metapher,<br />
Entwicklung der Bildung der<br />
Menschheit, Vorstellung eines<br />
grossen Baumes, Antike dicker<br />
Stamm, weitverzweigte Krone:<br />
Abhängikeit von älteren Zeiten,<br />
aber diese sind nicht nahtlos zu<br />
übertragen auf die damalige<br />
Zeit, jede Zeit hat eigenen<br />
Wert, eigens historisch zu<br />
betrachten in jeweiligem<br />
Zusammenhang#<br />
Shakespeare ist entscheidende<br />
Figur in <strong>Sturm</strong> <strong>und</strong> <strong>Drang</strong><br />
Drei Einheiten Lehre nicht<br />
mehr gültig, #<br />
• Historismus<br />
©M. Huber<br />
<strong>Sturm</strong> <strong>und</strong> <strong>Drang</strong><br />
Genie-Konzept<br />
In Deutschland <strong>und</strong> Frankreich kann der<br />
Begriff „Genie“ auf „ingenium“ (natürliches,<br />
angeborenes Talent) zurückgeführt werden.<br />
In der Renaissance begann man, mit dem<br />
Wort „Genie“ künstlerische Schaffenskraft<br />
oder die Quelle der Inspiration zu<br />
beschreiben. Nach der<br />
französischen Querelle des Anciens et des<br />
Modernes breitete der Begriff sich dann<br />
schlagartig aus <strong>und</strong> dominierte<br />
die ästhetischen Debatten: Das „Genie“<br />
stand nun für den aus sich selbst heraus<br />
schaffenden Künstler, der die Natur nicht<br />
nur nachahmt (wie es das frühere<br />
ästhetische Modell vorsah), sondern
der vollendet, was die Natur selbst noch<br />
nicht vollenden konnte.<br />
Das diesem Modell zugr<strong>und</strong>e liegende<br />
Naturverständnis lässt sich im wesentlichen<br />
schon auf Aristoteles zurückführen.<br />
Entscheidend ergänzt wurde es noch<br />
durch Gottfried Wilhelm Leibniz <strong>und</strong> seine<br />
Lehre von den „möglichen Welten“. Das<br />
Genie schafft mögliche Welten, es wird zum<br />
Schöpfer <strong>und</strong> damit quasi zum Gott („poeta<br />
alter deus“ - der Dichter als zweiter Gott).<br />
Der Künstler als Schöpfer<br />
Dichter als Genie ein zweiter<br />
Schöpfer, Nähe zur Natur<br />
• Edward Young<br />
Conjectures on original<br />
composition 1759<br />
• Selbstgesetzgebung (Lessing,<br />
Goethe, Herder)<br />
Gotthold Ephraim Lessing (* 22.<br />
Januar 1729 in Kamenz, Sachsen; † 15.<br />
Februar 1781 in Braunschweig) war der<br />
wichtigste Dichter der<br />
deutschen Aufklärung. Mit<br />
seinen Dramen <strong>und</strong> seinen theoretischen<br />
Schriften, die vor allem<br />
dem Toleranzgedanken verpflichtet sind, hat<br />
dieser Aufklärer der weiteren Entwicklung<br />
des Theaters einen wesentlichen Weg<br />
gewiesen <strong>und</strong> die öffentliche Wirkung<br />
von Literatur nachhaltig beeinflusst. Lessing<br />
ist der erste deutsche Dramatiker, dessen<br />
Werk bis heute ununterbrochen in den<br />
Theatern aufgeführt wird.
� 1 Leben<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
[Verbergen]<br />
o <strong>1.</strong>1 Herkunft <strong>und</strong> Ausbildung<br />
o <strong>1.</strong>2 Studium<br />
o <strong>1.</strong>3 Von Berlin über Breslau nach Hamburg<br />
o <strong>1.</strong>4 Bibliothekar in Wolfenbüttel<br />
� 2 Wirken<br />
o 2.1 Der Traum vom Theater<br />
o 2.2 Der Kritiker <strong>und</strong> Aufklärer<br />
� 3 Siehe auch<br />
� 4 Werke (Auswahl)<br />
o 4.1 Gedichte<br />
o 4.2 Fabeln<br />
o 4.3 Dramen<br />
o 4.4 Dramenfragmente<br />
o 4.5 Ästhetische Schriften<br />
o 4.6 Theologiekritische <strong>und</strong> philosophische<br />
Schriften<br />
� 5 Ehrungen<br />
o 5.1 Museum<br />
o 5.2 Denkmäler <strong>und</strong> Gedenktafeln<br />
o 5.3 Preise<br />
o 5.4 Briefmarken<br />
o 5.5 Schulen<br />
� 6 Literatur<br />
� 7 Weblinks<br />
� 8 Einzelnachweise<br />
Das was aus Gefühl kommt, ist<br />
wichtig: Herder<br />
Konzeption: für Genie,<br />
7<br />
©M. Huber<br />
<strong>1.</strong> <strong>Sturm</strong> <strong>und</strong> <strong>Drang</strong><br />
Prometheus (1775)<br />
- Der Mythos vom Künstler als<br />
Gott<br />
Auch ein berühmtes Gedicht Goethes<br />
aus der Zeit des „<strong>Sturm</strong> <strong>und</strong> <strong>Drang</strong>“ ist<br />
Prometheus gewidmet. Er<br />
beschreibt darin den Trotz des<br />
schöpferischen Genies gegen Zeus.<br />
©M. Huber<br />
Prometheus (1775)<br />
Bedecke deinen Himmel, Zeus,<br />
Mit Wolkendunst!<br />
Und übe, Knaben gleich,
Der Disteln köpft,<br />
An Eichen dich <strong>und</strong> Bergeshöhn!<br />
Mußt mir meine Erde<br />
Doch lassen stehn,<br />
Und meine Hütte,<br />
Die du nicht gebaut,<br />
Und meinen Herd,<br />
Um dessen Glut<br />
Du mich beneidest. [...]<br />
Hier sitz ich, forme<br />
Menschen<br />
Nach meinem Bilde,<br />
Ein Geschlecht, das mir<br />
gleich sei,<br />
Zu leiden, weinen,<br />
Genießen <strong>und</strong> zu freuen sich,<br />
Und dein nicht zu achten,<br />
Wie ich.<br />
8<br />
©M. Huber<br />
Prometheus (1775)<br />
Rollengedicht,<br />
monologische Sprechsituation<br />
Aufbegehren des Künstlers „als<br />
Gott“ gegen Gott<br />
freche <strong>und</strong> freie Rhythmen<br />
reimlos,<br />
klimaktische Struktur zum »Ich«<br />
keine Reime, keine strophische<br />
Form, frech <strong>und</strong> frei<br />
©M. Huber
<strong>1.</strong> <strong>Sturm</strong> <strong>und</strong> <strong>Drang</strong> –<br />
europäische Kontexte<br />
Ossian: Fragments of Ancient<br />
Poetry -..- ist Fälschung<br />
ssian ist eine angebliche Figur aus<br />
der gälischen Mythologie. Bekannt wurde<br />
sie vor allem durch die angeblichen<br />
Gesänge des Ossian, die in Wirklichkeit der<br />
Schotte James Macpherson (1736–1796)<br />
geschrieben hat. Als namensgebendes<br />
Vorbild suchte er sich Oisin aus, den Sohn<br />
des Fionn mac Cumhail. Inhalt der Gesänge<br />
sind episch dargestellte Schlachten <strong>und</strong> die<br />
Schicksale auserwählter edler Helden, die<br />
sich meist um die Rettung von Königreichen<br />
bemühen.<br />
� 1 Entstehung<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
[Verbergen]<br />
� 2 International Rezeption<br />
� 3 Ausgaben<br />
� 4 Literatur<br />
� 5 Weblinks<br />
� 6 Einzelnachweise<br />
Keine Originaltexte, Ossian wichtig<br />
für zeitgenössische junge Dichter<br />
Thomas Percy (1729-1811): Reliques<br />
of Ancient<br />
English Poetry (1765)<br />
Jean-J. Rousseau: Julie (1761), Emile<br />
(1762)<br />
Jean-Jacques Rousseau (* 28.<br />
Juni 1712 in Genf; † 2.<br />
Juli 1778 in Ermenonville bei Paris) war ein<br />
Genfer<br />
Schriftsteller, Philosoph, Pädagoge, Naturfor<br />
scher <strong>und</strong> Komponist der Aufklärung. Der<br />
bedeutendeAufklärer gilt als einer der<br />
wichtigsten geistigen Wegbereiter<br />
der Französischen Revolution <strong>und</strong> hatte<br />
großen Einfluss auf die Pädagogik <strong>und</strong> die<br />
politischen Theorien des 19. <strong>und</strong><br />
20. Jahrh<strong>und</strong>erts.
Inhaltsverzeichnis<br />
[Verbergen]<br />
� 1 Leben <strong>und</strong> Schaffen<br />
o <strong>1.</strong>1 Paris<br />
o <strong>1.</strong>2 Beginnende Schwierigkeiten<br />
o <strong>1.</strong>3 Montmorency<br />
o <strong>1.</strong>4 Neuerliches Wanderleben<br />
o <strong>1.</strong>5 Die letzten Jahre<br />
� 2 Musik <strong>und</strong> Theater<br />
� 3 Rousseaus Philosophie<br />
o 3.1 Menschenbild<br />
o 3.2 Politische Philosophie<br />
o 3.3 Pädagogik<br />
� 4 Werke<br />
� 5 Literatur<br />
� 6 Belletristik<br />
� 7 Einzelnachweise<br />
� 8 Weblinks<br />
Verlorener Zugang zur Natur<br />
William Shakespeare<br />
Ursprünglichkeit anderer<br />
Völker<br />
William Shakespeare (* wahrscheinlich 23.<br />
April, getauft am 26. April 1564 in Stratford-<br />
upon-Avon; † 23. April 1616 [1] ebenda) war<br />
ein englischer Dramatiker, Lyriker<br />
<strong>und</strong> Schauspieler.<br />
Shakespeare gehört zu den bedeutendsten<br />
<strong>und</strong> am meisten aufgeführten <strong>und</strong><br />
verfilmten Dramatikern der Weltliteratur. Er<br />
schrieb etwa 38 Dramen <strong>und</strong><br />
Versdichtungen, darunter eine Sammlung<br />
mit Sonetten.<br />
� 1 Leben<br />
o <strong>1.</strong>1 Frühe Jahre<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
[Verbergen]<br />
o <strong>1.</strong>2 Die verlorenen Jahre<br />
o <strong>1.</strong>3 Stückeschreiber <strong>und</strong> Schauspieler<br />
o <strong>1.</strong>4 Dichter <strong>und</strong> Geschäftsmann<br />
o <strong>1.</strong>5 Die letzten Jahre<br />
o <strong>1.</strong>6 Shakespeare-Porträts<br />
� 2 Shakespeares Sprache<br />
� 3 Urheberschaft seiner Werke<br />
� 4 Rezeption in Deutschland<br />
� 5 Werke<br />
o 5.1 Historiendramen<br />
o 5.2 Komödien<br />
o 5.3 Tragödien<br />
o 5.4 Versdichtungen<br />
� 6 Literatur<br />
� 7 Einzelnachweise<br />
� 8 Siehe auch<br />
� 9 Weblinks
Homer / Pindar<br />
Antike als Jugendzeit der<br />
Menschheit<br />
----------------------------------------------<br />
----------------------------------------------<br />
----------------------------------------------<br />
----------------------------------------------<br />
----------------------------------------------<br />
------2. Teil der VL----------<br />
9<br />
©M. Huber<br />
2. „<strong>Sturm</strong> <strong>und</strong> <strong>Drang</strong>“ im<br />
Drama<br />
Goethe: Rede zum Schäkespears<br />
Tag (zum 14. 10. 1771) (Namenstag)<br />
In Strassburg treffen sich junge Autoren.<br />
Wie wirkt sich <strong>Sturm</strong> <strong>und</strong> <strong>Drang</strong> im Drama<br />
aus?<br />
Programmrede der „<strong>Sturm</strong> <strong>und</strong> <strong>Drang</strong>“-<br />
Ästhetik<br />
• Reisemetaphorik – Wanderer als<br />
Künstler<br />
• Metaphorik des Augenöffnens,<br />
Erkenntniserweiterung ins<br />
Unendliche<br />
• Gegen das „regelmässige“ Theater<br />
(Corneille <strong>und</strong> Racine)<br />
Einheit von Ort, Zeit <strong>und</strong> Handlung.<br />
• Shakespeares Theater als<br />
Raritätenkasten.<br />
• Naturbegriff. Sh.s Menschen sind Natur.<br />
Dies umschließt<br />
notwendig Böses wie Gutes.<br />
©M. Huber<br />
2. „<strong>Sturm</strong> <strong>und</strong> <strong>Drang</strong>“ im<br />
Drama<br />
Goethe: Rede zum Schäkespears<br />
Tag (1771)
„…seine Stücke drehen sich alle um den<br />
geheimen Punckt<br />
[…] in dem das Eigenthümliche unsres<br />
Ich's, die prätendirte<br />
Freyheit unsres Wollens, mit dem<br />
nothwendigen Gang des<br />
Ganzen zusammenstösst.“<br />
Bedeutet: darauf arbeiten Dramen hin,<br />
führen scheitern der Figuren vor<br />
: was bedeutet das<br />
10<br />
©M. Huber<br />
„<strong>Sturm</strong> <strong>und</strong> <strong>Drang</strong>“ im Drama<br />
J. W. Goethe: Götz von Berlichingen<br />
mit der<br />
eisernen Hand (1773) UA Berlin<br />
1774<br />
Prosa, Lutherdeutsch bis elsässisch,<br />
Verfielfältigung der<br />
Handlungsstränge,<br />
Heinrich Leopold Wagner: Die<br />
Kindermörderin,<br />
ein Trauerspiel (1776) UA Pressburg<br />
1777<br />
sozialkritischer Impetus, ähnlich<br />
wie Urfaust, charakterische<br />
Sprechweise, elsässer dialekt,<br />
Kindsmord literarisches Symbol<br />
dient für Lenz als Vorbild<br />
Jakon Michael Reinhold Lenz: Der<br />
Hofmeister oder<br />
Vortheile der Privaterziehung (1774)<br />
UA Hamburg<br />
1778
Autonomie ist somit ein rechtlicher,<br />
politischer <strong>und</strong> sozialwissenschaftlicher<br />
Begriff, der in vielen Wissenschaften wie<br />
beispielsweise dem Völkerrecht,<br />
der Politikwissenschaft, Soziologie, Psychol<br />
ogie, oder Sozialen Arbeit verwendet wird.<br />
Soziologisch bestimmt sie Max<br />
Weber folgendermaßen: „Autonomie<br />
bedeutet, daß nicht, wie bei Heteronomie,<br />
die Ordnung des Verbands durch<br />
Außenstehende gesetzt wird, sondern durch<br />
Verbandsgenossen kraft dieser ihrer<br />
Qualität (gleichviel wie sie im übrigen<br />
erfolgt) [1]<br />
Historisch gesehen war der<br />
Autonomiebegriff in der Antike lediglich eine<br />
zentral politische Kategorie. Diese umfasste<br />
das Recht, „die eigenen inneren<br />
Angelegenheiten unabhängig von einer<br />
anderen Macht bestimmen zu können“. Er<br />
wird erstmals im Friedensvertrag zwischen<br />
Athen <strong>und</strong> Sparta 446/45 v. Chr.<br />
nachgewiesen. In diesem Vertrag erkennt<br />
Sparta die Inbesitznahme der Insel Aigina<br />
durch die Athener nur an, wenn der Insel<br />
Autonomie gewährt wird. Die genaue<br />
Ausgestaltung wie die Autonomie gewährt<br />
werden sollte ist für uns heute nicht mehr<br />
nachzuvollziehen. Deutlich wird aber das<br />
Machtgefälle, welches den Athenern<br />
ermöglichte zu gewähren oder<br />
nicht. [2] Autonomie tritt im Rahmen<br />
von Herrschaftsstrukturen auf. Das Streben<br />
nach staatlicher oder rechtlicher Autonomie<br />
kann Bestandteil einer sozialen Frage <strong>und</strong><br />
damit intensiver <strong>und</strong> gewaltsamer sozialer<br />
Konflikte sein.<br />
Um von Autonomie sprechen zu können<br />
benötigen wir eine freie Entscheidung.<br />
Dieses philosophische Problemfeld wurde<br />
ebenfalls in der Antike bearbeitet, wenn<br />
auch nicht explizit benannt. Es wurde bei<br />
dem Begriff der Freiheit, zwischen Freiheit<br />
als freiwillige Willenshandlung (hekôn bzw.<br />
hekousion) ohne äußeren Zwang aus sich<br />
selbst heraus <strong>und</strong> als Handlungsfreiheit im<br />
Sinne einer überlegten Entscheidung<br />
(prohairesis) unterschieden. [3] Man kann mit<br />
verschiedenen Autoren zwei verschiedene<br />
Freiheitsbegriffe unterscheiden:<br />
<strong>1.</strong> den positiven Freiheitsbegriff<br />
ich habe die Freiheit eine überlegte<br />
Handlung zu vollziehen, die einem Zweck<br />
oder Ziel dienlich ist<br />
2. den negativen Freiheitsbegriff<br />
ich bin frei von äußeren Zwängen <strong>und</strong><br />
Fremdbestimmung ich kann handeln, muss<br />
aber nicht<br />
Bei dem positiven Freiheitsbegriff wird<br />
davon ausgegangen, dass ich mich nicht<br />
völlig von Norm-, Wertvorstellungen oder<br />
allgemeinen Zielen frei machen kann. Somit<br />
ist der negative Freiheitsbegriff der stärkere<br />
bezogen auf die resultierende<br />
Freiheit. [4] Daraus resultiert die heute üblich<br />
gewordene Unterscheidung zwischen<br />
Handlungsfreiheit<br />
<strong>und</strong> Willensfreiheit.Handlungsfreiheit wird<br />
meist negativ über Freiheit -von definiert.
Willensfreiheit hingegen wird über die<br />
Selbstbestimmung des Willens als Ursprung<br />
des Handelns definiert. Das bedeutet dass<br />
wir nicht völlig frei sind sondern in manchen<br />
Dingen determiniert sind, wir aber wohl die<br />
Freiheit haben zwischen den sich uns<br />
bietenden Möglichkeiten auszuwählen. Wir<br />
denken über uns Menschen als handelnde<br />
Wesen nach. Eine Handlung können wir<br />
entweder unterlassen oder vollziehen. Dabei<br />
ist das willentliche nicht-handeln ebenfalls<br />
eine Handlung. Bei der Unterscheidung<br />
zwischen unterlassen <strong>und</strong> vollziehen fällt<br />
auf, dass es scheinbar Gründe für eine<br />
Handlung geben muss. Wie steht es mit<br />
einer „autonomen“ Entscheidung über<br />
Gründe, Absichten, Zwecke <strong>und</strong> Inhalte des<br />
Wollens? Diese Gründe werden wir uns auf<br />
dem Hintergr<strong>und</strong> biografischer Erfahrungen,<br />
Wertvorstellungen, potenziellen Interessen<br />
oder basalen Trieben mehr oder weniger gut<br />
überlegen, um dann tätig zu werden. Diese<br />
Gründe determinieren uns auf eine gewisse<br />
Anzahl von möglichen Handlungen<br />
zwischen denen ich mich entscheiden kann.<br />
Behaupten wir ohne Zwänge <strong>und</strong> äußere<br />
Behinderungen über die sich uns<br />
eröffnenden Handlungsmöglichkeiten<br />
entscheiden zu können hat das die<br />
Konsequenz das wir auch anders hätten<br />
handeln können <strong>und</strong> dadurch für unser<br />
Handeln verantwortlich sind. Damit ist unser<br />
Freiheitsbegriff eng an den Terminus<br />
Verantwortung geknüpft.<br />
Der Autonomiebegriff wurde während<br />
der Aufklärung <strong>und</strong> dem aufkommenden<br />
Freiheitsgedanken maßgeblich<br />
von Immanuel Kants Moralphilosophie<br />
geprägt. Er wird zu einer zentralen Idee der<br />
Moderne. Autonomie wird die Möglichkeit<br />
des Menschen, sich durch sich selbst in<br />
seiner Eigenschaft als Vernunftwesen zu<br />
bestimmen. Immanuel Kant nutzt nach den<br />
Interpretationen von Ernst Tugendhat den<br />
positivern Freiheitsbegriff, weil ihm zufolge<br />
der Wille nur dann frei ist wenn er von der<br />
Vernunft bestimmt wird. Autonomie als<br />
Selbstbestimmung des vernünftigen<br />
Menschen ist aber mit Kant noch nicht<br />
getan, denn sein Autonomiebegriff ist die<br />
Vernunftbestimmtheit des Handelns aber<br />
noch nicht eine Selbstbestimmung der<br />
Person als Person (oder Ich als Ich)<br />
sondern lediglich eine Selbstbestimmung<br />
der Vernunft. Autonomie ist bei ihm<br />
Ausdruck der eigenen Vernunft, mit dem<br />
man sich selbst eigene Gesetzte geben<br />
kann <strong>und</strong> diese dann konsequent<br />
lebenspraktisch umsetzt. Weil wir uns als<br />
frei begreifen, stehen wir unter der<br />
Forderung der reinen praktischen Vernunft,<br />
unsere Handlungen an dem kategorischen<br />
Imperativ (Kategorischer Imperativ)<br />
auszurichten <strong>und</strong> erreichen so ein möglichst<br />
hohes Maß an Autonomie. Freiheit müssen<br />
wir dabei immer schon als Bedingung<br />
voraussetzen. Erst Hegel brachte den<br />
vernünftigen Willen mit dem<br />
Selbstbewustsein, dem Sichzusichverhalten<br />
in Verbindung. Er lenkt damit die<br />
Perspektive auf die Subjektivität vom Sein.<br />
Dies bedeutete dann im denken ein
Der „Göttinger Hain“<br />
1772-1776<br />
Formen der Vergesellschaftung<br />
von Kunst<br />
Der Göttinger Hainb<strong>und</strong> war eine<br />
die Natur verehrende, zum <strong>Sturm</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>Drang</strong> tendierende literarische Gruppe im<br />
Deutschland des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts.<br />
Ihre Naturbegeisterung als Gegengewicht<br />
zum Rationalismus der Aufklärung stellt zwar<br />
eine gewisse Verbindung mit dem <strong>Sturm</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>Drang</strong> dar; trotzdem kann eine klare<br />
Zuordnung des Göttinger Hainb<strong>und</strong>es<br />
zu <strong>Sturm</strong> <strong>und</strong> <strong>Drang</strong> oder Aufklärung zurzeit<br />
nicht gemacht werden. In diesem Punkt sind<br />
die Literaturwissenschaftler uneins.<br />
Die Bezeichnung „Hainb<strong>und</strong>“ geht auf<br />
Klopstocks Ode „Der Hügel <strong>und</strong> der Hain“<br />
zurück. Eine andere Vaterfigur, obwohl nicht<br />
Mitglied des Hains, war Gottfried August Bürger.<br />
Bürger war als Gerichtsamtmann in<br />
Altengleichen tätig. Er <strong>und</strong> Hölty gelten<br />
außerdem als Begründer der<br />
deutschen Kunstballade.<br />
Auf seiner Durchreise ließ sich Klopstock 1774<br />
von den Mitgliedern des Hainb<strong>und</strong>es feiern.<br />
1775 löste sich der Hainb<strong>und</strong> auf, da seine<br />
Mitglieder das Studium beendeten <strong>und</strong> Göttingen<br />
verließen.<br />
Mitglieder [<br />
� Heinrich Christian Boie<br />
� Ernst Theodor Johann Brückner<br />
� Carl Christian Clauswitz<br />
� Carl August Wilhelm von Closen<br />
� Carl Friedrich Cramer<br />
� Christian Hieronymus Esmarch<br />
� Schack Hermann Ewald<br />
� Johann Friedrich Hahn<br />
� Ludwig Christoph Heinrich Hölty<br />
� Johann Anton Leisewitz<br />
� Johann Martin Miller<br />
� Gottlieb Dieterich von Miller<br />
� Christian zu Stolberg-Stolberg<br />
� Friedrich Leopold zu Stolberg-Stolberg<br />
� Johann Heinrich Voß<br />
� Johann Thomas Ludwig Wehrs
12<br />
©M. Huber<br />
Johann Heinrich Voß Ludwig H. Chr.<br />
Hölty<br />
©M. Huber<br />
Der Göttinger Hain 1772-1776<br />
beginnt<br />
Johann Heinrich Voß (1751-<br />
1826)<br />
Ludwig Christoph Heinrich<br />
Hölty (1748-1776)<br />
Johann Friedrich Hahn (1753-<br />
1779)<br />
Johann Martin Miller (1750-<br />
1814)<br />
Heinrich Christian Boie (1744-<br />
1806)<br />
Christian Graf Stolberg (1748-<br />
1821)<br />
Friedrich Leopold Graf Stolberg<br />
(1750-1819)<br />
13<br />
©M. Huber<br />
3. Der Göttinger Hain 1772-1776<br />
Fre<strong>und</strong>e:<br />
Matthias Claudius (1740-1815)<br />
Leopold Fr. Günther von<br />
Goeckingk (1748-1828)<br />
Christian Friedrich Daniel<br />
Schubart (1739-1791)<br />
Gottfried August Bürger (1747-<br />
1794)
Klopstock als Patron <strong>und</strong><br />
Motivgeber (Oden!)<br />
Friedrich Gottlieb Klopstock (* 2.<br />
Juli 1724 in Quedlinburg; † 14.<br />
März 1803 in Hamburg) war<br />
ein deutscher Dichter.<br />
� 1 Leben<br />
� 2 Werk<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
[Verbergen]<br />
o 2.1 Ideen <strong>und</strong> Motive<br />
o 2.2 Bedeutung <strong>und</strong> Rezeption<br />
o 2.3 Ehrungen<br />
o 2.4 Verzeichnis der Werke<br />
� 3 Literatur<br />
o 3.1 Zu Person <strong>und</strong> Zeit<br />
o 3.2 Zu speziellen Aspekten des Werks<br />
� 4 Weblinks<br />
� 5 Einzelnachweise<br />
Stellt 1774 Aufnahmeantrag auf<br />
Göttinger Hain, mit ihm wird<br />
die Dichtung sich selbst<br />
bewusst, schreibt Goethe<br />
Er konnte von Literatur leben<br />
ökonomisch<br />
Er produziert Oden<br />
Oden (von altgr. ᾠδή, Lied) sind Gedichte,<br />
die sich durch Feierlichkeit<br />
<strong>und</strong> Erhabenheit auszeichnen.<br />
In einer Ode findet man für gewöhnlich<br />
keinen Endreim; es handelt sich um eine<br />
in Strophen gegliederte, lange Form des<br />
Gedichtes. Eine Ode kann einem<br />
festen Metrum folgen, dieses ist aber nicht<br />
zwingend notwendig. Zur Würde <strong>und</strong> Größe<br />
des in dieser Ode behandelten Themas<br />
passend, wird meist ein<br />
hoher, pathetischer Sprachstil verwendet.<br />
In der griechischen Antike wurde<br />
jegliche Lyrik, die man zur Begleitung von<br />
Musik vorgetragen hat, als Ode bezeichnet,<br />
also auch die Monodie <strong>und</strong> das Chorlied.<br />
Es gibt drei verschiedene Formen der Ode.<br />
Die Alkäische Ode, die Sapphische Ode <strong>und</strong><br />
die Asklepiadeische Ode. In der deutschen<br />
Dichtung wird letztere am häufigsten<br />
verwendet.
Berühmte Oden [Bearbeiten]<br />
� Pindar: Epinikia (Oden auf Sieger der<br />
olympischen, pythischen, nemeischen<br />
<strong>und</strong> isthmischen Spiele)<br />
� Horaz: Carmina I-IV<br />
� Friedrich Gottlieb Klopstock: Der<br />
Zürchersee (Volltext)<br />
� Johann Wolfgang von<br />
Goethe: Prometheus<br />
� Friedrich Schiller: An die Freude (vertont<br />
im Schlusssatz von Beethovens 9.<br />
Symphonie)<br />
� Friedrich Hölderlin: Gesang des<br />
Deutschen, Lebenslauf, Heidelberg<br />
, paradigmatische<br />
Ausdrucksform, Lyrik soll<br />
Empfindungen nach aussen<br />
geben, strenge Regeln<br />
Einmal eine der grossen Oden<br />
von Klopstock ansehen,<br />
Zürcher See<br />
©M. Huber<br />
3. Der Göttinger Hain 1772-1776<br />
Herders Odentheorie<br />
Fragmente einer Abhandlung über<br />
die Ode (1765)<br />
»Das erstgeborene Kind der<br />
Empfindung, der<br />
Ursprung der Dichtkunst <strong>und</strong> der<br />
Keim ihres Lebens<br />
ist die Ode.«<br />
Oden als »perspektivisch<br />
gezeichnete Gemälde des<br />
Affekts«
Ode: Empfindung der Gemeinschaft<br />
<strong>und</strong> Stabilisierung des Geinsamen-<br />
Empfindens<br />
Versmass einer Ode muss man sich<br />
hingeben, um es zu erfahren<br />
14<br />
©M. Huber<br />
4. Konstruktion der Volkspoesie<br />
– auch Effekt der <strong>Sturm</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>Drang</strong>-Bewegung<br />
Johann Gottfried Herder (1744-<br />
1803):<br />
Das Volkslied als Widerschein der<br />
Urpoesie der<br />
Völker.<br />
Im Volkslie die Empfingungen<br />
eines ganzen Volkes<br />
Volkslieder. 1778/1779; Stimmen der<br />
Völker in Liedern,<br />
1807 (postum).<br />
Auszug aus einem Briefwechsel über<br />
Oßian <strong>und</strong> die Lieder<br />
alter Völker, in: Von deutscher Art<br />
<strong>und</strong> Kunst, 1773.<br />
Gotik <strong>und</strong> nordische Dichtung<br />
kommen da zusammen<br />
Volksliedsammlungen, die Herder<br />
herausgibt<br />
©M. Huber
4. Konstruktion der Volkspoesie<br />
Das Volkslied sei anonym, mündlich<br />
überliefert,<br />
veränderlich, ungekünstelt, voller<br />
Würfe, Sprünge<br />
<strong>und</strong> Inversionen von Mägden <strong>und</strong><br />
den ݊ltesten<br />
Mütterchen‹, von Menschen, die<br />
nicht lesen <strong>und</strong><br />
schreiben können, gedichtet,<br />
gesungen <strong>und</strong><br />
überliefert.<br />
Das Volkslied ist ein Lied, das so<br />
gedichtet ist, daß<br />
es all diesen Anforderungen<br />
entspricht.<br />
Abbild der Vorstellung, die die<br />
Epoche sich von<br />
Volkspoesie macht.<br />
.<br />
15<br />
©M. Huber<br />
Medien im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
Musenalmanache als<br />
zeittypisches Medium<br />
der Literatur<br />
Ein Musen-Almanach ist<br />
eine literarische Publikationsform, die sich<br />
um 1770 in Deutschland etablierte <strong>und</strong> auch<br />
im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert sehr beliebt war. Der erste<br />
deutsche Musen-Almanach war der<br />
von Johann Christian Dieterich ab 1770<br />
verlegte Göttinger Musenalmanach (GMA),<br />
der bis zum Jahre 1802 in Göttingen (<strong>und</strong><br />
danach noch bis 1805 an anderen<br />
Verlagsorten) erschien. Die Anregung zu<br />
dieser Publikation kam vom Göttinger<br />
Mathematiker Abraham Gotthelf Kästner,<br />
Herausgeber des GMA war Heinrich Christian<br />
Boie (gemeinsam mit Friedrich Wilhelm<br />
Gotter<br />
»Almanach des Muses« Paris<br />
1765 ff.<br />
Musenalmanach für das Jahr<br />
1770. Hg. von<br />
Heinrich Christian Boie.
©M. Huber<br />
Medien im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
1700 ca. 50 Zeitungsunternehmen<br />
(300.000 Leser)<br />
1800 ca. 200 Zeitungen (3 Millionen<br />
Leser)<br />
Komplexitätssteigerung <strong>und</strong><br />
Selbstreflexivität;<br />
Vermischung der Autor- <strong>und</strong><br />
Leserrolle ab 1760/65,<br />
Autoren werden zunehmend selbst<br />
zu Lesern ihrer<br />
Produkte.<br />
1766 2.000 – 3.000<br />
Nebenerwerbsautoren<br />
1800 10.000 Nebenerwerbsautoren<br />
5. Konzept Erlebnislyrik<br />
Goethe <strong>und</strong> Friederike Brion<br />
1770/71<br />
„Willkommen <strong>und</strong> Abschied“<br />
©M. Huber<br />
Pfarrhof von Sessenheim<br />
(Zeichnung von Goethe)<br />
Sessenheim (deutsch Sesenheim) ist eine<br />
Gemeinde im Elsass (Frankreich), etwa 40 km<br />
nordöstlich von Straßburg gelegen<br />
Friederike Elisabeth Brion (* vermutlich am 19.<br />
April 1752 in Niederrödern im Elsass; † am 3.<br />
April 1813 in Meißenheim bei Lahr) war eine<br />
elsässische Pfarrerstochter <strong>und</strong> hatte eine<br />
kurze, aber heftige Liebschaft mit dem<br />
jungen Goethe.<br />
Liebschaft, aber nach Jurastudium<br />
Beziehung zuende<br />
Unter den jungen Leuten, die das<br />
gastfre<strong>und</strong>liche Pfarrhaus gelegentlich<br />
besuchten, war auch der in Straßburg<br />
studierende Rechtsstudent Johann Wolfgang<br />
Goethe aus Frankfurt. Im Herbst 1770 kam<br />
dieser zusammen mit seinem elsässischen<br />
Fre<strong>und</strong> Friedrich Leopold Weyland beim<br />
Durchstreifen der Umgebung von Straßburg zum<br />
ersten Mal in das kleine, 40 Kilometer<br />
nordöstlich von Straßburg gelegene Dörfchen
Sesenheim. Dieser Ausflug sollte eine der<br />
bekanntesten Liebesepisoden der<br />
Literaturgeschichte zur Folge haben.<br />
Goethe berichtete später von seiner ersten<br />
Begegnung mit Friederike: „In diesem<br />
Augenblick trat sie wirklich in die Türe; <strong>und</strong> da<br />
ging fürwahr an diesem ländlichen Himmel ein<br />
allerliebster Stern auf.“ Und weiter: „Schlank <strong>und</strong><br />
leicht, als wenn sie nichts an sich zu tragen<br />
hätte, schritt sie, <strong>und</strong> beinahe schien für die<br />
gewaltigen blonden Zöpfe des niedlichen<br />
Köpfchens der Hals zu zart. Aus heiteren blauen<br />
Augen blickte sie sehr deutlich umher, <strong>und</strong> das<br />
artige Stumpfnäschen forschte so frei in die Luft,<br />
als wenn es in der Welt keine Sorge geben<br />
könnte; der Strohhut hing am Arm, <strong>und</strong> so hatte<br />
ich das Vergnügen, sie beim ersten Blick auf<br />
einmal in ihrer ganzen Anmut <strong>und</strong> Lieblichkeit zu<br />
sehn <strong>und</strong> zu erkennen.“<br />
Pfarrhaus Sesenheim um 1770 (Rötelzeichnung von<br />
Goethe)<br />
In den nächsten Monaten machte Goethe noch<br />
viele „folles chevauchées“ (tolle Ausritte) nach<br />
Sesenheim, denen auch ausgedehnte<br />
Aufenthalte im Hause Brion folgen.<br />
Unbeobachtet durchstreiften er <strong>und</strong> Friederike<br />
die Umgebung, unternahmen Kahnfahrten in den<br />
damals noch weitläufigeren Rheinauen <strong>und</strong><br />
besuchten Bekannte Friederikes. Für das<br />
nächste Jahr wurde der kleine Ort für Goethe der<br />
„Mittelpunkt der Erde“.<br />
Durch dieses grenzenlose Glück „trat<br />
unversehens die Lust zu dichten“, die Goethe<br />
„lange nicht gefühlt hatte, wieder hervor“. Im<br />
Frühjahr 1771 entstand eine Reihe von<br />
Gedichten <strong>und</strong> Liedern, die manchmal mit<br />
„bemalten Bändern“ an die Geliebte gesandt<br />
wurden; diese „Sesenheimer Lieder“ gehören<br />
maßgeblich zum „<strong>Sturm</strong> <strong>und</strong> <strong>Drang</strong>“ <strong>und</strong><br />
begründeten Goethes Ruf als Lyriker. Unter<br />
ihnen sind zum Beispiel das „Mailied“,<br />
„Willkommen <strong>und</strong> Abschied“ <strong>und</strong><br />
„Das Heideröslein“.
©M. Huber<br />
Epochaler neuer Ton<br />
These: das Erlebnisgedicht<br />
macht vor,<br />
was Erlebnisse überhaupt<br />
sind.<br />
„Willkomm <strong>und</strong> Abschied“<br />
©M. Huber<br />
Es Schlug mein Hertz, geschwind zu Pferde<br />
Und fort! wild wie ein Held zur Schlacht<br />
Der Abend wiegte schon die Erde<br />
Und an den Bergen hieng die Nacht<br />
Schon st<strong>und</strong> im Nebelkleid die Eiche<br />
Wie ein gethürmter Riese da,<br />
Wo Finsterniß auß dem Gesträuche<br />
Mit h<strong>und</strong>ert Schwartzen Augen sah<br />
Der Mond von einem Wolkenhügel<br />
Sah schläfrig aus dem Duft hervor<br />
[ohne Titel 1770/71]<br />
Erlebnislyrik macht vor, was<br />
Erlebnis überhaupt ist, seit<br />
Goethe.<br />
18<br />
©M. Huber<br />
5. Erlebnislyrik
Die Erlebnislyrik, deren Entstehung in<br />
der <strong>Sturm</strong>-<strong>und</strong>-<strong>Drang</strong>-Zeit angesiedelt wird,<br />
erweckt den Anschein der Unmittelbarkeit<br />
des Dargestellten. In der Erlebnislyrik wird<br />
die seelische Stimmung (stellenweise die des<br />
Autors) unvermittelt dargestellt. Erlebnislyrik<br />
wurde lange im Gegensatz<br />
zur Gedankenlyrik gesehen <strong>und</strong> damit<br />
verb<strong>und</strong>en herrschte die Vorstellung, diese<br />
Texte seien in einem Zug geschrieben, ohne<br />
dass sie im Nachhinein durch Reflexion<br />
verändert würden. Bei genauerer<br />
Betrachtung <strong>und</strong> Analyse der Metaphorik,<br />
des Rhythmus oder der Struktur wird diese<br />
Vorstellung, geprägt durch die Genieästhetik<br />
des <strong>Sturm</strong> <strong>und</strong> <strong>Drang</strong>s, unwahrscheinlich.<br />
Diese Art der Lyrik bedient sich gerne<br />
der Natur als Mittel zur Darstellung des<br />
Gemütszustandes der Hauptperson.<br />
Sonnenschein, duftende Wiesen <strong>und</strong><br />
blühende Blumen sollen das Gefühl der<br />
Heiterkeit ausdrücken <strong>und</strong> auf den Leser<br />
einwirken. Wolken, Nebel, Regen <strong>und</strong> Kälte<br />
sollen dem Leser bei ihrer Schilderung real<br />
erscheinen <strong>und</strong> ihn in die, nun schlechte,<br />
Stimmung der Hauptperson bringen. Der<br />
wohl bekannteste Verfechter dieser<br />
Stilrichtung der Lyrik war Goethe, der 1770<br />
mit dem Schreiben der für die damalige Zeit<br />
neuen Art des Gedichtes begann. Die<br />
Goethesche Art der Erlebnislyrik prägt die<br />
deutsche Natur- <strong>und</strong> Liebeslyrik bis weit ins<br />
19. Jh. hinein <strong>und</strong> bestimmt noch heutzutage<br />
das landläufige Verständnis von Lyrik.<br />
Weiterhin gibt es Diskussionen,<br />
ob Minnesang auch zu Erlebnislyrik zählt.<br />
Verfechter dieser Theorie ist unter anderem<br />
Ulrich Müller, der ein Essay zu diesem Thema<br />
verfasst hat.<br />
Erlebnislyrik als<br />
literarhistorisches Konstrukt<br />
Werke <strong>und</strong> Autoren [Bearbeiten]<br />
Die Stürmer <strong>und</strong> Dränger kamen vorwiegend aus<br />
dem Mittel- <strong>und</strong> Kleinbürgertum; ihre<br />
literarischen Betätigungen suchten sie materiell<br />
durch Hauslehrer- oder Pfarrstellen abzusichern,<br />
denn von der Literatur konnten sie nicht leben.<br />
Es fehlte ihnen nämlich die soziale Resonanz,<br />
ihre Bewegung blieb auf die Bekannten<br />
beschränkt, mit denen man sich zu<br />
Männerbünden zusammenschloss (z.B.<br />
Göttinger Hain). (Goethes erwähnter Roman<br />
blieb eine Ausnahme.) Hauptorte des <strong>Sturm</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>Drang</strong> waren Strassburg, Göttingen, Frankfurt<br />
am Main. Für viele Dichter, v.a. Goethe <strong>und</strong><br />
Schiller, war der <strong>Sturm</strong> <strong>und</strong> <strong>Drang</strong> nur eine<br />
vorübergehende Phase ihres Lebens <strong>und</strong><br />
Schaffens. Viele Autoren <strong>und</strong> Werke waren nur<br />
zu ihrer Zeit bekannt <strong>und</strong> sind heute weitgehend<br />
vergessen.<br />
Wilhelm Dilthey: Das Erlebnis<br />
<strong>und</strong> die Dichtung<br />
(1906) Wilhelm Dilthey (* 19.<br />
November 1833 in Wiesbaden-Biebrich; † <strong>1.</strong><br />
Oktober 1911 in Seis am Schlern, Südtirol) war<br />
ein<br />
deutscher Philosoph, Psychologe <strong>und</strong> Pädagoge<br />
.<br />
Entgegen dem zu seiner Zeit stark<br />
verbreiteten Naturalismus entwickelte Dilthey<br />
ein lebensphilosophisches F<strong>und</strong>ament, welches<br />
das menschliche Leben <strong>und</strong> die Formen seines<br />
Ausdrucks nicht mehr nur nach<br />
Naturgesetzlichkeiten erklärte, sondern vielmehr