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Frank Klein - DB Advisors

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Roundtable<br />

Nachhaltig investieren<br />

SponSoRen<br />

TeilnehmeR<br />

1 henning mettler Finanzvorstand,<br />

Concordia Versicherungsgruppe<br />

2 Christian müller Bereichsleiter<br />

Vorstandsstab, KD-Bank<br />

3 Ulrich Buchholtz Freier Journalist,<br />

dpn-Autor (Moderator)<br />

4 michael lennert<br />

Financial Times (Moderator)<br />

5 hermann Rüdt Referat Finanzwesen,<br />

Evangelische Landeskirche in Baden<br />

6 Dr. Axel hesse Senior Consultant,<br />

SD-M Sustainable Development Management<br />

7 <strong>Frank</strong> <strong>Klein</strong> Managing Director<br />

Investment Solutions Europe, <strong>DB</strong> <strong>Advisors</strong><br />

1<br />

2 3 4<br />

5 6 7<br />

Alle Fotos:<br />

Norbert Bretschneider · CONCEPTDESIGN<br />

Dezember 2010 / Januar 2011 dpn dossier 7


Roundtable Nachhaltig investieren<br />

8 dpn dossier Dezember 2010 / Januar 2011<br />

dpn: Guten Tag, meine Herren, wir sprechen heute<br />

über die nachhaltige Geldanlage, auch Socially Responsible<br />

Investing (SRI) genannt. Was verstehen Sie<br />

unter diesem Begriff, Dr. Hesse, und was nicht?<br />

Dr. Axel hesse: Zu den nachhaltigen Investments zähle<br />

ich Anlagen, die zu den zentralen globalen Herausforderungen<br />

wie Klimawandel, Entwaldung, Wassermangel<br />

oder Armutsbekämpfung einen Beitrag leisten.<br />

Andere Konzepte wie etwa SRI, ESG – Environmental,<br />

Social and Governance - oder ethisches Investment sind<br />

nicht so klar fokussiert. Es gibt meiner Meinung nach<br />

derzeit viel zu viele Kriterien am Markt. Deshalb konzentriere<br />

ich mich in meiner Arbeit auf die nachhaltige<br />

Entwicklung und lasse soziale Themen außen vor.<br />

dpn: Herr <strong>Klein</strong>, hat das nachhaltige Investieren<br />

ein Definitionsproblem, weil jeder etwas anderes<br />

darunter versteht?<br />

„Es gibt dErzEit viEl zu viElE<br />

nachhaltigkEitskritEriEn.“ Dr. Axel Hesse<br />

<strong>Frank</strong> <strong>Klein</strong>: In der Vergangenheit ist der Begriff sehr<br />

breit gefasst worden. Aber man ist zurzeit auf dem Weg,<br />

die Definitionen einzugrenzen. Deshalb haben wir uns<br />

bei der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und<br />

Asset Management (DVFA) frühzeitig bei der Definition<br />

von nachhaltigen Investments engagiert, und zwar als<br />

Dreiteilung, das heißt ESG: in einen ökologischen Teil,<br />

einen sozialen Teil und die Unternehmensaufsicht. In<br />

diesen drei Bereichen hat die DVFA mit den sogenannten<br />

Key Performance Indicators (KPIs) klare Definitionen<br />

festgelegt.<br />

dpn: Welche SRI-Anlagen bietet <strong>DB</strong> <strong>Advisors</strong> an?<br />

<strong>Klein</strong>: Wir arbeiten bei <strong>DB</strong> <strong>Advisors</strong> mit der DWS zusammen<br />

und bieten Aktien-, Renten- und Balanced-<br />

Mandate nach dem ESG-Prinzip an – in Form eines Bestin-Class-Ansatzes<br />

mit optionalen Ausschlusskriterien<br />

und CO2-Optimierung – an sowie Produkte<br />

zu einzelnen nachhaltigen Themen<br />

wie Fonds zu Umwelt und Klimawandel,<br />

die dann auch weitere Asset-<br />

Klassen abdecken wie Private Equity,<br />

Long-Short- sowie Overlay-Strategien.<br />

dpn: Herr Müller, welche Bedeutung<br />

hat die nachhaltige Kapitalanlage<br />

für die KD-Bank?<br />

Christian müller: Unsere Kunden aus<br />

Kirche und Diakonie stellen besondere<br />

ethische Ansprüche an die Geldanlage.<br />

Wir setzen deshalb bei unseren gesamten<br />

Eigenanlagen einen Nachhaltigkeitsfilter<br />

ein. Auch bei zahlreichen Mandaten für<br />

unsere Kunden verwenden wir nachhaltige<br />

Kriterien. Wichtig sind uns transparente<br />

Kriterien und ein nachvollziehbares<br />

Research.<br />

dpn: Herr Rüdt, Sie haben als Landeskirche in Baden<br />

vermutlich auch hohe ethische Ansprüche.<br />

Umfasst der Nachhaltigkeitsbegriff bei Ihnen auch<br />

Negativkriterien: no Sex, no Drugs, no Weapons?<br />

hermann Rüdt: Ja, wobei dies im Detail nicht so einfach<br />

ist: Wenn Sie zwei Theologen ein Gutachten darüber<br />

schreiben lassen, was ethisch ist, dann werden Sie<br />

drei Meinungen erhalten.<br />

dpn: Haben Sie dennoch eine Liste mit Negativkriterien<br />

aufgestellt?<br />

Rüdt: Das haben wir. Die Hauptthemen sind Waffen,<br />

Pornografie, Atomenergie, Gentechnologie bei der Herstellung<br />

von Samen sowie Kinderarbeit. Wobei es gerade<br />

bei der Kinderarbeit schwierig ist, Informationen zu bekommen,<br />

wie es in den Subunternehmen aussieht.<br />

dpn: Schließen Sie Unternehmen, die gegen ein Negativkriterium<br />

verstoßen, grundsätzlich aus?<br />

Rüdt: Wir leben in der Welt, in der wir leben, und wir<br />

müssen in dieser auch Erträge generieren. Wenn wir<br />

eine Null-Prozent-Duldungsstrategie führen, könnten<br />

wir in fast nichts investieren. Jeder kirchliche Anleger<br />

legt diese Dinge für sich selbst fest. Wir würden ein Investment<br />

beenden, wenn ein Konzern die negativen<br />

Kriterien zu mehr als 10 Prozent erfüllt.<br />

dpn: Herr Mettler, welche Rolle spielt Nachhaltigkeit<br />

in der Concordia Versicherungsgruppe?<br />

henning mettler: Wir haben mit der Oeco Capital eine<br />

Gesellschaft in der Gruppe, die als einzige Lebensversicherung<br />

in Deutschland ihr Kapital ausschließlich nachhaltig<br />

anlegt. Wir streben dabei eine ökologische, soziale<br />

und ökonomische Nachhaltigkeit an. Sie ist bei der Oeco<br />

Capital in der Satzung verankert. Außerdem entscheidet<br />

ein Beirat mit externen Experten über das Anlageuniversum.<br />

Jedes einzelne Investment muss auf einer Liste stehen,<br />

die vom Beirat genehmigt ist. Das ist ein sehr stringenter<br />

Ansatz. Wir arbeiten sowohl mit Positiv- als auch


mit Negativkriterien. Den Best-in-Class-Ansatz<br />

haben wir noch nie verfolgt – und wir<br />

sehen ihn auch weiterhin sehr kritisch. Die<br />

Oeco Capital hält etwa bewusst keine Ölwerte<br />

– BP ist also nicht vertreten – und sie berücksichtigt<br />

auch keine Automobilaktien.<br />

dpn: Wirkt sich die nachhaltige Anlagepolitik<br />

der Oeco Capital auch auf die<br />

Anlagepolitik der gesamten Concordia-<br />

Gruppe aus?<br />

mettler: Eine Ausstrahlung der Oeco Capital<br />

auf die Unternehmenskultur der gesamten<br />

Gruppe gibt es schon, aber wir können<br />

nicht sagen, dass wir alle Kapitalanlagen<br />

der Concordia Versicherungsgruppe nachhaltig<br />

anlegen. Das wäre kaum darstellbar.<br />

Aber Unternehmen, die auf der schwarzen<br />

Liste der Oeco Capital stehen, versuchen<br />

wir auch bei den Direktanlagen für die anderen<br />

Gesellschaften zu meiden.<br />

dpn: Gibt es ein Beispiel dafür?<br />

mettler: BP-Anleihen haben wir auch bei<br />

den anderen Gesellschaften nicht im Bestand,<br />

BP-Aktien nur über Indexanlagen.<br />

dpn: Kostet das nachhaltige Investieren<br />

Ihrer Erfahrung nach Rendite?<br />

mettler: Definitiv nein! Die Nachhaltigkeit<br />

ist kein Nachteil, solange man in der Kapitalanlage<br />

nicht die Größenordnung einer<br />

Allianz Leben erreicht. Allerdings sehe ich<br />

es als sehr schwierig an, den Deckungsstock<br />

der Allianz Leben nachhaltig im stringenten Sinne der<br />

Oeco Capital anzulegen.<br />

müller: Die meisten wissenschaftlichen Untersuchungen<br />

kommen derzeit zu dem Ergebnis, dass eine nachhaltige<br />

Anlage keine Rendite kostet, aber Sinn stiftet. Für<br />

uns als Bank im kirchlichen Sektor ist der verantwortungsbewusste<br />

Umgang mit den Geldern zudem eine<br />

strenge Nebenbedingung. Insofern gibt es für uns keine<br />

Alternative zur nachhaltigen Kapitalanlage – zumal wir<br />

in einer ähnlichen Situation sind wie die Oeco Capital:<br />

Wir bekommen unsere Gelder noch gut angelegt mit<br />

den Möglichkeiten, die uns das Filterkonzept lässt.<br />

dpn: Ihre Meinung, Herr <strong>Klein</strong>: Muss man bei einer<br />

nachhaltigen Anlage auf Rendite verzichten?<br />

<strong>Klein</strong>: Nein. Wir setzen in unseren nachhaltigen Mandaten<br />

konventionelle Indizes als Benchmark ein – und<br />

die wollen wir dann mit den Portfolios auch schlagen.<br />

Als Leiter der Abteilung Finanzwesen ist<br />

Hermann Rüdt für die Anlage von 1,1 Milliarden<br />

Euro der Evangelischen Landeskirche in<br />

Baden und ihrer Versorgungsstiftung verantwortlich.<br />

Der 63-Jährige Diplom-Verwaltungswirt<br />

lässt dabei so weit wie möglich nachhaltige<br />

und ethische Aspekte einfließen.<br />

Allerdings ist dies nicht ganz einfach: Zum<br />

einen sind selbst Theologen manchmal<br />

unterschiedlicher Meinung darüber, was noch<br />

ethisch ist und was nicht mehr. Zum anderen<br />

können Ausschlusskriterien besonders bei<br />

Staatsanleihen zu einer unzureichenden<br />

Diversifikation führen.<br />

„Wir glaubEn, dass Wir mit EinEm<br />

nachhaltigEn ansatz mindEstEns so gut<br />

sEin WErdEn WiE konvEntionEllE<br />

vErglEichsindizEs.“ <strong>Frank</strong> <strong>Klein</strong><br />

dpn: Gelingt Ihnen das?<br />

<strong>Klein</strong>: Wir haben bei den Aktien einen<br />

Track Record von vier Jahren. Gegenüber<br />

dem MSCI World beträgt die Outperformance<br />

der globalen Aktienprodukte mit<br />

einem nachhaltigen Ansatz zwischen 5<br />

und 10 Prozent – je nach Periode. Ein solches<br />

Ergebnis wird nicht immer möglich<br />

sein, aber wir glauben, dass wir mindestens<br />

so gut sein werden wie die konventionellen<br />

Vergleichsindizes. Mittelfristig<br />

auch besser, weil wir nachhaltige Investments<br />

als eine Value-Anlage verstehen.<br />

Die höhere Qualität ergibt sich dadurch,<br />

dass wir auf der einen Seite Ausschlusskriterien<br />

benutzen und auf der anderen Seite<br />

einen Best-in-Class-Ansatz fahren. Wir haben<br />

durch die Nachhaltigkeit also eine Art<br />

Value Overlay in den Portfolios.<br />

dpn: Herr Rüdt?<br />

Rüdt: Wir verwenden für die Messung<br />

ebenfalls keine nachhaltigen Benchmarks,<br />

sondern die üblichen Indizes,<br />

zum Beispiel den MSCI Europa. Da ist der<br />

Erfolg mal hopp, mal flopp. Das hängt<br />

auch von Managern ab. Wenn wir unsere<br />

Benchmarks mit nachhaltigen Indizes<br />

vergleichen, dann kommt es darauf an,<br />

welchen Zeitraum wir wählen. Da können<br />

Sie es hinzaubern, dass die nachhaltigen<br />

Indizes die anderen Benchmarks<br />

deutlich schlagen, und Sie haben Zeiträume,<br />

wo das überhaupt nicht funktioniert.<br />

Aber ich denke schon, dass die<br />

nachhaltigen Indizes über lange Zeiträume etwas<br />

schlechter abschneiden werden als die üblichen Märkte.<br />

Allerdings kann ein Manager natürlich über die Titelauswahl<br />

den Markt schlagen – und das auch bei vorgegebenen<br />

Ausschlusskriterien.<br />

dpn: Worauf achten Sie bei der Auswahl Ihrer<br />

nachhaltigen Asset Manager?<br />

Rüdt: Für uns ist die Transparenz des Investmentprozesses<br />

ganz wichtig. Bei Positivlisten achten wir auch<br />

stark auf den Research-Prozess. Da gibt es Häuser, die<br />

sich hinter einem Sustainability-Index verstecken. Das<br />

ist uns zu wenig. Andere Häuser benennen die Quellen<br />

ihres Researchs. Gerne würden wir die Kriterien auch<br />

gewichten: zum Beispiel die ökonomischen Kriterien<br />

auf der einen Seite und die ökologischen und sozialen<br />

Kriterien auf der anderen Seite. Wir haben das einige<br />

Jahre mit einem Schweizer Haus praktiziert. Die haben<br />

aber zu wenig Kunden gefunden, und inzwischen finden<br />

wir keinen Anbieter mehr dafür.<br />

dpn: Herr Dr.Hesse, was halten Sie von der Diskussion<br />

über die Rendite nachhaltiger Anlagen?<br />

hesse: Ich sehe viele der Studien eher kritisch. Wenn man<br />

sich zum Beispiel die führenden vier Nachhaltigkeitsindizes<br />

anschaut: In diesen sind 28 der 30 Dax-Konzerne min-<br />

Dezember 2010 / Januar 2011 dpn dossier 9


Roundtable Nachhaltig investieren<br />

destens einmal enthalten. Wenn ich also das<br />

Universum aus diesen vier Nachhaltigkeitsindizes<br />

mit gewöhnlichen Indizes vergleiche,<br />

sollte das Ergebnis nicht verwundern: Am<br />

Ende kommt eine kaum höhere oder niedrigere<br />

Rendite heraus.<br />

dpn: Was schlagen Sie vor?<br />

hesse: Ich habe führende europäische Pensionsfonds,<br />

die sich schon seit Jahren mit<br />

der nachhaltigen Anlage beschäftigen, befragt.<br />

Nach deren Meinung werden umfangreiche<br />

Nachhaltigkeitsansätze mit 100<br />

oder 200 Kriterien langfristig eher zu einer<br />

Underperformance führen. Die große Zahl<br />

der Kriterien erfasst zwar praktisch alle Aspekte.<br />

Aber irgendwann müssen Asset Manager<br />

eine Entscheidung treffen und dafür<br />

eine Gewichtung vornehmen. Beispiel BP:<br />

Da haben sich die nachhaltigen Asset Manager<br />

zwar auch die Zahl der Ölunfälle in<br />

der Vergangenheit angeschaut. Aber dieses<br />

Kriterium ist dann meistens nur mit wenigen<br />

Prozent Gewicht in die Bewertung eingeflossen.<br />

BP war deshalb in vielen nachhaltigen<br />

Portfolios vertreten, als das Unglück<br />

mit der Deep Horizon den Aktienkurs<br />

massiv einbrechen ließ.<br />

dpn: Welche Alternative gibt es?<br />

hesse: Wir haben im Auftrag des Bundesumweltministeriums<br />

die drei jeweils wichtigsten<br />

Nachhaltigkeitsfaktoren für die Finanz-Performance<br />

von 68 Branchen ermittelt: die Sustainable Development<br />

Key Performance Indicators – kurz SD-KPIs. Basis<br />

dafür war eine Befragung von Investoren, die<br />

insgesamt zwei Billionen Euro nachhaltige Assets betreuen.<br />

Das Ergebnis liegt als 130-Seiten-Studie vor („SD-<br />

KPI Standard 2010 bis 2014“).<br />

dpn: Wie sind die praktischen Erfahrungen mit<br />

diesem neuen Konzept?<br />

hesse: Die Studie ist im Januar 2010 publiziert worden.<br />

In der Ölbranche waren einer der drei SD-KPIs die<br />

Ölunfälle in der Vergangenheit. Hätten die Anleger dieses<br />

Kriterium mit 33 Prozent gewichtet, hätten sie BP<br />

gemieden und eine Outperformance erzielt.<br />

Ein weiteres Beispiel: In einer Vorläuferstudie haben<br />

wir Anfang 2007 – also noch vor dem Ausbruch der<br />

Finanzkrise – publiziert, dass einer der drei SD-KPIs bei<br />

den Banken die Subprime-Risiken sind.<br />

dpn: Sehr interessante Ergebnisse. Doch Erfahrungen<br />

mit echtem Geld gibt es bisher noch nicht,<br />

oder?<br />

„Es gEht bEi dEr nachhaltigEn<br />

kapitalanlagE auch darum, künftigE<br />

risikEn zu antizipiErEn.“ Christian Müller<br />

10 dpn dossier Dezember 2010 / Januar 2011<br />

Christian Müller leitet den Vorstandsstab<br />

der KD-Bank für Kirche und Diakonie in<br />

Dortmund. Das Institut hat 2008 einen systematischen<br />

Nachhaltigkeitsfilter für die gesamte<br />

Eigenanlage in Höhe von 2,8 Milliarden<br />

Euro eingeführt. Zusätzlich managt es<br />

über Spezialfonds, Fonds und die Vermögensverwaltung<br />

Kundengelder in Höhe von<br />

350 Millionen Euro nachhaltig. Der 40-Jährige<br />

Bankkaufmann, der zuvor bei einer deutschen<br />

Großbank tätig war, ist Mitglied der<br />

Arbeitsgruppe „Ethisch nachhaltige Geldanlagen“<br />

der Evangelischen Kirche in Deutschland<br />

(EKD).<br />

hesse: Ja, das stimmt. Aber die ersten<br />

konkreten Produkte für dieses Konzept<br />

sind für Anfang 2011 geplant.<br />

dpn: Verringern Nachhaltigkeitsansätze<br />

die Anlagerisiken, weil bestimmte<br />

Geschäfte mit einem latenten<br />

Risiko ausgeschlossen sind?<br />

<strong>Klein</strong>: Durch die nachhaltigen Kriterien<br />

zieht eine gewisse Qualität in das Portfolio<br />

ein. Dadurch sinkt die Volatilität im<br />

Allgemeinen.<br />

dpn: Stellen Sie dies auch in Ihren<br />

nachhaltigen Mandaten fest?<br />

<strong>Klein</strong>: Ja, und zwar sowohl auf der Aktien-<br />

als auch auf der Rentenseite.<br />

dpn: Wie sehen Sie das, Herr Müller?<br />

müller: Wenn Sie langfristig investieren,<br />

reichen die Finanzkennzahlen irgendwann<br />

nicht mehr aus. Es geht dann darum,<br />

künftige Risiken zu antizipieren.<br />

Das erleben wir im Moment in der Automobilindustrie,<br />

wo derzeit die Weichen<br />

für den Erfolg in zehn oder 20 Jahren gestellt<br />

werden. Interessant ist, ob die Produktpolitik<br />

bei den SD-KPIs für die Autobranche<br />

zu den drei wichtigsten Faktoren<br />

gehört.<br />

hesse: Ja, die zwei wichtigsten SD-KPIs in der Autoindustrie<br />

sind der Flottenverbrauch und der Umsatzanteil<br />

alternativer Antriebskonzepte.<br />

dpn: Wie setzt man das Thema Nachhaltigkeit in<br />

den verschiedenen Asset-Klassen um? Und wie<br />

sieht das bei Private Equity und Hedgefonds aus?<br />

Rüdt: Private Equity und Hedgefonds haben wir nicht.<br />

Bei Aktien und Unternehmensanleihen kann man<br />

nachhaltige Standards relativ gut implementieren.<br />

Ein großes Problem sind allerdings die Staatsanleihen.<br />

Man stößt bei der Auswahl der Titel relativ<br />

schnell an Grenzen, weil über Negativkriterien wie<br />

die tatsächlich vollzogene Todesstrafe oder die Korruption<br />

viele Länder aus dem Universum herausfallen.<br />

Ich weiß nicht einmal, ob wir bei strengster Auslegung<br />

überhaupt Bundesanleihen kaufen dürften.<br />

Es gibt doch überall Korruption in unterschiedlicher<br />

Ausprägung. Wir haben eine Liste, an die wir uns halten.<br />

Deutsche Staatsanleihen kaufen wir, US-Papiere<br />

hingegen nicht. Durch deren Fehlen gibt es Probleme<br />

bei der Diversifikation. Das ist eine ganz schwierige<br />

Situation. Da haben wir noch nicht das goldene Ei gefunden.<br />

dpn: Herr Müller, wie setzen Sie die Nachhaltigkeit<br />

der verschiedenen Asset-Klassen um?<br />

müller: Wir agieren tendenziell eher konservativ und<br />

setzen kein Private Equity ein. In den Eigenanlagen


sind wir rentenlastig aufgestellt. Da haben wir die gleichen<br />

Herausforderungen, wie Herr Rüdt sie gerade geschildert<br />

hat. Ähnlich sieht das auch bei den Bankadressen<br />

aus. Dort schließt unser Filter über die Hälfte<br />

der möglichen Emittenten aus.<br />

dpn: Herr Mettler, haben Sie auch Probleme mit<br />

den Staatsanleihen?<br />

mettler: Ja, sogar noch über die bereits genannten hinaus.<br />

Ein Beispiel: Eine bekannte Publikation der Zürcher<br />

Kantonalbank führt Irland als eines der zehn besten<br />

Länder in Sachen Nachhaltigkeit auf. Wir kaufen<br />

trotzdem keine irischen Anleihen, weil dort nach Meinung<br />

unseres Beirats die Menschenrechte der Frauen<br />

nicht angemessen gewürdigt werden. Dies zeigt, dass<br />

jeder Investor seine eigene Definition eines verantwortlichen<br />

Investierens finden muss.<br />

dpn: Und bei den Bankanleihen?<br />

mettler: Wir haben keine Großbank auf unserer Liste<br />

der geprüften Unternehmen. Die Kredite, die Banken<br />

vergeben, fließen zum Teil in Projekte oder Finanzierungen,<br />

die nicht unseren Vorstellungen entsprechen.<br />

Es wäre daher sehr sinnvoll – und das ist eine meiner<br />

Aktivitäten –, Daueremittenten dazu zu bewegen, eine<br />

nachhaltige Tochtergesellschaft aufzusetzen und große,<br />

liquide Daueremissionen aufzulegen. Leider ist dieser<br />

Wunsch bisher noch nicht in Erfüllung gegangen.<br />

dpn: Wie wäre es dann mit den Anleihen einer Mikrokreditbank?<br />

Rüdt: Oh, Vorsicht!<br />

mettler: Wir diskutieren derzeit darüber, weil wir unsere<br />

Asset-Basis verbreitern möchten. Wir denken dabei<br />

an Mikrofinanz und Private Equity. Aber das wird<br />

noch Zeit brauchen. Außerdem haben Mikrokredite<br />

auch ihre Tücken.<br />

dpn: Herr Rüdt, Sie sind nicht überzeugt von der<br />

Mikrofinanz?<br />

Rüdt: Das Prinzip ist zwar gut. Aber wenn diese Banken<br />

dann 30 bis 50 Prozent Zinsen im Jahr für den Mikrokredit<br />

verlangen, ist das ethisch schlichtweg verwerflich!<br />

Man muss sehr genau hinschauen, wenn man sich<br />

dort engagiert.<br />

mettler: Herr <strong>Klein</strong>, machen Sie doch mal hausintern<br />

den Vorschlag: Die Deutsche Bank gründet eine Tochter,<br />

die nachhaltige Anleihen emittiert. Das wäre ein<br />

großer Schritt nach vorne! Dann kämen automatisch<br />

andere Banken in Zugzwang.<br />

<strong>Klein</strong>: Die Kreditvergabe bei den Banken erfolgt inzwischen<br />

nach sehr strengen Kriterien, die auch nachhaltige<br />

Aspekte berücksichtigen. Auch innerhalb der Banken<br />

wird zum Teil auf Rendite verzichtet, um Reputationsrisiken<br />

zu vermeiden. Außerdem gibt es noch die Emissionen<br />

mit einem ganz klaren nachhaltigen Bezug, bei uns<br />

im Haus zum Beispiel im Bereich Asset Finance and Leasing<br />

mit Mikrokrediten oder Solarprojekten.<br />

„bankEn solltEn nachhaltigE tochtErgEsEllschaftEn<br />

aufsEtzEn und grossE,<br />

liquidE dauErEmissionEn auflEgEn.“<br />

Henning Mettler<br />

dpn: Wäre das etwas für Sie, Herr Mettler?<br />

mettler: Das sind wieder Spezial-Investments. Da wird<br />

dann zum Beispiel ein Mikrofinanz-Bond emittiert, der<br />

möglicherweise unseren Vorstellungen von Nachhaltigkeit<br />

entspricht, aber der nicht die notwendige Liquidität<br />

mit sich bringt. So etwas werden wir künftig gegebenenfalls<br />

auch kaufen. Aber ich brauche in meinem<br />

Anleihenportfolio einen liquiden Teil, den ich in bestimmten<br />

Situationen auch veräußern kann. Und dafür<br />

benötige ich große Emissionen.<br />

dpn: Herr <strong>Klein</strong>, wäre das aus Ihrer Sicht darstellbar?<br />

<strong>Klein</strong>: Über die bereits zum Beispiel von der Weltbank<br />

emittierten Green Bonds hinaus gibt es weitere Überlegungen,<br />

aber das ist eine Sache, die in Reinkultur noch<br />

eine längere Zeitschiene erfordert.<br />

dpn: Wie sieht es mit den Immobilien<br />

und der Nachhaltigkeit aus, Herr<br />

Mettler?<br />

mettler: Wir denken konkret darüber<br />

nach, einen Immobilienfonds zu zeichnen,<br />

der ausschließlich nachhaltig gemanagt<br />

wird. Was wir bisher gesehen<br />

hatten, entsprach nicht unseren Vorstellungen.<br />

Aber so langsam kommt Bewegung<br />

in dieses Marktsegment.<br />

dpn: Was hat Ihnen bisher noch nicht<br />

ausgereicht? Und was macht der<br />

neue Fonds anders?<br />

mettler: In der Vergangenheit verstießen<br />

die entsprechenden Fonds gegen unsere<br />

Negativliste. Dies betraf zum Beispiel<br />

die Nutzung des Gebäudes oder die verwendeten<br />

Materialien. Außerdem investiert<br />

der neue Fonds in Gebäude, die gerade<br />

erst gebaut worden sind oder sich noch<br />

im Bau befinden. Bei Bestandsimmobilien<br />

müssten wir sehr tief in die Analyse<br />

hineingehen – und das schaffen wir mit<br />

unserer kleinen Mannschaft nicht.<br />

dpn: Nachhaltiges Bauen ist doch in<br />

der Regel teurer. Schlägt sich das<br />

nicht auf die Rendite nieder?<br />

mettler: Es ist teurer, aber die Rendite,<br />

die aus diesem Fonds erwartet wird, ist<br />

für uns akzeptabel. Und auch die Mieter<br />

in den Gebäuden entsprechen unseren<br />

Nachhaltigkeitskriterien.<br />

Henning Mettler kennt beide<br />

Welten: die konventionelle und<br />

die nachhaltige Kapitalanlage.<br />

Als Finanzvorstand der Concordia<br />

Versicherungsgruppe (2,5<br />

Milliarden Euro Assets) ist er für<br />

sehr unterschiedliche Gesellschaften<br />

zuständig – darunter<br />

die Oeco Capital. Sie ist der erste<br />

und bisher einzige Lebensversicherer,<br />

der seine Kapitalanlagen<br />

von derzeit 250 Millionen Euro<br />

ausschließlich nach strengen<br />

nachhaltigen Kriterien investiert.<br />

Das Fazit des 50-Jährigen, der<br />

seine berufliche Laufbahn bei<br />

der Allianz begann: Nachhaltigkeit<br />

kostet keine Rendite.<br />

Dezember 2010 / Januar 2011 dpn dossier 11


Roundtable Nachhaltig investieren<br />

Als Senior Consultant von Sustainable<br />

Development Management<br />

(SD-M) hat Dr. Axel Hesse<br />

nachhaltige Schlüsselfaktoren<br />

für 68 Branchen ermittelt.<br />

Durch die Konzentration auf jeweils<br />

nur drei nachhaltige Kriterien<br />

pro Branche soll das neue<br />

Konzept die Wahrscheinlichkeit<br />

einer Outperformance erhöhen.<br />

2011 will der 40-Jährige Diplom-<br />

Kaufmann das Konzept mit echtem<br />

Geld umsetzen. Erfahrung<br />

mit so etwas hat er schon: Hesse<br />

war auch an der Lancierung<br />

des weltweit ersten Investmentprodukts<br />

auf den Dow Jones<br />

Sustainability Index im Oktober<br />

1999 beteiligt.<br />

12 dpn dossier Dezember 2010 / Januar 2011<br />

dpn: Zahlen diese eine höhere Miete?<br />

mettler: Sie haben zumindest längere<br />

Mietverträge abgeschlossen. Das hilft natürlich<br />

der Bewertung des Fonds.<br />

dpn: Herr <strong>Klein</strong>, welche Asset-kKlassen<br />

können Sie nachhaltig abbilden<br />

und welche nicht?<br />

<strong>Klein</strong>: Der Trend wird dahin gehen, dass<br />

Sie als Anleger nicht nur eine bestimmte<br />

Asset-Klasse nachhaltig abbilden wollen,<br />

sondern das gesamte Portfolio. In den vergangenen<br />

Jahren sind die ersten Schritte<br />

bei den Aktien und Renten gemacht worden.<br />

Der nächste Schritt sind jetzt Green<br />

Buildings. Dort sind wir noch nicht tätig,<br />

haben aber mit der Universität Maastricht<br />

einige Studien zum Thema gemacht. So<br />

lässt sich zum Beispiel festhalten, dass in<br />

den USA bei Gebäuden mit einer stärkeren<br />

Wärmedämmung die Mietverträge<br />

länger laufen, die Mietpreise pro Quadratmeter<br />

höher ausfallen und die Anschlussvermietung<br />

beziehungsweise ein<br />

späterer Verkauf leichterfallen. Green<br />

Buildings werden in den nächsten Jahren<br />

noch weiter Raum greifen, weil die Immobilien<br />

die drittgrößte Assetklasse darstellen.<br />

Nachhaltiges Private Equity ist ebenfalls<br />

ein Thema und wird mittelfristig<br />

weiter ausgebaut werden.<br />

dpn: Hedgefonds auch?<br />

<strong>Klein</strong>: Ja, Hedgefonds genauso.<br />

dpn: Wie sieht es mit den Rohstoffen und der Nachhaltigkeit<br />

aus? In der Vergangenheit waren ja besonders<br />

die Anlagen in Soft Commodities sehr umstritten.<br />

Rüdt: Wir sind in Agrarprodukten nicht investiert,<br />

weil wir die Spekulation mit Nahrungsmitteln sehr kritisch<br />

sehen. Wir würden – wenn überhaupt – eher in<br />

Unternehmen dieses Sektors investieren.<br />

dpn: Für wie wichtig halten Sie die aktive Einflussnahme<br />

auf die Entscheidungsträger in den Unternehmen?<br />

Rüdt: Bei uns gehört zum Nachhaltigkeitsbegriff auch<br />

das aktive Aktionärstum – das sogenannte Engagement<br />

- dazu. Als Investor möchte ich – wenn auch in einem<br />

bescheidenen Maße – Einfluss nehmen können. Die<br />

Schweiz ist in diesem Bereich weiter. Wir haben deshalb<br />

vor zehn Jahren angefangen, mit einem entsprechenden<br />

Schweizer Anbieter …<br />

dpn: ... Ethos? ...<br />

„für uns gEhört auch aktivEs aktionärstum<br />

zur nachhaltigkEit dazu.“ Hermann Rüdt<br />

Rüdt: … ja, Ethos, diesen Ansatz zu verfolgen. Die waren<br />

uns dann aber zu stark auf Corporate Governance<br />

fokussiert. Daher haben wir dieses Mandat an einen<br />

großen angelsächsischen Anbieter vergeben …<br />

dpn: … F&C? …<br />

Rüdt: … genau, F&C steuert für uns weltweit das Engagement.<br />

dpn: Wie zufrieden sind Sie bisher damit?<br />

Rüdt: Wir sind sehr zufrieden. F&C greift Missstände<br />

auf, die unsere kirchlichen Werke und Einrichtungen<br />

vor Ort in den Schwellenländern hautnah miterleben:<br />

Kinderarbeit, Verunreinigung von Wasser und so weiter.<br />

Voraussetzung dafür ist nur, dass Kunden von F&C<br />

Titel des betroffenen Unternehmens halten. Diese Papiere<br />

müssen nicht unbedingt bei uns im Portefeuille<br />

liegen.<br />

dpn: Können Sie ein Beispiel für ein solches Vorgehen<br />

nennen?<br />

Rüdt: Ja, es ging dabei um Nestlé und das Thema Wasser<br />

in Verbindung mit der Verwendung von Milchpulver.<br />

F&C hat es geschafft, dass wir in dieser Sache – zusammen<br />

mit F&C – bei Nestlé vorstellig werden konnten.<br />

Das Thema ist dort durchaus auf offene Ohren gestoßen.<br />

Natürlich muss man auch Geduld bei der<br />

Umsetzung haben. Wir können nicht erwarten, dass<br />

wir dort heute anklopfen und sagen „Ihr Bösen, werdet<br />

mal gut“ und die dann alles sofort ändern.<br />

dpn: Herr Müller, wäre eine solche aktive Wahrnehmung<br />

der Stimmrechte auch etwas für Sie?<br />

müller: Es ist ein Baustein in unserem Ansatz – wobei<br />

ich dazu sagen muss, dass in unseren eigenen Anlagen<br />

und in den kirchlichen Portfolios die direkten Aktienanlagen<br />

eine eher untergeordnete Rolle spielen. Insofern<br />

ist das nicht der erste Baustein, den wir anfassen.<br />

Es ist aber ein spannender Ansatz, in dem wir uns weiterentwickeln<br />

wollen.<br />

<strong>Klein</strong>: Wenn Sie beim Thema Engagement wirklich etwas<br />

bewegen wollen, müssen Sie nach unserem Ermessen<br />

das gesamte Jahr daran arbeiten. Unser Haus ist ja<br />

dafür bekannt, dass wir in dieser Hinsicht mit dem Management<br />

recht offensiv umgehen. Wir sehen das Management<br />

jedes Unternehmens, in das wir investieren,<br />

mehrmals im Jahr. Sie müssen Ihre Meinung klar kundtun<br />

und versuchen, durch diesen Dialog über Jahre<br />

hinweg das Management von einer nachhaltigen Strategie<br />

zu überzeugen.<br />

dpn: Welche Bedeutung haben ökologische und<br />

soziale Aspekte bei diesen Hintergrundgesprächen<br />

mit den Vorständen?<br />

<strong>Klein</strong>: Wir sind der globalen Initiative der UN für verantwortliches<br />

Investieren (UNPRI) beigetreten und haben<br />

uns dazu verpflichtet, bestimmte Sachen zu befolgen.<br />

Deshalb werden wir auch jährlich überprüft. Von<br />

den 800 Unterzeichnern sind mittlerweile einige wie-


der ausgeschlossen worden, weil sie zwar die Prinzipien<br />

unterschrieben, aber nicht konsequent umgesetzt<br />

haben. Wir nehmen die Sache sehr ernst und sprechen<br />

je nach Sektor unterschiedliche Dinge an. Bei Konsumwerten<br />

können dies zum Beispiel die Arbeitsbedingungen<br />

oder Kinderarbeit sein.<br />

dpn: Wenn Metro bei Ihnen zu Besuch ist, fragen<br />

Sie also nach, wie das interne Monitoring der Lieferanten<br />

aussieht?<br />

<strong>Klein</strong>: Auf jeden Fall; das gilt aber für alle Unternehmen.<br />

dpn: Wo stehen wir bei der nachhaltigen Geldanlage<br />

in Deutschland, Dr. Hesse?<br />

hesse: Nach den aktuellen Marktzahlen haben nachhaltige<br />

Investments in Deutschland nur einen Marktanteil<br />

von 0,8 Prozent. Zum Vergleich: In Österreich sind es 1,5<br />

Prozent und in der Schweiz sogar 3,8 Prozent. Aber es ist<br />

in Deutschland durchaus einiges im Gange.<br />

dpn: Welche institutionellen Investoren engagieren<br />

sich schon? Wer steht noch abseits?<br />

hesse: Die evangelischen Einrichtungen gehören nach<br />

meinem Eindruck zu den Vorreitern, ebenso einige Versorgungswerke<br />

der Ärzte. Am stärksten aufzuholen haben<br />

die öffentlich-rechtlichen Versorgungseinrichtungen:<br />

die Versorgungs- und Zusatzversorgungskassen,<br />

die noch recht jungen Beamten-Pensionsfonds und auch<br />

die meisten Versor gungs werke. Deshalb sollte man darüber<br />

nachdenken, dort eine öffentliche Berichtspflicht<br />

darüber, ob nachhaltig angelegt wird, als<br />

Mindeststandard einzuführen. Dies ist natürlich<br />

schwierig, weil die Einrichtungen<br />

oft Landesrecht unterliegen. Aber eine Berichtspflicht<br />

könnte ein wichtiger Hebel<br />

sein, um dort einen Start hinzubekommen.<br />

dpn: Herr <strong>Klein</strong>, warum ist die Nachhaltigkeit<br />

in den deutschen Portfolios<br />

noch nicht so stark angekommen wie<br />

bei den Schweizern?<br />

<strong>Klein</strong>: Die öffentlich-rechtlichen Versorgungseinrichtungen<br />

können Sie nur mit<br />

einer politischen Direktive der Bundesregierung<br />

fassen. Bei den deutschen Unternehmen<br />

fehlt es noch am Bewusstsein dafür,<br />

dass die Nachhaltigkeit nicht vor der<br />

Tür des Finanzvorstandes oder des Leiters<br />

Asset Management endet. Wenn ich als Unternehmen<br />

von Nachhaltigkeit spreche,<br />

muss ich auch das Kapital, das langfristig<br />

zur Verfügung steht, nämlich die Pensionsgelder<br />

der Mitarbeiter, entsprechend anlegen.<br />

Meine Prognose: In drei Jahren ist es<br />

für jedes deutsche Dax- und MDax-Unternehmen<br />

ein Reputationsrisiko, bei den eigenen<br />

Finanzanlagen nicht auch Nachhaltigkeitsaspekte<br />

zu berücksichtigen.<br />

dpn: Häufig ist als Gegenargument zu<br />

hören, dass es noch keine verlässlichen<br />

„in drEi JahrEn ist Es für untErnEhmEn<br />

Ein rEputationsrisiko, bEi dEn finanzanlagEn<br />

nicht auch nachhaltigkEitsaspEktE<br />

zu bErücksichtigEn.“ <strong>Frank</strong> <strong>Klein</strong><br />

<strong>Frank</strong> <strong>Klein</strong> ist Managing Director Investment<br />

Solutions Europe bei <strong>DB</strong> <strong>Advisors</strong> und Vorstand<br />

der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse<br />

und Asset Management (DVFA). Der<br />

45-Jährige Bankkaufmann erwartet eine rasche<br />

Etablierung von nachhaltigen Mindeststandards<br />

bei der Kapitalanlage – nicht zuletzt<br />

durch politischen Druck. <strong>DB</strong> <strong>Advisors</strong><br />

verwaltet derzeit für institutionelle Kunden<br />

mehrere hundert Millionen Euro nachhaltig.<br />

Zusammen mit den Publikumsfonds der DWS<br />

sind es in der weitesten Definition von Nachhaltigkeit<br />

insgesamt drei Milliarden Euro.<br />

Standards für eine nachhaltige Kapitalanlage<br />

gibt.<br />

<strong>Klein</strong>: Es gibt zum Beispiel die KPIs der DVFA, die nicht<br />

nur in Berlin anerkannt sind, sondern auch in Brüssel<br />

als europäischer Standard. Inzwischen erwägen sogar<br />

Länder wie <strong>Frank</strong>reich oder Großbritannien, diese als<br />

Standard bei sich einzuführen. Außerdem bieten die<br />

DVFA-KPIs mit ihren 200 Ausprägungen jedem die Möglichkeit<br />

auszuwählen, ob er seine Anlagen hell-, mittel-<br />

oder dunkelgrün managen lässt. Der Anwender entscheidet,<br />

welche Punkte er möchte, hat dann aber eine<br />

klare Leitlinie, wie er dies umzusetzen hat.<br />

dpn: Am Markt flächendeckend durchgesetzt haben<br />

sich die DVFA-KPIs aber noch nicht.<br />

<strong>Klein</strong>: Wir haben gesehen, was über zehn Jahre durch<br />

eine Corporate-Governance-Kommission und einen<br />

entsprechenden Mindestkodex entstanden ist – das ist<br />

auch nicht von heute auf morgen gekommen! Die gleiche<br />

Sache ist jetzt für die Nachhaltigkeit unterwegs.<br />

Wir haben einen Rat für Nachhaltigkeit. Im nächsten<br />

Jahr wird es sehr wahrscheinlich eine Initiative der<br />

Bundesregierung geben, aus der ein solcher Mindeststandard<br />

für die nachhaltige Kapitalanlage<br />

in Deutschland entstehen könnte.<br />

dpn: Aber mit den DVFA-KPIs und den<br />

SD-KPIs von Dr. Hesse gibt es schon<br />

wieder zwei miteinander konkurrierende<br />

Konzepte.<br />

<strong>Klein</strong>: In den Grundzügen unterscheiden<br />

sich die beiden Konzepte nicht sehr<br />

stark.<br />

dpn: Die DVFA-KPIs enthalten aber<br />

bis zu 80 Kriterien!<br />

<strong>Klein</strong>: Das ist dann die ganz breite Fassung.<br />

Es werden sich jedoch schnell die<br />

drei bis fünf wichtigsten Kriterien als Minimum<br />

herausbilden. Und diese werden<br />

sich für die Analysten relativ leicht in<br />

das Tagesgeschäft integrieren lassen.<br />

Wichtig ist, dass ein solcher Mindeststandard<br />

transparent und durchlässig<br />

ist, damit möglichst viele Investoren daran<br />

teilnehmen.<br />

dpn: Was halten Sie vom Argument der<br />

fehlenden Standards, Herr Müller?<br />

müller: Das ist etwas zu kurz gesprungen.<br />

Das nachhaltige Investieren ist am<br />

Anfang sicherlich unbequem, weil der<br />

Dezember 2010 / Januar 2011 dpn dossier 13


Roundtable Nachhaltig investieren<br />

14 dpn dossier Dezember 2010 / Januar 2011<br />

Investor ungewohnte<br />

Fragen klären<br />

muss. Etwa: Wie stehen<br />

wir zu Rüstungswerten<br />

in unserem<br />

Portfolio? Welche<br />

Aktivitäten tolerieren<br />

wir, welche<br />

nicht? Erst wenn dieser<br />

Prozess der Meinungsbildungabgeschlossen<br />

ist, kann<br />

ich mir anschauen,<br />

welcher der vorhandenen<br />

Standards für mich der richtige ist. Meiner Meinung<br />

nach entziehen sich viele Anleger diesem unbequemen<br />

Prozess durch das scheinbare Argument, dass es<br />

keinen verbindlichen Standard in der Branche gibt.<br />

hesse: Das ist der Status heute: Jeder muss sich seine<br />

eigenen Gedanken machen. Aber damit bleibt das<br />

nachhaltige Investieren auf Dauer in einer Nische.<br />

Wenn sich dagegen ein Mindeststandard etabliert,<br />

muss sich eine Einrichtung nicht mehr diese Gedanken<br />

machen. Dann muss sie nur noch entscheiden:<br />

Will ich jetzt nachhaltig anlegen oder nicht?<br />

müller: Aber die Frage nach gut oder böse werden Sie<br />

nicht einheitlich für alle Investoren beantworten können.<br />

Deshalb werden Sie auch keinen abschließenden<br />

Standard für alle Anleger finden. Was sich vermutlich<br />

erreichen lässt, ist ein Standard, der von einem Großteil<br />

der Anleger anerkannt wird. Es wird aber auch immer<br />

Anleger geben, denen das nicht ausreicht. Außerdem<br />

müssen wir aufpassen, dass es keine Banalisierung<br />

des Themas gibt, wenn der kleinste gemeinsame Nenner<br />

als Grundlage für das nachhaltige Investieren verwendet<br />

wird.<br />

dpn: Wie beurteilen Sie die Diskussion um Standards,<br />

Herr Rüdt?<br />

Rüdt: Ich denke schon, dass es notwendig ist, einen<br />

Grundkonsens über Mindeststandards herbeizuführen.<br />

Aber wenn Sie sich zum Beispiel die Diskussion im<br />

Ethikrat zu den Gesetzgebungsverfahren ansehen: So<br />

etwas kann Jahre dauern. Vielleicht bin ich da etwas zu<br />

pessimistisch, aber meine Erfahrung in den vergangenen<br />

10 bis 15 Jahren war, dass die Umsetzung in Portfolios<br />

nur recht langsam geschieht.<br />

dpn: Welche Themen werden die nachhaltige Kapitalanlage<br />

der Zukunft bestimmen?<br />

hesse: In der aktuellen Eurosif-Studie zum Markt für<br />

nachhaltige Kapitalanlagen in Europa haben erstmals<br />

die Renten die Aktien im Volumen überholt. Das kann<br />

„WEnn sich Ein mindEststandard<br />

EtabliErt, muss sich Ein invEstor nur<br />

noch EntschEidEn: Will ich nachhaltig<br />

anlEgEn odEr nicht?“ Dr. Axel Hesse<br />

uns in Deutschland Hoffnung machen. Auch die Integration<br />

der wichtigsten nachhaltigen Kriterien in die<br />

konventionelle Finanzanalyse sehe ich als eines der<br />

großen Themen in den nächsten Jahren an. Dazu<br />

braucht man eine stärkere Performance-Orientierung<br />

und eine stärkere Standardisierung.<br />

<strong>Klein</strong>: Ich halte die Rentenanlagen für das Nachhaltigkeitsthema<br />

der nächsten drei bis fünf Jahre. Wir verwalten<br />

für unsere institutionellen Kunden zu 85 Prozent<br />

Renten und Cash. Ich sehe dort ein enormes Potenzial.<br />

Daneben werden die nächsten zwei Jahre vom<br />

Thema der nachhaltigen Mindeststandards geprägt<br />

sein. Außerdem wird in den nächsten drei bis fünf Jahren<br />

das Umweltthema innerhalb der Nachhaltigkeit<br />

noch weiter an Bedeutung gewinnen. Deshalb werden<br />

die Asset Owner den CO2-Fußabdruck ihrer Anlagen<br />

berücksichtigen.<br />

müller: Bei den öffentlichen Investoren wird das Nachhaltigkeitsthema<br />

der Zukunft die Transparenz sein.<br />

Der Durchgriff auf das Einzel-Investment ist die Voraussetzung,<br />

um bewerten zu können, wie nachhaltig<br />

die Anlagen sind. Außerdem wird der Aspekt der Generationengerechtigkeit<br />

– zum Beispiel im Hinblick auf<br />

die Staatsverschuldungen – zukünftig an Bedeutung<br />

gewinnen.<br />

mettler: Transparenz, stärkere Standardisierung und<br />

die Entwicklung der Rentenseite, wobei ich da nicht so<br />

optimistisch bin wie Dr. Hesse. Ich denke, es wird noch<br />

viele Jahre dauern, bis wir liquide Daueremissionen<br />

von nachhaltigen Emittenten in ausreichendem Maße<br />

zur Verfügung haben werden.<br />

dpn: Haben Sie heute etwas gelernt?<br />

Rüdt: Ja, natürlich. Besonders interessant war für mich<br />

heute die wissenschaftliche Betrachtungsweise.<br />

<strong>Klein</strong>: Ich nehme mit: den Druck der Investoren auf die<br />

Industrie, neue Konzepte anzubieten. Und die Anforderungen,<br />

die hier genannt wurden: Transparenz, Liquidität<br />

und Innovation.<br />

müller: Dass an vielen Stellen an dem Thema der nachhaltigen<br />

Kapitalanlage gearbeitet wird, dass wir auf einem<br />

guten Weg sind und dass es weitergeht.<br />

mettler: Ich habe auch eine Menge gelernt. Zum Beispiel<br />

war mir die wissenschaftliche Seite nicht so präsent.<br />

Es wird viel getan in Sachen der nachhaltigen Kapitalanlage.<br />

Meine Hoffnung ist, dass wir bei den Daueremissionen<br />

bald einen Schritt nach vorne kommen.<br />

hesse: Ich fand toll, dass Sie eine so hochkarätige Runde<br />

zusammengebracht haben. Mir hat der Austausch<br />

und die Diskussion hier viel Freude gemacht. Und ich<br />

möchte Sie bestärken, auch weiterhin an dem Thema<br />

der nachhaltigen Kapitalanlage dranzubleiben, wie Sie<br />

das ja auch schon der Vergangenheit regelmäßig in Ihrem<br />

Magazin gemacht haben.<br />

dpn: Vielen Dank, meine Herren, für die aktive, engagierte<br />

und hochkarätige Diskussion!

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