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Ich wusste, was zu tun war. Zitternd<br />

nahm ich das Telefon zur Hand und<br />

wählte die Nummer des Regisseurs.<br />

„Hallo“, sagte ich, als er abnahm.<br />

„Ich binʼs, Annie.“<br />

„Annie! Ich freue mich schon so<br />

auf die Produktion! Hast du das Skript<br />

bekommen?“<br />

„Ja, habe ich, und ich … ich …“<br />

Ich brach in Tränen aus. Das war<br />

alles so unprofessionell von mir!<br />

Irgendwie schaffte ich es aber, dem<br />

Regisseur unter Schluchzen zu erklären,<br />

warum ich bei der Operette nicht<br />

mitwirken konnte. Dann wartete ich<br />

auf das große Donnerwetter.<br />

Der gute Mann lachte jedoch. Er respektierte<br />

meine Entscheidung. Zuerst<br />

versuchte er zwar, mich zum Mitmachen<br />

zu überreden, aber dann gab er<br />

nach. Er meinte, er werde weiterhin<br />

mein Fan bleiben, auch wenn ich nicht<br />

in seiner Operette mitwirken wolle. Er<br />

bat mich einfach, ihm gleich das Skript<br />

zu bringen, damit er es jemand anderem<br />

geben könne. Als ich auflegte, war<br />

es mir zwar überaus peinlich, dass ich<br />

geweint hatte, aber ich war sehr dankbar<br />

für die freundliche, verständnisvolle<br />

Reaktion des Regisseurs.<br />

Ich wischte die Tränen beiseite,<br />

nahm das Skript und stieg ins Auto.<br />

Als der Motor ansprang, ging auch das<br />

Radio an. Es war auf den klassischen<br />

Sender eingestellt, und zu meiner<br />

Überraschung kam gerade die Ouvertüre<br />

zu genau dieser Operette. Ich hatte<br />

sie noch nie zuvor im Radio gehört.<br />

Ich hatte das Gefühl, dass der Vater<br />

im Himmel sie für mich spielte. Er<br />

wollte mich wissen lassen, dass er<br />

mich liebt und dass er meine Entscheidung<br />

gutheißt. Die Musik im<br />

Radio war wie die liebevolle, große<br />

Barmherzigkeit des Herrn. Sie schenkte<br />

mir Trost und half mir, seine Liebe<br />

zu verspüren.<br />

Später studierte ich Schauspiel.<br />

Im Laufe des Studiums befand ich<br />

mich mehrmals in einer ähnlichen<br />

Situation. Manchmal musste ich aufgrund<br />

unangemessener Inhalte die<br />

Mitarbeit bei bestimmten Gemeinschaftsprojekten<br />

beenden. Solche<br />

Situationen waren zwar nie<br />

leicht oder angenehm, aber<br />

ich schaffte es, mehr Würde<br />

an den Tag zu legen und keine<br />

Tränen zu vergießen. Womöglich<br />

hatte mich meine frühere<br />

Erfahrung ja auf diese Situationen<br />

vorbereitet. Vielleicht konnte<br />

ich dadurch besser verstehen, wer<br />

ich bin und wie ich wirklich sein<br />

möchte.<br />

William Shakespeare hat<br />

geschrieben:<br />

Die ganze Welt ist eine Bühne<br />

und alle Fraun und Männer<br />

bloße Spieler.<br />

Sie treten auf und gehen wieder ab;<br />

sein Leben lang spielt einer manche<br />

Rollen. 1<br />

Ich habe gelernt, dass es eine Rolle<br />

gibt, die wichtiger ist als alle anderen,<br />

nämlich die Rolle eines wahren Jüngers<br />

Jesu Christi. Es mag aufregend und<br />

befriedigend sein, Beifall von unseren<br />

Mitmenschen zu bekommen, aber<br />

die Zustimmung<br />

Gottes<br />

ist viel wichtiger.<br />

Unser bester<br />

Auftritt erfolgt<br />

dann, wenn wir<br />

lernen, dem Herrn<br />

zu folgen. ◼<br />

Die Verfasserin lebt<br />

in Washington.<br />

ANMERKUNG<br />

1. William Shakespeare,<br />

Wie es euch gefällt,<br />

2. Aufzug, 7. Szene,<br />

Zeile 141 bis 144<br />

JUNGE ERWACHSENE<br />

49

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