Rat & Tat - Klienten-Info / Ausgabe 1/2015
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7<br />
Aus der Praxis<br />
>GPLA<br />
Gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben<br />
Die GPLAs werden erstens<br />
immer mehr (häufiger) und<br />
zweitens immer schärfer. Deshalb<br />
fassen wir die – aus unseren<br />
letzten Erfahrungen –<br />
wichtigsten Punkte nochmals<br />
zusammen:<br />
Die verlangten Unterlagen<br />
sollten möglichst zeitnah vorgelegt<br />
werden. Generell gilt:<br />
Dokumentation ist alles! Eben -<br />
so wichtig: Denken Sie an Recherchen<br />
und durchaus mögliche<br />
Zeugeneinvernahmen<br />
seitens der Behörde – die besten<br />
(und schriftlichen) Vereinbarungen<br />
nützen nichts, wenn<br />
sie nicht gelebt werden! Jeder<br />
Dienstnehmer muss einen<br />
Dienstzettel erhalten, sofern es<br />
keinen schriftlichen Dienstvertrag<br />
gibt; Lebenslauf sowie<br />
Kopien von Ausweis und Meldezettel<br />
sollten Sie vor Arbeitsbeginn<br />
einfordern. Ebenso<br />
muss natürlich im Bedarfsfall<br />
eine entsprechende Arbeitserlaubnis<br />
vorliegen.<br />
An erster Stelle stehen zweifellos<br />
die Arbeitsaufzeichnungen,<br />
sie sind für Vieles Grundlage<br />
(auch für andere Prüfungen) –<br />
und bei Fehlen derselben drohen<br />
zusätzlich Verwaltungsstrafen.<br />
An nächster Stelle zu erwähnen<br />
sind die Urlaubs- und<br />
Krankenstandsaufzeichnungen,<br />
insbesondere bei beendeten<br />
Dienstverhältnissen (Wä -<br />
re da nicht noch eine Ersatzleistung<br />
zugestanden?)!<br />
Nächster Punkt sind natürlich<br />
die Fahrtenbücher und <strong>Info</strong>rmationen<br />
wer mit welchem<br />
Fahrzeug unterwegs ist. Ist die<br />
Privatnutzung untersagt, sollte<br />
dies nicht nur im Dienstvertrag/Dienstzettel<br />
festgehalten<br />
sein, sondern ist die Einhaltung<br />
zu kontrollieren und organisatorisch<br />
sicherzustellen!<br />
Auch die Reiseabrechnungen<br />
werden zunehmend genauer<br />
unter die behördliche Lupe genommen.<br />
„Highlight“ ist natürlich das<br />
LSDB-G in Verbindung mit der<br />
richtigen Einstufung (Lebenslauf!).<br />
Nicht nur, dass bei einer<br />
Unterentlohnung Beiträge<br />
nachgefordert werden, drohen<br />
auch empfindliche Strafen!<br />
Änderungen der Ar beitszeit<br />
sollten unbedingt schriftlich<br />
vereinbart werden, ebenso<br />
wie Gleitzeit schriftlich vereinbart<br />
werden muss.<br />
Fazit: Die Lohnverrechnung<br />
wird immer heikler, unübersichtlicher<br />
und komplizierter.<br />
Wir können das leider nicht<br />
ändern, Sie aber dabei bestmöglich<br />
unterstützen. Allerdings<br />
sind wir dabei auf Ihre<br />
Mitarbeit angewiesen!<br />
Abgesehen von zahlreichen<br />
Strafdrohungen ist im Bereich<br />
der Sozialversicherung das<br />
An- spruchsprinzip zu beachten:<br />
Im Gegensatz zur Lohnsteuer<br />
(Zuflussprinzip) sind die<br />
SV-Beiträge vom Lohnanspruch<br />
(unabhängig von der<br />
Auszahlung) zu berechnen.<br />
Bürokratie live!<br />
Wie Sie vielleicht auch den Medien<br />
entnehmen konnten,<br />
„schlitterte“ der Pflegekräftevermittler<br />
Visicare vor knapp<br />
zwei Jahren in die Pleite – eigentlich<br />
wurde diese durch die<br />
> Diesmal leider mit tragischem Ausgang!<br />
Finanz ausgelöst.<br />
Bei einer GPLA (siehe oben)<br />
stufte die Finanz die frei vermittelten<br />
freiberuflichen Pflegerinnen<br />
als „Verdeckte Angestellte“<br />
ein und stellte Lohnsteuerbescheide<br />
über 6.000.000,- €!<br />
aus.<br />
Das Unternehmen legte Berufung<br />
ein, die vom Bundesfinanzgericht<br />
aber abgewiesen<br />
wurde. Für die Dauer des Verfahrens<br />
der daraufhin eingebrachten<br />
Berufung beim Verwaltungsgerichtshof<br />
wurde<br />
aber auch kein Aufschub gewährt<br />
– die sechs Millionen<br />
wurden fällig gestellt!<br />
Heute, zwei Jahre später, hat<br />
der Unternehmer Recht bekommen.<br />
Das Geschäftsmodell<br />
ist korrekt und es liegen<br />
auch keine verdeckten Angestelltenverhältnisse<br />
vor.<br />
Das hilft aber jetzt weder dem<br />
Unternehmer noch den rund<br />
4.000 Pflegekräften, die seither<br />
nicht mehr pflegen oder<br />
andere Wege finden mussten<br />
ihre Leistung zu erbringen. Gerade<br />
in diesem sensiblen und<br />
ständig wachsenden Bereich<br />
der Pflege ist diese Fehleinschätzung<br />
der Finanz – und<br />
vor allem der bürokratische<br />
Zugang das Ende des Verfahrens<br />
nicht abwarten zu wollen<br />
– fatal.<br />
Man kann nur hoffen, dass<br />
dieses Urteil jetzt Rechtssicherheit<br />
für neue Geschäftsmodelle<br />
dieser Art für die Zukunft<br />
bringt. Bei allem Verständnis<br />
für das Bemühen der Behörden<br />
Abgabenhinterziehung zu<br />
unterbinden sollten doch Augenmaß,<br />
Vernunft und Fairness<br />
im Vordergrund stehen.