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Der Waschbär wird seit<br />
dem <strong>17</strong>. Juni 2016 als "invasive<br />
gebietsfremde Art" auf<br />
SCHWERPUNKT | 7<br />
Eindeutiger Beweis vor der Kongresshalle: Waschbären sind Berliner Kulturfolger (l.), Sprung aus der<br />
Spree: Wollhandkrabbe besucht Reichstag (r.).<br />
der EU-Durchführungsverordnung<br />
2016/1141 gelistet.<br />
In Berlin ist er längst etabliert<br />
und fester Bestandteil<br />
der Stadtfauna.<br />
Grundsätzliches zum Umgang<br />
mit Wildtieren<br />
Wildtiere sind im Normalfall nicht aggressiv<br />
und greifen Menschen nicht an. Viele<br />
Wildtiere in der Stadt haben nur eine geringe<br />
Fluchtdistanz und laufen nicht davon,<br />
wenn man ihnen begegnet. Sie haben<br />
gelernt, dass vom Menschen in der Regel<br />
keine Gefahr für sie ausgeht. Daraus sollte<br />
man aber nicht schließen, dass Wildtiere<br />
angefasst, gefüttert oder gar als Haustier<br />
gehalten werden können oder dürfen.<br />
Die Fütterung von Wildtieren kann dazu<br />
führen, dass weitere Fütterungen sehr direkt<br />
eingefordert werden und die Tiere dabei<br />
jede Distanz aufgeben, wie es von Wildschweinen<br />
oder Möwen bekannt ist.<br />
Werden Wildtiere von Hand aufgezogen,<br />
erfolgt eine Prägung auf den Menschen.<br />
Solche fehlgeprägten Tiere zeigen oft Verhaltensauffälligkeiten:<br />
Sie haben keinerlei<br />
Fluchtverhalten gegenüber Menschen<br />
mehr, sondern suchen engen Kontakt, was<br />
von Unbeteiligten als Bedrohung aufgefasst<br />
werden kann und entsprechende Reaktionen<br />
auslöst. Darüber hinaus können<br />
wehrhafte Tiere wie Rehbock oder Wildschwein<br />
mit einsetzender Geschlechtsreife<br />
für den Menschen gefährlich werden,<br />
wenn sie ihn als Artgenossen, aber damit<br />
auch als Rivalen um Geschlechtspartner<br />
oder Reviere wahrnehmen.<br />
Bei einer Handaufzucht können die Tiere<br />
überlebenswichtiges Verhalten wie Nahrungssuche<br />
oder Feindverhalten nicht<br />
erlernen. Im Normalfall sind Handaufzuchten<br />
in der Natur daher nicht mehr<br />
überlebensfähig und können nicht mehr<br />
ausgewildert werden. Sie sind zu lebenslanger<br />
Gefangenschaft verurteilt.<br />
Das Füttern und Halten von Wildtieren ist nicht<br />
nur ethisch äußerst fragwürdig, sondern auch<br />
generell verboten (§ 41 Abs. 1 BNatSchG und §§<br />
34 / 50 LJagdG Bln). Nach dem Landesjagdgesetz<br />
können dafür bis zu 5.000 Euro Geldbuße verhängt<br />
werden.<br />
Was bedeutet die "Unionsliste" für Berlin?<br />
Drei Fragen an den obersten Naturschützer Berlins<br />
Einige Tier- und Pflanzenarten, die sich<br />
neu in der EU ausbreiten und heimische<br />
Arten, Lebensgemeinschaften oder Biotope<br />
gefährden sollen, haben von der EU das Attribut<br />
„invasiv“ erhalten. Herr Dr. Gödde,<br />
wie bewertet die Senatsverwaltung für Umwelt,<br />
Verkehr und Klimaschutz (SenUVK)<br />
als Fachbehörde mögliche Auswirkungen<br />
der in Berlin vorkommenden invasiven Arten<br />
auf die heimische Tierwelt?<br />
Eine Einteilung in „gute“, vor dem Jahr<br />
1500 hier eingewanderte, und „schlechte“<br />
Arten, die wir ausrotten müssen,<br />
wird es in Berlin nicht geben. Einige den<br />
invasiven Neobiota zugeschriebene negative<br />
Einflüsse auf Natur und Landschaft,<br />
Gesundheit und die Wirtschaft des Menschen<br />
sind objektiv nicht haltbar. Insgesamt<br />
gesehen scheint die Aufregung zu<br />
den Auswirkungen der Neozoenen und<br />
Neophyten nicht gerechtfertigt. Ohne<br />
den Götterbaum, die beiden nordamerikanischen<br />
Goldruten oder den Waschbär<br />
wäre Berlin nicht Berlin. Relevante<br />
negative Auswirkungen durch invasive<br />
Neobiota wurden in Berlin bislang nicht<br />
dokumentiert.<br />
Da dennoch die Unionsliste der Europäischen<br />
Kommission ein Handeln der<br />
Behörde erforderlich macht, wird Berlin<br />
dem soweit erforderlich nachkommen<br />
und die invasiven Arten der Unionsliste<br />
einem Management unterziehen.<br />
Schwerpunkte liegen daher bei der Prävention<br />
und dem Management.<br />
Es ist nicht geplant, etablierte Arten wie<br />
Wollhandkrabbe oder Waschbär aus<br />
Berlin zu verdrängen.<br />
Welche Planungen zum Umgang und welche<br />
Maßnahmen zur Regulierung der Populationen<br />
sollen ergriffen werden?<br />
Berlin kooperiert eng mit den anderen<br />
Bundesländern, dem BMUB und dem<br />
Bundesamt für Naturschutz und erarbeitet<br />
einen verlässlichen Maßnahmen-<br />
und Handlungsrahmen. Dies gilt<br />
auch für die Managementpläne und die<br />
Beobachtung der Arten, die noch nicht<br />
bis nach Berlin gewandert oder hier ausgesetzt<br />
worden sind. Wir werden uns<br />
an den gemeinsam erarbeiten Papieren<br />
orientieren. Ein Schwerpunkt wird die<br />
Information der Bevölkerung sein –<br />
spätestens, wenn auch Gartenpflanzen<br />
auf der aktualisierten Unionsliste aufgeführt<br />
werden. Derzeit konzentriert<br />
sich die Arbeit auf die Verortung und<br />
Entnahme des Amerikanischen Sumpfkrebs<br />
(Louisiana-Sumpfkrebs) sowie auf<br />
den Marmorkrebs. Bei diesen Arten sehen<br />
wir eine Chance, sie abzufangen,<br />
bevor sie sich etabliert haben.<br />
Ist ein Bestandsmonitoring der in Berlin<br />
vorkommenden und auf der Unionsliste<br />
verzeichneten Arten geplant?<br />
Ja, die Senatsverwaltung plant eine Erfassung<br />
der „Unionsarten“. Wir haben<br />
bereits im vergangenen Jahr eine erste<br />
flächenbezogene Einschätzung vorgenommen.<br />
Bis Ende 2018 werden die<br />
Datenerfassungen systematisiert und<br />
ausgewertet. Hierzu wurde sogar eine<br />
gesonderte Personalstelle eingerichtet.<br />
Vielen Dank für das Gespräch!<br />
(cb)<br />
Dr. Michael Gödde ist Referatsleiter für Naturschutz,<br />
Landschaftsplanung, Forstwesen der Senatsverwaltung<br />
für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz (SenUVK).<br />
NATUR IN BERLIN 3/<strong>17</strong>