GIGOktober2017
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THEATER<br />
Eine Diktatur ist auch keine Lösung<br />
„Je suis Fassbinder“ am Theater Münster<br />
Experimentell, wirr, ausufernd -<br />
aber immer ganz nah dran am<br />
Wesentlichen: „Je suis Fassbinder“<br />
den 1970er Jahren in die Gegenwart. Es geht<br />
um Europa, um das Politische im Privaten und<br />
um Ängste, die zu Propagandazwecken missbraucht<br />
werden. Das Ganze wirkt wie eine Versuchsanordnung<br />
zur Erforschung des politischen<br />
Klimas in Deutschland. Zu diesem Eindruck trägt<br />
auch bei, dass die Schauspieler immer wieder<br />
aus der Rolle fallen und dass eine Handkamera<br />
Details des Bühnengeschehens stark vergrößert<br />
auf Leinwände überträgt.<br />
„Je suis Fassbinder“ ist kein Stück, das Lösungen<br />
anbietet. Dazu agiert das aufgebotene Personal<br />
selbst viel zu konfus. Auch wird schnell<br />
klar, dass ein sanfter Diktator keine Option sein<br />
kann. Vielmehr geht es hier um die Analyse eines<br />
Problems mit all seinen Verwurzelungen.<br />
Eine Analyse, die streckenweise erhebliche Komik<br />
entwickelt, aber auch in Bereiche vordringt,<br />
wo es wirklich weh tut. Damit ähnelt die Aufführung<br />
einem der frühen, noch stark im Experimentellen<br />
verhafteten Fassbinder-Filme:<br />
manchmal ein bisschen wirr, manchmal etwas<br />
zu ausufernd, aber immer ganz nah dran am Wesentlichen.<br />
Franz Kolbeck<br />
>> Weitere Vorstellungen am 04., 07., 11., 13., 19. u.<br />
27.10. jew. um 19.30 Uhr am Theater Münster (Kleines<br />
Haus); www.theater-muenster.com<br />
„Ein autoritärer Herrscher, der ganz gut ist<br />
und ganz lieb und artig“- das ist die Quintessenz<br />
eines zweistündigen Wortgefechts, das sich<br />
fünf Schauspieler in Falk Richters “Je suis Fassbinder“<br />
liefern. Grundlage des Stücks ist Rainer<br />
Werner Fassbinders Beitrag zum Kollektivfilm<br />
„Deutschland im Herbst“, in dem er seine Mutter<br />
in ein Streitgespräch verwickelt, bis sie<br />
schließlich den Wunsch nach einem sanftmütigen<br />
Diktator formuliert und damit dem Volksempfinden<br />
angesichts des RAF-Terrors der 1970er<br />
Jahre Ausdruck gibt.<br />
In Max Claessens Inszenierung agieren die Darsteller<br />
in einem als WG eingerichteten Container,<br />
der von zwei Seiten einsehbar ist. Sie diskutieren<br />
über die Kölner Silvesternacht, über<br />
Flüchtlingsströme und das Erstarken rechtslastiger<br />
Parteien und schlagen damit den Bogen von<br />
Premieren im Oktober<br />
25 Jahre Cactus Junges Theater<br />
Mit einer fünfmonatigen Großproduktion feiert Cactus Junges Theater ab Oktober<br />
sein 25-jähriges Jubiläum. Das junge Ensemble, das immer wieder mit mutigen,<br />
spannenden und interkulturellen Produktionen auf sich aufmerksam macht,<br />
lässt die Korken mit der fünfmonatigen Impro-<br />
Produktion „Das Soap-Ding" knallen. Liebe, Betrug,<br />
Intrigen, Mord, Gier lauten die Ingredienzien<br />
von Autor Christoph Tiemann und den<br />
vier Regisseuren. Bis Mitte Februar feiert in jedem<br />
Monat ein neuer Teil der Story um ein ehemaliges<br />
Hotel, dessen Bewohner ein dunkles<br />
Geheimnis verbindet, seine Premiere.<br />
>> Premiere am 12.10. um 20 Uhr am Pumpenhaus MS;<br />
weitere Vorstellungen vom 13.-15.10. jew. um 20 Uhr<br />
(zweiter Teil vom 10.-12.11.); www.cactus-theater.de<br />
Fünf Monate Liebe, Betrug und<br />
Intrigen: „Das Soap-Ding“<br />
Gott<br />
Der Gottfrage nähert sich Woody Allen<br />
in seiner Komödie mal auf ganz<br />
andere Weise. Im Oktober bringt die<br />
Theaterwerkstatt sie in einer Inszenierung<br />
von Tim Birnbaum auf die<br />
Bühne. Darin wollen Autor Hepatitis<br />
und Schauspieler Diabetes im vorchristlichen<br />
Athen einen Dramatikerpreis<br />
gewinnen, doch fehlt ihnen<br />
noch ein Schluss für ihr Stück. Da<br />
kommt Trichinosis gerade recht, der<br />
eine Gottmaschine erfunden hat.<br />
>> 20./21.10. MS - Bennohaus,<br />
jew. um 20 Uhr; www.bennohaus.info<br />
Der letzte Vorhang<br />
Richard hat ein Alkoholproblem,<br />
vergrault die Kolleginnen und<br />
droht, seine Premiere vor die Wand<br />
zu fahren. Mit dem Stück von vor<br />
20 Jahren versucht er seine Ex-Kollegin<br />
Lisa zu reaktivieren, mit der<br />
Richard damals auf der Bühne<br />
stand. Die jedoch lebt mittlerweile<br />
als Arztgattin in Frankreich. Und<br />
während der Proben kommen Erinnerungen<br />
und Gefühle hoch, die<br />
17,0mm<br />
längst begraben schienen.<br />
>> Premiere am 12.10. um 20 Uhr am<br />
Wolfgang Borchert Theater MS;<br />
weitere Vorstellungen am 14./15.10.<br />
jew. um 20 Uhr; www.wolfgangborchert-theater.de<br />
Der Kontrabass<br />
Helmut Thiele ist der Protagonist in<br />
Patrick Süsskinds berühmten Monolog<br />
„Der Kontrabass“. Das Stück taucht<br />
tief in die Existenz des Orchestermusikers<br />
ein: In den rund 100 Minuten<br />
breitet sich vor dem Publikum ein tiefgründiges<br />
Psychogramm des Musikers<br />
aus. Außerdem gibt es u.a.: Instrumentenkunde,<br />
pointierte Musikgeschichte<br />
und ein Lehrstück der stückweisen<br />
Wahrheitsfindung.<br />
>> 07.10. OS - Lagerhalle, 20 Uhr;<br />
www.lagerhalle-osnabrueck.de<br />
Todesfälle<br />
Im Theater wird gern und häufig gestorben.<br />
Doch was, wenn das Drama<br />
direkt mit dem Showdown beginnt? Auf<br />
der Basis dieser Fragestellung entstand<br />
„Todesfälle“, in dem der Schauspieler<br />
17,0mm<br />
Ibrahim Benedikt El-Akramy dem künstlichen<br />
Bühnensterben etwas Authentizität<br />
zu verleihen versucht. Unter Zuhilfenahme<br />
berühmter Sterbeszenen<br />
von Hamlet bis Titanic umkreist das<br />
Stück diesen universalen Moment.<br />
>> 14.10. MS - Der Kleine Bühnenboden,<br />
20 Uhr;<br />
www.derkleinebuehnenboden.de<br />
Bach, immortalis<br />
In seinem neuen Tanzstück widmet sich<br />
Hans Henning Paar dem vielfältigen<br />
kompositorischen Werk von Johann Sebastian<br />
Bach. In seiner Choreografie visualisiert<br />
der Choreograf die Entwicklung<br />
vom Weltlichen zum Geistlichen<br />
bis hin zur Konfrontation mit der eigenen<br />
Vergänglichkeit. Auf seiner Reise<br />
in die Vergangenheit geht er auf die<br />
Suche nach den Ahnen des Tanzes, der<br />
Musik und der eigenen.<br />
>> Premiere am 21.10. um 19.30 Uhr am<br />
Theater Münster (Großes Haus);<br />
weitere Vorstellungen am 27.10. u.<br />
08.11. jew. 19.30 Uhr; www.theatermuenster.com<br />
Texte: Benedikt Niederschmidt<br />
Ibrahim Benedikt El-Akramy in „Todesfälle“<br />
Foto: Sinah Wohlgehagen