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Mensch-Tier-Beziehungen_Diplomarbeit Tiertrainer_Rebecca Margetin

Mensch-Tier-Beziehungen: Wie sich die Welt der Tiere im Laufe der Jahre im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Menschen entwickelt hat.

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<strong>Mensch</strong>-<strong>Tier</strong>-<strong>Beziehungen</strong><br />

Wie sich die Welt der <strong>Tier</strong>e im Laufe<br />

der Jahre im unmittelbaren<br />

Zusammenhang mit dem <strong>Mensch</strong>en<br />

entwickelt hat.<br />

<strong>Rebecca</strong> MARGETIN<br />

<strong>Diplomarbeit</strong> <strong>Tier</strong>trainer<br />

2016/2017<br />

Seite 1


Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort ........................................................................................................... 3<br />

1. Geschichtliche Entwicklung der gängigsten Domestikationen von <strong>Tier</strong>en….. 4<br />

1.1. Wie kam der <strong>Mensch</strong> auf das <strong>Tier</strong> beziehungsweise das <strong>Tier</strong> auf den<br />

<strong>Mensch</strong>en? ............................................................................................ 4<br />

1.1.1. Definition – was sind Haustiere eigentlich? .................................... 4<br />

1.1.2. Domestizierung von Wildtieren ...................................................... 4<br />

1.2. Arten der Domestizierung .................................................................... 7<br />

1.2.1. Domestizierung durch Kommensalismus ....................................... 7<br />

1.2.2. Domestizierung als Jagdbeute ....................................................... 8<br />

1.2.3. Direkte Domestizierung ................................................................. 8<br />

1.3. Reiz der Exoten – Zwischen Prunk mit Pranken und Delikatessen ........ 9<br />

1.4. Die Domestizierung einzelner <strong>Tier</strong>arten anhand konkreter Beispiele<br />

…………………………………………………………………………………..……. 11<br />

1.4.1. Hund versus Wolf – die ältesten Begleiter des <strong>Mensch</strong>en ...............11<br />

1.4.2. Katzen – vom Teufelsboten zum Stubentiger .................................14<br />

1.4.3. Schafe und Ziegen, das sogenannte „Mittelvieh“ ............................17<br />

1.4.4. Schweine – dankbare Resteverwerter und Fleischlieferanten .........19<br />

1.4.5. Rinder – heiliges Vieh und wichtige Nutztiere ................................20<br />

1.4.6. Pferde, die eleganten Allrounder ...................................................21<br />

1.4.7. Vögel und „Geflügel“ – gefiederte Freunde und kulinarische<br />

Köstlichkeiten oder <strong>Mensch</strong>en haben einen Vogel..........................22<br />

1.4.8. Die Aquaristik, ein Stückchen Meer für zuhause ...........................23<br />

1.4.9. Die Terraristik, ein Hobby für das Auge ........................................25<br />

1.5. <strong>Tier</strong>e versus Technik im Wandel der Zeit .............................................26<br />

1.5.1. Der Harzer Roller, ein gefiederter Freund und Helfer des <strong>Mensch</strong>en<br />

....................................................................................................26<br />

1.6. Das heilige <strong>Tier</strong> ..................................................................................28<br />

1.6.1. <strong>Tier</strong>e als Gottheiten ......................................................................29<br />

1.6.2. Traditionelle <strong>Tier</strong>verehrungen der Kuh ..........................................30<br />

1.6.3. <strong>Tier</strong>kult im alten Ägypten .............................................................30<br />

1.6.4. Die Götter bei Laune halten ..........................................................31<br />

1.6.5. <strong>Tier</strong>opfer zur Vergebung der Sünden .............................................32<br />

Gedanken zum Abschluss ..............................................................................33<br />

Quellenverzeichnis .........................................................................................34<br />

Dokumente .................................................................................................35<br />

Videos .........................................................................................................35<br />

Bilder .........................................................................................................35<br />

Abbildungsverzeichnis....................................................................................36<br />

Seite 2


Vorwort<br />

Noch im letzten Jahrhundert hatten <strong>Tier</strong>e in unserem Alltag einen rein<br />

arbeitsbasierenden Nutzen, der sich vor allem in der Landwirtschaft<br />

abspielte. Hierbei wurden weder kulturelle noch psychische Auswirkungen<br />

des <strong>Tier</strong>es auf den <strong>Mensch</strong>en erkannt, noch wurden diese als eigenständige,<br />

unverwechselbare, einmalige, vom <strong>Mensch</strong>en unabhängige Mitgeschöpfe und<br />

Individuen wahrgenommen.<br />

Wissenschaftlich gesehen galten, bis aus Exoten, <strong>Tier</strong>e als gänzlich<br />

uninteressant, allerding waren sich manche Forscher sicher, dass <strong>Tier</strong>e<br />

deutlich mehr Nutzen und Vorteile in unseren Alltag bringen, als rein<br />

arbeitstechnische Aspekte und somit deutlich mehr Zuwendung und<br />

Verständnis verdienen. Erst nach und nach gelang es Experten die<br />

Bedeutung der <strong>Tier</strong>e wie wir Sie heute kennen in das Wissen der <strong>Mensch</strong>en<br />

zu integrieren. Somit kann kein Wissenschaftler mehr unbestritten<br />

behaupten, dass unsere liebenswerten Gefährten wertlose, einfältige,<br />

unfähig zu höchst komplexen <strong>Beziehungen</strong> und keine eigenständigen Wesen<br />

sind. In Folge wurde der Grundbaustein für die Anerkennung von <strong>Tier</strong>en als<br />

Individuum zwar geschaffen, jedoch war es fern ab von der Realität die<br />

Komplexität dessen zu untersuchen.<br />

Mitte der 1990er Jahre beginnt eine neue Ära der Wissenschaft in<br />

deutsprachigen Ländern. Verstärktes Interesse an der Erforschung des<br />

pädagogischen und therapeutischen Zusammenhangs der <strong>Mensch</strong>-<strong>Tier</strong>-<br />

Beziehung führt dazu, dass vermehrt <strong>Tier</strong>e im wissenschaftlichen Kontext<br />

untersucht werden. In weiterer Folge werden sämtliche analysierte<br />

Standards der unterschiedlichsten Untersuchungen auf einen gemeinsamen<br />

Nenner gebracht und somit ein Fundament für die Beziehung zwischen<br />

<strong>Mensch</strong> und <strong>Tier</strong> geschaffen, mit Hilfe dessen man in Zukunft weiterarbeiten<br />

und diverse neue Erkenntnisse schaffen kann.<br />

Wird die <strong>Mensch</strong>-<strong>Tier</strong>-Beziehung in Ihrer vollen Vielfalt wahrgenommen, so<br />

enthält sie durchaus gespaltene Blickwinkel: <strong>Mensch</strong>en und <strong>Tier</strong>e sind<br />

einander in gewisser Weise Lebensbegleiter, die in vielerlei Hinsicht in<br />

Symbiose miteinander harmonieren. Sie sind sowohl Verwandte, die<br />

untereinander mehr Ähnlichkeiten aufweisen, als vielen bis vor einigen<br />

Jahrzehnten bewusst war, als auch zeitgleich Fremde dich sich trotz vielen<br />

Parallelen auf den ersten Blick fundamental unterscheiden. Sie sind aber<br />

auch, wie alle Gefährten, Verwandte und Fremde, Konkurrenten und<br />

Gegner, in Anbetracht der knappen Ressourcen auf unserer Erde. Eines ist<br />

jedoch sicher, Sie stehen zueinander in Beziehung als Mitbewohner des<br />

gleichen Planeten.<br />

Seite 3


1. Geschichtliche Entwicklung der gängigsten<br />

Domestikationen von <strong>Tier</strong>en<br />

1.1. Wie kam der <strong>Mensch</strong> auf das <strong>Tier</strong> beziehungsweise das <strong>Tier</strong><br />

auf den <strong>Mensch</strong>en?<br />

1.1.1. Definition – was sind Haustiere eigentlich?<br />

Haustiere werden im Gegensatz zu Nutztieren nicht aus wirtschaftlichen<br />

Gründen, beispielsweise als Rohstofflieferanten, vom <strong>Mensch</strong>en gehalten.<br />

Die Gründe der Haltung eines Haustieres sind facettenreich, meistens sind<br />

es jedoch der Spaß am Umgang mit dem <strong>Tier</strong>, das Interesse an den<br />

arttypischen Verhaltensweisen, ihr Aussehen oder unter Umständen der<br />

Wunsch nach einem Sozialpartner. So unterschiedlich die Gründe der<br />

Haltung sind, so verschieden sind auch die als Haustiere gehaltenen<br />

<strong>Tier</strong>arten. Von A wie Anolis, bis Z wie Zebrafinken wird fast alles als<br />

häuslicher Liebling gehalten, was das Gesetz erlaubt.<br />

1.1.2. Domestizierung von Wildtieren<br />

Selbst wenn nicht alle gehaltenen<br />

Haustiere domestizierte <strong>Tier</strong>e sind, ist<br />

die Haltung von ihnen eng mit der<br />

Domestizierung von Wildtieren<br />

verbunden. Ein klassisches Beispiel<br />

eines domestizierten Haustieres ist der<br />

Hund, ein nicht-domestiziertes Haustier<br />

ist beispielshalber die in der Terraristik<br />

gerne gehaltene Vogelspinne.<br />

Der Begriff Domestizierung oder<br />

Domestikation leitet sich vom<br />

lateinischen Wort “domus” ab, was mit<br />

“Haus” zu übersetzen ist.<br />

Domestizierung bezeichnet demnach die<br />

Veränderung von wilden <strong>Tier</strong>en, welche<br />

sich im Laufe der Evolution über<br />

Abb. 1 - Das bekannteste Beispiel: Die<br />

mehrere Generationen hinweg so<br />

Domestikation des Wolfes zum Hund<br />

verändert haben, dass diese sich an das<br />

Lebensumfeld der <strong>Mensch</strong>en<br />

anzupassen gelernt haben. Um genau<br />

zu sein, ist Domestizierung im weitesten Sinne des Wortes nichts anderes<br />

als eine Form der Zucht nach sorgfältig, bewusst oder unbewusst,<br />

ausgewählten Kriterien, wobei immer nur exakt die <strong>Tier</strong>e miteinander<br />

verpaart werden, die am stärksten die gewünschten Eigenschaften<br />

aufweisen, die man als Endresultat anstrebt, wie etwa Friedfertigkeit.<br />

Seite 4


Somit findet über Generationen hinweg eine genetische Isolation der<br />

gewollten, von den unerwünschten Eigenschaften der jeweiligen <strong>Tier</strong>arten<br />

statt. Dabei unterscheiden sich die domestizierten <strong>Tier</strong>formen, der Haustiere<br />

und Nutztiere nochmals von den Wildtierarten, die nach einer Zähmung<br />

heutzutage als Nutztiere dienen können.<br />

Der geschichtliche Prozess der<br />

Domestikation reicht viele tausende Jahre<br />

vor unserer Zeitrechnung zurück. Welche<br />

<strong>Tier</strong>art tatsächlich die erste war mit der<br />

sich der <strong>Mensch</strong> vertraut machte, ist<br />

wissenschaftlich unklar, denn neue Spuren<br />

führen immer wieder zu neuwertigen<br />

Erkenntnissen. Ebenfalls unklar ist, ob wir<br />

unsere heutigen Haustiere dem Zähmen,<br />

Selektieren und systematischem Züchten<br />

durch den <strong>Mensch</strong>en zu verdanken haben,<br />

oder ob sich lediglich im Laufe der<br />

Evolution neue „gefügigere“ Varianten der<br />

wilden Form herauskristallisierten, weil die<br />

jeweiligen <strong>Tier</strong>arten darin einen Überlebensvorteil, beispielsweise durch<br />

urzeitliche Abfälle, erkannten sich in der Nähe des <strong>Mensch</strong>en aufzuhalten.<br />

Abb. 2 - Die Katze war das erste<br />

domestizierte <strong>Tier</strong> im Alten Ägypten<br />

Fakt ist, dass Landwirte und Nomadenvölker seit der Jungsteinzeit Nutztiere<br />

und auch erste Haustiere hielten. Zu dieser Zeit profitierte der <strong>Mensch</strong><br />

hauptsächlich als Nahrungslieferant und Rohstofflieferant in Form von Fell<br />

und Häuten, als Teil der damaligen Bekleidung, von dem Vieh. Dies geschah<br />

hauptsächlich durch das Sesshaftwerden der einzelnen Völker. Die einzige<br />

bisher bekannte Ausnahme ist der Hund, der Nomaden und Sammlern<br />

bereits seit der Altsteinzeit begleitet. Das erste bekannte Wildtier, das<br />

tatsächlich als Haustier gehalten wurde, ist die Katze. Katzen wurden in<br />

Ägypten im Altertum gehalten und sogar als Gottheiten verehrt. Unter<br />

anderem entwickelte sich aus diesen religiösen und kulturellen Gründen die<br />

Haustierhaltung immer weiter und ist heute ein komplexes<br />

Gesellschaftsphänomen in vielen Teilen der Welt.<br />

Durch Domestizierung kann eine Vielzahl an physischen und psychischen<br />

Merkmalen bei Wildtieren verändert werden. Hierbei unterscheidet man die<br />

Modifikation der Anatomie und die Veränderung der Verhaltensweise. Zu<br />

ersteren zählt man zum Beispiel die Entstehung von verschiedenen<br />

Hunderassen oder die Reduzierung des Fells wie es etwa beim Hausschwein<br />

der Fall ist. Ebenfalls kann die Farbveränderung der Tarnfarben bei<br />

Karpfen, im Gegensatz zu auffälligen Farbvarianten wie jene die bei Kois<br />

oder Goldfischen üblich sind, genannt werden. Ein weiteres<br />

anatomiebasiertes Beispiel, ist die verbesserte Leistungsfähigkeit und<br />

Verstärkung der für den <strong>Mensch</strong>en nützlichen Eigenschaften, wie etwa eine<br />

erhöhte Milchleistung bei Rindern.<br />

Seite 5


Der Rückgang von Rudimenten, wie etwa die Reduzierung des Gebisses und<br />

der Hörner, das Auftreten von Hängeohren und einer steileren Stirn zählt<br />

auch zur anatomischen Veränderung. Zusätzlich kann hierbei auch die<br />

Abnahme der Gehirnmasse um bis zu über einem Drittel unserer heutigen<br />

Haustiere konträr zu ihren Wildformen, weniger Gehirnstruktur und<br />

Verkümmerung bestimmter Gehirnregionen die für die Verarbeitung von vor<br />

allem Sinneseindrücken zuständig sind und die Reduzierungen im<br />

Verdauungstrakt, genannt werden.<br />

Zum Wandel der Verhaltensweise zählen eine erhöhte Fortpflanzungsrate bis<br />

hin zu einem saisonal unabhängigem Geschlechtstrieb, reduziertere<br />

Aggressivität, weniger entwickeltes Flucht- und Abwehrverhalten, weniger<br />

ausgeprägtes Brutverhalten und mangelnde bis hin zu fehlenden<br />

„Mutterinstinkte“.<br />

Wichtig ist, dass die Domestizierung von <strong>Tier</strong>en nicht mit der Zähmung von<br />

wilden <strong>Tier</strong>en verwechselt werden darf, welche sich ausnahmslos auf das<br />

entsprechende Individuum und nicht dessen Nachkommen auswirkt. Eine<br />

Zähmung ist lediglich die Beeinflussung vom Verhalten, meist durch<br />

klassische Konditionierung und nicht genetisch auf den Nachwuchs<br />

übertragbar.<br />

Als Ursprung der Domestikation gilt innerhalb Europas der sogenannte<br />

„fruchtbare Halbmond“, welcher eine halbmondförmige Region im östlichen<br />

Mittelmeerraum beziehungsweise Vorderasiens ist und sich über das heutige<br />

Jordanien, Syrien, den Iran und den Irak erstreckt. Ebenfalls wurden vor<br />

allem Hunde, Hühner und Schweine bereits sehr früh in Zentral-China<br />

gehalten. Des Weiteren etablierten sich unter anderem der Wasserbüffel als<br />

damals wichtigstes Zug- und Pflugtier, aber auch Seidenraupen, Enten und<br />

Gänse. Zusätzlich folgten die Region der südamerikanischen Anden und<br />

weitere geeignete Gebiete in denen einzelne Völker sesshaft wurden. Zuletzt<br />

entwickelte sich auch die Domestizierung weiterer geeigneter <strong>Tier</strong>arten für<br />

die entsprechende Umgebung. Interessant hierbei ist, dass laut<br />

paläogenetischen Untersuchungen die einzelnen domestizierten <strong>Tier</strong>arten<br />

immer noch Jahre lang im genetischen Austausch mit ihren Wildformen<br />

standen. Die heutzutage streng kontrollierte Zucht, bei der jeglicher Kontakt<br />

und Fortpflanzung mit Wildtieren vermieden wird, ist eine vergleichsweise<br />

neuzeitige Erfindung. Doch nicht jede <strong>Tier</strong>art die über Jahre hinweg in der<br />

Nähe von <strong>Mensch</strong>en gehalten wurde konnte auch domestiziert werden.<br />

Durch die Domestizierung werden wichtige Aspekte für die Entwicklung<br />

einer Art entscheidend verändert. Die natürliche Evolution einer <strong>Tier</strong>art wird<br />

durch bewusste oder unbewusste menschliche Eingriffe der<br />

Auswahlkriterien modifiziert. Durch einzelne Völkerwanderungen wurde es<br />

den <strong>Tier</strong>en ermöglicht sich über weite Teile der Welt auszubreiten. Dies war<br />

möglich, weil sie in der Regel mitgenommen wurden um nicht jedes Mal aufs<br />

Neue vom <strong>Mensch</strong>en in neuen Regionen domestiziert werden zu müssen.<br />

Allerdings verpaarten diese sich erneut mit Wildformen jener Gebiete.<br />

Seite 6


So lange, bis die unvorteilhaften „alten“ Gene fast vollständig verdrängt<br />

wurden und durch neue, genetisch vorteilhaftere Merkmale ersetzt wurden.<br />

1.2. Arten der Domestizierung<br />

In der Regel wird von drei unterschiedlichen Domestizierungen gesprochen.<br />

Dazu zählen die Domestizierung durch Kommensalismus, die<br />

Domestizierung als Jagdbeute und die direkte Domestizierung.<br />

1.2.1. Domestizierung durch Kommensalismus<br />

Da wir heute wissen, dass die erste Domestizierungsart von den Wildtieren<br />

und nicht vom <strong>Mensch</strong>en ausging, wird angenommen dass <strong>Tier</strong>e gezielt den<br />

<strong>Mensch</strong>en aufgesucht haben, weil sich ihnen dadurch ein Überlebensvorteil,<br />

beispielsweise durch Essensreste, geboten hat. Erst später wurden die zuvor<br />

bejagten <strong>Tier</strong>e immer öfters in unsere Obhut genommen. In der Zoologie wird<br />

dabei gerne von Kommensalismus, also dem Profit aus einer Symbiose ohne<br />

dementsprechende Verluste gesprochen. Einige Bespiele hierfür wären etwa<br />

Hunde und Katzen, welche die Ratten- und Mäuseplage bekämpften und<br />

denen sich dadurch eine neue Nahrungsquelle bot, aber auch Tauben, die<br />

menschliche Bauten etwa als „künstliche“ Brutstätten nutzen durften und<br />

gleichzeitig für den <strong>Mensch</strong>en auch Nahrungslieferanten waren . Zusätzlich,<br />

Meerschweinchen, Hühner und sogar Wildschweine, welche sich als gute<br />

„Abfallverwerter“ erwiesen haben und ebenfalls zeitgleich als<br />

Nahrungslieferanten galten und zu guter Letzt auch Karpfen, Enten und<br />

Gänse die ihren idealen Lebensraum in China bei den Nassreiskulturen<br />

fanden.<br />

Abb. 3 - Der Koi ist heute immer noch ein sehr beliebtes <strong>Tier</strong> in China<br />

Seite 7


1.2.2. Domestizierung als Jagdbeute<br />

Eine andere Art der Domestikation ist die Domestizierung als Jagdbeute. Die<br />

immer knapper werdenden Ressourcen durch Populationswachstum führten<br />

dazu, dass viel zu wenig Jagdbeute erlegt werden konnte. Folglich richteten<br />

viele Kulturen kilometerlange Gehege ein, in denen es ihnen gelang durch<br />

Treibjagd viele <strong>Tier</strong>e zusammenzupferchen, welche man dort quasi als<br />

lebenden Vorratsspeicher hielt. Das Vieh verblieb in späterer Folge mehr<br />

oder weniger freiwillig in menschlicher Obhut und konnte sich sogar<br />

vermehren. Wahrscheinlich war eine längere Haltung nicht beabsichtigt,<br />

konnte aber durch das starke Bevölkerungswachstum nicht verhindert<br />

werden, da die <strong>Tier</strong>e ursprünglich aus der Not heraus als Ersatz für die<br />

ausgebliebene Jagdbeute hinhalten mussten.<br />

1.2.3. Direkte Domestizierung<br />

Bei der direkten Domestizierung wird angenommen, dass einzelne Wildtiere<br />

gefangen und gehalten wurden, um sie mit klarer Absicht langfristig zu<br />

Haustieren zu machen oder sie als Nutztiere zu verwenden. Während die<br />

anderen beiden Domestizierungsarten eher durch Zufall entstanden sind,<br />

wird bei der direkten Domestizierung davon ausgegangen, dass ein Wille zur<br />

Domestikation von Anfang an vorhanden war. Direkte Domestizierung<br />

betrifft vor allem jene <strong>Tier</strong>arten, deren primärer Nutzen nicht der<br />

Nahrungskette diente, sondern vielmehr arbeitstechnischen Nutzen hatte.<br />

Vor allem Pferde, Eseln und Kamele wurden gerne als Trag- und Zugtiere<br />

verwendet, bevor sie später auch zu Reittieren umfunktioniert wurden.<br />

Die einzelnen domestizierten <strong>Tier</strong>arten können grundsätzlich in die<br />

Kategorie der Raubtiere und jene der Pflanzenfresser unterteilt werden. Als<br />

erste domestizierte Raubtierart galten die Wölfe, welche zunächst als<br />

Jagdbegleiter und später auch als Hütehunde eingesetzt wurden. Es folgten<br />

Katzen und Frettchen. Die<br />

Pflanzenfresser, wie beispielsweise<br />

Schafe, Rinder, Ziegen, und ähnliche<br />

dienten zunächst der Fleischversorgung.<br />

Ihr Zweitnutzen als Zug-und Lasttiere,<br />

wie es zum Beispiel Eseln, Pferde und vor<br />

allem kastrierte Stiere waren, wurde erst<br />

in späteren Zeiten populär. Dazu kamen<br />

noch als Fleischlieferanten Schweine in<br />

Asien, Lamas und Meerschweinchen auf<br />

dem amerikanischen Kontinent und<br />

Rentiere in Russland hinzu. Einer der<br />

letzten Schritte der Domestikation betrifft<br />

diverse Labor- und Heimtiere wie<br />

Goldhamster und Farbmäuse. Fische<br />

Abb. 4 - Meerschweinchen gelten bis<br />

heute als Nationalgericht in einigen<br />

Teilen Südamerikas<br />

gelten im asiatischen Raum bis heute noch als die beliebtesten <strong>Tier</strong>e der<br />

Bevölkerung. In der heutigen Türkei sind Vögel die Bevorzugten.<br />

Seite 8


1.3. Reiz der Exoten – Zwischen Prunk mit Pranken und<br />

Delikatessen<br />

3000 v.Chr. begannen Sumerer und Inder mit der Domestikation von<br />

Antilopen und Elefanten. Beide <strong>Tier</strong>arten galten zu der Zeit als „heilig“ und<br />

wurden erstmals nicht nur als Nahrungslieferanten sondern aus kulturellen<br />

und religiösen Gründen gehalten. 2000 v.Chr. lies ein chinesischer Kaiser<br />

der Xia-Dynastie auf seinem Hof den ersten <strong>Tier</strong>garten errichten. Der<br />

sogenannte „Park der Intelligenz“ soll laut Legenden weder Zäune noch<br />

Käfige besessen haben. Zur Machtanschauung ließen auch die frühen<br />

ägyptischen Hochkulturen <strong>Tier</strong>gärten errichten. Die ägyptische Pharaonin<br />

Hatschesput hielt beispielsweise Wasserböcke, Gazellen und Strauße. Als<br />

Zeichen der Anerkennung wurde sie gerne von ihren Untertanen mit<br />

unterschiedlichen <strong>Tier</strong>en beschenkt. So kam sie beispielsweise auch zu<br />

Elefanten aus Indien, Affen, einer Giraffe, sowie einigen Vogelarten aus<br />

Ostafrika.<br />

Trotz bekannter Naturphilosophen, wie beispielsweise Aristoteles, welcher<br />

die <strong>Tier</strong>welt anfing zu kategorisieren, spielten <strong>Tier</strong>gärten bei den Griechen<br />

eher eine untergeordnete Rolle. Nicht als Nutztiere, sondern vielmehr als<br />

Statussymbol verbreiteten sich in Folge vor allem exotische <strong>Tier</strong>e. Alexander<br />

der Große war beispielshaft für den Besitz einer beachtlichen <strong>Tier</strong>sammlung<br />

bekannt, welche er immer wieder gerne mit neuen <strong>Tier</strong>en, vorzugsweise aus<br />

dem Orient aufstockte.<br />

Im römischen Reich dienten <strong>Tier</strong>e hauptsächlich zur Unterhaltung vor allem<br />

bei Kämpfen in Arenen und in Zirkusmanegen. Oftmals wurden<br />

beispielsweise Großkatzen, wie Tiger und Löwen in den Arenen bei<br />

Gladiatorenkämpfen bestaunt.<br />

Abb. 5 - Für besondere Unterhaltung sorgten meist große Raubkatzen<br />

Seite 9


Ebenfalls zeigten <strong>Tier</strong>e den Wohlstand der höheren Sozialschicht. Im<br />

Rahmen ihrer Feldzüge schleppten die Römer die exotischen <strong>Tier</strong>e zusätzlich<br />

zu ihren Gefangenen ins Land.<br />

Im Mittelalter gelangten Exoten vor allem dank den Kreuzzügen und<br />

Entdeckungsreisen nach Europa. Folglich entstanden erste Menagerien von<br />

Kaisern und Königen, welche die Vorläufer unserer heutigen zoologischen<br />

Gärten sind. Diese prunkvollen Vorläufer unserer heutigen Zoos wurden<br />

damals oft an den Hof des Herrschers angegliedert und symbolisierten in<br />

erster Linie Macht und Einfluss. Zusätzlich boten sie der Gesellschaft am<br />

Hof die Option sich besser zu verteilen und eine andere Form der<br />

Unterhaltung abseits der gängigen Gesellschaft zu genießen.<br />

Ihren Höhepunkt zelebrierten die Menagerien vor allem in der Renaissance<br />

und im Barock. Eine der ersten Menagerien befand sich am Anfang des<br />

dreizehnten Jahrhunderts unter Heinrich dem III. von England im Tower of<br />

London. Eine der vormals berühmtesten Menagerien war jene des bekannten<br />

französischen Monarchen, dem Sonnenkönig Ludwig dem XIV. Dieser ließ<br />

auf Schloss Versailles einen eigenen riesigen Gebäudekomplex eigens für die<br />

<strong>Tier</strong>e errichten. Der Adel war der Meinung, dass diese wilden <strong>Tier</strong>e wie<br />

selbstverständlich in die künstlich angelegten Gartenlandschaften gehörten,<br />

mit anderen Worten, das „Sammeln“ seltener <strong>Tier</strong>e ist bei dem Adel schwer<br />

in Mode gekommen. Hingegen dazu durfte das niedere Volk die Objekte und<br />

deren Inhalte entweder gar nicht oder nur an Feiertagen bestaunen. Zu der<br />

Zeit waren die Käfige der Menagerien sehr eng und von artgerechter<br />

<strong>Tier</strong>haltung war man sicherlich jenseits von Gut und Böse. Dennoch hatten<br />

diese Menagerien mit dem heutigen modernen Zoo einem Punkt gemeinsam:<br />

es sollte eine Käfiglandschaft mit diversen seltenen <strong>Tier</strong>arten entstehen, die<br />

ein gängiger <strong>Mensch</strong> wohl kaum zu sehen bekommt. Der älteste heute noch<br />

existierende Zoo ist der <strong>Tier</strong>garten Schönbrunn in Wien. Mittlerweile<br />

befinden sich auf jedem Kontinent der Erde <strong>Tier</strong>gärten. Die Gesamtzahl der<br />

Anlagen wird auf über 10.000 Zoos weltweit geschätzt.<br />

Während Zoos früher zur Volksbelustigung dienten, haben diese heutzutage<br />

einige wichtige Aufgaben zu erfüllen. Zoologische Gärten dienen heute als<br />

Ort der Bildung und Erholung, als Forschungsstätte und als Reservat für<br />

bedrohte <strong>Tier</strong>arten. Natürlich sind viele Zoos immer noch nicht auf dem<br />

Stand wo sie sein sollten, aber dennoch werden die <strong>Tier</strong>e durchaus mehr<br />

geschätzt als früher, was man mit großer Wahrscheinlichkeit auf das bessere<br />

Verständnis, wissenschaftliche Forschungen, mehr Bindung und vor allem<br />

Verantwortung gegenüber <strong>Tier</strong>en zurückführen kann.<br />

Ein weiterer wichtiger Punkt ist der sogenannte „Frozen Zoo“, welcher die<br />

größte <strong>Tier</strong>-Gen-Bibliothek der Welt besitzt. Hier werden Gewebeproben von<br />

rund 370 vom Aussterben bedrohten <strong>Tier</strong>arten konserviert und bei 195 Grad<br />

Celsius eingefroren. Mittels Genanalysen wird es ermöglicht den<br />

Verwandtschaftsgrad der <strong>Tier</strong>arten untereinander zu erforschen und somit<br />

Inzucht zu vermeiden.<br />

Seite 10


Ebenfalls können dadurch Krankheiten besser erforscht werden und in<br />

erster Linie wird durch die Gewebeproben über lange Zeit ermöglicht die<br />

genetische Vielfalt zu bewahren. Dieses Beispiel zeugt vor allem davon, dass<br />

das Bewusstsein der <strong>Mensch</strong>en gegenüber <strong>Tier</strong>en sich in vielerlei Hinsicht im<br />

Gegensatz zu der Entstehungsgeschichte der Domestizierung und Haltung<br />

stark gewandelt hat.<br />

1.4. Die Domestizierung einzelner <strong>Tier</strong>arten anhand konkreter<br />

Beispiele<br />

1.4.1. Hund versus Wolf – die ältesten Begleiter des <strong>Mensch</strong>en<br />

Die Geschichte unserer Haushunde reicht zurück bis in die Späteiszeit.<br />

Wissenschaftler sind sich bis heute nicht einig, ob der treue Jagdbegleiter<br />

gezähmt und systematisch gezüchtet wurde, oder sich quasi „von selbst“<br />

domestizierte, wie bei der Domestikation durch Kommensalismus.<br />

Gegenwärtig sehen Experten die Domestikation zwangsläufig nicht nur als<br />

Zähmung des Wolfes durch den <strong>Mensch</strong>en, sondern als eine gegenseitige<br />

Veränderung die sich die beiden Lebewesen geboten hat. So lernte der<br />

<strong>Mensch</strong> womöglich auch mit stammesunterschiedlichen Sippen, also<br />

potenziellen Feinden, Freundschaften zu schließen.<br />

Unklar ist wann und wie der <strong>Mensch</strong> zu seinem, mit hoher<br />

Wahrscheinlichkeit, ältesten Wegbegleiter kam. Es wird vermutet, dass Wölfe<br />

sich oft in der Umgebung des <strong>Mensch</strong>en aufhielten. Denn, immer wenn es<br />

ihnen ermöglicht wurde, haben sie sich auf die Überreste der Jagdbeute<br />

hergemacht, da diese ein leicht zu erreichendes Futter darstellte. Im Laufe<br />

der Zeit ergab sich dann irgendwann aus dem Nebeneinander ein<br />

Miteinander, wobei dieser Schritt der Entwicklung sicherlich eine lange<br />

Übergangsphase benötigte. Somit ist es eigentliche unmöglich zu sagen,<br />

wann genau sich die erste Domestikation wirklich ereignet hat.<br />

Fakt ist, dass die Beziehung zwischen <strong>Mensch</strong> und Hund beider Leben<br />

veränderte. Dabei ist bekannt, dass Hunde viele Jahre sich zwar psychisch<br />

weiterentwickelt haben, aber äußerlich immer noch dem Wolf ähnlich waren.<br />

Erst als die <strong>Mensch</strong>en sesshaft wurden, begannen sie den Hund gezielt auf<br />

den festgelegten Nutzen zu transformieren und zu züchten. Aus diversen<br />

Dokumenten geht hervor, dass im früheren Mesopotamien beispielsweise vor<br />

allem zwei Hundetypen besonders beliebt waren. Erstens waren es<br />

Windhunde, die vor allem für die Gazellenjagd gebraucht wurden. Zweitens<br />

wurden aber auch gerne doggenartige Hunde, die oftmals als Kampfhunde<br />

bei kriegerischen Auseinandersetzungen, als auch als Wachhunde für riesige<br />

Tempelanlagen und große Landgüter in Einsatz gebracht wurden, verwendet.<br />

In China galt der Hund lange Zeit als Luxustier und wurde somit gerne als<br />

kaiserliches Geschenk mitgenommen. Da die chinesischen Herrscher gerne<br />

auf die Jagd gingen wurden zum Beispiel gerne Tibetdoggen gezüchtet und<br />

mitgenommen, weil sie für die Kaiser den idealen Jagdhund darstellten.<br />

Seite 11


Weiters züchtete man<br />

etwa zeitgleich in den<br />

nördlichen Teilen Chinas,<br />

den aus der Mongolei und<br />

Sibirien stammenden<br />

Chow Chow als Schlitten-<br />

Hüte- und Speisehund.<br />

Bereits seit tausenden<br />

von Jahren begleitete der<br />

Shih Tzu tibetische<br />

Mönche und wacht über<br />

ihre Tempel. Doch erst<br />

Abb. 6 - Der Shih Tzu war ein beliebter Begleiter in Tibet<br />

während der letzten<br />

Kaiserdynastie, der<br />

sogenannten Qing-<br />

Dynastie erfreuten sich die Peking-Palasthunde großer Beliebtheit.<br />

Vermutlich wurde die Zwerghunderasse viele Jahrtausenden vor diesem<br />

Aufschwung aus tibetanischen Zwerghunden gezüchtet, doch erst am<br />

kaiserlichen Hof kam der Zwerghund auch in China als „Sohn des Himmels“<br />

auf seine Kosten. Legenden zufolge wurde Buddha von kleinen Löwen<br />

begleitet, die sich bei drohender Gefahr in riesige Bestien verwandelten,<br />

weshalb den buddhistischen Gläubigen die kleinen Peking-Palasthunde<br />

geradewegs verehrten.<br />

Im römischen Reich hingegen konnten anhand von Ausgrabungen<br />

festgestellt werden, dass bereits zu der Zeit schon verschiedene<br />

Hunderassen oder zumindest Exemplare mit unterschiedlichen<br />

Schulterhöhen existieren mussten. Besonders beliebt waren Schoß- und<br />

Wachhunde welche Größen von 18 bis zu 72 Zentimetern Schulterhöhe<br />

aufwiesen. Das römische Volk züchtete bevorzugt große und kräftige Hunde<br />

für die Gladiatorenkämpfe oder diverse Kriegseinsätze, aber sie hielten auch<br />

Hütehunde für ihre Schafs- und Ziegenherden. Falls die Hunde jedoch ihre<br />

Aufgaben nicht oder nur schlecht erfüllt haben, wurden sie gnadenlos<br />

behandelt. Unter anderem wurde ein eigener „Hundebestraftag“ eingeführt,<br />

anhand dessen behauptet werden kann, dass Hunde zu der Zeit noch als<br />

reine Arbeitstiere galten und nicht besonders hoch geschätzt wurden.<br />

Im Mittelalter kamen spezielle Jagdhunde auf, die gerne vom Adel als treue<br />

Jagdbegleiter mitgenommen wurden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde<br />

es wichtig, ob die Hunde für die Jagd, zum Hüten oder zum Bewachen<br />

geeignet waren. Durch die leichte Urbanisierung im Hochmittelalter mussten<br />

Häuser und Höfe verteidigt werden. Am Land sorgten die neu<br />

aufkommenden „Rattenbeißer“ für die Überwachung der Warenspeicher. Die<br />

Aufgabe der „Müllabfuhr“ durften sich Schweine und Hunde in der<br />

städtischen Region teilen. Weiters zogen Hunde Karren, betrieben Blasbälge<br />

oder kämpften gegeneinander zur Volksbelustigung.<br />

Seite 12


Als Statussymbole setzten sich kleine Schoßhunde in wohlhabenden<br />

Haushalten vor allem bei der weiblichen Adelsgesellschaft durch. Optik<br />

spielte im Gegensatz zum Nutzen zu diesem Zeitpunkt noch eine<br />

Untergeordnete Rolle, die sich aber mit der Zeit änderte, da beispielsweise<br />

auch gewisse Körperbauten, ebenfalls Vorteile für den Nutzen mit sich<br />

brachten und so, wurden die einzelnen Hunderassen immer mehr<br />

kategorisiert und weitergezüchtet.<br />

Mittlerweile gibt es über 300 verschiedene Hunderassen aller Formen,<br />

Farben und Größen die laut der Fédération Cynologique Internationale in 10<br />

unterschiedliche Gruppen unterteilt werden können und auch Rassen die<br />

entweder nur vorläufig oder noch nicht als selbstständige Rasse anerkannt<br />

werden. Vermutlich verlief die Domestikation des Hundes auch deshalb so<br />

erfolgreich, weil Hunde die einzigartige Fähigkeit besitzen, auf ihre eigene Art<br />

und Weise mit <strong>Mensch</strong>en zu kommunizieren. Diese Fähigkeit ist zwar<br />

genetisch und geschichtlich nicht begründet, aber vermutlich das Ergebnis<br />

des permanenten menschlichen Einflusses während ihrer Domestizierung.<br />

Laut einer Studie sind Hunde geschickter als zum Beispiel <strong>Mensch</strong>enaffen in<br />

der Interpretation menschlicher Gesten oder deren Hinweise. Diese<br />

ausgeprägte Lernfähigkeit und Aufmerksamkeit gegenüber dem <strong>Mensch</strong>en,<br />

führt oft zu einer sehr engen Verbindung zwischen <strong>Mensch</strong> und <strong>Tier</strong>.<br />

Interessant ist, dass anhand von einer aktuelleren Studie im <strong>Tier</strong>park<br />

Ernstbrunn in Niederösterreich festgestellt werden konnte, dass auch Wölfe<br />

sehr wohl <strong>Mensch</strong>en genauso gut verstehen können wie Hunde. Jedoch die<br />

menschliche Körpersprache, besonders ihre Gesten mit den Händen,<br />

schlechter deuten als unsere Haushunde. Wenn aber beispielsweise nur mit<br />

dem Kopf Andeutungen gemacht werden, versteht diese der Wolf fast besser<br />

als der Hund. Das liegt vermutlich daran, dass Hunde dank der Entwicklung<br />

darauf angewiesen waren im Gegensatz zu den Wölfen, mit dem <strong>Mensch</strong>en<br />

deutlich zu kommunizieren. Aus der Studie ist ebenfalls bekannt, dass Wölfe<br />

im Gegensatz zu Hunden nur wegen dem Futter mitarbeiten und keinen<br />

sogenannten „will to please“ konträr zu unseren treuen Vierbeinern besitzen.<br />

Allerding wird angenommen, dass Wölfe die gleichen sozial-kognitiven<br />

Fertigkeiten besitzen wie Hunde und ausgerechnet aus diesem Grund vor<br />

tausenden von Jahren auf natürliche Weise wegen ihrer besseren oder<br />

schlechteren Art mit <strong>Mensch</strong>en zu kommunizieren aus den Rudeln<br />

herausselektiert wurden. Interessant ist auch, dass bei einem weiteren<br />

Versuch Futter aus einem erschlossenen Käfig zu holen vom Wolf nach<br />

bereits mehreren gescheiterten Versuchen probiert wurde das Problem mit<br />

roher Gewalt zu lösen, während der Hund innerhalb von kürzester Zeit den<br />

Kontakt zum <strong>Mensch</strong>en suchte um ihn sozusagen um Hilfe zu bitten.<br />

Seite 13


Das daraus resultierende Ergebnis ist folgendes: Während der Evolution<br />

dürften Verhaltensweisen die heutigen Haushunde so weit gehend verändert<br />

haben, dass die ersten Generationen von der tierischen Seite her betrachtet<br />

höchstwahrscheinlich auch trotz Auswilderung laut momentanem Stand<br />

schlecht oder kaum überlebensfähig wären, da sie mittlerweile so stark vom<br />

<strong>Mensch</strong>en abhängig<br />

sind.<br />

Letztendlich ist und<br />

bleibt der Hund auf<br />

lange Sicht der<br />

wichtigste Begleiter des<br />

<strong>Mensch</strong>en. Als weltweit<br />

eines der beliebtesten<br />

Haustiere, wird er jedes<br />

Jahr vor allem in den<br />

USA, Argentinien und<br />

Brasilien in vielen<br />

Haushalten als <strong>Tier</strong> der<br />

Herzen auf Platz eins<br />

gewählt.<br />

Abb. 7 - Hunde sind sehr gelehrige Gesellen<br />

1.4.2. Katzen – vom Teufelsboten zum Stubentiger<br />

Wann genau die Freundschaft zwischen <strong>Mensch</strong>en und Katzen entstand ist<br />

unklar. Felsenbilder aus dem 5. und 6. Jahrhundert vor Christus die im<br />

arabischen Raum gefunden wurden enthalten Darstellungen von Frauen die<br />

mit Katzen spielen. Als <strong>Mensch</strong>en im Zweitstromland die ersten Siedlungen<br />

im 11. Jahrhundert vor Christus erbauten, wird vermutet, dass sich<br />

zeitgleich einzelne Wildkatzenformen mit geselligeren und weniger<br />

kontaktfreudigen Charakteren herauskristallisierten und dementsprechend<br />

in der Nähe von <strong>Mensch</strong>en verblieben. Erneut wird also wieder davon<br />

ausgegangen, dass die <strong>Tier</strong>e sich dem <strong>Mensch</strong>en freiwillig „anschlossen“.<br />

Abermals wurden die Katzen durch Essensreste angelockt, welche deren<br />

Hauptnahrungsquelle darstellte. Somit hatten weniger ängstliche Katzen<br />

einen Überlebensvorteil gegenüber den scheuen Exemplaren. Diese<br />

Beziehung zwischen <strong>Mensch</strong> und <strong>Tier</strong> kann man durchaus als Symbiose<br />

bezeichnen, denn auch der <strong>Mensch</strong> profitierte stark von der Gesellschaft der<br />

Stubentiger. Die Vorratshaltung wurde leichter, da die Miezen nicht nur<br />

Abfälle entsorgten, sondern auch Kammern und Kornspeicher vor<br />

Schädlingen wie Ratten und Mäusen frei hielten.<br />

Archäologen fanden in Zypern, Anatolien und Jordanien rund 9.000 Jahre<br />

alte Knochen kleinerer Katzen, welche gemeinsam mit <strong>Mensch</strong>en begraben<br />

wurden, worauf man auf eine enge Beziehung zwischen <strong>Mensch</strong> und <strong>Tier</strong><br />

schließen kann. Katzen gelang es sich erfolgreich, meist als „blinde<br />

Passagiere“, über alle Kontinente zu verbreiten.<br />

Seite 14


Davon zeugt auch der Genpool unserer heutigen Hauskatzen, der von<br />

asiatischen bis zu afrikanischen Wildkatzen reicht. Ganz genau kann jedoch<br />

trotzdem nicht bewiesen werden welcher Urahne der wirklich Echte unserer<br />

rund 27 Hauskatzenarten ist. Die ältesten der gezüchteten Rassen sind<br />

jedoch etwa die Angorakatze, gefolgt von der Siamkatze, der türkisch Van<br />

und der Perserkatze.<br />

Die Ägypter waren die erste Hochkultur, die die kleinen Raubtiere als<br />

„Haustiere“ hielten. Üblicherweise nahmen seit Beginn der ägyptischen<br />

Geschichte <strong>Mensch</strong>en ihre <strong>Tier</strong>e, meist waren es Gazellen und Katzen, mit<br />

ins Grab. Durch archäologische Funde der Grabbeigaben aus <strong>Tier</strong>gräbern<br />

kann die Wichtigkeit der früheren Haustiere für den <strong>Mensch</strong>en gut<br />

nachempfunden werden. In den ägyptischen Tempeln wurden nicht selten<br />

junge Katzen aufgezogen, nur um sie bei Bedarf als Opfertiere einzusetzen.<br />

Letztendlich erfreute sich die Katze einer unfassbaren Beliebtheit bei den<br />

alten Ägyptern, welche sich durch die zahlreichen mumifizierten Katzen in<br />

ägyptischen Gräbern und deren Bestattungsritualen beweisen lässt.<br />

Zusätzlich hielten sich offenbar fast alle Ägypter interessanter Weise Katzen<br />

aus hygienischen Gründen.<br />

Erst die Handeltreibenden Phönizier waren diejenigen, die die Samtpfoten<br />

außer Landes schmuggelten und so gelangte der Stubentiger auf dem<br />

Seeweg nach Europa. Etwa viertausend Jahre alte Vasen mit<br />

Katzendarstellungen die in den Niederlanden gefunden wurden,<br />

untermauern die These, dass Katzen etwa erst im fünften Jahrhundert vor<br />

Christus zu uns gelangten.<br />

Bereits 1500 v.Chr. galten die eleganten <strong>Tier</strong>e in China als Wächterinnen<br />

über die Seidenraupen und trugen somit kulturelle und wirtschaftliche<br />

Verantwortungen. Während Katzen in Indien, China und Japan zusätzlich<br />

bei religiösen Ritualen schon weit vor Christi Geburt eine wichtige Rolle<br />

spielten, erfreute sich die Hauskatze in Europa weniger Beliebtheit.<br />

Immerhin lebten Katzen bereits im 10. Jahrhundert am englischen Hof.<br />

Damals lag ihr Wert nur knapp unter dem eines Lamms oder einer Kuh. In<br />

anderen Kulturen hingegen hatten Katzen einen ganz anderen Nutzen.<br />

Beispielsweise kleideten sich Wikinger gerne mit Katzenfellen. Richtig<br />

populär wurden die <strong>Tier</strong>e aber erst, als die Rattenplage im späten Mittelalter<br />

überhandnahm.<br />

Im Mittelalter ergaben sich neue Aufgabengebiete für die tierischen Helfer.<br />

Die konstant wachsende Population führte zwangsweise zu einer vermehrten<br />

Urbanisierung. Immer mehr <strong>Mensch</strong>en lebten auf kleinstem Raum<br />

zusammen. Müll und Ungeziefer türmten sich in den mittelalterlichen<br />

Städten, doch glücklicherweise konnten sie dank der Entsorgung von<br />

Essenresten durch Schweine und Hunde in Schach gehalten werden.<br />

Seite 15


Erzählungen zufolge, wurden jene <strong>Tier</strong>e dem Sohn des französischen Königs<br />

Ludwig dem Dicken zum Verhängnis. Anfang des 12. Jahrhunderts ritt der<br />

Sohn durch Paris, als sich plötzlich sein Pferd vor einem Schwein schreckt,<br />

zu scheuen begann und den jungen Mann abwarf. Durch den unglücklichen<br />

Sturz brach sich der Nachfolger von Ludwig dem Dicken das Genick.<br />

Folglich sprach der König vor Trauer um seinen geliebten Sohn ein Verbot<br />

für die Müllentsorgung durch Schweine aus. Dadurch führten die plötzlich<br />

entstandenen enormen Müllmengen zu großen Ungeziefer und Rattenplagen,<br />

welche in weiterer Folge Seuchen mit sich brachten.<br />

Nun kam auch letztendlich die Hauskatze zum Einsatz, denn sie erwies sich<br />

nicht nur als verschmuster Gefährte, sondern auch als nützlicher und<br />

geschickter Helfer bei der Schädlingsbekämpfung. Ab circa Mitte des 13.<br />

Jahrhunderts änderte sich der Stand der beliebten Stubentiger prompt in<br />

der Gesellschaft, als Kirchenvertreter die Katzen als Boten des Teufels<br />

abstempelten.<br />

Bis zum Ende der Reformationsbewegung im 17. Jahrhundert wurden<br />

regelrecht laufende Prozesse gegen die Samtpfoten geführt, die oftmals zum<br />

Tod ihresgleichen führten. Dies stellte eine tolle Entwicklung für die Nager<br />

Population dar, allerdings erfreute sich das Volk weniger daran. Anhaltende<br />

Rattenplagen und die damit verbundenen Krankheiten machten erneut ihre<br />

Runden in der Bevölkerung, was wiederrum nur deutliche macht wie sehr<br />

damals <strong>Mensch</strong>en schon an ihre tierischen Helfer angewiesen waren.<br />

Trotz der erfolgreichen Minimierung von Mäusen und Wanderratten, wurden<br />

die Katzen im Hochmittelalter immer noch als heidnisches Symbol durch die<br />

Kirche propagiert und dementsprechend heftig bekämpft. Im Rahmen der<br />

Hexenverfolgung<br />

warnte die Kirche vor<br />

den unberechenbaren,<br />

eigensinnigen und<br />

faulen Geschöpfen. Sie<br />

predigten, dass die<br />

Katze vom Teufel<br />

besessen sei und<br />

bevorzugt Frauen in<br />

schwarzer<br />

Katzengestalt<br />

heimsuchte. Auch das<br />

Volk verwandelte die<br />

Katzen ins<br />

Abb. 8 - Katzen - Heilige oder die Strafe Gottes?<br />

überirdische. Legenden zufolge ritten beispielsweise Hexen somit auf riesigen<br />

Katzen zum Hexensabbat. Daraus resultiert, dass heute noch viele<br />

<strong>Mensch</strong>en schwarze Katzen als Boten von Unheil sehen.<br />

Seite 16


Doch so sehr die Kirche auch die Stubentiger verpönte, blieben die Katzen<br />

trotz allem beliebte Gesellen und wichtige Attribute in der Volksmedizin, was<br />

wahrscheinlich auf die vielen magischen Assoziationen zurückzuführen ist.<br />

Damals waren einzelne Bestandteile des Katzenkörpers besonders gegen<br />

Gicht und entzündliche Gelenkserkrankungen gefragt.<br />

Erst mit der Industrialisierung eroberten die Miezekatzen im Sturm<br />

zunehmend Herzen, Sofas und Fensterbänke und wurden seit langem nicht<br />

mehr primär als Nutztiere gehalten. In den 1990er Jahren überrundeten die<br />

Fellknäul erstmals den Hund und schafften es auf Platz eins der beliebtesten<br />

Haustiere auf der Beliebtheitsskala vor allem in Deutschland, Russland und<br />

Frankreich.<br />

1.4.3. Schafe und Ziegen, das sogenannte „Mittelvieh“<br />

Höchstwahrscheinlich sicherten das Urial und die Bezoarziege bereits den<br />

Nomadenvölkern um zehntausend vor Christus in der heutigen Türkei, dem<br />

Iran und dem Irak das Überleben. Denn zu der Zeit folgten Jäger und<br />

Sammler gerne den <strong>Tier</strong>en auf ihren Wanderungen zu den saftigen grünen<br />

Weiden, wo es dementsprechend viel Nahrung gab.<br />

Abb. 9 - Schafe und Ziegen sind „Allesfresser“<br />

Rinder, Schafe und Ziegen wurden von Bauern als auch Nomadenvölkern<br />

schon seit der Jungsteinzeit gehalten. Wobei Schafe und Ziegen den<br />

primären Nutzen von Fleischlieferanten hatten. Erst später stellte sich<br />

heraus, dass sie auch als Universalnutztiere sehr tauglich waren. Ab rund<br />

dreitausend vor Christus dienten Schafe und Ziegen nicht zur<br />

Fleischgewinnung, sondern dienten auch mit ihrer Milch, dem guten<br />

Dünger, ihrer Wolle, den Häuten und auch dem Fell.<br />

Nachteile gab es für den <strong>Mensch</strong>en hierbei keine, weil die <strong>Tier</strong>e vor allem<br />

pflegeleicht und sehr bescheiden in ihrer Haltung sind, als äußerst fruchtbar<br />

gelten und keine Nahrungskonkurrenz gegenüber dem <strong>Mensch</strong>en darstellen.<br />

Erstaunlicher Weise können beide <strong>Tier</strong>arten für den <strong>Mensch</strong>en<br />

unverdauliche zellulosehaltige Pflanzen, wie etwa dornige und struppige<br />

Gewächse, dank den Mikroorganismen in ihren Pansen ideal verdauen.<br />

Seite 17


Die daraus gewonnenen wertvollen Proteine und Fettsäuren gelangen durch<br />

den Verdauungstrakt mitunter in die Milch und das Fleisch, welche der<br />

<strong>Mensch</strong> ebenfalls damit durch den Verzehr zu sich nehmen kann. Der<br />

einzige Nachteil dieser exzessiven Fressgewohnheiten der kleinen<br />

Wiederkäuer, war die radikale Veränderung der Landschaften. Die<br />

Steppengebiete Südkasachstans und Südostrusslands sind heute noch die<br />

rund sechstausend Jahre alten Resultate erfolgreicher Beweidungen der<br />

Landstriche durch Ziegen- und Schafsherden.<br />

Dank der Fähigkeit für den <strong>Mensch</strong>en und sogar das Rind Unverdauliches<br />

zu verdauen, Unerreichbares zu erreichen und dabei noch besonders<br />

bescheiden zu sein, wurde vor allem die Ziege gerne als „die Kuh des armen<br />

Mannes“ bezeichnet. Im Mittelalter befanden sich Ziegen in erster Linie im<br />

Besitz des armen Volkes, die sich keine Kühe leisten konnten. Damals<br />

gehörte Ziegenmilch zum Grundnahrungsmittel, welche gerne auch als<br />

Muttermilchersatz verwendet wurde. Zu dieser Zeit wusste das Volk auch<br />

anhand der Verbreitung von Ziegen, wie günstig die Zeiten für sie standen.<br />

In guten Zeiten, gab es wenige Ziegen, in schlechten Zeiten hingegen gab es<br />

viele davon. Damals war der Ziegenbock das Symbol für Schutz und Potenz.<br />

Sein beißender Gestank sollte Seuchen und Ungeziefer in Zaum halten. Im<br />

Volksglauben war der Ziegenbock ehemals simultan eng mit dem Teufel<br />

paktierend. Während der Hexenverfolgung gestanden der Hexerei Verurteilte<br />

unter Folter oftmals mit dem Teufel in Bockgestalt temperamentvolle<br />

Sexorgien praktiziert zu haben. Die Assoziation der Wörter „Bock“ und „Lust“<br />

haben sich immerhin bis heute im Volksmund erhalten, wie etwa „keinen<br />

Bock auf etwas haben“.<br />

Tausende von Jahren siedelten Schafe und Ziegen auf bäuerlichen Höfen<br />

und halfen dabei unverbaubare Buschlandschaften in Ackerflächen<br />

umzuwandeln. Erst mit der boomenden Tuchproduktion stieg das Interesse<br />

an den Schafen auch beim Adel und der Kirche. Im ersten Jahrtausend nach<br />

Christus wuchsen die Schafsherden des Adels und der Geistlichen enorm<br />

an. Wolle wurde immer wichtiger. Im Mittelalter, unter der absolutistischen<br />

Feudalherrschaft wurde die bäuerliche Schafherdenhaltung radikal<br />

eingeschränkt. Der Adel und die Spirituellen erhielten exklusive Rechte an<br />

Schafen und die dafür benötigten Weideflächen. Sogar bäuerliche Gartenund<br />

Ackerflächen durften von diesen Schafsherden bewirtschaftet werden.<br />

Im Laufe der Industrialisierung im 19. Jahrhundert erreichte hauptsächlich<br />

die Schafzucht ihre Blütezeit. Viele neue Arten wurden verpaart und<br />

herausgezüchtet. Heutzutage unterscheiden sich die gezüchteten Rassen von<br />

ihrer Wildform. Sie sind deutlich kleiner geworden und haben nur mehr<br />

kleine beziehungsweise gar keine Hörner mehr, dafür aber umso mehr Wolle.<br />

Heutzutage spielen Schafe und Ziegen in der landwirtschaftlichen<br />

Produktion kaum mehr eine Rolle.<br />

Seite 18


1.4.4. Schweine – dankbare Resteverwerter und Fleischlieferanten<br />

Schweine gehören mit<br />

Ziegen und Schafen zu den<br />

ältesten Nutztieren. Seit<br />

Millionen von Jahren<br />

tummelten sich<br />

Wildschweine in den<br />

Wäldern Europas, Asiens<br />

und Nordafrikas, als<br />

Steinzeitmenschen im<br />

östlichen Mittelmeerraum<br />

das Wildschwein als<br />

dankbaren Resteverwerter<br />

und gleichzeitig lebendigen<br />

„Fleischvorrat“ für sich<br />

entdeckten. Bis zur heutigen<br />

Zeit gilt das Schwein als der<br />

beliebteste Fleischlieferant<br />

in Europa.<br />

Abb. 10 - Das Hausschwein, dankbare Resteverwerter und<br />

Glücksymbol<br />

Knochenfunde belegen, dass erste Lebensgemeinschaften von domestizierten<br />

Wildschweinen und <strong>Mensch</strong>en, vor tausenden von Jahren, zeitgleich in<br />

Vorderasien und China, aber auch im Nahen Osten und am östlichen<br />

Mittelmeer entstanden. Von China aus verbreitete sich das Schwein<br />

vermutlich schließlich über Ostasien bis nach Australien. Anhand von<br />

Expertisen konnte festgestellt werden, dass wahrscheinlich Bauern aus dem<br />

Nahen Osten ihre Schweine schon vor rund zwölftausend Jahren nach<br />

Westeuropa brachten. Diese nutzten möglicherweise gezähmte<br />

Wildschweine, die sie im Rahmen der Besiedlung und Entdeckung von<br />

neuen nutzbaren landwirtschaftlichen Gebieten, als lebendige<br />

Frischfleischvorräte mit sich herumführten.<br />

Nach und nach verdrängte das europäische Hausschwein das eingeführte<br />

asiatische Schwein, da es besser an die klimatischen Witterungen angepasst<br />

war. Letztendlich setzte sich das europäische Hausschwein auch in den<br />

asiatischen Herkunftsländern durch. Im antiken Rom galten die <strong>Tier</strong>e aus<br />

Germanien als Delikatesse, hingegen dazu ist über die bäuerliche Haltung<br />

von Schweinen in Mitteleuropa in den ersten Jahrhunderten nach der<br />

Völkerwanderung nur sehr wenig bekannt. Im Mittelalter wurden die<br />

Hauschweine nicht nur gerne in ländlichen Regionen, sondern auch in der<br />

Stadt zusammen mit Enten und Gänsen gehalten. Dort stellten sie eine<br />

beliebte „Müllabfuhr“ dar. Bis ins 15. Jahrhundert durften sie in Städten frei<br />

herumlaufen, was nicht selten zu Unfällen führte. Die lebendigen Biotonnen<br />

wurden so geschätzt, dass sie in Folge zur Stadtplage wurden. Um die<br />

Zahlen zu reduzieren wurde oftmals in urbanen Gebieten die Haltung von<br />

Schweinen pro Stadt auf 24 Stück begrenzt.<br />

Seite 19


Das sprichwörtliche „Schweineglück“ kommt vermutlich aus der Zeit in der<br />

Schweine stark begehrt waren. Bei damaligen populären Wettstreiten war<br />

häufig ein Ferkel der Trostpreis für den Verlierer. Der Gedanke dabei war,<br />

dass dieser seinen Müll somit gewinnbringend in sein „Sparschwein“<br />

investieren konnte.<br />

Die enorm anpassungsfähigen Wildtiere haben trotz heftiger Bejagung durch<br />

den <strong>Mensch</strong>en wie durch ein Wunder bis heute überlebt. Eine der Thesen<br />

behauptet, dass sich die Wildtiere aus eigenem Antrieb zum <strong>Mensch</strong>en<br />

gesellten, da deren Abfälle mühelos erworbene Mahlzeiten lieferten.<br />

In den letzten Jahrhunderten entstanden weltweit zahlreiche neue<br />

Schweinerassen. Je nach den Bedürfnissen der Bevölkerung wurden vor<br />

allem in der Nachkriegszeit fettreichere Rassen gezüchtet, wohingegen laut<br />

neuestem Begehren auf Rassen mit magerem Fleisch gesetzt wird.<br />

1.4.5. Rinder – heiliges Vieh und wichtige Nutztiere<br />

Im alten Ägypten wurden Rinder vermutlich bereits zehntausend Jahre vor<br />

unserer Zeitrechnung gehalten. Da das <strong>Tier</strong> dort als heilig galt wurde es wohl<br />

wegen der Milchleistung und nicht als Fleischlieferant gehalten. Zunächst<br />

wurden Kühe mit hoher Wahrscheinlichkeit als Melkkühe gehalten und erst<br />

später geopfert und verspeist.<br />

Laut genetischen Studien wurden in Europa vor rund 8500 Jahren in den<br />

ersten Dörfern Auerochsen domestiziert. In der Gegend des „fruchtbaren<br />

Halbmondes“ war zu der Zeit das Klima, vergleichsweise zu Europa, für den<br />

Ackerbau geeignet.<br />

Abb. 11- Die Milchleistung der Rinder ist in den letzten Jahren enorm angestiegen<br />

Seite 20


Dass die Ackerflächen in Europa, Asien und Afrika sehr früh kultiviert<br />

werden konnten, haben wir dem Ochsen zu verdanken, der sich als ideales<br />

Pflug- und Zugtier entpuppte.<br />

Es wird vermutet, dass sich die Rinderherden durch die wandernden Völker<br />

vor 6500 Jahren vom mittleren Osten aus nach Mitteleuropa bewegt haben.<br />

Viele Forscher schließen aus der Tatsache dass keine Kreuzungen aus<br />

Auerochse und importierten Rindern gefunden werden konnten, dass die<br />

Völker schon damals Züchtungen der Rinder betrieben. Nach und nach<br />

verdrängten die Zuchtrinder im Laufe der Jahrtausende den in Europa,<br />

Indien und Nordafrika heimischen Auerochsen. Durch die vielfältigen<br />

Einsatzmöglichkeiten, entstanden aus den ursprünglichen asiatischen<br />

Rinderassen zahlreiche Züchtungen, die zusätzlich zum Fleisch und<br />

Milchlieferanten als Zug-, Trag-, Reit- oder Kampftier eingesetzt wurden. So<br />

entstand eine riesige Rassenvielfalt unter den <strong>Tier</strong>en die sich jedoch nicht<br />

bis heute erhalten konnte.<br />

Weltweit gibt es zwar heute noch rund 500 Rinderarten, doch die meisten<br />

von ihnen haben nur eine lokale Bedeutung. Das als einzig wichtig<br />

empfundene bei den <strong>Tier</strong>en ist die maximale Milch- und<br />

Fleischproduktionsleistung. Während die Milchleistung pro Kuh vor rund 20<br />

Jahren etwa noch bei 5000 bis 6000 Liter Milch pro Jahr lag, sind es heute<br />

ungefähr 8000 bis 10000 Liter geworden. Traurigerweise wird mittlerweile im<br />

Zusammenhang mit den <strong>Tier</strong>en nicht mehr von der Lebenserwartung,<br />

sondern von der „Nutzungsdauer“ gesprochen.<br />

1.4.6. Pferde, die eleganten Allrounder<br />

Pferde waren eine große Stütze an der Seite des <strong>Mensch</strong>en. Sie<br />

unterstützten ihre zweibeinigen Gefährten in vielerlei Hinsicht.<br />

Beispielsweise dienten sie als Transportmittel während der Kriegszeit und<br />

bei der<br />

Übermittlung<br />

von<br />

Nachrichten,<br />

sowie als<br />

kraftvolle Helfer<br />

bei, mühsamen<br />

Ackerbau.<br />

Bekannte<br />

Eroberer wie<br />

Alexander der<br />

Große, oder<br />

Dschingis Kahn<br />

hätten nicht<br />

Abb. 12 - Das Przewalski Pferd ist das heute einzige noch lebende<br />

einmal ohne<br />

Wildpferd<br />

den protzigen<br />

tierischen<br />

Armeen ihre Reiche erobern können.<br />

Seite 21


Da die Theorien, wann und wo <strong>Mensch</strong>en erstmals Wildpferde zähmten, sehr<br />

widersprüchlich sind und die heiklen Unterschiede der Knochen von Wildund<br />

Hauspferd präzise Datierungen erschweren, kann gar nicht genau<br />

gesagt werden, wie die <strong>Tier</strong>e zum <strong>Mensch</strong>en kamen. Mit größter<br />

Wahrscheinlichkeit wird jedoch angenommen, dass das Hauspferd aus vier<br />

diversen Wildpferdrassen, nämlich dem Urpony, dem Tundrenpferd, dem<br />

Steppenpferd und dem Uraraber in Eurasien entstand.<br />

Anhand einer Studie der DNA gelang es Wissenschaftlern das ungefähre<br />

Alter der Wildpferde zu ermitteln. Vor annähernd 160000 Jahren<br />

verbreiteten sich die Huftiere von der östlichen eurasischen Steppe<br />

ausgehend nach Westen. Umherziehende Nomadenvölker begannen im<br />

heutigen Russland, Kasachstan, der Ukraine und Rumänien mit der ersten<br />

Pferdezucht vor etwa 5500 Jahren. Die hohe Variabilität der DNA heutiger<br />

Pferderassen ist vermutlich laut fachlichen Expertisen auf folgende These<br />

zurückzuführen: Da Stuten früher deutlich leichter zu halten waren als<br />

wilde Hengste, sind die „domestizierten“ Herden immer wieder mit lokalen<br />

Wildhengsten verpaar worden.<br />

Anhand weiterer Forschungen, bei denen Farbgene uralter Pferdeknochen<br />

analysiert wurden, konnte festgestellt werden, dass sich die einzelnen<br />

Farbvarianten seit Anbeginn der ersten Pferdezüchtungen innerhalb von<br />

mehr als fünftausend Jahren kaum modifiziert haben. Die sogenannten<br />

Przewalski-Pferde sind zwar nicht die direkten Vorfahren unserer heutigen<br />

Hauspferde, jedoch die einzige noch lebende Wildpferdeart. Aktuell<br />

versuchen diverse Zoos Initiative zu ergreifen und eigens gezüchtete <strong>Tier</strong>e<br />

erneut der Natur zurück zu führen.<br />

1.4.7. Vögel und „Geflügel“ – gefiederte Freunde und kulinarische<br />

Köstlichkeiten oder <strong>Mensch</strong>en haben einen Vogel<br />

Wann genau die geschichtliche Domestizierung von diversen Vogelarten<br />

eingesetzt hat ist unklar. Manche von ihnen, wie etwa der Kanarienvogel<br />

können bereits ihr Vorkommen in menschlicher Obhut bis ins 15.<br />

Jahrhundert zurückführen. Fakt ist, im Laufe der Zeit wurden immer mehr<br />

Vogelarten vom <strong>Mensch</strong>en zum reinen Haustier gezüchtet. Heute gibt es<br />

zahlreiche exotische und gängigere Vogelarten die gerne als Haustiere<br />

gehalten werden. Vögel sind beliebte Haustiere, da sie zum einen sehr<br />

pflegeleicht erscheinen und zum anderen stark beeindruckend wirken und<br />

sehr gelehrige Wesen sind.<br />

Im Wesentlichen können heutige Vogelarten in zwei Kategorien unterteilt<br />

werden, in das Geflügel und in die Ziervögel. In die Gruppe des<br />

Rassegeflügels zählen Hühner, Haustauben, Gänse, Puten, Fasanen, Pfauen<br />

und ähnliche dazu. Zu dem Ziergeflügel, welches größtenteils aus Wildarten<br />

bestimmt wird, zählen beispielsweise Zwerghühner, Wildenten, Laufvögel,<br />

Schwäne und dergleichen. Heutzutage wurden die Standards für das<br />

Rassengeflügel so weit gehend festgelegt, dass die <strong>Tier</strong>e mittlerweile als<br />

„Zuchtprodukte“ bezeichnet werden können.<br />

Seite 22


Die Domestikation der Vögel hat sich vergleichsweise zu allen anderen<br />

Nutztieren sehr spät entwickelt. Erst vor rund 4000 Jahren wurde in<br />

Ägypten der Vorfahre unserer Graugans domestiziert. Später kamen noch<br />

Hühner, Enten, und andere hinzu. Geflügeltiere wurden hauptsächlich als<br />

Nahrungsmittelliefera<br />

nten zu Haustieren<br />

umfunktioniert.<br />

Ähnliche Umstände<br />

führten auch die<br />

Tauben in die<br />

menschliche Obhut.<br />

Diese baten sogar<br />

zweierlei Vorteile für<br />

den <strong>Mensch</strong>en.<br />

Einerseits war es<br />

erneut die<br />

„Lebensmittelfunkton“<br />

und andererseits<br />

dienten Brieftauben<br />

der Kommunikation.<br />

Richtig beliebt wurde<br />

das Geflügel erst, als<br />

sich herausstellte, dass ihr Fleisch fettarm und besonders leicht zu<br />

verdauen ist.<br />

Abb. 13 - Die Vorfahren unserer Graugänse waren das erste<br />

domestizierte Geflügel im Alten Ägypten<br />

Durch die Domestizierung konnten zahlreiche Veränderungen an den <strong>Tier</strong>en<br />

festgestellt werden. Zu den äußerlichen Veränderungen des<br />

Erscheinungsbildes von den <strong>Tier</strong>en zählen beispielsweise die Variationen der<br />

Gefiederzeichnung, der Gefiederfarbe und auch die differente Größe<br />

vergleichsweise zu ihren Wildformen. Einige Vogelrassen, wie etwa das<br />

japanische Mövchen sind sogar nie in der freien Natur vorgekommen, mit<br />

anderen Worten, sie sind ein reines „Zuchtprodukt“. Durch die Zucht<br />

wurden viele neue Erscheinungsbilder der <strong>Tier</strong>e ermöglicht. Nicht umsonst<br />

sind bei Zebrafinken zum Beispiel momentan über 60 Farbmutationen<br />

bekannt. Alles in allem ist die <strong>Mensch</strong>heit sicherlich im Laufe der Evolution<br />

an einen Punkt angelangt, wo gewisse Züchtungen von Nöten gewesen sind.<br />

Durch strengere Gesetze wird versucht die Zucht besser zu reglementieren<br />

und unter Kontrolle zu halten. Dies bezieht sich jedoch auf alle <strong>Tier</strong>arten.<br />

1.4.8. Die Aquaristik, ein Stückchen Meer für zuhause<br />

Die Vivaristik bezeichnet einen künstlich geschaffenen Raum zur Pflege und<br />

Zucht von <strong>Tier</strong>en, der dem natürlichen Lebensraum, dem sogenannten<br />

Vivarium, möglichst ähnlich ist. Dabei wird die Vivaristik noch in die<br />

Aquaristik und in die Terraristik unterteilt. Hierbei versucht man die<br />

Aquarien bestmöglichst an die Süß- und Salzwasser bewohnenden <strong>Tier</strong>- und<br />

Pflanzenarten anzupassen.<br />

Seite 23


Bei den Terrarien werden vor<br />

allem Biotope der Echsen<br />

und ähnlicher Lebewesen<br />

nachgebildet. Des Weiteren<br />

gibt es noch das sogenannte<br />

Paludarium, welches eine<br />

Mischform der beiden<br />

Vivarienarten darstellt und<br />

insbesonders der Haltung von<br />

Amphibien und bestimmter<br />

wasserliebender Reptilien<br />

dient.<br />

Abb. 14 - Aquarien, ein Stückchen Meer für zuhause<br />

Die Geschichte des<br />

Aquariums lässt sich<br />

ursprünglich auf die Fischhaltung, die der Nahrungsaufnahme diente<br />

zurückführen. Sowohl Sumerer, als auch Ägypter hielten<br />

gefangene Fische in kleinen Teichen, als „lebendige Vorratskammer“.<br />

Vermutlich wurden zu dieser Zeit in kleinen ägyptischen Hausgärten Fische<br />

auch zu Dekorationszwecken in kleinen Wasserbecken gehalten. Aus<br />

Aufzeichnungen konnten Experten entnehmen, dass bereits die Römer<br />

Muränen in künstlich angelegten Becken hielten. Die <strong>Tier</strong>e besaßen in ihren<br />

Augen göttliche Eigenschaften und wurden verehrt.<br />

Der Grundstein der heutigen Aquaristik wurde jedoch in China gelegt.<br />

Richtig populär wurde die Fischzucht in China erst, als Kaiser die ersten<br />

Karpfen züchteten. Um 770 vor Christus tauchten erste Bücher über<br />

Fischzuchten auf. Einige hunderte Jahre später, während der Song-<br />

Dynastie, konnte die erste Domestikation von Goldfischen nachgewiesen<br />

werden. Damals dienten durchsichtige Vasen als Aquarium. Ab dem frühen<br />

16. Jahrhundert wurden die Fische ebenfalls gerne in Keramikgefäßen in<br />

gängigeren Haushalten gehalten.<br />

In Europa führte der Aufstieg Großbritanniens zur Seemacht ungefähr<br />

zeitgleich das Aufkommen erster „Aquarien“ mit sich. In London konnten im<br />

17. Jahrhundert die ersten Haltungen von Fischen in Wassergläsern<br />

bewiesen werden. „Der Fisch im Glas“ wurde dazumal eine rasante<br />

Modeerscheinung. Doch der Begriff „Aquarium“ selbst wurde erst viel später,<br />

in der Mitte des 18. Jahrhunderts geprägt.<br />

Mit dem Aufkommen und vermehrtem Befassen mit den<br />

Naturwissenschaften auch in der Bevölkerung, wurde es schließlich<br />

„modern“ Lebewesen in einem Glasbehälter zu halten und zu pflegen.<br />

Während anfangs noch Holzkisten speziell bei Forschungszwecken als<br />

Becken dienten, fanden Biologen verspätet heraus, dass auch Fische einen<br />

biologischen Kreislauf benötigen, um ihnen ein natürliches Leben zu<br />

ermöglichen. Im Laufe der Zeit entwickelten sich immer neuere<br />

Technologien, von denen wir bis heute in der Aquaristik Gebrauch machen.<br />

Seite 24


Trotz dem, das Fische an und für sich keine domestizierten <strong>Tier</strong>e im<br />

eigentlichen Sinne sind, haben sich im Laufe der Evolution viele neue<br />

Zuchtergebnisse herauskristallisiert. Dabei werden viele Fischarten nach wie<br />

vor als Nutztiere gehandhabt, was man hauptsächlich an den riesigen<br />

Fischfarmen unserer heutigen Lebensmittelindustrien sehen kann. Bei der<br />

Aquaristik selbst handelt es sicher im Gegensatz dazu eher um heimische<br />

Lieblinge die teils in riesigen, gläsernen Imperien umher schwimmen und<br />

bestaunt werden können.<br />

1.4.9. Die Terraristik, ein Hobby für das Auge<br />

Reptilien und Amphibien sorgten bei den <strong>Mensch</strong>en seit jeher für<br />

Faszination und Begeisterung. Bei den alten Ägyptern verkörperte das<br />

Krokodil den Nil- und Fruchtbarkeitsgott Sobek. Archäologen konnten im<br />

Sobektempel riesige Teichanlagen finden, in denen höchstwahrscheinlich für<br />

die Ägypter heilige Tempelkrokodile gehalten wurden, was zugleich der<br />

älteste Nachweis für die Haltung von Reptilien darstellt. Die <strong>Tier</strong>e wurden<br />

nach ihrem Tod, sei es auf natürlichem oder auf spirituellem Wege gewesen,<br />

einbalsamiert und anschließend bestattet. Auch in anderen Kulturen galten<br />

Reptilien, besonders Schlangen, als heilige <strong>Tier</strong>e.<br />

Ende des 18. Jahrhundert wurden Frösche und Würmer vereinzelt als<br />

hervorragende Stubengenossen bezeichnet. Die Geschichte der eigentlichen<br />

Terrarstik hat jedoch ihren Ursprung im frühen 19. Jahrhundert, mit dem<br />

Aufkommen erster zoologischer Gärten. Zeitgleich entstanden erste<br />

Terrarien, die hauptsächlich auf einer Art Ofen basierten, der täglich<br />

eingeheizt werden mussten. Da bis Mitte des 20. Jahrhunderts Exoten teuer<br />

in der Anschaffung waren, wurden vor allem heimische Arten, primär<br />

Eidechsen, gerne gehalten.<br />

Einige Jahre später gelangen durch Massenimporte <strong>Tier</strong>e aus dem<br />

Mittelmeerraum<br />

nach Europa.<br />

Besonders<br />

Landschildkröten,<br />

Chamäleons und<br />

Eidechsen waren<br />

sehr gefragt. Nach<br />

einiger Zeit<br />

gelangten auch<br />

etliche Wildfänge,<br />

vor allem aus<br />

Südamerika, Afrika<br />

und Asien nach<br />

Europa.<br />

Abb. 15 - Chamäleons sind beliebte Terrarientiere<br />

Seite 25


Durch die Exporte aus den Ursprungsländern und den schlechten<br />

Überlebenschancen in ihrer „neuen Heimat“ sind viele <strong>Tier</strong>arten fast<br />

ausgestorben. Dank verspäteter Maßnahmen konnten sie jedoch durch<br />

technische Innovationen und erfolgreichen Nachzuchten vor dem Aussterben<br />

bewahrt werden.<br />

Zwar können diese <strong>Tier</strong>e ebenfalls schwer als domestizierte Gefährten<br />

eingestuft werden, dennoch ist die Tendenz an dem Interesse und der<br />

Haltung von der noch relativ neuen „Haustierhaltung“ steigend. Das<br />

zunehmende Interesse an der Haltung exotischer <strong>Tier</strong>en, wie Reptilien,<br />

Amphibien, Spinnen, Weichtieren und Insekten wird zukünftig wohlmöglich<br />

viele neue Wege für diese neuen tierischen Gesellen offen halten.<br />

1.5. <strong>Tier</strong>e versus Technik im Wandel der Zeit<br />

Erst mit dem Beginn der Aufklärung im 18. Jahrhundert und der damit<br />

verbundenen Abneigung gegenüber religiösen Vorstellungen, veränderte sich<br />

auch die Beziehung zwischen <strong>Mensch</strong> und <strong>Tier</strong>. Aufkommende<br />

Naturwissenschaften zeigten eine fördernde Wirkung. Neben verstärktem<br />

Interesse an <strong>Tier</strong>en, konnte auch ein neu aufkommender Respekt gegenüber<br />

den Fähigkeiten der einzelnen <strong>Tier</strong>arten festgestellt werden. Trotz dem, dass<br />

viele <strong>Tier</strong>arten, wie beispielsweise Pferde während der Industrialisierung<br />

zunehmend für Arbeitslosigkeit sorgten. Diese wurden vor allem gerne unter<br />

Tage als Zugtiere eingesetzt oder als Reitpferde zum Überbringen von<br />

Nachrichten oder Ähnlichem. Zahlreiche <strong>Tier</strong>e erwiesen sich dazumal als<br />

tolle Helfer in neuen Einsatzbereichen, wie etwa dem Bergbau.<br />

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts nahmen Bergleute ihre tierische<br />

Verstärkung vermehrt mit in die Stollen. Ihre Aufgabe hierbei war in erster<br />

Linie das Anzeigen und Verwarnen vor giftigen Gasen und Sauerstoffmangel.<br />

Am Anfang wurden überwiegen Finken, Mäuse und Tauben gerne zum<br />

Einsatz gebracht. Diese erfüllten ihre Aufgabe zwar zuverlässig, jedoch<br />

stellten die Bergleute bald fest, dass ein vollkommen anderes <strong>Tier</strong> diesen<br />

Auftrag unschlagbar am besten erfüllen konnte, nämlich der Kanarienvogel.<br />

Der kleine Singvogel erwies sich als äußerst sensibel gegenüber schlechten<br />

Luftverhältnissen. Sobald der Vogel zum Singen aufhörte, oder eventuell<br />

sogar von seiner Stange fiel, wussten die Bergleute, dass etwas nicht<br />

stimmen konnte. Somit verdankten unzählige <strong>Mensch</strong>en dem Kanarienvogel<br />

ihr Leben.<br />

1.5.1. Der Harzer Roller, ein gefiederter Freund und Helfer des <strong>Mensch</strong>en<br />

Obwohl Vögel vor allem laut Statistiken in der heutigen Türkei beliebt sind,<br />

setzten sich die gefiederten Freunde um das 18. Jahrhundert herum, in<br />

Europa und hier insbesonders in Österreich und Deutschland, bei den<br />

Bergleuten durch.<br />

Seite 26


Ursprünglich stammt der Kanarienvogel, der durch Entdeckungsfahrten<br />

nach Europa gelangte, aus Spanien. Der Harzer Roller ist eine<br />

herausgezüchtete Rasse des Kanarienvogels, der an erster Stelle durch<br />

seinen speziellen melodischen Gesang auf der ganzen Welt berühmt wurde.<br />

Seinen Namen hat er seinem „rollenden R“ zu verdanken. Das<br />

berühmtberüchtigte Lied welches ihn so beliebt macht, besteht in der Regel<br />

aus vier Strophen, welche auch als Touren bezeichnet werden und in die<br />

sogenannte Hohlrolle, Knorre, Pfeife und die Hohlklingel unterteilt werden.<br />

In der Stadt Imst in Tirol boomte um das 18. Jahrhundert herum die<br />

Kanarienvogelzucht. Besonders die der „Harzer Roller“. Durch eine<br />

Brandkatastrophe wurde aber die Stadt fast gänzlich zerstört. Die Folgen im<br />

Zentrum der Bergbauarbeiten waren Armut und Arbeitslosigkeit. Dadurch<br />

beschlossen viele Bergarbeiter die Stadt zu verlassen und Richtung<br />

Deutschland auszuwandern, wo es mehr als genug Arbeit für sie gab. Die<br />

meisten der Bergleute nahmen ihre gefiederten Freunde mit ins Harz, wo sie<br />

später ebenfalls sehr gefragt waren. Im Örtchen Sankt Andreasberg fanden<br />

die Einwohner und Bergarbeiter zunehmen Gefallen an den <strong>Tier</strong>en, sodass<br />

sie Anfang des 19. Jahrhunderts selbst mit den ersten Züchtungen<br />

begannen und den Vögeln in weiterer Folge das Singen beibrachten.<br />

In den Gruben dienten sie dort ebenfalls nach wie vor als lebendige<br />

Sauerstoffanzeiger. Stieg der Kohlenstoffmonoxidgehalt unter Tage,<br />

schnappten die <strong>Tier</strong>e zunächst geräuschvoll nach Luft und signalisierten<br />

dem <strong>Mensch</strong>en damit die sich heranbahnende Bedrohung. Nach drei<br />

Minuten verstarb der Vogel meist. Die gefiederten <strong>Tier</strong>chen entpuppten sich<br />

jedoch nicht nur als wertvolle Helfer in den Stollen. Schnell stellten die<br />

Bauarbeiter fest, dass die Singvögel so beliebt waren, dass man mit ihnen<br />

schnelles Geld verdienen konnte.<br />

Die Vögel sicherten so in zweierlei Hinsicht die Existenz der Bergleute. Die<br />

Zucht und der Verkauf, aber auch der Bau von Käfigen wurden ein wichtiges<br />

Nebeneinkommen der Harzer.<br />

Besonders in der zweiten Hälfte des<br />

19. Jahrhunderts tobte das Geschäft<br />

mit den Vögeln. Mehr als 350<br />

Familien in Sankt Andreasberg<br />

züchteten die kleinen gelben Sänger<br />

und tausende Kanarienvögel der<br />

Exemplare „Harzer Roller“, wurden<br />

bis nach Südafrika, Südamerika,<br />

Australien und vor allem in die USA<br />

exportiert.<br />

Da die Deutschen nicht wollten, dass<br />

andere Länder ebenfalls mit der<br />

Zucht begannen wurden hierbei<br />

jedoch nur die Kanarienhähne und<br />

nicht die Kanarienhennen verkauft.<br />

Abb. 16 - Der Harzer Roller wurde gerne beim<br />

Tagebau eingesetzt<br />

Seite 27


Da die Hennen aber nicht singen können, waren sie durchaus viel günstiger<br />

zu ersteigern. Trotz allem wurden jene Hennen die nicht mehr zur Zucht<br />

benötigt wurden, als Warneinrichtung in den Bergbauten genutzt.<br />

Der erste Weltkrieg bedeutete das Aus für das einst aufkommende Gewerbe.<br />

Somit wurden in Folge viele Verbände, vor allem in Deutschland gegründet.<br />

Zahlreiche Wettbewerbe entstanden und die Vögel wurden eine der ersten<br />

gerne gehaltenen gefiederten Haustiere. Zum Dank der <strong>Tier</strong>e, wurden sogar<br />

spezielle Museen errichtet, die heute noch besichtigt werden können.<br />

Da allerding die Zuchtbedingungen der Vögel oftmals geändert wurden sind<br />

die Bestände stark zurückgegangen. Einige neue Problematiken, wie etwa die<br />

kürzlich auftretende Vogelgrippe, führen zu schlechten Voraussichten<br />

primär für die besonderen Rassen wie den „Harzer Roller“.<br />

1.6. Das heilige <strong>Tier</strong><br />

Dass die <strong>Beziehungen</strong> zu <strong>Tier</strong>en bereits seit der Frühsteinzeit existieren,<br />

belegen zahlreiche Höhlenmalereien. Diese dokumentierten in erster Line die<br />

Bedeutung der Wildtiere für die <strong>Mensch</strong>en. Oftmals stellten sie eine<br />

potenzielle Bedrohung für die Zweibeiner dar, wurden häufig getötet,<br />

zeitgleich aber auch verehrt. Vermutlich vergötterten bereits<br />

Steinzeitmenschen <strong>Tier</strong>e, allerdings zeugen einige der Höhlenmalereien von<br />

differenzierten Erkenntnissen.<br />

In der südfranzösischen<br />

Chauvet-Höhle sind etwa<br />

Wollnashörner, Höhlenlöwen,<br />

Bisons, Steinböcke,<br />

Wildpferde und Panther zu<br />

sehen. Die Darstellung der<br />

Wildtiere zeugt von einem<br />

friedlichen Zusammenleben.<br />

Unter anderem wurden hier<br />

auch balzende Nashörner und<br />

liebeswerbende Löwenpaare<br />

verewigt. Diese emotionalen<br />

und kunstvollen<br />

Darstellungen führten zu<br />

veränderten Ansichten der<br />

Experten, da vermutet wurde,<br />

dass unsere Vorfahren vor<br />

über 30000 Jahren Wildtiere<br />

Abb. 17 - Viele Höhlenmalereien zeigten nicht nur<br />

Jagdszenen<br />

wohl kaum auf den Höhlenwänden so verewigt haben, um sie als Jagdbeute<br />

besser erkennen zu können. Vermutlich entstanden die Bilder während<br />

geistlicher Zeremonien oder bei Initiationsritualen.<br />

Seite 28


Ungefähr zeitgleich entstanden auch in Südafrika erste Höhlenmalereien, die<br />

beispielsweise die dortigen Ureinwohner, die sogenannten San darstellen.<br />

Vermutlich hüllten sich Schamanen bei religiösen Verehrungen in das Fell<br />

einer Antilope, um Regen zu machen, Wildherden oder gar Feinde<br />

aufzuspüren. Dabei dienten die Höhlenbemalungen den Priestern und<br />

Schamanen unterstützend, um mit Zaubersprüchen die Einheit von <strong>Mensch</strong><br />

und <strong>Tier</strong> zu beschwören.<br />

1.6.1. <strong>Tier</strong>e als Gottheiten<br />

Vor tausenden von Jahren spielten <strong>Tier</strong>e bei religiösen Ritualen eine wichtige<br />

Rolle. Die gängigste Form der damaligen „Gottesdienste“ basierte auf der<br />

<strong>Tier</strong>opferung. So vergoldeten Germanen beispielsweise die Hörner ihrer<br />

„Opferböcke“ und schmückten ihre Opfertiere mit Kränzen, bevor sie diese<br />

endgültig auf dem sogenannten Opferstein ihren Göttern boten. Meist<br />

wurden für diese Zwecke Pferde, Rinder, Ziegen, Gänse, Böcke, Hähne oder<br />

Eichhörnchen benutzt. Mit ihrem Blut welches aufgefangen wurde, wurden<br />

die Dorfbewohner bespritzt und heilige Orte bestrichen. Die folgenden<br />

gemeinsamen Opfermahlzeiten waren für die Urvölker der Höhepunkt bei<br />

den riesigen veranstalteten Jahresfesten.<br />

In Südostasien und Afrika sahen die Naturvölker <strong>Tier</strong>e vergleichsweise als<br />

Vorfahren des <strong>Mensch</strong>en an und verehrten ihre besonderen Kräfte. Die<br />

<strong>Tier</strong>symbolik war dabei von Kultur zu Kultur unterschiedlich. Um ein<br />

Beispiel zu nenne, galt die<br />

Spinnenfrauen der Mythologie der<br />

Hoi-Indianer als Schöpferin der<br />

Welt, während vergleichsweise dazu<br />

im Inkareich und im gesamten<br />

eurasischen Raum bis nach<br />

Südasien Schlangen ein wichtiges<br />

heiliges <strong>Tier</strong> darstellten. Weiters<br />

war es ein Hund, der in<br />

Mesopotamien die Heilgöttin Gula<br />

und in Griechenland den Heilgott<br />

Asklepios begleitete. Zeitgleich<br />

verkörperte der Höllenhund<br />

Kerberos auch das Finstere und<br />

das Jenseits.<br />

Im Hinduismus wurden Affen als<br />

Helfer der Götter bezeichnet. Die<br />

<strong>Tier</strong>e sind heute noch in Indien<br />

sehr beliebt und haben freien<br />

Zugang in allen Dörfern und<br />

Städten.<br />

Abb. 18 - Nicht nur im Hinduismus gilt die Kuh<br />

als heilig<br />

Seite 29


Der Elefant und die Kuh, gelten heute noch als besonders heilig und<br />

verkörpern in unterschiedlichen Ländern eine Vielzahl an Gottheiten. Laut<br />

Legenden hatten die ersten Elefanten Flügel und verpaarten sich mit<br />

Wolken, weshalb sie als Zeichen der himmlischen Herkunft Regen von den<br />

Wolken erbitten können. Vermutlich meint man damit, dass sie „ihren<br />

Regen“ quasi durch den Rüssel selbst produzieren können. Der indische<br />

Elefantengott Ganesha wird beispielsweise seit tausenden von Jahren bis<br />

heute gerne als friedfertiger, in sich ruhender, Wohlstand versprechender<br />

und wohlgenährter Heiliger verehrt.<br />

Auch im Alten Ägypten wurde die Kuh als heilig angesehen. Legenden<br />

zufolge war der Himmel eine riesige nahrungsspendende Kuh die mit ihren<br />

vier Füßen auf der Erde stand. Im Hinduismus wurde die Kuh so stark<br />

verehrt und beschützt, dass Feinde oftmals riesige Kuhherden bei Angriffen<br />

vorantrieben, damit die Hindus sich nicht wehren konnten. Bis heute ist die<br />

Kuh in Indien ein verehrtes <strong>Tier</strong>.<br />

1.6.2. Traditionelle <strong>Tier</strong>verehrungen der Kuh<br />

Zu den ältesten <strong>Tier</strong>kulten gehört Die Verehrung der Kuh. Um rund 1.500<br />

Jahre vor Christus, als sich Arier auf dem indischen Subkontinent<br />

ansiedelten, waren Kühe die einzigen gehaltenen Nutztiere. Damals spielten<br />

sie eine überlebenswichtige Rolle für diese Kulturen. Deshalb wurden und<br />

werden sie nach wie vor verehrt. Im Gegensatz zu anderen <strong>Tier</strong>arten gilt ihr<br />

Verzehr als Nahrungstabu.<br />

Zwar wird im Hinduismus vegetarische Kost bevorzugt, jedoch ist der<br />

Verzehr von Fleisch nicht verboten. Folglich durften damals, wie heute <strong>Tier</strong>e<br />

deshalb auch durchaus geopfert werden. In Indien und Nepal sind grausame<br />

Schlachtrituale bis in der heutigen Zeit Gang und Gebe. Das weltweit größte<br />

Massenschlachtfest findet alle fünf Jahre in Nepal statt, bei denen unzählige<br />

<strong>Tier</strong>e zu Ehren der Göttin Gadhimai zum Opfer fallen.<br />

Trotz allem hat sich die „heilige Kuh“ bis heute erhalten. Kühe sind in vielen<br />

Dörfern unentbehrlich. Hauptsächlich wegen der Milch, die aufgrund der<br />

häufigen Laktoseunverträglichkeit in früheren Jahren grundsätzlich<br />

weiterverarbeitet wurde, aber auch wegen des Kuhdunges, der als Grundlage<br />

des Hausbaues, zum Kochen als eine Art Grillanzünder und auch als<br />

Desinfektionsmittel gebraucht wird.<br />

1.6.3. <strong>Tier</strong>kult im alten Ägypten<br />

Ab 4.000 vor Christus wurden in Ägypten zahlreiche Götter in <strong>Tier</strong>gestalten<br />

dargestellt. Hierbei galt vor allem die Kuh als Sinnbild für die himmlische<br />

oder königliche Nährmutter. Laut altägyptischer Mythologie war die Kuh die<br />

Mutter des Königs. Im Himmel half die Wildkuh den Verstorbenen beim<br />

Aufstieg.<br />

Seite 30


Andere Götter, wie etwa der Himmelsgott Horus erschien als Falke oder als<br />

<strong>Mensch</strong> mit Falkenkopf, die Universalgöttinnen Hathor und Isis wurden von<br />

den Ägyptern als <strong>Mensch</strong>en mit Kuhohren beziehungsweise Kuhhörnern<br />

illustriert. Sobek erschien in Krokodilsgestalt und Anubis, der Totengott war<br />

der Inhaber eines Hundekopfes. Der Erdgott Geb hatte häufig eine Gans bei<br />

sich, oder erschien selbst in der Form einer Gans. Anhand von alten<br />

ägyptischen Schriften wurde übermittelt, dass er derjenige war, der das Ei<br />

legt aus dem die Sonne schlüpfte. Somit war die Gans der Bote zwischen<br />

Himmel und Erde.<br />

Bastet, die Tochter des Sonnengottes Re, war das Symbol der Fruchtbarkeit,<br />

die Beschützerin der Schwangeren und die Göttin der Freude. In der<br />

Frühzeit wurde sie häufig als Löwin und später oftmals als sitzende Katze<br />

oder als Frauenfigur mit Katzenkopf verewigt. Katzen waren dermaßen<br />

heilig, dass derjenige der in Ägypten eine Katze tötete, selbst zum Tode<br />

verurteilt wurde. Wenn eine Katze starb war es üblich, dass sich ihre<br />

Besitzer die Augenbrauen abrasierten.<br />

Die Ägypter schätzten ins besondere die übersinnlichen Eigenschaften der<br />

<strong>Tier</strong>e in denen sie <strong>Mensch</strong>en überboten, wie etwa ihre Stärke, Schnelligkeit<br />

oder Weitsichtigkeit. Zusätzlich hatten <strong>Tier</strong>e ihrer Ansicht nach viel Wissen<br />

und einen Geist, wodurch die berühmten göttlichen Darstellungen der<br />

Mischformen aus <strong>Mensch</strong> und <strong>Tier</strong> entstanden,<br />

Da im alten Ägypten Stiere, Widder, Katzen, Paviane, Ibisse, Habichte,<br />

Falken, Krokodile und Schakale verehrt wurden, gab es um 450 vor Christus<br />

kein Wild- oder Haustier mehr, welches nicht vergöttert wurde. Die <strong>Tier</strong>kulte<br />

waren allerdings lokal sehr different daher hatten die <strong>Tier</strong>e überall<br />

unterschiedliche symbolische Bedeutungen. Die Götter hatten sozusagen<br />

auch alle „mehrere Gesichter“.<br />

1.6.4. Die Götter bei Laune halten<br />

Den alten Römern war die ägyptische <strong>Tier</strong>verehrung suspekt, daher<br />

spotteten sie gerne über die Ägypter. Die Einstellung der Römer gegenüber<br />

<strong>Tier</strong>en war deutlich neutraler. Arbeitstiere hatten ihren Nutzen in der<br />

Landwirtschaft, bei der Jagd und bei Kriegseinsätzen und in der Arena<br />

erfreuten sich die Römer am Kampf der wilden <strong>Tier</strong>e mit Gladiatoren.<br />

Zusätzlich lieferten sie Wolle, Pelze, Häute, Milch, Eier, Käse, Honig und<br />

Fleisch, wobei ein Großteil des Fleisches von Opfertieren stammt, denn trotz<br />

der Verspottung der Ägypter waren <strong>Tier</strong>opfer Hauptbestandteile geistlicher<br />

Zeremonien im alten Rom. Um ihre Götter bei Laune zu halten, mussten die<br />

sakralen Verfahren nach strengen Abläufen erfolgen. Die rituelle<br />

Schlachtung fand dabei auf dem heiligen Altar statt.<br />

Seite 31


1.6.5. <strong>Tier</strong>opfer zur Vergebung der Sünden<br />

Gemäß dem Alten Testament forderte Gott <strong>Tier</strong>opfer von <strong>Mensch</strong>en zum<br />

Preis für die Vergebung ihrer Sünden. Damit sie erlöst werden konnten,<br />

mussten sie sich mit dem <strong>Tier</strong> identifizieren und es selbst erlegen. Im<br />

Vergleich dazu sind im Neuen Testament <strong>Tier</strong>opfer verboten, da sich der<br />

Sohn Gottes exemplarisch für die <strong>Mensch</strong>heit opferte, wodurch die Metapher<br />

„Lamm Gottes“ entstand.<br />

Im Judentum war das Sündenbock-Ritual verbreitet, bei dem einer von zwei<br />

Böcken geopfert wurde, indem alle Sünden quasi auf ihn übertragen wurden<br />

und man das <strong>Tier</strong> danach in die Wüste schickte.<br />

Seite 32


Gedanken zum Abschluss<br />

Konträr zur Vergangenheit, können gegenwärtig zahlreiche Unterschiede in<br />

der <strong>Mensch</strong>-<strong>Tier</strong>-Beziehung beobachtet werden. Während sie ehemalig<br />

primär ihre Funktion gänzlich als Nutztiere im Rahmen der<br />

Nahrungsversorgung und später auch als Arbeitsmittel verrichteten, sind<br />

unsere tierischen Mitbürger zu wahren Lieblingen geworden.<br />

Während <strong>Tier</strong>e sich heute als unersetzbare Hilfen in diversen „<strong>Tier</strong>jobs“, wie<br />

etwa dem tiergestützten Setting, als Arbeitshunde bei der Polizei, Rettung<br />

und vielen weiteren Organisationen, aber auch als wichtige Faktoren der<br />

modernen Forschung und Delikatessenbeschaffung entpuppt haben, dienen<br />

viele von ihnen nach wie vor als Arbeitstiere, Nutztiere, Statussymbole und<br />

Individuen zum Ausleben religiöser Wahne.<br />

In manchen Gebieten werden sie leider immer noch als Feinde angesehen. In<br />

anderen hingegen, wird <strong>Tier</strong>schutz groß geschrieben. In zahlreichen Ländern<br />

sind tierschutzkonforme Züchtungen und Gesetze enorm angestiegen. In<br />

vielen werden sie nach wie vor, des Konsumenten Willens, verachtet. Wenn<br />

ein geliebtes Haustier verstirbt, gibt es im Vergleich zu früher mittlerweile<br />

viele neue Methoden um sich stattlich von diesem zu verabschieden.<br />

<strong>Mensch</strong>-<strong>Tier</strong>-<strong>Beziehungen</strong> sind sehr unterschiedlich, in manchen Fällen ist<br />

die deutliche Liebe jedoch grenzenlos. Egal ob sie ihr Dasein nun als<br />

Freunde, Feinde, Forschungsobjekte, Industrieprodukte, Lebensbegleiter,<br />

Helfer, Therapeuten oder Familienmitglieder erfüllen. Eins ist sicher, wir<br />

brauchen sie alle!<br />

Abb. 19 - <strong>Tier</strong>e und <strong>Mensch</strong>en brauchen einander<br />

Seite 33


Seite 34<br />

Quellenverzeichnis<br />

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http://www.aquarium-channel.com/aquarien/geschichte-aquarium/<br />

http://www.aquarianer.at/geschichte.php<br />

http://www.zeit.de/2016/40/aquarium-hobby-forschung-oekologietierschutz/seite-2<br />

https://de.wikipedia.org/wiki/Heilige_Kuh<br />

https://mein.sanofi.de/Themen/mensch-und-gesundheit/mensch-undtier/hunde-im-arbeitseinsatz<br />

https://terrainsel.jimdo.com/berichte/die-geschichte-der-terraristik/<br />

https://terrarium-discounter.de/blog/ratgeber/die-geschichte-der-terraristikdas-terrarium-zu-hause/


Dokumente<br />

https://books.google.at/books?hl=de&lr=&id=ailG4NlhYjgC&oi=fnd&pg=PP1&d<br />

q=mensch+tier+beziehung&ots=VxuO5auUHo&sig=4e4h1ul0coIb0YJINWdHEXt<br />

woXQ#v=onepage&q=mensch%20tier%20beziehung&f=false<br />

http://www.discoverdogs.de/downloads/Max-Planck-Studie.pdf<br />

https://www.unikassel.de/fb11agrar/fileadmin/datas/fb11/Dekanat/HonProf_Rahmann/Schaf<br />

e-Ziegen-Skript.pdf<br />

Videos<br />

https://www.youtube.com/watch?v=gWogACqKg1E<br />

https://www.youtube.com/watch?v=gj5Uj7tWqmQ<br />

https://www.youtube.com/watch?v=VYXzEqdKBBw<br />

https://www.youtube.com/watch?v=6_tEtJK3iFc<br />

Bilder<br />

https://pixabay.com/de/wolf-raubtier-canidae-canis-lupus-62898/<br />

https://pixabay.com/de/%C3%A4gyptische-%C3%A4gyptologie-katze-vogel-<br />

1173692/<br />

https://pixabay.com/de/fische-bunte-sch%C3%B6ne-koi-see-teich-1711002/<br />

https://pixabay.com/de/guinea-schwein-tier-klein-fuzz-1692144/<br />

https://pixabay.com/de/lion-wild-afrika-afrikanische-1118467/<br />

https://pixabay.com/de/hund-shih-tzu-wei%C3%9F-grau-niedlich-1193114/<br />

https://pixabay.com/de/hund-dogue-de-bordeaux-mastiff-734689/<br />

https://pixabay.com/de/katze-schwarze-katze-macht-mieze-233367/<br />

https://pixabay.com/de/schafe-ziegen-herde-vierbeiner-1563110/<br />

https://pixabay.com/de/schwein-hausschwein-s%C3%A4ugen-ferkel-536539/<br />

https://pixabay.com/de/k%C3%BChe-kuh-%C3%B6sterreich-weide-himmel-<br />

203460/<br />

https://pixabay.com/de/przewalski-wildpferd-pferd-1482501/<br />

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Datei:Harzer_Roller.png<br />

https://pixabay.com/de/wildgans-gans-graugans-federvieh-2485396/<br />

https://pixabay.com/de/aquarium-fisch-wasser-blasen-tier-2573585/<br />

https://pixabay.com/de/chameleon-jemen-terrarium-cham%C3%A4leon-<br />

2606254/<br />

https://pixabay.com/de/m%C3%A4dchen-hund-sch%C3%B6nheit-jung-tier-<br />

1561943/<br />

https://pixabay.com/de/sahara-tassili-h%C3%B6hlenmalereien-649445/<br />

https://pixabay.com/de/kuh-heilig-indien-hinduismus-2610663/<br />

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Abbildungsverzeichnis<br />

Abb. 1 - Das bekannteste Beispiel: Die Domestikation des Wolfes zum Hund .. 4<br />

Abb. 2 - Die Katze war das erste domestizierte <strong>Tier</strong> im Alten Ägypten ............... 5<br />

Abb. 3 - Der Koi ist heute immer noch ein sehr beliebtes <strong>Tier</strong> in China ............ 7<br />

Abb. 4 - Meerschweinchen gelten bis heute als Nationalgericht in einigen Teilen<br />

………….Südamerikas ..................................................................................... 8<br />

Abb. 5 - Für besondere Unterhaltung sorgten meist große Raubkatzen ............ 9<br />

Abb. 6 - Der Shih Tzu war ein beliebter Begleiter in Tibet ................................12<br />

Abb. 7 - Hunde sind sehr gelehrige Gesellen ...................................................14<br />

Abb. 8 - Katzen - Heilige oder die Strafe Gottes? .............................................16<br />

Abb. 9 - Schafe und Ziegen sind „Allesfresser“ ................................................17<br />

Abb. 10 - Das Hausschwein, dankbare Resteverwerter und Glücksymbol ........19<br />

Abb. 11- Die Milchleistung der Rinder ist in den letzten Jahren enorm<br />

…………..angestiegen .....................................................................................20<br />

Abb. 12 - Das Przewalski Pferd ist das heute einzige noch lebende Wildpferd ...21<br />

Abb. 13 - Die Vorfahren unserer Graugänse waren das erste domestizierte<br />

…………...Geflügel im Alten Ägypten ...............................................................23<br />

Abb. 14 - Aquarien, ein Stückchen Meer für zuhause......................................24<br />

Abb. 15 - Chamäleons sind beliebte Terrarientiere ..........................................25<br />

Abb. 16 - Der Harzer Roller wurde gerne beim Tagebau eingesetzt ...................27<br />

Abb. 17 - Viele Höhlenmalereien zeigten nicht nur Jagdszenen .......................28<br />

Abb. 18 - Nicht nur im Hinduismus gilt die Kuh als heilig ...............................29<br />

Abb. 19 - <strong>Tier</strong>e und <strong>Mensch</strong>en brauchen einander ..........................................33<br />

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