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SK12-D-Messwein

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Bruder Eduard ist<br />

ein Benediktiner<br />

in Jeans und mit<br />

der Leidenschaft<br />

fürs Keltern von<br />

guten Weinen.<br />

Weltliche Trinkfreuden<br />

gibts im<br />

Einsiedler Klosterladen<br />

ebenso<br />

wie die üblichen<br />

Devotionalien.<br />

Wegen der Blutsymbolik<br />

durfte<br />

in Gotteshäusern<br />

bis im Jahr 1478<br />

nur Rotwein<br />

gereicht werden.<br />

Auch in einer<br />

Klosterkellerei<br />

wird mit den üblichen<br />

irdischen<br />

Mostflaschen<br />

gearbeitet.


<strong>Messwein</strong><br />

Göttlicher Tropfen<br />

<strong>Messwein</strong> symbolisiert das Blut von Jesus Christus.<br />

Deshalb lassen die Kellermeister in den Klöstern beim Keltern<br />

grösste Sorgfalt walten – in Einsiedeln Bruder Eduard.<br />

Text: Christiane Binder | Fotos: Victoria Loesch<br />

Missa hat Bruder Eduard<br />

seinen <strong>Messwein</strong><br />

getauft. Das klingt<br />

feierlich, aber auch<br />

beschwingt, passend<br />

zur barocken Sinnenfreude der Klosterkirche<br />

Einsiedeln. Eduard Fuchs,<br />

57-jährig, ein Benediktiner in Jeans,<br />

ist der Kellermeister der Abtei, ein<br />

Weinbauabsolvent der Fachhochschule<br />

Wädenswil ZH. 90 000 Liter<br />

Wein verlassen jährlich den hochmodern<br />

aufgerüsteten Gewölbekeller,<br />

darunter nur 1500 Flaschen<br />

Missa.<br />

Zu hohen Feiertagen wie Weihnachten<br />

ist der schwere Missa dulcis gefragt,<br />

vinifiziert aus Rivaner- und<br />

Rheinrieslingtrauben, Bruder Eduard<br />

beschreibt ihn als «delikaten Dessertwein».<br />

Alltags sprechen die Mönche<br />

einem spritzigen Weissen aus Riesling-Sylvaner-Trauben<br />

zu, die Fülle<br />

verleiht ihm die Solaris. Die 65 Padres<br />

nehmen schon in der Frühmesse ein<br />

Schlückchen.<br />

<strong>Messwein</strong> ist für Christen ein besonderer<br />

Rebensaft: das Blut Christi, in<br />

das der Priester im Gottesdienst den<br />

Wein transformiert. Die Katholiken<br />

nennen es Wandlung, die Reformierten<br />

sagen Transsubstantion dazu –<br />

ein Gedenken an Jesu letztes Abendmahl,<br />

bei dem er den Jüngern den<br />

Kelch reichte: «Trinkt alle daraus, das<br />

ist mein Blut».<br />

Wegen der Blutsymbolik gebrauchten<br />

die Priester Rotwein für den spirituellen<br />

Akt. Seit 1478, als Papst Sixtus<br />

IV. Weissen zuliess, bürgerte sich dieser<br />

ein, auch aus praktischen Gründen,<br />

«der macht keine Flecken auf die<br />

Altartüchli», sagt Bruder Eduard. Der<br />

Christengott verdonnert seine Schafe<br />

nicht zur Abstinenz. Im Weinberg des<br />

Herrn darf gesüffelt werden, und<br />

wenn Papst Benedikt XVI. minimale<br />

Mengen nippt, dann allein wegen seiner<br />

Weinallergie. Rund 500 Bibelstellen<br />

handeln vom Rebensaft. «Trink<br />

vergnügt deinen Wein, denn was du<br />

tust, hat Gott längst so festgelegt, wie<br />

es ihm gefiel», rät das Alte Testament<br />

zum irdischen Genuss, dem in moderater<br />

Form auch die Einsiedler Benediktiner<br />

frönen dürfen. Ordensgründer<br />

Benedikt von Nursia (um 480 bis<br />

547) gab den Segen für eine «Hemina»<br />

Wein, also einen Viertelliter.<br />

«Trinkt alle daraus;<br />

das ist mein Blut.»<br />

Matthäus-Evangelium, Vers 28<br />

Dass seine Mönche anno 2011 in Einsiedeln<br />

500 Flaschen ihres Missa im<br />

Klosterladen an Touristen veräussern<br />

würden, hätte dem Gründer aber<br />

missfallen. Die kommerzielle Verwertung<br />

von <strong>Messwein</strong> galt Jahrhunderte<br />

lang als unfromm.<br />

Der Trunk war der Geistlichkeit vorbehalten,<br />

über die Qualität im Kelch<br />

wachte die Kirche: Seit dem 16. Jahrhundert<br />

ist <strong>Messwein</strong> das wohl am<br />

besten kontrollierte Lebensmittel der<br />

Welt. Das kanonische Recht Codex<br />

iuris Canonici verlangte, dass er aus<br />

Trauben gemacht, vor allem aber naturrein<br />

sein musste, und nahm, als<br />

Schutz vor Panschern, die ihren Fusel<br />

auch mal mit teuflischen Bleiverbindungen<br />

süssten, moderne Reinheitsgebote<br />

vorweg. Winzer und Händler,<br />

die <strong>Messwein</strong> lieferten, standen für<br />

die Qualität ihrer Ware mit dem Seelenheil<br />

ein.<br />

Heute entspricht <strong>Messwein</strong> von der<br />

Güte her jedem Wein mit DOC- oder<br />

AOC-Prädikat. Die Gemeindepriester<br />

landauf, landab beziehen ihn jedoch<br />

direkt bei einem Kloster oder im<br />

Kirchenspezialversand, der für lizenzierte<br />

Lieferanten bürgt, die sich den<br />

Richtlinien der Weinverordnung der<br />

deutschen Bischofskonferenz von<br />

1976 beugen. Im Gegensatz zu früher<br />

müssen sie nicht katholisch sein und<br />

dürfen auch an weltliche Kenner verkaufen,<br />

denen das exklusive Nischenprodukt<br />

<strong>Messwein</strong> in der Sammlung<br />

fehlt.<br />

Auch die Kirchen gehen mit der Zeit.<br />

Vor allem Protestanten erlauben im<br />

Gottesdienst, mit Rücksicht auf alkoholismusgefährdete<br />

Pastoren, Traubensaft<br />

– früher wäre in diesem Fall<br />

die Messe ungültig gewesen.<br />

Geblieben ist der Ehrgeiz der Klosterkellermeister,<br />

<strong>Messwein</strong> vom feinsten<br />

zu keltern. Den Einsiedler Rebberg<br />

Leutschen am Zürichsee beackern die<br />

Mönche seit 1563. Auf den mittelschweren<br />

Böden, sonnenverwöhnt,<br />

erfrischt von den Nebeln des Sees,<br />

findet Bruder Eduards Missa ideale<br />

Bedingungen. Frisch und fruchtig,<br />

schmeckt er, einfach himmlisch.<br />

12 | 2011<br />

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