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Zum Schluss wird die<br />
reichhaltige Suppe mit<br />
Parmesan überbacken.<br />
Das verleiht ihr den letzten<br />
Schliff.
Classici svizzeri<br />
<strong>Busecca</strong><br />
Aus Nonnas Topf<br />
Während manch ein Nordschweizer schon beim Gedanken an Kutteln die<br />
Nase rümpft, schätzt man südlich der Alpen Gerichte mit Innereien<br />
nach wie vor. Die Kuttelsuppe <strong>Busecca</strong> ist ein typisches Tessiner Gericht.<br />
Anna Maria Biffi weiss, wie der währschafte Eintopf fast allen schmeckt.<br />
Text: Claudia Langenegger | Fotos: Victoria Loesch<br />
Braunes Haar, roter Schurz und ein breites Lachen<br />
– Anna Maria Biffi ist das Herz von «Ul Furmighin»,<br />
der Osteria mitten im Dörfchen Sagno im<br />
Valle Muggio hoch über Mendrisio. Seit 15 Jahren<br />
ist die Tessinerin hier Patronne. Ihre Spezialität: traditionelle,<br />
regionale Küche. «Ich liebe es, unsere ursprünglichen<br />
Gerichte zu kochen, zum Beispiel eine <strong>Busecca</strong>»,<br />
erzählt die 55-Jährige. «Früher haben die Menschen nichts<br />
vom Tier weggeworfen. Jedes Stück war kostbar», sagt sie.<br />
So auch die Kutteln, der Magen. In der italienischen Schweiz<br />
schätzt man diese noch heute als Spezialität. Die Kuttelsuppe<br />
<strong>Busecca</strong> ist eines der bekanntesten typischen<br />
Gerichte des Kantons.<br />
Sie galt früher als Festtagsschmaus. «Man traf sich Weihnachten<br />
nach der Messe in der Bar oder Osteria und ass<br />
zusammen Kuttelsuppe», erzählt Anna Maria Biffi. «Oft<br />
wurde sie auch an Viehmärkten oder an ländlichen Festen<br />
aufgetischt. Denn sie ist einfach zu kochen und lässt sich<br />
gut in grossen Mengen zubereiten.» Der Name <strong>Busecca</strong>,<br />
im Dialekt Büséca ausgesprochen, geht auf das alte norditalienische<br />
Büse zurück, was Bauch heisst. Mit Büsecch<br />
und <strong>Busecca</strong> bezeichnete man früher die Innereien und<br />
Gerichte mit Innereien. Heute wird der Begriff nur noch<br />
für die Kuttelsuppe verwendet.<br />
Immer reichlich zubereiten<br />
Anna Maria Biffi kocht ihre <strong>Busecca</strong> immer für mindestens<br />
zehn Personen. Dafür braucht sie den Blättermagen des<br />
Kalbs, den sie vorgegart beim Metzger kauft. Weitere<br />
wichtige Zutaten sind Speck, Zwiebeln, Karotten, Sellerie<br />
und Cannellinibohnen. Dazu Gewürze, die sie frisch aus<br />
den Töpfen im Garten pflückt. Biffi brät die Zwiebeln im<br />
Olivenöl goldgelb an, gibt Sellerie, Karotten sowie Speck<br />
Die Tessiner Köchin Anna Maria Biffi in ihrer traditionellen<br />
Osteria Ul Furmighin. Die Ameisen, die dem Lokal den Namen<br />
gab, räkelt sich als Eisenfigur im Hintergrund im Cheminée.<br />
9 | 2011 29
Classici svizzeri<br />
[1]<br />
[2] [3] [4]<br />
[1] Die wichtigsten Zutaten für die Suppe auf einen Blick. [2] Die gekochten Kutteln schneidet Anna Maria Biffi in mundgerechte Stücke.<br />
[3] Die vorgegarten Zutaten werden mit Bouillon bedeckt und weitergeköchelt. [4] Die Bohnen kochen während der letzten Stunde mit.<br />
hinzu, rührt um und bestreut die Kutteln mit Salz und Pfeffer.<br />
«Ich salze die Kutteln erst kurz bevor ich sie in die<br />
Pfanne gebe, sonst verlieren sie zu viel Wasser», erklärt<br />
die Köchin. Nach ein paar Minuten löscht sie alles mit<br />
Weisswein ab, lässt es ein paar Minuten ziehen, gibt die<br />
Tomaten dazu und rührt. Dann giesst sie so viel Bouillon<br />
dazu, dass Gemüse und Fleisch knapp mit Flüssigkeit bedeckt<br />
sind.<br />
Zum Tünkle gibts geröstetes Knoblauchbrot<br />
«In einer Stunde gebe ich die Bohnen hinein. Danach lasse<br />
ich alles eine weitere Stunde kochen», kommentiert Anna<br />
Maria Biffi ihr Tun. Vor dem Servieren überbäckt sie die<br />
<strong>Busecca</strong> im Ofen mit Käse. Das Gericht serviert sie mit<br />
getoasteten Weissbrotscheiben, auf die sie frischen Knoblauch<br />
gerieben hat. «Das Brot tunkt man in die Flüssigkeit»,<br />
erklärt sie. So kann man die kräftige Suppe bis zum<br />
letzten Tropfen geniessen.<br />
Wie viele typische Tessiner Gerichte ist auch die <strong>Busecca</strong><br />
von der lombardischen Küche geprägt. Die Büsecca kannte<br />
man, ganz ähnlich zubereitet, in Mailand schon vor fünfhundert<br />
Jahren. Damals allerdings mit Kichererbsen, die<br />
aus Mexiko stammenden Bohnen wurden erst im<br />
17. Jahrhundert gang und gäbe.<br />
Es erstaunt nicht, dass das norditalienische Essen auch im<br />
Tessin heimisch wurde. Kultur und Geografie des Kantons<br />
waren stets mit dem Nachbarland verbunden: Landschaftlich,<br />
sprachlich und kulinarisch geht das Sottoceneri ohne<br />
Grenze in die lombardische Ebene über. Das reiche Italien<br />
war für die Ticinesi sogar überlebenswichtig. Bis weit ins<br />
20. Jahrhundert trieben Hunger und Armut sie ins Ausland.<br />
Die Rückkehrer brachten Geld, aber auch Kenntnisse<br />
und Ideen aus der norditalienischen Esskultur in die<br />
Heimat. In den Tessiner Städten fand zudem ein reger Austausch<br />
statt, die wichtigen Handelsorte lagen an den<br />
30<br />
9 | 2011
<strong>Busecca</strong> Rezept von Anna Maria Biffi<br />
Hauptgericht für 6 Personen<br />
250 g Cannellinibohnen, aus dem<br />
Delikatessgeschäft<br />
2 Zwiebeln<br />
140 g Stangensellerie<br />
2 Karotten<br />
1 Knoblauchzehe<br />
5 Tomaten<br />
1 Bund gemischte Kräuter, z. B. Petersilie,<br />
Thymian und Majoran<br />
100 g Pancetta oder Speck am Stück<br />
3 EL Olivenöl<br />
1 kg gekochte, geschnittene Kalbskutteln, aus dem<br />
Delikatessgeschäft<br />
Salz, Pfeffer<br />
2 dl Weisswein<br />
5 dl Rindsbouillon<br />
50 g Butter<br />
100 g geriebener Parmesan<br />
1. Am Vortag: Bohnen über Nacht in reichlich Wasser<br />
einweichen.<br />
2. Am Zubereitungstag: Zwiebeln hacken. Sellerie und<br />
Karotten in Würfelchen schneiden. Knoblauchzehe<br />
ungeschält von Hand zerdrücken. Tomaten kreuzweise<br />
einschneiden. In kochendem Wasser ca. 30 Sekunden<br />
blanchieren, anschliessend in Eiswasser abschrecken.<br />
Tomaten häuten, halbieren, entkernen und in Würfelchen<br />
schneiden. Kräuter fein hacken, wenig für die Garnitur<br />
beiseitestellen. Pancetta in Würfelchen schneiden.<br />
Es ist vollbracht. Anna Maria Biffi begutachtet die fertige Spezialität.<br />
Jetzt kommt sie in die Teller und wird mit etwas Parmesan gratiniert.<br />
Säumer wegen über die Alpen. So ist das älteste Tessiner<br />
Rezeptbuch, das 1846 in Lugano erschien, eine Sammlung<br />
lombardischer und piemontesischer Rezepte mit regionalem<br />
Einschlag. Damals kam Fleisch nur an den Feiertagen<br />
auf den Tisch. Hauptnahrungsmittel waren Mais, Kartoffeln<br />
und Kastanien.<br />
Der Südkanton profitierte vom wirtschaftlichen Aufschwung<br />
in den 1950er-Jahren. Trotzdem blieben die Tessiner<br />
ihrer regionalen einfachen Küche treu. 1958 erschien<br />
in Locarno eine Sammlung traditioneller Rezepte: «Ricette<br />
della nonna», in dem die Kuttelsuppe zu finden ist. Auch<br />
Biffi sammelt alte Rezepte. Viele, auch das der <strong>Busecca</strong>,<br />
stammen von ihrer verstorbenen Schwiegermutter Severina.<br />
In einem dicken Buch, dicht mit Notizen beschrieben,<br />
vollgeklebt mit handgeschriebenen Zetteln, bewahrt<br />
sie sie auf. «Das ist meine Bibel», sagt Anna Maria Biffi.<br />
«Alles könnte man mir stehlen, nur das nicht!»<br />
3. Öl in einer grossen Pfanne erhitzen, Zwiebeln darin<br />
ca. 5 Minuten goldbraun braten. Sellerie, Karotten und<br />
Knoblauch dazugeben und ca. 2 Minuten mitdünsten.<br />
Kutteln mit Salz und Pfeffer würzen. Mit dem Speck<br />
zum Gemüse geben. Alles weitere 5 Minuten dünsten.<br />
Mit Wein ablöschen und gut umrühren. Pfanne zudecken,<br />
Fleisch und Gemüse ca. 5 Minuten ziehen lassen.<br />
Tomaten und Kräuter dazugeben, mit Salz und Pfeffer<br />
würzen. Alles knapp mit Bouillon bedecken. Knoblauchhaut<br />
herausheben. Suppe zugedeckt bei kleiner Hitze<br />
1 Stunde köcheln lassen. Bei Bedarf wenig Bouillon nachgiessen.<br />
Bohnen abgiessen und in die Pfanne geben.<br />
Zudecken und 1 weitere Stunde köcheln lassen.<br />
4. Backofen auf 200 °C vorheizen. <strong>Busecca</strong> in Teller verteilen,<br />
Butter in Flocken darübergeben, mit Parmesan<br />
bestreuen. Im Ofen in der obersten Rille ca. 5 Minuten<br />
gratinieren. Mit beiseitegestellten Kräutern garnieren.<br />
TIPPS<br />
• Dazu serviert Anna Maria Biffi getoastetes und mit<br />
Knoblauch bestrichenes Weissbrot.<br />
• Cannellini- durch Soissonsbohnen und Kalbs- durch<br />
Rinds kutteln ersetzen.<br />
Zubereitung ca. 40 Minuten<br />
+ 2 Stunden köcheln lassen<br />
+ ca. 5 Minuten gratinieren<br />
Pro Person ca. 47 g Eiweiss, 32 g Fett, 25 g Kohlenhydrate,<br />
2500 kJ/600 kcal<br />
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