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SK09-I-Busecca (2)

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Zum Schluss wird die<br />

reichhaltige Suppe mit<br />

Parmesan überbacken.<br />

Das verleiht ihr den letzten<br />

Schliff.


Classici svizzeri<br />

<strong>Busecca</strong><br />

Aus Nonnas Topf<br />

Während manch ein Nordschweizer schon beim Gedanken an Kutteln die<br />

Nase rümpft, schätzt man südlich der Alpen Gerichte mit Innereien<br />

nach wie vor. Die Kuttelsuppe <strong>Busecca</strong> ist ein typisches Tessiner Gericht.<br />

Anna Maria Biffi weiss, wie der währschafte Eintopf fast allen schmeckt.<br />

Text: Claudia Langenegger | Fotos: Victoria Loesch<br />

Braunes Haar, roter Schurz und ein breites Lachen<br />

– Anna Maria Biffi ist das Herz von «Ul Furmighin»,<br />

der Osteria mitten im Dörfchen Sagno im<br />

Valle Muggio hoch über Mendrisio. Seit 15 Jahren<br />

ist die Tessinerin hier Patronne. Ihre Spezialität: traditionelle,<br />

regionale Küche. «Ich liebe es, unsere ursprünglichen<br />

Gerichte zu kochen, zum Beispiel eine <strong>Busecca</strong>»,<br />

erzählt die 55-Jährige. «Früher haben die Menschen nichts<br />

vom Tier weggeworfen. Jedes Stück war kostbar», sagt sie.<br />

So auch die Kutteln, der Magen. In der italienischen Schweiz<br />

schätzt man diese noch heute als Spezialität. Die Kuttelsuppe<br />

<strong>Busecca</strong> ist eines der bekanntesten typischen<br />

Gerichte des Kantons.<br />

Sie galt früher als Festtagsschmaus. «Man traf sich Weihnachten<br />

nach der Messe in der Bar oder Osteria und ass<br />

zusammen Kuttelsuppe», erzählt Anna Maria Biffi. «Oft<br />

wurde sie auch an Viehmärkten oder an ländlichen Festen<br />

aufgetischt. Denn sie ist einfach zu kochen und lässt sich<br />

gut in grossen Mengen zubereiten.» Der Name <strong>Busecca</strong>,<br />

im Dialekt Büséca ausgesprochen, geht auf das alte norditalienische<br />

Büse zurück, was Bauch heisst. Mit Büsecch<br />

und <strong>Busecca</strong> bezeichnete man früher die Innereien und<br />

Gerichte mit Innereien. Heute wird der Begriff nur noch<br />

für die Kuttelsuppe verwendet.<br />

Immer reichlich zubereiten<br />

Anna Maria Biffi kocht ihre <strong>Busecca</strong> immer für mindestens<br />

zehn Personen. Dafür braucht sie den Blättermagen des<br />

Kalbs, den sie vorgegart beim Metzger kauft. Weitere<br />

wichtige Zutaten sind Speck, Zwiebeln, Karotten, Sellerie<br />

und Cannellinibohnen. Dazu Gewürze, die sie frisch aus<br />

den Töpfen im Garten pflückt. Biffi brät die Zwiebeln im<br />

Olivenöl goldgelb an, gibt Sellerie, Karotten sowie Speck<br />

Die Tessiner Köchin Anna Maria Biffi in ihrer traditionellen<br />

Osteria Ul Furmighin. Die Ameisen, die dem Lokal den Namen<br />

gab, räkelt sich als Eisenfigur im Hintergrund im Cheminée.<br />

9 | 2011 29


Classici svizzeri<br />

[1]<br />

[2] [3] [4]<br />

[1] Die wichtigsten Zutaten für die Suppe auf einen Blick. [2] Die gekochten Kutteln schneidet Anna Maria Biffi in mundgerechte Stücke.<br />

[3] Die vorgegarten Zutaten werden mit Bouillon bedeckt und weitergeköchelt. [4] Die Bohnen kochen während der letzten Stunde mit.<br />

hinzu, rührt um und bestreut die Kutteln mit Salz und Pfeffer.<br />

«Ich salze die Kutteln erst kurz bevor ich sie in die<br />

Pfanne gebe, sonst verlieren sie zu viel Wasser», erklärt<br />

die Köchin. Nach ein paar Minuten löscht sie alles mit<br />

Weisswein ab, lässt es ein paar Minuten ziehen, gibt die<br />

Tomaten dazu und rührt. Dann giesst sie so viel Bouillon<br />

dazu, dass Gemüse und Fleisch knapp mit Flüssigkeit bedeckt<br />

sind.<br />

Zum Tünkle gibts geröstetes Knoblauchbrot<br />

«In einer Stunde gebe ich die Bohnen hinein. Danach lasse<br />

ich alles eine weitere Stunde kochen», kommentiert Anna<br />

Maria Biffi ihr Tun. Vor dem Servieren überbäckt sie die<br />

<strong>Busecca</strong> im Ofen mit Käse. Das Gericht serviert sie mit<br />

getoasteten Weissbrotscheiben, auf die sie frischen Knoblauch<br />

gerieben hat. «Das Brot tunkt man in die Flüssigkeit»,<br />

erklärt sie. So kann man die kräftige Suppe bis zum<br />

letzten Tropfen geniessen.<br />

Wie viele typische Tessiner Gerichte ist auch die <strong>Busecca</strong><br />

von der lombardischen Küche geprägt. Die Büsecca kannte<br />

man, ganz ähnlich zubereitet, in Mailand schon vor fünfhundert<br />

Jahren. Damals allerdings mit Kichererbsen, die<br />

aus Mexiko stammenden Bohnen wurden erst im<br />

17. Jahrhundert gang und gäbe.<br />

Es erstaunt nicht, dass das norditalienische Essen auch im<br />

Tessin heimisch wurde. Kultur und Geografie des Kantons<br />

waren stets mit dem Nachbarland verbunden: Landschaftlich,<br />

sprachlich und kulinarisch geht das Sottoceneri ohne<br />

Grenze in die lombardische Ebene über. Das reiche Italien<br />

war für die Ticinesi sogar überlebenswichtig. Bis weit ins<br />

20. Jahrhundert trieben Hunger und Armut sie ins Ausland.<br />

Die Rückkehrer brachten Geld, aber auch Kenntnisse<br />

und Ideen aus der norditalienischen Esskultur in die<br />

Heimat. In den Tessiner Städten fand zudem ein reger Austausch<br />

statt, die wichtigen Handelsorte lagen an den<br />

30<br />

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<strong>Busecca</strong> Rezept von Anna Maria Biffi<br />

Hauptgericht für 6 Personen<br />

250 g Cannellinibohnen, aus dem<br />

Delikatessgeschäft<br />

2 Zwiebeln<br />

140 g Stangensellerie<br />

2 Karotten<br />

1 Knoblauchzehe<br />

5 Tomaten<br />

1 Bund gemischte Kräuter, z. B. Petersilie,<br />

Thymian und Majoran<br />

100 g Pancetta oder Speck am Stück<br />

3 EL Olivenöl<br />

1 kg gekochte, geschnittene Kalbskutteln, aus dem<br />

Delikatessgeschäft<br />

Salz, Pfeffer<br />

2 dl Weisswein<br />

5 dl Rindsbouillon<br />

50 g Butter<br />

100 g geriebener Parmesan<br />

1. Am Vortag: Bohnen über Nacht in reichlich Wasser<br />

einweichen.<br />

2. Am Zubereitungstag: Zwiebeln hacken. Sellerie und<br />

Karotten in Würfelchen schneiden. Knoblauchzehe<br />

ungeschält von Hand zerdrücken. Tomaten kreuzweise<br />

einschneiden. In kochendem Wasser ca. 30 Sekunden<br />

blanchieren, anschliessend in Eiswasser abschrecken.<br />

Tomaten häuten, halbieren, entkernen und in Würfelchen<br />

schneiden. Kräuter fein hacken, wenig für die Garnitur<br />

beiseitestellen. Pancetta in Würfelchen schneiden.<br />

Es ist vollbracht. Anna Maria Biffi begutachtet die fertige Spezialität.<br />

Jetzt kommt sie in die Teller und wird mit etwas Parmesan gratiniert.<br />

Säumer wegen über die Alpen. So ist das älteste Tessiner<br />

Rezeptbuch, das 1846 in Lugano erschien, eine Sammlung<br />

lombardischer und piemontesischer Rezepte mit regionalem<br />

Einschlag. Damals kam Fleisch nur an den Feiertagen<br />

auf den Tisch. Hauptnahrungsmittel waren Mais, Kartoffeln<br />

und Kastanien.<br />

Der Südkanton profitierte vom wirtschaftlichen Aufschwung<br />

in den 1950er-Jahren. Trotzdem blieben die Tessiner<br />

ihrer regionalen einfachen Küche treu. 1958 erschien<br />

in Locarno eine Sammlung traditioneller Rezepte: «Ricette<br />

della nonna», in dem die Kuttelsuppe zu finden ist. Auch<br />

Biffi sammelt alte Rezepte. Viele, auch das der <strong>Busecca</strong>,<br />

stammen von ihrer verstorbenen Schwiegermutter Severina.<br />

In einem dicken Buch, dicht mit Notizen beschrieben,<br />

vollgeklebt mit handgeschriebenen Zetteln, bewahrt<br />

sie sie auf. «Das ist meine Bibel», sagt Anna Maria Biffi.<br />

«Alles könnte man mir stehlen, nur das nicht!»<br />

3. Öl in einer grossen Pfanne erhitzen, Zwiebeln darin<br />

ca. 5 Minuten goldbraun braten. Sellerie, Karotten und<br />

Knoblauch dazugeben und ca. 2 Minuten mitdünsten.<br />

Kutteln mit Salz und Pfeffer würzen. Mit dem Speck<br />

zum Gemüse geben. Alles weitere 5 Minuten dünsten.<br />

Mit Wein ablöschen und gut umrühren. Pfanne zudecken,<br />

Fleisch und Gemüse ca. 5 Minuten ziehen lassen.<br />

Tomaten und Kräuter dazugeben, mit Salz und Pfeffer<br />

würzen. Alles knapp mit Bouillon bedecken. Knoblauchhaut<br />

herausheben. Suppe zugedeckt bei kleiner Hitze<br />

1 Stunde köcheln lassen. Bei Bedarf wenig Bouillon nachgiessen.<br />

Bohnen abgiessen und in die Pfanne geben.<br />

Zudecken und 1 weitere Stunde köcheln lassen.<br />

4. Backofen auf 200 °C vorheizen. <strong>Busecca</strong> in Teller verteilen,<br />

Butter in Flocken darübergeben, mit Parmesan<br />

bestreuen. Im Ofen in der obersten Rille ca. 5 Minuten<br />

gratinieren. Mit beiseitegestellten Kräutern garnieren.<br />

TIPPS<br />

• Dazu serviert Anna Maria Biffi getoastetes und mit<br />

Knoblauch bestrichenes Weissbrot.<br />

• Cannellini- durch Soissonsbohnen und Kalbs- durch<br />

Rinds kutteln ersetzen.<br />

Zubereitung ca. 40 Minuten<br />

+ 2 Stunden köcheln lassen<br />

+ ca. 5 Minuten gratinieren<br />

Pro Person ca. 47 g Eiweiss, 32 g Fett, 25 g Kohlenhydrate,<br />

2500 kJ/600 kcal<br />

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