NordstadtMagazin3_okt-2017
NordMag Nummer 3 - die Herbstausgabe des Dortmunder Nordstadtmagazin
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#03 | Oktober <strong>2017</strong><br />
TATORT TORTY'S<br />
AUS FÜR STUDIO X<br />
NORDSTADTGESCHICHTE(N)<br />
ADVENT AM BORSIGPLATZ<br />
MIT DEN AUGEN DER ANDEREN<br />
DEM LACK SEIN MUSEUM<br />
MARKTTAG<br />
№3<br />
Foto: Leopold Achilles
Editorial & Impressum<br />
„NORD.MAG – Das Nordstadt-Magazin“ ist keine Werbebeilage,<br />
sondern eine Publikation mit journalistischem Anspruch. Sie wird<br />
redaktionell von den Nordstadtbloggern gestaltet, die im nunmehr<br />
im fünften Jahr online aus der und über die Nordstadt berichten.<br />
Fernab des nachrichtlichen Klein-Klein will das „NORD. MAG“<br />
mit großen Reportagen, Portraits und Geschichte(n) informieren.<br />
Es will mit einem modernen Heimatdesign das urbane Lebensgefühl<br />
vermitteln und mit Fairness die gesamte Bandbreite<br />
der Themen in der Nordstadt deutlich machen. Es geht um die<br />
Visualisierung der Vielfalt. Daher auch die Auswahl des Titelbildes<br />
vom Nordmarkt – es zeigt den Aufbau des Wochenmarktes in den<br />
frühen Morgenstunden.<br />
Herausgeber (V.i.S.d.P.): Nordstadt Plus e.V.,<br />
Christian Schmitt, Bornstraße 136, 44145 Dortmund.<br />
Kontakt zum Verein: info@nordstadtplus.de<br />
Redaktion/Produktion: Susanne Schulte und Alexander Völkel<br />
www.nordstadtblogger.de<br />
Kontakt zur Redaktion: info@nordstadtblogger.de<br />
Layout: godesign, Gode Klingemann, www.gode-sign.de<br />
zehn23 – studio für gestaltung, Heike Kollakowski, www.zehn23.de<br />
Druck: Lensing Druck GmbH & Co KG, Auflage: 84.100 Exemplare.<br />
NORD.MAG soll vier Mal im Jahr erscheinen.<br />
Werbung: Wollen Sie werben? E-Mail: anzeigen@nordstadtplus.de<br />
Anzeigen<br />
2
Tat rt<br />
Torty's<br />
...und alle haben<br />
ein Motiv<br />
Der Anfängerkurs hat noch nicht begonnen und<br />
Constantin Menke bekommt schon Lob von allen<br />
Seiten für seine Torte. Die Begeisterung der Kursteilnehmerinnen<br />
gilt den Fotos seiner Regenbogentorte,<br />
die er am Tag zuvor in der Küche seiner<br />
Tante gebacken und verziert hat. Der Jugendliche<br />
ist bescheiden: „Na ja, so hundertprozentig ist<br />
# 03| Oktober <strong>2017</strong> 3
ja nicht geworden“, sagt er und meint die Zuckerhülle,<br />
den farbigen Fondantmantel, dem man ansehen<br />
kann - wenn man will -, dass das Backwerk handgemacht<br />
ist. Und weil man das nicht mehr sehen soll,<br />
ist der 15jährige an diesem Sonntagmorgen um 10<br />
Uhr in der Dortmunder Nordstadt im Torty’s, dem<br />
Laden, in dem alles verkauft wird, was TortenkünstlerInnen<br />
haben möchten. Auch Tipps und Tricks.<br />
Hier werden echte Torten zum<br />
Verzieren verwendet<br />
Zum Verzehr empfohlen<br />
Aus dem Sauerland ist Ulrike Sträter zur Münsterstraße angereist. Sie<br />
hatte im Internet nach einem Kurs gesucht, in dem sie lernen kann,<br />
Motivtorten selbst zu machen und sich für Dortmund entschieden,<br />
weil hier echte Torten verziert werden und keine Dummys. „Was soll<br />
ich mit einer Styropor-Torte? Die können wir ja hinterher zuhause<br />
nicht essen.“ So war sie eine Stunde aus Werdohl unterwegs, um Stunden<br />
später – so der Plan – mit einem Kunstwerk wieder ins Lennetal<br />
zu fahren.<br />
Der Kuchen kommt vom Bäcker<br />
Wie aufs Stichwort stellt Demet Cimen die erste, bereits mit Himbeer-<br />
Quarkcreme gefüllte Biskuittorte vor Ulrike Sträter auf den Tisch,<br />
holt die weiteren drei aus dem Kühlschrank. Vier Menschen zeigt die<br />
gelernte Altenpflegerin nun, wie man vorgeht, um aus dem nackten<br />
Kuchen einen bunten Festtagstisch-Mittelpunkt zu machen. „Wir bekommen<br />
den Biskuit vom Bäcker, wir dürfen hier aus hygienischen<br />
Gründen nicht selber backen“, sagt sie und gibt gleich den<br />
ersten Hinweis: „Wenn ihr ihn selber macht, besser schon<br />
einen Tag vorher, bei mehrstöckigen Torten sogar zwei bis<br />
drei Tage vor dem Verzieren.“<br />
Die Torte dreht sich auf dem Teller<br />
Die in der Wunschfarbe selbst eingefärbte<br />
Fondantdecke muß vorsichtig<br />
auf die Torte gelegt werden.<br />
Demet Cimen hat auch die Buttercreme bereits angerührt,<br />
die nun erst am Rand, immer von unten nach oben, anschließend<br />
auf dem Deckel von außen nach innen mit einem<br />
Spachtel gleichmäßig verteilt wird. Linda Schenker<br />
ist begeistert von ihrem Ergebnis. Die Zwölfjährige erzählt:<br />
„Ich habe bislang immer alles in die Mitte gepackt und von<br />
dort aus verstrichen. Das wurde nie gleichmäßig.“ Jetzt<br />
kann sie während der regelmäßigen Backnachmittage mit<br />
ihren Freundinnen diesen gleich etwas beibringen. Damit<br />
beim Einstreichen nicht alle um ihre Torte und damit um<br />
den Tisch kreisen, kreisen die Torten auf dem Tisch – jede auf einem<br />
drehbaren Holzteller.<br />
Auch wenn das Grün vom Original<br />
abweicht: Sie schmeckte doch.<br />
Ausrollpuder und Palmfett<br />
Während die erste Buttercremeschicht auf der Torte im Kühlschrank<br />
fest wird – mindestens eine Viertelstunde, besser ist eine Stunde –,<br />
zeigt Demet Cimen weiteres Handwerkzeug und weitere Zutaten:<br />
Fondant-Roller und -Glätter, Rosencutter und Marzipanmesser,<br />
4
Ausrollpuder und Härtemittel, Knetfett und Kleber. Ist dann auch die<br />
zweite Buttercremeschicht auf der Torte, die die erste, die Krümelschicht,<br />
gut abdeckt und auch im Kühlschrank fest werden<br />
muss, kneten die KursteilnehmerInnen ihre<br />
Wunschfarbe ins weiße Fondant. Beim Kneten<br />
hilft die Bäckerstärke auf dem Tisch, damit nichts<br />
kleben bleibt, in der Hand das Palmfett, damit das<br />
Fondant nicht zwischen den Finger hängt. Linda<br />
Schenker mag den Vintage-Stil: „Ich mache eine<br />
graue Torte mit rosa Blüten.“ Ulrike Sträter hat<br />
sich für einen schwarze Fondant-Hülle mit gelber<br />
Dekoration entschieden und Constantin Menke<br />
macht aus der Torte einen Pokemon, den gelbgesichtigen<br />
Pikachu.<br />
Dank der richtigen Werkzeuge sieht jede Rose auch aus<br />
wie eine Rose<br />
Sind stolz auf ihre Motivtorten:<br />
v.l. Linda Schenker,<br />
Constantin Menke, Ulrike Sträter<br />
mit ihrer Lehrerin Demet Cimen.<br />
Man glaubt's kaum: Diese Rose<br />
ist aus Zucker und in 10 Minuten<br />
selbstgemacht.<br />
„Bloß nicht streichen, sondern nur andrücken<br />
und vorher die Falten ausstreichen.“ Demet Cimen<br />
verhindert in letzter Sekunde, dass die<br />
Fondanthüllen über dem Biskuit reißen. Mit<br />
Hilfe des Rollers hatten alle ihre gefärbten Zuckermassen<br />
gleichmäßig ausgerollt, mit Hilfe<br />
von Demet Cimen den Fondant über den Biskuit<br />
gelegt. Ist alles gut angedrückt und geglättet,<br />
die Überreste akkurat abgeschnitten,<br />
geht’s an die Dekoration. Rosen formen<br />
– keine Zauberei: Rosencutter, Die Chefin im Torty’s ist Mouna Haddouch.<br />
so heißt die Ausstechform, Ball-Tool Die Hobby-Bäckerin eröffnete den Laden<br />
der Kugelstift, der die Blätter auf einer<br />
weichen, flexiblen Unterlage in Angebot eine Marktlücke füllen konnte:<br />
vor gut zwei Jahren, weil sie mit ihrem<br />
Form bringt, Lebensmittelkleber der Kleber, der die Rose in Als die Dortmunderin selbst begann, sich<br />
Form und auf der Torte hält. Unter der kundigen Anleitung von für Fondant-Torten zu begeistern, konnte<br />
Demet Cimen entstehen vorzeigbare Torten. Doch was, wenn sie Zutaten und Gerätschaften nur im<br />
am heimischen Küchentisch mal was daneben geht? „Wir geben<br />
Tipps per Telefon und hatten einmal eine Kundin im La-<br />
Laden kaufen. Also dachte sie: Mache ich<br />
Internet bestellen, aber nicht in einem<br />
den, die gleich mit ihrer Torte hier ankam und wir ihr helfen doch einen auf.<br />
konnten.“<br />
Das Geschäft läuft so gut, dass sie überlegt,<br />
einen weiteren Laden im Ruhrgebiet<br />
zu eröffnen, um näher an die KundInnen<br />
zu kommen. Zu ihren Kursen kommen die<br />
In fünf Stunden verziert, in einer halben verzehrt<br />
von weit her.<br />
Vier Stunden sollte der AnfängerInnen-Kurs dauern, jetzt sind<br />
fast fünf rum. Während Linda Schenkers Eltern und Constantin<br />
Menkes Tante sich bereits draußen vor dem Schaufenster<br />
die Nasen platt drücken, wird drinnen immer noch geformt<br />
und ausgestochen, mit Glanz gesprüht und die Blüten geklebt.<br />
Als der letzte Handgriff getan ist, die Tür aufgeschlossen, kennt<br />
die Begeisterung keine Grenzen. Doch Torten sind zum Essen<br />
da, nicht nur zum Begucken. Linda Schenker nimmt sie gleich<br />
mit zum Kaffeetrinken bei der Oma, Constantin Menke will<br />
sie erst am nächsten Tag anschneiden. „Wir haben ja noch die<br />
Regenbogen-Torte von gestern.“<br />
Text: Susanne Schulte | Fotos: Leopold Achilles<br />
Bei ihr lernen sie, wie aus einem Biskuit-<br />
Boden eine Motiv-Torte entsteht, wie Cupcakes<br />
außergewöhnlich aussehen und wie<br />
man kleine Skulpturen aus Fondant und<br />
Marzipan formt. Vier bis fünf Stunden<br />
Zeit muss mitbringen, wer in dem Laden<br />
an der Münsterstraße 117 seine Fingerfertigkeit<br />
und die Torte verfeinern will.<br />
Torty’s – Der Backzubehör Shop<br />
Münsterstraße 117<br />
44145 Dortmund<br />
0231/223 88 234<br />
www.tortys-shop.de<br />
# 03| Oktober <strong>2017</strong> 5
Abschied vom<br />
Schmuddel-Image<br />
„Studio X“<br />
Das „Studio X“ am Burgtor, das wohl bekannteste Dortmunder Sexkino, ist seit geraumer Zeit geschlossen: Der Betreiber hat<br />
Insolvenz angemeldet. Doch ein neues Kino – vor allem in der Schmuddel-Variante - soll nach Willen des Gebäudeeigentümers<br />
nicht mehr einziehen. Ihm schwebt ein großer städtebaulicher Wurf vor, der auch zwei städtische Grundstücke mit einschließt.<br />
Conrad Dreier ist Eigentümer der Immobilie. Sein Vater hat nach<br />
dem Zweiten Weltkrieg das Trümmergrundstück gekauft und dort<br />
eine große Immobilie gebaut, in der das Decla-Kino neu eröffnet<br />
wurde, und auch ein Restaurant und mehrere Wohnung Platz fanden.<br />
Die ursprünglichen Decla-Lichtspiele waren 1912 im umgebauten<br />
Apollo-Theater entstanden. Doch dieses Kino und die Nachbargebäude<br />
wurden im Verlauf des Zweiten Weltkriegs total zerstört.<br />
Dreier war nicht der einzige Bauherr auf dem weitläufigen Grundstück:<br />
Weitere Gebäude standen in unmittelbarer Nachbarschaft,<br />
dazu gehörte südlich das als Diskothek „Time“ genutzte Gebäude –<br />
mittlerweile eine städtische Grünfläche. Nördlich der Dreier-Immobilie<br />
stand das deutlich kleinere Kino „Lux Intim“. Heute ist dort ein<br />
im Umbau befindliches türkisches Restaurant.<br />
Städtebauliche Aufwertung<br />
Conrad Dreier schwebt noch keine konkrete Neunutzung vor. Klar<br />
ist nur, dass er bereit ist, Geld in die Hand zu nehmen und zu investieren.<br />
Auch einen Abriss und einen Neubau, zum Beispiel eines<br />
Wohn- und Geschäftshauses, kann er sich vorstellen. Gleiches gilt<br />
für die Nutzung der Fläche für einen weiteren Kindergarten.<br />
Doch spruchreif ist das noch alles nicht. „Wir sind in Gesprächen<br />
mit der Stadt“, so Dreier. Denn erhaltenswert findet er den jetzigen<br />
Gebäudekomplex nicht. „Es ist kein schöner Anblick - fast schon<br />
unangenehm“, räumt der Eigentümer ein. Denn das Grundstück - je<br />
nach Blickwinkel – stellt das Eingangstor zur City beziehungsweise<br />
zur Nordstadt dar.<br />
schon das Nordtheater betrieben, welches jedoch dem Neubau<br />
der Bornstraße weichen musste. Das von Dreier erbaute und von<br />
dem Ehepaar betriebene Decla-Kino war ein Schmuckstück: 998<br />
Plätze und die größte Leinwand Dortmunds.<br />
In den 1960ern platzte der Traum: Ursula Trost wurde krank,<br />
lag monatelang im Krankenhaus. Zudem ging die Ehe in die Brüche.<br />
Josef Böddeker behielt das Kino, sie kümmerte sich um das<br />
Balkan-Restaurant im selben Haus. Doch letztendlich durchkreuzte<br />
die Gesundheit die Träume. Beides - weder Restaurant<br />
noch Kino - waren letztendlich zu halten. Ihr Decla-Kino-Kapitel<br />
schloss sich. 1967 wurde es vom neuen Mieter als „Europa-Palast“<br />
neu eröffnet - mit noch größerer Leinwand, aber einem Viertel<br />
weniger Plätzen.<br />
Todesstoß durch Pantoffel-Kinos<br />
Doch mit dem Pantoffel-Kino, dem Erfolgszug des Fernsehens,<br />
in den 1970er Jahren schlossen viele Filmtheater. So auch der<br />
„Europa-Palast“. Große Säle rechneten sich nicht mehr; selbst<br />
Sexfilme retten das große Haus nicht mehr. Daher wurde das<br />
große Kino in vier kleine Kinosäle aufgeteilt. 1978 eröffnete das<br />
„Studio X“ als Pornokino. 2005 hörte der Pächter, der zeitweise<br />
auch das benachbarte kleinere Kino „Lux Intim“ betrieb, auf.<br />
Nach umfangreichen Investitionen - unter anderem in den<br />
Brandschutz - eröffnete ein neuer Mieter das „Studio X“ erneut.<br />
Doch nach elf Jahren endet dieses Kapitel der Dortmunder Kino-<br />
Geschichte - nun mit einer Insolvenz. Damit könnte endgültig<br />
das Kino-Kapitel geschlossen sein. Wie es stattdessen weiter geht,<br />
ist offen. Dieses Drehbuch ist noch nicht geschrieben.<br />
Daher schwebt ihm eine städtebauliche Aufwertung vor – inklusive<br />
der beiden städtischen Grundstücke. Die Grünfläche südlich an der<br />
Kreuzung Leopold- und Münsterstraße und der Parkplatz mit der<br />
Umweltmessstation nördlich an der Heiligegartenstraße umrahmen<br />
den Gebäudekomplex<br />
von Dreier.<br />
6<br />
Ursula Trost und Josef<br />
Böddeker eröffneten<br />
dort in den 1950er<br />
Jahren das Decla-Kino<br />
neu. Sie hatten zuvor<br />
Stadt begrüßt Initiative<br />
Klassischer Innenausbau der 50er Jahre: der Decla-Kino-Saal<br />
„Die Stadt begrüßt, dass der Immobilienbesitzer in dieser Sache<br />
aktiv ist und erste Gespräche haben bereits stattgefunden. Auch<br />
weiterhin ist die Stadt Dortmund daran interessiert, diese Gespräche<br />
fortzuführen“, betont Stadtsprecher Maximilian Löchter.<br />
Der Bereich, in dem sich das Grundstück befindet, gehört mit<br />
zum städtebaulichen Ideenwettbewerb „Umfeld Hauptbahnhof<br />
Nord“. „Daher können belastbare Aussagen zu einer möglichen<br />
Planung erst Anfang nächsten Jahres getätigt werden“, so Löchter.<br />
Text | Fotos: Alex Völkel
ist Geschichte<br />
# 03| Oktober <strong>2017</strong> 7
Nordstadt-<br />
Geschichte(n)<br />
DAS KAUFHAUS<br />
AM STEINPLATZ<br />
Anders als heute lag der Steinplatz in früheren Zeiten an einer<br />
verkehrsreichen Kreuzung und war umgeben von bekannten<br />
Lokalen und Vergnügungsstätten. Ab dem 21. November 1898<br />
konnte der Platz einen weiteren Frequenzbringer vorweisen:<br />
Unter der Adresse „Steinplatz Nr. 1“ eröffnete an diesem Tag das<br />
Textilkaufhaus Meyer & Günther. Die zu diesem Anlass veröffentlichten<br />
Zeitungsinserate deuteten allein ihres Umfangs wegen<br />
schon auf Großes hin. Am Eröffnungstag spielte die in Dortmund<br />
damals sehr bekannte Kapelle Giesenkirchen vor dem Kaufhaus<br />
und lockte tausende Neugierige an.<br />
Das Kaufhaus Meyer & Günther entwickelte sich rasch und sehr<br />
erfolgreich. Bereits wenige Jahre nach der Eröffnung wurde die<br />
erste Erweiterung des Geschäftshauses in Angriff genommen und<br />
durch einen Anbau nach Norden abgeschlossen. Ab November<br />
1901 bestand die Schaufensterfront aus acht großen Fenstern.<br />
Ein wirklich großer Umbau – Ausdruck des bisherigen Geschäftserfolges ebenso wie optimistischer Zukunftserwartungen – erfolgte ab<br />
Herbst 1911. Das Unternehmen hatte Grundstücke an der Zimmer- und Leopoldstraße erworben und dort mit einem Neubau begonnen.<br />
Im Oktober 1912 erfolgte der Umzug vom Alt- in den Neubau. Dann wurde das alte Gebäude abgerissen und der Neubau konnte vervollständigt<br />
werden. Entstanden war ein vierstöckiger moderner Kaufpalast mit mehreren Eingängen, hohem Satteldach und Lichthöfen. Seine<br />
Frontlänge betrug 95 Meter, und 25 Schaufenster lockten die Kundschaft. Die Eröffnung des neuen Hauses mit seiner 7.000 Quadratmeter<br />
großen Verkaufsfläche fand am 29. September 1913 statt. Der Umbau sollte sich rechnen. Das große Textilkaufhaus am Steinplatz war ein<br />
bedeutender Konkurrent der Häuser am Westen- und Ostenhellweg und zog auch Kundschaft aus anderen Dortmunder Vierteln und der<br />
8
Umgebung in den nördlichen Stadtteil. Mitte der 1920er Jahre betrug der Jahresumsatz stolze fünf Millionen<br />
Mark. Das Ende des Erfolges kam in den frühen 1930er Jahren. Der Grund dafür lag in den neuen<br />
politischen Verhältnissen. Denn die Inhaber von Meyer & Günther waren Juden und ab 1933 der nationalsozialistischen<br />
Verfolgung ausgesetzt.<br />
Bei der wohlhabenden Familie Bernhard Meyer setzten die nationalsozialistischen Verfolgungs- und<br />
Unterdrückungsmaßnahmen schon sehr früh ein. Frau Meyer starb deswegen 1935 in einer Nervenheilanstalt.<br />
Bei dem 1936 erfolgten Tod von Bernhard Meyer ist unklar, ob er Selbstmord begangen hat oder<br />
ob er an den Folgen seiner zuvor erlittenen Haft starb.<br />
Schon 1933 war das Kaufhaus Meyer & Günther formal an den Kaufmann Kurt Drahota übergegangen.<br />
Die Umstände und Bedingungen des Verkaufs sind heute weitestgehend unklar. Vorübergehend firmierte<br />
Drahota unter „Dortmunder Textil Kaufhaus vorm. Meyer & Günther“, doch schon bald war nur noch von<br />
„Drahota“ die Rede (obwohl der Vorname Kurt noch in das Logo eingebunden war).<br />
Das Kaufhaus wurde im Verlauf des Zweiten Weltkrieges ausgebombt und nach Kriegsende in vereinfachter<br />
Form aufgebaut. Die Geschäfte liefen wieder an. Auch wurde die „Textil-Import und Großhandel<br />
Drahota und Geismann KG“ ins Leben gerufen, um im lukrativen Großhandelsbereich tätig sein<br />
zu können.<br />
Im September 1957 zog nach völliger Umgestaltung das Kaufhaus Kogge in das Drahota-Gebäude ein.<br />
Der Chef des in Westdeutschland bedeutenden Unternehmens hoffte, dass der Steinplatz durch städtebauliche<br />
Maßnahmen wieder eine hervorragende Stellung im Gesamtbild der Stadt einnehmen würde.<br />
Diese Erwartungen wurden nicht erfüllt, und die Umsätze blieben hinter den Erwartungen zurück. 1962<br />
schloss Kogge, das zuletzt 68 Mitarbeiter beschäftigt hatte, seine Pforten. Millionen sollten investiert<br />
werden, um hier den „Kaufhof Nord“ zu eröffnen – ein Haus, das sich ebenfalls nicht durchsetzen konnte.<br />
Im Rahmen der Stadtsanierung Nord wurde das Geschäftshaus abgerissen und der gesamte Steinplatz<br />
umgestaltet, so dass heute nur noch der Eisengießerbrunnen und die Einmündung der Zimmerstraße<br />
als Anhaltspunkte auf den ehemaligen Standort des Kaufhauses Meyer & Günther dienen können.<br />
Text | Bildmaterial: Klaus Winter<br />
Mehr Infos zum Kaufhaus am Steinplatz http://nordstadtblogger.de/category/nordstadt-geschichte/<br />
# 03| Oktober <strong>2017</strong> 9
MARKTTAG<br />
EINKAUFEN AUF DEM NORDMARKT:<br />
DER WOCHENMARKT FÜR DIE NORDSTADT<br />
UND GANZ DORTMUND<br />
Wenn dienstags und freitags auf dem Nordmarkt Markttag ist,<br />
scheint Zeit nur ein weiteres gesellschaftliches Konstrukt zu<br />
sein: Es ist acht Uhr und während einige HändlerInnen bereits<br />
seit einer Stunde ihre Ware verkaufen, beginnen andere erst mit<br />
dem Aufbau. Das klingt in vielen auf Pünktlichkeit bedachten<br />
Ohren zunächst befremdlich. Doch vielleicht ist es genau diese<br />
Entspanntheit, die den Markt so erfolgreich macht.<br />
Place to be statt No-Go-Area<br />
Von Medien über die Stadtgrenzen hinaus als No-Go-Area betitelt<br />
– so ist die Nordstadt, und mit ihr auch der Nordmarkt, im<br />
Allgemeinen bekannt. Aber wie man so oder so ähnlich schon<br />
immer gesagt hat: Es war (und ist) nicht alles schlecht. Das gilt<br />
auch für den Norden Dortmunds, denn hier tut sich was.<br />
Künftig dreimal in der Woche:<br />
Neben zahlreichen kreativen Köpfen, die hier leben und arbeiten,<br />
sowie einem nicht zu unterschätzenden kulturellen und kulinarischen<br />
Angebot, lockt vor allem der Wochenmarkt Menschen<br />
in die Nordstadt. Dienstags und freitags bieten HändlerInnen<br />
von 7 bis 13 Uhr eine bunte Vielfalt an Lebensmitteln, aber auch<br />
Haushaltswaren und Textilien an.<br />
Auch die Art und Weise, wie der Markt aufgebaut ist, trägt zur<br />
Beliebtheit bei. Die Stände sind straßenseitig aufgebaut, sodass<br />
BesucherInnen bei einem Rundgang einen Überblick über alle<br />
angebotenen Produkte erhalten.<br />
In der Nordstadt leben viele Familien – und das sieht man an<br />
Markttagen. Eltern kommen hier mit ihren Kindern hin. Während<br />
sie einkaufen, spielen die Kinder unbeschwert auf dem<br />
Spielplatz, zahlreiche Bänke laden bei gutem Wetter zum Entspannen<br />
ein. Auch Kaffee gibt es hier: Am Nordmarkt-Kiosk der<br />
Diakonie, der als zentrale Anlauf- und Beratungsstelle genutzt<br />
wird, werden wir freundlich begrüßt.<br />
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AG<br />
Heimat- und Urlaubsgefühle zwischen Ekmek und Stoffballen<br />
Eine bunte Mischung<br />
Der Wochenmarkt auf dem Nordmarkt ist bunt. Zwischen<br />
frischem Obst und knackigem Gemüse findet man bunte Stoffe<br />
oder Teegläser, wie es sie normalerweise im Dönerladen des<br />
Vertrauens gibt. Jemand verkauft Fleisch, eine andere Frau bietet<br />
Eier an. An einem ganz anderen Stand finde ich Waschmittel,<br />
Gabeln und bunte Bekleidung.<br />
Nach mehreren Runden, in denen man jedes Mal etwas Neues<br />
entdeckt, lachen die HändlerInnen schon und fragen, ob man<br />
denn nun endlich etwas gefunden habe. Dass der Wochenmarkt<br />
auf dem Nordmarkt bunt ist, zeigen auch die Menschen, die hier<br />
sind. Große Familien und Frauen mit Kopftüchern treffen auf<br />
Studierende, die hier einen günstigen Wocheneinkauf tätigen.<br />
Während man auf dem Wochenmarkt umherläuft, liegt ein lautes<br />
Rauschen in der Luft. Ein Stimmenwirrwarr aus unzähligen<br />
Sprachen vermischt sich mit dem Straßenlärm. Menschen schreien<br />
sich an, Autos fahren ununterbrochen durch die Straßen, die<br />
an den Nordmarkt angrenzen. Leise ist es hier eigentlich nie.<br />
Stadt erkennt Potential<br />
Insgesamt sind die Wochenmärkte in Dortmund nicht von Erfolg<br />
gekrönt. Nur drei der zahlreichen Märkte sind gewinnbringend.<br />
Alle anderen Wochenmärkte sorgen für Verluste – auf den wenigen<br />
Marktplätzen herrscht zum Teil gähnende Leere.<br />
Nicht so auf dem Nordmarkt: Den Erfolg möchte die Stadt<br />
Dortmund ausnutzen – ein dritter Markttag soll her. Doch einige<br />
HändlerInnen sehen das kritisch: „Ein dritter Tag wäre für den<br />
Markt fatal“, erzählt ein Markthändler, der seit 40 Jahren auf<br />
dem Nordmarkt Obst und Gemüse verkauft. In seinen Augen<br />
würde ein weiterer Tag letztendlich dazu führen, dass viele<br />
HändlerInnen ihre KundInnen verlieren würden.<br />
Durch einen dritten Markttag sollen die Einnahmen durch<br />
Standgebühren weiter steigen – so sollen dann auch die defizitären<br />
Märkte weiter bestehen bleiben. Doch so ganz scheint<br />
die Rechnung nicht aufzugehen. Die HändlerInnen sorgen sich<br />
um ihre Existenz und befürchten, dass sie auf Dauer Verluste<br />
erleiden müssen.<br />
# 03| Oktober <strong>2017</strong> 11
Bereits die Erhöhung der Standgebühren ist für viele Händler-<br />
Innen eine große Hürde. Inzwischen kostet ein Quadratmeter<br />
Standfläche 1,68 Euro – noch höhere Gebühren waren sogar im<br />
Gespräch. Auch hier sagen die HändlerInnen, dass es zu einem<br />
Rückgang der Anfragen gekommen sei, immer weniger Händler-<br />
Innen hätten einen Standplatz auf dem Wochenmarkt in der<br />
Nordstadt beantragt.<br />
Die Lage bringt für die HändlerInnen ihre eigenen<br />
Probleme mit sich<br />
Grundsätzlich bringt der Wochenmarkt<br />
mit seiner Lage in der Nordstadt<br />
für die HändlerInnen ganz<br />
eigene Probleme mit sich. „Man<br />
merkt auf jeden Fall, wenn es Ende<br />
des Monats ist“, berichtet eine Händlerin,<br />
die sowohl auf dem Nordmarkt,<br />
als auch auf dem Hansaplatz<br />
Eier verkauft, „dann wird es hier<br />
richtig leer.“<br />
Verwunderlich ist das nicht. Die<br />
Nordstadt zieht mit ihren niedrigen<br />
Mieten auch viele finanziell schlechter<br />
gestellte Menschen an. Und da<br />
ist Ende des Monats nicht selten kein Geld mehr übrig. Viele<br />
könnten es sich somit auch nicht erlauben, an einem zusätzlichen<br />
Tag ihr Geld auf dem Wochenmarkt auszugeben.<br />
Auch unter den HändlerInnen ist die Stimmung nicht immer gut.<br />
„Das Niveau ist gesunken“, beschwert sich ein Händler, bei dem<br />
ich Obst kaufe. Damit sind vor allem jene HändlerInnen gemeint,<br />
deren Stände eher unsortierten Grabbeltischen ähneln. Diese<br />
Stände fallen inmitten des bunten Treibens kaum auf, doch sie<br />
sind da. Doch auch hier stehen KundInnen und suchen sich<br />
Sachen aus, unterhalten sich mit<br />
den HändlerInnen in unterschiedlichen<br />
Sprachen.<br />
Wochenmarkt ist wichtig<br />
Wer den Wochenmarkt auf dem<br />
Hansaplatz kennt, wird tatsächlich<br />
drastische Unterschiede erkennen.<br />
Der Markt in der Innenstadt ist ein<br />
grüner Markt, dort gibt es ausschließlich<br />
Lebensmittel und keine<br />
Textilien oder Haushaltswaren. Zu<br />
finden sind dort auch Stände, an<br />
denen Menschen sich auf einen<br />
Kaffee, ein belegtes Brötchen oder<br />
12
Anzeigen<br />
ein Stück Kuchen treffen, sie unterhalten sich darüber,<br />
wie ihre Woche so war.<br />
Vor allem stehen dort viele Menschen, die sich in<br />
der Innenstadt den Luxus eines Einkaufes auf dem<br />
Wochenmarkt gönnen. Im Gegensatz dazu ist der Wochenmarkt<br />
auf dem Nordmarkt kein Luxus - er gehört<br />
zum Alltag dazu und ist eine echte Alternative zum<br />
Supermarkt.<br />
Damit das weiterhin so bleiben kann, ist es wichtig,<br />
dass die Stadt Dortmund sinnvolle Initiativen ergreift,<br />
um die Dortmunder Märkte zu erhalten. Derzeit sind<br />
die Märkte in der Nordstadt und in der Innenstadt<br />
noch gut besucht – das kann nur so bleiben, wenn<br />
auch auf die Meinungen der HändlerInnen Rücksicht<br />
genommen wird.<br />
Mietnebenkostensenker.<br />
Standort Service Plus steht für ein abfallwirtschaftliches,<br />
einheitliches Dienstleistungsspektrum<br />
kommunaler Entsorgungsunternehmen<br />
und dient der Optimierung der Abfallsituation<br />
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Text: Mira Kossakowski<br />
Fotos: Leopold Achilles<br />
3. MARKTTAG<br />
75 Marktstände<br />
Dienstags und freitags ist Markttag in der<br />
Nordstadt. Rund 75 Marktstände gibt es.<br />
Er hat nur eine geringe Händlerfluktuation.<br />
Die überwiegende Mehrheit der Bewerbungen<br />
zielt auf eine Teilnahme mit einem<br />
Textilstand. Hier sind je nach Textilart auch<br />
Wartezeiten über mehrere Jahre möglich.<br />
Diesen Händlern werden aber in der Regel<br />
und im Rahmen einer Rotation Tagesplätze<br />
zur Verfügung gestellt.<br />
Von der Händlerschaft des Nordmarktes<br />
gibt es keine einheitliche Meinungsbildung<br />
für einen dritten Markttag. Händler, die gerne<br />
samstags den Markt beschicken würden,<br />
haben hierbei den privaten Markt an der<br />
Bornstraße als starken Konkurrent nicht<br />
berücksichtigt.<br />
Der Donnerstag ist daher der Favorit. Allerdings<br />
gab es auch Wünsche, den Markt erst<br />
in den Nachmittagsstunden durchzuführen.<br />
# 03| Oktober <strong>2017</strong> 13
Foto: Melanie Huber<br />
Ein Spaziergang durch die Nordstadt:<br />
MIT DEN AUGEN DER ANDEREN<br />
Falak B. (28) aus Aleppo lebt mit ihrer Familie seit 2014 in der Dortmunder Nordstadt.<br />
Ihr Alltag spielt sich in unmittelbarer Nähe des Nordmarkts ab. Bei einem Spaziergang durch die Nordstadt gibt sie der<br />
Autorin Melanie Huber Einblick in ihr Leben.<br />
Falaks Blick auf die Dortmunder Nordstadt ist ein pragmatischer:<br />
„Ich habe hier noch keine Probleme gehabt. Und wo es mir nicht<br />
gefällt, da gehe ich auch nicht hin.“ Sie meint den Nordmarkt, den<br />
sie nur an Markttagen aufsucht. Denn: Obst und Gemüse sind<br />
hier frisch – und die Gurken so, wie die 28-Jährige sie kennt und<br />
mag. „Nicht so dick und wässrig wie im Supermarkt.“<br />
Zusammen mit ihrem Sohn Yousef stehen wir vor einem Obstund<br />
Gemüsestand am oberen Ende des Platzes. Um uns herum<br />
herrscht ein ungestümes Wuseln und Drängen. Ein jeder hat ein<br />
Anliegen, es vermischen sich Sprachen und Gerüche. Dass Falak<br />
die Ecke normalerweise meidet, hat Gründe, die auch mit ihrem<br />
zweijährigen Sohn zusammenhängen: „Der Spielplatz ist nicht<br />
geeignet für Yousef, er ist noch zu klein für die Geräte.“ Zum Spielen<br />
geht es deswegen in den Fredenbaum- oder den Westfalenpark.<br />
Für Falak zieht der Nordmarkt zu viele Trinker an. Trinker<br />
und Drogenabhängige. Ihr fällt immer wieder auf: „Hier nimmt<br />
keiner Rücksicht auf den anderen.“ Sie argumentiert ruhig, ihre<br />
Besorgnis ist jedoch zu spüren. Auch Yousef merkt das. Er ist ein<br />
aufgeweckter Junge, der seine schwangere Mutter aufmerksam<br />
im Blick behält. Sobald Falak ihre Handtasche abstellt, ist er zur<br />
Stelle, hält die Tasche, wacht über sie. Erst als wir den Markt in<br />
Richtung Clausthaler Straße verlassen, entspannen sich beide.<br />
Obwohl Falak die Lebendigkeit einer Großstadt liebt, waren es für<br />
heute dann doch zu viele Menschen. „Aber hier bekommt man<br />
alles“, erklärt Falak. „Essen, Kleidung, Küchensachen. Auch Kopftücher<br />
– schöne sind nämlich so schwer zu finden.“<br />
Für unseren Spaziergang durch Falaks Viertel haben wir uns<br />
einen heißen Tag ausgesucht. Die Mittagssonne brennt auf die<br />
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Häuserwände, macht sie glänzend. Yousef und ich tragen kurze<br />
Hosen und Shirts. Falak trägt geschlossene Schuhe, lange Jeans,<br />
eine langärmelige Bluse und ein Kopftuch. „Ist dir nicht warm?“,<br />
frage ich und frage voller Neugier. Falak lacht. Ihre Augen strahlen,<br />
sie sagt: „Wenn man an etwas glaubt, dann macht man es<br />
gerne.“ Falak ist Kurdin und gläubige Muslima. Sie sagt, sie habe<br />
das für sich entschieden, aber sie sagt auch: „Jeder entscheidet<br />
für sich. Egal, an was man glaubt.“ Es sind Sätze, die mich beeindrucken.<br />
Ich höre ihr gerne zu, ihre Sprache ist angenehm und<br />
klar. Falak hat vor Kurzem ihre C1-Sprachprüfung abgelegt.<br />
In Aleppo hat sie arabische Sprache und Literatur auf Lehramt<br />
studiert, sie konnte nur sechs Monate in ihrem Beruf arbeiten,<br />
bevor sie fliehen musste. Wenn sie ihr zweites Kind bekommen<br />
hat, möchte sie auch wieder arbeiten. Im Bereich Soziale Arbeit<br />
vielleicht, dafür würde sie auch wieder studieren.<br />
Schwierig: die Sprache, die Gewohnheiten und vor<br />
allem: die Bürokratie<br />
Seit 2014 leben sie und ihr Mann in Deutschland. Syrien<br />
verließen sie 2012. Ihr Weg führte sie über den Libanon, die<br />
Türkei, Bulgarien. Zwei Jahre, die sie mir später anhand von<br />
Fotos darzustellen versucht – ich fühle die Härte der Bilder, die<br />
Anstrengungen der Flucht, verstehe sie aber nicht. Sie zeigt mir<br />
ein Video, das ihre Schwester, die noch in Syrien lebt, aufgenommen<br />
hat: Eine komplett zerstörte Straße im Zentrum von Aleppo,<br />
bröckelnde Mauern, Eisenstäbe, lose Gegenstände auf dem<br />
Boden. Grau ist eine dominierende Farbe. Plötzlich sagt Falak:<br />
„Schau. Das ist meine Wohnung. Das ist mein Notizblock, meine<br />
Kassetten, meine Bücher. Und das war meine Küche.“ Ich sehe<br />
kaputte Dinge, ich sehe keine Küche. Und dann kommt Yousef<br />
auf mich zu mit einer Seifenblasendose in der Hand und strahlt,<br />
will spielen…<br />
An der Clausthaler Straße Ecke Bergmannstraße bleiben wir<br />
abrupt stehen. Yousef hat etwas entdeckt. Aufgeregt zeigt er mit<br />
dem Finger zum Horizont in Richtung Burgholzstraße. Kurz<br />
darauf beginnt er auf der Stelle zu laufen, seine kleinen Füße<br />
trampeln schnell. Als er merkt, dass es nicht weiter geht, dreht er<br />
sich halb nach hinten, schaut zu seiner Mutter auf. Falak lacht:<br />
„Er denkt, wir müssen zur Bahn laufen. Denn manchmal müssen<br />
wir uns beeilen, um die U-Bahn noch zu bekommen.“ Von Weitem<br />
ist die Haltestelle Lortzingstraße zu sehen, und auch, dass<br />
eine Bahn in Richtung Stadtmitte einfährt. Yusuf hat sie gehört,<br />
noch bevor sie zu sehen war. „Er liebt das“, erzählt seine Mutter.<br />
„Straßenbahnen, Autos, Motorräder. Ich wünsche mir für ihn,<br />
dass er sich das behält. Und vielleicht wird er einmal Ingenieur.“<br />
Gesprochen wird auf Kurdisch, Arabisch, Deutsch.<br />
„Das ist immer gemischt“<br />
Die Bahn fährt los, Yousef hat sich satt gesehen, es geht weiter.<br />
Die Bergmannstraße Ecke Alsenstraße mag Falak gerne. Es ist<br />
ruhig, da stehen Bäume, Einkaufsmöglichkeiten sind um die<br />
Ecke und eine Moschee gibt es auch – Vorstadtidyll. Yousef läuft,<br />
will alles sehen, alles zeigen. Falak erzählt von ihrer ersten Zeit<br />
in Deutschland. Wie erleichtert sie und ihr Mann waren, hier<br />
angekommen zu sein, wie schwierig es aber auch war: die Sprache,<br />
die Gewohnheiten und vor allem: die Bürokratie. Die Caritas<br />
half ihr und deutsche Freunde, die sie dort kennen gelernt hatte.<br />
Auch für ihre Nachbarn, die aus Syrien, der Türkei und anderen<br />
Nationen kommen, ist sie dankbar: „Sie sind so hilfsbereit. Das<br />
ist schön.“<br />
Wir sind ein ganzes Stück vorangekommen, wir gehen an der<br />
Mallinckrodtstraße vorbei und biegen in die Bornstraße ein –<br />
gut, um Essen zu gehen, bemerkt Falak. Unterwegs treffen wir<br />
Bekannte von Falak. Die Begrüßungen sind herzlich, gesprochen<br />
wird auf Kurdisch, Arabisch, Deutsch. „Das ist immer gemischt“,<br />
erklärt Falak. „Ganz normal, dass sich arabische Wörter ins Kurdische<br />
schleichen. Mein Mann kann auch etwas Türkisch – und<br />
Yousef lernt drei Sprachen.“<br />
Wir sind an ihrer Wohnung angekommen. Es ist ruhig, der Wind<br />
geht leicht. Ich frage, ob es Falak hier gefällt. Sie sagt: „Ich mag<br />
die Nordstadt.“ Nur wegen ihrer Kinder habe sie Bedenken. Sie<br />
möchte die beste Ausbildung, die beste Zukunft für Yousef und<br />
das noch ungeborene Kind. Und die sieht sie hier in der Nordstadt<br />
noch nicht. Ob sie sich unsicher fühlt in der Nordstadt,<br />
will ich wissen. Es war das erste, das man mir sagte, als ich im<br />
Juli nach Dortmund zog: „Geh nachts nicht durch die Nordstadt.<br />
Vor allem nicht allein.“ Falak nickt. Das habe man ihr auch<br />
gesagt: „Aber das waren vor allem Deutsche.“ Sie fühle sich hier<br />
sicher. „In jedem Stadtteil gibt es Probleme – aber dafür gibt es<br />
ja auch die Polizei.“ Falak vertraut auf das deutsche System. Auf<br />
Ordnung und dann doch: auf die Bürokratie. „Das ist hier klar<br />
geregelt, und das ist gut.“<br />
Melanie Huber berichtet für „stadt.land.text“ vier Monate lang<br />
aus Dortmund über die Kulturregion Ruhrgebiet. Ihre Texte sind auf<br />
dem Blog stadt-land-text.de zu lesen.<br />
„al-madina asch-schamaliye" - „nördliche Stadt“<br />
# 03| Oktober <strong>2017</strong> 15
ADVENTSKALENDER<br />
BORSIGPLATZ<br />
ÖFFNET TÜRCHEN<br />
In die zweite Runde geht die Weihnachtsmetzgerei. Auch die<br />
Stadtbahnlinie U44 wird erneut bespielt. Es gibt eine schwarzgelbe<br />
Nikolausfeier und das Hoeschmuseum lädt zur Familienführung.<br />
Mehr wird an dieser Stelle noch nicht verraten.<br />
Adventskalender erfreuen sich<br />
großer Beliebtheit. Zumeist sind<br />
darin 24 süße Leckereien. Nicht so<br />
beim Adventskalender Borsigplatz: Hinter den Türchen finden<br />
sich 24 Veranstaltungen. Zum fünften Mal erscheint dieser<br />
besondere Kalender in einer Auflage von 2000 Stück, bei dem<br />
sich nicht nur Türchen, sondern auch ganz reale Türen und Tore<br />
öffnen. Viele Institutionen, Gruppen und Vereine machen mit.<br />
Neue Weihnachtsbeleuchtung<br />
Am 1. Dezember wird zudem die neue Adventsbeleuchtung<br />
eingeschaltet. Rund 20.000 Euro haben Wohnungswirtschaft,<br />
Stadtbezirksmarketing und Sparkasse in die neue „mitwachsende"<br />
Baumbeleuchtung investiert, mit der alle 29 Platanen im<br />
Inneren des Kreisverkehr illuminiert werden.<br />
Wenn die Veranstaltungen beginnen, hat einer seine Arbeit<br />
längst getan: Tobias Marx. Er hat zum fünften Mal das Titelbild<br />
für den Kalender gestaltet. Der Geschäftsführer des Nordstadt-<br />
Büros des Ordnungsamtes kehrt thematisch auf den Borsigplatz<br />
zurück. Der Kalender bildet ein Kontrastprogramm zu seinem<br />
Beruf: Die Problemhäuser, mit denen er sonst zu tun hat, schaffen<br />
es nicht auf die Kalender. Im Mittelpunkt stehen die schönen<br />
Seiten: Borsigplatz, Hoeschpark, Freibad Stockheide und Hoeschmuseum<br />
hat er in winterlicher Atmosphäre gezeichnet.<br />
Wiedererkennung ist wichtig<br />
Für den Kalender müssen es Orte mit Wiedererkennungswert<br />
sein. Doch er nimmt sich immer auch die künstlerische Freiheit,<br />
die Motive anzupassen. „Ich versuche immer, witzige, amüsante<br />
und bunte Szenen zu gestalten“, berichtet Marx.<br />
Zum ersten Mal macht der Hoeschpark-Verein Appetit auf die<br />
Vorweihnachtszeit. Gleich am 2. Dezember öffnen die Mitglieder<br />
die Kühlschrank-Tür, holen die Würstchen hervor und packen<br />
sie auf den Grill. Und wie sich das gehört, wird diese kulinarische<br />
Einladung für den Hoeschpark ausgesprochen.<br />
Vor der DoBo-Villa, dem ehemaligen Sportlertreff, freuen sich<br />
die Hoeschpark-FreundInnen ab 18 Uhr auf viele Gäste, die die<br />
schweinefleischfreien Würstchen mit ihnen essen wollen.<br />
Claudia Schmälter, Wirtin der DoBo-Villa, reicht dazu heiße<br />
Getränke. Die Einladung zum Adventsgrillen ist eine gute Gelegenheit,<br />
um sich über die Zukunft des Parks und des Freibads<br />
zu informieren und gemeinsam Ideen zu sammeln. Weil es eine<br />
Einladung ist, muss der Gast für Speis' und Trank nichts zahlen.<br />
Tobias Marx gestaltet die Kalendermotive – Foto: Alex Völkel<br />
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Foto: Dietmar Wäsche<br />
Auch die BVB-Trainer hat er in die bisherigen Bilder hinein gemogelt.<br />
Klopp und Tuchel hat er in früheren Kalendern verewigt.<br />
„Mit dem neuen Trainer tue ich mich noch etwas schwer.“<br />
Er sorgt für Lokalkolorit und Lacher, wenn er den „Kleinsten<br />
Weihnachtsbaum nördlich des Bahnhofs“ als Anspielung auf<br />
die größte Tanne in der City malt sowie einen Verkaufsstand<br />
für „Dönerstollen“ ins Bild einbaut. Auch Polizei und Ordnungsamt<br />
finden sich in den Bildern: „Aber ich habe mich nie selbst<br />
ins Bild gemalt, auch wenn dies häufig unterstellt wird“, betont<br />
Marx. Stattdessen sieht man die Polizei auf Verbrecherjagd:<br />
„Meistens sind sie auf dem Dach auf der Jagd.“ Aber auch andere<br />
KollegInnen, zum Beispiel die Müllmänner der EDG, schaffen es<br />
ins Bild.<br />
Gesichter - vor allem wiedererkennbare - sind nicht so seine<br />
starke Seite. Porträtmaler würde Marx nie: „Mit Personen tue ich<br />
mich schwer. Portraits kann ich so gar nicht. Ich bleibe bei meinen<br />
Leisten“ Zum Glück müsse er ja auch nicht mit Malen sein<br />
Geld verdienen. Noch besteht keine Gefahr, dass er als Amtsrat<br />
beim Ordnungsamt nichts mehr zu tun haben könne:<br />
Irgendwas ist ja immer“, sagt Marx.<br />
Positive Entwicklungen<br />
Doch er sieht die positive Entwicklungen - gerade auch bei den<br />
Problemhäusern. 110 waren es auf seiner Liste. Aktuell sind es<br />
„nur“ noch 70. Der Trend zum Positiven halte an. Den Bildern ist<br />
die Wertschätzung des Quartiers und der Menschen anzusehen.<br />
Die Buntheit und die Altbauten machen für Marx den Reiz des<br />
Quartiers aus.<br />
„Den Hoeschpark aber auch den Platz als solchen mag ich.“ Dennoch<br />
wird es für ihn immer schwerer, Motive zu finden. Denn<br />
die Zahl der wiedererkennbaren Plätze, Gebäude und Orte im<br />
Borsigplatzquartier sind überschaubar. „Es gibt aber auch andere<br />
reizvolle Ecken in der Nordstadt, die ich gerne zeichnen würde“,<br />
verrät Marx.<br />
Doch jetzt konzentriert er sich erst mal auf sein zweites Borsigplatz-Motiv,<br />
damit ihm dies auch so gut gelingt wie das erste<br />
vor fünf Jahren. Die Leute sollen den Kalender weiter auch als<br />
Sammler-Objekt sehen. Es soll Leute geben, die den Kalender als<br />
Nordstadt-Souvenir begreifen: Sie besorgen sich immer gleich<br />
zwei: einen als Sammlerstück und einen zum Türen-Öffnen.<br />
Text: Alex Völkel<br />
# 03| Oktober <strong>2017</strong> 17
EIN VIELSCHICHTIGES ZENTRUM FÜR EINEN GLÄNZENDEN WERKSTOFF<br />
DEM LACK SEIN MUSEUM<br />
Wenn ein Museum als das „Deutsche“ firmiert, geht es um die<br />
nationale Bedeutung, eine Einmaligkeit oder auch um das erste<br />
seiner Art. Davon gibt es in Dortmund einige. Das Deutsche Fußballmuseum<br />
ist natürlich das bekannteste. Ebenfalls beliebt: Die<br />
seit 1993 bestehende Deutsche Arbeitsschutzausstellung (DASA)<br />
sowie das Deutsche Kochbuchmuseum - 1988 gegründet. Aber<br />
kennen Sie das Deutsche Industrielack-Museum schon?<br />
Es wurde vor mehr als sechs Jahren von einer kleinen Gruppe<br />
Ehrenamtlicher gegründet. Die kleine Einrichtung in der Nordstadt<br />
macht sich, zumindest in der Branche, einen Namen. Um<br />
das zu unterstreichen, trägt das erste Industrielack-Museum seit<br />
kurzem das „Deutsche“ im Namen. Ein Blick hinein kann sich<br />
lohnen, für Fachleute wie für Laien.<br />
Das noch im Aufbau befindliche Museum im Hafen ist eine Stätte,<br />
die BesucherInnen den Industrielack in allen Facetten näher<br />
bringen möchte. Ferner kann es Fachleuten, Azubis und SchülerInnen<br />
als Ort der Recherche und Forschung dienen. Darüber<br />
hinaus möchten die Macher ihrer umfangreichen Sammlung<br />
einen repräsentativen Rahmen geben.<br />
Ort des Museum ist über der Firma „Kaddi Lack“<br />
Die wenigsten Aktiven haben dabei vorher mit Industrielack beruflich<br />
zu tun. Auch nicht Kurator Volker Bach: Er hatte zwar früher<br />
nichts mit Lack am Hut, wohl aber mit Ausstellungstechnik.<br />
Als ehrenamtlicher Kustode ist er der Mann der ersten Stunde.<br />
Der fachgerechte Um- und Ausbau der Räume und die Präsentation<br />
der Exponate basiert auf seiner beruflichen Erfahrung. Die<br />
auf wissenschaftlichen Standards beruhende Dokumentation<br />
sämtlicher Artefakte ist eine seiner Hauptaufgaben.<br />
Museumsleiter Thomas Grüner hingegen ist Lack-Experte: Seit<br />
seiner Berufsausbildung ist er fasziniert von den Werkstoffen<br />
Lack und Farbe. Konsequent lebt er seine Passion als Inhaber der<br />
Manufaktur für Industrielacke namens „Kaddi Lack“ in Dortmund.<br />
Die Gründung des Museums auf seinem Firmengelände war der<br />
nächste Schritt, um ein museales Info-Angebot zu schaffen:<br />
Wissenswertes über Industrielack in all seinen Facetten. Von<br />
alchemistisch anmutenden Rezepten der Vergangenheit bis hin<br />
zur modernen Produktionstechnik.<br />
Viele hatten mit Lack nichts am Hut<br />
Doch ohne den Laien in Sachen Lack, Volker Bach, hätte es das<br />
Museum nie gegeben. „Er hat mich davon überzeugt, dass ich ein<br />
Museum will“, sagt Grüner. „Er kann Leute begeistern.“ Langsam<br />
und stetig wächst der Verein.<br />
So sind auch andere Aktive wie Heinz Petermeier dazu gekommen.<br />
Man kennt sich aus dem Chor - jetzt ist der gelernte Kaufmann<br />
Vereinskassierer. Auch Hans-Jörg Marin ist über freundschaftliche<br />
Kontakte dazu gestoßen: „Es ist spannend, wie sich<br />
das Museum entwickelt. Es gibt viele Stolpersteine und Herausforderungen.<br />
Das reizt mich.“<br />
Ebenfalls ein Fachmann ist Gerhard B. Pausch. Der Messtechnik-<br />
Spezialist hat eine umfangreiche Geräte-Sammlung, die in einem<br />
weiteren Bauabschnitt ausgestellt werden soll. Für sie suchte er<br />
ein Zuhause. Auch von seinen Branchenkontakten kann der<br />
kleine Verein profitieren.<br />
35 Mitglieder hat er derzeit - doch nicht jedes Mitglied kann mitarbeiten,<br />
weil sie teilweise in ganz Deutschland verstreut sind.<br />
Überraschend: Nur ein Drittel ist aus der Branche.<br />
Zukunftsträchtige Branche<br />
Ihr Ziel ist ein gemeinsames: Sie wollen einen Ort schaffen, der<br />
die Aufmerksamkeit auf eine kleine, aber zukunftsträchtige<br />
Branche lenkt. Denn LacklaborantInnen sind gefragt. Daher will<br />
sich das Museum auch an SchülerInnen richten.<br />
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„Wer nicht studieren möchte, sich aber für Naturwissenschaften<br />
interessiert, kann als Lacklaborant einen zukunftssicheren<br />
und gut bezahlten Beruf finden“, betont<br />
Museumsleiter Thomas Grüner. In der Region gibt es viele<br />
Firmen, die diese Laboranten händeringend suchen. Das<br />
gilt auch für IngenieurInnen aus diesem Bereich. Um im<br />
Fachjargon zu bleiben: „Es gibt keine matten, sondern<br />
glänzende und vielschichtige Berufsaussichten“, betont<br />
Grüner.<br />
Wer zum Thema forschen möchte, findet im Museum viel<br />
zu lesen. „Wir haben eine umfangreiche Bibliothek“, wirbt<br />
Grüner. Schritt um Schritt wächst das kleine Museum.<br />
Es spricht sich herum, vor allem in der Branche. Es gibt<br />
schon einige Kooperationen.<br />
Das macht sich auch bei den zur Verfügung gestellten<br />
Exponaten bemerkbar: So sind beispielsweise in der<br />
Ausstellung zwei Steinschlagprüfgeräte zu sehen. Eins<br />
war zuvor in einem BMW-Werk im Einsatz. Der Autobauer<br />
hätte das Gerät gerne in sein Museum übernommen.<br />
Allerdings hat die Eigentümerin, die Firma Chemetall,<br />
dem BMW-Museum eine Absage erteilt und das Exponat<br />
dem Deutschen Industrielack-Museum in Dortmund zur<br />
Verfügung gestellt.<br />
Vermittlung der Faszination<br />
Wer jetzt glaubt, dass das Museum nur etwas für Experten<br />
ist, sieht sich getäuscht. Denn Bach und Grüner verstehen<br />
es, während der Führungen die Faszination des Werkstoffs<br />
zu vermitteln. Eine Branche, in der Deutschland<br />
Weltmarktführer ist. Ohne Industrielacke würde das<br />
Automobil, des Deutschen liebstes Kind, nicht so glänzen.<br />
Ohne Lack würde es auch keine Windkraftanlagen geben:<br />
Regentropfen treffen mit bis zu 350 Stundenkilometern<br />
auf die Rotorblätter. „Steter Tropfen höhlt den Stein“,<br />
erinnert Bach an ein Sprichwort. Damit dies nicht passiert<br />
und die Rotoren keinen Schaden nehmen, benötigt es<br />
hochwertigste Industrielacke. Nur zwei von vielen Beispielen,<br />
mit denen das Museum auf die Faszination Lack<br />
aufmerksam machen will.<br />
Daher rettet der Verein nun auch die britische Telefonzelle<br />
vor der Vergessenheit: Das Geschenk der englischen Partnerstadt<br />
stand über Jahrzehnte auf dem Platz von Leeds.<br />
Vor mehr als elf Jahren wurde sie im Zuge des Umbaus auf<br />
einen Betriebshof gestellt, rostete vor sich hin und geriet<br />
in Vergessenheit. Nun soll sie in der Drehbrückenstraße<br />
eine neue Heimat bekommen - inklusive einer Restaurierung<br />
und einer neuen roten Lackierung. Denn abblätternder<br />
Lack - das wäre den Ehrenamtlichen doch ziemlich<br />
peinlich.<br />
Text und Foto: Alex Völkel<br />
Deutsches Industrielack-Museum<br />
Drehbrückenstraße 13 | 44147 Dortmund<br />
T: 0231 - 1 77 00 88 | info@industrielack-museum.de<br />
www.industrielack-museum.de<br />
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# 03| Oktober <strong>2017</strong> 19
GESUCHT!<br />
„Engel der Nordstadt“<br />
Wer kennt sie nicht: Die guten Seelen von nebenan, die<br />
sich selbstlos um Menschen in der Nachbarschaft kümmern.<br />
Oder Ehrenamtliche, die sich in Vereinen für das<br />
Wohl anderer engagieren. Gerade in der Nordstadt sind<br />
viele dieser Menschen aktiv.<br />
Auch <strong>2017</strong> werden wieder Menschen gesucht, die für ihr<br />
soziales Engagement in der Nordstadt ausgezeichnet werden<br />
sollen. Es umfasst z.B. nachbarschaftliche Unterstützung<br />
im Alltag, Förderung von Kindern und Jugendlichen<br />
durch Sport und Bildungsangebote oder Aktivitäten, die<br />
ein positives Image der Nordstadt bewirken. Jedes einzelne<br />
Engagement ist dabei ein Gewinn für den Stadtteil und<br />
seine Bewohnerschaft. Dieses herauszuarbeiten und zu<br />
würdigen ist Anliegen der Auszeichnung mit dem „Engel<br />
der Nordstadt“.<br />
Das Quartiersmanagement Nordstadt nimmt bis zum 27.<br />
November Vorschläge entgegen. Übrigens: Die Nordstadtblogger<br />
sind damit 2014 ausgezeichnet worden.<br />
Infos und Kontakt: www.nordstadt-qm.de<br />
Foto: Oliver Schaper<br />
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