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Neue Partizipationsformen in der Schweiz

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<strong>Neue</strong> <strong>Partizipationsformen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong><br />

Die Beteiligung <strong>der</strong> breiten Bevölkerung an formellen politischen Prozessen ist<br />

essentiell für das Funktionieren e<strong>in</strong>er demokratischen Gesellschaft. In jüngster<br />

Vergangenheit kann jedoch festgestellt werden, dass Partizipation auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong><br />

zunehmend zur Herausfor<strong>der</strong>ung wird: Die Beteiligung <strong>der</strong> Bevölkerung an politischen<br />

Prozessen ist <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auf lokaler und regionaler Ebene tief und viele Geme<strong>in</strong>den<br />

bekunden Mühe, politische Ämter zu besetzen.<br />

Trotz dieser Schwierigkeiten kann e<strong>in</strong> Aufkommen an alternativen, eher <strong>in</strong>formellen<br />

<strong>Partizipationsformen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> festgestellt werden ‐ wenn auch mit e<strong>in</strong>er<br />

gewissen zeitlichen Verzögerung im Vergleich zu an<strong>der</strong>en europäischen Län<strong>der</strong>n.<br />

Insbeson<strong>der</strong>e bei Themen, welche über e<strong>in</strong> hohes Konfliktpotential verfügen, wird<br />

zunehmend <strong>der</strong> Anspruch gestellt, dass die Beteiligung <strong>der</strong> vom Gegenstand direkt<br />

o<strong>der</strong> <strong>in</strong>direkte Betroffenen gewährleistet ist. Dies vermag auf den ersten Blick zu<br />

erstaunen, verfügt die <strong>Schweiz</strong> doch über stark ausgebaute und etablierte<br />

direktdemokratische Mitsprachemöglichkeiten auf allen politischen Ebenen. Unser<br />

Forschungsprojekt untersucht die neuen, alternativen <strong>Partizipationsformen</strong>.<br />

In unserem Verständnis zielen alternative <strong>Partizipationsformen</strong> entwe<strong>der</strong> darauf ab,<br />

Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger <strong>in</strong> politische Entscheidungsprozesse e<strong>in</strong>zubeziehen bei<br />

Fragen, bei denen dies bisher nicht <strong>der</strong> Fall war. O<strong>der</strong> sie zielen darauf ab, Personen zu<br />

politischen Fragen anzuhören, welche aus bürgerrechtlichen Gründen vom<br />

direktdemokratischen Prozess ausgeschlossen s<strong>in</strong>d (Jugendliche unter 18 Jahren sowie<br />

Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong>nen und Auslän<strong>der</strong>). Es gibt verschiedene Formen von<br />

Partizipationsmöglichkeiten, welche <strong>der</strong>zeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> beobachtbar s<strong>in</strong>d, so z.B.<br />

Bürgerforen, Zukunftskonferenzen, World Cafés o<strong>der</strong> professionell geleitete<br />

Bürgersem<strong>in</strong>are. Viele Geme<strong>in</strong>den bekunden aus eigenem Antrieb Interesse an solchen<br />

alternativen <strong>Partizipationsformen</strong>.<br />

In unsererForschungbeschränkenwirunsaufoffeneBeteiligungsverfahren, d.h. die<br />

Möglichkeit e<strong>in</strong>er Teilnahme muss <strong>der</strong> breiten Bevölkerung offen stehen. Die<br />

sogenannte Stakehol<strong>der</strong>‐Partizipation, wo beispielsweise nur BehördenvertreterInnen<br />

o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelne Interessenverbände angehört werden, berücksichtigen wir nicht. Ferner<br />

wird <strong>der</strong> Fokus auf jene Mitwirkungsrechte gelegt, welche e<strong>in</strong>e tatsächliche<br />

Mitbestimmung <strong>der</strong> Teilnehmenden vorsehen. Re<strong>in</strong> konsultative o<strong>der</strong> <strong>in</strong>formative<br />

Prozesse (wie z.B. e<strong>in</strong> Informationsabend o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Podiumsdiskussion) werden<br />

dadurch von <strong>der</strong> Untersuchung ausgeschlossen.


Das Forschungsprojekt verfolgt zwei Ziele: In e<strong>in</strong>em ersten Schritt sollen sämtliche<br />

<strong>Schweiz</strong>er Geme<strong>in</strong>den eruiert werden, welche bereits alternative<br />

Partizipationsprozesse durchgeführt haben. Aufbauend auf dieser deskriptiven<br />

Auslegeordnung sollen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em zweiten Schritt Geme<strong>in</strong>den für vertiefte qualitative<br />

Fallstudien ausgewählt werden. Wir <strong>in</strong>teressieren uns sowohl für die Gründe, weshalb<br />

sich e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>de für e<strong>in</strong>e alternative Partizipationsform entscheidet, wie auch für<br />

die Auswirkungen solcher <strong>Partizipationsformen</strong> auf die lokale Politik. Hier stellt sich<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die Frage, wie alternative <strong>Partizipationsformen</strong> im Verhältnis zur<br />

etablierten direkt‐demokratischen Entscheidungsf<strong>in</strong>dung auf lokaler Ebene stehen.<br />

Partizipation <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule: School Governance und<br />

Laienpartizipation<br />

Dieses Teilprojekt untersucht den Wandel <strong>der</strong> Laienpartizipation im Kontext <strong>der</strong><br />

Professionalisierung <strong>der</strong> Führungsstrukturen <strong>in</strong> <strong>der</strong> schweizerischen Volksschule. In<br />

den meisten <strong>Schweiz</strong>er Kantonen wurden im Rahmen <strong>der</strong> Teilautonomisierung<br />

professionelle Schulleitungen mit operativen Steuerungskompetenzen e<strong>in</strong>geführt.<br />

Damit stellt sich die Frage nach <strong>der</strong> Zukunft lokaler Laienkommissionen, die <strong>in</strong> vielen<br />

Kantonen bis anh<strong>in</strong> die Führung <strong>der</strong> Volksschule <strong>in</strong>nehatten. Zudem verän<strong>der</strong>t sich die<br />

Führung <strong>der</strong> Volksschule <strong>in</strong> jüngster Zeit dadurch, dass sich vielerorts Elterngremien<br />

etablieren. Ziel des Projekts ist es, h<strong>in</strong>sichtlich bei<strong>der</strong> <strong>Partizipationsformen</strong> (lokale<br />

Kommissionen und Elterngremien) zu klären, <strong>in</strong> welchem Verhältnis<br />

Professionalisierung und Laienbeteiligung stehen und wie <strong>der</strong> Wandel <strong>der</strong><br />

Laienpartizipation von zentralen Akteuren im Bildungswesen beurteilt wird. Es<br />

werden zum e<strong>in</strong>en qualitative Fallstudien <strong>in</strong> vier Kantonen durchgeführt, um den<br />

Wandel <strong>der</strong> Laienpartizipation – ausgelöst durch die Reform <strong>der</strong> School Governance –<br />

zu untersuchen. Zum An<strong>der</strong>en wird <strong>in</strong> allen 26 Kantonen mittels e<strong>in</strong>er repräsentativen<br />

Erhebung zur Interaktion zwischen Schulleitungen, Schulkommissionen,<br />

Elternvertretungen und Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>äten geprüft, ob die Ergebnisse <strong>der</strong> qualitativen<br />

Fallstudien für die gesamte <strong>Schweiz</strong> generalisierbar s<strong>in</strong>d.<br />

Projektleitung: Nico van <strong>der</strong> Heiden<br />

Projektmitarbeitende: Patricia Buser<br />

2


Partizipation <strong>in</strong> <strong>der</strong> Raumplanung<br />

In <strong>der</strong> Raumplanung gew<strong>in</strong>nen alternative Partizipationsverfahren auf lokaler und<br />

regionaler Ebene zunehmend an Bedeutung im Entscheidungsf<strong>in</strong>dungsprozess.<br />

Obwohl bei Planungen anhand gesetzlich vorgeschriebenem E<strong>in</strong>spracherecht und<br />

<strong>in</strong>formativem, respektive konsultativem E<strong>in</strong>bezug <strong>der</strong> Bevölkerung, e<strong>in</strong> stark<br />

ausgebautes Instrumentarium an direktdemokratischen Mitteln besteht, setzt e<strong>in</strong>e<br />

stark wachsende Anzahl Geme<strong>in</strong>den ergänzend auf <strong>in</strong>formelle Mitwirkungsverfahren.<br />

Die Öffentlichkeit wird dabei <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel bereits im Anfangsstadium des<br />

Planungsprozesses mit e<strong>in</strong>bezogen. Bewohner<strong>in</strong>nen und Bewohnern wird durch die<br />

Entwicklung e<strong>in</strong>es Leitbildes, aber oftmals auch bei <strong>der</strong> Ortsplanung selbst, im Rahmen<br />

<strong>der</strong> übergeordneten Vorgaben (Ziele und Grundsätze <strong>der</strong> Raumplanung,<br />

übergeordnete Richtpläne), die Möglichkeit <strong>der</strong> direkten E<strong>in</strong>flussnahme an <strong>der</strong><br />

Gestaltung ihres unmittelbaren Lebensraumes geboten. Häufig werden für die<br />

Organisation und Durchführung <strong>der</strong> geleiteten Verfahren zur Vermeidung von<br />

Interessenskonflikten externe Beratungsfirmen beauftragt. Ziel des Teilprojekts ist es<br />

zum e<strong>in</strong>en, e<strong>in</strong>e Übersicht zur gesamtschweizerischen Situation <strong>der</strong> alternativen<br />

Partizipationsverfahren im Bereich <strong>der</strong> Raumplanung zu erhalten, zum an<strong>der</strong>en<br />

werden Geme<strong>in</strong>den ausgewählt und mittels qualitativer Fallstudien vertieft betrachtet.<br />

In <strong>der</strong> qualitativen Untersuchung werden Gründe für die Anwendung dieser neuen<br />

alternativen Verfahren <strong>in</strong> <strong>der</strong> Raumplanung erörtert und es wird auf <strong>der</strong>en Verhältnis<br />

zu den formellen <strong>Partizipationsformen</strong> e<strong>in</strong>gegangen.<br />

Projektleitung: Nico van <strong>der</strong> Heiden<br />

Projektmitarbeiten<strong>der</strong>: Fre<strong>der</strong>ic Häner<br />

Partizipation von Jugendlichen<br />

Das Projekt untersucht Geme<strong>in</strong>den <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>, welche offene<br />

Beteiligungsverfahren für Jugendliche anbieten. Wir <strong>in</strong>teressierenunsfolglichfür Beteiligungsverfahren für jene Personen, welche aus bürgerrechtlichenGründennoch nicht am direktdemokratischen Prozess teilhaben dürfen. Wir betrachten jedoch nur<br />

diejenigen Mitwirkungsverfahren, welche tatsächlich e<strong>in</strong>e Mitbestimmung <strong>der</strong><br />

Jugendlichen vorsehen, z.B. Jugendparlamente mit eigener Budgetverantwortung.<br />

In e<strong>in</strong>em ersten deskriptiven Schritt soll e<strong>in</strong>e Übersicht über die <strong>in</strong> <strong>Schweiz</strong>er<br />

Geme<strong>in</strong>den vorhandenen K<strong>in</strong><strong>der</strong>‐ und Jungendparlamente gewonnen werden. Es soll<br />

abgebildet werden, wie sich diese <strong>in</strong> ihrer Ausgestaltungsform und <strong>in</strong> Bezug auf ihre<br />

3


politischen Mitsprachemöglichkeiten unterscheiden. In e<strong>in</strong>em zweiten Schritt werden<br />

mittels qualitativer Fallstudien vertiefte Erkenntnisse dazu gewonnen, weshalb<br />

Geme<strong>in</strong>den solche K<strong>in</strong><strong>der</strong>‐ und Jugendparlamente anbieten und welches die<br />

Auswirkungen dieser Partizipationsgremien für die lokale Politik s<strong>in</strong>d.<br />

Projektleitung: Nico van <strong>der</strong> Heiden<br />

Projektmitarbeitende: N<strong>in</strong>a Blaser<br />

Partizipation von Auslän<strong>der</strong>n und Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong>nen<br />

Ausländische Bewohner<strong>in</strong>nen und Bewohner <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> s<strong>in</strong>d bis zu e<strong>in</strong>er allfälligen<br />

E<strong>in</strong>bürgerung ebenfalls vom politischen Prozess ausgeschlossen. Im letzten Teilprojekt<br />

<strong>in</strong>teressieren wir uns für die Beteiligungsverfahren, welche den ausländischen<br />

Bewohner<strong>in</strong>nen und Bewohnern offenstehen. Dabei s<strong>in</strong>d zwei Verfahren denkbar. Zum<br />

E<strong>in</strong>en spezifische <strong>Partizipationsformen</strong>, welche direkt auf die Mitwirkung dieser<br />

Bevölkerungsgruppe abzielen, an<strong>der</strong>erseits können aber auch deliberative Verfahren,<br />

die nicht direkt die Beteiligung von Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong>nen und Auslän<strong>der</strong>n zum Ziel haben,<br />

diesen aber offen stehen, daraufh<strong>in</strong> untersucht werden, <strong>in</strong>wiefern dort tatsächlich e<strong>in</strong>e<br />

Mitsprache <strong>der</strong> nicht stimmberechtigten Bevölkerung stattf<strong>in</strong>det und welches die<br />

Auswirkungen e<strong>in</strong>es dadurch vergrösserten Demos auf die lokale Politik s<strong>in</strong>d.<br />

Projektleitung: Nico van <strong>der</strong> Heiden<br />

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