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Zukunft Geist 2016

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<strong>2016</strong><br />

ZUKUNFT<br />

GEIST<br />

Das Magazin für Studierende der <strong>Geist</strong>es- und Kulturwissenschaften<br />

VON IT BIS JAZZ<br />

DIE VIELFALT DER GEISTESWISSENSCHAFTEN<br />

SELBSTSTÄNDIGKEIT –<br />

EINE GUTE PERSPEKTIVE?<br />

PASSION, PATIENCE<br />

& PRAGMATISM<br />

ZU GAST BEI DOKUMENTARFILMREGISSEUR<br />

ARNE BIRKENSTOCK<br />

MUT ZUR<br />

MITBESTIMMUNG<br />

WARUM SICH MEHR FRAUEN IN DIE CHEFETAGE<br />

TRAUEN SOLLTEN<br />

CORDELIA WAGNER, PRESSESPRECHERIN<br />

VON IP DEUTSCHLAND (MEDIENGRUPPE<br />

RTL) IM GESPRÄCH


EDITORIAL<br />

Die Treppe, die das Cover der zweiten Ausgabe von ZUKUNFT GEIST ziert, ist ein vielseitiges Symbol<br />

für den beruflichen Werdegang. Wenn man sie betritt, weiß man noch nicht genau, wohin<br />

sie führt. Doch hat man den Weg erst mal begonnen, geht es recht leicht voran und eh man<br />

sich versieht, hat man die ersten Etagen erklommen. Hier verweilen wir, manchmal für kürzere,<br />

manchmal für längere Zeit, bevor es wieder weiter geht. Der Aufstieg ist dabei nicht automatisch<br />

eine steile Karriereleiter, sondern einfach die Möglichkeit, sich von einem Ziel zum nächsten zu bewegen,<br />

ohne von Anfang an den kompletten Weg zu kennen. Häufig eröffnet erst das Erreichen<br />

eines Abschnittes die freie Sicht auf die weiteren Wege.<br />

Die berufliche Laufbahn kann ebenso eher gradlinig oder eher verschlungen sein, mit vielen kleinen<br />

oder wenigen großen Etappen – das ist für jeden Weg individuell. Das Ziel dabei ist, eine<br />

Tätigkeit zu finden, mit der man zufrieden ist, worin die persönliche Zufriedenheit auch immer<br />

liegen mag.<br />

<strong>Geist</strong>eswissenschaftlerinnen und <strong>Geist</strong>eswissenschaftler haben dabei ganz eigene Herausforderungen<br />

zu bewerkstelligen, da ihr Studium nicht auf einen konkreten Beruf zugeschnitten ist. Es<br />

ist wichtig, diese Offenheit als Chance zu begreifen, früh herauszufinden, was einem wirklich liegt<br />

und eigene Entscheidungen zu treffen. Die wenigsten Studierenden wissen schon im Studium,<br />

wohin ihr beruflicher Weg sie einmal führen wird. Es gilt daher, sich auszuprobieren, Chancen zu<br />

ergreifen, Kontakte zu knüpfen. Vieles findet sich dann im Laufe der Zeit und nicht selten landet<br />

man letztlich in einer Branche, an die man zu Beginn nicht mal gedacht hat. Das bestätigen auch<br />

viele Kandidatinnen und Kandidaten, die bereits für ZUKUNFT GEIST von ihren Werdegängen<br />

berichtet haben.<br />

3<br />

In diesem Heft portraitieren wir für Sie sieben <strong>Geist</strong>eswissenschaftlerinnen und <strong>Geist</strong>eswissenschaftler<br />

mit spannenden und zum Teil sehr verschlungenen Werdegängen – von der IT-Spezialistin<br />

bis zum Koordinator für Jazzorchester. Wir sprechen mit einer erfolgreichen Pressesprecherin<br />

über Chancen und Herausforderungen für Karrierefrauen und besuchen einen erfolgreichen Filmregisseur.<br />

Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen!<br />

Constanze Alpen<br />

© Tom Bayer - Fotolia.com<br />

Öffentlichkeitsarbeit & Kommunikation<br />

Philosophische Fakultät


© Constanze Alpen<br />

ZUKUNFT GEIST<br />

Grußwort<br />

Inhalt<br />

GRUßWORT<br />

5<br />

4<br />

TIPPS & TERMINE<br />

SERIE<br />

VON IT BIS JAZZ<br />

Die Vielfalt der <strong>Geist</strong>eswissenschaften<br />

Dominik Seidler – Den Jazz im Blut<br />

Stephanie Weisgerber – „Begeisterung lohnt sich“<br />

KARRIERE IN DEN MEDIEN<br />

PASSION, PATIENCE & PRAGMATISM<br />

Zu Gast bei Dokumentarfilmregisseur Arne Birkenstock<br />

MUT ZUR MITBESTIMMUNG<br />

Warum sich mehr Frauen in die Chefetage trauen sollten<br />

Anna Schneppenheim – Einmal Polarkreis und zurück<br />

Oliver Hinz – Crossmediales Know-how als Erfolgsrezept<br />

6<br />

8<br />

10<br />

14<br />

18<br />

22<br />

26<br />

30<br />

J<br />

ährlich informieren sich tausende Schülerinnen<br />

und Schüler, wo es nach dem Schulabschluss<br />

beruflich hingehen soll. Studium oder<br />

Ausbildung? – Die Möglichkeiten sind so vielfältig<br />

wie nie und es gilt, sich in einem Dschungel von<br />

Fächern, Modellen, Universitäten, Unternehmen<br />

und Akademien zurechtzufinden. Das Richtige für sich zu<br />

finden, ist gar nicht so leicht und nicht wenige schlagen<br />

zunächst einen Weg ein, um einige Zeit später festzustellen,<br />

dass sie doch lieber in eine andere Richtung gehen möchten.<br />

In dieser Suche liegt sicherlich ein Kern der Studienzeit. Zwar<br />

ist es eine Zeit der fachlichen Ausbildung und Qualifikation,<br />

aber es ist auch eine Zeit der Persönlichkeitsfindung und<br />

-entwicklung. Welcher Beruf passt zu mir? Wie und wo<br />

möchte ich arbeiten? Was ist mir wichtig?<br />

Die <strong>Geist</strong>eswissenschaften bieten eine vielfältige Bandbreite<br />

an Themen und Fächern von Sprachen, Musik und<br />

Medienwissenschaften, über Geschichte und Philosophie<br />

bis zur Linguistik. Da sie nicht auf einen konkreten Beruf<br />

zugeschnitten sind, empfiehlt es sich, im Studium Praktika<br />

zu machen, um verschiedene berufliche Tätigkeiten<br />

kennenzulernen. So lässt sich herausfinden, was den<br />

eigenen Fähigkeiten am ehesten entspricht. Absolventen der<br />

<strong>Geist</strong>eswissenschaften sind, außer in Forschung und Lehre, oft<br />

in Verlagen, Theatern, Museen und Galerien tätig, aber auch<br />

im diplomatischen Dienst oder in den Bereichen Personal,<br />

Public Relations, Kreativwirtschaft, Customer Service oder<br />

Beratung, um nur einige Beispiele zu nennen.<br />

Prof. Dr. Stefan Grohé<br />

(Dekan)<br />

© Roman Oranski © Constanze Alpen<br />

5<br />

In der zweiten Ausgabe von ZUKUNFT GEIST stellen wir Ihnen<br />

SEI DEIN EIGENER CHEF<br />

Selbstständigkeit: Eine gute Perspektive?<br />

34<br />

erneut eine Reihe ehemaliger Studierender unserer Fakultät<br />

vor, die von ihren Werdegängen und ihren Tätigkeiten<br />

berichten. Die Branchen sind dabei so vielfältig wie die<br />

Studienfächer – vom Museum über IT bis Tourismus ist alles<br />

Robert Fuchs – Geschichte lebendig werden lassen<br />

36<br />

dabei. Wir möchten Sie ermutigen, Ihren eigenen Weg zu<br />

finden und bei der Studienwahl ihren eigenen Interessen zu<br />

folgen. Denn nur wenn man etwas gerne tut, ist man auch<br />

AUS DER UNI<br />

GESCHICHTE UND BERUF<br />

Programmreihe für Studierende der Geschichte<br />

40<br />

wirklich gut darin. Seien Sie offen und neugierig und lernen<br />

Sie die vielseitigen Möglichkeiten kennen, die sich Ihnen mit<br />

einem geisteswissenschaftlichen Studium bieten.<br />

Prof. Dr. Anja Bettenworth<br />

(Studiendekanin)<br />

Gabi Dorner – Interdisziplinär auf ganzer Linie<br />

42<br />

Reiner Rasche – „Das Studium hat mich kommunizieren gelehrt“<br />

46<br />

IMPRESSUM<br />

50


ZUKUNFT GEIST<br />

TIPPS & TERMINE<br />

TIPPS & TERMINE<br />

Linkauswahl rund um Studienwahl, Hochschulen & Berufseinstieg<br />

Abi.de (Bundesagentur für Arbeit)<br />

6<br />

Wo gibt‘s was?<br />

BERATUNGS- UND INFORMATIONSANGEBOTE DER UNIVERSITÄT ZU KÖLN FÜR STUDIEN-<br />

INTERESSIERTE UND STUDIERENDE DER GEISTESWISSENSCHAFTEN IM ÜBERBLICK<br />

http://abi.de/index.htm<br />

blicksta | <strong>Zukunft</strong> blicken<br />

https://blicksta.de<br />

einstieg – meine zukunft. mein ding.<br />

http://www.einstieg.com/<br />

7<br />

STUDIEREN PROBIEREN<br />

Das Programm Studieren probieren bietet<br />

die Möglichkeit, einen Tag lang in den Alltag<br />

der Universität zu Köln einzutauchen.<br />

So können Studieninteressierte schon mal<br />

etwas Campus-Atmosphäre schnuppern,<br />

Professorinnen und Professoren bei der<br />

Lehre erleben und vielleicht sogar schon<br />

erste Kontakte knüpfen. Nähere Informationen<br />

finden Sie unter zsb.uni-koeln.de/<br />

studierenprobieren.<br />

UNIallTAG<br />

Im Programm UNIallTAG können Studieninteressierte<br />

eine Studentin oder einen<br />

Studenten des gewünschten Fachs einen<br />

Tag lang an der Uni begleiten. Neben<br />

einem ersten Eindruck von Vorlesungen<br />

und Seminaren stehen auch noch eine<br />

Campusführung und ein Mensa-Besuch<br />

auf dem Programm. Nähere Informationen<br />

finden Sie unter zsb.uni-koeln.de/<br />

unialltag.<br />

CAREERSERVICE<br />

Der CareerService weiß um die Anforderungen<br />

für <strong>Geist</strong>eswissenschaftlerinnen<br />

und <strong>Geist</strong>eswissenschaftler am Arbeitsmarkt.<br />

Studierende finden hier breit gefächerte<br />

Unterstützung von individueller<br />

Laufbahnberatung, Bewerbungsmappenchecks,<br />

Workshops, Networking uvm.<br />

career.phil-fak.uni-koeln.de<br />

PROFESSIONAL CENTER<br />

Das ProfessionalCenter der Universität zu<br />

Köln bietet den Studierenden mit Lehrveranstaltungen,<br />

Workshops in Unternehmen,<br />

Projekten im Service Learning<br />

sowie durch persönliche Coachings die<br />

Möglichkeit, sich beruflich zu orientieren<br />

und berufsqualifizierende Kompetenzen<br />

zu erwerben.<br />

www.professionalcenter.uni-koeln.de/<br />

STUDIENBERATUNG DER<br />

PHILOSOPHISCHEN FAKULTÄT<br />

Wenn Sie sich für ein Studium an der<br />

Philosophischen Fakultät der Uni Köln<br />

entschieden haben, steht Ihnen die fächerübergreifende<br />

Studienberatung der<br />

Fakultät zu Verfügung.<br />

http://phil-fak.uni-koeln.de/studienberatung.html<br />

ZENTRALE STUDIENBERATUNG<br />

Die Zentrale Studienberatung berät Studieninteressierte<br />

bei der Wahl des Studiums<br />

und steht den Studierenden während des<br />

gesamten Studienverlaufs beratend zur<br />

Seite. zsb.uni-koeln.de<br />

Hochschulkompass<br />

http://www.hochschulkompass.de/<br />

Hochschulkompass – Studium-Interessentest<br />

http://www.hochschulkompass.de/studium-interessentest.html<br />

Karrierebibel<br />

http://karrierebibel.de/studienwahl-studiengaenge/<br />

Studiengangssuchmaschine – Zeit Online<br />

http://studiengaenge.zeit.de/<br />

SIT-Studium Interessentest | Zeit Online<br />

http://studiengaenge.zeit.de/sit<br />

Studieren-im-Netz.org<br />

http://www.studieren-im-netz.org/<br />

Studium und Beruf – Informationsportal der Zentralen Studienberatung der Uni Köln<br />

http://verwaltung.uni-koeln.de/abteilung21/content/studierende/studium_und_beruf/index_ger.html<br />

Informationsveranstaltungen für<br />

Studieninteressierte in NRW<br />

Veranstaltung Datum Link<br />

OPEN CAMPUS – Informationsmesse 30.04.<strong>2016</strong> zsb.uni-koeln.de/opencampus<br />

der Universität zu Köln<br />

BACHELOR AND MORE<br />

Düsseldorf: 30.04.<strong>2016</strong><br />

Köln: 13.11.<strong>2016</strong><br />

http://www.bachelor-and-more.de/<br />

bachelor-messen/<br />

Münster: 15.01.2017<br />

STUZUBI <strong>2016</strong><br />

Dortmund: 21.05.<strong>2016</strong><br />

Köln: 03.09.<strong>2016</strong><br />

http://www.stuzubi.de/messe.html<br />

Düsseldorf: 17.09.<strong>2016</strong><br />

Studieren probieren (Uni Köln) Im Zeitraum vom 18.04.-08.07.<strong>2016</strong> zsb.uni-koeln.de/studierenprobieren<br />

möglich<br />

Medienfest.NRW 04.06.<strong>2016</strong> http://www.medienfest-nrw.de/medienfest/<br />

Langer Abend der Studienberatung 23.06.<strong>2016</strong> zsb.uni-koeln.de/langerabend<br />

(Uni Köln)<br />

HORIZON – Die Messe für Studium Diverse Termine deutschlandweit http://horizon-messe.de<br />

und Abiturientenausbildung<br />

UNIallTAG (Uni Köln) Während der Vorlesungszeit zsb.uni-koeln.de/unialltag<br />

© Fabian Stürtz


VON IT BIS JAZZ<br />

DIE VIELFALT DER GEISTESWISSENSCHAFTEN<br />

So vielfältig die Fächer im Bereich der <strong>Geist</strong>eswissenschaften sind, so divers sind auch die Werdegänge der<br />

Absolventinnen und Absolventen. Tatsächlich landen viele in Berufen, die man nicht auf den ersten Blick<br />

mit einem geisteswissenschaftlichen Studium assoziiert. Doch <strong>Geist</strong>eswissenschaftlerinnen und <strong>Geist</strong>eswissenschaftler<br />

bringen viele Vorteile mit und können in den unterschiedlichsten Branchen Fuß fassen.<br />

Oliver Hinz //<br />

Köln //<br />

Politikwissenschaften, Geschichte und Anglistik //<br />

Social Media-Redakteur für 1LIVE und die ARD Sportschau, //<br />

Gründer der Social-Media-Beratungsfirma socialeyes<br />

Interview S. 30<br />

E<br />

© WRD/ Brill<br />

© DOMiD-Archiv, Köln<br />

Dominik Seidler //<br />

Bonn //<br />

Musikwissenschaft, Ethnologie und Romanistik //<br />

Projektleiter des „Bundesjazzorchesters“ und der / /<br />

„Bundesbegegnung Jugend jazzt“<br />

Interview S. 10 E<br />

// Dr. Robert Fuchs<br />

// Köln<br />

// Geschichte, Politik, Germanistik<br />

// Projektleiter Migrationsmuseum im DOMiD<br />

(Dokumentationszentrum und Museum über die<br />

Migration in Deutschland e.V.<br />

F<br />

Interview S. 36<br />

© Florian Ross<br />

// Stephanie Weisgerber<br />

// Großburgwedel<br />

// Phonetik, Allgemeine Sprachwissenschaft, Pädagogik<br />

// IT-Branche, Software-Unternehmen, fest angestellt als<br />

Senior Quality Assurance Engineer<br />

Interview S.14<br />

F<br />

Gabi Dorner //<br />

Frankfurt am Main //<br />

Regionalwissenschaften Lateinamerika //<br />

Senior Manager Human Resource Services pwc //<br />

Interview S. 42<br />

E<br />

© Björn Weisgerber<br />

© pwc<br />

// Reiner Rasche<br />

Anna Schneppenheim //<br />

// Bonn<br />

Köln //<br />

// Philosophie, Germanistik, Erziehungswissenschaften<br />

Skandinavistik, Germanistik, Philosophie //<br />

Reiseleitung, Konzeption & Vertrieb für Skandinavienreisen //<br />

Interview S. 26 E<br />

©Anna Schneppenheim<br />

© Reiner Rasche<br />

// Deutsche Telekom, Leiter CRM Planung & Prozess-Steuerung<br />

F<br />

Interview S. 46


VON IT BIS JAZZ – DIE VIELFALT DER GEISTESWISSENSCHAFTEN<br />

© Florian Ross<br />

DOMINIK SEIDLER HAT SEINEN TRAUM-<br />

JOB GEFUNDEN: ALS PROJEKTLEITER<br />

BEIM DEUTSCHEN MUSIKRAT IN BONN<br />

IST ER DAFÜR VERANTWORTLICH,<br />

WUCHS-FÖRDERPROJEKTE<br />

DASS DIE BEIDEN JAZZ-SPITZENNACH-<br />

„BUNDES-<br />

JAZZORCHESTER“ UND DIE „BUNDESBE-<br />

GEGNUNG JUGEND JAZZT“ INHALTLICH,<br />

ORGANISATORISCH UND FINANZIELL<br />

FUNKTIONIEREN. IM INTERVIEW ERZÄHLT<br />

ER, WIE ES DAZU KAM.<br />

DEN JAZZ<br />

IM BLUT<br />

INTERVIEW: JULIA HALLMANN<br />

Bundesbegegnung Jugend jazzt 2015, Trio „First Circle“/Hessen | © Deutscher Musikrat/Christian Debus<br />

S<br />

ie sind Projektleiter des<br />

„Bundesjazzorchesters“<br />

und der „Bundesbegegnung<br />

Jugend jazzt“. Was<br />

genau hat man sich darunter<br />

vorzustellen?<br />

Das Bundesjazzorchester ist das offizielle<br />

Jugendjazzorchester der Bundesrepublik<br />

Deutschland. Man kennt es auch unter<br />

dem liebevollen Spitznamen „BuJazzO“.<br />

Es wurde im Jahr 1988 von Peter Herbolzheimer<br />

gegründet und führt den<br />

Spitzennachwuchs im Jazz für maximal<br />

zwei Jahre über Auswahlvorspiele in<br />

Arbeitsphasen und einer Konzertbesetzung<br />

zusammen. Unsere Mitglieder sind<br />

zwischen 15 und 24 Jahre alt. Man kann<br />

sagen, das BuJazzO ist der Rolly Royce<br />

unter den Jugendjazzorchestern. Man<br />

trifft sich dreimal im Jahr zum Proben und<br />

spielt danach ganzjährig Konzerte im In-<br />

und Ausland. Wir sind auch Patenorchester<br />

der WDR Big Band und Partner der<br />

nationalen Jugendjazzorchester England<br />

und Holland.<br />

Mein zweites Projekt „Jugend jazzt“ ist<br />

wie „Jugend musiziert“, nur anders. Die<br />

Bundesbegegnung „Jugend jazzt“ wird<br />

seit 1997 jährlich in einer anderen deutschen<br />

Stadt durchgeführt und dauert<br />

immer vier Tage: Neben dem eigentlichen<br />

Wettbewerbsdurchgang ist sie eine<br />

Mischung aus Festival, Konzertpodium,<br />

Kontakt- und Informationsbörse. Wir sind<br />

die Spitze der Pyramide: Zur Bundesbegegnung<br />

werden ausschließlich die ersten<br />

Preisträger der vorausgehenden Landeswettbewerbe<br />

„Jugend jazzt“ eingeladen,<br />

in geraden Jahren die großen Jazzorchester<br />

und in ungeraden Jahren die<br />

kleinen Combos. Eine Jury aus bekannten<br />

Jazzmusikerinnen und -musikern vergibt<br />

keine Punkte, sondern fördernde<br />

Anschlussmaßnahmen wie CD-Produktionen,<br />

Konzerte, Workshops etc.<br />

Nach dem Abitur haben Sie zunächst<br />

Musikwissenschaft, Ethnologie und<br />

Portugiesisch an der Universität zu<br />

Köln studiert. War dies eine Herzensentscheidung?<br />

Auf jeden Fall. Mir war vollkommen klar,<br />

dass ich Musikwissenschaft mit Schwerpunkt<br />

Musikethnologie studieren wollte.<br />

Musik entdecken, Musiker kennenlernen,<br />

Musik verstehen und machen – das hat<br />

mich seit frühester Jugend begeistert.<br />

Besonders der Jazz hat mich gepackt und<br />

nie mehr losgelassen. Auslöser war die<br />

Columbia-Schallplatte „Ellington ‘55“,<br />

ein Geschenk meiner Patentante zum<br />

10. Geburtstag. Das war ein neuer Kosmos.<br />

Da spürte ich, dass die Welt musikalisch<br />

mehr zu bieten hat als den mir bis<br />

dahin bekannten Standard der seltsamen<br />

80er-Jahre. Das weckte meine Neugier,<br />

damit wollte ich mich – zumindest eine<br />

gewisse Zeit meines Lebens – inhaltlich<br />

auseinandersetzen.<br />

Ein Jahr Ihres Studiums verbrachten<br />

Sie an der Universidade Nova in Lissabon.<br />

Hatte die Auslandserfahrung<br />

Auswirkungen auf Ihren Werdegang?<br />

Ja, sogar sehr konkrete Auswirkungen.<br />

Dieses Jahr war einerseits eine unvergessliche<br />

Zeit, andererseits hat es mir Klarheit<br />

über mich selbst verschafft. Für mein<br />

Feldforschungspraktikum bei den Musikethnologen<br />

an der Universidade Nova<br />

Lisboa hatte ich mich für ein Projekt mit<br />

angolanischen Gastarbeitern in Lissabon<br />

bzw. ihrer Musik „Soukous“ entschieden.<br />

Die Musiker lebten bei mir im Viertel<br />

und probten regelmäßig auf der Straße.<br />

Das Thema war inhaltlich sehr interessant,<br />

aber ich fühlte mich bald unwohl<br />

in meiner Rolle als reiner Beobachter und<br />

Beschreiber.<br />

In diesem Moment wurde klar, was ich<br />

nicht will: Ich wollte nicht mein Leben<br />

lang der sein, der anderen beim Machen<br />

zusieht, um sie zusätzlich mit Fragen zu<br />

nerven. Ich wollte nicht der sein, der über<br />

das Machen anderer forscht und schreibt.<br />

Im Gegenteil wollte ich selbst machen und<br />

dafür sorgen, dass Musik passiert. Auch<br />

wenn das noch nicht konkret zu Ende<br />

gedacht war – dort fiel meine Entscheidung<br />

in Richtung Kulturmanagement.<br />

Meine Sprachkenntnisse öffneten mir<br />

in Köln die Tür zu einem Studentenjob<br />

in einem Marktforschungsunternehmen.<br />

Dort wurden Personen gesucht, die Interviews<br />

auf Portugiesisch führen konnten.<br />

Am Ende habe ich 17 Jahre für dieses<br />

Unternehmen gearbeitet, vom Studentenjob<br />

über ein Online-Redaktionsprojekt<br />

bis zum Vertriebsleiter.<br />

Wie ging es nach dem Magister<br />

zunächst für Sie weiter?<br />

Da ging es Schlag auf Schlag. Mein Professor<br />

hatte mich zwar gefragt, ob ich<br />

nicht noch promovieren wollte, aber das<br />

stand zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zur<br />

Debatte. Meine Entscheidung gegen eine<br />

universitäre Laufbahn war längst gefallen.<br />

Meinen Magister machte ich im Juni<br />

1997. Einen Monat später heiratete ich<br />

und bekam auch bald das erste Kind, kurz<br />

darauf das zweite. Es folgten mehrere<br />

Stationen: Direkt im Anschluss an die Universität<br />

arbeitete ich projektbezogen in<br />

der Organisation des Jazz-Festival Viersen.<br />

Ende 1997 bekam ich die Chance, in eine<br />

Online-Redaktion beim WDR Fernsehen<br />

einzusteigen. Dort blieb ich acht Monate,<br />

bis der WDR entschied, das Projekt an<br />

einen externen Dienstleister zu vergeben.<br />

Als einziger Mitarbeiter ging ich damals<br />

mit dem Projekt zum Dienstleister und<br />

bekam plötzlich die Chance, dort eine<br />

neue Online-Redaktion mit sieben Mitarbeitern<br />

aufzubauen.<br />

Parallel zu dieser Tätigkeit studierte ich<br />

in den Jahren 1998/1999 abends und<br />

Bundesjazzorchester 2014 beim Konzert in der Deutschen Schule Guayaquil/Ecuador | © Deutscher Musikrat/Klaus Lönze<br />

11


ZUKUNFT GEIST<br />

VON IT BIS JAZZ – DIE VIELFALT DER GEISTESWISSENSCHAFTEN<br />

12<br />

am Wochenende vier Semester Kulturmanagement<br />

an der Verwaltungs- und<br />

Wirtschafts-Akademie Köln. Im Jahr 2000<br />

konnte ich zusätzlich als Orchestermanager<br />

des Bundesjazzorchesters loslegen.<br />

Zwei Jahre später wurde es wieder spannend:<br />

Von der Online-Redaktion wechselte<br />

ich innerhalb des gleichen Unternehmens<br />

in den Vertrieb, wo ich zehn Jahre<br />

blieb. Diese Jahre im Vertrieb haben mich<br />

sehr stark geprägt.<br />

Wie kam es zu der Entscheidung,<br />

nach Ihrem geisteswissenschaftlichen<br />

Studium noch ein Studium im Bereich<br />

Kulturmanagement zu absolvieren?<br />

Diese Entscheidung reifte bereits in mir, als<br />

ich vom Auslandsjahr zurückkam. Damals<br />

bot die Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie<br />

VWA in Köln alle zwei Jahre ein<br />

Studium im Bereich Kulturmanagement<br />

für Berufstätige an. Endlich hatte ich<br />

gefunden, was ich suchte. Es wurde konkret<br />

geredet. Wir hatten Unterricht in<br />

Jura, BWL, Marketing, Buchhaltung und<br />

so weiter. Dozenten sprachen über Projektmanagement,<br />

Versicherungsfragen<br />

oder Kosten- und Finanzierungspläne.<br />

Dieser Abschluss war für mich Gold wert,<br />

denn durch diesen wurde ich direkt beim<br />

Deutschen Musikrat als Orchestermanager<br />

des Bundesjazzorchesters engagiert.<br />

Ohne dieses Zusatzstudium hätte ich den<br />

Einstieg dort nicht gefunden.<br />

Sie haben bereits während des Studiums<br />

Praktika absolviert und gejobbt.<br />

Wie wichtig waren diese Erfahrungen<br />

in Bezug auf Ihre heutige Position?<br />

Praktika sind sehr wichtig. Sie öffnen<br />

Einblicke in noch unbekannte mögliche<br />

Berufsfelder. Man lernt neue Tätigkeiten<br />

und neue Menschen kennen. Praktika<br />

helfen herauszufinden, was man will und<br />

was nicht. Ich zum Beispiel habe diverse<br />

Praktika im Museum, im Messebereich<br />

und in der Veranstaltungsorganisation<br />

gemacht. Für mich war danach klar:<br />

Museum und Messe ist nicht meine Welt.<br />

Durch meine eigenen musikalischen Aktivitäten<br />

habe ich quasi ein lebenslanges<br />

Dauerpraktikum in Bigbands und Jazzcombos<br />

absolviert. Ich kenne diese Szene<br />

und ihre Protagonistinnen und Protagonisten<br />

schon seit frühester Jugend. Meine<br />

zwölf Jahre Orchestermanagement für<br />

das Bundesjazzorchester waren auch fast<br />

ein Dauerpraktikum. Dort habe ich so viel<br />

gelernt, dass mich in meinem jetzigen<br />

Beruf nicht mehr viel überrascht.<br />

Sie bezeichnen Ihren Beruf als „Traumjob“.<br />

Was macht ihn für Sie persönlich<br />

so einzigartig?<br />

Wenn ich alle Puzzleteile meines Lebens<br />

zusammensetze, ist dieser Job die logische<br />

Konsequenz. Dort kann ich meine<br />

gesamte Persönlichkeit und Erfahrung<br />

einbringen. Organisieren, kalkulieren, verhandeln,<br />

Sprachen sprechen bzw. schreiben,<br />

verkaufen und so weiter. Machen,<br />

dass Kultur passiert. Das spornt mich an.<br />

Jazz bedeutet für mich Glück, Kommunikation<br />

und Freiheit. Nach dem Hören und<br />

Spielen von Jazz fühle ich mich besser als<br />

vorher. Jazz ist gesund. Jazz vereint die<br />

Menschen über Grenzen und Schichten<br />

hinweg. Das Hören von Jazz und das<br />

aktive Spielen in Combos und Bigbands<br />

ist Teil meines Lebens.<br />

Ich bin dankbar, dass mir mein Beruf die<br />

Möglichkeit bietet, mich für eine Sache<br />

einzusetzen, die mir so viel bedeutet, vor<br />

allem im Bereich der Nachwuchsförderung.<br />

Welche Fähigkeiten zeichnen Ihrer<br />

Meinung nach <strong>Geist</strong>eswissenschaftler<br />

aus?<br />

Im Berufsleben geht es immer darum,<br />

Unternehmenskulturen zu verstehen, sich<br />

einzufinden, Bedürfnisse zu erkennen,<br />

zu beschreiben, Lösungen zu entwickeln<br />

und zu verkaufen – entweder ein Produkt,<br />

eine Dienstleistung oder sich selbst.<br />

Ich habe oft beobachtet, dass <strong>Geist</strong>eswissenschaftler<br />

hier im Vorteil sind: Sie sprechen<br />

mehrere Sprachen, hören zwischen<br />

den Zeilen, sind flexibel, verfügen über<br />

ein oft interessantes und breites Allgemeinwissen<br />

und sind dadurch geschätzte<br />

und gesuchte Gesprächspartner.<br />

Wenn sich <strong>Geist</strong>eswissenschaftler ihre<br />

Offenheit und Neugier bewahren, dann<br />

sind sie eigentlich überall einsatzfähig.<br />

Welchen Rat geben Sie jungen Menschen,<br />

die sich für ein geisteswissenschaftliches<br />

Studium interessieren<br />

oder dieses bereits studieren?<br />

Brennt für eine Sache. Das verschafft<br />

Glaubwürdigkeit. Willst Du Trompeter<br />

werden, dann übe Trompete. Möchtest<br />

Du am Theater oder in einem Verlag<br />

arbeiten, dann baue Dir in dieser Branche<br />

ein Netzwerk auf. Zeige Berufsethos, Interesse<br />

und Motivation. In einem Orchester<br />

würde ich sagen: Versuche immer mit<br />

anderen Menschen zu spielen, die besser<br />

spielen als Du selbst.<br />

Kümmert Euch selbst aktiv um die Dinge,<br />

die man Euch im geisteswissenschaftlichen<br />

Studium nicht beibringt. Entweder<br />

in Praktika oder einem Zusatzstudium.<br />

Lernt lebenslang. Findet durch Ausprobieren<br />

heraus, was ihr wollt und was ihr nicht<br />

wollt. Jagt und sammelt Erfahrungen.<br />

Dies kann auch bedeuten, eine gewisse<br />

Zeit eine – nur auf den ersten Blick – unattraktive<br />

Hilfstätigkeit auszuführen. Seid<br />

Euch nicht zu schade, Umwege in Kauf<br />

zu nehmen.<br />

Baut Euch ein Netzwerk auf. Pflegt die<br />

Adressen und die Kontakte, und zwar<br />

online wie offline. Nicht alles kann man<br />

mit dem Smartphone erledigen. Aus diesen<br />

Netzwerken entstehen Zufälle und<br />

Glück. Wenn das Glück vorbeikommt,<br />

dann greift zu.<br />

Und habt Geduld. Vielleicht kann mein<br />

krummer Lebenslauf ja als Beispiel dienen,<br />

am Ball zu bleiben, um am Ende die persönliche<br />

Nadel im Heuhaufen zu finden.<br />

13<br />

Bundesbegegnung Jugend jazzt 2013, Trio „moment‘s concept“/Sachsen © Christian Debus<br />

Bundesbegegnung Jugend jazzt 2014, Preisträgerkonzert mit SWR Big Band | © Deutscher Musikrat/Klaus Lönze


ZUKUNFT GEIST<br />

VON IT BIS JAZZ – DIE VIELFALT DER GEISTESWISSENSCHAFTEN<br />

14<br />

„BEGEISTERUNG<br />

© carloscastilla - Fotolia.com<br />

© Björn Weisgerber<br />

Frau Weisgerber, warum ist<br />

es Ihnen ein Anliegen, an<br />

ZUKUNFT GEIST mitzuwirken?<br />

Ich hätte es sehr zu schätzen<br />

gewusst, wenn es so ein Magazin schon<br />

zu meiner Studienzeit gegeben hätte –<br />

quasi als Mutmacher. Als Absolventin<br />

der Philosophischen Fakultät ist es für<br />

mich eine Herzensangelegenheit, für die<br />

<strong>Geist</strong>eswissenschaften zu werben. Viele<br />

Menschen wissen einfach zu wenig über<br />

die Möglichkeiten, die sich mit entsprechenden<br />

Abschlüssen eröffnen. Da gibt<br />

es großen Gesprächsbedarf.<br />

Trotzdem sind sie dabei geblieben.<br />

Ja. Vor allem in der Phonetik habe ich<br />

schnell einen Bereich gefunden, in dem<br />

ich mich sehr wohl gefühlt habe. Das<br />

anwendungsbezogene Arbeiten liegt mir<br />

einfach. Bisweilen musste ich zwar im<br />

Studium ganz schön die Zähne zusammenbeißen,<br />

aber die vielen kleinen<br />

Erfolgserlebnisse – zum Beispiel, wenn<br />

ein kleines, selbst programmiertes Skript<br />

plötzlich funktioniert – haben mich überzeugt,<br />

dabei zu bleiben.<br />

Heute arbeiten Sie als Senior Quality<br />

Assurance Engineer in einem großen,<br />

international agierenden Software-Unternehmen.<br />

Welchen Weg<br />

sind Sie bis dorthin gegangen?<br />

Um ehrlich zu sein: einen sehr holprigen.<br />

Nach meinem Abschluss wusste ich<br />

zunächst noch gar nicht, welche Möglichkeiten<br />

es für mich gibt. Ich habe während<br />

des Studiums nur wenige Praktika<br />

absolviert, weil ich – auch aufgrund der<br />

Bafög-Bestimmungen – so schnell wie<br />

möglich fertig werden wollte. Einblick<br />

in Arbeitsfelder für Phonetiker*innen<br />

abseits des Phonetischen Instituts, an dem<br />

ich als Studentische Hilfskraft gearbeitet<br />

habe, hat mir ein kurzes Praktikum bei<br />

einer Sprachakademie ermöglicht. Dort<br />

habe ich festgestellt, dass ich am liebsten<br />

im analytisch-phonetischen Bereich arbeiten<br />

möchte. Nach dem Studium war ich<br />

allerdings leider erst einmal ein Jahr lang<br />

arbeitslos.<br />

Zu erkennen,<br />

was einem<br />

liegt, ist eine<br />

wundervolle<br />

Entdeckung,<br />

aus der man<br />

viel Energie<br />

ziehen kann.<br />

Konnten Sie diese Phase durch Praktika<br />

oder Weiterbildungen nutzen?<br />

Unbezahlte Praktika konnte ich mir aus<br />

finanziellen Gründen nicht erlauben und<br />

ohne diese schien der Einstieg in klassische<br />

Arbeitsfelder als frische Absolventin<br />

15<br />

LOHNT SICH“<br />

NACH DEM ABITUR WUSSTE STEPHANIE WEISGERBER NOCH NICHT, WELCHEN BERUFLICHEN<br />

WEG SIE EINMAL EINSCHLAGEN WÜRDE. SIE VERSUCHTE ES MIT EINEM STUDIUM DER<br />

PHONETIK, DER ALLGEMEINEN SPRACHWISSENSCHAFT UND DER PÄDAGOGIK – UND FAND<br />

HERAUS, DASS ES DIE PERFEKTE ARBEITSSTELLE WIRKLICH GIBT.<br />

INTERVIEW: SILKE FEUCHTINGER<br />

Sie haben an der Uni Köln Phonetik,<br />

Allgemeine Sprachwissenschaft und<br />

Pädagogik studiert. Warum haben Sie<br />

sich für diese Fächer entschieden?<br />

Schon seit der Grundschule interessiere<br />

ich mich für Sprachen und auch für deren<br />

grammatische Strukturen. Das hat mich<br />

während meiner gesamten Schullaufbahn<br />

begleitet. In der Oberstufe habe ich<br />

schließlich ganz gezielt Deutsch und Englisch<br />

als Leistungskurse belegt. Die Richtung<br />

wurde dann immer klarer. Dennoch<br />

war mein Studium zu Beginn nicht leicht<br />

für mich. In der Schule bin ich in keiner<br />

Form auf Entsprechendes vorbereitet<br />

worden, sodass vieles wie ein Sprung ins<br />

kalte Wasser war.<br />

Elektromagnetischer Artikulograph zur Messung von Zungen-, Lippen- und<br />

© Fabian Stürtz<br />

Kieferbewegungen | Fachgebiet der Phonetik


ZUKUNFT GEIST<br />

VON IT BIS JAZZ – DIE VIELFALT DER GEISTESWISSENSCHAFTEN<br />

16<br />

© CSTRSK | pixabay.com<br />

kaum möglich. Um Geld zu verdienen,<br />

bin ich erst einmal freiberuflich als Dozentin<br />

an einem Bildungswerk eingestiegen.<br />

Dort habe ich für sehr heterogen zusammengesetzte<br />

und teilweise sozial recht<br />

schwierige Gruppen Bewerbungstrainings<br />

durchgeführt. Dadurch habe ich mir eine<br />

ganze Menge Durchsetzungsvermögen<br />

erworben. Verschwendete Zeit war das<br />

also mit Sicherheit nicht. Und mich selbst<br />

habe ich nebenbei natürlich auch trainiert.<br />

Als mir dann die richtige Stellenanzeige<br />

über den Weg lief, hat es gleich<br />

geklappt.<br />

Sie sind also von Plan B zu Plan A<br />

zurückgekehrt?<br />

Genau. Es hat sich gelohnt, dass ich das<br />

eigentliche Ziel nie aus den Augen verloren<br />

habe. Als ich die Ausschreibung las,<br />

dachte ich, das bin genau ich. Auch wenn<br />

man diesem Gefühl wahrscheinlich nicht<br />

immer Glauben schenken sollte, hat es<br />

Während eines Studiums<br />

der <strong>Geist</strong>eswissenschaften<br />

entwickelt man einen<br />

sehr weiten Horizont und<br />

einen breit gefächerten Blick.<br />

in meinem Fall einfach zugetroffen. Im<br />

Vorstellungsgespräch habe ich dann zum<br />

ersten Mal festgestellt, dass es tatsächlich<br />

Stellen gibt, die genau zu dem passen,<br />

was ich studiert habe. Das war wie eine<br />

Offenbarung – für mich ein ganz entscheidender<br />

Schlüsselmoment.<br />

Soundfile zum Sichtbarmachen akustischer Signale<br />

Wie darf ich mir Ihre tägliche Arbeit<br />

als Senior Quality Assurance Engineer<br />

vorstellen?<br />

Meine Arbeit ist die einer Test-Designerin.<br />

Ich beschäftige mich mit Sprachdialogsystemen,<br />

also mit der Kommunikation von<br />

Mensch und Maschine. Die Kund*innen<br />

meiner Firma kommen unter anderem<br />

aus der Telekommunikation, aus dem<br />

Finanzbereich oder aus dem behördlichen<br />

Sektor. Eine häufige Anforderung<br />

besteht darin, automatengesteuerte<br />

Servicezentralen zu entwickeln bzw. die<br />

entsprechende Software zu überprüfen<br />

oder auszubauen. In Abstimmung mit<br />

den jeweiligen Auftraggeber*innen wird<br />

dafür von einem Kollegen oder einer Kollegin<br />

zunächst ein Pseudo-Code verfasst,<br />

der sowohl alle technischen Anforderungen<br />

an die Software als auch den tatsächlichen<br />

Gesprächsablauf zwischen Mensch<br />

und Maschine beschreibt. Darauf aufbauend<br />

wird dann von einem Entwickler<br />

die eigentliche Software programmiert.<br />

Mir als Test-Designerin dient der Pseudo-Code<br />

als Grundlage für die Erstellung<br />

meiner Testfälle, mit denen ich die Software<br />

schließlich überprüfe. Dazu gehören<br />

sowohl die Entwicklung einer Test-Spezifikation<br />

als auch die tatsächliche Durchführung<br />

der Tests mit anschließender<br />

Ergebnisauswertung.<br />

Wie hat Sie Ihr Studium auf diese<br />

Arbeit vorbereitet?<br />

Das Handwerkszeug, das ich heute nutze,<br />

habe ich tatsächlich zu einem nicht unwesentlichen<br />

Teil aus meinem Studium mitgebracht.<br />

Mit Sprachaufnahmen und<br />

deren statistischer Auswertung haben<br />

wir an der Uni ganz intensiv gearbeitet.<br />

Das ging durchaus manchmal in Richtung<br />

Programmierung und hat mich sehr gut<br />

auf das vorbereitet, was ich heute mache.<br />

Hinzu kommt, dass man als <strong>Geist</strong>eswissenschaftler*in<br />

geradezu prädestiniert<br />

ist, eine gute, differenzierte Qualitätssicherung<br />

durchzuführen. Denn ohne sich<br />

einen kritischen Blick erworben zu haben,<br />

kommt man aus der Philosophischen<br />

Fakultät nicht raus.<br />

Können Sie auch von Schwierigkeiten<br />

berichten?<br />

In Bezug auf meine Tätigkeit fällt mir da<br />

wenig ein. Das hängt vor allem damit<br />

zusammen, dass ich von meinem Arbeitgeber<br />

sehr gut eingearbeitet worden bin<br />

und die Chemie von Anfang an gestimmt<br />

hat. Am Ende lernt man jeden Job erst im<br />

Job. Das kann man nicht häufig genug<br />

sagen und das gilt für jedes Berufsfeld,<br />

auch fernab der <strong>Geist</strong>eswissenschaften.<br />

Vieles muss man sich einfach zutrauen<br />

– dann ist der wichtigste Schritt schon<br />

getan.<br />

Wie sehen Sie Ihre Perspektiven?<br />

Ich fühle mich sehr wohl in der IT-Branche<br />

und bin auch ein bisschen stolz, es als<br />

Frau, vor allem als <strong>Geist</strong>eswissenschaftlerin,<br />

hierhin geschafft zu haben. Da ich<br />

auch hin und wieder neue Kolleg*innen<br />

einarbeiten kann, werde ich auch immer<br />

mal ein wenig als Pädagogin tätig und<br />

kann damit diesem Teil meiner Laufbahn<br />

ebenfalls gerecht werden. Das ist eine<br />

wunderbare Gelegenheit, mir selbst zu<br />

vergegenwärtigen, was ich inzwischen<br />

alles gelernt und zu vermitteln habe.<br />

Trotzdem zeichnet es nun mal <strong>Geist</strong>eswissenschaftler*innen<br />

insbesondere aus, sich<br />

und alles andere regelmäßig zu hinterfragen,<br />

neue Perspektiven zu entdecken und<br />

neuen Ideen offen gegenüber zu stehen.<br />

Das sollte man sich auch im Arbeitsleben<br />

erhalten. Zurzeit bin ich inhaltlich aber<br />

ganz und gar am richtigen Ort.<br />

Wenn Sie heute nochmal mit dem Abi<br />

in der Tasche vor der Frage nach den<br />

richtigen Studienfächern stehen würden:<br />

Würden Sie alles wieder genauso<br />

machen?<br />

Aus meiner heutigen Perspektive ist alles<br />

genau so gelaufen, wie es hätte laufen<br />

müssen. Als gebürtige Norddeutsche habe<br />

ich aus meinem Studium in Köln auch das<br />

Motto „Et hätt noch emmer joot jejange“<br />

mitgenommen. Egal wie schlimm es kam,<br />

gerade auch während der bitteren Phase<br />

der Arbeitslosigkeit: Etwas Positives habe<br />

ich aus allen Erfahrungen ziehen können.<br />

Sicherlich wäre das ein oder andere<br />

zusätzliche Praktikum hilfreich gewesen,<br />

aber es ist auch nicht falsch, sich auf<br />

© Björn Weisgerber<br />

sein Studium zu konzentrieren. Während<br />

eines Studiums der <strong>Geist</strong>eswissenschaften<br />

entwickelt man ohnehin einen sehr weiten<br />

Horizont und einen breit gefächerten<br />

Blick. Dessen positive Wirkung im Hinblick<br />

auf spätere Arbeitsmöglichkeiten<br />

sollte man nicht unterschätzen. Wichtig<br />

war außerdem, dass meine Familie mich<br />

immer unterstützt hat, obwohl meine<br />

Eltern sich als Nichtakademiker eigentlich<br />

kaum vorstellen konnten, was ich mit<br />

meinem Studium machen kann. Heute<br />

kann ich sagen: Es lohnt sich. Man muss<br />

einfach dranbleiben und sein Ziel nicht<br />

aus den Augen verlieren.<br />

Was möchten Sie heutigen Studienanfänger*innen<br />

mit auf den Weg<br />

geben?<br />

Zu erkennen, was einem liegt, ist eine<br />

wundervolle Entdeckung, aus der man viel<br />

Energie ziehen kann. Das sollte man nutzen.<br />

Wenn man etwas wirklich aus Überzeugung<br />

und mit Begeisterung macht,<br />

dann liefert man auch die gewünschten<br />

Resultate. Das merken auch die Arbeitgeber*innen.<br />

17


ZUKUNFT GEIST<br />

KARRIERE IN DEN MEDIEN<br />

18<br />

PASSION,<br />

19<br />

12 Tangos – Adiós Buenos Aires | © Fruitmarket<br />

© Fruitmarket / Wolfgang Ennenbach<br />

E<br />

in Dokumentarfilm ist die<br />

Kunst, gesellschaftliche, politische<br />

Themen auf den Punkt<br />

zu bringen, Persönlichkeiten<br />

und Lebenswelten authentisch<br />

abzubilden, Wahrheiten auszusprechen<br />

und Horizonte zu erweitern. Aber<br />

der Dokumentarfilm kann viel mehr als<br />

das: In den besten Fällen handelt es sich<br />

um eine kunstvolle Entfaltung der Wirklichkeit.<br />

Der Kölner Regisseur und Produzent<br />

Arne Birkenstock beherrscht diese<br />

Kunst in Perfektion. Seine Filme sind stimmungsvolle,<br />

anrührende und manchmal<br />

auch brisante Einsichten in die verschiedensten<br />

Szenarien und Persönlichkeiten.<br />

Am Ende hat man stets das Gefühl, den<br />

Charakteren des Films sehr nah zu sein,<br />

fast so als hätte man sie selbst über mehrere<br />

Wochen begleitet. Eine so intensive<br />

Beschäftigung mit Personen, die einem<br />

bis dato fremd waren, erfordert jede<br />

Menge Feingefühl, Geduld und natürlich<br />

eine große Portion Unvoreingenommenheit<br />

und Neugier.<br />

ZUKUNFT GEIST hat den Filmemacher<br />

in seiner Kölner Produktionsfirma ‚Fru-<br />

PATIENCE &<br />

PRAGMATISM<br />

ZU GAST BEI DOKUMENTARFILMREGISSEUR<br />

ARNE BIRKENSTOCK<br />

TEXT: CONSTANZE ALPEN<br />

itmarket‘ besucht und einen Blick auf Birkenstock. Nicht nur für Neueinsteiger<br />

das Leben und Wirken des erfolgreichen ist die Finanzierung ihrer Filme eine heikle<br />

Dokumentarfilmregisseurs und Produzenten<br />

geworfen.<br />

zu erstellen, das einerseits die richtigen<br />

Sache. Es gilt immer, ein gutes Konzept<br />

Leute zusammenbringt, die in die Produktion<br />

passen, und das andererseits poten-<br />

Es war die Liebe zur Musik, die Arne Birkenstock<br />

seine Berufung beim Film entdecken<br />

ließ. Ursprünglich hatte er Journalist überzeugt, zu investieren. Letzteres ist<br />

tielle Sender, Förderer und Sponsoren<br />

werden und als Korrespondent für eine immer ein hohes Risiko und entsprechend<br />

Zeitung schreiben wollen. Aber durch schwer ist es, Geld aufzutreiben. Folglich<br />

seine Musik bekam er Kontakte zum sind zwei Dinge das A und O der Branche:<br />

Erstens muss man über ein gutes<br />

WDR und begann, erste Filmerfahrungen<br />

zu sammeln. Hierbei stellte er schnell fest, Netzwerk verfügen, um ein passendes<br />

dass Musik und Rhythmus beim Film eine Paket zusammenstellen zu können. Und<br />

wichtige Rolle spielen und dass viele Filmemacher<br />

selbst einen Zugang zur Musik Feingefühl, wer an welchem Projekt Inte-<br />

zweitens benötigt man das strategische<br />

hatten. Der richtige Groove ist für einen resse haben könnte, und ob der jeweilige<br />

guten Film von großer Bedeutung, der Stoff wohl ein hohes Produktionsbudget<br />

braucht und akquirieren kann oder<br />

gibt das gewisse Etwas und das faszinierte<br />

ihn.<br />

mit niedrigen Mitteln produziert werden<br />

So verwundert es kaum, dass seine TV-Beiträge<br />

und Filme von Anfang an von Erfolg gelehrt, dass man Zusagen nur ernten<br />

sollte. Die Erfahrung hat Arne Birkenstock<br />

gekrönt waren und internationale Preise kann, wenn man in der Lage ist, punktgenaue<br />

Anfragen zu stellen.<br />

bekamen. Der erste Kinofilm 12 Tangos<br />

– Adiós Buenos Aires war ein ziemlicher Nachdem er für seinen zweiten Film<br />

Überraschungserfolg. Dennoch waren die Chandani und ihr Elefant den Deutschen<br />

ersten Jahre ziemlich hart, erinnert sich Filmpreis für den besten Kinderfilm erhalten<br />

hatte, lief es deutlich besser. Die<br />

Auszeichnung erwies sich als Turbo für<br />

die Karriere des Kölner Regisseurs. Heute<br />

kann er stolz auf diverse Dokumentarfilme<br />

und TV-Beiträge zurückblicken – allesamt<br />

Der richtige<br />

Groove ist für<br />

einen guten Film<br />

von großer<br />

Bedeutung<br />

sehr erfolgreich. Sein letzter Film Beltracchi<br />

– Die Kunst der Fälschung, der das<br />

Leben des gleichnamigen Kunstfälschers<br />

thematisiert, wurde 2014 von der Deutschen<br />

Filmakademie als „Bester Dokumentarfilm“<br />

ebenfalls mit dem Deutschen<br />

Filmpreis ausgezeichnet.<br />

Aber neben der Erfahrung bedarf es laut<br />

Birkenstock für den Erfolg einer Produktion<br />

weiterer Zutaten: Manchmal ist es<br />

die unerlässliche Portion Glück, vor allem<br />

aber braucht es ein Gespür für die richtigen<br />

Themen zum richtigen Zeitpunkt.<br />

Kino-Dokumentarfilme müssen einerseits<br />

thematisch den Zeitgeist treffen, dürfen<br />

aber andererseits – anders als TV-Reportagen<br />

– nicht von tagesaktuellen Ereignissen<br />

abhängig sein. Lange, über mehrere<br />

Jahre recherchierte, entwickelte und<br />

im Kino, bei Chortreffen und Orchesterfreizeiten.<br />

Diese Entwicklungen sind nicht vorhersehbar,<br />

produzierte Dokumentarfilme müssen<br />

als Filmproduzent kann man<br />

Geschichten erzählen, die über den Tag<br />

hinaus relevant bleiben und nicht nur das<br />

aktuelle Nachrichtengeschehen abbilden.<br />

Im besten Fall sind sie zum Zeitpunkt<br />

ihrer Entstehung ihrer Zeit sogar ein klein<br />

wenig voraus. Dann ist ein Filmthema<br />

plötzlich stärker als zu vor en vogue. Als<br />

Birkenstock einen Film über deutsche<br />

Volksmusik – Sound of Heimat – anbot,<br />

war die Skepsis zunächst groß. Das Genre<br />

war vom Musikantenstadl und Co. okkupiert<br />

und niemand konnte sich vorstellen,<br />

dass irgendwer einen Film über deutsche<br />

Volksmusik im Kino anschauen würde.<br />

Doch als der Film herauskam, hatten sich<br />

auch viele Zeitungen dem Thema verschrieben,<br />

Karaoke-Events wurden vielerorts<br />

durch kollektive Gesangsabende<br />

verdrängt und der Film läuft bis heute,<br />

vier Jahre nach seinem Start, regelmäßig<br />

lediglich Themen genau beobachten,<br />

um eventuelle Veränderungen abschätzen<br />

zu können. Aber eine Garantie gibt<br />

es nicht. Das ist ein Risiko mit dem man<br />

in der Branche kalkulieren muss. Eine<br />

wichtige Eigenschaft eines erfolgreichen<br />

Dokumentarfilmers ist es daher, offen<br />

auf Veränderungen reagieren zu können.<br />

Dies gilt sowohl für den Film als Ganzes,<br />

aber auch für die eigentlichen Produktionsabläufe<br />

im Detail. Da beim Dokumentarfilm<br />

stets mit Laien gearbeitet wird,<br />

ist hier die Herausforderung eine ganz<br />

andere als beim Spielfilm. Zwar sollte man<br />

auch hier mit detaillierten, dramaturgisch<br />

wohl überlegten Konzepten arbeiten,<br />

aber am Ende gilt es, spontan und offen<br />

zu sein. Nur so gelingt es, das Vertrauen<br />

der Protagonisten zu gewinnen, damit<br />

sie der Filmcrew Einblick in ihr Leben, ihr<br />

Dreharbeiten für Chandani und ihr Elefant | © Fruitmarket


ZUKUNFT GEIST<br />

KARRIERE IN DEN MEDIEN<br />

20<br />

Szenenbild Beltracchi – Die Kunst der Fälschung | © Fruitmarket/Wolfgang Ennenbach<br />

Innerstes geben. Mit der Gelassenheit<br />

und Neugier, die der Kölner Dokumentarfilmregisseur<br />

Arne Birkenstock ausstrahlt,<br />

kann man sich vorstellen, dass er diese<br />

Arbeit fabelhaft meistert. Das gehört<br />

für ihn auch nach vielen Jahren zu den<br />

spannendsten Dingen an seinem Beruf.<br />

Irgendwann ist der Punkt da, an dem sich<br />

die Darsteller öffnen und etwas preisgeben,<br />

das dem ganzen Film seine Richtung<br />

gibt. Dies geschieht meist ganz unverhofft.<br />

Birkenstock beschreibt es lächelnd<br />

als sein „dokumentarisches Glück“.<br />

Aus seinen Beschreibungen wird schnell<br />

klar, dass es so etwas wie Alltag in seinem<br />

Beruf nicht gibt. Während er in Köln ist,<br />

beschäftigen ihn Anträge, Abrechnungen<br />

und Verträge, er kümmert sich um die<br />

Kommunikation mit Sendern und Kameraleuten<br />

sowie die Organisation bevorstehender<br />

Drehs oder schreibt an neuen<br />

Projekten. Daneben nehmen natürlich die<br />

Drehtage einen großen Teil seiner Arbeit<br />

ein. Wenn er nicht gerade dreht oder in<br />

seinem Kölner Büro arbeitet, ist er viel<br />

unterwegs, beispielsweise für Filmschnitte<br />

bei Koproduktionen, zum Casten neuer<br />

Protagonisten oder bei Filmpräsentationen.<br />

Bei so einem turbulenten Arbeitsleben<br />

ist dem Kölner Dokumentarfilmer<br />

sein Team immer eine große Unterstützung.<br />

Aber egal ob innerhalb der eigenen<br />

Crew oder bei Koproduktionen, für<br />

ihn ist es generell wichtig, Teamplayer zu<br />

sein und sich auch mit solchen zu umgeben.<br />

Wer sich als King aufspielen will,<br />

macht seines Erachtens nach keine guten<br />

gewicht, da es einige Zeit braucht, sich<br />

zu etablieren. Für Arne Birkenstock sind<br />

gegenseitige Unterstützung und Kompromissbereitschaft<br />

die wichtigsten Zutaten<br />

für die Verwirklichung von Karriere und<br />

Familie. Heute genießt er es, als Freiberufler<br />

seine Zeit frei einteilen zu können und<br />

auch mal außer der Reihe Zeit mit seinen<br />

Söhnen verbringen zu können. Aber für<br />

seine Familie birgt der Erfolg auch seine<br />

Tücken. Durch seine Arbeit steht er auch<br />

bei privaten Festen öfter im Fokus des<br />

Interesses und das ist manchmal durchaus<br />

nervig für die Menschen an seiner Seite.<br />

Ein gewisses Maß an Eitelkeit bedarf es<br />

schon, um sich in dieser Rolle wohlzufühlen,<br />

davon ist Birkenstock überzeugt. Vor<br />

der Kamera sieht er sich allerdings nicht,<br />

aber er genießt das Interesse an seiner<br />

Person durchaus und ebenso dann und<br />

wann den roten Teppich und das Glamour<br />

der Filmbranche. Seiner Meinung<br />

nach ist jemand, der sein ganzes Streben<br />

darauf ausrichtet, mit seinen Filmen eine<br />

große Öffentlichkeit zu erreichen, in den<br />

meisten Fällen bis zu einem gewissen<br />

Grad eitel.<br />

Aber die Dokumentarfilmbranche unterscheidet<br />

sich durchaus von anderen Sparten<br />

des Films: Durch die häufigen Drehs<br />

mit Laien ist die Crew immer sehr dicht<br />

Dokumentarfilme. Auch die Fähigkeit,<br />

Kritik annehmen zu können, beschreibt<br />

er als etwas, das ihn schon häufig weiter<br />

gebracht hat, auch wenn es manchmal<br />

schmerzhaft sein kann.<br />

Aber nicht nur das berufliche Team, sondern<br />

auch die Familie spielt für den Filmemacher<br />

eine wichtige Rolle. Aus eigener<br />

Erfahrung weiß er, dass es am Anfang<br />

schwer ist, Fuß zu fassen. Gerade die<br />

jungen Kreativen haben es in der Medien-<br />

Szenenbild Beltracchi – Die Kunst der Fälschung | © Fruitmarket/Wolfgang Ennenbach<br />

branche nicht leicht. Bei der Familiengründung<br />

kann so viel berufliche Unsicherheit<br />

an ganz unterschiedlichen Leben und<br />

Schicksalen dran. Das hat etwas Echtes<br />

hinderlich sein. In den ersten Jahren<br />

und Unverfälschtes, das es beispielsweise<br />

besteht häufig ein finanzielles Ungleich-<br />

in der Form beim Spielfilm selten gibt.<br />

Die Aneignung des Filmthemas erfordert<br />

häufig viel Vorarbeit. Laut Birkenstock<br />

muss man im Schnitt 3-5 Jahre einplanen,<br />

in denen man sich ausschließlich diesem<br />

einen Thema widmet und dies auch<br />

gegen jede Zweifel verteidigt. Nur wer mit<br />

Leidenschaft bei der Sache ist, wird am<br />

Ende auch einen Film fertigstellen können.<br />

Seine goldene Regel für einen erfolgreichen<br />

Dokumentarfilmer lautet daher<br />

auch Passion, Patience and Pragmatism.<br />

Geduld zieht sich durch alle Etappen der<br />

Produktion, sowohl bei der Realisierung<br />

als auch beim Dreh selbst. Pragmatismus<br />

unterscheidet Filmschaffende nach Birkenstocks<br />

Ansicht am meisten vom bildenden<br />

Künstler. Um erfolgreich zu sein,<br />

Szenenbild Sound of Heimat | © Fruitmarket<br />

muss man als starke Persönlichkeit gut im<br />

Team mit anderen starken Persönlichkeiten<br />

arbeiten, man muss hohe Geldsummen<br />

akquirieren und man muss mit Sendern<br />

und anderen Verteilern verhandeln<br />

können, damit der Film möglichst viele<br />

Menschen erreicht. Für all das ist eine<br />

hohe Dosis an Pragmatismus notwendig.<br />

Wer hier zu kompromisslos und puristisch<br />

ran geht, verbaut sich seinen Erfolg. Man<br />

muss in der Lage sein, Kompromisse einzugehen,<br />

ohne sich selbst oder seinen<br />

Film zu verraten.<br />

Generell ist der Dokumentarfilm ein<br />

Nischengeschäft der Filmbranche und<br />

vielleicht ist es gerade deshalb ein besonders<br />

hartes Pflaster, da es immer leichter<br />

© Fruitmarket<br />

ist, mit Unterhaltungsfilmen das Publikum<br />

zu gewinnen als mit harten Wahrheiten.<br />

Aber der Dokumentarfilm ist auch ein<br />

besonders spannendes Feld, das immer<br />

wieder neue Herausforderungen bietet<br />

und dabei gleichzeitig jede Menge Mut,<br />

Motivation und Feingefühl für den richtigen<br />

Augenblick fordert.<br />

Arne Birkenstock studierte Regionalwissenschaften<br />

Lateinamerika an der<br />

Universität zu Köln. Seinen Berufseinstieg<br />

fand er beim WDR und der ARD,<br />

wo er erste eigene Beiträge drehte.<br />

Bereits 1999 erhielt er seine erste<br />

Auszeichnung. Sein erster Film 12<br />

Tangos – Adiós Buenos Aires erschien<br />

2005. Er betreibt seine eigene Produktionsfirma<br />

Fruitmarket – Kultur<br />

und Medien GmbH. Neben dem Film<br />

hat er sich der Musik verschrieben. Er<br />

lebt mit seiner Frau und zwei Kindern<br />

in Köln.<br />

21


© Arya Shirazi | Mediengruppe RTL<br />

ZUKUNFT GEIST<br />

KARRIERE IN DEN MEDIEN<br />

22<br />

MUT ZUR<br />

MITBESTIMMUNG<br />

WARUM SICH MEHR FRAUEN IN DIE CHEFETAGE TRAUEN SOLLTEN<br />

TROTZ VIELSEITIGER BEMÜHUNGEN, FRAUENQUOTEN UND NEUER ELTERNZEITMODELLE SIND<br />

WEIBLICHE FÜHRUNGSKRÄFTE NOCH IMMER NICHT DIE NORM. CORDELIA WAGNER, PRESSE-<br />

SPRECHERIN VON IP DEUTSCHLAND, DER VERMARKTUNGSGESELLSCHAFT DER MEDIENGRUPPE<br />

RTL, SPRACH MIT ZUKUNFT GEIST ÜBER DEN WEG IN DIE CHEFETAGE.<br />

INTERVIEW: CONSTANZE ALPEN<br />

W<br />

ürden Sie sagen,<br />

dass Frauen es<br />

generell schwerer<br />

haben, eine Führungsposition<br />

zu<br />

erreichen?<br />

Das kommt meines Erachtens sehr auf das<br />

Berufsfeld an. In eher männlich dominierten<br />

Branchen, wie Finanzen, Automobil<br />

oder auch Versicherungen, dürften es<br />

Frauen auch heute noch deutlich schwieriger<br />

haben als in der Medienbranche.<br />

Gerade das Fernsehen, aber auch die<br />

anderen Medienbereiche sind offener<br />

und Frauen haben es entsprechend leichter.<br />

Allerdings denke ich, dass es ganz<br />

wesentlich von der Person abhängt, die<br />

den Weg nach oben gehen will. Wenn ich<br />

ein Ziel habe, muss ich Gas geben und das<br />

ist vollkommen geschlechtsunabhängig.<br />

Wie erleben Sie die Situation in Ihrem<br />

Unternehmen?<br />

Wir haben schon recht viele Frauen in<br />

Führungspositionen, die meisten davon<br />

im Mittelbau. Das sind meist fachliche<br />

Führungskräfte, deren Team einen Job<br />

macht, den sie mindestens so gut können,<br />

im Idealfall sogar einen Hauch besser.<br />

Tendenziell bevorzugen Frauen diese<br />

fachlichen Führungsrollen gegenüber der<br />

Rolle des Geschäftsführers. Hier müsste<br />

man bereit sein, beispielsweise ein Team<br />

von Controllern zu führen, ohne dass<br />

man deren Materie im Detail kennt. Viele<br />

Frauen scheuen diese Führung qua Position<br />

– und das ist vollkommen Ordnung.<br />

Trotzdem denke ich, dass sich noch mehr<br />

Frauen etwas zutrauen sollten, auch im<br />

Hinblick auf die Geschäftsführerebene.<br />

Ich bin mir nicht sicher, inwieweit man<br />

auch die Männer da in die Pflicht nehmen<br />

sollte. Eins ist klar: Ich muss mich bemerkbar<br />

machen, wenn ich mitspielen möchte.<br />

Welche Ursachen gibt es Ihrer Ansicht<br />

nach noch dafür, dass weniger Frauen<br />

an der Spitze sind als Männer?<br />

Das hat ganz verschiedene Ursachen.<br />

Viele davon liegen in der Politik, die die<br />

Rahmenbedingungen schaffen müsste<br />

– Kitaplätze machen die Vereinbarkeit<br />

von Familie und Beruf sehr viel einfacher<br />

– in der Bezahlung, dann aber wiederum<br />

auch im Festhalten an bekannten Strukturen.<br />

Generell kann man sagen, dass<br />

das eigene Ego, das Durchsetzungs- und<br />

Durchhaltevermögen und die Motivation,<br />

die man in ein Ziel steckt, entscheidend<br />

sind. Es gibt so typisch weibliche Tugenden,<br />

die etwas hinderlich für den Aufstieg<br />

sind: Zu viele Frauen sind harmoniebedürftig,<br />

exzessive Teamplayer und wollen<br />

es allen recht machen. Das sind prinzipiell<br />

schöne Eigenschaften, aber wenn man<br />

bestimmte Ebenen erreichen will, darf<br />

man das nicht mehr so sanftmütig angehen.<br />

Ein expliziter Wille zur Durchsetzung<br />

ist da in jedem Fall unerlässlich.<br />

Bedarf es gewisser Charaktereigenschaften,<br />

um in die eine oder andere<br />

Führungsetage aufzusteigen?<br />

Das denke ich schon. Ein gewisses Maß<br />

an Machtbewusstsein oder Machtstreben<br />

muss man haben. Wenn man in ein<br />

Unternehmen kommt und das Gefühl<br />

hat, es geht nicht schnell genug und man<br />

hat Ideen, die man lieber sofort umsetzen<br />

würde als erst noch politische Schleifen<br />

zu drehen, dann ist auch klar, dass man<br />

eine bestimmte Position erreichen muss,<br />

um dies tun zu können. So war es jedenfalls<br />

bei mir. Und ich denke, die zentrale<br />

Eigenschaft ist, dass ich nicht gedacht<br />

habe ‚ach schade‘, sondern mir einen<br />

Weg überlegt habe, wie ich in die entsprechende<br />

Entscheiderposition komme. Aber<br />

Hierarchie um der Hierarchie Willen kann<br />

es auch nicht sein. Jeder sollte inhaltlich<br />

das machen, was ihm entspricht.<br />

Gibt es Regeln für Aufstieg und<br />

Erfolg?<br />

Das Mantra ist „Tu Gutes und rede darüber“.<br />

Nur durch gute Arbeit ohne gutes<br />

Selbstmarketing kommt man kein Stück<br />

weiter. Das ist meines Erachtens auch<br />

etwas, das Frauen noch viel mehr verinnerlichen<br />

müssen. Klassischerweise sind<br />

es eher die Männer, die herausposaunen,<br />

was sie alles Tolles machen und die<br />

Frauen, die vielleicht sogar mehr oder<br />

zumindest gleich viel machen, hoffen,<br />

dass einer sieht, was sie alles leisten. Nur<br />

so rum funktioniert es leider nicht. Man<br />

muss natürlich gute Arbeit leisten, das ist<br />

klar, aber dies auch sichtbar zu machen<br />

ist wichtig.<br />

Daneben gehören noch Gestaltungswille<br />

und die Fähigkeit, Chancen zu ergreifen<br />

dazu. Wenn man im Sinne des Unternehmens<br />

denkt und Dinge entwickelt<br />

und vorschlägt, die das Unternehmen<br />

Ohne gutes<br />

Selbstmarketing<br />

kommt man kein<br />

Stück weiter<br />

weiterbringen, oder auch Projekte aufgreift,<br />

die sonst keiner will, weil sie vielleicht<br />

arbeitsintensiv oder anspruchsvoll<br />

sind, macht man sich einen Namen und<br />

bekommt dadurch mehr Chancen. Es ist<br />

ganz wichtig aktiv zu- und anzupacken.<br />

Für den eigenen Werdegang würde ich<br />

auch noch den Perspektivwechsel nennen<br />

– und zwar in zweierlei Hinsicht: Steigt<br />

man innerhalb eines Unternehmens auf,<br />

bekommen das zwangsläufig nicht alle<br />

mit. Wenn man also zum Beispiel bisher<br />

dafür zuständig war, die Kekse für die<br />

Konferenzen zu bestellen, jetzt aber Projektleiter<br />

ist, kann es trotzdem gut sein,<br />

dass man immer noch gebeten wird,<br />

Kekse zu bestellen. Zum einen muss<br />

man sich selbst über<br />

seinen<br />

Aufstieg<br />

bewusst sein und<br />

sich<br />

behaupten.<br />

entsprechend<br />

Zum<br />

anderen hilft auch<br />

der Blick von außen.<br />

Wenn ich auf der<br />

Karriereleiter<br />

einen<br />

großen Schritt nach<br />

oben machen will,<br />

ist es ratsam, das<br />

(auch mal) in einem<br />

anderen Unternehmen<br />

zu tun. Zum<br />

einen, weil man dort<br />

direkt auf der neuen<br />

Ebene anfangen kann, und zum anderen<br />

sieht man sich dadurch auch selbst<br />

durch eine andere Brille. In der Regel<br />

leisten die meisten Menschen mehr als<br />

ihnen bewusst ist, und bei einem neuen<br />

Arbeitgeber bekommt man dann gespiegelt,<br />

dass das, was man selbst als 0815<br />

ansieht, weit mehr ist. Das stärkt immens<br />

das Selbstbewusstsein.<br />

Internetpräsenz von IP Deutschland<br />

23


ZUKUNFT GEIST<br />

KARRIERE IN DEN MEDIEN<br />

24<br />

© MGRTL / Stefan Menne<br />

Wie haben Sie diesen Weg bei sich<br />

selbst erlebt?<br />

Ich habe tatsächlich lange nicht gewusst,<br />

wo ich genau hin wollte. Ich habe immer<br />

viel gejobbt und mein Studium auch eher<br />

als Mittel zum Zweck angesehen. Aus<br />

meinem Jahrgang war ich die einzige, die<br />

nicht gesagt hat, dass sie in die Medien<br />

will und bin, glaube ich, letztlich die einzige,<br />

die dann doch dort gelandet ist. Eher<br />

zufällig habe ich kurz vor Studienende<br />

einen Job bei VOX bekommen. Als ich<br />

fertig war, wurde eine Stelle als Referentin<br />

in der Pressestelle frei, auf die ich mich<br />

erfolgreich beworben habe. Ich hatte dort<br />

sehr viel gestalterischen Spielraum und<br />

die Möglichkeit, Sachen auszuprobieren.<br />

In der Medienbranche trifft „selbst denken“<br />

immer auf offene Ohren. Das habe<br />

ich von Anfang an sehr geschätzt – und<br />

genutzt.<br />

Nachdem ich also beim Fernsehen gelandet<br />

war, habe ich schnell den Ehrgeiz<br />

entwickelt, nicht nur Redakteurin bzw.<br />

Referentin zu sein, sondern weiter nach<br />

oben zu kommen. Ich habe neue Wege<br />

vorgeschlagen, an der Verbesserung der<br />

Kommunikation mitgearbeitet. Ich wollte<br />

am Großen und Ganzen mitgestalten<br />

und eigenverantwortlich neue Strategien<br />

entwickeln. Daher bin ich nach einiger<br />

Eingangsfoyer der Mediengruppe RTL Deutschland in Köln<br />

Zeit nach München zu ProSiebenSat1<br />

gewechselt und habe nach etwas mehr<br />

als einem Jahr die stellvertretende Leitung<br />

der Unternehmenskommunikation übernommen.<br />

Vor 11 Jahren rief mich dann<br />

ein Headhunter mit einem sympathischen<br />

kölschen Singsang an und bot mir die Leitung<br />

der Pressestelle von IP Deutschland<br />

in Köln an.<br />

sicht tatsächlich schon prädestiniert. Ein<br />

Lkw-Fahrer kann seine Arbeit nicht von<br />

zu Hause aus erledigen, wenn das Kind<br />

mal krank ist, ein Pressesprecher kann das<br />

durchaus. Allerdings ist hier die Emanzipation<br />

der Männer gefordert, es auch zu<br />

tun und nicht automatisch von ihrer Frau<br />

zu erwarten, dass sie einspringt. Wenn<br />

jeder Mann, dem es theoretisch möglich<br />

wäre, von zu Hause aus zu arbeiten, das<br />

auch täte, wenn das Kind krank ist, wären<br />

Sie haben selbst zwei Kinder und<br />

scheinen die Vereinbarkeit von Beruf<br />

wir schon ein ganzes Stück weiter. Aber<br />

andererseits gehört auch dazu, dass der<br />

und Familie nicht als Problem wahrzunehmen.<br />

nächsten Mädchengeneration stärker<br />

Wie managen Sie das?<br />

Wenn man für sich entscheidet, dass es<br />

nicht ‚entweder oder’ sein muss, ist das<br />

(fast) ganz einfach. Mich ärgert immer,<br />

dass viele Frauen sich einreden lassen, sie<br />

müssten sich entscheiden. Bei Männern<br />

geht man ja auch davon aus, dass sie beides<br />

haben können. Ich habe sowohl Kinder<br />

als auch Karriere und finde, es klappt<br />

herausragend gut. Man kann doch erst<br />

mal mit seinem Wunschszenario antreten<br />

und schauen, wie weit man kommt,<br />

anstatt sich von vornherein das eine oder<br />

andere zu versagen. Wenn man einen<br />

Partner hat, der auf Augenhöhe ist, können<br />

beide beides haben!<br />

Die Medienbranche ist in dieser Hin-<br />

beigebracht wird, ihre Wünsche zu formulieren.<br />

Ich hoffe sehr, dass die Generation<br />

meiner Tochter ein anderes Selbstverständnis<br />

haben wird und dass mehr<br />

Frauen den Mut haben, ihre Ziele höher<br />

zu stecken.<br />

Im Ausland sind sie schon weiter: Beispielsweise<br />

in Frankreich ist es normal für<br />

Frauen in Führungspositionen mehrere<br />

Kinder zu haben. Da ticken die Unternehmen<br />

anders, sodass Frauen genau wie<br />

Männer Ansprüche anmelden können.<br />

In der Medienbranche gibt es glücklicherweise<br />

Vorbilder, denen man nacheifern<br />

kann. Die Frauen, die in den Männerdomänen<br />

erfolgreich sind, haben so<br />

außergewöhnliche Lebensläufe, dass sie<br />

sich dafür nicht gut eignen.<br />

Wie beschreiben Sie Ihren Arbeitsalltag?<br />

Den klassischen Arbeitstag gibt es zum<br />

Glück nicht, Routine sind tatsächlich nur<br />

20-30 Prozent. Ich gucke morgens was<br />

ansteht und regiere dann darauf. Einen<br />

guten Pressesprecher können<br />

Sie nachts um 3 Uhr wecken,<br />

und sie werden immer ein paar<br />

brauchbare Sätze bekommen.<br />

Wenn die Anfragen von Journalisten<br />

aber komplex sind,<br />

muss ich wissen, wen ich in<br />

der jeweiligen Fachabteilung<br />

ansprechen kann. Dieses vernetzte<br />

Denken und das sich<br />

tagtäglich auf viele verschiedene<br />

Menschen einlassen,<br />

macht mehr als die Hälfte meines<br />

Jobs aus. Wenn man einige<br />

Zeit bei einem Unternehmen ist, stößt<br />

man beim Recherchieren immer wieder<br />

auf etwas Bekanntes. Dann weiß man,<br />

dass man ein vollständiges Bild hat. Man<br />

kann sich das wie ein großes Fadenkreuz<br />

vorstellen: Wenn es eine Anfrage gibt,<br />

stülpe ich dieses Fadenkreuz nach außen<br />

und gucke, was wo andockt. Und natürlich<br />

muss man immer aufmerksam sein<br />

für neue Entwicklungen und wo man sein<br />

Wissen erweitern kann. Dafür entwickelt<br />

man über die Jahre ein Gefühl.<br />

Ein weiterer wichtiger Bereich sind neue<br />

© Arya Shirazi | Mediengruppe RTL<br />

Themen, ob Vermarktungsmodelle, Technologien<br />

oder Veränderungen im Portfolio.<br />

Zur Vorbereitung der Kommunikation<br />

nach außen bereiten wir alle Themen mitsamt<br />

den möglicherweise kritischen Fragen<br />

vor. Wer von uns oder dem Management<br />

mit der Presse spricht, ist so auf alle<br />

Eventualitäten vorbereitet und bekommt<br />

keine Schnappatmung, wenn kritische<br />

Fragen gestellt werden. Wir wissen, was<br />

für Journalisten relevant und spannend<br />

Frauen sollten sich<br />

mehr zutrauen und ihre<br />

Ziele höher stecken<br />

ist, aber auch was unsere Kommunikationsziele<br />

transportiert und wie man Themen<br />

vorbereiten muss, damit fair berichtet<br />

wird.<br />

Wie würden Sie ihr Arbeitsumfeld<br />

charakterisieren? Ist die Medienbranche<br />

ein guter Anlaufpunkt für <strong>Geist</strong>eswissenschaftlerinnen<br />

und <strong>Geist</strong>eswissenschaftler?<br />

Als <strong>Geist</strong>eswissenschaftler hat man keine<br />

klassische Berufsausbildung, bringt aber<br />

eine gute inhaltliche Bandbreite mit und<br />

kann sich auch in abgefahrene Themen<br />

reindenken. Das passt gut in die Medienbranche.<br />

Das Wichtigste ist, neugierig<br />

zu sein und gerne zu kommunizieren –<br />

häufig auch mit Menschen, die man noch<br />

nie gesehen hat, man sollte also smalltalktauglich<br />

sein, um das Eis zu brechen.<br />

Das gilt zum einen hausintern, aber auch<br />

in Bezug auf die Journalisten. Ein Journalist,<br />

mit dem ich auf einer Veranstaltung<br />

mal ein semipersönliches<br />

Gespräch geführt habe,<br />

geht hinterher ganz anders<br />

mit den Themen um.<br />

Daneben sollte man natürlich<br />

die Branche mögen. Im<br />

Prinzip funktionieren die<br />

Pressestellen großer Unternehmen<br />

ähnlich, dennoch<br />

tickt jede Branche anders.<br />

Das bringe ich am besten<br />

durch Praktika oder durch<br />

Gespräche auf Jobmessen<br />

in Erfahrung. Im Gespräch<br />

kann man schon mal seine Eignung für<br />

„Kaltakquise“ testen und man wird<br />

schnell feststellen, ob die Branche für<br />

einen passt. Jemand, der gerne in die<br />

Pressestelle eines Museums möchte, wird<br />

nach zehn Sätzen mit einem von uns feststellen,<br />

dass das nichts für ihn ist.<br />

Sehr viele unserer Redakteure, ob in den<br />

Senderredaktionen oder Pressestellen,<br />

sind <strong>Geist</strong>eswissenschaftler. Absolventen<br />

dieser Fächer bringen prinzipiell viel für<br />

den Pressesprecherjob mit, dabei spielt<br />

das Fach gar keine so große Rolle. Wenn<br />

jemand studiert hat, gehe ich davon aus,<br />

dass er sich organisieren und komplexe<br />

Dinge so präsentieren kann, dass sie jeder<br />

versteht. In der Medienbranche findet<br />

man sehr unterschiedliche Werdegänge,<br />

häufig sind es gerade die ungewöhnlichen<br />

oder besonderen Kompetenzen, die<br />

in die Medien führen. Auch unsere Personaler<br />

suchen nach Leuten, die aus der<br />

Masse herausstechen. Und da bieten die<br />

<strong>Geist</strong>eswissenschaftler viel Potenzial. Die<br />

Sorge als <strong>Geist</strong>eswissenschaftler nicht auf<br />

einen konkreten Job hin ausgebildet zu<br />

sein, sollte man positiv sehen. Wir haben<br />

bewiesen, dass wir intelligent und strukturiert<br />

sind, man kann uns beinahe jeden<br />

Inhalt geben und wir machen daraus<br />

etwas Sinnhaftes, etwas Kommunizierbares.<br />

Das können nicht viele von sich<br />

behaupten.<br />

25


ZUKUNFT GEIST<br />

VON IT BIS JAZZ – DIE VIELFALT DER GEISTESWISSENSCHAFTEN<br />

26<br />

EINMAL<br />

POLARKREIS<br />

UND ZURÜCK<br />

ANNA SCHNEPPENHEIM ENTDECKTE FRÜH IHRE LEIDENSCHAFT FÜR SKANDINAVIEN. NACH<br />

IHREM STUDIUM DER SKANDINAVISTIK IN KÖLN GELANG IHR DER BERUFSEINSTIEG IN DIE<br />

TOURISMUSBRANCHE. FÜR ZUKUNFT GEIST ERZÄHLT SIE VON IHREM SPANNENDEN UND<br />

VIELSEITIGEN ARBEITSALLTAG ZWISCHEN SCHWEDISCH-LAPPLAND UND KÖLN.<br />

TEXT: SARAH JÜLICH<br />

M<br />

inus 30°C, Polarlichter,<br />

Rentiere und<br />

Hundeschlittenfahrten,<br />

so könnte<br />

man einen Teil des<br />

Arbeitsalltages von<br />

Anna Schneppenheim beschreiben. Jeden<br />

Winter verbringt sie einige Wochenenden<br />

in einem kleinen Örtchen namens Jokkmokk<br />

im Schwedischen Lappland direkt<br />

am Polarkreis. Dort besucht sie zusammen<br />

mit den Wochenendgästen ein Hotel aus<br />

Schnee und Eis, dass jedes Jahr aufs Neue<br />

gebaut und von verschiedenen internationalen<br />

Künstlern gestaltet wird, leitet<br />

Schneeschuh-Wanderungen durch die<br />

unberührte Natur oder erkundet die verschneite<br />

Landschaft mit dem Hundeschlitten.<br />

Auch der Besuch einer samischen<br />

Familie und ihrer Rentierfarm gehören<br />

zum festen Programm der Wochenendreisen.<br />

Die Samen sind ein eher unbekanntes<br />

Ursprungsvolk im Norden Fennoskandinaviens,<br />

erklärt die sympathische<br />

Kölnerin. Während der Reise lässt sie für<br />

ihre Gäste die samische Kultur ein Stück<br />

weit lebendig werden. Bei der Vermittlung<br />

von Wissen über die bereisten Länder,<br />

Kulturen und Traditionen ist es ihr<br />

wichtig, die Informationen didaktisch<br />

wertvoll aufzubereiten und unterhaltsam<br />

zu vermitteln. Sie setzt dabei auf Anekdoten,<br />

schöne Geschichten, Anschauungsmaterial,<br />

Musik oder auch Geschmacksproben.<br />

Die Gäste erhalten beispielsweise<br />

die Gelegenheit, schwedische Pfefferkuchen<br />

oder getrocknetes Rentierfleisch zu<br />

probieren oder den Klängen traditionell<br />

samischer Musik, den Joiks, zu lauschen.<br />

Der Reiseleiterin ist es wichtig, dass alle<br />

Sinne angesprochen werden und dass<br />

der Urlaub für ihre Gäste zu einem tollen<br />

Erlebnis wird. Damit dies gelingt hat sie<br />

nicht nur ein offenes Ohr für die Gäste<br />

und bringt ihnen die skandinavische Kultur<br />

nahe, sondern sorgt nebenher auch<br />

dafür, „dass einfach alles rund läuft“.<br />

Wenn Anna Schneppenheim nicht<br />

zusammen mit ihren Gästen in Jokkmokk<br />

ist oder gerade andere Teile Skandinaviens<br />

erkundet, arbeitet sie im Büro in der<br />

Nähe von Köln und organisiert das operative<br />

Geschäft. Der Tagesablauf richtet<br />

sich nach dem, was gerade ansteht. Typische<br />

Aufgaben sind dabei die Konzeption<br />

von Reisen samt Preisverhandlungen mit<br />

Hotelpartnern und Beförderern, das Formulieren<br />

von Textbausteinen für Kataloge<br />

und Internetseiten von Geschäftskunden<br />

sowie der direkte Kundenkontakt mit<br />

Privatkunden. Besonders bei der Konzeption<br />

von Reisen und der Betreuung<br />

neuer Reiseleiter kann die Skandinavien-Expertin<br />

von ihrer praktischen Tätigkeit<br />

als Reiseleiterin während der Saison<br />

profitieren. Bei der Planung von Reisen<br />

sind nicht nur die Flugverbindungen und<br />

Übernachtungsmöglichkeiten zu berücksichtigen,<br />

sondern auch die Lenkzeiten<br />

der Busfahrer sowie die lokalen Gegebenheiten.<br />

In Norwegen beispielsweise sind<br />

die Straßenverhältnisse oft so schwierig,<br />

dass man nur ca. 60km in einer Stunde<br />

zurücklegen kann. In Lappland kommt<br />

es immer mal wieder vor, dass plötzlich<br />

eine Herde Rentiere die Straße blockiert<br />

und die Reisenden warten müssen, bis die<br />

Straße wieder frei ist. All dieses Wissen<br />

bringt die junge Kölnerin aufgrund ihrer<br />

Praxiserfahrung mit. Weiterhin kommen<br />

27


ZUKUNFT GEIST<br />

VON IT BIS JAZZ – DIE VIELFALT DER GEISTESWISSENSCHAFTEN<br />

sich selbst erarbeiten. Dabei sei es natürlich<br />

wichtig, auf fundierte und seriöse<br />

Informationen zurückzugreifen, sodass<br />

sich in der Vorbereitung für den Einsatz<br />

als Reiseleiterin immer wieder Strukturen<br />

des wissenschaftlichen Arbeitens finden.<br />

28<br />

ihr die Sprachkenntnisse aus dem Skandinavistikstudium,<br />

die während der Einsätze<br />

als Reiseleitung immer weiter ausgebaut<br />

und perfektioniert werden, zugute. So<br />

kann sie mit den Kooperationspartnern<br />

Absprachen auf Schwedisch treffen oder<br />

Informationen für die Reiseleitung, die<br />

oft nur auf Schwedisch verfügbar sind,<br />

ausführlich recherchieren. Zum Tagesgeschäft<br />

gehört natürlich auch die Vermarktung<br />

der Reisen. So bloggt sie zum<br />

Beispiel über ihre Erlebnisse in Skandinavien<br />

auf www.andersweg.reisen, stellt die<br />

zahlreichen Reisen auf dem Nordischen<br />

Weihnachtsmarkt in Leverkusen vor oder<br />

hält die Kunden via Social Media auf dem<br />

Laufenden.<br />

Auf die Frage, was ihr an ihrem Job am<br />

besten gefällt, hebt sie als erstes die<br />

Vielseitigkeit hervor. Sie findet es toll,<br />

dass sie sehr praxisbezogen arbeitet und<br />

dabei sowohl auf ihre Sprachkenntnisse<br />

als auch auf fachliche Kenntnisse, die sie<br />

während des Studiums erworben hat,<br />

zurückgreifen kann. Durch Ihre Sprachkenntnisse<br />

hat sie auf Reisen so manchen<br />

Vorteil: Mit den schwedischen Busfahrern<br />

und Leistungsträgern fällt es ihr sehr<br />

leicht, ein Team zu bilden und durch den<br />

unmittelbaren Kontakt zu den Einheimischen<br />

konnte sie schon manche tolle<br />

Insider-Story erfahren, die sie dann an<br />

ihre Gäste weitergeben konnte. Weiterhin<br />

schätzt sie, dass sie für beide Bereiche<br />

ihres Jobs fest angestellt ist, was gerade<br />

im Bereich der Reiseleitung eher selten sei.<br />

Durch ihre Doppelrolle im Büro und bei<br />

der Reiseleitung kann sie in beiden Bereichen<br />

von Erfahrungen und Kenntnissen<br />

des jeweils anderen Bereichs profitieren,<br />

was zu einer sowohl sehr gut geplanten<br />

als auch gelungen durchgeführten Reise<br />

führt. Außerdem freut sie sich, so oft in<br />

Skandinavien zu sein und den Reisenden<br />

die skandinavische Kultur nahebringen zu<br />

können. Dabei gefällt ihr besonders, dass<br />

der Fokus nicht wie in der Uni allein auf<br />

Theorien und Modellen, sondern unmittelbar<br />

auf den Inhalten liegt, die wiederum<br />

auch zu ihrem persönlichen Interessensgebiet<br />

gehören.<br />

Es ist bereits angeklungen, dass die junge<br />

Kölnerin in ihrem Beruf insbesondere von<br />

den Sprachkenntnissen, die sie während<br />

des Studiums an der Universität zu Köln<br />

erworben hat, profitiert. Aber, so erklärt<br />

sie, auch die Fähigkeit, selbstständig und<br />

organisiert zu arbeiten und sich Informationen<br />

zu beschaffen, seien für ihren Job<br />

sehr wichtig. Denn alles, was sie den Gästen<br />

während der Reise erzählt, muss sie<br />

Als weitere gewinnbringende Fähigkeit,<br />

die sie im Rahmen des Studiums erworben<br />

hat, empfindet sie das zielgerichtete<br />

Denken und die Fähigkeit, bei einer<br />

großen Datenmenge den Fokus auf die<br />

wichtigen Dinge zu legen. Dies ist für die<br />

Skandinavien-Expertin besonders wichtig,<br />

da sie eine sinnvolle Balance aus Wissensvermittlung<br />

und Unterhaltung schaffen<br />

muss, damit die Reisenden auch etwas<br />

aus dem Urlaub mitnehmen. Am bedeutsamsten<br />

für ihren bisherigen beruflichen<br />

Werdegang war für sie jedoch ihr Auslandssemester<br />

in Schweden. Hier konnte<br />

sie zum einen ihre Sprachkenntnisse vertiefen<br />

und sich zum anderen der Herausforderung<br />

stellen, allein in einem fremden<br />

Land zurechtzukommen. Das schafft in<br />

jedem Fall Selbstvertrauen. Zusätzlich<br />

habe sie während ihrer Zeit in Uppsala<br />

angefangen, sich wirklich für eine Destination<br />

zu interessieren: Sie besuchte<br />

Museen, schaute sich Sehenswürdigkeiten<br />

an und erkundete die Stadt und das<br />

Land. Nachdem die Begeisterung nicht<br />

nur für Schweden sondern auch für die<br />

Tourismusbranche geweckt war, zögerte<br />

die damalige Studentin nicht lange, als<br />

das Institut für Skandinavistik und Fennistik<br />

der Universität zu Köln eine Stellenausschreibung<br />

als Reiseleitung bei ihrem<br />

heutigen Arbeitgeber veröffentlichte.<br />

Sie bewarb sich erfolgreich auf den Job.<br />

Damit war der Grundstein für ihren weiteren<br />

beruflichen Werdegang gelegt, wie<br />

sich später zeigen sollte.<br />

Anna Schneppenheim studierte<br />

Skandinavistik, Germanistik und<br />

Philosophie an der Universität zu<br />

Köln. Sie verbrachte ein Semester<br />

in Uppsala (Schweden), wo sie ihr<br />

Interesse für die Region entdeckte<br />

und vertiefte. Als Reisebegleitung<br />

auf einer Reise zum Nordkap sowie<br />

durch ihre Tätigkeit als Stadtführerin<br />

in Köln sammelte sie erste Erfahrungen<br />

im touristischen Bereich, die<br />

sie nach ihrem Abschluss während<br />

eines dreimonatigen Praktikums in<br />

der Touristikbranche weiter vertiefte.<br />

Anschließend bekam sie einen Job<br />

als Reiseleiterin für Skandinaven bei<br />

der Zonista GmbH, woraus sich eine<br />

Festanstellung ergab. Seit Juni 2014<br />

arbeitet die junge Kölnerin dort während<br />

der Sommer-/Wintersaison als<br />

Reiseleiterin in Skandinavien und<br />

zwischen den Saisons im Büro in der<br />

Nähe von Köln, wo sie unter anderem<br />

damit beauftragt ist, Reisen zu<br />

planen und organisieren.<br />

29<br />

Auf die abschließende Frage, was die<br />

junge Kölnerin den Studienanfängern und<br />

Berufseinsteigern aufgrund ihrer eigenen<br />

Erfahrung raten kann, antwortet sie kurz<br />

und prägnant, dass es wichtig sei, etwas<br />

zu machen, das einen wirklich interessiert<br />

und auch Spaß macht, denn dann ist man<br />

automatisch gut darin. Und wenn man<br />

gut ist, zieht dies mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />

auch berufliche Erfolge nach sich.<br />

Alle Bilder © Anna Schneppenheim


© irfanahmad1989 | pixabay.com<br />

ZUKUNFT GEIST<br />

VON IT BIS JAZZ – DIE VIELFALT DER GEISTESWISSENSCHAFTEN<br />

30<br />

© WDR/Brill<br />

Crossmediales<br />

Know-how als<br />

Erfolgsrezept<br />

Berufserfahrung gesammelt. Woher<br />

kam die Motivation?<br />

Heute mag das aussehen wie ein großer<br />

Plan. Aber das war es nicht, es war Zufall.<br />

Ich wusste vor allem, was ich nicht werden<br />

wollte – aber nicht so sehr, was mein<br />

Ziel war. Zunächst einmal war ich Student<br />

und brauchte Geld. Ich wohnte im Studentenwohnheim<br />

und hatte eine Freundin,<br />

die beim WDR-Videotext arbeitete.<br />

Sie erzählte von einem neuen Bereich:<br />

dem „Online Service Center“, wie die<br />

Onlineredaktion damals hieß. Da startete<br />

ich als studentische Aushilfe, mein erster<br />

Kontakt mit dem WDR.<br />

Der Einstieg in eine Medienkarriere…<br />

Ja, ich habe im Studium erkannt, dass man<br />

sich seine Berufserfahrung parallel aneignen<br />

muss, mit Praktika hier und da, denn<br />

niemand in den Medien würde gezielt<br />

Anglisten oder Germanisten suchen. Für<br />

den Beruf habe ich an der Universität vor<br />

allem eine Methode erlernt. Aber über<br />

den Studentenjob bin ich beim WDR reingekommen<br />

und bis heute da geblieben.<br />

Im Nachhinein ergibt es natürlich alles<br />

Sinn, was ich da gemacht habe.<br />

des Studiums.<br />

Wie ließen sich Studium und journalistischer<br />

Job vereinbaren?<br />

Das ist, glaube ich, Fluch und Segen, weil<br />

man natürlich auf der einen Seite Geld<br />

verdient, sich aber auch disziplinieren und<br />

zur Uni gehen muss. Ich war am Ende des<br />

Studiums schon relativ gut im Geschäft,<br />

und habe viel gearbeitet. Mit meinem ersten<br />

Auslandseinsatz bei der Fußball-EM<br />

2004 in Portugal gab es auch so etwas<br />

wie einen Aha-Effekt für mich. Parallel<br />

dazu meinen Abschluss zu machen, sich<br />

mit Professoren rumzustreiten, das war<br />

nicht so einfach. Das war auch ein Akt<br />

der Selbstüberwindung – und ich glaube,<br />

darum geht es im Studium ja auch: Dass<br />

man sich und seine Grenzen kennenlernt<br />

und weiß, wie man tickt. Man sollte aus<br />

meiner Sicht am Ende das Studium auch<br />

nicht aufgeben. Ich glaube, ohne den<br />

amerika schreibst – es geht doch darum,<br />

sich ein Thema zu suchen, zu erfassen,<br />

und Aspekte herauszugreifen, die für die<br />

Fragestellung relevant sind. Das macht<br />

man als Journalist auch. Insofern ist dieses<br />

Studium der <strong>Geist</strong>eswissenschaften eine<br />

gute Vorbereitung. Und das merke ich<br />

auch in meiner Arbeit. Ich mache nichts<br />

mehr über Semantik oder politische Systeme,<br />

aber die Methode ist vergleichbar<br />

und das nützt mir auch.<br />

Sie haben sich als Social-Media-Redakteur<br />

beim WDR profiliert. Wie lief<br />

Ihr Weg?<br />

Wichtig war, dass ich mich mit einem Einsatz<br />

bei der Fußball-EM in Portugal profiliert<br />

hatte. Da hatte ich eine Reise auf gut<br />

Glück gebucht und dann den Leuten beim<br />

Sender gesagt, dass ich sowieso dort sei<br />

und für sie arbeiten könne. Sie nahmen<br />

an, ich bekam eine Akkreditierung und<br />

31<br />

DURCH ZUFALL GELANG OLIVER HINZ NOCH WÄHREND DES STUDIUMS DER EINSTIEG IN DIE MEDIEN.<br />

MIT ENGAGEMENT UND BISS FASSTE ER DORT FUß UND PROFILIERTE SICH ERFOLGREICH ALS SOCIAL<br />

MEDIA EXPERTE. SCHLIEßLICH GRÜNDETE ER SOGAR SEINE EIGENE FIRMA. DOCH ER MUSSTE AUCH<br />

FESTSTELLEN, DASS MAN FÜR DEN ERFOLG EINEN GEWISSEN PREIS BEZAHLT.<br />

INTERVIEW: MYRIEL DESGRANGES, LINDA IGNACZ, LAILA KEUTHAGE<br />

Was haben Sie in den Nebenjobs konkret<br />

gelernt?<br />

Vor allem die redaktionellen Abläufe. Ich<br />

kann jedem empfehlen, das zu probieren.<br />

Je nachdem, wie man sich einbringt und<br />

wie die Redaktion drauf ist, kriegt man<br />

auch anderes zu tun als nur Kaffeekochen<br />

und Kopieren.<br />

DAS GESPRÄCH IST ERGEBNIS EINES INTERVIEW-WORKSHOPS DES JOURNALISTEN UND TRAINERS<br />

TIM FARIN IM SCHREIBART-PROGRAMM DER UNIVERSITÄT ZU KÖLN.<br />

S<br />

ie haben in Köln Politikwissenschaft,<br />

Geschichte Angefangen habe ich mit Malaiologie im<br />

Norddeutschland, wo ich herkomme.<br />

und Anglistik studiert. Nebenfach, das aber bald gewechselt zu<br />

Haben Sie das Studium<br />

mit der konkreten Hauptfach, aber es gab noch nicht das<br />

Anglistik. Von Beginn an war Politik mein<br />

Absicht begonnen, Journalist<br />

zu werden?<br />

Ziel, Journalist zu werden.<br />

Nein, überhaupt nicht. Zunächst habe<br />

ich auch was ganz anderes studiert, erst Sondern?<br />

in Hamburg und danach hier in Köln. Da Ich wusste damals gar nicht genau, in<br />

wollte ich einfach was anderes sehen als welchen Beruf ich wollte. Politik habe<br />

ich auch nicht studiert, weil ich mich<br />

dafür übermäßig als Berufsziel interessiert<br />

hätte, sondern weil es mir Spaß gemacht<br />

hat, Geschichte ebenfalls, und in Anglistik<br />

hatte ich irgendwann einen Professor,<br />

der Seminare mit englischen Filmen und<br />

ihrer Analyse gemacht hat. Das fand ich<br />

zugänglich. Das berufliche Ziel entwickelte<br />

sich nebenher.<br />

Sie haben während des Studiums viel<br />

Was haben Sie konkret gemacht?<br />

Beim WDR-Onlineteam fing ich mit dem<br />

Thema Bildrecherche an, daneben entwarf<br />

ich kurze Teasertexte, Fotounterschriften,<br />

Bildergalerien und Fotostrecken.<br />

Da habe ich wahrscheinlich einen guten<br />

Eindruck hinterlassen. Außerdem habe<br />

ich überzeugt, weil die meisten Mitarbeiter<br />

eher text- und bildbasiert arbeiteten,<br />

ich aber auch Video- und Audioschnitt<br />

machen konnte. Ich schnitt etwa Ton aus<br />

dem WDR-Programm für die Internetseite.<br />

Nach einem guten Jahr habe ich<br />

dann angefangen, als Autor journalistisch<br />

zu arbeiten. Das war alles noch während<br />

Abschluss wäre ich jetzt auch beruflich<br />

nicht da, wo ich bin. Ein abgeschlossenes<br />

Hochschulstudium ist oft Einstiegsvoraussetzung.<br />

Was hat Ihnen denn das Studium für<br />

den Job gebracht?<br />

Die Art, wie man hier arbeitet, sich Wissen<br />

erschließt und aufarbeitet, egal ob<br />

du über Kamel-Nomaden im Sudan oder<br />

Brandrodungswanderfeldbau in Latein-<br />

Social-Media-Dashboard<br />

durfte aus allen Stadien von vielen Spielen<br />

berichten. Das war eine große Sache für<br />

mich. Nach so einem Event ist man erst<br />

mal gefragt, weil man eben dort war.<br />

So hat dann meine Karriere angefangen<br />

und ich bin Redakteur geworden. Ich war<br />

lange beim Hörfunk und habe bei 1LIVE<br />

die Social-Media-Aktivitäten und Communities<br />

mitkonzipiert und aufgebaut<br />

und wurde für diese Themen der Experte<br />

– es ging um neues, crossmediales Erzählen<br />

in Social Media.


ZUKUNFT GEIST<br />

VON IT BIS JAZZ – DIE VIELFALT DER GEISTESWISSENSCHAFTEN<br />

32<br />

Sie verantworten nun seit einigen<br />

Jahren die Social-Media-Angelegenheiten<br />

der Sportschau. Was ist das für<br />

eine Arbeit?<br />

Die Sportschau kam vor einigen Jahren<br />

auf mich zu, weil sie eine Facebook-Seite<br />

mit vielen Likes, aber ohne Konzept und<br />

Strategie hatte. Die Verantwortlichen<br />

haben mich gefragt, ob ich das ändern<br />

wolle. Da bin ich komplett in dieses Social-Media-Ding<br />

eingestiegen und habe<br />

Strategien entwickelt. Wie verstehen wir<br />

Social Media – als Distributionskanal oder<br />

nur als Selbstvermarktungskanal?<br />

Können wir auch<br />

Inhalte zurückgewinnen<br />

für unsere<br />

journalistische<br />

Arbeit? Und die<br />

wichtige Komponente:<br />

Wie sieht<br />

Social Media im<br />

Fernsehen<br />

aus?<br />

Kommt dann der<br />

Twitter-Kollege<br />

ins Bild und liest Tweets vor oder gibt es<br />

nicht vielleicht intelligentere Wege? Gibt<br />

es im Fernsehen nicht auch technische<br />

Möglichkeiten, Tweets einzubetten und<br />

wie kann man sie moderativ und inhaltlich<br />

in eine Sendung wie die Sportschau<br />

einbauen? Das war im Prinzip die Arbeit.<br />

Das habe ich festangestellt gemacht bis<br />

Ende letzten Jahres und jetzt bin ich nach<br />

neun Jahren WDR wieder freiberuflich<br />

unterwegs. Ich betreue immer noch die<br />

Social-Media-Aktivitäten der Sportschau,<br />

aber eben jetzt auf Honorarbasis.<br />

Was machen Sie denn heute zusätzlich?<br />

Gemeinsam mit einem Partner habe ich<br />

das Unternehmen socialeyes gegründet.<br />

Ich bin jetzt 39, vielleicht würde ich das<br />

in fünf oder sechs Jahren nicht mehr<br />

machen, denn Firmengründung ist auch<br />

anstrengend – andere machen das mit<br />

Anfang 20. Aber ich glaube, es ist ein<br />

guter Zeitpunkt, weil gerade der Bereich<br />

Social Media in vielen Firmen als „müssen<br />

wir machen, aber wir haben gar keine<br />

Ahnung wie das geht“ gilt. Da komme ich<br />

ins Spiel und kann sagen, wie es gemacht<br />

wird.<br />

Was sagen Sie Unternehmen?<br />

Nicht nur einfach nur posten nach dem<br />

Motto: „Oh wow, wir haben ein tolles<br />

Produkt!“, das reicht eben nicht. Da<br />

hilft mir auch mein journalistischer Background.<br />

Ich habe über Jahre gelernt,<br />

Geschichten zu erzählen, um damit Leser,<br />

Zuhörer oder Zuschauer zu packen. Das<br />

Ziel ist es, einen Rezipienten zu haben,<br />

der einsteigt, den man richtig mitnimmt.<br />

Das hilft auch in anderen Erzählformen<br />

der sozialen Medien, wo man vielleicht<br />

Ich spreche<br />

gerne von<br />

Beruf und Berufung<br />

in Tweets nur 140 Zeichen zur Verfügung<br />

hat – aber man kann auch in 140<br />

Zeichen eine gute Geschichte erzählen.<br />

Neben dieser Beratung im konkreten Fall<br />

biete ich den Firmen jetzt auch Schulungen<br />

an. Diese Projekte geben mir einen<br />

neuen Kick.<br />

Sie unterrichten auch an der TH in<br />

Köln. Was machen Sie da?<br />

In dem Projekt geht es um Social Media<br />

und Sport und die Recherche von Social-Media-Accounts<br />

von Sportlern um<br />

in einem zweiten Schritt Interviews mit<br />

diesen anzuleiern. Prinzipiell arbeite ich<br />

auch in Seminaren anwendungsorientiert.<br />

Da geht es dann darum, junge Leute für<br />

etwas zu begeistern und sie zu animieren,<br />

selbst etwas Neues auszuprobieren. Sie<br />

sollen nicht nur wissen, dass es so etwas<br />

wie „Periscope“ gibt, sondern es selber<br />

auch mal testen.<br />

Fassen wir mal zusammen: Sie sind<br />

Hochschuldozent,<br />

Unternehmensgründer,<br />

freier Journalist und Social-Media-Experte.<br />

Wenn man all das<br />

hört, klingt das schon nach einer<br />

Menge Arbeit. Bleibt da überhaupt<br />

noch Zeit für Sie selbst?<br />

Hier treffen Sie gerade einen wunden<br />

Punkt. Im Moment kommt einiges<br />

zusammen. Die Firma ist neu, das ist sehr<br />

anstrengend. Verstehen Sie mich nicht<br />

falsch, ich bin froh darüber, dass die Firma<br />

gut läuft und wir viele Aufträge annehmen<br />

können. Ich spreche gerne von Beruf<br />

und Berufung. Wenn man in einer Sache<br />

total aufgeht, ist das wirklich super und<br />

dann kommt es einem auch nicht wie<br />

Arbeit vor. Und weil mir meine Arbeit so<br />

gut gefällt, fällt es mir oft schwer, auch<br />

mal ‚Nein‘ zu sagen<br />

und mich auf andere<br />

Dinge zu konzentrieren.<br />

Jedoch sollte man<br />

sich immer überlegen,<br />

was man will und was<br />

man nicht will. Und eins<br />

steht fest, was ich nicht<br />

will, das sind auf Dauer<br />

Arbeitswochen, die auch<br />

am Wochenende nicht<br />

enden.<br />

Apropos, was sagt denn Ihre Frau<br />

dazu?<br />

Sie wünscht sich natürlich, dass ich die<br />

Zeit am Wochenende mit ihr und meinem<br />

Kleinen verbringe. Natürlich gebe ich ihr<br />

da Recht und das kann ich auch nur jedem<br />

raten, denn die Zeit mit der Familie ist viel<br />

wichtiger, als nur Geld zu verdienen. Ich<br />

glaube, dass ich in diesem ersten Jahr<br />

der Firmengründung den Fehler gemacht<br />

habe, viele Sachen anzunehmen, die ich<br />

jetzt nicht mehr absagen kann.<br />

Aber ich denke, dass die Erfahrung einen<br />

lehrt, sich auch gewisse Freiräume zu<br />

nehmen. Vielleicht nehme ich mir nochmal<br />

vor, morgens früher da zu sein und<br />

bis 12 viel zu schaffen, damit ich dann<br />

nachmittags mehr Zeit für andere Dinge<br />

habe.<br />

Kommen wir nochmal auf Ihr Studium<br />

zurück. Heute gibt es ja viele neue,<br />

medienbezogene Studiengänge –<br />

auch hier in Köln, etwa Medienkulturwissenschaften<br />

oder Intermedia.<br />

Wenn Sie sich nochmal entscheiden<br />

müssten, würden Sie sich wieder für<br />

Ihre einstige Fächerkombination einschreiben?<br />

Das ist schwierig. Wichtig ist mir aber,<br />

dass es meiner Meinung nach auf die<br />

wissenschaftliche Methode ankommt, die<br />

man hier an der Uni lernt, die teilweise<br />

vielleicht wichtiger ist als das Fach selbst.<br />

Natürlich finde ich diese neuen Studiengänge<br />

super, weil man genau weiß,<br />

was dahinter steckt und demnach ist die<br />

Erwartungshaltung auch eine andere. Ich<br />

kann mir aber auch vorstellen, dass hinter<br />

solchen Studiengängen eine Marketingstrategie<br />

der Uni steckt und dass es heutzutage<br />

für ein Ranking wichtig ist, dass<br />

solche Studiengänge überhaupt angeboten<br />

werden.<br />

Was wären die drei wichtigsten Ratschläge<br />

Ihrerseits, um Studierenden<br />

den Einstieg in den Journalismus zu<br />

erleichtern?<br />

Erstens: niemals Angst davor zu haben,<br />

auch mal zu scheitern, denn so findet<br />

man eben gerade heraus, was man will<br />

und was man nicht will. Zweitens sollte<br />

man immer ehrlich zu sich sein und nicht<br />

sieben oder acht Semester das Falsche<br />

studieren, nur weil das Umfeld oder die<br />

Eltern dazu raten, denn das könnte nachher<br />

wirklich schmerzhaft enden. Und das<br />

Dritte wäre, neugierig zu sein und Erfahrungen<br />

zu sammeln. Als Journalist muss<br />

man neugierig sein, neugierig auf Menschen,<br />

neugierig auf Themen oder neugierig<br />

auf andere Länder. Ich wollte zum<br />

Beispiel immer viel reisen, was ich dann<br />

in den Semesterferien auch getan habe<br />

und diese Erfahrungen kann mir niemand<br />

mehr nehmen. Praktika sind der beste<br />

Weg, nebenher Erfahrungen zu sammeln<br />

und wenn man dann seinen zukünftigen<br />

Arbeitgeber kennenlernt, bevor das Studium<br />

zu Ende ist, ist das natürlich super!<br />

© WDR/Zanettini<br />

33


ZUKUNFT GEIST<br />

SEI DEIN EIGENER CHEF<br />

34<br />

SEI DEIN EIGENER<br />

CHEF!<br />

FÜR GEISTESWISSENSCHAFTLER KANN DER SCHRITT IN DIE SELBSTSTÄNDIGKEIT EINE<br />

GUTE OPTION SEIN – SIE MÜSSEN SICH NUR TRAUEN!<br />

TEXT: LOUISA GOLDSTEIN<br />

© sbp321 - Fotolia.com<br />

Integrationsangebote für Flüchtlinge sein.<br />

Ein Teil davon ist auch die Green Economy,<br />

die sich Umweltschutz und Nachhaltigkeit<br />

auf die Fahne geschrieben hat.<br />

Hier wäre beispielsweise die Eindämmung<br />

von Lebensmittelverschwendung ein<br />

Ansatzpunkt für StartUps, wie beispielsweise<br />

FoodLoop zeigt, das von einem<br />

Studierenden der Medienkulturwissenschaften<br />

der Uni Köln gegründet wurde.<br />

Auch der Träger des erstmals vergebenen<br />

Sonderpreises „Soziale Innovation und<br />

Nachhaltigkeit“ im Ideenwettbewerb der<br />

Kölner Hochschulen 2015 ist ein gutes<br />

Beispiel. Das Gründerteam ‚Insecubator‘<br />

hat das Ziel, Insekten als akzeptierte<br />

Nahrungsquelle in der westlichen Kultur<br />

zu etablieren. Dazu wollen sie gemahlene<br />

Insekten aus Südostasien als Bestandteil<br />

bereits akzeptierter Lebensmittel anbieten<br />

und somit gesunde, ökologisch und sozial<br />

nachhaltige Alternativen schaffen.<br />

Studierende, Absolvent*innen und Wissenschaftler*innen<br />

der Partner kostenlos<br />

– und damit auch für die Uni Köln. Dazu<br />

gehören Experten Speed Dating, Erfahrungsberichte,<br />

Gründungsworkshops,<br />

Networking- und Matchingrunden oder<br />

der Ideenwettbewerb. Außerdem stellt<br />

das GATEWAY Arbeitsplätze für Gründer*innen<br />

der Partner bereit. Sowohl das<br />

GATEWAY als auch das hgnc unterstützen<br />

diese dann vor Ort, beispielsweise bei<br />

der Beantragung des EXIST Gründerstipendiums.<br />

<strong>Geist</strong>eswissenschaftler*innen sollten ermutigt<br />

werden, die Karriereoption Selbstständigkeit<br />

in Betracht zu ziehen und sich<br />

damit die Möglichkeit offen halten, für<br />

etwas zu arbeiten, das ihnen wirklich am<br />

Herzen liegt. Nicht nur Absolvent*innen<br />

von BWL oder Informatik können gründen<br />

– bei <strong>Geist</strong>eswissenschaftler*innen<br />

verändert sich nur die Ausgangslage.<br />

Das Potenzial mit einer Idee erfolgreich<br />

zu sein, steckt in jedem, der bereit ist<br />

sich diesem anspruchsvollen Anliegen<br />

zu widmen. Der erste Schritt ist jedoch,<br />

sich dies bewusst zu machen. Sowohl die<br />

verschiedenen Veranstaltungen als auch<br />

die Beratung des GATEWAY Gründungsservice<br />

und des hgnc können daher für<br />

<strong>Geist</strong>eswissenschaftler*innen eine erste<br />

Anlaufstelle sein, um sich selbst und ihre<br />

Idee vorzustellen, neue Mitstreiter zu finden<br />

oder ihr Projekt konkret in Angriff zu<br />

nehmen.<br />

35<br />

S<br />

tartUps sind in aller Munde.<br />

Doch wie funktioniert<br />

die Gründung von Facebook<br />

oder Trivago? Eine<br />

Geschäftsidee zu entwickeln<br />

ist keine Raketenwissenschaft.<br />

Im Gegenteil – gesunder<br />

Menschenverstand und der Blick<br />

für noch un- oder nur teilweise gelöste<br />

gesellschaftliche und ökologische Probleme<br />

sind häufig die Ausgangspunkte<br />

eines StartUps. Gerade als Studierender,<br />

Absolvent*in oder Wissenschaftler*in der<br />

Universität zu Köln, die als Exzellenzhochschule<br />

qualifiziertes Wissen vermittelt,<br />

ist die Ausgangsbasis für wissensbasierte<br />

Gründungen gelegt – sei es als Freiberufler*in<br />

oder im Team. Natürlich heißt das<br />

nicht, dass eine Gründung kinderleicht ist,<br />

aber wenn man bereit ist, hart an einer<br />

Sache, die einem wirklich wichtig ist, zu<br />

arbeiten, kann dies sich am Ende eines<br />

auch steinigen Wegs auszahlen.<br />

<strong>Geist</strong>eswissenschaftler*innen sind durch<br />

ihre oft interdisziplinäre Ausbildung<br />

nicht auf einen Anwendungs- oder Wissensbereich<br />

festgelegt. Sie können eine<br />

Social Media App oder eine e-Commerce<br />

Plattform für Schuhe gründen. Sie können<br />

digitale Strategien und Produkte<br />

für Kultureinrichtungen vermarkten, wie<br />

beispielsweise die pausanio GmbH, eine<br />

Ausgründung der Uni Köln. Sie können<br />

aber auch im Bereich soziale Innovation<br />

und Nachhaltigkeit versuchen, der<br />

Gesellschaft oder der Natur etwas zurückzugeben.<br />

In diesen Bereichen sind <strong>Geist</strong>eswissenschaftler*innen<br />

studiums- und<br />

erfahrungsbedingt meist gut aufgestellt.<br />

Außerdem bringen sie, im Gegensatz zu<br />

den „klassischen“ Gründer*innen aus<br />

BWL und Informatik, oftmals mehr Wortgewandtheit<br />

und einen interdisziplinären<br />

Blickwinkel mit sich.<br />

StartUps mit eben diesem Fokus auf Social<br />

Entrepreneurship geht es um mehr als<br />

reine Gewinnmaximierung. Sie wollen ein<br />

gesellschaftliches oder ökologisches Problem<br />

in Angriff nehmen, um beispielsweise<br />

Ungleichheiten abzubauen oder Integration<br />

zu leisten und somit einen gesellschaftlichen<br />

oder ökologischen Mehrwert<br />

zu erzeugen. Beispiele könnten die Resozialisierung<br />

von Langzeithäftlingen oder<br />

© EBS Business School<br />

Anlaufstelle zu allen Fragen rund um<br />

den Start in die Selbstständigkeit und<br />

der Entwicklung einer Geschäftsidee ist<br />

für Studierende, Absolvent*innen (bis<br />

zu fünf Jahre nach Abschluss) und Wissenschaftler*innen<br />

der GATEWAY Gründungsservice<br />

der Universität zu Köln.<br />

Als Mitinitiator des seit 2011 bestehenden<br />

hochschulgründernetz cologne e.V.<br />

(hgnc) ist es sein Bestreben, vor allem<br />

unter Studierenden eine Begeisterung für<br />

das Unternehmertum zu entfachen. Das<br />

hgnc steht damit für eine positive Gründungskultur<br />

im Wissenschaftsbereich.<br />

Gelingen soll dies mit einem umfassenden<br />

Angebot an Vorträgen, Workshops, Seminaren,<br />

Wettbewerben und Individualberatungen.<br />

Der Clou: Alle Angebote sind für<br />

Mehr Informationen zu Angeboten und<br />

Service gibt es unter www.hgnc.de und<br />

unter www.gateway.uni-koeln.de.


© DOMiD-Archiv, Köln<br />

ZUKUNFT GEIST<br />

VON IT BIS JAZZ – DIE VIELFALT DER GEISTESWISSENSCHAFTEN<br />

Titelbild: Impression aus dem Trailer zum Virtuellen Migrationsmuseum<br />

36<br />

© DOMiD-Archiv, Köln<br />

GESCHICHTE<br />

LEBENDIG<br />

WERDEN LASSEN<br />

ALS BERUFSEINSTEIGER HATTE ES DR. ROBERT FUCHS<br />

ZUNÄCHST NICHT LEICHT. DOCH DURCHHALTEN UND<br />

DRANBLEIBEN HABEN SICH BEZAHLT GEMACHT.<br />

SEIN WERDEGANG ZEIGT, WIE VIELSEITIG HISTORIKER<br />

ARBEITEN KÖNNEN UND WIE SPANNEND ES SEIN<br />

KANN, GESCHICHTE FÜR DIE GESELLSCHAFT ERLEBBAR<br />

ZU MACHEN.<br />

INTERVIEW: YVONNE KAHL<br />

H<br />

err Fuchs, Sie arbeiten<br />

im Dokumentationszentrum<br />

und<br />

Museum über die<br />

Migration in Deutschland<br />

– kurz DOMiD.<br />

Wie können wir uns einen Arbeitstag<br />

bei Ihnen vorstellen?<br />

DOMiD ist ein von Migranten und Migrantinnen<br />

gegründeter Verein mit begrenzten<br />

personellen und finanziellen Ressourcen.<br />

Das heißt, dass meine Aufgaben ein<br />

breites Spektrum umfassen. Das beginnt<br />

mit allgemeinen Tätigkeiten der Presseund<br />

Öffentlichkeitsarbeit wie zum Beispiel<br />

die Betreuung unserer Homepage und<br />

aller Social Media Kanäle sowie die Herstellung<br />

und Pflege von Pressekontakten.<br />

Zusätzlich bin ich in die Strategieentwicklung<br />

des Vereins bzw. der Geschäftsstelle<br />

eingebunden, führe durch die Räumlichkeiten,<br />

halte Vorträge bei Tagungen und<br />

konzipiere und betreue Ausstellungen –<br />

zuletzt im Bundeskanzleramt. Hauptsächlich<br />

koordiniere ich aber die notwendigen<br />

Schritte, um unser Ziel – den Aufbau eines<br />

Migrationsmuseums – zu verwirklichen.<br />

Das umfasst unter anderem die Produktion<br />

von entsprechendem Info-Material<br />

sowie ausgeprägte Netzwerktätigkeiten<br />

mit Politik, Verwaltung, Stiftungen<br />

und der freien Wirtschaft. Ich verfasse<br />

Texte oder Aufsätze bei Anfragen, stelle<br />

Anträge und plane die Strategie für die<br />

Realisierung des Museums.<br />

Können Sie uns Ihre Funktion bei der<br />

Planung des Museums noch näher<br />

beschreiben?<br />

DOMiD hat als erste Institution mit<br />

der Sammlung und Dokumentation<br />

der Migrationsgeschichte Deutschlands<br />

begonnen und verfügt über eine einzigartige<br />

Sammlung alltagsgeschichtlicher<br />

Zeugnisse zur Einwanderungsgeschichte.<br />

Wir haben mittlerweile über 100.000<br />

Objekte, Dokumente, Fotos und Interviews.<br />

Gleichzeitig verfügen wir über ein<br />

starkes Know-how, was Ausstellungen<br />

zu dem Thema angeht. Wir haben unter<br />

anderem die erste Ausstellung zur Migration<br />

in Deutschland überhaupt gemacht.<br />

Das Ziel, ein Museum zu errichten,<br />

besteht schon seit 25 Jahren. Ein wichtiger<br />

Schritt in diese Richtung bildete unser<br />

virtuelles Migrationsmuseum. Als ich im<br />

Jahr 2013 hier anfing, war ich im Rahmen<br />

einer Machbarkeitsstudie verantwortlich<br />

für die Konzeption dieses virtuellen<br />

Museums. Zuerst in den virtuellen Raum<br />

zu gehen, bot verschiedene Vorteile: Ein<br />

virtuelles Museum ist jederzeit von überall<br />

erreichbar und kostet im Aufbau und in<br />

der Nachhaltigkeit wesentlich weniger als<br />

ein reales Gebäude mit realen Personen.<br />

Ziel war es, die Bevölkerung zu sensibilisieren,<br />

Aufmerksamkeit zu generieren<br />

und unsere Botschaft nach außen zu<br />

tragen. Wir ließen einen Trailer produzieren<br />

und bauten eine Blogstruktur auf.<br />

Das war dann derartig erfolgreich, dass<br />

von verschiedenen Seiten auf uns eingewirkt<br />

wurde, jetzt sei die Zeit, ein reales<br />

Museum auf den Weg zu bringen. Die<br />

Entscheidung dafür fiel Anfang letzten<br />

Jahres. Wir konnten Rita Süssmuth als<br />

Schirmherrin gewinnen und schafften es,<br />

die Gelder für eine Machbarkeitsstudie<br />

zu generieren. Diese koordiniere ich nun.<br />

Wir setzen den inhaltlichen und fachlichen<br />

Rahmen, indem wir klar definieren,<br />

was dieses Haus beinhalten soll, was die<br />

Kernbotschaften sind und wie wir uns<br />

das vorstellen. Ein externes Unternehmen<br />

klärt dann Punkte wie die Kostenkalkulation,<br />

den Standort und juristische Fragen<br />

wie zum Beispiel, ob das Museum dann<br />

eine Stiftung, eine gemeinnützige GmbH<br />

oder AG werden soll.<br />

Was macht Ihnen an Ihrer Arbeit am<br />

meisten Freude?<br />

Mein Werdegang zeigt, wie wichtig es<br />

für mich ist, in der Vermittlung zu arbeiten<br />

und mit meiner<br />

Tätigkeit Impulse<br />

in die Gesellschaft<br />

zu setzen. Deshalb<br />

habe ich mich dazu<br />

entschieden, weniger<br />

stark in der<br />

Wissenschaft zu<br />

arbeiten, sondern<br />

tatsächlich in dem<br />

Bereich, in dem ich<br />

gerade bin. Meine<br />

Stelle bei DOMiD ist<br />

ein Glücksfall. Denn<br />

es ist die Synthese<br />

Podiumsdiskussion auf der Jungen Islam Konferenz in Berlin<br />

meiner wissenschaft-<br />

2014 (mit Esra Küҫük (links) und Barbara John (mitte))<br />

lichen Expertise, meiner Erfahrung im<br />

musealen Bereich und meiner Freude an<br />

Geschichtsvermittlung, Kommunikation<br />

mit anderen Menschen und am Troubleshooting.<br />

Die Projektleitung für den<br />

Aufbau eines realen Museums, in dem<br />

sich unsere Gesellschaft als Migrationsgesellschaft<br />

entdecken und erleben kann, ist<br />

wahnsinnig spannend.<br />

Sie haben an der Universität zu Köln<br />

Geschichte, Germanistik und Politik<br />

studiert. Hatten Sie zu Beginn des<br />

Studiums schon einen klaren Berufswunsch?<br />

Als ich mein Studium anfing, war mir<br />

noch gar nicht so klar, wo die Reise hin<br />

gehen sollte. Ein geisteswissenschaftliches<br />

Studium legt einen beruflich nicht<br />

so direkt fest, wie das vielleicht bei einem<br />

Mediziner, Juristen oder Lehrer der Fall ist.<br />

Das habe ich als große Chance gesehen<br />

und denke auch immer noch, dass dies<br />

ein großer Vorteil ist. Um diese Wahlmöglichkeit<br />

zu haben, wählte ich auch<br />

bewusst nicht das Lehramt, sondern den<br />

Magister. Während des Studiums absolvierte<br />

ich unterschiedliche Praktika, im<br />

Unternehmensarchiv der Bayer AG, bei<br />

der NGO Germanwatch, bei den Blättern<br />

für Deutsche und internationale Politik.<br />

Das war ein guter Weg, um einzugrenzen,<br />

wo es für mich tatsächlich hingehen<br />

könnte. Außerdem bin ich mit dem<br />

jugendlichen Optimismus ins Studium<br />

gegangen, dass wenn ich etwas mache,<br />

was mir liegt und Spaß macht, ich das gut<br />

mache. Und wenn ich etwas gut mache,<br />

dann werde ich da auch später einen Job<br />

37


ZUKUNFT GEIST<br />

VON IT BIS JAZZ – DIE VIELFALT DER GEISTESWISSENSCHAFTEN<br />

38<br />

finden. Und letztendlich hat sich das dann<br />

auch bewahrheitet.<br />

Die Entscheidung wie es nach dem<br />

Studium weiter gehen soll, stellt für<br />

Studierende einen großen Schritt dar.<br />

Was hat Ihnen geholfen, sich nach<br />

dem Studium beruflich zu orientieren?<br />

Ausstellungspräsentation im Bundeskanzleramt mit Staatsministerin Aydan Özoğus<br />

Die erste wichtige Weichenstellung<br />

ergab sich schon während meines Studiums.<br />

Zur Finanzierung arbeitete ich sehr<br />

lange als Stadtführer in Köln. Da ist mir<br />

bewusst geworden, wie wichtig es für<br />

mich ist, nicht nur zu forschen, sondern<br />

auch Geschichte zu vermitteln und nach<br />

außen zu tragen. Ich habe gesehen, wie<br />

viel Begeisterung man bei den Menschen<br />

für Geschichte und den Umgang damit<br />

wecken kann, wenn man das Ganze<br />

adäquat rüberbringt. Das war für mich die<br />

Initialzündung darüber nachzudenken, ob<br />

es wirklich die Wissenschaft ist, wo ich hin<br />

will oder etwas anderes. Ein zweiter ganz<br />

zentraler Punkt war ein Gespräch mit meiner<br />

Professorin direkt nach meiner Magister<br />

Arbeit. Ich wollte eigentlich doch<br />

direkt promovieren. Sie sagte dann, dass<br />

sie mir das fachlich durchaus zutraue,<br />

aber ich mir genau überlegen solle, wo<br />

ich hin möchte. Eine Promotion erfordert<br />

rund fünf Jahre Zeit und dann konkurriert<br />

man nachher auf dem Arbeitsmarkt mit<br />

Menschen, die vielleicht schon fünf Jahre<br />

praktische Erfahrung gesammelt haben.<br />

Aufgrund dieser Überlegung und meiner<br />

Erfahrung aus den Stadtführungen habe<br />

ich mich dann erst einmal dazu entschieden,<br />

nicht zu promovieren, sondern praktisch<br />

zu arbeiten.<br />

aufsaugen. Es stellte sich aber heraus,<br />

dass ich immer wegen mangelnder Erfahrung<br />

abgelehnt wurde. Es ist natürlich<br />

sehr frustrierend, wenn einem Berufseinsteiger<br />

gesagt wird, man hätte nicht die<br />

nötige Erfahrung. Die Praktika während<br />

der Studienzeit waren zwar erste Erfahrungen,<br />

aber es ist noch einmal etwas<br />

anderes, wenn man tatsächlich gearbeitet<br />

und damit auch seinen Lebensunterhalt<br />

verdient hat. Ich beschloss dann, doch<br />

noch einmal ein Praktikum vorzuschalten<br />

und ging für 3 Monate nach Bremerhaven<br />

in das Deutsche Auswandererhaus. Nach<br />

dem Praktikum bot man mir dann dort<br />

ein Volontariat an. Ein Volontariat ist im<br />

Museumsbereich der normale Weg zum<br />

Jobeinstieg und wurde auch meiner.<br />

Und dort haben Sie dann doch Ihre<br />

Promotion begonnen. Wie kam es<br />

dazu?<br />

Wenn ich<br />

etwas gut mache,<br />

dann werde ich<br />

da auch später<br />

einen Job finden<br />

Einige Studierende der <strong>Geist</strong>eswissenschaften<br />

machen sich Gedanken<br />

um ihre Arbeitsmarkteinstiegschancen.<br />

Wie waren Ihre Erfahrungen<br />

nach dem Studium?<br />

© Bundesregierung/Bilan<br />

Nach dem Studium war ich erst zunächst<br />

6 Monate arbeitslos. Meine Sachbearbeiterin<br />

beim Amt wollte mich zum Laubfegen<br />

in den Grüngürtel schicken. Das war<br />

keine witzige Erfahrung. Ich schrieb viele<br />

Bewerbungen und dachte, ich sei top qualifiziert<br />

und der Arbeitsmarkt würde mich<br />

Während des Volontariats habe ich<br />

gemerkt, wie viel Spaß mir die Arbeit im<br />

Bereich Museum macht. Und mir wurde<br />

klar, dass ich beruflich dort Fuß fassen<br />

wollte. Im Museumsbereich<br />

ist die<br />

Promotion meiner<br />

Meinung<br />

nach<br />

wichtig und hilfreich.<br />

Bis zu einer<br />

gewissen<br />

Stufe<br />

lassen sich auch<br />

ohne<br />

Doktortitel<br />

verantwortungsvolle<br />

erreichen.<br />

Positionen<br />

Aber<br />

wenn es dann<br />

weiter gehen soll,<br />

wird das ohne<br />

Promotion schwierig.<br />

Es ist zum<br />

Teil heute so, dass die Promotion sogar<br />

schon Voraussetzung für ein Volontariat<br />

ist. Dazu kam, dass mich das Thema –<br />

Heiratsverhalten von deutschen Migrantinnen<br />

und Migranten in den USA im<br />

19. Jahrhundert – einfach auch gepackt<br />

hatte. Das motivierte mich zusätzlich.<br />

Wie ging es nach dem Volontariat für<br />

Sie weiter?<br />

Meine Promotion lief zuerst parallel zum<br />

Volontariat. Als das endete und wenig<br />

später mein Stipendium auslief, begann<br />

ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

beim Caritasverband Bremen zu arbeiten.<br />

Dort schrieb ich eine Studie über die<br />

Heimerziehung im Lande Bremen von<br />

1945-75. Nach der Promotion arbeitete<br />

ich am Haus der Wannsee Konferenz an<br />

einem Dokumentar-Theater-Projekt mit.<br />

Sie haben einen Teil Ihres Studiums in<br />

England verbracht. Wie wichtig war<br />

diese Erfahrung rückblickend für Sie?<br />

Die Zeit in England war bis dato eines der<br />

besten Jahre meines Lebens und sowohl<br />

persönlich als auch fachlich eine tolle<br />

Erfahrung. Ich habe bis heute noch Kontakt<br />

zu vielen meiner damaligen Kommilitonen.<br />

Fachlich bin ich dort mit einem<br />

Als Team von Historikern, einem Theater- anderen Verständnis für Geschichte<br />

regisseur und einer Dramaturgin arbeiteten<br />

wir das Protokoll der Wannsee Konferenz<br />

auf. Dieses Dokument ist ein Ergebnisprotokoll,<br />

das ganz stark von Eichmann<br />

redigiert wurde. Unsere Aufgabe bestand<br />

darin, es zu dekonstruieren. Das heißt, wir<br />

haben immer an den Punkten, an denen<br />

verklausuliert wurde, diese Verklausulierung<br />

aufgeschlüsselt. Wenn zum Beispiel<br />

der Satz fiel „Der Rest wird nach Theresienstadt<br />

verbracht.“, beleuchteten wir den<br />

Satz mit einem Augenzeugenbericht, der<br />

veranschaulicht, was es bedeutete nach<br />

Theresienstadt „verbracht“ zu werden.<br />

Das Ganze haben wir dann auf die Bühne<br />

und Geschichtswissenschaft in Kontakt<br />

gekommen, was mich stark geprägt hat.<br />

In meinen Kursen dort spielten zum Beispiel<br />

‚Local History‘, ‚Alltagsgeschichte‘<br />

und eine ‚Button-Up-Perspektive‘ eine<br />

große Rolle. Das hat mich später dazu<br />

gebracht, mich mit Auswandererbriefen<br />

zu beschäftigen und die haben mich dann<br />

zu meinem Dissertationsthema geführt.<br />

Zusätzlich ist es in Großbritannien so, dass<br />

es bei aller Wissenschaftlichkeit auch stärker<br />

darum geht, Geschichten zu erzählen<br />

– also Themen für eine breites Publikum<br />

verständlich aufzubereiten und zu publizieren.<br />

gebracht, also auch selber aufgeführt.<br />

Das hatte eine ganz starke Emotionalisierung<br />

und ich habe noch einmal gemerkt,<br />

welche Möglichkeiten in der Geschichte<br />

schlummern und was man mit lebendiger<br />

Vermittlung leisten kann. Anschließend<br />

habe ich dann als freiberuflicher Autor im<br />

Bereich History Marketing gearbeitet und<br />

eine Unternehmensbiografie geschrieben.<br />

Einen Tag nach der Disputation habe ich<br />

hier mit einer Projektstelle bei DOMiD<br />

angefangen.<br />

Welche Eigenschaften sollte man für<br />

die Tätigkeit in Museen und Kultureinrichtungen<br />

mitbringen?<br />

Das hängt ganz von der Institution und<br />

der Tätigkeit ab. Sowohl Museen als auch<br />

Kultureinrichtungen allgemein können<br />

ganz unterschiedliche Voraussetzungen<br />

haben. Das betrifft beispielsweise die Vermittlungsziele,<br />

die Größe und die finanzielle<br />

Ausstattung dieser Häuser. Generell<br />

glaube ich, dass es eine Schlüsselqualifi-<br />

Blick in eine Werkhalle aus dem Trailer zum Virtuellen Migrationsmuseum<br />

© DOMiD-Archiv, Köln<br />

kation als <strong>Geist</strong>eswissenschaftler ist, sich<br />

schnell in Themengebiete unterschiedlichster<br />

Art einzuarbeiten. Das ist meiner<br />

Meinung nach ganz wichtig. Dazu kommt<br />

eine multiperspektivische Herangehensweise<br />

sowohl an Themen als auch an<br />

praktische Herausforderungen. Persönlich<br />

sollte man eine gewisse Neugierde und<br />

Offenheit für Themen und für Veränderungen<br />

mitbringen sowie Freude daran<br />

haben, mit Menschen zu kommunizieren.<br />

Entscheidend ist auch, dass man keine<br />

Angst vor der Übernahme von Verantwortung<br />

hat und die Fähigkeit mitbringt,<br />

selbständig Entscheidungen zu treffen.<br />

Was würden Sie jungen <strong>Geist</strong>eswissenschaftlerinnen<br />

und <strong>Geist</strong>eswissenschaftlern<br />

bezüglich der Berufsperspektiven<br />

im heutigen Arbeitsmarkt<br />

raten?<br />

Mit offenen Augen und Neugier durch<br />

die Welt gehen und keine Angst haben,<br />

wenn man am Anfang des Studiums noch<br />

nicht weiß, was für ein Beruf dabei rauskommen<br />

wird. Bildung sollte nicht der<br />

ökonomischen Verwertungslogik unterworfen<br />

und die Entwicklungspotentiale<br />

junger Menschen dadurch eingrenzt werden.<br />

Ich glaube, wer eine gute Ausbildung<br />

hat, fit in praktischen/praxisorientierten<br />

Bereichen ist und über die eben genannten<br />

Eigenschaften verfügt, hat immer<br />

Chancen. Allerdings halte ich mit Blick<br />

auf die Bachelor- und Master-Studiengänge<br />

einen Bachelorabschluss in einem<br />

geisteswissenschaftlichen Fach für wenig<br />

hilfreich. Da fehlt einfach etwas und eine<br />

Spezialisierung durch einen Master würde<br />

ich empfehlen.<br />

39


© geralt | pixabay.com<br />

ZUKUNFT GEIST<br />

AUS DER UNI<br />

40<br />

„H<br />

istoriker/Historikerin“<br />

– ist<br />

das eigentlich<br />

ein Beruf?<br />

Würde man<br />

den Absolventinnen<br />

und Absolventen historischer<br />

Studiengänge diese Frage stellen, wäre<br />

die ganz überwiegende Antwort: Nein.<br />

Und das, obwohl die Berufsaussichten laut<br />

jüngerer Absolventenstudien gut sind.<br />

Auch werten junge Berufseinsteigerinnen<br />

und Berufseinsteiger ihr Geschichtsstudium<br />

häufig als gute Vorbereitung für<br />

ihren Job. Nur beginnen die allermeisten<br />

ihr Berufsleben in Bereichen, die mit historischen<br />

Inhalten wenig zu tun haben.<br />

Und zwar nicht als Plan B und gezwungenermaßen,<br />

sondern hoch zufrieden,<br />

für erlernte Kompetenzen geschätzt und<br />

bezahlt zu werden.<br />

Fragt man hingegen die Studierenden,<br />

ist die Antwort nicht so eindeutig. Viele<br />

vermeiden den Gedanken an die Zeit<br />

nach dem Studium, und natürlich ist es<br />

völlig legitim, sich erst einmal auf das<br />

Studieren selbst zu konzentrieren. Einige<br />

wenige haben klare Berufsvorstellungen<br />

und qualifizieren sich ganz gezielt für<br />

bestimmte Bereiche. Die meisten reagieren<br />

eher unruhig auf die „Berufsfrage“,<br />

weil sie gar nicht wissen, wo sie anfangen<br />

sollen, um eine Schneise in das Dickicht<br />

der beruflichen Orientierung zu schlagen.<br />

Genau dafür hat das Historische<br />

Institut vor sechs Jahren die ‚Berufspraktische<br />

Vorbereitung‘ als eigenen Bereich<br />

gegründet.<br />

Seit daher bietet das Historische Institut<br />

der Uni Köln eine sehr breite Unterstützung<br />

in Fragen der Berufsvorbereitung<br />

an. Das Angebot ist hierbei außerordentlich<br />

vielfältig: Der zentrale Baustein der<br />

‚Berufspraktischen Vorbereitung‘ ist dabei<br />

eine große Auswahl an Lehrveranstaltungen.<br />

Das Praxis-Angebot umfasst sowohl<br />

Themen der grundlegenden Berufsorientierung,<br />

bei der unterschiedliche Berufe<br />

vorgestellt werden, als auch die Vermittlung<br />

von historischen Spezialkenntnissen,<br />

so z. B. der Schriftkunde („Paläographie“).<br />

Programmreihe<br />

für Studierende<br />

der Geschichte<br />

TEXT: IMKE STURM-MARTIN<br />

Wichtig ist auch der unmittelbare Kontakt<br />

mit der Berufswelt. Historiker und Historikerinnen,<br />

die im Beruf stehen, kommen<br />

als Gäste am Historischen Institut mit den<br />

Studierenden ins Gespräch. Sie berichten<br />

zum Beispiel von individuellen Wegen in<br />

den Beruf und von ihrem Arbeitsalltag.<br />

In den vergangenen Jahren haben 45<br />

Historiker und Historikerinnen über ihre<br />

Praxis-Erfahrungen in unterschiedlichen<br />

Berufen referiert. Für die Studierenden<br />

sind diese oft sehr persönlichen Berichte<br />

inspirierend. Sie bekommen hier die<br />

Chance einer Innenansicht, wie sie sich<br />

sonst eigentlich nur im Bekanntenkreis<br />

bietet. Sie können durch Fragen an die<br />

Gäste abklopfen, ob die vorgestellten<br />

Bereiche auch für sie selbst als Berufsweg<br />

in Frage kämen. Sie erfahren, auf welche<br />

Qualifikationen besonderer Wert gelegt<br />

wird und welche Einstiegswege erfolgversprechend<br />

sind. Nicht zuletzt können sie<br />

hier einen ersten Kontakt knüpfen – und<br />

tatsächlich werden in informellen Gesprächen<br />

am Rande der Gastvorträge immer<br />

wieder auch Praktika direkt vereinbart.<br />

Neben diesen Gesprächen an der Uni kann<br />

natürlich auch der Eindruck vor Ort viele<br />

wichtige Informationen über Institutionen,<br />

Unternehmen und manchmal ganze<br />

Berufsbereiche vermitteln. Deshalb haben<br />

die Studierenden des Historischen Instituts<br />

im Rahmen der ‚Berufspraktischen<br />

Vorbereitung‘ auch die Möglichkeit, an<br />

Exkursionen im Kölner Raum teilzunehmen.<br />

Besucht werden Institutionen und<br />

Unternehmen, in denen (auch) Historiker<br />

und Historikerinnen arbeiten. Sie führen<br />

die Studierenden durch ihre Arbeitsumgebung<br />

und können Insider-Tipps geben.<br />

Durch diese Besuche werden einerseits<br />

Barrieren abgebaut, andererseits können<br />

Studierende ihre Vorstellungen vom<br />

Berufsalltag hier mit der Realität vergleichen.<br />

Ganz zentral im Angebot des Historischen<br />

Instituts ist natürlich die individuelle Beratung.<br />

Bachelor- und Masterstudierende<br />

können sich individuell über Praktikumsmöglichkeiten,<br />

Qualifizierungsstrategien<br />

und mögliche Berufsfelder beraten lassen.<br />

Als Vorbereitung kann eine Datenbank<br />

mit Kurzzusammenfassungen aus<br />

neueren Praktikumsberichten konsultiert<br />

werden, die über die E-Learning-Plattform<br />

der Uni Köln ILIAS zugänglich ist.<br />

Wer bei der ‚Berufspraktischen Vorbereitung‘<br />

Rat sucht, profitiert von einem<br />

breiten außeruniversitären Netzwerk, das<br />

seit der Gründung des Bereichs aufgebaut<br />

wurde. Hier fließen die Informationen aus<br />

den Praktikumsberichten, der Austausch<br />

mit Absolventen sowie die Projektzusammenarbeit<br />

mit außeruniversitären<br />

Unternehmen und Institutionen zusammen<br />

und bilden einen sehr reichhaltigen<br />

Pool an Wissen und Informationen über<br />

Berufsperspektiven (und manchmal auch<br />

die direkte Vermittlung in ein Praktikum)<br />

für Geschichtsstudierende.<br />

Eine kleine Anzahl von Absolventen wird<br />

dann doch zu „Historikern“ und „Historikerinnen“<br />

– so nennen sich diejenigen,<br />

die in der Wissenschaft bleiben oder sich<br />

um deren Vermittlung kümmern, ob an<br />

der Uni, im Archiv, in Gedenkstätten oder<br />

Historischen Museen – in der Regel mit<br />

einem Master, oft mit einer Promotion<br />

ausgestattet. Das Studium der Geschichte<br />

führt zu vielen möglichen Berufen. Am<br />

Historischen Institut werden Studierende<br />

auf dem Weg in die Praxis begleitet und<br />

unterstützt.<br />

© OpenClipArtVectors | pixabay.com<br />

41


INTERDISZIPLINÄR<br />

AUF GANZER<br />

LINIE<br />

© pwc © pwc<br />

GABI DORNER SETZTE VON ANFANG AN<br />

AUF DIE INTERDISZIPLINÄRE KARTE UND<br />

ENTSCHIED SICH FÜR EIN STUDIUM DER<br />

REGIONALWISSENSCHAFTEN LATEINAMERIKA.<br />

HIER KONNTE SIE IHRE AFFINITÄT ZU SPRACHEN<br />

UND ZAHLEN GLEICHERMASSEN EINSETZEN.<br />

HEUTE ARBEITET SIE ERFOLGREICH IN EINEM<br />

INTERNATIONALEN UMFELD, SCHAFFT LOCKER<br />

DIE BALANCE ZWISCHEN FAMILIE UND KARRIERE<br />

UND IST MIT ALL DEM HOCHZUFRIEDEN.<br />

INTERVIEW: YVONNE KAHL<br />

Frau Dorner, Sie haben in Berührung mit den Wirtschaftswissenschaften.<br />

Insofern war der Weg vielleicht im Job aus- und weiterbildet.<br />

ist ohnehin ein Berufsfeld, wo man sich<br />

Köln Regionalwissenschaften<br />

Lateinamerika studiert etwas kürzer als für jemanden, der ein<br />

und arbeiten heute bei pwc, rein geisteswissenschaftliches Fach wählt.<br />

einem Unternehmen, das Das was ich heute mache – das Entsende-Management<br />

Die Interdisziplinarität Ihres Studiums<br />

im Bereich Wirtschaftsprüfung/Unternehmensberatung<br />

tätig ist. Ist das<br />

nicht eher ein ungewöhnlicher Beruf<br />

für eine <strong>Geist</strong>eswissenschaftlerin?<br />

Ja und Nein. Das eine ist: Ich habe mit<br />

oder die Betreuung von<br />

Mitarbeitern vom Unternehmen, die ins<br />

Ausland entsandt werden, respektive,<br />

die aus dem Ausland nach Deutschland<br />

kommen – ist ohne hin etwas, wo sich<br />

war demnach ein Vorteil für Sie?<br />

Ja. Es genau das, was ich heute auch tue.<br />

Ich spanne den kompletten Bogen von<br />

der Personalwirtschaft über personalstrategische<br />

Themen bis hin zu rein betriebswirtschaftlichen<br />

Regionalwissenschaften Lateinamerika ganz viele Disziplinen kreuzen und was<br />

Fragestellungen wie „Hat<br />

einen Studiengang gewählt, der auch<br />

die Wirtschaftswissenschaften mit hinzunimmt.<br />

Damals hatten wir die Schwerpunkte<br />

Lateinamerikanische Geschichte,<br />

die Sprachen Spanisch und Portugiesisch,<br />

man so nicht studieren kann. Alle, die bei<br />

uns in diesem Feld tätig sind, haben ganz<br />

unterschiedliche Studiengänge absolviert.<br />

Da sind die klassischen BWLer, aber auch<br />

Personalwirtschaftler, Psychologen und<br />

sich eine Entsendung am Ende auch wirtschaftlich<br />

gerechnet?“. Es war sicherlich<br />

gut, von Anfang an diese doppelte Sicht<br />

zu haben und wirtschaftswissenschaftliche<br />

mit geisteswissenschaftlichen Themen<br />

Politikwissenschaften und Volkswirtschaft.<br />

andere Mitarbeiter, die z.B. den Schwer-<br />

und Fragestellungen zu verbinden.<br />

Ich hatte also da schon die erste punkt auf Sprachen gelegt haben. Und<br />

es<br />

Sie sind Senior Manager im Human<br />

Resource Service. Wie kann man sich<br />

Ihren Arbeitsalltag vorstellen?<br />

Mein Team und ich betreuen die entsandten<br />

Mitarbeiter von Unternehmen,<br />

also Deutsche im Ausland und Ausländer<br />

in Deutschland, steuerlich und sozialversicherungsrechtlich.<br />

Das heißt, wir helfen<br />

ihnen, das deutsche Steuerrecht zu<br />

verstehen. Zu meinen Aufgaben gehört<br />

die klassische Kundenakquise<br />

und anschließende<br />

Betreuung<br />

bestehender<br />

Mandate. Mein Schwerpunkt<br />

ist die Beratung<br />

von Unternehmen bei der<br />

Betreuung der gesamten<br />

Entsendepopulation.<br />

Dafür erstelle ich Entsenderichtlinien,<br />

in denen<br />

zusammenfasst wird, was<br />

die jeweiligen Mitarbeiter<br />

während ihrer Auslandsentsendung<br />

an Leistungen<br />

erhalten. Als ein praktisches<br />

Beispiel: Das Unternehmen<br />

bezahlt die internationale<br />

Schule für die<br />

Kinder, wenn die gesamte<br />

Familie mitgeht. Ich unterstütze<br />

die Unternehmen<br />

dabei, die Entsendeprozesse<br />

aufzusetzen, damit<br />

auch jeder im Unternehmen zum richtigen<br />

Zeitpunkt weiß, was er zu tun hat,<br />

und dass die Person xy am Soundsovielten<br />

von A nach B kommt. Am Ende unterstützen<br />

wir auf Wunsch die Kostenkontrolle<br />

einer solchen Entsendung und prüfen bei<br />

weiterer Planung, ob solche Entsendungen<br />

auch zukünftig durchgeführt werden<br />

sollen, ob sie sich ganz klassisch gerechnet<br />

haben. Es ist also eine Mischung aus<br />

reiner Beratertätigkeit für den Kunden,<br />

klassischem Key Account Management<br />

und der internen Rolle Teamführung.<br />

Die Vereinbarkeit von Familie und<br />

Beruf ist nicht immer leicht. Wie<br />

würden Sie die Work-Life-Balance in<br />

Ihrem Beruf beschreiben?<br />

Für mich persönlich sehr gut. Ich habe drei<br />

kleine Jungs, jetzt 6 und zweimal 3 Jahre<br />

alt, und arbeite auf einer 75%-Stelle mit<br />

einer 30-Stunden-Woche. Ich habe die<br />

Möglichkeit, auch vom Home Office aus<br />

zu arbeiten, was bei meiner Tätigkeit<br />

wegen der Zeitverschiebung oft sehr gut<br />

ist. Weder gegenüber meinem Arbeitgeber<br />

noch meiner Kunden war es je problematisch<br />

zu sagen: „Ich bin zwischen<br />

15:30 Uhr und 19:30 Uhr nur in dringenden<br />

Fällen erreichbar.“ Dadurch habe ich<br />

den Nachmittag so gut wie immer frei und<br />

Ich trenne gar nicht<br />

so sehr zwischen<br />

Work und Life.<br />

Mir macht die<br />

Arbeit wirklich<br />

Freude und sie ist<br />

Teil meines Lebens.<br />

widme mich ganz den Kindern. Bei Ganztagsterminen<br />

springen die Tagesmutter<br />

oder mein Mann ein. Ich hatte nie das<br />

Gefühl, mich zwischen Karriere und Beruf<br />

entscheiden zu müssen. Und zu guter<br />

Letzt muss ich auch sagen, ich trenne gar<br />

nicht so sehr zwischen Work und Life.<br />

Mir macht die Arbeit wirklich Freude und<br />

sie ist Teil meines Lebens. Das gehört für<br />

mich einfach zusammen.<br />

Haben Sie das Studium mit einem festen<br />

Berufswunsch begonnen oder hat<br />

sich Ihnen erst im Verlauf eine Berufsperspektive<br />

erschlossen?<br />

Also, ich habe mit 18 Jahren Abitur<br />

gemacht und war etwas<br />

erschlagen von der Thematik,<br />

mich entscheiden<br />

zu müssen, was ich mein<br />

Leben lang als Beruf ausüben<br />

wollte. Ich habe<br />

das dann darauf reduziert,<br />

dass ich mich schon<br />

immer in den Sprachen<br />

und im Umgang mit Menschen<br />

sehr wohl gefühlt<br />

habe, aber auch ein gutes<br />

Zahlenverständnis<br />

hatte.<br />

Die reine Wirtschaftswissenschaft<br />

wäre mir damals<br />

viel zu trocken gewesen.<br />

An ein reines Sprachenstudium<br />

habe ich mich<br />

nicht ran getraut. Als ich<br />

dann von dem damals<br />

noch relativ neuen Studiengang<br />

‚Regionalwissenschaften<br />

Lateinamerika‘<br />

gehört habe, fand ich darin die ideale<br />

Kombination von beidem. Und dann bin<br />

ich ins kalte Wasser gesprungen und habe<br />

mit dem Studium angefangen ohne den<br />

ganz konkreten Plan zu haben, was ich<br />

hinterher wirklich damit werden wollte.<br />

© Gabi Dorner<br />

© anmide | pixabay.com


Durch meine Praktika in der Internationalen<br />

Handelskammer in São Paulo in Brasilien<br />

und in Bonn bei der Botschaft von<br />

Bolivien wurde mir dann auch bestätigt,<br />

dass es Tätigkeiten gibt, die ich mit meiner<br />

Ausbildung sehr gut ausüben kann.<br />

Ich hatte dadurch stets das Gefühl, sehr<br />

breit und sehr gut aufgestellt zu sein und<br />

damit auch immer eine <strong>Zukunft</strong>sperspektive<br />

zu haben.<br />

Was unterscheidet Ihrer Meinung<br />

nach Absolventen eines geisteswissenschaftlichen<br />

Studiums von denen<br />

anderer Studiengänge?<br />

Ich glaube nicht, dass <strong>Geist</strong>eswissenschaftler<br />

es nötig haben, sich im direkten<br />

Vergleich mit wirtschaftswissenschaftlichen<br />

Studierenden klein zu machen. Sie<br />

bringen einfach andere Qualifikationen<br />

mit. Der BWL-Studierende bringt Steuerkenntnisse<br />

mit, hat aber vielleicht Defizite<br />

darin, Wissen in einen breiteren Kontext<br />

zu setzen. Studierende der <strong>Geist</strong>eswissenschaften<br />

dagegen besitzen gute Sprachund<br />

Kulturkenntnisse, müssen aber eventuell<br />

im Bereich ökonomisches Denken<br />

noch dazu lernen. Das Charakteristische<br />

eines geisteswissenschaftlichen Studiums<br />

ist das Thema ‚ganzheitliches Denken‘.<br />

Dinge werden stets hinterfragt und in<br />

einen größeren Zusammenhang gesetzt.<br />

Ich selbst setze diese geisteswissenschaftliche<br />

Brille im Arbeitsalltag sehr häufig<br />

auf. Zum Beispiel wenn es um das Thema<br />

Kostenkontrolle geht. Dann schaue ich<br />

nicht nur, ob sich die Entsendung rein<br />

rechnerisch gelohnt hat, sondern auch,<br />

ob sich der entsandte Mitarbeiter dabei<br />

persönlich weiterentwickelt hat. Diese<br />

Kombination aus Wirtschaftswissenschaften<br />

und <strong>Geist</strong>eswissenschaften hat mich<br />

sehr gut auf meine heutigen Aufgaben<br />

vorbereitet.<br />

Welchen Tipp würden Sie jungen Studieninteressierten<br />

oder Studierenden<br />

bezüglich eines geisteswissenschaftlichen<br />

Studiums und der Berufswahl<br />

geben?<br />

Das eine ist, dass man wirklich das studieren<br />

sollte, was man studieren möchte –<br />

unabhängig davon, ob man sich im ersten<br />

Semester schon die Frage stellt, was man<br />

am Ende des Studiums damit für einen<br />

Beruf erlangen müsste. Ich habe erlebt,<br />

dass Kommilitonen etwas studiert haben,<br />

nur weil sie sich damit große Berufschancen<br />

erhofften und damit am Ende dann<br />

kreuzunglücklich waren. Man sollte den<br />

Mut haben zu tun,<br />

was man selber als<br />

Berufung empfindet,<br />

und dann wird man<br />

damit schon einen<br />

passenden Beruf<br />

finden. Weil man,<br />

wenn man etwas<br />

gerne tut, das auch<br />

immer gut macht.<br />

Und wenn man<br />

etwas gut macht,<br />

dann wird man auch<br />

darin seinen Weg<br />

finden. Praktika sind<br />

eine gute Chance,<br />

Berufsfelder kennenzulernen<br />

und sich<br />

darin auszuprobieren.<br />

Viele Germanisten<br />

sind am Ende<br />

vielleicht in der<br />

Marketingabteilung,<br />

weil sie herausragende<br />

Texte schreiben.<br />

Dafür hätte man auch Marketing<br />

studieren können. Aber das sind dann<br />

zwei Wege, die zum gleichen Ziel führen<br />

können. Man sollte sich auch selber überlegen,<br />

wo die eigenen Stäken und auch<br />

Schwächen liegen und ein eigenes Profil<br />

herausbilden.<br />

Heutzutage fordern viele Stellenausschreibungen<br />

schon erste Berufsoder<br />

Praxiserfahrung durch Praktika<br />

oder Studentenjobs. Haben Sie einen<br />

Insider-Tipp als Personalerin, worauf<br />

in einer Bewerbung noch geachtet<br />

wird?<br />

Ich hatte damals mit den zwei Praktika,<br />

einem Auslandssemester und Jobben<br />

während des Studiums schon überdurchschnittliche<br />

Erfahrungen in der Arbeitswelt<br />

gemacht. Wenn ich mir heute die<br />

Bewerbungen anschaue, die ich auf den<br />

Tisch bekomme, ist das, was mich damals<br />

ausgezeichnet hat, fast schon der Standard.<br />

Wenn ich einstelle oder diese Entscheidung<br />

mit treffe, bevorzuge ich auch<br />

Bewerber, die schon die entsprechenden<br />

Praktika gemacht haben. Der Vorteil ist,<br />

dass diese Bewerber dann schon wissen,<br />

was sie erwartet und dass die Stelle das<br />

Richtige für sie ist. Aber ich schaue auch<br />

immer auf das Gesamtbild. Ich möchte<br />

einen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin<br />

haben, der/die in mein Team passt, eine<br />

reife Persönlichkeit ist und weiß, was er/<br />

sie tut. Wenn er/sie mir das belegen kann,<br />

ist das schon eine hervorragende Qualifikation.<br />

Dann spielt das Studienfach, das<br />

Alter oder ein Zickzack im Lebenslauf<br />

auch nur eine untergeordnete Rolle. Das<br />

reine Fachwissen bringen wir den Leuten<br />

dann bei. Ich habe mir mein Steuerwissen<br />

auch erst in den letzten mittlerweile 8<br />

Jahren angeeignet, die ich hier bin. Fließendes<br />

Englisch ist jedoch eine notwendige<br />

Voraussetzung für einen Jobeinstieg<br />

bei uns.<br />

Für viele Studierende stellt sich nach<br />

dem Bachelor die Frage: Master ja<br />

oder nein? Welche Empfehlung würden<br />

Sie Studierenden der <strong>Geist</strong>eswissenschaften<br />

geben?<br />

Ich glaube, es ist eine ganz persönliche<br />

Frage, ob man sich selber mit dem Bachelor<br />

als fertig ausgebildet empfindet oder<br />

ob man sich noch weiter bilden möchte.<br />

Aber die Frage ist auch, ob man sich noch<br />

einmal auf ein Studium konzentrieren<br />

mag. Wir stellen sowohl Master als auch<br />

Bachelor ein. Es gibt zum Teil in Unternehmen<br />

– so wie bei uns – geförderte<br />

Masterprogramme, wenn man im Berufsleben<br />

merkt, man möchte oder muss, um<br />

weiter aufzusteigen, noch einen Master<br />

machen. Es ist auch die Frage, welche<br />

weiteren Abschlüsse für den Beruf wichtig<br />

sind. Bei uns ist beispielsweise oft ein<br />

Steuerberater-Examen wichtiger als ein<br />

Masterabschluss. Wenn Bachelor-Bewerber<br />

keine Spezialisierung haben, tun sie<br />

sich manchmal schwerer zu entscheiden,<br />

was sie wollen. Wer sich noch nicht sicher<br />

ist, wohin der Weg gehen soll, für den ist<br />

der Master gar nicht so schlecht. Man<br />

sollte die Studienzeit auch etwas genießen<br />

und nutzen, um sich auszuprobieren<br />

und Lebenserfahrungen zu sammeln, sei<br />

es durch ehrenamtliches Engagement,<br />

Praktika, Auslandsstudium oder Work &<br />

Travel.<br />

Sie haben ein Semester in Lissabon<br />

studiert. Hilft Ihnen diese Erfahrung<br />

auch heute in Ihrem jetzigen Beruf,<br />

wo Sie sich um die Belange von Entsandten<br />

kümmern, die mit einem<br />

anderen kulturellen Hintergrund<br />

alleine in ein fremdes Land kommen?<br />

Es war spannend ganz auf sich alleine<br />

gestellt in einer fremden Stadt zu sein.<br />

Ich habe noch nie in so kurzer Zeit so viel<br />

gelernt. Durch diese Erfahrung kann ich<br />

heute sehr gut nach empfinden, welche<br />

Fragen, Sorgen und Probleme die nach<br />

Deutschland Entsandten haben. Es tut<br />

gut, sich selber auch mal fremd zu fühlen.<br />

In Gesprächen mit den Assignees<br />

Man sollte den Mut<br />

haben zu tun, was<br />

man selber als<br />

Berufung empfindet,<br />

und dann wird<br />

man damit schon<br />

einen passenden<br />

Beruf finden.<br />

oder entsprechenden Abteilungsleitern<br />

in den Unternehmen merke ich, dass es<br />

gleich eine Augenhöhe schafft. Damals<br />

den Sprung in eiskaltes Wasser gewagt<br />

zu haben, das hat mich persönlich weiter<br />

gebracht und irgendwie hat es auch bis<br />

heute meine Passion für dieses Beratungsthema<br />

aufrechterhalten. Es erfüllt mich,<br />

tagtäglich mit den unterschiedlichsten<br />

Auslandsfällen zu tun zu haben.<br />

Das klingt nach Zufriedenheit. Sind<br />

Sie hier mit Ihrer Position im Entsende-Management<br />

beruflich angekommen?<br />

Ich bin auf jeden Fall angekommen. Also<br />

ich will nicht ausschließen, dass, wenn<br />

ich mal in Rente bin, ich auch noch mal<br />

eine Reisegruppe durch Bolivien begleiten<br />

würde. Das sollte man nie ausschließen.<br />

Aber was mein Berufsleben betrifft,<br />

würde ich sagen, bin ich im Entsende-Management<br />

auf jeden Fall da angekommen,<br />

wo ich mich wirklich 100%ig wiederfinde.<br />

© anmide | pixabay.com


ZUKUNFT GEIST<br />

VON IT BIS JAZZ – DIE VIELFALT DER GEISTESWISSENSCHAFTEN<br />

46<br />

„DAS STUDIUM HAT MICH<br />

KOMMUNIZIEREN GELEHRT“<br />

REINER RASCHE HATTE SICH EIGENTLICH EINE FÜR LAUFBAHN ALS LEHRER ENTSCHIEDEN,<br />

ERKANNTE ABER BALD, DASS ER LIEBER IN DIE FREIE WIRTSCHAFT WOLLTE. IN DER<br />

TELEKOMMUNIKATION SCHAFFTE ER ES BIS IN DIE FÜHRUNGSETAGE.<br />

BEREUT HAT ER SEIN STUDIUM DENNOCH NICHT.<br />

INTERVIEW: BIANCA MÜNCH, MARIUS WENDZEL, HANNAH ZWISCHENBERGER<br />

DAS GESPRÄCH IST ERGEBNIS EINES INTERVIEW-WORKSHOPS DES JOURNALISTEN UND TRAINERS TIM FARIN<br />

IM SCHREIBART-PROGRAMM DER UNIVERSITÄT ZU KÖLN.<br />

Herr Rasche, Sie haben viewseminar. Denken Sie oft an Ihr Es sieht genauso aus wie damals. Es hat<br />

hier in Köln vor fast Studium zurück?<br />

sich nichts verändert. Ich erinnere mich,<br />

zehn Jahren Ihr Studium<br />

der Germanistik seit ich wusste, dass dieses Interview total verloren war. Es wurde einem nichts<br />

Relativ selten – aber in letzter Zeit schon, wie ich zu Beginn meiner Studienzeit hier<br />

und Philosophie auf ansteht. Ich habe überlegt, wie es früher so wirklich erklärt. Man musste sich alles<br />

Lehramt beendet. Jetzt sind Sie wieder<br />

in einem Seminarraum Ihrer alten Ich habe mich gefragt, wie es jetzt hier lich lange gebraucht, um eine Struktur in<br />

war und dass ich ewig nicht mehr hier war. selbst zusammensuchen. Ich habe ziem-<br />

Universität zu Gast, in einem Inter-<br />

wohl aussieht – und das Interessante war: meinen Uni-Alltag zu bekommen.<br />

© ra2 studio | Fotolia.com<br />

Wie kamen Sie eigentlich dazu, der<br />

Lehrerlaufbahn den Rücken zu kehren<br />

und als Berater in der Telekommunikationsbranche<br />

tätig zu werden?<br />

Ich bin mit bestem Gewissen und dem<br />

klaren Wunsch, Lehrer zu werden, in<br />

den Beruf eingestiegen. Allerdings hatte<br />

das Studium keinerlei Praxisbezug für<br />

die Schule gehabt, man konnte sich um<br />

Pädagogik auch weitgehend drücken. So<br />

fiel ich mit Beginn des Referendariats ins<br />

kalte Wasser. Ich hatte etwa 24 Wochenstunden,<br />

davon direkt ein Drittel eigener<br />

Unterricht – und das war wieder wie zu<br />

Beginn des Studiums: Wir bekamen alle<br />

nicht viel erklärt und wussten gar nicht so<br />

recht, wie denn so ein Schüler-Lehrer Dialog<br />

eigentlich idealerweise funktioniert.<br />

Nach den zwei Jahren Referendariat habe<br />

ich mich aber dann gegen dieses Berufsbild<br />

entschieden.<br />

Sie wechselten in die Telekommunikationswirtschaft…<br />

Ja, denn ich wollte sehen, wie es in der<br />

Wirtschaft zugeht. Ich habe mich auch<br />

nicht gegen das Lehramt entschieden,<br />

sondern dafür, andere Möglichkeiten<br />

auszuprobieren. Ich hatte ja auch schon<br />

während des Studiums ganz unterschiedliche<br />

Praktika absolviert.<br />

Hatten Sie schon während des Studiums<br />

Kontakt zu Ihrem ersten Arbeitgeber,<br />

der Clintworld GmbH – oder<br />

wie konnten Sie das Unternehmen<br />

überzeugen?<br />

Nein, das war ein Zufall. Ich überlegte:<br />

Was kann ich noch mit meinem Studium<br />

der Philosophie und Germanistik<br />

machen? Es ist nicht unbedingt so, dass<br />

die großen Unternehmen auf jemanden<br />

mit diesem Studium warten. Allerdings<br />

sind Beratungsunternehmen relativ offen.<br />

Ich hatte im Bewerbungsgespräch mit<br />

dem Geschäftsführer das Glück, dass er<br />

Wirtschaftsmathematik studiert hatte. Er<br />

war der Meinung, dass Mathematik und<br />

Philosophie im Grunde das Gleiche seien,<br />

dass wir beide logisch denken können<br />

müssten und ich das wohl könne – und er<br />

mir den Rest schon beibringe. Dann war<br />

ich eingestellt.<br />

In welchem Bereich haben Sie zu<br />

Beginn gearbeitet?<br />

Direkt in der Telekommunikation. Clintworld<br />

berät Telekommunikationsunternehmen:<br />

Es analysiert die Daten der<br />

Kunden und überlegt, was man daraus<br />

schließen kann, welche Direktmarketingkampagnen<br />

sinnvoll sind und so weiter.<br />

Der Anfang war hier endlich einmal echte<br />

Lehrzeit: Da habe ich im Büro gesessen,<br />

Daten analysiert und gewissermaßen<br />

„von links nach rechts“ geschoben.<br />

Können Sie sagen, was Ihnen aus<br />

Ihrem Studium geholfen hat, ein<br />

guter Berater zu werden?<br />

Das Studium hat mich Kommunizieren<br />

gelehrt und ich habe auch erfahren, wie<br />

man sich auf verschiedenste Ansprechpartner<br />

einstellt. Es ist natürlich ein<br />

Unterschied, ob Sie mit einem Techniker,<br />

dem Geschäftsführer eines Kunden oder<br />

mit einem Werbefachmann reden: Die<br />

Ansprache muss sich ändern. So ist das<br />

ja auch im Lehramt, wo man auf Schüler,<br />

Eltern, Kollegen und Behörden unterschiedlich<br />

eingeht. Das war sehr lehrreich<br />

und hat mir immer wieder geholfen.<br />

Heute sind Sie bei der Telekom in leitender<br />

Position: Wie kamen Sie dorthin?<br />

Nach knapp drei Jahren bei Clintworld in<br />

Hamburg wollte ich mich stärker weiterentwickeln.<br />

Das Unternehmen war klein<br />

und fokussiert, so konnte ich schnell viel<br />

lernen – aber ich wollte andere Projekte<br />

aus anderen Gebieten kennenlernen.<br />

Außerdem lernte ich damals meine jetzige<br />

Frau kennen. Sie wohnte in Bonn. Ich<br />

wollte näher zu ihr. Ich bewarb mich bei<br />

der Detecon, einer zum Telekom-Konzern<br />

gehörenden Unternehmensberatung. Das<br />

gelang – so bin ich zur Telekom gekommen.<br />

Heute verantworten Sie bei der Telekom<br />

die Kündigerprävention und das<br />

Loyalitätsmanagement. Was genau<br />

können wir uns darunter vorstellen?<br />

Loyalitätsmanagement heißt, Dinge mit<br />

den Kunden zu tun, die sie positiv an uns<br />

binden. Das können Aktionen mit spielerischen<br />

Elementen sein. Es kann aber auch<br />

© Reiner Rasche<br />

sein, dass wir den Kunden einfach mal<br />

ein Geschenk zum Geburtstag schicken<br />

oder sie zum Einzug Salz und Brot von<br />

uns bekommen. Mein Team sorgt dafür,<br />

dass Kunden etwas Positives mit der Telekom<br />

verbinden. Außerdem reden wir von<br />

uns aus proaktiv mit Kunden über Fehler<br />

oder Probleme. Falls es welche gibt, bitten<br />

wir um Entschuldigung und entwickeln<br />

gemeinsam Lösungen für unsere Kunden.<br />

Welche Zusatzqualifikationen würden<br />

Sie Studierenden der <strong>Geist</strong>eswissenschaften<br />

empfehlen, die in einem<br />

ähnlichen Bereich arbeiten möchten?<br />

Generell hilft es, frühzeitig Praktika zu<br />

machen und neben dem Studium zu<br />

arbeiten – möglichst in der Richtung, in<br />

die man auch möchte. Auch völlig studienfremde<br />

Jobs in einem Unternehmen<br />

sind interessant um herauszufinden, ob<br />

man dort erfolgreich sein kann. Ich sehe<br />

das auch in meinem jetzigen Job: Die<br />

Praktikanten studieren meist BWL - was<br />

auch gut ist. Aber ihr Studium polt sie<br />

teilweise in eine Richtung. Ich fände es<br />

auch spannend, hier mehr <strong>Geist</strong>eswissenschaftler<br />

zu sehen.<br />

Ist es denn ein Vorurteil, dass man<br />

BWL studieren sollte, um als Führungskraft<br />

tätig zu werden?<br />

Das Studium ist vielleicht gar nicht so<br />

wichtig wie die Affinität zu den Themen<br />

– als Führungskraft setzen Sie sich täglich<br />

mit vielen Themen und vielen unterschiedlichen<br />

Menschen auseinander. Es<br />

47


ZUKUNFT GEIST<br />

VON IT BIS JAZZ – DIE VIELFALT DER GEISTESWISSENSCHAFTEN<br />

48<br />

ist außerdem sehr wichtig zu verstehen,<br />

wie ein Unternehmen tickt. Das kann<br />

man sich aber aneignen. Ich glaube, dass<br />

es besonders für Führungskräfte immer<br />

unwichtiger wird, was man studiert hat.<br />

Je weiter Sie in der Hierarchie nach oben<br />

kommen, desto weniger zentral wird das.<br />

Gilt das für jeden Bereich?<br />

Nein, das hängt natürlich schon etwas<br />

von der jeweiligen Branche ab. Wenn ich<br />

versuchen würde, im Finanzsektor Karriere<br />

zu machen, würde das ohne BWL-Studium<br />

vermutlich schwierig.<br />

Reden wir nochmal über Ihre Führungsposition:<br />

Was für Zusatzqualifikationen<br />

aus dem Studium helfen<br />

Ihnen?<br />

Als Führungskraft brauche ich spezielle<br />

Qualifikationen – solche, die oft mit<br />

denen des Lehrers verwandt sind.<br />

Wie meinen Sie das?<br />

Sie brauchen ein Gefühl für Menschen,<br />

müssen Stimmungen mitbekommen oder<br />

© edar | pixabay.com<br />

deeskalieren und Konflikte auch aushalten<br />

können. Hier ist kein BWL-Wissen<br />

nötig, sondern eine Mischung aus Erfahrung<br />

und sensiblem Eingehen auf Menschen.<br />

Man ist als Führungskraft auch ein<br />

bisschen vom Arbeitsalltag entkoppelt.<br />

Man muss bereit sein, nicht konkret ein<br />

Thema zu bearbeiten, Themen loslassen<br />

und Verantwortung übergeben zu können.<br />

Da sehe ich den Zusammenhang<br />

zum Lehrer und dessen Philosophie, denn<br />

als Lehrer gibt man möglichst viel Verantwortung<br />

an die Schüler ab, sodass diese<br />

ihre eigenen Erfahrungen machen und<br />

sich mit der Zeit entwickeln können.<br />

Eine Frage zur Philosophie: Es gibt<br />

den Begriff „Firmenphilosophie“ – hat<br />

der mit der klassischen Philosophie<br />

wie bei Kant und Hegel etwas zu tun?<br />

Nein, das hat vorderhand nichts mit klassischer<br />

Philosophie zu tun. Aber irgendwie<br />

dann doch wieder, zumindest in meinem<br />

Fall. Ich habe meine Überzeugungen im<br />

Studium ausgeprägt und ich habe mich<br />

natürlich an bestimmten philosophischen<br />

Richtlinien orientiert. Das prägt meinen<br />

Arbeitsstil. Trotzdem bin ich natürlich beispielsweise<br />

kein „Kantianer“, der streng<br />

nach normativen Grundsätzen lebt und<br />

nicht von diesen abweicht.<br />

Sondern?<br />

Ich bin von der Postmoderne, dem Poststrukturalismus<br />

geprägt – Derrida oder<br />

Foucault, wo man erkennt, dass Dinge<br />

sehr stark im Fluss sind. Erst durch das<br />

Aufzeigen der strukturellen Zusammenhänge<br />

von Themen entsteht so etwas<br />

wie Wahrheit. Das gilt auch in meinem<br />

Arbeitsalltag.<br />

Also lassen Sie Freiräume.<br />

Wenn Mitarbeiter fragen, ob sie links oder<br />

rechts herum mit einem Thema verfahren<br />

sollen, gebe ich idealerweise keinen<br />

Weg vor, sondern gebe Denkanstöße. Da<br />

kommt sicherlich die Inspiration meines<br />

Studiums zum Tragen.<br />

Sie reklamieren für sich auch die Kompetenzen<br />

„internationale Erfahrung“<br />

und „diplomatisches Geschick“ – wird<br />

so etwas im geisteswissenschaft-<br />

lichen Studium ausreichend vermittelt?<br />

Ich glaube, der Schlüssel ist hier Auslandserfahrung<br />

– da habe ich damals im<br />

Studium zu wenig gemacht. Ich glaube,<br />

es hilft, verschiedenste Zugangsformen<br />

zu Studieninhalten zu lernen. Wenn man<br />

immer nur in der Uni Köln studiert, lernt<br />

man auch immer wie an der Uni Köln. Ich<br />

habe mich beispielsweise in meiner ersten<br />

Staatsarbeit mit Marcel Mauss auseinander<br />

gesetzt, einem französischen Ethnologen<br />

vom Anfang des 20. Jahrhunderts,<br />

der beschrieb, wie Kulturen auf abgelegenen<br />

Inseln miteinander interagieren.<br />

Scheint weit weg von Ihrem Studium…<br />

Ja, und als Germanist denken Sie erstmal:<br />

„Was ist das denn?“ Aber Sie merken<br />

über diese Erfahrung, die jemand in so<br />

einem Text vermittelt, wie ganz anders<br />

man sich mit kulturellen Phänomenen<br />

auseinander setzen kann. Meine zweite<br />

Staatsarbeit handelte von Graffiti. Es war<br />

auch für mich nicht selbstverständlich,<br />

dass man darüber eine germanistische<br />

Arbeit schreiben kann. Aber irgendwann<br />

merken Sie über die Erfahrung mit anderen<br />

Kulturformen und über die Erfahrung<br />

mit verschiedenen Zugängen zu Texten,<br />

dass alles kulturell bedeutsam ist und man<br />

sich damit auseinander setzen kann. Den<br />

Impuls bekommen Sie aber nur, wenn Sie<br />

sich neuen Eindrücken aussetzen.<br />

Wenn man sich Ihren Lebenslauf<br />

anschaut gewinnt man den Eindruck,<br />

dass Sie Ihre Karriereleiter mit viel<br />

Planungsgeschick und Zielstrebigkeit<br />

erklommen haben. Haben Sie auch<br />

ein großes, ein erklärtes Karriereziel?<br />

Ja, aber es ist keine konkrete Position,<br />

sondern besteht darin, mich permanent<br />

weiterzuentwickeln Das will ich nicht an<br />

Es geht darum,<br />

jedes Thema<br />

mit Leidenschaft<br />

und Konsequenz<br />

anzugehen<br />

der Höhe des Gehalts oder der Mitarbeiterzahl<br />

messen. Natürlich habe ich aber<br />

auch den Wunsch, noch ein bisschen weiter<br />

„nach oben“ zu kommen.<br />

Was bedeutet Zielstrebigkeit für Sie?<br />

Ich glaube, es geht darum, jedes Thema<br />

mit Leidenschaft und Konsequenz anzugehen.<br />

Als Berufsanfänger bringt es nichts<br />

zu sagen: Ich will in zehn Jahren genau in<br />

dem Unternehmen in jener Position sein.<br />

Das können Sie nicht alleine beeinflussen.<br />

Wenn Sie aber permanent zielstrebig und<br />

konsequent arbeiten, werden sich immer<br />

Möglichkeiten ergeben, auf die man sich<br />

einlassen sollte.<br />

Welche Möglichkeiten beispielsweise?<br />

Meine aktuelle Rolle ergab sich durch<br />

eine Personalveränderung. Man hat mich<br />

einfach gefragt, ob ich dazu bereit wäre,<br />

ohne mir das Thema im Detail zu erklären.<br />

Ich habe mich ohne Vorbehalte darauf<br />

eingelassen und es war eine große<br />

Chance. So, glaube ich, macht man Karriere.<br />

Wenn Sie heute noch einmal studieren<br />

würden: Für welches Fach oder welche<br />

Fächer würden Sie sich entscheiden?<br />

Ich glaube, es gibt heute an den Unis viel<br />

mehr Fächer als früher. Ich denke, ich<br />

würde heute eine Mischform aus Kulturwissenschaften,<br />

vielleicht auch mehr<br />

Soziologie und rückblickend auch BWL<br />

oder VWL wählen. Diese Fächer helfen, in<br />

der heutigen komplexen Welt die Abläufe<br />

in Unternehmen oder Wirtschaftssystemen<br />

zu verstehen. Am Ende glaube ich aber,<br />

dass viel wichtiger als die Fächerkombination<br />

die Frage ist, wie man studiert und<br />

was man bereit ist, aus dem Studium und<br />

den begleitenden Erfahrungen im Beruf<br />

mitzunehmen.<br />

49


ZUKUNFT GEIST<br />

© Fabian Stürtz<br />

IMPRESSUM<br />

50<br />

HERAUSGEBER<br />

Universität zu Köln<br />

Philosophische Fakultät<br />

Dekan Prof. Dr. Stefan Grohé<br />

REDAKTIONSLEITUNG, KONZEPT,<br />

GESTALTUNG & BILDREDAKTION<br />

Constanze Alpen<br />

Öffentlichkeitsarbeit & Kommunikation<br />

Philosophische Fakultät<br />

Albertus-Magnus-Platz<br />

50923 Köln<br />

constanze.alpen@uni-koeln.de<br />

AUTORINNEN<br />

Silke Feuchtinger<br />

Julia Hallmann<br />

Sarah Jülich<br />

Yvonne Kahl<br />

Arya Shirazi | Mediengruppe RTL (S. 22, 25), MGRTL<br />

/ Stefan Menne (S. 24), irfanahmad1989 | Pixabay.<br />

com (S. 30), WDR/Zanettini (S. 33), sbp321 | Fotolia.<br />

com (S. 34), EBS Business School (S. 35), Junge Islam<br />

Konferenz (S. 37), Bundesregierung/Bilan (S. 38),<br />

geralt | Pixabay.com (S. 40), OpenClipArtVectors |<br />

Pixabay.com (S. 41), Gabi Dorner (S. 43, 44), anmide<br />

| Pixabay.com (S. 42/43,44/45), ra2 studio | Fotolia.<br />

com (S. 46), edar | Pixabay.com (S. 48)<br />

HINWEIS IM SINNE DES GLEICHBEHANDLUNGS-<br />

GESETZES<br />

Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird in dieser<br />

Broschüre die geschlechtsspezifische Differenzierung<br />

nicht durchgehend berücksichtigt.<br />

Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der<br />

Gleichbehandlung für alle Geschlechter.<br />

© Philosophische Fakultät der<br />

Universität zu Köln <strong>2016</strong><br />

51<br />

COVERFOTO<br />

© cocoparisienne | Pixabay.com<br />

© FOTOS<br />

Tom Bayer | Fotolia.com (S. 2), Constanze Alpen<br />

(S. 4, 5, 52), Roman Oranski (S. 5), Fabian<br />

Stürtz (S. 7, 15, 51), pwc (S. 6, 42), Floria Ross<br />

(S. 6, 10), Björn Weisgerber (S. 6, 15, 17),<br />

Anna Schneppenheim (S. 6, 26, 27, 28, 29),<br />

Reiner Rasche (S. 6, 47), DOMiD-Archiv, Köln<br />

S.(6, 36, 39), WDR/Brill (S. 6, 30), Deutscher<br />

Musikrat/Christian Debus (S. 10, 13), Deutscher<br />

Musikrat/Klaus Lönze (S. 11, 12), carlos<br />

castillia | Fotolia.com (S. 14), CSTRSK | Pixabay.<br />

com (S. 16), Fruitmarket / Wolfgang Ennenbach<br />

(S. 18, 20), Fruitmarket (S. 19, 21), ©


Universität zu Köln<br />

Philosophische Fakultät<br />

Albertus-Magnus-Platz<br />

50923 Köln<br />

http://phil-fak.uni-koeln.de/zukunftgeist.html

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