Zukunft Geist 2016
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ZUKUNFT GEIST<br />
VON IT BIS JAZZ – DIE VIELFALT DER GEISTESWISSENSCHAFTEN<br />
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finden. Und letztendlich hat sich das dann<br />
auch bewahrheitet.<br />
Die Entscheidung wie es nach dem<br />
Studium weiter gehen soll, stellt für<br />
Studierende einen großen Schritt dar.<br />
Was hat Ihnen geholfen, sich nach<br />
dem Studium beruflich zu orientieren?<br />
Ausstellungspräsentation im Bundeskanzleramt mit Staatsministerin Aydan Özoğus<br />
Die erste wichtige Weichenstellung<br />
ergab sich schon während meines Studiums.<br />
Zur Finanzierung arbeitete ich sehr<br />
lange als Stadtführer in Köln. Da ist mir<br />
bewusst geworden, wie wichtig es für<br />
mich ist, nicht nur zu forschen, sondern<br />
auch Geschichte zu vermitteln und nach<br />
außen zu tragen. Ich habe gesehen, wie<br />
viel Begeisterung man bei den Menschen<br />
für Geschichte und den Umgang damit<br />
wecken kann, wenn man das Ganze<br />
adäquat rüberbringt. Das war für mich die<br />
Initialzündung darüber nachzudenken, ob<br />
es wirklich die Wissenschaft ist, wo ich hin<br />
will oder etwas anderes. Ein zweiter ganz<br />
zentraler Punkt war ein Gespräch mit meiner<br />
Professorin direkt nach meiner Magister<br />
Arbeit. Ich wollte eigentlich doch<br />
direkt promovieren. Sie sagte dann, dass<br />
sie mir das fachlich durchaus zutraue,<br />
aber ich mir genau überlegen solle, wo<br />
ich hin möchte. Eine Promotion erfordert<br />
rund fünf Jahre Zeit und dann konkurriert<br />
man nachher auf dem Arbeitsmarkt mit<br />
Menschen, die vielleicht schon fünf Jahre<br />
praktische Erfahrung gesammelt haben.<br />
Aufgrund dieser Überlegung und meiner<br />
Erfahrung aus den Stadtführungen habe<br />
ich mich dann erst einmal dazu entschieden,<br />
nicht zu promovieren, sondern praktisch<br />
zu arbeiten.<br />
aufsaugen. Es stellte sich aber heraus,<br />
dass ich immer wegen mangelnder Erfahrung<br />
abgelehnt wurde. Es ist natürlich<br />
sehr frustrierend, wenn einem Berufseinsteiger<br />
gesagt wird, man hätte nicht die<br />
nötige Erfahrung. Die Praktika während<br />
der Studienzeit waren zwar erste Erfahrungen,<br />
aber es ist noch einmal etwas<br />
anderes, wenn man tatsächlich gearbeitet<br />
und damit auch seinen Lebensunterhalt<br />
verdient hat. Ich beschloss dann, doch<br />
noch einmal ein Praktikum vorzuschalten<br />
und ging für 3 Monate nach Bremerhaven<br />
in das Deutsche Auswandererhaus. Nach<br />
dem Praktikum bot man mir dann dort<br />
ein Volontariat an. Ein Volontariat ist im<br />
Museumsbereich der normale Weg zum<br />
Jobeinstieg und wurde auch meiner.<br />
Und dort haben Sie dann doch Ihre<br />
Promotion begonnen. Wie kam es<br />
dazu?<br />
Wenn ich<br />
etwas gut mache,<br />
dann werde ich<br />
da auch später<br />
einen Job finden<br />
Einige Studierende der <strong>Geist</strong>eswissenschaften<br />
machen sich Gedanken<br />
um ihre Arbeitsmarkteinstiegschancen.<br />
Wie waren Ihre Erfahrungen<br />
nach dem Studium?<br />
© Bundesregierung/Bilan<br />
Nach dem Studium war ich erst zunächst<br />
6 Monate arbeitslos. Meine Sachbearbeiterin<br />
beim Amt wollte mich zum Laubfegen<br />
in den Grüngürtel schicken. Das war<br />
keine witzige Erfahrung. Ich schrieb viele<br />
Bewerbungen und dachte, ich sei top qualifiziert<br />
und der Arbeitsmarkt würde mich<br />
Während des Volontariats habe ich<br />
gemerkt, wie viel Spaß mir die Arbeit im<br />
Bereich Museum macht. Und mir wurde<br />
klar, dass ich beruflich dort Fuß fassen<br />
wollte. Im Museumsbereich<br />
ist die<br />
Promotion meiner<br />
Meinung<br />
nach<br />
wichtig und hilfreich.<br />
Bis zu einer<br />
gewissen<br />
Stufe<br />
lassen sich auch<br />
ohne<br />
Doktortitel<br />
verantwortungsvolle<br />
erreichen.<br />
Positionen<br />
Aber<br />
wenn es dann<br />
weiter gehen soll,<br />
wird das ohne<br />
Promotion schwierig.<br />
Es ist zum<br />
Teil heute so, dass die Promotion sogar<br />
schon Voraussetzung für ein Volontariat<br />
ist. Dazu kam, dass mich das Thema –<br />
Heiratsverhalten von deutschen Migrantinnen<br />
und Migranten in den USA im<br />
19. Jahrhundert – einfach auch gepackt<br />
hatte. Das motivierte mich zusätzlich.<br />
Wie ging es nach dem Volontariat für<br />
Sie weiter?<br />
Meine Promotion lief zuerst parallel zum<br />
Volontariat. Als das endete und wenig<br />
später mein Stipendium auslief, begann<br />
ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />
beim Caritasverband Bremen zu arbeiten.<br />
Dort schrieb ich eine Studie über die<br />
Heimerziehung im Lande Bremen von<br />
1945-75. Nach der Promotion arbeitete<br />
ich am Haus der Wannsee Konferenz an<br />
einem Dokumentar-Theater-Projekt mit.<br />
Sie haben einen Teil Ihres Studiums in<br />
England verbracht. Wie wichtig war<br />
diese Erfahrung rückblickend für Sie?<br />
Die Zeit in England war bis dato eines der<br />
besten Jahre meines Lebens und sowohl<br />
persönlich als auch fachlich eine tolle<br />
Erfahrung. Ich habe bis heute noch Kontakt<br />
zu vielen meiner damaligen Kommilitonen.<br />
Fachlich bin ich dort mit einem<br />
Als Team von Historikern, einem Theater- anderen Verständnis für Geschichte<br />
regisseur und einer Dramaturgin arbeiteten<br />
wir das Protokoll der Wannsee Konferenz<br />
auf. Dieses Dokument ist ein Ergebnisprotokoll,<br />
das ganz stark von Eichmann<br />
redigiert wurde. Unsere Aufgabe bestand<br />
darin, es zu dekonstruieren. Das heißt, wir<br />
haben immer an den Punkten, an denen<br />
verklausuliert wurde, diese Verklausulierung<br />
aufgeschlüsselt. Wenn zum Beispiel<br />
der Satz fiel „Der Rest wird nach Theresienstadt<br />
verbracht.“, beleuchteten wir den<br />
Satz mit einem Augenzeugenbericht, der<br />
veranschaulicht, was es bedeutete nach<br />
Theresienstadt „verbracht“ zu werden.<br />
Das Ganze haben wir dann auf die Bühne<br />
und Geschichtswissenschaft in Kontakt<br />
gekommen, was mich stark geprägt hat.<br />
In meinen Kursen dort spielten zum Beispiel<br />
‚Local History‘, ‚Alltagsgeschichte‘<br />
und eine ‚Button-Up-Perspektive‘ eine<br />
große Rolle. Das hat mich später dazu<br />
gebracht, mich mit Auswandererbriefen<br />
zu beschäftigen und die haben mich dann<br />
zu meinem Dissertationsthema geführt.<br />
Zusätzlich ist es in Großbritannien so, dass<br />
es bei aller Wissenschaftlichkeit auch stärker<br />
darum geht, Geschichten zu erzählen<br />
– also Themen für eine breites Publikum<br />
verständlich aufzubereiten und zu publizieren.<br />
gebracht, also auch selber aufgeführt.<br />
Das hatte eine ganz starke Emotionalisierung<br />
und ich habe noch einmal gemerkt,<br />
welche Möglichkeiten in der Geschichte<br />
schlummern und was man mit lebendiger<br />
Vermittlung leisten kann. Anschließend<br />
habe ich dann als freiberuflicher Autor im<br />
Bereich History Marketing gearbeitet und<br />
eine Unternehmensbiografie geschrieben.<br />
Einen Tag nach der Disputation habe ich<br />
hier mit einer Projektstelle bei DOMiD<br />
angefangen.<br />
Welche Eigenschaften sollte man für<br />
die Tätigkeit in Museen und Kultureinrichtungen<br />
mitbringen?<br />
Das hängt ganz von der Institution und<br />
der Tätigkeit ab. Sowohl Museen als auch<br />
Kultureinrichtungen allgemein können<br />
ganz unterschiedliche Voraussetzungen<br />
haben. Das betrifft beispielsweise die Vermittlungsziele,<br />
die Größe und die finanzielle<br />
Ausstattung dieser Häuser. Generell<br />
glaube ich, dass es eine Schlüsselqualifi-<br />
Blick in eine Werkhalle aus dem Trailer zum Virtuellen Migrationsmuseum<br />
© DOMiD-Archiv, Köln<br />
kation als <strong>Geist</strong>eswissenschaftler ist, sich<br />
schnell in Themengebiete unterschiedlichster<br />
Art einzuarbeiten. Das ist meiner<br />
Meinung nach ganz wichtig. Dazu kommt<br />
eine multiperspektivische Herangehensweise<br />
sowohl an Themen als auch an<br />
praktische Herausforderungen. Persönlich<br />
sollte man eine gewisse Neugierde und<br />
Offenheit für Themen und für Veränderungen<br />
mitbringen sowie Freude daran<br />
haben, mit Menschen zu kommunizieren.<br />
Entscheidend ist auch, dass man keine<br />
Angst vor der Übernahme von Verantwortung<br />
hat und die Fähigkeit mitbringt,<br />
selbständig Entscheidungen zu treffen.<br />
Was würden Sie jungen <strong>Geist</strong>eswissenschaftlerinnen<br />
und <strong>Geist</strong>eswissenschaftlern<br />
bezüglich der Berufsperspektiven<br />
im heutigen Arbeitsmarkt<br />
raten?<br />
Mit offenen Augen und Neugier durch<br />
die Welt gehen und keine Angst haben,<br />
wenn man am Anfang des Studiums noch<br />
nicht weiß, was für ein Beruf dabei rauskommen<br />
wird. Bildung sollte nicht der<br />
ökonomischen Verwertungslogik unterworfen<br />
und die Entwicklungspotentiale<br />
junger Menschen dadurch eingrenzt werden.<br />
Ich glaube, wer eine gute Ausbildung<br />
hat, fit in praktischen/praxisorientierten<br />
Bereichen ist und über die eben genannten<br />
Eigenschaften verfügt, hat immer<br />
Chancen. Allerdings halte ich mit Blick<br />
auf die Bachelor- und Master-Studiengänge<br />
einen Bachelorabschluss in einem<br />
geisteswissenschaftlichen Fach für wenig<br />
hilfreich. Da fehlt einfach etwas und eine<br />
Spezialisierung durch einen Master würde<br />
ich empfehlen.<br />
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