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Zukunft Geist 2016

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ZUKUNFT GEIST<br />

KARRIERE IN DEN MEDIEN<br />

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Szenenbild Beltracchi – Die Kunst der Fälschung | © Fruitmarket/Wolfgang Ennenbach<br />

Innerstes geben. Mit der Gelassenheit<br />

und Neugier, die der Kölner Dokumentarfilmregisseur<br />

Arne Birkenstock ausstrahlt,<br />

kann man sich vorstellen, dass er diese<br />

Arbeit fabelhaft meistert. Das gehört<br />

für ihn auch nach vielen Jahren zu den<br />

spannendsten Dingen an seinem Beruf.<br />

Irgendwann ist der Punkt da, an dem sich<br />

die Darsteller öffnen und etwas preisgeben,<br />

das dem ganzen Film seine Richtung<br />

gibt. Dies geschieht meist ganz unverhofft.<br />

Birkenstock beschreibt es lächelnd<br />

als sein „dokumentarisches Glück“.<br />

Aus seinen Beschreibungen wird schnell<br />

klar, dass es so etwas wie Alltag in seinem<br />

Beruf nicht gibt. Während er in Köln ist,<br />

beschäftigen ihn Anträge, Abrechnungen<br />

und Verträge, er kümmert sich um die<br />

Kommunikation mit Sendern und Kameraleuten<br />

sowie die Organisation bevorstehender<br />

Drehs oder schreibt an neuen<br />

Projekten. Daneben nehmen natürlich die<br />

Drehtage einen großen Teil seiner Arbeit<br />

ein. Wenn er nicht gerade dreht oder in<br />

seinem Kölner Büro arbeitet, ist er viel<br />

unterwegs, beispielsweise für Filmschnitte<br />

bei Koproduktionen, zum Casten neuer<br />

Protagonisten oder bei Filmpräsentationen.<br />

Bei so einem turbulenten Arbeitsleben<br />

ist dem Kölner Dokumentarfilmer<br />

sein Team immer eine große Unterstützung.<br />

Aber egal ob innerhalb der eigenen<br />

Crew oder bei Koproduktionen, für<br />

ihn ist es generell wichtig, Teamplayer zu<br />

sein und sich auch mit solchen zu umgeben.<br />

Wer sich als King aufspielen will,<br />

macht seines Erachtens nach keine guten<br />

gewicht, da es einige Zeit braucht, sich<br />

zu etablieren. Für Arne Birkenstock sind<br />

gegenseitige Unterstützung und Kompromissbereitschaft<br />

die wichtigsten Zutaten<br />

für die Verwirklichung von Karriere und<br />

Familie. Heute genießt er es, als Freiberufler<br />

seine Zeit frei einteilen zu können und<br />

auch mal außer der Reihe Zeit mit seinen<br />

Söhnen verbringen zu können. Aber für<br />

seine Familie birgt der Erfolg auch seine<br />

Tücken. Durch seine Arbeit steht er auch<br />

bei privaten Festen öfter im Fokus des<br />

Interesses und das ist manchmal durchaus<br />

nervig für die Menschen an seiner Seite.<br />

Ein gewisses Maß an Eitelkeit bedarf es<br />

schon, um sich in dieser Rolle wohlzufühlen,<br />

davon ist Birkenstock überzeugt. Vor<br />

der Kamera sieht er sich allerdings nicht,<br />

aber er genießt das Interesse an seiner<br />

Person durchaus und ebenso dann und<br />

wann den roten Teppich und das Glamour<br />

der Filmbranche. Seiner Meinung<br />

nach ist jemand, der sein ganzes Streben<br />

darauf ausrichtet, mit seinen Filmen eine<br />

große Öffentlichkeit zu erreichen, in den<br />

meisten Fällen bis zu einem gewissen<br />

Grad eitel.<br />

Aber die Dokumentarfilmbranche unterscheidet<br />

sich durchaus von anderen Sparten<br />

des Films: Durch die häufigen Drehs<br />

mit Laien ist die Crew immer sehr dicht<br />

Dokumentarfilme. Auch die Fähigkeit,<br />

Kritik annehmen zu können, beschreibt<br />

er als etwas, das ihn schon häufig weiter<br />

gebracht hat, auch wenn es manchmal<br />

schmerzhaft sein kann.<br />

Aber nicht nur das berufliche Team, sondern<br />

auch die Familie spielt für den Filmemacher<br />

eine wichtige Rolle. Aus eigener<br />

Erfahrung weiß er, dass es am Anfang<br />

schwer ist, Fuß zu fassen. Gerade die<br />

jungen Kreativen haben es in der Medien-<br />

Szenenbild Beltracchi – Die Kunst der Fälschung | © Fruitmarket/Wolfgang Ennenbach<br />

branche nicht leicht. Bei der Familiengründung<br />

kann so viel berufliche Unsicherheit<br />

an ganz unterschiedlichen Leben und<br />

Schicksalen dran. Das hat etwas Echtes<br />

hinderlich sein. In den ersten Jahren<br />

und Unverfälschtes, das es beispielsweise<br />

besteht häufig ein finanzielles Ungleich-<br />

in der Form beim Spielfilm selten gibt.<br />

Die Aneignung des Filmthemas erfordert<br />

häufig viel Vorarbeit. Laut Birkenstock<br />

muss man im Schnitt 3-5 Jahre einplanen,<br />

in denen man sich ausschließlich diesem<br />

einen Thema widmet und dies auch<br />

gegen jede Zweifel verteidigt. Nur wer mit<br />

Leidenschaft bei der Sache ist, wird am<br />

Ende auch einen Film fertigstellen können.<br />

Seine goldene Regel für einen erfolgreichen<br />

Dokumentarfilmer lautet daher<br />

auch Passion, Patience and Pragmatism.<br />

Geduld zieht sich durch alle Etappen der<br />

Produktion, sowohl bei der Realisierung<br />

als auch beim Dreh selbst. Pragmatismus<br />

unterscheidet Filmschaffende nach Birkenstocks<br />

Ansicht am meisten vom bildenden<br />

Künstler. Um erfolgreich zu sein,<br />

Szenenbild Sound of Heimat | © Fruitmarket<br />

muss man als starke Persönlichkeit gut im<br />

Team mit anderen starken Persönlichkeiten<br />

arbeiten, man muss hohe Geldsummen<br />

akquirieren und man muss mit Sendern<br />

und anderen Verteilern verhandeln<br />

können, damit der Film möglichst viele<br />

Menschen erreicht. Für all das ist eine<br />

hohe Dosis an Pragmatismus notwendig.<br />

Wer hier zu kompromisslos und puristisch<br />

ran geht, verbaut sich seinen Erfolg. Man<br />

muss in der Lage sein, Kompromisse einzugehen,<br />

ohne sich selbst oder seinen<br />

Film zu verraten.<br />

Generell ist der Dokumentarfilm ein<br />

Nischengeschäft der Filmbranche und<br />

vielleicht ist es gerade deshalb ein besonders<br />

hartes Pflaster, da es immer leichter<br />

© Fruitmarket<br />

ist, mit Unterhaltungsfilmen das Publikum<br />

zu gewinnen als mit harten Wahrheiten.<br />

Aber der Dokumentarfilm ist auch ein<br />

besonders spannendes Feld, das immer<br />

wieder neue Herausforderungen bietet<br />

und dabei gleichzeitig jede Menge Mut,<br />

Motivation und Feingefühl für den richtigen<br />

Augenblick fordert.<br />

Arne Birkenstock studierte Regionalwissenschaften<br />

Lateinamerika an der<br />

Universität zu Köln. Seinen Berufseinstieg<br />

fand er beim WDR und der ARD,<br />

wo er erste eigene Beiträge drehte.<br />

Bereits 1999 erhielt er seine erste<br />

Auszeichnung. Sein erster Film 12<br />

Tangos – Adiós Buenos Aires erschien<br />

2005. Er betreibt seine eigene Produktionsfirma<br />

Fruitmarket – Kultur<br />

und Medien GmbH. Neben dem Film<br />

hat er sich der Musik verschrieben. Er<br />

lebt mit seiner Frau und zwei Kindern<br />

in Köln.<br />

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