Zukunft Geist 2016
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ZUKUNFT GEIST<br />
VON IT BIS JAZZ – DIE VIELFALT DER GEISTESWISSENSCHAFTEN<br />
12<br />
am Wochenende vier Semester Kulturmanagement<br />
an der Verwaltungs- und<br />
Wirtschafts-Akademie Köln. Im Jahr 2000<br />
konnte ich zusätzlich als Orchestermanager<br />
des Bundesjazzorchesters loslegen.<br />
Zwei Jahre später wurde es wieder spannend:<br />
Von der Online-Redaktion wechselte<br />
ich innerhalb des gleichen Unternehmens<br />
in den Vertrieb, wo ich zehn Jahre<br />
blieb. Diese Jahre im Vertrieb haben mich<br />
sehr stark geprägt.<br />
Wie kam es zu der Entscheidung,<br />
nach Ihrem geisteswissenschaftlichen<br />
Studium noch ein Studium im Bereich<br />
Kulturmanagement zu absolvieren?<br />
Diese Entscheidung reifte bereits in mir, als<br />
ich vom Auslandsjahr zurückkam. Damals<br />
bot die Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie<br />
VWA in Köln alle zwei Jahre ein<br />
Studium im Bereich Kulturmanagement<br />
für Berufstätige an. Endlich hatte ich<br />
gefunden, was ich suchte. Es wurde konkret<br />
geredet. Wir hatten Unterricht in<br />
Jura, BWL, Marketing, Buchhaltung und<br />
so weiter. Dozenten sprachen über Projektmanagement,<br />
Versicherungsfragen<br />
oder Kosten- und Finanzierungspläne.<br />
Dieser Abschluss war für mich Gold wert,<br />
denn durch diesen wurde ich direkt beim<br />
Deutschen Musikrat als Orchestermanager<br />
des Bundesjazzorchesters engagiert.<br />
Ohne dieses Zusatzstudium hätte ich den<br />
Einstieg dort nicht gefunden.<br />
Sie haben bereits während des Studiums<br />
Praktika absolviert und gejobbt.<br />
Wie wichtig waren diese Erfahrungen<br />
in Bezug auf Ihre heutige Position?<br />
Praktika sind sehr wichtig. Sie öffnen<br />
Einblicke in noch unbekannte mögliche<br />
Berufsfelder. Man lernt neue Tätigkeiten<br />
und neue Menschen kennen. Praktika<br />
helfen herauszufinden, was man will und<br />
was nicht. Ich zum Beispiel habe diverse<br />
Praktika im Museum, im Messebereich<br />
und in der Veranstaltungsorganisation<br />
gemacht. Für mich war danach klar:<br />
Museum und Messe ist nicht meine Welt.<br />
Durch meine eigenen musikalischen Aktivitäten<br />
habe ich quasi ein lebenslanges<br />
Dauerpraktikum in Bigbands und Jazzcombos<br />
absolviert. Ich kenne diese Szene<br />
und ihre Protagonistinnen und Protagonisten<br />
schon seit frühester Jugend. Meine<br />
zwölf Jahre Orchestermanagement für<br />
das Bundesjazzorchester waren auch fast<br />
ein Dauerpraktikum. Dort habe ich so viel<br />
gelernt, dass mich in meinem jetzigen<br />
Beruf nicht mehr viel überrascht.<br />
Sie bezeichnen Ihren Beruf als „Traumjob“.<br />
Was macht ihn für Sie persönlich<br />
so einzigartig?<br />
Wenn ich alle Puzzleteile meines Lebens<br />
zusammensetze, ist dieser Job die logische<br />
Konsequenz. Dort kann ich meine<br />
gesamte Persönlichkeit und Erfahrung<br />
einbringen. Organisieren, kalkulieren, verhandeln,<br />
Sprachen sprechen bzw. schreiben,<br />
verkaufen und so weiter. Machen,<br />
dass Kultur passiert. Das spornt mich an.<br />
Jazz bedeutet für mich Glück, Kommunikation<br />
und Freiheit. Nach dem Hören und<br />
Spielen von Jazz fühle ich mich besser als<br />
vorher. Jazz ist gesund. Jazz vereint die<br />
Menschen über Grenzen und Schichten<br />
hinweg. Das Hören von Jazz und das<br />
aktive Spielen in Combos und Bigbands<br />
ist Teil meines Lebens.<br />
Ich bin dankbar, dass mir mein Beruf die<br />
Möglichkeit bietet, mich für eine Sache<br />
einzusetzen, die mir so viel bedeutet, vor<br />
allem im Bereich der Nachwuchsförderung.<br />
Welche Fähigkeiten zeichnen Ihrer<br />
Meinung nach <strong>Geist</strong>eswissenschaftler<br />
aus?<br />
Im Berufsleben geht es immer darum,<br />
Unternehmenskulturen zu verstehen, sich<br />
einzufinden, Bedürfnisse zu erkennen,<br />
zu beschreiben, Lösungen zu entwickeln<br />
und zu verkaufen – entweder ein Produkt,<br />
eine Dienstleistung oder sich selbst.<br />
Ich habe oft beobachtet, dass <strong>Geist</strong>eswissenschaftler<br />
hier im Vorteil sind: Sie sprechen<br />
mehrere Sprachen, hören zwischen<br />
den Zeilen, sind flexibel, verfügen über<br />
ein oft interessantes und breites Allgemeinwissen<br />
und sind dadurch geschätzte<br />
und gesuchte Gesprächspartner.<br />
Wenn sich <strong>Geist</strong>eswissenschaftler ihre<br />
Offenheit und Neugier bewahren, dann<br />
sind sie eigentlich überall einsatzfähig.<br />
Welchen Rat geben Sie jungen Menschen,<br />
die sich für ein geisteswissenschaftliches<br />
Studium interessieren<br />
oder dieses bereits studieren?<br />
Brennt für eine Sache. Das verschafft<br />
Glaubwürdigkeit. Willst Du Trompeter<br />
werden, dann übe Trompete. Möchtest<br />
Du am Theater oder in einem Verlag<br />
arbeiten, dann baue Dir in dieser Branche<br />
ein Netzwerk auf. Zeige Berufsethos, Interesse<br />
und Motivation. In einem Orchester<br />
würde ich sagen: Versuche immer mit<br />
anderen Menschen zu spielen, die besser<br />
spielen als Du selbst.<br />
Kümmert Euch selbst aktiv um die Dinge,<br />
die man Euch im geisteswissenschaftlichen<br />
Studium nicht beibringt. Entweder<br />
in Praktika oder einem Zusatzstudium.<br />
Lernt lebenslang. Findet durch Ausprobieren<br />
heraus, was ihr wollt und was ihr nicht<br />
wollt. Jagt und sammelt Erfahrungen.<br />
Dies kann auch bedeuten, eine gewisse<br />
Zeit eine – nur auf den ersten Blick – unattraktive<br />
Hilfstätigkeit auszuführen. Seid<br />
Euch nicht zu schade, Umwege in Kauf<br />
zu nehmen.<br />
Baut Euch ein Netzwerk auf. Pflegt die<br />
Adressen und die Kontakte, und zwar<br />
online wie offline. Nicht alles kann man<br />
mit dem Smartphone erledigen. Aus diesen<br />
Netzwerken entstehen Zufälle und<br />
Glück. Wenn das Glück vorbeikommt,<br />
dann greift zu.<br />
Und habt Geduld. Vielleicht kann mein<br />
krummer Lebenslauf ja als Beispiel dienen,<br />
am Ball zu bleiben, um am Ende die persönliche<br />
Nadel im Heuhaufen zu finden.<br />
13<br />
Bundesbegegnung Jugend jazzt 2013, Trio „moment‘s concept“/Sachsen © Christian Debus<br />
Bundesbegegnung Jugend jazzt 2014, Preisträgerkonzert mit SWR Big Band | © Deutscher Musikrat/Klaus Lönze