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Zukunft Geist 2016

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ZUKUNFT GEIST<br />

KARRIERE IN DEN MEDIEN<br />

24<br />

© MGRTL / Stefan Menne<br />

Wie haben Sie diesen Weg bei sich<br />

selbst erlebt?<br />

Ich habe tatsächlich lange nicht gewusst,<br />

wo ich genau hin wollte. Ich habe immer<br />

viel gejobbt und mein Studium auch eher<br />

als Mittel zum Zweck angesehen. Aus<br />

meinem Jahrgang war ich die einzige, die<br />

nicht gesagt hat, dass sie in die Medien<br />

will und bin, glaube ich, letztlich die einzige,<br />

die dann doch dort gelandet ist. Eher<br />

zufällig habe ich kurz vor Studienende<br />

einen Job bei VOX bekommen. Als ich<br />

fertig war, wurde eine Stelle als Referentin<br />

in der Pressestelle frei, auf die ich mich<br />

erfolgreich beworben habe. Ich hatte dort<br />

sehr viel gestalterischen Spielraum und<br />

die Möglichkeit, Sachen auszuprobieren.<br />

In der Medienbranche trifft „selbst denken“<br />

immer auf offene Ohren. Das habe<br />

ich von Anfang an sehr geschätzt – und<br />

genutzt.<br />

Nachdem ich also beim Fernsehen gelandet<br />

war, habe ich schnell den Ehrgeiz<br />

entwickelt, nicht nur Redakteurin bzw.<br />

Referentin zu sein, sondern weiter nach<br />

oben zu kommen. Ich habe neue Wege<br />

vorgeschlagen, an der Verbesserung der<br />

Kommunikation mitgearbeitet. Ich wollte<br />

am Großen und Ganzen mitgestalten<br />

und eigenverantwortlich neue Strategien<br />

entwickeln. Daher bin ich nach einiger<br />

Eingangsfoyer der Mediengruppe RTL Deutschland in Köln<br />

Zeit nach München zu ProSiebenSat1<br />

gewechselt und habe nach etwas mehr<br />

als einem Jahr die stellvertretende Leitung<br />

der Unternehmenskommunikation übernommen.<br />

Vor 11 Jahren rief mich dann<br />

ein Headhunter mit einem sympathischen<br />

kölschen Singsang an und bot mir die Leitung<br />

der Pressestelle von IP Deutschland<br />

in Köln an.<br />

sicht tatsächlich schon prädestiniert. Ein<br />

Lkw-Fahrer kann seine Arbeit nicht von<br />

zu Hause aus erledigen, wenn das Kind<br />

mal krank ist, ein Pressesprecher kann das<br />

durchaus. Allerdings ist hier die Emanzipation<br />

der Männer gefordert, es auch zu<br />

tun und nicht automatisch von ihrer Frau<br />

zu erwarten, dass sie einspringt. Wenn<br />

jeder Mann, dem es theoretisch möglich<br />

wäre, von zu Hause aus zu arbeiten, das<br />

auch täte, wenn das Kind krank ist, wären<br />

Sie haben selbst zwei Kinder und<br />

scheinen die Vereinbarkeit von Beruf<br />

wir schon ein ganzes Stück weiter. Aber<br />

andererseits gehört auch dazu, dass der<br />

und Familie nicht als Problem wahrzunehmen.<br />

nächsten Mädchengeneration stärker<br />

Wie managen Sie das?<br />

Wenn man für sich entscheidet, dass es<br />

nicht ‚entweder oder’ sein muss, ist das<br />

(fast) ganz einfach. Mich ärgert immer,<br />

dass viele Frauen sich einreden lassen, sie<br />

müssten sich entscheiden. Bei Männern<br />

geht man ja auch davon aus, dass sie beides<br />

haben können. Ich habe sowohl Kinder<br />

als auch Karriere und finde, es klappt<br />

herausragend gut. Man kann doch erst<br />

mal mit seinem Wunschszenario antreten<br />

und schauen, wie weit man kommt,<br />

anstatt sich von vornherein das eine oder<br />

andere zu versagen. Wenn man einen<br />

Partner hat, der auf Augenhöhe ist, können<br />

beide beides haben!<br />

Die Medienbranche ist in dieser Hin-<br />

beigebracht wird, ihre Wünsche zu formulieren.<br />

Ich hoffe sehr, dass die Generation<br />

meiner Tochter ein anderes Selbstverständnis<br />

haben wird und dass mehr<br />

Frauen den Mut haben, ihre Ziele höher<br />

zu stecken.<br />

Im Ausland sind sie schon weiter: Beispielsweise<br />

in Frankreich ist es normal für<br />

Frauen in Führungspositionen mehrere<br />

Kinder zu haben. Da ticken die Unternehmen<br />

anders, sodass Frauen genau wie<br />

Männer Ansprüche anmelden können.<br />

In der Medienbranche gibt es glücklicherweise<br />

Vorbilder, denen man nacheifern<br />

kann. Die Frauen, die in den Männerdomänen<br />

erfolgreich sind, haben so<br />

außergewöhnliche Lebensläufe, dass sie<br />

sich dafür nicht gut eignen.<br />

Wie beschreiben Sie Ihren Arbeitsalltag?<br />

Den klassischen Arbeitstag gibt es zum<br />

Glück nicht, Routine sind tatsächlich nur<br />

20-30 Prozent. Ich gucke morgens was<br />

ansteht und regiere dann darauf. Einen<br />

guten Pressesprecher können<br />

Sie nachts um 3 Uhr wecken,<br />

und sie werden immer ein paar<br />

brauchbare Sätze bekommen.<br />

Wenn die Anfragen von Journalisten<br />

aber komplex sind,<br />

muss ich wissen, wen ich in<br />

der jeweiligen Fachabteilung<br />

ansprechen kann. Dieses vernetzte<br />

Denken und das sich<br />

tagtäglich auf viele verschiedene<br />

Menschen einlassen,<br />

macht mehr als die Hälfte meines<br />

Jobs aus. Wenn man einige<br />

Zeit bei einem Unternehmen ist, stößt<br />

man beim Recherchieren immer wieder<br />

auf etwas Bekanntes. Dann weiß man,<br />

dass man ein vollständiges Bild hat. Man<br />

kann sich das wie ein großes Fadenkreuz<br />

vorstellen: Wenn es eine Anfrage gibt,<br />

stülpe ich dieses Fadenkreuz nach außen<br />

und gucke, was wo andockt. Und natürlich<br />

muss man immer aufmerksam sein<br />

für neue Entwicklungen und wo man sein<br />

Wissen erweitern kann. Dafür entwickelt<br />

man über die Jahre ein Gefühl.<br />

Ein weiterer wichtiger Bereich sind neue<br />

© Arya Shirazi | Mediengruppe RTL<br />

Themen, ob Vermarktungsmodelle, Technologien<br />

oder Veränderungen im Portfolio.<br />

Zur Vorbereitung der Kommunikation<br />

nach außen bereiten wir alle Themen mitsamt<br />

den möglicherweise kritischen Fragen<br />

vor. Wer von uns oder dem Management<br />

mit der Presse spricht, ist so auf alle<br />

Eventualitäten vorbereitet und bekommt<br />

keine Schnappatmung, wenn kritische<br />

Fragen gestellt werden. Wir wissen, was<br />

für Journalisten relevant und spannend<br />

Frauen sollten sich<br />

mehr zutrauen und ihre<br />

Ziele höher stecken<br />

ist, aber auch was unsere Kommunikationsziele<br />

transportiert und wie man Themen<br />

vorbereiten muss, damit fair berichtet<br />

wird.<br />

Wie würden Sie ihr Arbeitsumfeld<br />

charakterisieren? Ist die Medienbranche<br />

ein guter Anlaufpunkt für <strong>Geist</strong>eswissenschaftlerinnen<br />

und <strong>Geist</strong>eswissenschaftler?<br />

Als <strong>Geist</strong>eswissenschaftler hat man keine<br />

klassische Berufsausbildung, bringt aber<br />

eine gute inhaltliche Bandbreite mit und<br />

kann sich auch in abgefahrene Themen<br />

reindenken. Das passt gut in die Medienbranche.<br />

Das Wichtigste ist, neugierig<br />

zu sein und gerne zu kommunizieren –<br />

häufig auch mit Menschen, die man noch<br />

nie gesehen hat, man sollte also smalltalktauglich<br />

sein, um das Eis zu brechen.<br />

Das gilt zum einen hausintern, aber auch<br />

in Bezug auf die Journalisten. Ein Journalist,<br />

mit dem ich auf einer Veranstaltung<br />

mal ein semipersönliches<br />

Gespräch geführt habe,<br />

geht hinterher ganz anders<br />

mit den Themen um.<br />

Daneben sollte man natürlich<br />

die Branche mögen. Im<br />

Prinzip funktionieren die<br />

Pressestellen großer Unternehmen<br />

ähnlich, dennoch<br />

tickt jede Branche anders.<br />

Das bringe ich am besten<br />

durch Praktika oder durch<br />

Gespräche auf Jobmessen<br />

in Erfahrung. Im Gespräch<br />

kann man schon mal seine Eignung für<br />

„Kaltakquise“ testen und man wird<br />

schnell feststellen, ob die Branche für<br />

einen passt. Jemand, der gerne in die<br />

Pressestelle eines Museums möchte, wird<br />

nach zehn Sätzen mit einem von uns feststellen,<br />

dass das nichts für ihn ist.<br />

Sehr viele unserer Redakteure, ob in den<br />

Senderredaktionen oder Pressestellen,<br />

sind <strong>Geist</strong>eswissenschaftler. Absolventen<br />

dieser Fächer bringen prinzipiell viel für<br />

den Pressesprecherjob mit, dabei spielt<br />

das Fach gar keine so große Rolle. Wenn<br />

jemand studiert hat, gehe ich davon aus,<br />

dass er sich organisieren und komplexe<br />

Dinge so präsentieren kann, dass sie jeder<br />

versteht. In der Medienbranche findet<br />

man sehr unterschiedliche Werdegänge,<br />

häufig sind es gerade die ungewöhnlichen<br />

oder besonderen Kompetenzen, die<br />

in die Medien führen. Auch unsere Personaler<br />

suchen nach Leuten, die aus der<br />

Masse herausstechen. Und da bieten die<br />

<strong>Geist</strong>eswissenschaftler viel Potenzial. Die<br />

Sorge als <strong>Geist</strong>eswissenschaftler nicht auf<br />

einen konkreten Job hin ausgebildet zu<br />

sein, sollte man positiv sehen. Wir haben<br />

bewiesen, dass wir intelligent und strukturiert<br />

sind, man kann uns beinahe jeden<br />

Inhalt geben und wir machen daraus<br />

etwas Sinnhaftes, etwas Kommunizierbares.<br />

Das können nicht viele von sich<br />

behaupten.<br />

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