Zukunft Geist 2016
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© DOMiD-Archiv, Köln<br />
ZUKUNFT GEIST<br />
VON IT BIS JAZZ – DIE VIELFALT DER GEISTESWISSENSCHAFTEN<br />
Titelbild: Impression aus dem Trailer zum Virtuellen Migrationsmuseum<br />
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© DOMiD-Archiv, Köln<br />
GESCHICHTE<br />
LEBENDIG<br />
WERDEN LASSEN<br />
ALS BERUFSEINSTEIGER HATTE ES DR. ROBERT FUCHS<br />
ZUNÄCHST NICHT LEICHT. DOCH DURCHHALTEN UND<br />
DRANBLEIBEN HABEN SICH BEZAHLT GEMACHT.<br />
SEIN WERDEGANG ZEIGT, WIE VIELSEITIG HISTORIKER<br />
ARBEITEN KÖNNEN UND WIE SPANNEND ES SEIN<br />
KANN, GESCHICHTE FÜR DIE GESELLSCHAFT ERLEBBAR<br />
ZU MACHEN.<br />
INTERVIEW: YVONNE KAHL<br />
H<br />
err Fuchs, Sie arbeiten<br />
im Dokumentationszentrum<br />
und<br />
Museum über die<br />
Migration in Deutschland<br />
– kurz DOMiD.<br />
Wie können wir uns einen Arbeitstag<br />
bei Ihnen vorstellen?<br />
DOMiD ist ein von Migranten und Migrantinnen<br />
gegründeter Verein mit begrenzten<br />
personellen und finanziellen Ressourcen.<br />
Das heißt, dass meine Aufgaben ein<br />
breites Spektrum umfassen. Das beginnt<br />
mit allgemeinen Tätigkeiten der Presseund<br />
Öffentlichkeitsarbeit wie zum Beispiel<br />
die Betreuung unserer Homepage und<br />
aller Social Media Kanäle sowie die Herstellung<br />
und Pflege von Pressekontakten.<br />
Zusätzlich bin ich in die Strategieentwicklung<br />
des Vereins bzw. der Geschäftsstelle<br />
eingebunden, führe durch die Räumlichkeiten,<br />
halte Vorträge bei Tagungen und<br />
konzipiere und betreue Ausstellungen –<br />
zuletzt im Bundeskanzleramt. Hauptsächlich<br />
koordiniere ich aber die notwendigen<br />
Schritte, um unser Ziel – den Aufbau eines<br />
Migrationsmuseums – zu verwirklichen.<br />
Das umfasst unter anderem die Produktion<br />
von entsprechendem Info-Material<br />
sowie ausgeprägte Netzwerktätigkeiten<br />
mit Politik, Verwaltung, Stiftungen<br />
und der freien Wirtschaft. Ich verfasse<br />
Texte oder Aufsätze bei Anfragen, stelle<br />
Anträge und plane die Strategie für die<br />
Realisierung des Museums.<br />
Können Sie uns Ihre Funktion bei der<br />
Planung des Museums noch näher<br />
beschreiben?<br />
DOMiD hat als erste Institution mit<br />
der Sammlung und Dokumentation<br />
der Migrationsgeschichte Deutschlands<br />
begonnen und verfügt über eine einzigartige<br />
Sammlung alltagsgeschichtlicher<br />
Zeugnisse zur Einwanderungsgeschichte.<br />
Wir haben mittlerweile über 100.000<br />
Objekte, Dokumente, Fotos und Interviews.<br />
Gleichzeitig verfügen wir über ein<br />
starkes Know-how, was Ausstellungen<br />
zu dem Thema angeht. Wir haben unter<br />
anderem die erste Ausstellung zur Migration<br />
in Deutschland überhaupt gemacht.<br />
Das Ziel, ein Museum zu errichten,<br />
besteht schon seit 25 Jahren. Ein wichtiger<br />
Schritt in diese Richtung bildete unser<br />
virtuelles Migrationsmuseum. Als ich im<br />
Jahr 2013 hier anfing, war ich im Rahmen<br />
einer Machbarkeitsstudie verantwortlich<br />
für die Konzeption dieses virtuellen<br />
Museums. Zuerst in den virtuellen Raum<br />
zu gehen, bot verschiedene Vorteile: Ein<br />
virtuelles Museum ist jederzeit von überall<br />
erreichbar und kostet im Aufbau und in<br />
der Nachhaltigkeit wesentlich weniger als<br />
ein reales Gebäude mit realen Personen.<br />
Ziel war es, die Bevölkerung zu sensibilisieren,<br />
Aufmerksamkeit zu generieren<br />
und unsere Botschaft nach außen zu<br />
tragen. Wir ließen einen Trailer produzieren<br />
und bauten eine Blogstruktur auf.<br />
Das war dann derartig erfolgreich, dass<br />
von verschiedenen Seiten auf uns eingewirkt<br />
wurde, jetzt sei die Zeit, ein reales<br />
Museum auf den Weg zu bringen. Die<br />
Entscheidung dafür fiel Anfang letzten<br />
Jahres. Wir konnten Rita Süssmuth als<br />
Schirmherrin gewinnen und schafften es,<br />
die Gelder für eine Machbarkeitsstudie<br />
zu generieren. Diese koordiniere ich nun.<br />
Wir setzen den inhaltlichen und fachlichen<br />
Rahmen, indem wir klar definieren,<br />
was dieses Haus beinhalten soll, was die<br />
Kernbotschaften sind und wie wir uns<br />
das vorstellen. Ein externes Unternehmen<br />
klärt dann Punkte wie die Kostenkalkulation,<br />
den Standort und juristische Fragen<br />
wie zum Beispiel, ob das Museum dann<br />
eine Stiftung, eine gemeinnützige GmbH<br />
oder AG werden soll.<br />
Was macht Ihnen an Ihrer Arbeit am<br />
meisten Freude?<br />
Mein Werdegang zeigt, wie wichtig es<br />
für mich ist, in der Vermittlung zu arbeiten<br />
und mit meiner<br />
Tätigkeit Impulse<br />
in die Gesellschaft<br />
zu setzen. Deshalb<br />
habe ich mich dazu<br />
entschieden, weniger<br />
stark in der<br />
Wissenschaft zu<br />
arbeiten, sondern<br />
tatsächlich in dem<br />
Bereich, in dem ich<br />
gerade bin. Meine<br />
Stelle bei DOMiD ist<br />
ein Glücksfall. Denn<br />
es ist die Synthese<br />
Podiumsdiskussion auf der Jungen Islam Konferenz in Berlin<br />
meiner wissenschaft-<br />
2014 (mit Esra Küҫük (links) und Barbara John (mitte))<br />
lichen Expertise, meiner Erfahrung im<br />
musealen Bereich und meiner Freude an<br />
Geschichtsvermittlung, Kommunikation<br />
mit anderen Menschen und am Troubleshooting.<br />
Die Projektleitung für den<br />
Aufbau eines realen Museums, in dem<br />
sich unsere Gesellschaft als Migrationsgesellschaft<br />
entdecken und erleben kann, ist<br />
wahnsinnig spannend.<br />
Sie haben an der Universität zu Köln<br />
Geschichte, Germanistik und Politik<br />
studiert. Hatten Sie zu Beginn des<br />
Studiums schon einen klaren Berufswunsch?<br />
Als ich mein Studium anfing, war mir<br />
noch gar nicht so klar, wo die Reise hin<br />
gehen sollte. Ein geisteswissenschaftliches<br />
Studium legt einen beruflich nicht<br />
so direkt fest, wie das vielleicht bei einem<br />
Mediziner, Juristen oder Lehrer der Fall ist.<br />
Das habe ich als große Chance gesehen<br />
und denke auch immer noch, dass dies<br />
ein großer Vorteil ist. Um diese Wahlmöglichkeit<br />
zu haben, wählte ich auch<br />
bewusst nicht das Lehramt, sondern den<br />
Magister. Während des Studiums absolvierte<br />
ich unterschiedliche Praktika, im<br />
Unternehmensarchiv der Bayer AG, bei<br />
der NGO Germanwatch, bei den Blättern<br />
für Deutsche und internationale Politik.<br />
Das war ein guter Weg, um einzugrenzen,<br />
wo es für mich tatsächlich hingehen<br />
könnte. Außerdem bin ich mit dem<br />
jugendlichen Optimismus ins Studium<br />
gegangen, dass wenn ich etwas mache,<br />
was mir liegt und Spaß macht, ich das gut<br />
mache. Und wenn ich etwas gut mache,<br />
dann werde ich da auch später einen Job<br />
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