Zukunft Geist 2016
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ZUKUNFT GEIST<br />
VON IT BIS JAZZ – DIE VIELFALT DER GEISTESWISSENSCHAFTEN<br />
32<br />
Sie verantworten nun seit einigen<br />
Jahren die Social-Media-Angelegenheiten<br />
der Sportschau. Was ist das für<br />
eine Arbeit?<br />
Die Sportschau kam vor einigen Jahren<br />
auf mich zu, weil sie eine Facebook-Seite<br />
mit vielen Likes, aber ohne Konzept und<br />
Strategie hatte. Die Verantwortlichen<br />
haben mich gefragt, ob ich das ändern<br />
wolle. Da bin ich komplett in dieses Social-Media-Ding<br />
eingestiegen und habe<br />
Strategien entwickelt. Wie verstehen wir<br />
Social Media – als Distributionskanal oder<br />
nur als Selbstvermarktungskanal?<br />
Können wir auch<br />
Inhalte zurückgewinnen<br />
für unsere<br />
journalistische<br />
Arbeit? Und die<br />
wichtige Komponente:<br />
Wie sieht<br />
Social Media im<br />
Fernsehen<br />
aus?<br />
Kommt dann der<br />
Twitter-Kollege<br />
ins Bild und liest Tweets vor oder gibt es<br />
nicht vielleicht intelligentere Wege? Gibt<br />
es im Fernsehen nicht auch technische<br />
Möglichkeiten, Tweets einzubetten und<br />
wie kann man sie moderativ und inhaltlich<br />
in eine Sendung wie die Sportschau<br />
einbauen? Das war im Prinzip die Arbeit.<br />
Das habe ich festangestellt gemacht bis<br />
Ende letzten Jahres und jetzt bin ich nach<br />
neun Jahren WDR wieder freiberuflich<br />
unterwegs. Ich betreue immer noch die<br />
Social-Media-Aktivitäten der Sportschau,<br />
aber eben jetzt auf Honorarbasis.<br />
Was machen Sie denn heute zusätzlich?<br />
Gemeinsam mit einem Partner habe ich<br />
das Unternehmen socialeyes gegründet.<br />
Ich bin jetzt 39, vielleicht würde ich das<br />
in fünf oder sechs Jahren nicht mehr<br />
machen, denn Firmengründung ist auch<br />
anstrengend – andere machen das mit<br />
Anfang 20. Aber ich glaube, es ist ein<br />
guter Zeitpunkt, weil gerade der Bereich<br />
Social Media in vielen Firmen als „müssen<br />
wir machen, aber wir haben gar keine<br />
Ahnung wie das geht“ gilt. Da komme ich<br />
ins Spiel und kann sagen, wie es gemacht<br />
wird.<br />
Was sagen Sie Unternehmen?<br />
Nicht nur einfach nur posten nach dem<br />
Motto: „Oh wow, wir haben ein tolles<br />
Produkt!“, das reicht eben nicht. Da<br />
hilft mir auch mein journalistischer Background.<br />
Ich habe über Jahre gelernt,<br />
Geschichten zu erzählen, um damit Leser,<br />
Zuhörer oder Zuschauer zu packen. Das<br />
Ziel ist es, einen Rezipienten zu haben,<br />
der einsteigt, den man richtig mitnimmt.<br />
Das hilft auch in anderen Erzählformen<br />
der sozialen Medien, wo man vielleicht<br />
Ich spreche<br />
gerne von<br />
Beruf und Berufung<br />
in Tweets nur 140 Zeichen zur Verfügung<br />
hat – aber man kann auch in 140<br />
Zeichen eine gute Geschichte erzählen.<br />
Neben dieser Beratung im konkreten Fall<br />
biete ich den Firmen jetzt auch Schulungen<br />
an. Diese Projekte geben mir einen<br />
neuen Kick.<br />
Sie unterrichten auch an der TH in<br />
Köln. Was machen Sie da?<br />
In dem Projekt geht es um Social Media<br />
und Sport und die Recherche von Social-Media-Accounts<br />
von Sportlern um<br />
in einem zweiten Schritt Interviews mit<br />
diesen anzuleiern. Prinzipiell arbeite ich<br />
auch in Seminaren anwendungsorientiert.<br />
Da geht es dann darum, junge Leute für<br />
etwas zu begeistern und sie zu animieren,<br />
selbst etwas Neues auszuprobieren. Sie<br />
sollen nicht nur wissen, dass es so etwas<br />
wie „Periscope“ gibt, sondern es selber<br />
auch mal testen.<br />
Fassen wir mal zusammen: Sie sind<br />
Hochschuldozent,<br />
Unternehmensgründer,<br />
freier Journalist und Social-Media-Experte.<br />
Wenn man all das<br />
hört, klingt das schon nach einer<br />
Menge Arbeit. Bleibt da überhaupt<br />
noch Zeit für Sie selbst?<br />
Hier treffen Sie gerade einen wunden<br />
Punkt. Im Moment kommt einiges<br />
zusammen. Die Firma ist neu, das ist sehr<br />
anstrengend. Verstehen Sie mich nicht<br />
falsch, ich bin froh darüber, dass die Firma<br />
gut läuft und wir viele Aufträge annehmen<br />
können. Ich spreche gerne von Beruf<br />
und Berufung. Wenn man in einer Sache<br />
total aufgeht, ist das wirklich super und<br />
dann kommt es einem auch nicht wie<br />
Arbeit vor. Und weil mir meine Arbeit so<br />
gut gefällt, fällt es mir oft schwer, auch<br />
mal ‚Nein‘ zu sagen<br />
und mich auf andere<br />
Dinge zu konzentrieren.<br />
Jedoch sollte man<br />
sich immer überlegen,<br />
was man will und was<br />
man nicht will. Und eins<br />
steht fest, was ich nicht<br />
will, das sind auf Dauer<br />
Arbeitswochen, die auch<br />
am Wochenende nicht<br />
enden.<br />
Apropos, was sagt denn Ihre Frau<br />
dazu?<br />
Sie wünscht sich natürlich, dass ich die<br />
Zeit am Wochenende mit ihr und meinem<br />
Kleinen verbringe. Natürlich gebe ich ihr<br />
da Recht und das kann ich auch nur jedem<br />
raten, denn die Zeit mit der Familie ist viel<br />
wichtiger, als nur Geld zu verdienen. Ich<br />
glaube, dass ich in diesem ersten Jahr<br />
der Firmengründung den Fehler gemacht<br />
habe, viele Sachen anzunehmen, die ich<br />
jetzt nicht mehr absagen kann.<br />
Aber ich denke, dass die Erfahrung einen<br />
lehrt, sich auch gewisse Freiräume zu<br />
nehmen. Vielleicht nehme ich mir nochmal<br />
vor, morgens früher da zu sein und<br />
bis 12 viel zu schaffen, damit ich dann<br />
nachmittags mehr Zeit für andere Dinge<br />
habe.<br />
Kommen wir nochmal auf Ihr Studium<br />
zurück. Heute gibt es ja viele neue,<br />
medienbezogene Studiengänge –<br />
auch hier in Köln, etwa Medienkulturwissenschaften<br />
oder Intermedia.<br />
Wenn Sie sich nochmal entscheiden<br />
müssten, würden Sie sich wieder für<br />
Ihre einstige Fächerkombination einschreiben?<br />
Das ist schwierig. Wichtig ist mir aber,<br />
dass es meiner Meinung nach auf die<br />
wissenschaftliche Methode ankommt, die<br />
man hier an der Uni lernt, die teilweise<br />
vielleicht wichtiger ist als das Fach selbst.<br />
Natürlich finde ich diese neuen Studiengänge<br />
super, weil man genau weiß,<br />
was dahinter steckt und demnach ist die<br />
Erwartungshaltung auch eine andere. Ich<br />
kann mir aber auch vorstellen, dass hinter<br />
solchen Studiengängen eine Marketingstrategie<br />
der Uni steckt und dass es heutzutage<br />
für ein Ranking wichtig ist, dass<br />
solche Studiengänge überhaupt angeboten<br />
werden.<br />
Was wären die drei wichtigsten Ratschläge<br />
Ihrerseits, um Studierenden<br />
den Einstieg in den Journalismus zu<br />
erleichtern?<br />
Erstens: niemals Angst davor zu haben,<br />
auch mal zu scheitern, denn so findet<br />
man eben gerade heraus, was man will<br />
und was man nicht will. Zweitens sollte<br />
man immer ehrlich zu sich sein und nicht<br />
sieben oder acht Semester das Falsche<br />
studieren, nur weil das Umfeld oder die<br />
Eltern dazu raten, denn das könnte nachher<br />
wirklich schmerzhaft enden. Und das<br />
Dritte wäre, neugierig zu sein und Erfahrungen<br />
zu sammeln. Als Journalist muss<br />
man neugierig sein, neugierig auf Menschen,<br />
neugierig auf Themen oder neugierig<br />
auf andere Länder. Ich wollte zum<br />
Beispiel immer viel reisen, was ich dann<br />
in den Semesterferien auch getan habe<br />
und diese Erfahrungen kann mir niemand<br />
mehr nehmen. Praktika sind der beste<br />
Weg, nebenher Erfahrungen zu sammeln<br />
und wenn man dann seinen zukünftigen<br />
Arbeitgeber kennenlernt, bevor das Studium<br />
zu Ende ist, ist das natürlich super!<br />
© WDR/Zanettini<br />
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