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Thomas<br />
Duschlbauer<br />
ZU GUTER LETZT …<br />
BÖSES ARSCHLOCH<br />
Das mit dem guten Gewissen ist heute so eine<br />
Sache. Schnell sagt man genau das Falsche und<br />
muss sich dafür schämen. Überall lauern die<br />
Fettnäpfchen, in die man steigt oder die Nesseln,<br />
in die man sich setzt. Das liegt wahrscheinlich daran,<br />
dass heute alles so unheimlich kompliziert geworden ist<br />
und sich beinahe beliebig interpretieren lässt. Die<br />
Begriffe sind mit der Zeit und ihrem Gebrauch so<br />
dehnbar geworden. Es gibt kaum noch Wörter oder<br />
Formulierungen, die nicht historisch und gesellschaftlich<br />
belastet sind und einem nicht schlecht ausgelegt<br />
werden können. Vielleicht ist das noch relativ klar, wenn<br />
jemand „Arschloch“ zu mir sagt. Das ist dann zwar auch<br />
irgendwie ein dehnbarer Begriff, jedoch kann ich schon<br />
sagen, dass das nicht gerade schmeichelhaft für mich<br />
wäre. Aber selbst da, könnte es doch vielleicht Situationen<br />
geben, in denen das in einem freundschaftlichen<br />
Umfeld durchaus liebevoll, ja sogar bewundernd,<br />
gemeint ist. Etwa, wenn jemand etwas ganz genial<br />
Mutiges und Verwegenes gemacht hat, das zwar cool<br />
jedoch schon dicht an der Grenze zum Verbotenen<br />
anzusiedeln wäre. Eine richtig fiese Aktion also, die aber<br />
jemanden trifft, der es eh schon längst „verdient“ hat.<br />
Das „Arschloch“ ist dann ein Kompliment, dass man<br />
sich gerne an die stolz geschwellte Brust heftet. Für den<br />
gefeierten Täter gilt gegenüber anderen natürlich auch<br />
die so genannte Unschuldsvermutung. Ein großartiger<br />
Begriff, den es sicherlich schon lange gibt. Wahrscheinlich<br />
seit Mariä Empfängnis. Ursprünglich war das<br />
offenbar auch so gemeint, um jemanden in Schutz zu<br />
nehmen. Heute bin ich mir da nicht so sicher, denn das<br />
Gelten der Unschuldsvermutung wird in sozialen Medien<br />
sowie in - sagen wir einmal so - geistig etwas weniger<br />
fordernden Medien oft genau deshalb in den Raum<br />
gestellt, um erst recht darauf hinzuweisen, dass jemand<br />
etwas auf dem Kerbholz hat. „Es gilt die Unschuldsvermutung“,<br />
heißt dann so viel wie, „das Gfrast ist schuldig<br />
und gehört in den Häfn, aber bis jetzt kann man ihm<br />
leider noch nix nachweisen.“ So ist das heute mit der<br />
politischen Korrektheit.<br />
Foto: Sokoloff, Prof. Peter Rechenberg<br />
Was wurde aus ...? Prominente von gestern heute betrachtet<br />
Peter Rechenberg<br />
Steckbrief:<br />
Peter Rechenberg (geb. 1933 in Berlin)<br />
ist ein Pionier in der Entwicklung der<br />
Programmiersprachen. Diese Systeme<br />
von Codes ermöglichen Computern,<br />
unsere Befehle auszuführen. Seine<br />
Arbeit hat dazu beigetragen, dass<br />
der Rechner in allen Lebensbereichen<br />
Einzug gehalten hat. Rechenberg promovierte<br />
1969 in Elektrotechnik und<br />
wurde als Professor an die TU Berlin<br />
berufen. Von 1974 bis 1999 wirkte er<br />
als Professor für Informatik an der<br />
Linzer Johannes Kepler Universität.<br />
54<br />
RECHENBERG MEINT. Informatik ist nicht alles.<br />
Rechenberg befasst sich nun mit kulturellen und humanistischen Beobachtungen.<br />
Informatik bildet nicht mehr den Mittelpunkt seiner Welt. Durchaus<br />
skeptisch betrachtet er die allumfassende Digitalisierung, für die er mitverantwortlich<br />
ist, und auch Geräte wie Handys „mit denen man so schön spielen kann“.<br />
Gern zitiert er Goethe: „Wer nicht von 3.000 Jahren / sich weiß Rechenschaft zu<br />
geben / bleib im Dunkel unerfahren / mag von Tag zu Tage leben.“ Die Naturwissenschaften<br />
mögen zwar großartig sein, aber sie sind nicht alles. Wer geistig auf der<br />
Höhe bleiben will, muss eine historische Perspektive haben. Rechenberg leidet an<br />
einer unheilbaren Krankheit, die ihm zunehmend das Augenlicht nimmt. Seit 2006<br />
kann er nicht mehr schreiben und lesen. Er vermag nur mit zehnfacher Vergrößerung<br />
am Computer zu arbeiten und hört sich Literatur auf CDs an. Früher eroberte<br />
er Berge, nun absolviert er Spaziergänge. Mit seiner Ehefrau, der Konzertpianistin<br />
Ursula Müller, besucht er musikalische Veranstaltungen. Noch lange nach der Emeritierung<br />
gab er mit Gustav Pomberger das Informatik-Handbuch heraus, dass das<br />
Gesamtwissen des Faches knapp und für Spezialisten zusammenfasst.