08.02.2018 Aufrufe

soziologie heute August 2009

Das erste und einzige illustrierte soziologische Fachmagazin im deutschsprachigen Raum. Wollen Sie mehr über Soziologie erfahren? www.soziologie-heute.at

Das erste und einzige illustrierte soziologische Fachmagazin im deutschsprachigen Raum.
Wollen Sie mehr über Soziologie erfahren? www.soziologie-heute.at

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>August</strong> <strong>2009</strong> <strong>soziologie</strong> <strong>heute</strong> 31<br />

ren konnte, wenn eine Aussage sie<br />

interessierte, war so vieles zugleich:<br />

Kühle Rechnerin und Schöngeist,<br />

unbestechliche Wissenschaftlerin<br />

und Unternehmerin, Forscherin und<br />

warmherzige Vorgesetzte, die bei Geburtstagsbuketts<br />

für ihre Angestellten<br />

sorgsam die Blumen bestimmte<br />

oder sich bei Krankheitsfällen von<br />

Mitarbeitern um deren ärztliche Betreuung<br />

kümmerte.<br />

Der Lebensweg von Elisabeth Noelle<br />

begann inmitten des 1.Weltkriegs<br />

in einer wohlhabenden Berliner Industriellenfamilie.<br />

Ihre Jugendjahre<br />

fielen in die Wirrnisse der Weimarer<br />

Republik, das Studium der Geschichte,<br />

Philosophie und Zeitungswissenschaft<br />

absolvierte sie teils in<br />

Deutschland, teils in den USA, wo sie<br />

1937/38 als Austauschstudentin mit<br />

der Umfrageforschung in Kontakt<br />

kam und die Methodik der Demoskopie<br />

erlernte. Es war für sie, obwohl<br />

sie sich nach eigener Aussage in<br />

Amerika nie wirklich wohl fühlte, das<br />

geistige Schlüsselerlebnis, das ihren<br />

späteren Lebensweg bestimmen<br />

sollte. Ihre Doktorarbeit behandelte<br />

(1940) das Thema „Meinungs- und<br />

Massenforschung in den USA“.<br />

Im Vergleich zu <strong>heute</strong> gestalteten sich Auswertungen<br />

als äußerst mühsam und zeitaufwändig.<br />

Foto: IfD Allensbach<br />

Prof. Elisabeth Noelle-Neumann, ihr Ehemann Prof. Heinz Maier- Leibnitz, Bundeskanzler<br />

Dr. Helmut Kohl, anlässlich des 50. Geburtstages des IfD-Allensbach, Feier in<br />

Bonn.<br />

Während des letzten Weltkriegs war<br />

sie Journalistin: Zunächst bei der<br />

Deutschen Allgemeinen Zeitung,<br />

dann bei der Wochenzeitung Das<br />

Reich und schließlich – (nachdem<br />

die Unbotmäßige von Propagandaminister<br />

Goebbels relegiert wurde)<br />

– bei der Frankfurter Zeitung. In den<br />

60er Jahren setzten darob (vorwiegend<br />

aus dem Dunstkreis der „Frankfurter<br />

Schule“) Versuche ein, ihr eine<br />

NS-Vergangenheit nachzuweisen. Sie<br />

stießen ins Leere und entpuppten<br />

sich durchwegs als Verleumdungen.<br />

Elisabeth Noelle blieb in ihrer politischen<br />

Moral unangetastet.<br />

Worin besteht - abgesehen von außergewöhnlichen<br />

Persönlichkeitsmerkmalen<br />

- die eigentliche Bedeutung<br />

dieser Frau, die in ihrer aktiven<br />

Zeit u.a. die deutschen Kanzler<br />

Adenauer und Helmut Kohl beriet,<br />

neben Mainz auch an der Eliteuniversität<br />

Chikago lehrte, Gastvorlesungen<br />

an der Moskauer Lomonossow-Universität<br />

hielt, die Funktion<br />

einer Präsidentin der „World Association<br />

for Public Opinion Research“<br />

bekleidete und Mitherausgeberin<br />

des angesehenen „Journal of Public<br />

Opinion Research“ gewesen ist?<br />

Zum einen besteht ein gern übersehener,<br />

aber unermesslicher Verdienst<br />

von Elisabeth Noelle darin, die<br />

Methode der statistisch repräsentativen<br />

Umfrageforschung weiterentwickelt<br />

und verfeinert zu haben. Ihre<br />

in viele Sprachen übersetzten Bücher<br />

„Umfragen in der Massengesellschaft“<br />

sowie „Alle, nicht jeder“ sind<br />

– (von Branchen-Insidern salopp<br />

als „Noelle-Bibel“ bezeichnet) – sicherlich<br />

die mit Abstand besten Beschreibungen<br />

der demoskopischen<br />

Methode.<br />

Das Hauptwerk der großen Allensbacher<br />

Wissenschaftlerin ist jedoch<br />

ihre Beschreibung der „sozialen<br />

Haut“ des Menschen und die Theorie<br />

der „Schweigespirale“, die zugleich<br />

eine wesentliche Erklärung für die<br />

Entstehung, aber auch die Unterdrückung<br />

von Meinungen bietet.<br />

Die „Schweigespirale“ beruht im<br />

Prinzip auf der natürlichen Isolationsangst<br />

und der quasi-statistischen<br />

Witterung der Menschen. Die Theorie<br />

läßt sich wie folgt zusammenfassen:<br />

Menschen empfinden Isolationsfurcht<br />

und haben eine natürliche<br />

Scheu, von ihrer Umgebung zurückgewiesen<br />

zu werden. Sie beobachten<br />

deshalb das Verhalten ihrer Umwelt<br />

und registrieren aufmerksam, welche<br />

Meinungen und Verhaltensweisen<br />

in der Öffentlichkeit gebilligt<br />

werden und welche nicht.<br />

Da die meisten Menschen Isolation<br />

scheuen, neigen sie dazu, sich mit<br />

öffentlichen Äußerungen zurückzuhalten,<br />

wenn sie merken, dass sie mit<br />

Foto: IfD Allensbach<br />

SOZIOLOGIEHEUTE_<strong>August</strong>ausgabe<strong>2009</strong>.indd 31 28.07.<strong>2009</strong> 11:49:49

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!