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03 Rekrutierung der Lunge

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Good bye <strong>Rekrutierung</strong>smanöver?<br />

10<br />

S3-Leitlinie<br />

Invasive Beatmung ein Einsatz extrakorporaler<br />

Verfahren bei akuter respiratorischer Insuffizienz<br />

„<strong>Rekrutierung</strong>smanöver bei<br />

allen Patienten mit ARDS“<br />

„<strong>Rekrutierung</strong>smanöver bei<br />

schwerem Sepsis-induziertem<br />

ARDS”<br />

„Keine Empfehlung für/gegen die<br />

Durchführung von <strong>Rekrutierung</strong>smanövern<br />

bei Patienten mit ARDS“<br />

Abb. 1: Empfehlungen <strong>der</strong> Fachgesellschaften, die 2017 publiziert wurden zur <strong>Rekrutierung</strong> bei<br />

ARDS (Cave: Die Ende 2017 publizierte ART-Studie wurde dabei noch nicht berücksichtigt).<br />

Ende 2016 wurde ein Cochrane-Review<br />

zu dieser Thematik publiziert (Hodgson<br />

C; Cochrane Database Syst Rev 2016;<br />

11:Cd006667). Dabei reduzierte eine<br />

Beatmungsstrategie mit <strong>Rekrutierung</strong>smanövern<br />

die Intensivletalität ohne Effekt<br />

auf 28-Tage- und Krankenhausletalität.<br />

Die Fachgesellschaften bewerten<br />

diese „schwache“ Datenlage sehr unterschiedlich.<br />

So empfehlen die American<br />

Thoracic Society (ATS), die European<br />

Society of Intensive Care Medicine<br />

(ESICM) sowie die Society of Critical<br />

Care Medicine (SCCM) in einer 2017<br />

publizierten gemeinsamen Leitlinie <strong>Rekrutierung</strong>smanöver<br />

bei allen Patienten<br />

mit ARDS (Fan E; Am J Respir Crit<br />

Care Med 2017; 195:1253).<br />

Die Surving Sepsis Campaign empfiehlt<br />

ein <strong>Rekrutierung</strong>smanöver nur bei<br />

schwerem ARDS (Rhodes A; Intensive<br />

Care Med 2017; 43:304) und die soeben<br />

veröffentlichte deutsche S3-Leitlinie<br />

„Invasive Beatmung und Einsatz extrakorporaler<br />

Verfahren bei akuter respiratorischer<br />

Insuffizienz“ gibt keine Empfehlung<br />

für o<strong>der</strong> gegen die Durchführung<br />

von <strong>Rekrutierung</strong>smanövern bei<br />

Patienten mit ARDS ab (www.awmf.<br />

org/uploads/tx_szleitlinien/001-021l_<br />

S3_Invasive_Beatmung_2017-12.pdf)<br />

(Abbildung 1).<br />

Aktuell wurden nun die Ergebnisse <strong>der</strong><br />

bisher größten Studie zu diesem Themenkomplex,<br />

<strong>der</strong> Alveolar Recruitment<br />

for Acute Respiratory Distress Syn drome<br />

Trial (ART), in JAMA publiziert (Cavalcanti<br />

AB; JAMA 2017; 318:1335).<br />

Die randomisierte Studie wurde auf<br />

120 Intensivstationen in neun Län<strong>der</strong>n<br />

(Brasilien, Argentinien, Kolumbien,<br />

Italien, Polen, Portugal, Malaysia,<br />

Spanien und Uruguay) von November<br />

2011 bis April 2017 durchgeführt.<br />

Eingeschlossen wurden 1010 Patienten<br />

mit mo<strong>der</strong>atem und schwerem ARDS<br />

(PaO 2 /FIO 2 ≤ 200) innerhalb <strong>der</strong> ersten<br />

72 Stunden nach Auftreten des ARDS.<br />

In <strong>der</strong> Interventionsgruppe erhielten<br />

die Patienten <strong>Lunge</strong>nrekrutierungsmanöver,<br />

gefolgt von einem sukzessiven<br />

Herabsetzen des PEEP bis zur<br />

maximalen statischen <strong>Lunge</strong>ncompliance.<br />

In <strong>der</strong> Kontrollgruppe erhielten<br />

die Patienten eine konventionelle Beatmung<br />

ohne <strong>Rekrutierung</strong>smanöver und<br />

eine PEEP-Einstellung nach <strong>der</strong> „lower“<br />

FiO 2 /PEEP-Tabelle des ARDS-<br />

Networks (Brower RG; N Engl J Med.<br />

2004; 351:327).<br />

Die <strong>Rekrutierung</strong> erfolgte nach Muskelrelaxierung<br />

mit einem Driving-Pressure<br />

(Differenz zwischen Plateaudruck<br />

und PEEP) von 15 cm H 2 O. Dabei<br />

wurde <strong>der</strong> PEEP von initial 25 cm H 2 O<br />

(Dauer 1 Minute) bis auf 35 cm H 2 O<br />

(Dauer 1 Minute) und schließlich auf<br />

45 cm H 2 O (Dauer 2 Minuten) erhöht.<br />

Danach wurde <strong>der</strong> PEEP schrittweise<br />

reduziert. Der PEEP, <strong>der</strong> mit <strong>der</strong> besten<br />

statischen <strong>Lunge</strong>ncompliance assoziiert<br />

war, plus 2 cm H 2 O, wurde als optimaler<br />

PEEP betrachtet. Nach PEEP-Titration<br />

wurde ein erneutes <strong>Rekrutierung</strong>smanöver<br />

durchgeführt.<br />

Aufgrund von drei Reanimationen in<br />

<strong>der</strong> Interventionsgruppe wurde das <strong>Rekrutierung</strong>smanöver<br />

und die PEEP-Titrations-Strategie<br />

nach Einschluss von<br />

555 Patienten modifiziert. Der PEEP<br />

wurde nachfolgend nur noch bis 35 cm<br />

H 2 O erhöht, <strong>der</strong> maximale Plateaudruck<br />

betrug somit 50 cm H 2 O. Bei<br />

allen Patienten wurden zur <strong>Lunge</strong>nprotektion<br />

ein niedriges initiales Tidalvolumen<br />

von 6 ml/kg idealisiertem<br />

Körpergewicht und ein Plateaudruck<br />

von ≤ 30 cm H 2 O angestrebt.<br />

Als unerwartetes Ergebnis zeigte sich<br />

eine signifikant erhöhte 28-Tage-Mortalität<br />

(primärer Endpunkt) in <strong>der</strong> <strong>Rekrutierung</strong>sgruppe<br />

(55,3% versus 49,3%;<br />

HR 1,20; 95%-KI 1,01–1,42; p = 0,041)<br />

(Abbildung 2). Zudem erhöhte die <strong>Rekrutierung</strong><br />

die 6-Monats-Mortalität<br />

(65,3% vs. 59,9%; HR 1,18; 95%-KI<br />

1,01–1,38; p = 0,04) und verringerte die<br />

Zahl <strong>der</strong> beatmungsfreien Tage (5,3 vs.<br />

6,4; Differenz −1,1; 95%-KI −2,1 bis<br />

−0,1; p = 0,<strong>03</strong>).<br />

In <strong>der</strong> Gruppe mit <strong>Rekrutierung</strong>smanöver<br />

und titriertem PEEP war außerdem<br />

das Risiko für einen Pneumothorax,<br />

<strong>der</strong> eine Drainage erfor<strong>der</strong>lich<br />

machte (3,2 vs. 1,2%; Differenz 2,0%;<br />

95%-KI 0,0–4,0%; p = 0,<strong>03</strong>), und das<br />

Risiko für Barotraumata (5,6 vs. 1,6 %;<br />

Differenz 4,0%; 95%-KI 1,5–6,5%; p =<br />

0,001) erhöht.<br />

Mit dieser Studie endet eine Ära. Das<br />

durch B. Lachmann bereits 1992 propagierte<br />

„Open-Lung-Manöver“ („open<br />

the lung and keep the lung open“)<br />

(Lachmann B; Intensive Care Med 1992;<br />

18:319) erschien pathophysiologisch<br />

Nr. 1, 2018

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