Bremer Philharmoniker - 8. Philharmonisches Konzert 2017/2018 - Abendprogrammheft
Das vollständige Programmheft zum 8. Philharmonischen Konzert (Saison 2017/2018) der Bremer Philharmoniker.
Das vollständige Programmheft zum 8. Philharmonischen Konzert (Saison 2017/2018) der Bremer Philharmoniker.
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<strong>8.</strong> <strong>Philharmonisches</strong> <strong>Konzert</strong><br />
17–18<br />
Eigenhändig und<br />
aus eigener Hand<br />
Tzimon Barto<br />
Klavier
Inhalt<br />
03 Vorwort<br />
04 Programm<br />
06 Dirigent<br />
08 Solist<br />
10 phil fakten<br />
12 Werkeinführung<br />
23 Im Fokus<br />
29 phil einblicke<br />
32 prophil<br />
34 Vorschau<br />
Wir danken für die<br />
freundliche Unterstützung:<br />
Die <strong>Konzert</strong>einführung findet jeweils eine halbe<br />
Stunde vor <strong>Konzert</strong>beginn statt.<br />
Fotografieren sowie jegliche andere Form von Bildund<br />
Tonaufzeichnungen des <strong>Konzert</strong>es sind aus<br />
urheberrechtlichen Gründen verboten.<br />
2
Liebes <strong>Konzert</strong>publikum,<br />
liebe Freundinnen und<br />
Freunde der<br />
<strong>Bremer</strong> <strong>Philharmoniker</strong>,<br />
vor fast zwanzig Jahren stand Hans Graf<br />
zum ersten Mal am Pult der <strong>Bremer</strong><br />
<strong>Philharmoniker</strong>. Im Oktober 1995 dirigierte<br />
er ein wunderbares <strong>Konzert</strong> mit Werken<br />
von Wolfgang Amadeus Mozart, Paul<br />
Hindemith und Dimitrij Schostakowitsch.<br />
Vielen Besuchern der <strong>Konzert</strong>e der <strong>Bremer</strong> <strong>Philharmoniker</strong><br />
wird dieses <strong>Konzert</strong> noch in Erinnerung sein.<br />
Auch für das heutige <strong>Konzert</strong> hat Hans Graf ein interessantes<br />
Programm vorgeschlagen und ausgewählt.<br />
Hans Graf wird den großartigen und vielseitigen<br />
Pianisten Tzimon Barto begleiten, der erst einmal in<br />
der Reihe der Orchesterkonzerte zu hören war – das<br />
war vor 5 Jahren. Es ist also höchste Zeit, ihn endlich<br />
wieder in Bremen zu begrüßen!<br />
Übrigens: Im Internet kann man lesen, dass seine<br />
Großmutter ihn bereits mit fünf Jahren zum Klavierspiel<br />
gebracht hat. Ein Appell an alle Großmütter!<br />
Ihre<br />
Barbara Grobien<br />
Vorsitzende der<br />
Philharmonischen Gesellschaft Bremen<br />
3
<strong>8.</strong> <strong>Philharmonisches</strong> <strong>Konzert</strong><br />
Eigenhändig und<br />
aus eigener Hand<br />
Mo 12.03.18 20 Uhr<br />
Di 13.03.18 20 Uhr, Glocke<br />
Igor Strawinsky (1882-1971)<br />
Symphonies d’instruments à vent<br />
(„Bläsersymphonien“) 11’<br />
Komponiert im Sommer 1920<br />
(beendet am 20. November)<br />
UA am 10. Juni 1921 in London<br />
Béla Bartók (1881-1945)<br />
<strong>Konzert</strong> für Klavier und Orchester Nr. 2<br />
Sz 95 BB 101 28’<br />
> Allegro<br />
> Adagio – Presto – Adagio<br />
> Allegro molto<br />
Komponiert Oktober 1930 –<br />
September-Oktober 1931<br />
UA am 23. Januar 1933 in Frankfurt am Main<br />
Pause<br />
4
Richard Strauss (1864-1949)<br />
Tod und Verklärung op. 2428’<br />
> Largo – Allegro molto agitato – Moderato<br />
Komponiert 1888 bis 1<strong>8.</strong> November 1889<br />
UA am 21. Juni 1890 in Eisenach<br />
Tzimon Barto Klavier<br />
Hans Graf Dirigent<br />
5
Hans Graf<br />
Dirigent<br />
6
Hans Graf studierte Klavier und Dirigieren an der<br />
Musikhochschule in Graz, danach bei Franco Ferrara,<br />
Sergiu Celibidache und Arvid Jansons. Er war musikalischer<br />
Leiter des Calgary Philharmonic (1994-<br />
2002) und beim Orchestre National Bordeaux Aquitaine<br />
(1998-2004); 1984-94 leitete er das Mozarteum-<br />
Orchester in Salzburg. 2001-2013 war er musikalischer<br />
Leiter der Houston Symphony, bei der er heute<br />
„Conductor Laureate“ ist. Seit 2013 ist er Professor<br />
für Dirigieren an der Universität Mozarteum in Salzburg.<br />
Hans Graf dirigiert die führenden Orchester Europas<br />
(Wiener <strong>Philharmoniker</strong>, Royal Concertgebouw<br />
Orchestra, Budapest Festival Orchestra usw.) sowie<br />
die Orchester von Cleveland, Philadelphia, Boston,<br />
San Francisco, Cincinnati und Detroit. Als Operndirigent<br />
tritt er u.a. in Wien, München, Rom, Zürich<br />
und Paris auf.<br />
Die zahlreichen CD-Aufnahmen von Hans Graf umfassen<br />
sämtliche Symphonien von Mozart und<br />
Schubert, sämtliche Orchesterwerke von Henri<br />
Dutilleux sowie Werke von Mahler, Zemlinsky und<br />
Hindemith. Für seine CD-Aufnahme von Alban Bergs<br />
„Wozzek“ wurde Graf <strong>2018</strong> mit dem Grammy ausgezeichnet.<br />
7
Tzimon Barto<br />
Klavier<br />
8
Tzimon Barto wuchs in Florida auf, wo er im Alter<br />
von fünf Jahren seinen ersten Klavierunterricht erhielt.<br />
Er studierte danach an der Juilliard School of Music<br />
in New York bei Adele Marcus. Bereits in dieser Zeit<br />
gewann er gleich zweimal hintereinander den „Gina<br />
Bachauer-Wettbewerb“.<br />
Der internationale Durchbruch erfolgte Mitte der<br />
1980er Jahre, als Tzimon Barto auf Einladung von<br />
Herbert von Karajan im Wiener Musikverein und bei<br />
den Salzburger Festspielen auftrat. Seitdem tritt er<br />
weltweit mit den renommiertesten Orchestern sowie<br />
als gefeierter Solist auf. In der Saison 2016/17 war<br />
Tzimon Barto „Artist in Residence“ beim SWR-<br />
Symphonieorchester.<br />
Tzimon Barto setzt sich immer wieder für zeitgenössische<br />
Musik ein; so rief er 2006 einen internationalen<br />
Kompositionswettbewerb für Klavier solo ins<br />
Leben. Wolfgang Rihm widmete ihm sein Klavierkonzert<br />
Nr. 2, das Tzimon Barto bei den Salzburger<br />
Festspielen 2014 uraufführte.<br />
Seine CD-Aufnahmen umfassen das Klavierreper toire<br />
zwischen dem Barock und dem 20. Jahrhundert. Er<br />
spricht fünf Sprachen fließend, liest altgriechisch,<br />
lateinisch und hebräisch und ist auch als Schriftsteller<br />
schöpferisch tätig.<br />
9
phil fakten<br />
> Zu einem <strong>Konzert</strong> der besonderen Art kam es am<br />
21. Dezember 1959: Igor Strawinsky dirigierte seine<br />
eigene Komposition „Les Noces“ in Wiesbaden. Das<br />
Werk ist für Solisten, Chor und ein Ensemble von vier<br />
Klavieren und Schlagzeug geschrieben, an den Tasten<br />
saßen damals die wohl prominentesten amerikanischen<br />
Komponisten ihrer Zeit: Samuel Barber, Aaron Copland,<br />
Roger Sessions und Lukas Foss.<br />
> Béla Bartók war nicht nur als Pianist (und Interpret<br />
seiner eigenen Werke) ein vielgereister Mann, er hat<br />
sich auch, wie u.a. Beethoven und Haydn, um die<br />
Aufzeichnung von Volksliedern verdient gemacht: Mehr<br />
als 10.000 Lieder aus den osteuropäischen Ländern<br />
bis hin zum vorderen Orient sammelte er auf seinen<br />
Reisen. Er schrieb sie entweder in Notenschrift nieder<br />
oder zeichnete sie mittels eines Phonographen, eines<br />
mechanischen Aufzeichnungsgerätes, auf Wachsplatten<br />
auf. Die etwa 4500 Wachszylinder mit diesen<br />
Aufzeichnungen liegen heute im Ethnographischen<br />
Museum in Budapest.<br />
10
Verballhornungen von Werktiteln sind in der Musikbranche<br />
durchaus üblich – ob aus Spott, aus Bequemlichkeit,<br />
um z.B. einen längeren Werktitel zu kürzen,<br />
oder einfach weil der Titel eine witzige Alternative<br />
hergibt. Richard Strauss´ „Tod und Verklärung“ geht<br />
in den Kantinen der Musikzentren meist als „Tod durch<br />
Erkältung“ über die Lippen der Musiker, aber auch<br />
seine Oper „Die Frau ohne Schatten“ heißt in den<br />
Opernhäusern sogar auf jedem Probenplan ganz offiziell<br />
nur kurz „Frosch“, ein Titel, den der Komponist<br />
selbst einem Werk gab.<br />
Das Lokalkolorit kommt natürlich bei solchen Witzeleien<br />
auch nicht zu kurz, so liebt der Berliner zum Beispiel<br />
seinen „Riegel-Otto“ (Verdis „Rigoletto“) und noch<br />
mehr seinen „Schreifritz“, Carl Maria von Webers<br />
„Freischütz“.<br />
Unter den Werktiteln im <strong>Konzert</strong>bereich ragt „Schilder<br />
einer Baustelle“ für Mussorgskis „Bilder einer Ausstellung“<br />
weit über das übliche Kalauer-Maß hinaus – nicht<br />
ganz so originell, aber am Erfolg der Oper gemessen<br />
wohl vielleicht doch zutreffend, ist der wortspielerische<br />
Titel, den Rudolf Kelterborns Oper „Ophelia“ schon<br />
während der Proben zur Uraufführung bei den Schwetzinger<br />
Festspielen 1984 erlangte: „A Failure“…<br />
Ingo J. Jander<br />
11
Igor Strawinsky<br />
Symphonies d’instruments à vents<br />
(„Bläsersymphonien“)<br />
Seit 1910 verband Igor Strawinsky eine künstlerische<br />
Freundschaft mit Claude Debussy: Strawinsky widmete<br />
Debussy sein Werk „Zvezdolikij“ für Männerchor<br />
und Orchester (1911/12), Debussy widmete Strawinsky<br />
wiederum sein Klavierwerk „En blanc et noir“ (1915).<br />
Der Tod Debussys im Jahre 1918 traf Strawinsky tief;<br />
deshalb sagte er gerne zu, als die angesehene französische<br />
Musikzeitschrift „La Revue musicale“ einen<br />
Sonderband plante mit Werken von Komponisten,<br />
die sich mit Debussy verbunden fühlten und ihm nun<br />
huldigen wollten. Strawinsky lieferte für diese Veröffentlichung<br />
(„Le Tombeau de Claude Debussy“,<br />
12
Dezember 1920) einen Choral für Klavier mit dem<br />
Titel „Fragment des Symphonies pour instruments<br />
à vent à la mémoire de Claude Debussy“.<br />
Schon damals plante also Strawinsky, diesen Choral<br />
als Schlussabschnitt eines längeren Stückes einzusetzen<br />
– in der Tat wurde die Musik zur Grundlage<br />
seiner „Bläsersymphonien“. Die Bezeichnung „Symphonie“<br />
soll bei diesem Werk allerdings nicht als<br />
Hinweis auf die traditionelle, meist viersätzige orchestrale<br />
Gattung der Klassik und Romantik hinweisen,<br />
sondern sie verwendet das Wort „Symphonie“<br />
in seinem aus dem Altgriechischen stammenden,<br />
ursprünglichen Sinne, nämlich als „Zusammenklang“<br />
verschiedener Instrumente.<br />
Strawinsky bearbeitete sein Werk im Jahre 1947, als<br />
er den Musikverlag seiner Kompositionen wechselte.<br />
Bei einigen seiner Kompositionen waren solche<br />
Retuschen geringfügig; in den „Bläsersymphonien“<br />
waren sie prägender. Durch die Anwendung der<br />
Altflöte statt der „normalen“ Flöte wurden einige<br />
Passagen neu geschrieben; außerdem machte Strawinsky<br />
Änderungen in der Dynamik, Akzentuierung<br />
und Phrasierung.<br />
13
Der Choral ist der Schlussteil des Werkes – dazu<br />
führt ein Weg durch ganz kurze Episoden. Diese sind<br />
sowohl in der bestimmten Klangfarbenmischung der<br />
einzelnen Blasinstrumentengruppen als auch durch<br />
unterschiedliche musikalische Charaktere derart<br />
geprägt, dass man selbst nach wenigen Tönen merkt:<br />
Hier erklingt mal ein rustikal-folkoristischer Abschnitt,<br />
da eine pastorale Stimmung (im Dialog der Flöte und<br />
Klarinette), dann ein wilder Tanz oder eben einige<br />
Akkorde, die die feierlich-rituale Stimmung des<br />
Schlusschorals antizipieren.<br />
All diese Beschreibungen können aber den einzigartigen<br />
Zauber der „Bläsersymphonien“ nicht treffen.<br />
Auch wenn die Komposition eher zu den selten gespielten<br />
Werken Strawinskys gehört (sie erschien<br />
erst 31 Jahre nach ihrer Entstehung im Druck!),<br />
dürfte sie durch die Originalität ihrer Klang- und<br />
Ausdruckswelt zu den wahrhaft erschütternd schönsten<br />
Werken des 20. Jahrhunderts gehören.<br />
Claude Debussy und Igor Strawinsky in Debussys<br />
Pariser Wohnung, Foto von Erik Satie, 1910<br />
14
Béla Bartók<br />
Klavierkonzert Nr. 2 Sz 95 BB 101<br />
„Im Jahre 1926 schrieb ich mein erstes Klavierkonzert.<br />
Seine Faktur ist ein wenig – man kann sogar sagen<br />
sehr – schwer ausgefallen, sowohl für das Orchester<br />
wie auch für das Publikum. Deshalb wollte ich einige<br />
Jahre später, 1930-31, mein II. Klavierkonzert gleichsam<br />
als Gegenstück zum Ersten komponieren, weniger<br />
schwer für das Orchester und in der Thematik<br />
ansprechender. Diese Absicht erklärt den populäreren<br />
und leichteren Charakter der meisten Themen<br />
15
des Stückes.“ Dieses Zitat von Béla Bartók aus einem<br />
1939 entstandenen Interview in einer schweizerischen<br />
Zeitung erklärt sowohl die Verwandtschaft als auch<br />
den Unterschied zwischen den beiden <strong>Konzert</strong>en.<br />
Das am 23. Januar 1933 in Frankfurt uraufgeführte<br />
Zweite Klavierkonzert ist zwar vielfach mit dem Ersten<br />
verbunden, zum Beispiel in der Anlehnung an die<br />
barocke „Concerto grosso“-Gattung oder im Einfluss<br />
der Musik von Igor Strawinsky. Dennoch wird das<br />
Werk von einem anderen Tonfall geprägt. Vor allem<br />
hinsichtlich der Großform wie der Verwendung bestimmter<br />
Satztypen und Stimmungsbilder gehört das<br />
Klavierkonzert Nr. 2 zu den wichtigsten musikalisch-ästhetischen<br />
Aussagen des reifen Bartók.<br />
Das im traditionellen, dreisätzigen Modell verfasste<br />
<strong>Konzert</strong> ist im Grunde in jener fünfteiligen „Brücken“-<br />
oder „Bogenform“ (A-B-C-B‘-A‘) aufgebaut, die in<br />
den Werken Bartóks so oft (zum Beispiel in den<br />
Streichquartetten Nr. 4 und 5) signifikant erscheint.<br />
Die Ecksätze des <strong>Konzert</strong>es sind hier, wie auch der<br />
erste und dritte Abschnitt des langsamen Satzes,<br />
jeweils miteinander thematisch verbunden. So erscheint<br />
das Fanfaren-Thema des ersten Satzes (eine<br />
deutliche Anspielung auf den „Feuervogel“ von Igor<br />
Strawinsky!) ganz im Geiste der barocken Kompositionstechnik<br />
der motivischen Gestaltung („Umkehrung“<br />
16
wie auch „Krebs der Umkehrung“) wieder, und das<br />
Thema des Finales ist selbst eine Umkehrungs-Variante<br />
des Eröffnungsthemas.<br />
Die bunte Folge von Stimmungsbildern im ersten<br />
Satz wirkt wie eine virtuose Herbeibeschwörung des<br />
schwungvollen barocken „Concerto grosso“; Bartók<br />
hat dabei ausdrücklich erwähnt, dass er in seinen<br />
Klavierkonzerten dem Solisten und dem Orchester<br />
eine „völlig gleichrangige Rolle“ zugedacht habe. In<br />
diesem „Allegro“ gesellen sich zum Klaviersolo nur<br />
Bläser und Schlagzeug (eine weitere Anspielung auf<br />
Strawinsky, nämlich auf dessen 1924 entstandenes<br />
Concerto für Klavier und Bläser).<br />
Erst im zweiten Satz spielen die Streicher. Dieses<br />
„Adagio“ führt dann in eine völlig andere Welt: Es ist<br />
ein inniger Monolog unter der unendlichen Weite des<br />
nächtlichen Himmels. Nicht zufällig verglich man<br />
diesen Satz mit dem langsamen Satz des Klavierkonzertes<br />
G-Dur von Ludwig van Beethoven, mit dem<br />
dortigen Dialog zwischen Orpheus und der Unterwelt<br />
– hier greift Bartók jenen andächtig „sprechenden“,<br />
versunkenen Ton Beethovens auf, der in seinen<br />
Werken immer wieder auftaucht, zum Beispiel im<br />
Satz „Klänge der Nacht“ aus dem Klavierzyklus „Im<br />
Freien“, im Trio „Kontraste“ oder im Dritten Klavierkonzert.<br />
Diese „Adagio“-Abschnitte umrahmen hier<br />
ein gespenstisch-dämonisches Scherzo („Presto“),<br />
das den Mittelpunkt des <strong>Konzert</strong>es bildet.<br />
Das Finale bringt die Themen aus dem Eröffnungssatz<br />
in variierter Gestalt und führt das Werk in die aufgelockert-spielerische<br />
„Concerto“-Atmosphäre zurück.<br />
In der Orchestrierung (hier wird nun das volle Orchester<br />
eingesetzt) wie auch in der Variierung der<br />
Themen aus dem ersten Satz ist dieses „Allegro<br />
molto“ eine großartige Synthese, in der die einzelnen,<br />
bisher mitunter kontrastierenden Stimmungen und<br />
Ausdruckstypen nun ihre ausgleichende, ja „versöhnliche“<br />
Erfüllung finden.<br />
17
Richard Strauss<br />
Tod und Verklärung op. 24<br />
Während seiner Zeit in Meiningen lernte Richard<br />
Strauss Alexander Ritter (1833-1896) kennen, der<br />
einen „sturmwindartigen“ Einfluss auf die künstlerische<br />
Entwicklung den Komponisten ausübte. Der Komponist<br />
und Geiger Ritter war ein fanatischer Anhänger<br />
von Richard Wagner und Franz Liszt, außerdem ein<br />
sehr belesener Mann, der Strauss unter anderem mit<br />
Schopenhauers Lehren bekannt machte. „Er drängte<br />
mich dazu, das Ausdrucksvolle, Poetische in der<br />
Musik zu entwickeln nach den Beispielen, die uns<br />
Berlioz, Liszt, Wagner gegeben hatten“, erinnerte<br />
sich später Richard Strauss. Er nannte sogar den Rat<br />
Ritters als den „Wendepunkt in meinem Leben“.<br />
18
Tatsächlich wendete sich Richard Strauss unter<br />
Ritters Einfluss von der Musik eines Johannes Brahms<br />
ab und fand den Nährboden für seine eigene Ausdrucksweise<br />
nun in den Musikdramen Wagners bzw.<br />
in den symphonischen Dichtungen von Liszt. Als er<br />
nach Macbeth (1886-88) und Don Juan (1888) – Werke,<br />
die extreme Gestalten und Emotionen darstellen<br />
– nach einem erhabenen, „ewigen Thema“ suchte,<br />
schöpfte er aus den frühen symphonischen Dichtungen<br />
von Liszt, in denen der von Kampf und Leiden<br />
gezeichnete Lebensweg eines Helden erst nach<br />
dessen Tod zum Ruhm führt. Aus dieser Idee, die ja<br />
auch mit dem Beethovenschen Gedanken „durch<br />
Nacht zum Licht“ durchaus verwandt ist, entstand<br />
„Tod und Verklärung“.<br />
Strauss entwarf die Skizzen seines Werkes in seiner<br />
Münchner Zeit; beendet hat er die Komposition jedoch<br />
erst in Weimar, wo er ab Oktober 1889 Großherzoglicher<br />
Kapellmeister am Hoftheater war. Man hat<br />
immer wieder behauptet, dem Werk liege das konkrete<br />
Erlebnis einer eigenen, schweren Krankheit<br />
zugrunde. Dies trifft allerdings nicht zu. Wie Strauss<br />
nüchtern bemerkte, war das Thema des Werkes „ein<br />
Einfall wie ein anderer. Letzten Endes das musikalische<br />
Bedürfnis. Nach ‚Macbeth‘ (beginnt und schließt<br />
in d-Moll) und ‚Don Juan‘ (beginnt in E-Dur und<br />
schließt in e-Moll) ein Stück, das in c-Moll anfängt<br />
und in C-Dur aufhört.“ Das Thema selbst war seine<br />
eigene Erfindung, ohne konkretes literarisches oder<br />
anderweitiges Programm; das Gedicht von Alexander<br />
Ritter, das am Anfang der Partitur steht, entstand<br />
erst nach der Komposition.<br />
Strauss äußerte sich zur Idee des Werkes im Jahre<br />
1894 folgendermaßen: „Es war vor sechs Jahren, als<br />
mir der Gedanke auftauchte, die Todesstunde eines<br />
Menschen, der nach den höchsten idealen Zielen<br />
gestrebt hatte, also wohl eines Künstlers, in einer<br />
Tondichtung darzustellen. Der Kranke liegt im Schlummer<br />
schwer und unregelmäßig atmend zu Bette;<br />
freundliche Träume zaubern ein Lächeln auf das<br />
Antlitz des schwer Leidenden; der Schlaf wird leich-<br />
19
ter; er erwacht; grässliche Schmerzen beginnen ihn<br />
wieder zu foltern, das Fieber schüttelt seine Glieder<br />
– als der Anfall zu Ende geht und die Schmerzen<br />
nachlassen, gedenkt er seines vergangenen Lebens:<br />
seine Kindheit zieht an ihm vorüber, seine Jünglingszeit<br />
mit seinem Streben, seinen Leidenschaften und<br />
dann, während schon wieder Schmerzen sich einstellen,<br />
erscheint ihm die Frucht seines Lebenspfades,<br />
die Idee, das Ideal, das er zu verwirklichen,<br />
künstlerisch darzustellen versucht hat, das er aber<br />
nicht vollenden konnte, weil es von einem Menschen<br />
nicht zu vollenden war. Die Todesstunde naht, die<br />
Seele verlässt den Körper, um im ewigen Weltraum<br />
das vollendet in herrlichster Gestalt zu finden, was<br />
es hienieden nicht erfüllen konnte.“<br />
Diese verschiedenen<br />
Stimmungen veranschaulicht<br />
Richard Strauss auf<br />
eine nahezu realistische<br />
Weise – der Strauss-Forscher<br />
Ernst Krause<br />
schreibt nicht unzutreffend<br />
von einem „komfortablen<br />
symphonischen<br />
Krankenbett“. Doch Tod<br />
und Verklärung ist weit<br />
mehr als die illustrative<br />
Darstellung des Sterbens.<br />
Die einzelnen Motive und<br />
Charaktere fasst Richard<br />
Strauss in einer zwingenden<br />
Gesamtstruktur zusammen,<br />
indem er das Werk in einer freien Sonatenform<br />
mit langsamer Einleitung und einer<br />
ausgedehnten Coda aufbaut und dabei die Stimmungswechsel<br />
mit einer überlegenen thematischen<br />
Arbeit verbindet.<br />
Der Anfang ist die beklemmende Schilderung jenes<br />
Dämmerzustandes, in dem der Schwerkranke erschöpft,<br />
mit müde pochenden Herzschlägen liegt.<br />
Wie ein „wehmutsvolles Lächeln“ erscheint ihm die<br />
20
Erinnerung an seine Kindheit – es ist ein lyrisches<br />
Motiv, aus dem im Hauptteil das Seitenthema entwickelt<br />
wird. Ein Fortissimo-Paukenschlag beendet<br />
jäh die friedliche Atmosphäre: Der Kranke wird von<br />
immer beängstigenderen Fieberfantasien geplagt.<br />
Inmittten dieser Qual (zu deren Schilderung Strauss<br />
wahrhaft unheimliche Klangeffekte verwendet) taucht<br />
aber ein kurzes Motiv auf, hier noch eher als vages<br />
Versprechen: das Motiv der Verklärung.<br />
Das Seitenthema bringt nach dem aufgewühlt-erregten<br />
Hauptthemenbereich sanfte Ruhe: Die Erinnerungen<br />
an das vergangene Leben – die in der Durchführung<br />
mit wachsender Leidenschaft erscheinen<br />
– werden aber immer wieder durch die drohende<br />
„Todesankündigung“ der Posaunen unterbrochen,<br />
bis gegen Ende dieses Abschnitts das Verklärungsthema<br />
in voller Gestalt erklingt. Der letzte Todeskampf<br />
mündet in die hymnisch entfaltete „Verklärung“, in<br />
einen Epilog mit majestätischen C-Dur-Klängen.<br />
Das „Verklärungsthema“ begleitete Strauss sein<br />
ganzes Leben lang. Er verwendete es unter anderem<br />
in seiner symphonischen Dichtung „Ein Heldenleben“<br />
und im Schlusssatz seiner „Vier letzten Lieder“. In<br />
diesem erschütternden „Im Abendrot“ auf ein Gedicht<br />
von Joseph von Eichendorff erscheint das Motiv als<br />
tatsächlich verklärte, bejahende Antwort des 84-jährigen<br />
Komponisten auf die fragende letzte Zeile „Ist<br />
dies etwa der Tod?“. Vierundzwanzig Stunden vor<br />
seinem Tod sagte Richard Strauss seiner Schwiegertochter:<br />
„Merkwürdig, Alice, das mit dem Sterben<br />
ist genauso, wie ich’s in ‚Tod und Verklärung‘ komponiert<br />
hab‘. Merkwürdig ist das...“ – dies waren<br />
Richard Strauss‘ letzte Worte.<br />
Éva Pintér<br />
21
ganz phil<br />
bremen<br />
Sa. 09.06.<strong>2018</strong> | 11 bis 17 Uhr<br />
Glocke
Triumph, Skandal und<br />
kühler Empfang –<br />
zu den Uraufführungen einiger Werke<br />
von Igor Strawinsky<br />
Uraufführungen können so erfolgreich sein, dass sie<br />
die Laufbahn eines Komponisten entscheidend fördern;<br />
sie können wiederum so einen Skandal auslösen,<br />
dass dieser zu einer Legende wird (auch dies<br />
kann sich allerdings als fördernder Effekt erweisen!)<br />
– sie können aber auch ein enttäuschendes Erlebnis<br />
bringen, indem der Komponist sich vom Publikum<br />
nicht verstanden fühlt. Igor Strawinsky erlebte während<br />
seiner Laufbahn all diese durchaus kontroversen<br />
Rezeptionen.<br />
Als sein „Feuerwerk“ am 6. Februar 1909 in St. Petersburg<br />
uraufgeführt wurde, sagte dazu der hochangesehene<br />
Komponist Aleksandr Glazunov: „Kein<br />
Talent, nur Dissonanz“. Dieses Urteil war für Strawinsky<br />
zwar niederschmetternd, aber nicht überraschend,<br />
äußerte sich Glazunov doch schon zur frühen<br />
Sinfonie Es-Dur Strawinskys mit den nichtssagenden<br />
Worten „sehr geschickt“ und missbilligte die „recht<br />
schwerfällige“ Instrumentation. Indes war bei der<br />
Uraufführung des „Feuerwerkes“ ein anderer Zuhörer<br />
anwesend: Sergej Djagilev, der von dem Werk so<br />
beeindruckt war, dass er Strawinsky beauftragte, für<br />
sein Tanzensemble „Ballets Russes“ zu arbeiten – dies<br />
war der Beginn einer langjährigen Zusammenarbeit,<br />
die für Strawinsky den Weltruhm brachte.<br />
So ernteten die Ballette „Der Feuervogel“ und<br />
„Petruschka“ großen Erfolg in Paris – zwei Jahre<br />
später, am 29. Mai 1913, erlebte aber die Uraufführung<br />
des „Le Sacre du Printemps“ einen Jahrhundert-Skandal.<br />
Schon bei der Einleitung hörte man vom Publikum<br />
Lachen und milde Protestrufe. Nachdem sich der<br />
Vorhang hob, brach der Skandal in vollem Maße aus.<br />
Laut Strawinskys Erinnerungen hörte er hinter sich<br />
23
Tamara Karawina 1911 in „Der Feuervogel“<br />
Rufe wie „Deine Fresse!“ und das Geschrei des<br />
Komponisten Florent Schmitt: „Bleibet still, ihr Vorstadtsnutten!“<br />
Das Publikum miaute und grölte mit<br />
blinder Wut, man hörte vom Orchester fast gar nichts<br />
mehr. Ein Anwesender berichtete: „Der junge Mann<br />
hinter mir in der Loge stand während des Balletts<br />
auf und schlug rhythmisch mit seiner Faust auf meinen<br />
Kopf. Ich war so erregt, dass ich zuerst gar nicht<br />
die Schläge wahrgenommen hatte“. Laut der Tänzerin<br />
Romola Pulszky – der späteren Ehefrau des Solotänzers<br />
Vaslav Nijinsky, der die Choreographie<br />
entwarf – „stand in einer der Außenlogen eine prächtig<br />
gekleidete Dame auf und ohrfeigte einen jungen<br />
Mann, weil dieser in der Nachbarloge zischte. Ihr<br />
24
Begleiter stand auf und die beiden Männer wechselten<br />
ihre Visitenkarten“ (d.h., sie beabsichtigten ein<br />
Duell auszutragen). Jean Cocteau berichtete: „Man<br />
lachte, höhnte, pfiff, ahmte Tierstimmen nach... Der<br />
Tumult artete in ein Handgemenge aus“. „Zum ersten<br />
Mal seit sechzig Jahren wagt man es, sich über mich<br />
lustig zu machen!“, schrie mit schiefgerutschtem<br />
Diadem und puterrotem Gesicht die ehrwürdige alte<br />
Comtesse de Pourtalès.<br />
Was war der Auslöser<br />
dieses Skandals? Sicher<br />
nicht nur die wenig geglückte<br />
Choreographie<br />
von Nijinsky – vielmehr<br />
verspürte das Pariser<br />
Publikum, was für neuartige<br />
Musik an diesem<br />
Abend erklang, und reagierte<br />
darauf teils mit<br />
heller Begeisterung, teils<br />
mit wütender Empörung.<br />
Doch an der epochalen<br />
Bedeutung des Werkes<br />
zweifelte niemand, auch<br />
ein Arnold Schönberg<br />
nicht, von dem die sarkastische<br />
Bemerkung<br />
stammt, es gäbe „keine<br />
sackere Gasse als Sacre“.<br />
Igor Strawinsky und Pierre<br />
Strawinsky selber betrachtete<br />
eine Aufführung<br />
Monteaux 1939 in San Francisco<br />
ein Jahr später in Paris unter der Leitung von Pierre<br />
Monteux (der auch die Uraufführung dirigiert hatte)<br />
als eine Art Rehabilitation seines Werkes: „Nach dem<br />
´Opfertanz der Auserwählten´“ sprang das ganze<br />
Publikum auf und applaudierte stürmisch. Ich ging<br />
auf das Podium und umarmte den schweißgebadeten<br />
Monteux – dies war die salzigste Umarmung<br />
meines Lebens. Eine Menschenschar kam dann<br />
hinter die Bühne; Unbekannte hoben mich auf ihre<br />
Schulter und trugen mich auf der Straße bis zum<br />
Platz der Dreiheiligkeit.“<br />
25
Kontroverse Meinungen<br />
begleiteten immer wieder<br />
die Uraufführungen der<br />
Werke Strawinskys. Durch<br />
die Uraufführung der „Drei<br />
Stücke für Streichquartett“<br />
am 30. November<br />
1915 in New York war<br />
zum Beispiel die Dichterin<br />
Amy Lowell so inspiriert,<br />
dass sie über die<br />
drei Sätze kurze Gedichte<br />
schrieb, in denen sie<br />
versuchte, „die Klang- und<br />
Bewegungswelt der Musik<br />
zu reproduzieren“.<br />
Eher konservativ gesonnene<br />
Kritiker wie George<br />
Igor Strawinsky und Vaslav<br />
Nijinsky 1913<br />
Dyson behaupteten hingegen<br />
anlässlich vier kurzer Takte im zweiten Satz:<br />
„Wenn so einem Abschnitt irgendein Platz in der<br />
Streichquartett-Kunst zuteil wird, da ist das Ende<br />
nahe.“<br />
Nach der ersten Aufführung in England der Ballett-Kantate<br />
„Les Noces“ (14. Juni 1926) war die<br />
Beurteilung der Kritiker derart verständnislos, dass<br />
kein Geringerer als H. G. Wells einen öffentlichen<br />
Protest dagegen startete: „Ich kenne kein so interessantes,<br />
frisches, unterhaltsames Ballett wie ‘Les<br />
Noces‘. Ich will es immer wieder sehen, daher protestiere<br />
ich gegen diese Verschwörung jener geballten<br />
Blödheit, die versuchen will, das Werk aus dem<br />
Programm zu nehmen.“<br />
26<br />
Keine Frage: Das Publikum erwartete von Strawin sky<br />
immer wieder etwas Aufregendes, ja Skandalträchtiges,<br />
an das man sich noch später genüsslich erinnern<br />
konnte. Umso befremdlicher war es dann, wenn<br />
ein Werk zu diesen Erwartungen nicht passte. So<br />
erfuhr die Uraufführung der „Bläsersymphonien“ am<br />
10. Juni 1921 in London unter der Leitung von Serge<br />
Koussevitzky einen sehr mäßigen Empfang. Gewiss:
Koussevitzky ließ die nicht<br />
gründlich vorbereiteten<br />
Bläser weit hinten auf<br />
dem Podium spielen; es<br />
gab deshalb keinen richtigen<br />
Kontakt zwischen<br />
ihm und den Musikern,<br />
die Feinheiten des Werkes<br />
blieben verdeckt. Doch<br />
hätte das Werk in einer<br />
anderen, besser aufgestellten<br />
Wiedergabe über-<br />
Serge Koussevitzky<br />
haupt Erfolg? Der enttäuschte<br />
Strawinsky erinnerte sich später, das<br />
Publikum erwartete von ihm wohl eine andere Musik:<br />
Die „Bläsersymphonien“ sollen aber nicht bloß gefallen<br />
oder empört-stürmische Reaktionen auslösen,<br />
sondern die Stimmung eines „puritanen Rituals“<br />
vermitteln, das sich „durch kurze, psalmodierende<br />
Gespräche zwischen den Blasinstrumentengruppen<br />
entwickelt“. Das war damals wohl zu wenig für eine<br />
erfolgreiche Rezeptionsgeschichte...<br />
Auch bei der Uraufführung von „Oedipus Rex“ (eines<br />
der bedeutendsten Werke Strawinskys!) am 30. Mai<br />
1927 in Paris blieb der Empfang eher kühl – das<br />
Publikum erhielt nicht die erwartete Unterhaltung,<br />
die Kritiken waren eher missgünstig, ja selbst Djagilev,<br />
für den Strawinsky das Werk als Geschenk für<br />
die lange Zusammenarbeit erdachte, sagte: „Es ist<br />
doch ein recht makabres Geschenk“.<br />
Der Erfolg seiner Werke war Strawinsky natürlich<br />
enorm wichtig – aber nicht um jeden Preis, selbst in<br />
seinen Jahren in den USA nicht, als er von der mächtigen<br />
Film- und Revueindustrie durchaus lukrative<br />
Aufträge erhielt. So schrieb er 1944 für die Revuekompanie<br />
von Billy Rose seine „Scènes de Ballet“<br />
– nach der ersten Aufführung (24. November 1944 in<br />
Philadelphia) bekam er ein Telegramm von Billy Rose:<br />
„Ihre Musik großer Erfolg. Stop. Könnte sensationeller<br />
Erfolg werden, wenn Sie mit den orchestralen<br />
Retuschen von Robert Russell Bennett einverstanden<br />
27
wären. Stop. Selbst die Werke von Cole Porter werden<br />
von Bennett orchestriert. Stop.“ Die Antwort<br />
Strawinskys fiel typisch aus: „Ich bin mit dem großen<br />
Erfolg zufrieden.“<br />
Dass Strawinskys späte Werke eher zurückhaltende<br />
Reaktionen seitens des Publikums und der Kritik<br />
erfuhren, hängt natürlich mit dem Stilwechsel dieses<br />
unglaublich vielschichtigen Komponisten zusammen.<br />
Die Kargheit, ja Strenge solcher Werke wie „Cantata“,<br />
„Canticum Sacrum“ oder „Requiem Canticles“ war<br />
nicht in der Absicht komponiert, Riesenerfolge zu<br />
ernten – diese Stücke sind ganz innige, keineswegs<br />
„weltgewandte“ Aussagen des Komponisten. So<br />
erfuhr die Uraufführung von „Canticum Sacrum“, eine<br />
einzigartige Huldigung an Venedig, am 13. September<br />
1956 einen gemischten Empfang. Laut dem Dirigenten<br />
Robert Craft, der die letzten Jahre des<br />
Meisters treu begleitete und sowohl schriftlich als<br />
auch interpretatorisch dokumentierte, haben die<br />
Kritiker in diesem Meisterwerk gar nicht wahrgenommen,<br />
was ihnen vorgetragen wurde. Dass der Kritiker<br />
von „Time“ das Werk als einen „Mord in der Kathedrale“<br />
bezeichnete, zeugt redlich von seinem Unverständnis<br />
dieses herrlichen Werkes.<br />
Das dürfte allerdings Strawinsky inzwischen nicht<br />
mehr interessiert haben. Er erlebte so viele ganz<br />
unterschiedliche Empfänge seiner Werke – am Ende<br />
blieben diese Kompositionen aber für die Musikgeschichte<br />
stets maßstabsetzend.<br />
Éva Pintér<br />
28
phil einblicke<br />
Symphonic Mob – Jetzt anmelden!<br />
Nach dem überwältigenden Erfolg des ersten Symphonic<br />
Mobs vor zwei Jahren im Weserpark Bremen<br />
wird es am 30. Juni zum zweiten Mal heißen: „Herzlich<br />
Willkommen zu Bremens größtem Spontanorchester –<br />
Ihr spielt die Musik!“<br />
Das Konzept ist so einfach wie genial: Mitmachen kann<br />
jeder, der ein Instrument spielen kann. Egal ob mit<br />
Flöte, Trompete, Gitarre oder Geige und Cajon, beim<br />
Symphonic Mob finden sich unter dem Dirigat von<br />
Florian Ludwig Profis und Hobbymusiker, Senioren<br />
und Kinder, Hausmusiker und Musikschüler, Studierende<br />
und Lehrende, Anfänger und Fortgeschrittene<br />
im Lichtgarten (vor P&C) des Einkaufszentrums Weserpark<br />
zu einem großen Orchester zusammen. Also<br />
raus aus den Übungsräumen von Musikschulen und<br />
Konservatorien, raus aus den heimischen vier Wänden<br />
– rauf auf die Bühne zu einem besonderen Event!<br />
Anmeldungen zum Symphonic Mob sind ab sofort<br />
online möglich: www.symphonic-mob.de. Gespielt<br />
werden der „Marsch der Toreros“ aus Carmen sowie<br />
die „Pastorale“ und „Farandole“ aus L´Arlesienne von<br />
Georges Bizet. Notenmaterial steht in Originalfassung<br />
sowie in vereinfachter Form als Download auf der<br />
Website zur Verfügung.<br />
29
phil einblicke<br />
Musikwerkstatt-Team wächst<br />
Mit dem Posaunisten Heinz<br />
Rohde begrüßt die Musikwerkstatt<br />
Bremen einen<br />
erfahrenen neuen Mitarbeiter<br />
in seinem Team. Als<br />
Musiker und Instrumentallehrer<br />
bringt er nicht nur<br />
jahrelange Erfahrung aus<br />
dem Orchesteralltag mit,<br />
sondern weiß genau, wie<br />
man Kinder und Jugendliche für Musik und Instrumente<br />
begeistern kann.<br />
Heinz Rohde begann im Alter von 8 Jahren Trompete<br />
und später Posaune zu spielen. Nach dem Abitur<br />
studierte er an der HfK in Bremen. Als Musiker wirkte<br />
er in verschiedenen Produktionen mit, u.a. bei dem<br />
Musical „Marie-Antoinette“, der Big Band von Radio<br />
Bremen oder „Circus meets Classics“ von RONCALLI.<br />
Zudem hat er verschiedene Ensembles geleitet, wie<br />
das <strong>Bremer</strong> Blechbläserensemble oder Symphonic<br />
Winds, dem Blasorchester der Musikschule Bremen.<br />
Als Instrumentallehrer hat er an der Kreismusikschule<br />
in Cloppenburg und später an der Musikschule Bremen<br />
einer Vielzahl Schüler das „Tuten und Blasen“ beigebracht:<br />
„Arbeit mit Menschen im Bereich der Musik<br />
macht mir einfach sehr viel Spaß. So freue ich mich<br />
sehr, jetzt auch im Team der Musikwerkstatt der Bremen<br />
<strong>Philharmoniker</strong> mitmachen zu können.“<br />
30
Unsere Akademisten im Portrait<br />
Auch in dieser Spielzeit geben die<br />
<strong>Bremer</strong> <strong>Philharmoniker</strong> fünf jungen<br />
Musikern die Chance, intensive Einblicke<br />
in den Berufsalltag eines Orchestermusikers<br />
zu erhalten. Der<br />
25-jährige Schlagzeuger Felix Ernst<br />
ist einer von ihnen:<br />
Als Akademist möchte ich in dieser<br />
Spielzeit ... möglichst viele symphonische<br />
Programme kennenlernen und<br />
den ständigen Wechsel zwischen <strong>Konzert</strong>bühne<br />
und Orchestergraben in der<br />
Oper erleben.<br />
Als Akademist bei den <strong>Bremer</strong> <strong>Philharmoniker</strong>n ...<br />
möchte ich meine Orchestererfahrung erweitern und<br />
möglichst viel von meinen Kollegen lernen.<br />
So wurde ich auf die Orchesterakademie bei den<br />
<strong>Bremer</strong> <strong>Philharmoniker</strong>n aufmerksam: Der Soloschlagzeuger<br />
André Kollikowski ist mein Dozent an der Hochschule<br />
für Künste in Bremen. Er brachte mich auf die<br />
Idee, mich als Akademist zu bewerben.<br />
An den <strong>Bremer</strong>n gefällt mir besonders ... ihre Toleranz.<br />
Mein Lieblingsplatz in Bremen ist ... mein Wohnzimmer.<br />
Gibt es etwas, dass Du aus Deiner Heimat hier in<br />
Bremen besonders vermisst? Berge!<br />
Mein Instrument spiele ich ... seit 15 Jahren.<br />
Besonders gern spiele ich Werke von ... Schostakowitsch.<br />
Was ich Schostakowitsch schon immer einmal gern<br />
sagen wollte: Geiler Typ!<br />
Wenn ich nicht Musiker wäre, dann ... hätte ich nicht<br />
so viele verschiedene interessante Länder und Kulturen<br />
kennengelernt.<br />
Das würde ich gern können: Fliegen!<br />
Zum Abschalten gehört/gehören für mich ... ein Tag<br />
ohne Instrumente und schönes Wetter.<br />
31
prophil<br />
Was kann Musik?<br />
„Künstlerisch interessierte Ärzte verstehen Patienten<br />
besser“ - so die Süddeutsche Zeitung vom 31.1.201<strong>8.</strong><br />
Zu diesem Thema baten wir unsere prophil Mitglieder<br />
Dr. Heidemarie Moroff (HNO-Ärztin) und Jürgen Moroff<br />
(Pastor) um ihre Meinung.<br />
„Musik ist anstrengend. Körper und Geist werden gefordert.<br />
Und oft ist der Schweiß auf der Stirn des Musikers<br />
zu sehen. Musik kann besänftigen, aber Musik<br />
kann auch aufregen. Musik ist eine Art, Menschen anzusprechen,<br />
ohne dass Worte gewechselt werden<br />
müssen. Sie spricht direkt an. Musik weckt Erinnerungen,<br />
die lange verschüttet schienen. Musik ist vielfältig.<br />
Was liegt näher, als Musik da einzusetzen, wo Worte,<br />
wo Menschen verstummen? Demenzkranke wachen<br />
scheinbar plötzlich auf, wenn sie Musik hören. Sie singen<br />
mit, summen mit, und eben waren sie stumm und<br />
abwesend. Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht. Es<br />
wird etwas deutlich, was tief in ihnen verborgen ist,<br />
aber zu ihnen gehört.<br />
Musik hilft – Patienten werden ruhig und gelassen vor<br />
einem Eingriff, der Arzt kommt zu sich, um konzentriert,<br />
ruhig und ohne Ablenkung seine Aufgabe, die<br />
32
Operation, zu erledigen. Ja, Musik heilt, weil Krankheit<br />
oft nicht nur den Körper, sondern auch die Seele lähmt.<br />
Und Musik führt zusammen: die, die spielen, die, die<br />
hören. Gemeinsam erleben sie all das, das Aufregende,<br />
das Beruhigende, das Heitere, das Schmerzhafte, all<br />
das, was Musik ausdrückt. In jedem <strong>Konzert</strong> kommen<br />
so Menschen nicht nur räumlich, sondern auch mit ihren<br />
Gefühlen zusammen, auch wenn sie dann wenige<br />
Minuten später wieder auseinanderstreben.<br />
Musik ist etwas Großes!“<br />
Mitglieder und Gäste sind bei unserer nächsten<br />
Veranstaltung willkommen:<br />
Ton in Ton<br />
Matinee in der Plantage<br />
Sonntag, 25. März, 11.30 Uhr<br />
Plantage 13, Eingang 6, 28215 Bremen<br />
Malerei und Zeichnungen von Susanne Pikulik-Bastian<br />
Musik von Schubert, Zemlinsky, Villa-Lobos und<br />
Messiaen<br />
Raphael Schenkel Klarinette<br />
Delphine Lacombe Violoncello<br />
Moisés Mattos Klavier<br />
mit anschließendem Empfang<br />
Eintritt 10 €/5 €<br />
Werden auch Sie Mitglied – schreiben Sie uns an:<br />
info@prophil.de.<br />
Nähere Informationen zu unserem vielfältigen<br />
Programm mit Probenbesuchen, Empfängen, Filmen<br />
und Vorträgen finden Sie unter www.prophil.de.<br />
Ihr Vorstand prophil<br />
Freundeskreis der<br />
<strong>Bremer</strong> <strong>Philharmoniker</strong> e.V.<br />
33
Nächste<br />
Veranstaltungen<br />
Streichquartette<br />
Kammermusik<br />
am Sonntagmorgen<br />
Werke von<br />
Ludwig van Beethoven und Antonín Dvořák<br />
Quartetto con Brio<br />
Oleg Douliba und Florian Baumann Violine<br />
Steffen Drabek Viola<br />
Karola von Borries Violoncello<br />
So 0<strong>8.</strong>04.18 11.30 Uhr, Goldener Saal<br />
Atlantic Grand Hotel Bremen<br />
Frühe Vögel...<br />
Ralph Vaughan Williams<br />
The Lark Ascending für Violine und Orchester<br />
Charles Ives<br />
Central Park in the Dark<br />
Samuel Barber<br />
<strong>Konzert</strong> für Violine und Orchester op. 14<br />
Igor Strawinsky<br />
Der Feuervogel, Ballett in zwei Akten<br />
9. <strong>Philharmonisches</strong><br />
<strong>Konzert</strong><br />
Isabelle van Keulen Violine<br />
Dirk Kaftan Dirigent<br />
So 15.04.18 11 Uhr, Glocke<br />
Mo 16.04.18 20 Uhr, Glocke<br />
34
KARTEN-VORVERKAUF<br />
Ticket-Service in der Glocke<br />
Domsheide 6-8, 28195 Bremen<br />
Tel 0421-33 66 99, Fax 0421-33 66 666<br />
Öffnungszeiten: Mo-Fr 10-18 Uhr, Sa 10-15 Uhr<br />
E-Mail: ticketverkauf@glocke.de, www.glocke.de<br />
NORDWEST-TICKET<br />
Kartenshop im Pressehaus Bremen<br />
Martinistraße 43, Tel 0421-36 36 36<br />
Öffnungszeiten: Mo-Fr 9-18 Uhr, Sa 9.30-14 Uhr<br />
E-Mail: bestellung@nordwest-ticket.de<br />
WEITERE VORVERKAUFSSTELLEN<br />
KPS Tickets im Hause Karstadt<br />
TSC Ticket- & Touristik-Service-Center GmbH<br />
Platzgenau online buchen<br />
und Karten einfach selbst ausdrucken auf<br />
www.bremerphilharmoniker.de<br />
IMPRESSUM<br />
Herausgeber: <strong>Bremer</strong> <strong>Philharmoniker</strong> GmbH<br />
Intendant: Christian Kötter-Lixfeld<br />
Plantage 13, 28215 Bremen<br />
E-Mail: info@bremerphilharmoniker.de<br />
www.bremerphilharmoniker.de<br />
Nachdruck verboten<br />
Texte: Dr. Éva Pintér, Ingo J. Jander, Barbara<br />
Klein<br />
Redaktion: Barbara Klein<br />
Foto: Stella Dash (Titel), Philharmonische Gesellschaft<br />
Bremen (S.3), Christian Steiner (S.6),<br />
Malcolm Yawn (S.8), Zeichung von Walter Runge,<br />
1902, zur Anmeldung des Patents von Edison.<br />
(S.10), Robert Regassi, Publisher J. & W. Chester<br />
(S.12), www.theclevelandorchestra.com (S.13), Paul<br />
Sacher Stiftung Basel (S.14),<br />
www.thefamouspeople.com (S.15),<br />
www.thelistenersclub.com (S.16),<br />
www.richardstrauss.at (S.19, S.20),<br />
www.thefrisky.com (S.24), www. artspreview.net<br />
(S.25), www.pinterest.com (S.26),<br />
www.scriabin-association.com (S.27), <strong>Bremer</strong><br />
<strong>Philharmoniker</strong> (S.29, S.34 Mitte), privat (S.30,<br />
S.31, S.34 oben), ProPhil (S.32), Nikolaj Lund<br />
(S.34 unten)<br />
Wir danken den beteiligten Künstleragenturen und<br />
Fotografen für die freundliche Unterstützung.<br />
35
Kompetenz<br />
gewinnt.<br />
Ausgezeichnete Vermögensverwaltung<br />
ELITE REPORT <strong>2018</strong><br />
bremerlandesbank.de / elitereport<strong>2018</strong>