DCW-Jahrbuch 2018
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<strong>Jahrbuch</strong> <strong>2018</strong>
Größter Auftrag in der Geschichte der Sievert<br />
Baustoffgruppe: Lieferung von 1 Mio. m 2<br />
Fassaden baustoffen für 55 Hochhäuser<br />
à 33 Stockwerke in Hefei.<br />
Die Sievert AG fungiert als Holdingunternehmen für die Sievert Baustoffgruppe mit Aktivitäten in den Bereichen Trockenmörtel<br />
(quick-mix), Bauchemie (Hahne) und Logistik (Sievert Handel Transporte). Mit rd. 1.700 Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeitern an weltweit ca. 60 Standorten in Deutschland, China, Luxemburg, den Niederlanden, Polen, Russland, der<br />
Schweiz, der Slowakei und Tschechien erwirtschaftet die Sievert Baustoffgruppe einen Umsatz von rd. 400 Millionen Euro<br />
und zählt damit zu den führenden Unternehmen der deutschen Bauwirtschaft.<br />
In China produziert quick-mix (Sievert Baoye quick-mix Building Materials) hochwertige Putze, Fliesenkleber, Bodenausgleichsmassen<br />
und Systeme zur energie sparenden Fassadendämmung und vertreibt diese u.a. über zwei Vertriebsbüros<br />
in Nanjing und Shanghai. Zudem verfügt die Sievert Baustoffgruppe über zwei Beteiligungen zur industriellen<br />
Fertigung von Bauelementen (Baoye Sievert Concrete Precast Elements). Die drei Produktionsstätten befinden sich in<br />
der Provinz Anhui. Ein weiteres quick-mix Werk in der Provinz Zhejiang befindet sich im Aufbau.<br />
Vom Wohnungsbau bis zum Industriebau, ob Neubau, Renovierung oder Sanierung – praktisch jedes Objekt profitiert<br />
von der Entscheidung für Baustoffe und Leistungen der Sievert AG.<br />
Sievert AG<br />
Mühleneschweg 6 · D-49090 Osnabrück<br />
Tel. +49 541 601-00 · Fax +49 541 601-256<br />
E-Mail info@sievert-ag.de · www.sievert-ag.de
<strong>DCW</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> <strong>2018</strong><br />
3<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
5 Grußwort des Botschafters<br />
der Bundesrepublik Deutschland in<br />
der Volksrepublik China<br />
Michael Clauß<br />
Außerordentlicher und bevollmächtigter<br />
Botschafter der Bundesrepublik Deutschland<br />
in China<br />
6 Grußwort des Botschafters<br />
der Volksrepublik China in<br />
der Bundesrepublik Deutschland<br />
Shi Mingde<br />
Außerordentlicher und bevollmächtigter<br />
Botschafter der Volksrepublik China in<br />
Deutschland<br />
8 Vorwort<br />
Andreas Schmitz<br />
Präsident des Beirats der <strong>DCW</strong><br />
Harald Lux<br />
Vorsitzender des Vorstands der <strong>DCW</strong><br />
9 Die Deutsch-Chinesische<br />
Wirtschaftsvereinigung<br />
Profil und Aktivitäten 2017<br />
Silke Besser<br />
19 Neues chinesisches<br />
Wachstumsmodell<br />
Industrielle Modernisierung mit innovativen<br />
Technologien<br />
Yanling Zhu, Edgar Walk<br />
27 „Vom Klimakiller zum Klimaretter?“<br />
Aktuelle Entwicklungen im Bereich der<br />
Umwelttechnologien in China<br />
Bruno Rudnik<br />
35 Update Recht und Steuern<br />
Unter geänderten Rahmenbedingungen in<br />
China investieren<br />
Jiawei Wang, Vivian Yao<br />
45 Das neue chinesische<br />
Sozialkreditsystem<br />
Rechtliche Struktur und Auswirkungen auf<br />
deutsche Unternehmen<br />
Dr. Jörg-Michael Scheil<br />
51 Chinesische Direktinvestitionen in<br />
Deutschland und Europa<br />
Aktueller Stand von Prüfverfahren in<br />
Deutschland und in der Europäischen Union<br />
Dr. Dirk Barcaba<br />
59 Greatview in Deutschland<br />
Wie führt man nach einem gelungenen<br />
Investment ein Unternehmen mit einem<br />
deutsch-chinesischen Team?<br />
Interview mit Herrn Gang Hong,<br />
Vorstandsvorsitzender der Greatview Aseptic<br />
Packaging Co., Ltd.<br />
67 Managementinnovation aus China?<br />
Der Emerging Trend des „Confucian<br />
Entrepreneur“<br />
Dr. Matthias Niedenführ
4 <strong>DCW</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> <strong>2018</strong><br />
Impressum<br />
Herausgeber<br />
Rechtlicher Hinweis<br />
Deutsch-Chinesische Wirtschaftsvereinigung e.V.<br />
Unter Sachsenhausen 10–26, 50667 Köln<br />
Telefon: +49 221 120 370<br />
Telefax: +49 221 120 417<br />
E-Mail: info@dcw-ev.de<br />
Internet: www.dcw-ev.de<br />
Vorsitzender des Vorstands: Harald Lux<br />
Redaktion: Silke Besser, Beixi Jia<br />
Anzeigenleitung: Thomas Scheler, D C W GmbH<br />
Layout: Jasper Habicht, D C W GmbH<br />
Erscheinungstermin: März <strong>2018</strong><br />
Druck: Mundschenk Druck- und Vertriebsgesellschaft<br />
GmbH & Co. KG<br />
Alle Artikel in diesem <strong>Jahrbuch</strong> geben die Einschätzung der<br />
jeweiligen Autoren wieder und stellen nicht notwendigerweise<br />
die Meinung der Deutsch-Chinesischen Wirtschaftsvereinigung<br />
e.V. dar.<br />
Bildnachweise<br />
Deutscher Teil<br />
Umschlag: © Anton Balazh – stock.adobe.com. S. 24:<br />
Pixabay / jraffin. S. 32: Pixabay / JamesQube. S. 42/43:<br />
Pixabay / stevepb. S. 48: Pixabay / PhotoMIX-Company.<br />
S. 52: Shutterstock / Ivan Marc. S. 56: Pixabay / rawpixel.<br />
S. 74: © World Economic Forum / Sandra Blaser.<br />
Chinesischer Teil<br />
Umschlag: © Anton Balazh – stock.adobe.com. S. 30:<br />
Pixabay / blickpixel. S. 36: © gezett. S. 38: Pixabay / stevepb.<br />
S. 49: Pixabay / nattanan23.<br />
Die übrigen Bildrechte liegen bei den jeweiligen Autoren.
Grußwort<br />
5<br />
Grußwort des Botschafters<br />
der Bundesrepublik Deutschland in<br />
der Volksrepublik China<br />
Sehr geehrte Damen und Herren,<br />
die Beziehungen zwischen Deutschland und China haben<br />
sich in den letzten Jahren sehr positiv entwickelt. Sie fußen<br />
auf vielfältigen und vertrauensvollen Kontakten zwischen<br />
den Regierungen, den Unternehmen und den Bürgern<br />
beider Länder.<br />
Im vergangenen Jahr konnten wir innerhalb nur weniger<br />
Wochen sowohl Staatspräsident Xi Jinping als auch Ministerpräsident<br />
Li Keqiang bei uns in Deutschland begrüßen.<br />
Aber nicht nur auf politischer, auch auf gesellschaftlicher<br />
Ebene entwickeln sich die Beziehungen zwischen Deutschland<br />
und China gut. Die Ausstellung „Deutschland 8“, bei<br />
der in Peking rund 320 Werke von 55 namhaften deutschen<br />
Künstlern aus der Nachkriegszeit zu sehen waren, zog<br />
750.000 Besucher an. Im vergangenen Jahr fand auch erstmals<br />
der sogenannte „People-to-People“-Dialog im Beisein<br />
von Bundesaußenminister Gabriel und der stellvertretenden<br />
Ministerpräsidentin Liu statt. Zudem wird Deutschland<br />
als Zielland für chinesische Studierende von Jahr zu Jahr<br />
beliebter und mehr und mehr Touristen aus China reisen<br />
nach Deutschland.<br />
Nicht zuletzt sind es aber die erfolgreichen Wirtschaftsbeziehungen,<br />
die das deutsch-chinesische Verhältnis prägen.<br />
China ist Deutschlands wichtigster Handelspartner und<br />
umgekehrt ist Deutschland Chinas größter Exportmarkt in<br />
Europa. Die zunehmende Verflechtung der Volkswirtschaften<br />
lässt sich auch an der Zunahme chinesischer Investitionen<br />
in Deutschland ablesen. China setzt bei der angestrebten<br />
Modernisierung seiner Volkswirtschaft auf Technologie<br />
und Knowhow aus Deutschland, insbesondere im Bereich<br />
der Industrie 4.0.<br />
Chinesische Unternehmen profitieren von der Offenheit des<br />
deutschen Markts, der ausländischen Unternehmen und Investoren<br />
die gleichen Bedingungen wie den einheimischen<br />
bietet. In China hingegen sind die Fortschritte bei der weiteren<br />
Marktöffnung hinter den Erwartungen zurückgeblieben.<br />
Dirigistische Eingriffe und unklare Rahmenbedingungen<br />
verunsichern viele deutsche Unternehmen.<br />
Eine Partnerschaft kann auf Dauer aber nur erfolgreich sein,<br />
wenn sie beiden Seiten gleichermaßen Vorteile einräumt<br />
und wir uns auf Augenhöhe begegnen. Die für dieses Jahr<br />
geplanten Regierungskonsultationen bieten neue Chancen,<br />
nach gemeinsamen Lösungen für bestehende Herausforderungen<br />
zu suchen und die bilateralen Beziehungen weiter<br />
zu vertiefen.<br />
Daher bin ich zuversichtlich, dass wir <strong>2018</strong> ein weiteres,<br />
erfolgreiches Kapitel in den deutsch-chinesischen Beziehungen<br />
schreiben können.<br />
Michael Clauß<br />
Außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der<br />
Bundesrepublik Deutschland in China
6 <strong>DCW</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> <strong>2018</strong><br />
Grußwort des Botschafters<br />
der Volksrepublik China<br />
in der Bundesrepublik Deutschland<br />
Im Jahr 2017 feierten die Volksrepublik China und die Bundesrepublik<br />
Deutschland gemeinsam das 45-jährige Jubiläum<br />
der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen. Ende<br />
Mai trafen sich der chinesische Premierminister Li Keqiang<br />
und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin.<br />
Ihre Gespräche zielten auf die Erweiterung und Bereicherung<br />
der umfassenden strategischen Partnerschaft beider<br />
Länder ab. Dabei waren sie Zeugen bei der Unterzeichnung<br />
einer Reihe von zwischenstaatlichen und wirtschaftlichen<br />
Kooperationsvereinbarungen. Anfang Juli stattete der<br />
chinesische Staatspräsident Xi Jinping Deutschland einen<br />
Staatsbesuch ab und nahm am G20-Gipfel in Hamburg teil.<br />
Xi Jinping und Angela Merkel setzten ein positives Signal<br />
für die Globalisierung, die Förderung des Freihandels sowie<br />
die Erleichterung von Investitionen. Sie sprachen sich gegen<br />
Protektionismus aus. China und Deutschland haben viele<br />
multilaterale Kooperationen durchgeführt und die Bedeutung<br />
ihrer Partnerschaft auch in der Praxis umgesetzt und<br />
erfahren. Damit erreichten die bilateralen Beziehungen ein<br />
immer höheres Niveau.<br />
Das chinesisch-deutsche Handelsvolumen ist im Jahr 2017<br />
rasant gewachsen und China damit zum zweiten Mal in<br />
Folge der größte Handelspartner Deutschlands geworden.<br />
Laut deutschen Statistiken betrug das bilaterale Handelsvolumen<br />
im Jahre 2017 186,6 Milliarden Euro. Die Summe ist<br />
im Vergleich zum Jahr 2016 um 9,8 Prozent gestiegen und<br />
betrug 8,1 Prozent des gesamten deutschen Außenhandelsvolumens.<br />
Deutschland ist seit 43 Jahren der größte Handelspartner<br />
Chinas in Europa. Das Handelsvolumen mit<br />
Deutschland beträgt fast ein Drittel des gesamten Handelsvolumens<br />
der Volksrepublik China mit Europa.<br />
Die bilateralen Investitionen fließen weiterhin in beide<br />
Richtungen. Deutschland, auf das ein Viertel der EU-Investitionen<br />
in China entfällt, ist das EU-Land mit den meisten<br />
Investitionen in China. Laut chinesischen Statistiken betrugen<br />
die deutschen nichtfinanziellen Direktinvestitionen<br />
in China bis Ende 2017 29,72 Milliarden US-Dollar. Allein<br />
im Jahr 2017 gab es 387 neue Projekte mit einem Wert von<br />
1,54 Milliarden US-Dollar. Chinesische Unternehmen waren<br />
ihrerseits in Deutschland recht aktiv. Im Jahr 2016 betrugen<br />
die chinesischen Direktinvestitionen in Deutschland<br />
40 Prozent der von China in die EU geflossenen Investitionen.<br />
Im Jahr 2017 beliefen sich die chinesischen Direktinvestitionen<br />
in Deutschland auf 2,28 Milliarden US-Dollar,<br />
was gegenüber dem Vorjahr einen Rückgang bedeutete. Bis<br />
Ende 2017 machten die Gesamtinvestitionen in Deutschland<br />
10,12 Milliarden US-Dollar aus. Die deutschen Investitionen<br />
in China haben mit dem Prozess der chinesischen Reform<br />
und Öffnung, der vertieften Ausweitung der Kooperationsbereiche,<br />
dem enormen chinesischen Markt mit den für die<br />
einzelnen Branchen sich ständig verbessernden Aussichten<br />
und dem stetig ansteigenden Konsumpotenzial deutschen<br />
Unternehmen enorme Geschäftsmöglichkeiten eröffnet.<br />
China ist für deutsche Unternehmen der Branchen Automobil,<br />
Maschinenbau, Chemie, Präzisionsinstrumente und<br />
neue Energien inzwischen der wichtigste Markt.<br />
Die Innovationskooperation und die regionalen Kooperationen<br />
zwischen China und Deutschland verlaufen vielversprechend.<br />
Ministerpräsident Li Keqiang schlug in seiner Rede<br />
auf dem „Deutsch-Chinesischen Forum – Innovation gemeinsam<br />
gestalten" in Berlin vor, dass China und Deutschland<br />
„goldene Partner für eine Innovationspartnerschaft“<br />
sein sollten, um gemeinsam „Industrie 4.0“ und „Made in<br />
China 2025“ zu fördern und eine Win-Win-Situation zu<br />
schaffen. Die pragmatisch ausgerichtete Zusammenarbeit<br />
auf Ebene der Bundesländer und Provinzen zeigt zunehmend<br />
Wirkung. Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen,<br />
Bayern, Hamburg und viele Provinzen in China haben hierbei<br />
fruchtbare Arbeit geleistet. Sie unterstützen regionale<br />
kleine und mittlere Unternehmen bei der Suche nach neuen<br />
Geschäftsmöglichkeiten.
Grußwort<br />
7<br />
Die Initiative „One Belt, One Road“ eröffnet neue Möglichkeiten<br />
der Zusammenarbeit. Im Jahr 2017 ist das Interesse<br />
und die Begeisterung deutscher Unternehmen an der<br />
OBOR-Initiative deutlich gestiegen: Beide Seiten suchen<br />
aktiv bilaterale bzw. externe Kooperationsmöglichkeiten in<br />
den Bereichen Infrastrukturausbau, Umweltschutz und Finanzen.<br />
Diese werden neue Plattformen und Entwicklungsspielraum<br />
für Unternehmen beider Länder schaffen.<br />
Gleichzeitig bestehen in der Kooperation beider Seiten<br />
auch Differenzen und Reibereien. Die Betrachtungsweise<br />
chinesischer Investitionen in Deutschland ist eines der<br />
heißen Eisen. Obwohl chinesische Unternehmen noch<br />
nicht lange in Deutschland investieren und der Gesamtbetrag<br />
der Investitionen nur einen Anteil von 10 Prozent an<br />
den deutschen Investitionen in China ausmacht, haben die<br />
Besorgnisse mancher Menschen in Deutschland deutlich<br />
zugenommen. Im Juli 2017 hat die Bundesregierung die<br />
„Novelle zur Außenwirtschaftsordnung" verabschiedet, mit<br />
der die Prüfung beim Unternehmenskauf von deutschen<br />
Unternehmen durch ausländische Investoren verstärkt<br />
wurde. Außerdem setzt sich Deutschland auf EU-Ebene<br />
dafür ein, ausländisches Kapital noch stärker zu überprüfen.<br />
Damit sendet es ein falsches Signal von Protektionismus.<br />
Fakten sagen mehr als Worte: Chinas Entwicklung bedeutet<br />
für Deutschland mehr Chance als Herausforderung und<br />
auf keinen Fall eine Bedrohung. Chinesische Unternehmen<br />
spielen in der deutschen Wirtschaft eine positive Rolle. Die<br />
Untersuchungen von vielen deutschen Medien und Institutionen<br />
wie Handelsblatt, PwC und KPMG belegen, dass chinesische<br />
Investoren deutsche Partner respektieren, Wert auf<br />
langfristige Geschäftsplanung und kontinuierliche Investitionen<br />
legen, Arbeitsplätze möglichst zu erhalten suchen und<br />
das deutsche Management mit den chinesischen Partnern<br />
zufrieden ist. Ich hoffe, dass Deutschland sich an den Fakten<br />
orientiert und die neuen Entwicklungen und Herausforderungen<br />
der bilateralen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen<br />
umfassend und objektiv betrachtet, um gemeinsam mit<br />
China die Entwicklung und Balance der Wirtschafts- und<br />
Handelsbeziehungen zwischen beiden Ländern zu sichern.<br />
Wir sind hinsichtlich der Zukunft der bilateralen Kooperationen<br />
immer noch voller Zuversicht. Chinas Wirtschaft<br />
wuchs 2017 um 6,9 Prozent und zeigte damit in einem<br />
stabilen Umfeld eine steigende Tendenz, das Wachstum der<br />
chinesischen Wirtschaft ist besser als erwartet, und China<br />
ist immer noch der Hauptmotor für die Erholung und das<br />
Wachstum der Weltwirtschaft. Der 19. Parteitag der Kommunistischen<br />
Partei Chinas legte die Richtung und das Ziel<br />
der zukünftigen Entwicklung der Volksrepublik fest: Im<br />
Prozess des Aufbaus eines neuen offenen Wirtschaftsystems<br />
wird China immer offener. Im vergangenen Jahr verkündete<br />
der Staatsrat eine neue Verordnung, die den Markt für<br />
ausländische Investitionen weiter öffnet. Hierdurch wurden<br />
die Schwellen für ausländische Investitionen in den Bereichen<br />
Finanzen, Dienstleistungen und der Fertigungsindustrie<br />
stark gesenkt. Zukünftig werden noch mehr konkrete<br />
Maßnahmen verabschiedet werden, um die Öffnung zu<br />
erweitern, ein günstiges externes Umfeld zu schaffen und<br />
eine nachhaltige und für beide Seiten vorteilhafte Entwicklung<br />
zu ermöglichen.<br />
Ich wünsche mir, dass die chinesisch-deutschen Beziehungen<br />
mit gemeinsamen Bemühungen beider Seiten auf der<br />
Grundlage der vergangenen 45 Jahre eine neue Ära eröffnen<br />
können.<br />
Shi Mingde<br />
Außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter<br />
der Volksrepublik China in Deutschland
8 <strong>DCW</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> <strong>2018</strong><br />
Liebe Mitglieder, liebe Freunde der <strong>DCW</strong>!<br />
In diesen Tagen ist viel von Fairness die Rede, von Gerechtigkeit<br />
in Handel und internationalen Wirtschaftsbeziehungen.<br />
Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika<br />
tritt als einer der wesentlichen Kritiker der bestehenden<br />
internationalen Handelsabkommen an. Etliche Abkommen<br />
seien nicht fair, der Schutz der heimischen Wirtschaft wird<br />
zur nationalen Priorität. Der mehrheitlichen Entscheidung<br />
des britischen Wahlvolks, die Europäische Union zu verlassen,<br />
dürfte ebenso die individuelle Erwartung komparativer<br />
Vorteile zugrunde gelegen haben. Die wiederbelebte Idee<br />
des partiellen Protektionismus macht sich breit.<br />
China und übrigens auch die Europäische Union halten<br />
dagegen: Die Eröffnungsrede von Chinas Staatschef Xi beim<br />
Weltwirtschaftsforum in Davos vor einem Jahr, sein Plädoyer<br />
für freien Handel, hat nicht nur Unternehmer hier wie<br />
dort beeindruckt. Unsere in Produktion und Handel auf die<br />
Weltmärkte ausgerichteten Unternehmen brauchen den ungehinderten<br />
Austausch wie die Luft zum Atmen. Das betrifft<br />
die Exportnationen China und Deutschland in besonderem<br />
Maße. Ihr gemeinsames Ziel: Die positive Entwicklung der<br />
jeweiligen Wirtschaft, darüber hinaus die Entwicklung des<br />
„Wealth of Nations“, Voraussetzung für die weitere Entfaltung<br />
des Wohlstands in den beteiligten Ländern.<br />
Doch das Vertrauen in das freie Spiel der Kräfte, das Wirken<br />
der „invisible Hand“ für das gemeinsame Fortkommen,<br />
ist noch brüchig. Insbesondere die große Dynamik der<br />
Entwicklung Chinas, unterlegt durch klare strategische<br />
Optionen wie die „One Belt One Road“-Initiative, die<br />
offensive Herangehensweise in Zukunftsmärkten wie Afrika<br />
oder gezielte Akquisitionen technologischer Marktführer in<br />
Europa schüren vereinzelt Ängste. Doch Angst ist auf den<br />
internationalen Märkten ein schlechter Ratgeber. Investitionsbeschränkungen<br />
hier oder nichttarifäre Investitionsund<br />
Handelshemmnisse dort helfen nicht weiter.<br />
Die kulturellen Unterschiede Asiens und Europas können<br />
bereichernd wirken, ein Wettbewerb der Unternehmen unter<br />
gleichen Bedingungen fördert zweifellos die gemeinsame<br />
Entwicklung. Schon seit jeher hat man die Schutzwirkung<br />
von Patenten in den Marktwirtschaften zeitlich begrenzt,<br />
denn Wissen wächst durch intensiven Austausch, nicht<br />
durch maximalen Schutz. Die Unternehmen der deutschen<br />
und der chinesischen Wirtschaft brauchen allerdings ein<br />
hohes Maß an Kompetenz, um im jeweils anderen Markt<br />
erfolgreich zu sein.<br />
Im Februar hat in China das Jahr des Hundes begonnen.<br />
Wenn man der chinesischen Tradition folgen will, erfordert<br />
das laufende Jahr des Hundes planvolles Herangehen;<br />
Loyalität, Disziplin und Verlässlichkeit stehen im Vordergrund.<br />
Die <strong>DCW</strong> wird auch im laufenden Geschäftsjahr im<br />
Rahmen ihrer Möglichkeit ihre Mitglieder und Interessenten<br />
aus Deutschland und aus China unterstützen. Informationen,<br />
Beratung und Dienstleistungen für die Entwicklung<br />
der Geschäfte im jeweils anderen Kulturkreis wird die <strong>DCW</strong><br />
bereitstellen und vermitteln.<br />
Andreas Schmitz<br />
Präsident des Beirats der <strong>DCW</strong><br />
Harald Lux<br />
Vorsitzender des Vorstands der <strong>DCW</strong>
Die Deutsch-Chinesische Wirtschaftsvereinigung<br />
9<br />
Silke Besser<br />
Die Deutsch-Chinesische Wirtschaftsvereinigung<br />
Profil und Aktivitäten 2017 – Ziele, Organisation, Menschen, Aktivitäten<br />
Profil<br />
Die Deutsch-Chinesische Wirtschaftsvereinigung e.V. (<strong>DCW</strong>)<br />
organisiert den Austausch von Fach- und Führungskräften,<br />
Unternehmen und Institutionen im Hinblick auf die wirtschaftlichen<br />
Beziehungen mit China. 1987 von Unternehmern<br />
aus dem Raum Rhein-Ruhr gegründet, konnte die <strong>DCW</strong> 2017<br />
ihr dreißigjähriges Bestehen feiern. Inzwischen hat sich die<br />
Vereinigung zur führenden bundesweiten Organisation des<br />
Chinageschäfts in Deutschland entwickelt.<br />
Als unabhängige und gemeinnützige Einrichtung fördert die<br />
<strong>DCW</strong> das Verständnis der Besonderheiten des jeweiligen<br />
Wirtschafts- und Kulturraums als Voraussetzung erfolgreicher<br />
Geschäftstätigkeit deutscher Unternehmen in China und<br />
chinesischer Unternehmen in Deutschland. Ihr satzungsgemäßer<br />
Zweck ist die Förderung der Bildung, der Wissenschaft<br />
und Forschung sowie der Völkerverständigung im wirtschaftlichen<br />
Bereich zwischen Deutschland und China.<br />
Die Mitglieder und Partner der <strong>DCW</strong> schätzen den gleichzeitig<br />
offenen wie vertrauensvollen Austausch von Erfahrungen,<br />
Kenntnissen und Beratungsleistungen im Netzwerk<br />
der Vereinigung. Ein vielfältiges Informationsangebot auf<br />
Veranstaltungen und Seminaren bietet aktuelle Hintergründe<br />
und Antworten auf spezifische Fragen der Praxis.<br />
Publikationen skizzieren gegenwärtige Entwicklungen der<br />
deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen.<br />
Organisation<br />
Mitglieder<br />
Der dynamischen Entwicklung der deutsch-chinesischen<br />
Wirtschaftsbeziehungen entsprechend hat die <strong>DCW</strong> ihre<br />
Aktivitäten in den letzten Jahren deutlich ausgebaut. Erreichte<br />
die Vereinigung vor einem Jahrzehnt noch überwiegend<br />
deutsche Unternehmen und Organisationen, hat sie sich in<br />
den letzten Jahren zu einem binationalen Netzwerk weiterentwickelt.<br />
Unter den derzeit ca. 420 korporativen Mitgliedern<br />
sind bereits 15 Prozent chinesische Unternehmen. Die<br />
Rundschreiben der Vereinigung in deutscher und chinesischer<br />
Sprache erreichen über 28.000 Interessenten, darunter<br />
ein Drittel chinesische Adressaten. Die Grundlagen der<br />
Vereinstätigkeit werden von den Mitgliedern bestimmt, die in<br />
der Mitgliederversammlung den Vorstand bestellen.<br />
Vorstand<br />
Der Vorstand verantwortet die strategische Ausrichtung der<br />
<strong>DCW</strong>, bestimmt die mittelfristigen Arbeitsschwerpunkte<br />
und vertritt die Interessen der Mitglieder in Bezug auf die<br />
deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen gegenüber<br />
der Öffentlichkeit. Die ehrenamtlich tätigen Mitglieder des<br />
Vorstands sind Unternehmer und Führungskräfte aus unterschiedlichen<br />
Branchen, die über langjährige persönliche<br />
Erfahrung im Chinageschäft verfügen.<br />
Beirat<br />
Der Beirat begleitet die Geschäftsentwicklung und gibt<br />
Empfehlungen zur strategischen Ausrichtung der <strong>DCW</strong>. Er<br />
unterstützt den Dialog mit der Politik und die Zusammenarbeit<br />
mit anderen Wirtschaftsverbänden. Die vom Vorstand<br />
berufenen Mitglieder des Beirats sind Repräsentanten<br />
aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, denen die Förderung<br />
der Investitions- und Handelsbeziehungen zwischen<br />
China und Deutschland ein wichtiges Anliegen ist.<br />
Botschafter<br />
Die Botschafter der <strong>DCW</strong> präsentieren die Sichtweisen der<br />
<strong>DCW</strong> zu den deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen<br />
insbesondere gegenüber staatlichen Stellen, den Medien und<br />
auf Veranstaltungen.
10 <strong>DCW</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> <strong>2018</strong><br />
Botschafterin der <strong>DCW</strong> ist die China-Regionalwissenschaftlerin<br />
Frau Britta Heidemann, Fecht-Olympiasiegerin von Beijing<br />
2008 sowie Silbermedaillengewinnerin von London 2012.<br />
China-Botschafter der <strong>DCW</strong> ist Herr Qingyuan Yang. Mit<br />
seiner über 20-jährigen Erfahrung in der Wirtschafts- und<br />
Handelsabteilung der Botschaft der VR China in Deutschland<br />
und als ehemaliger Leiter der deutschen Repräsentanz des<br />
CCPIT ist Herr Yang in China und in Deutschland hervorragend<br />
vernetzt.<br />
Regionen<br />
Die Vorsitzenden der Regionen sind die Ansprechpartner<br />
für Unternehmen und China-Interessierte in den Regionen.<br />
Sie unterstützen die inhaltliche und methodische Relevanz<br />
der <strong>DCW</strong>-Arbeit aus Sicht ihrer jeweiligen Wirtschaftsregion.<br />
Regional- und Unternehmertreffen und Gesprächskreise<br />
an den wichtigsten Wirtschaftsstandorten in Deutschland<br />
dienen dem Erfahrungsaustausch von <strong>DCW</strong>-Mitgliedern<br />
und Gästen. Sie werden ergänzt durch Fachforen, Seminare<br />
und Symposien mit Vorträgen von Experten aus Wirtschaft<br />
und Wissenschaft, von Verbänden und Einrichtungen.<br />
Im letzten Jahr wurden weitere Regionen ins Leben gerufen:<br />
Mit einer Eröffnungsveranstaltung in Leipzig/Halle gründete<br />
die <strong>DCW</strong> die Region Mitteldeutschland. Auch in China<br />
ist die <strong>DCW</strong> seit 2017 durch ehrenamtliche Ansprechpartner<br />
in den Regionen Beijing, Jiangsu und Guangdong vertreten.<br />
Für die neugegründete <strong>DCW</strong>-Region Mitteldeutschland<br />
begrüßte die <strong>DCW</strong> Herrn Markus Kopp (Mitteldeutsche<br />
Flughafen AG) und Herrn Gang Hong (Greatview Aseptic<br />
Packaging Manufacturing GmbH) als neue Regionalvorstände.<br />
Neu in den Regionalvorstand der <strong>DCW</strong>-Region Baden-<br />
Württemberg kam Herr Jiawei Wang (Rödl & Partner), Herr<br />
Dr. Benjamin Kroymann, E.M.L.E., (Squire Patton Boggs)<br />
wurde stellvertretender Vorsitzender der <strong>DCW</strong>-Region<br />
Berlin-Brandenburg.<br />
In China heißt die <strong>DCW</strong> Herrn Benjamin Qi (Ex-Easy Network<br />
& Technology Co., Ltd.) für die Region Beijing, Herrn<br />
Hongyue Liu (Suzhou Chien-Shiung Institute of Technology)<br />
für Jiangsu, Herrn Weiyue Wang (CRCI China Red<br />
Cultural Investment) und Herrn Peter Helis (Foshan Helis<br />
& Associates Consulting Ltd.) für Guangdong als Repräsentanten<br />
herzlich willkommen.<br />
Fachsprecher<br />
Experten für relevante Themenkomplexe der deutschchinesischen<br />
Wirtschaftsbeziehungen engagieren sich<br />
ehrenamtlich als Fachsprecher der <strong>DCW</strong>. Sie erläutern und<br />
unterstützen die Aktivitäten der <strong>DCW</strong> in ihren jeweiligen<br />
Themengebieten nach innen und in der Öffentlichkeit.<br />
Für Mitglieder, Interessenten der <strong>DCW</strong> sowie für Meinungsbildner<br />
sind sie Ansprechpartner in den spezifischen<br />
Wirtschafts-und Wissensbereichen.<br />
Fachsprecher der <strong>DCW</strong> für Umwelttechnologien ist Herr<br />
Bruno Rudnik (Sustech Consult). Den Bereich Gesundheitswirtschaft<br />
vertritt Herr Thomas Kapitza (Sachverständigenbüro<br />
Kapitza).<br />
Geschäftsstelle<br />
Die <strong>DCW</strong>-Geschäftsstelle in Köln koordiniert die Aktivitäten<br />
der <strong>DCW</strong> und führt das operative Geschäft der Vereinigung.<br />
Die Mittel für die Tätigkeiten der Vereinigung werden<br />
über Mitgliedsbeiträge und im laufenden Geschäft erwirtschaftet.<br />
Im Sinne ihres gemeinnützigen Auftrages geben<br />
die fachlich ausgewiesenen Mitarbeiter der Geschäftsstelle<br />
grundlegende Informationen zu allen Themenbereichen der<br />
deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen an Interessierte,<br />
beantworten Anfragen allgemeiner Natur und führen<br />
individuelle Gespräche, um erste oder auch intensivere Kontakte<br />
von Deutschland nach China oder von China nach<br />
Deutschland aufzubauen und zu entwickeln.<br />
Die Geschäftsstelle konzipiert und organisiert Veranstaltungen,<br />
veröffentlicht <strong>DCW</strong>-eigene Publikationen, Artikel und<br />
Pressetexte und kommuniziert Chinathemen in Vorträgen<br />
und Interviews. Außerdem pflegt sie die Netzwerke zwischen<br />
Mitgliedern, Institutionen, Botschaften, Konsulaten,<br />
Verbänden und Kammern beider Länder. Sie koordiniert<br />
die ehrenamtliche Arbeit der vielen China-erfahrenen<br />
Persönlichkeiten in Vorstand, Beirat, Regionalvorständen,<br />
bei Fachsprechern und Botschaftern, die ein wesentlicher<br />
Bestandteil des Vereins ist.<br />
Die Mitglieder der Vereinigung werden effizient unterstützt:<br />
Mithilfe der D C W GmbH als Tochtergesellschaft des Vereins<br />
werden deutsch-chinesische Wirtschaftskooperationsvorhaben<br />
vermittelt. Spezifische Anfragen aus unterschiedlichsten<br />
Fachgebieten wie z. B. Recht, Steuern, Vertrieb<br />
und Logistik werden von Experten aus der Mitgliedschaft<br />
beantwortet. Darüber hinaus erbringt die D C W GmbH<br />
Dienstleistungen und verantwortet Sponsoringanfragen<br />
für Events, Onlineauftritte und Publikationen des Vereins.<br />
Ein weiterer Schwerpunkt ihrer Geschäftstätigkeit ist die<br />
Organisation von Gemeinschaftständen auf internationalen<br />
Leitmessen sowie Marketplaces auf <strong>DCW</strong>-Veranstaltungen<br />
in Deutschland und China, auf denen sich Mitglieder und<br />
Partner der <strong>DCW</strong> werbewirksam präsentieren. Die D C W<br />
GmbH organisiert regelmäßig Besuche von chinesischen
Die Deutsch-Chinesische Wirtschaftsvereinigung<br />
11<br />
Unternehmen in Deutschland. Im Rahmen der Unternehmensbesuche<br />
erhalten die Teilnehmer einer Delegationsreise<br />
Einblicke in Managementpraxis und Personalführung in<br />
spezifischen Wirtschaftsbereichen sowie in den Betriebsablauf<br />
von mittelständischen Unternehmen oder Konzernen.<br />
Die Kontaktaufnahme zu potentiellen Investoren und Kooperationspartnern<br />
wird zudem im Rahmen von branchenspezifischen<br />
Match-Making-Events erleichtert.<br />
Informationen zu weiteren Angeboten finden Sie unter<br />
www.dcw-ev.de/services<br />
German-Chinese Bureau of<br />
Economic Research (GCB)<br />
Das GCB fungiert als Forschungsstelle<br />
der <strong>DCW</strong> zur Förderung des<br />
Verständnisses der Wirtschaftsbeziehungen<br />
zwischen Deutschland und<br />
China im internationalen Kontext.<br />
Wesentliches Arbeitsfeld des GCB ist<br />
die makroökonomische Analyse der<br />
chinesischen Volkswirtschaft. Weitere Forschungsschwerpunkte<br />
sind internationale Direktinvestitionen in China<br />
sowie chinesische Investitionen in Deutschland.<br />
Das GCB stellt fundierte Informationsmaterialien und<br />
Analysen zur Verfügung. Dabei steht das GCB im internationalen<br />
Dialog mit wissenschaftlichen Institutionen,<br />
Öffentlichkeit, Politik und Wirtschaft. Als regelmäßige Publikation<br />
wird das China Economic Bulletin herausgegeben.<br />
2017 erschien die fünfteilige Reihe „Beyond the Headlines:<br />
The Impact on German Firms from Chinese Aquisitions“,<br />
die die Bundeskanzlerstipendiatin Sheryl Tang ausgehend<br />
von einer umfangreichen empirischen Studie verfasste und<br />
die <strong>2018</strong> fortgesetzt wird. Neben allen Ausgaben des China<br />
Economic Bulletin hält das GCB für <strong>DCW</strong>-Mitglieder eine<br />
umfassende E-Library mit einschlägigen Studien bereit.<br />
Das GCB ist erreichbar unter www.gcber.org<br />
Kooperationen<br />
CCPIT – Vernetzung in China<br />
Die <strong>DCW</strong> ist der offizielle deutsche<br />
Partner des China Council for the<br />
Pro motion of International Trade<br />
(CCPIT).<br />
Der CCPIT ist mit 18 Auslandsvertretungen<br />
weltweit, 22 Industrieverbänden,<br />
50 Sub-Councils in den Wirtschaftszentren Chinas und<br />
knapp 110.000 Mitgliedsunternehmen die größte Einrichtung<br />
für die Förderung des Außenhandels in China und damit ein<br />
starker Partner der <strong>DCW</strong> in der Volksrepublik. Mit dieser<br />
Kooperation eröffnen sich für die Mitglieder der <strong>DCW</strong> umfängliche<br />
Möglichkeiten des Networkings nach und in China.<br />
Seit 1988 führt der CCPIT nach Entscheidung der chinesischen<br />
Regierung auch die Bezeichnung der Internationalen<br />
Handelskammer China (China Chamber of International<br />
Commerce, CCOIC).<br />
EUCBA – Vernetzung in Europa<br />
Die <strong>DCW</strong> ist das<br />
deutsche Mitglied<br />
in der EU-China<br />
Business Association<br />
(EUCBA). Die EUCBA ist ein Zusammenschluss von Non-<br />
Profit-Organisationen der Wirtschaft aus Ländern Europas<br />
und unterstützt die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen<br />
zwischen europäischen und chinesischen Unternehmen.<br />
Derzeit umfasst die EUCBA teilnehmende Organisationen<br />
aus zwanzig europäischen Ländern. Diese Organisationen<br />
vertreten zusammen Mitgliedschaften von über 20.000<br />
Firmen aus allen Bereichen des Industrie-, Handels- und<br />
Servicesektors. Bei der Kooperation mit chinesischen Unternehmen<br />
und Einrichtungen nimmt jede dieser Organisationen<br />
in ihrem jeweiligen Land eine führende Rolle ein.<br />
Die EUCBA vertritt die Interessen ihrer Mitglieder im Chinageschäft<br />
und fungiert bei Wirtschafts- und Handelsfragen<br />
als Ansprechpartner für die Europäische Kommission. Sie<br />
unterhält Beziehungen zu offiziellen chinesischen Vertretern<br />
in Brüssel und arbeitet eng mit der EUCCC (European Union<br />
Chamber of Commerce in China) zusammen. Alle Mitglieder<br />
der <strong>DCW</strong> sind herzlich eingeladen, an den Veranstaltungen<br />
der EUCBA teilzunehmen. Die Ausgaben des EUCBA-Bulletins<br />
werden auf der Mitgliederseite der <strong>DCW</strong> veröffentlicht.<br />
Publikationen und Aktivitäten<br />
Das China-Telegramm – für deutsche Unternehmen<br />
und China-Interessierte<br />
Das China-Telegramm (CT) ist eine gemeinsame Publikation<br />
der IHK Köln und der <strong>DCW</strong> in Zusammenarbeit<br />
mit den deutschen Industrie- und Handelskammern. Es<br />
erscheint seit 1987 alle zwei Monate und bietet aktuelle In-
12 <strong>DCW</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> <strong>2018</strong><br />
formationen rund um das Chinageschäft<br />
sowie Veranstaltungshinweise.<br />
Das CT enthält Nachrichten<br />
aus den Rubriken Wirtschaft &<br />
Finanzen, Recht & Zoll sowie<br />
Branchen-Infos, Veranstaltungshinweise<br />
und Informationen zu<br />
neuen Projekten und Mitgliedern<br />
der <strong>DCW</strong>.<br />
30. Jahrgang · www.china-telegramm.de<br />
Die Druckversion des China-Telegramms<br />
wird <strong>DCW</strong>-Mitgliedern unentgeltlich zugesandt.<br />
Die elektronische Version kann als Mailservice bestellt<br />
werden: Interessenten wenden sich dazu formlos per Mail<br />
an china-telegramm@dcw-ev.de.<br />
Das Deutschland-Telegramm –<br />
für chinesische Unternehmen und<br />
Deutschland-Interessierte<br />
Seit 2011 erscheint das Deutschland-Telegramm<br />
(DT); seit 2014<br />
monatlich als E-Newsletter. Das<br />
DT bietet aktuelle Informationen<br />
für chinesische Unternehmen,<br />
die sich für den deutschen Markt<br />
interessieren oder bereits in<br />
Deutschland investiert haben. Es<br />
wird auf Chinesisch veröffentlicht<br />
und informiert über News aus den<br />
Rubriken Wirtschaft, Recht & Zoll<br />
und Branchen sowie Kooperationsgesuche<br />
deutscher Unternehmen<br />
nach chinesischen Geschäftspartnern,<br />
ergänzt durch Veranstaltungshinweise<br />
und <strong>DCW</strong>-Nachrichten. Seit 2016 erhalten<br />
<strong>DCW</strong>-Mitglieder exklusiv weiterführende Informationen zu<br />
den Themen des DTs.<br />
Die Aufnahme in den Verteiler des DTs ist mit einer Nachricht<br />
an deutschland-telegramm@dcw-ev.de möglich.<br />
Veranstaltungen<br />
Vorträge, Fachtagungen und<br />
Messebeteiligungen der <strong>DCW</strong><br />
China-Telegramm | 中 国 电 报<br />
In Zusammenarbeit mit den deutschen Industrie- und Handelskammern<br />
Veranstaltungen<br />
26.01.<strong>2018</strong>, Köln<br />
Erfolgreich Kommunizieren<br />
mit chinesischen<br />
Geschäftspartnern<br />
05.02.<strong>2018</strong>, Frankfurt a. M.,<br />
06.02.<strong>2018</strong>, Düsseldorf,<br />
07.02.<strong>2018</strong>, München<br />
China und Deutschland<br />
im Jahr des Hundes:<br />
Investitionsbedingungen<br />
und rechtliches Update<br />
11.04.<strong>2018</strong>, Stuttgart,<br />
12.04.<strong>2018</strong>, Köln<br />
<strong>DCW</strong>-Fachseminar:<br />
China Sourcing<br />
23.–27.04.<strong>2018</strong>, Hannover<br />
International Joint Booth<br />
“Doing Business with<br />
China” auf der<br />
HANNOVER MESSE <strong>2018</strong><br />
27./28.04.<strong>2018</strong>, Köln<br />
Chinese Talent Days<br />
Andreas Schmitz, Beiratspräsident der <strong>DCW</strong>, eröffnet feierlich den<br />
Deutsch-Chinesischen Wirtschaftstag (<strong>DCW</strong>T) 2017 in Berlin<br />
06 | 2017<br />
2017 organisierte die <strong>DCW</strong> bundesweit rund 50 Veranstaltungen.<br />
Neben Regionaltreffen und Seminaren für deutsche<br />
Unternehmen und Interessierte mit Blickrichtung China wurden<br />
Veranstaltungen für chinesische Investoren und Interessenten<br />
in Deutschland und China konzipiert und organisiert.<br />
Bei Match-Making-Meetings und Unternehmensbesuchen<br />
können deutsche und chinesische Unternehmen und an der<br />
binationalen Zusammenarbeit Interessierte gezielte Kooperationsvorhaben<br />
besprechen.<br />
Binationale Highlights<br />
Die jährliche Hauptveranstaltung der Vereinigung, der<br />
Deutsch-Chinesische Wirtschaftstag (<strong>DCW</strong>T), bildet eine<br />
Plattform für den binationalen Austausch. Anlässlich des<br />
30-jährigen Jubiläums fand der <strong>DCW</strong>T 2017 auf Einladung<br />
der Botschaft der Volksrepublik China in Berlin statt. Rund<br />
300 Gäste und zahlreiche Referenten diskutierten zu den<br />
Schwerpunktthemen Digitalisierung und Zukunftsbranchen<br />
sowie in den Symposien zu den Themen digitales Marketing<br />
und E-Commerce, Marktpotenziale und Einstiegsmodelle in<br />
Deutschland und China sowie Mergers & Aquisitions. Am<br />
Vorabend des <strong>DCW</strong>T lud die <strong>DCW</strong> alle Mitglieder zur Jubiläumsfeier<br />
in den Kaisersaal am Potsdamer Platz ein.<br />
Die jährliche Fachtagung ChinaLogistics in Kooperation mit<br />
dem Hafen Hamburg Marketing e.V. ermöglichte 2017 einen<br />
regen Austausch über die Optimierung von Lieferketten und<br />
Chancen im deutsch-chinesischen Handel. Die ChinaLogistics<br />
<strong>2018</strong> findet voraussichtlich im Juni in Duisburg statt.<br />
Von bundesweiter Bedeutung waren zudem Veranstaltungen<br />
auf Messen wie der CeBIT und der HANNOVER MESSE<br />
2017, bei denen die <strong>DCW</strong> teils mit dem Gemeinschaftsstand<br />
„Doing Business with China“ vertreten war. Auch in diesem<br />
Jahr ist die <strong>DCW</strong> mit Gemeinschaftsständen und Veranstaltungen<br />
u. a. auf der HANNOVER MESSE <strong>2018</strong> präsent.<br />
Die <strong>DCW</strong> organisierte in 2017 Match-Making-Meetings im<br />
Rahmen von Delegationsbesuchen und Informationstagen<br />
für Provinzen und Städte wie Nanjing, Yunnan, Guangxi,<br />
Jiangxi, Ningbo und Chongqing. Diese sowie individuell<br />
zugeschnittene Unternehmensbesuche in beide Richtungen<br />
schufen und schaffen die Basis, persönliche Kontakte zwischen<br />
deutschen und chinesischen Interessenten aufzubauen.<br />
Diesem Ziel dienten auch verschiedene Veranstaltungen<br />
in China. Im Auftrag der Stadt Shenzhen veranstaltete die<br />
<strong>DCW</strong> einen europaweiten Innovationswettbewerb, der<br />
etablierte Unternehmen, aber auch Start-ups einlud, sich mit<br />
zukunftsweisenden Konzepten und Ideen einzubringen. Der<br />
europäische Vorentscheid fand in München statt. Zum Finale<br />
begleitete die <strong>DCW</strong> die europäischen Sieger nach Shenzhen.<br />
Außerdem organisierte die <strong>DCW</strong> im Auftrag der Stadt Jinan<br />
die Reise einer europäischen Unternehmensdelegation zum<br />
2017 Chinese Automation Congress (CAC) und zur 2017<br />
China Intelligent Manufacturing International Conference
Die Deutsch-Chinesische Wirtschaftsvereinigung<br />
13<br />
(CIMIC). Im Rahmen der mehrtägigen Konferenzen in<br />
Jinan fanden Unternehmensbesuche chinesischer Hightech-<br />
Unternehmen und -Standorte sowie Match-Making-Meetings<br />
und Gespräch mit hochrangingen politischen Vertretern<br />
der Provinz- und Stadtregierung statt.<br />
Deutschsprachige Veranstaltungen<br />
Deutsche Unternehmen und Interessierte konnten sich im<br />
letzten Jahr auf verschiedenen Veranstaltungen über aktuelle<br />
Entwicklungen auf dem chinesischen Markt informieren<br />
wie z. B. E-Commerce und Social Media, Datenschutz und<br />
Netzwerksicherheit, Digitalisierung, Investitionsbedingungen<br />
und Neuerungen im Patentrecht. Die Reihe der Unternehmertreffen,<br />
die Industrieunternehmen zum intensiven<br />
Erfahrungsaustausch über ihr Chinageschäft dienen, wurde<br />
fortgeführt – ebenso die neue Reihe der <strong>DCW</strong>-Fachseminare.<br />
Ein alljährlicher Höhepunkt im <strong>DCW</strong>-Kalender ist traditionell<br />
die gemeinsam mit dem Vorstand des Industrie-Clubs<br />
Düsseldorf veranstaltete China-Rede eines führenden<br />
Vertreters aus Wirtschaft oder Politik. 2017 referierte Herr<br />
Johannes Dietsch, Mitglied des Vorstands der Bayer AG, über<br />
die Erfahrungen des Chemiekonzerns im Reich der Mitte.<br />
In diesem Jahr wird Herr Gordon Riske, Vorsitzender des<br />
Vorstands der KION Group AG, über die Erfahrungen der<br />
Kion Group in China und die strategische Partnerschaft mit<br />
seinem chinesischen Ankerinvestor Weichai Power sprechen.<br />
Chinesischsprachige Veranstaltungen<br />
Um chinesische Unternehmen und Organisationen mit<br />
Interesse an einem Engagement in Deutschland zu unterstützen,<br />
veranstaltet die <strong>DCW</strong> seit einigen Jahren Seminare<br />
in China und Deutschland. Im September 2017 wurde die<br />
Veranstaltung „Unternehmensgründung in Deutschland“<br />
gemeinsam mit NRW.INVEST und der Wirtschaftsförderung<br />
Solingen in der Klingenstadt Solingen durchgeführt.<br />
Die Ende 2015 neu ins Leben gerufenen beiden Veranstaltungsreihen<br />
für chinesische Interessenten wurden 2017 mit<br />
acht Veranstaltungen fortgeführt: Gemeinsam mit NRW.<br />
INVEST, dem China-Kompetenzzentrum Düsseldorf und<br />
der IHK Düsseldorf organisierte die <strong>DCW</strong> mit Unterstützung<br />
der Chinese Enterprises Association NRW und der<br />
IHK Köln die Reihe „Successful Business in Germany“ und<br />
mit Unterstützung der IHK Köln die Reihe „Managementtrainings<br />
für Chinesen“ mit dem Fokus auf interkultureller<br />
Kommunikation.<br />
Eine Übersicht über alle Veranstaltungen der <strong>DCW</strong> e.V. und<br />
der D C W GmbH steht bereit unter www.dcw-ev.de/<br />
veranstaltungen .<br />
Online-Services<br />
Mitgliederbereich: www.dcw-ev.de<br />
Die <strong>DCW</strong>-Webseite ist in Deutsch, Chinesisch und Englisch<br />
verfügbar und bietet aktuelle Informationen über die <strong>DCW</strong>,<br />
Regionen, Partner, Publikationen, Veranstaltungen und<br />
Berichte sowie Services und Pressemeldungen. Der exklusive<br />
Online-Mitgliederbereich umfasst alle Ausgaben der <strong>DCW</strong>-<br />
Publikationen, Vortragspräsentationen von <strong>DCW</strong>-Veranstaltungen,<br />
ein Mitgliederverzeichnis, Musterverträge sowie die<br />
Plattform „Mitglieder für Mitglieder“ mit Veranstaltungen<br />
und Angeboten von <strong>DCW</strong>-Mitgliedern. Zudem bietet die<br />
E-Library des German Chinese Bureau of Economic Research<br />
Mitgliedern eine umfangreiche Bibliothek von Studien zu den<br />
deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen.<br />
Kooperationsplattform: DeZhong.de<br />
Kooperationsvermittlung: Unter www.DeZhong.de hat<br />
die D C W GmbH eine Kooperationsbörse für chinesische<br />
und deutsche Industrie- und Handelsunternehmen etabliert.<br />
Hier finden Unternehmen und Institutionen Partner für<br />
strategische Kooperationen, Einkauf, Produktion, Vertrieb,<br />
Beschaffung sowie Personal – für Geschäftsvorhaben von<br />
Deutschland nach China und von China nach Deutschland.<br />
Investitionsstandorte: Unter DeZhong.de/Locations<br />
finden Unternehmen lohnenswerte Investitionsstandorte in<br />
Deutschland und China.<br />
Services: DeZhong.de/Services bietet einen Überblick über<br />
Dienstleistungen von deutschen und chinesischen Unternehmen,<br />
die Geschäfte im jeweils anderen Land unterstützen.<br />
Jobs: Auf der neu geschaffenen Plattform DeZhong.de/Jobs<br />
können Unternehmen Mitarbeiter für das deutsche Chinageschäft<br />
bzw. das chinesische Deutschlandgeschäft suchen. Die<br />
Nutzung der Plattform ist für <strong>DCW</strong>-Mitglieder entgeltfrei.<br />
Social Media: LinkedIn<br />
Auf der Business-Homepage der <strong>DCW</strong> auf LinkedIn<br />
werden regelmäßig Nachrichten der deutsch-chinesischen<br />
Wirtschaftsbeziehungen, Einladungen und Berichte zu<br />
<strong>DCW</strong>-Veranstaltungen und Chinaprojekten sowie aktuelle<br />
Ausgaben der Publikationen eingestellt. Mitglieder und<br />
Partner können sich hier aktuell informieren, ihr Netzwerk<br />
erweitern und Meinungen unmittelbar austauschen.<br />
www.linkedin.com/company/deutsch-chinesische-wirtschaftsvereinigung<br />
■
14 <strong>DCW</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> <strong>2018</strong><br />
Ihre Ansprechpartner bei der <strong>DCW</strong><br />
Vorstand<br />
Beirat<br />
Harald Lux<br />
Vorsitzender des Vorstands<br />
Andreas Schmitz<br />
Präsident des Beirats<br />
Vorsitzender des Aufsichtsrats der<br />
HSBC Trinkaus & Burkhardt AG<br />
Yi Wu<br />
Stellvertretender Vorsitzender<br />
LEAD Deutschland GmbH<br />
Prof. Dr. Ulrich Lehner<br />
Ehrenpräsident des Beirats<br />
Mitglied des Gesellschafterausschusses<br />
der Henkel AG & Co. KGaA<br />
Alexander Hoeckle<br />
Netzwerk, Personal<br />
Hans Henning von Berg<br />
Ehrenvorsitzender der <strong>DCW</strong><br />
Industrie- und Handelskammer zu Köln<br />
Wulf Linzenich<br />
Finanzen, Controlling<br />
HSBC Trinkaus & Burkhardt AG<br />
Matthias Claussen<br />
Geschäftsführender Gesellschafter der<br />
C. Melchers GmbH & Co. KG<br />
Guido Molsner<br />
Veranstaltungen<br />
GMMCC<br />
Heinrich Deichmann<br />
Geschäftsführender Gesellschafter der<br />
Deichmann SE<br />
Werner M. Dornscheidt<br />
Vorsitzender der Geschäftsführung der<br />
Messe Düsseldorf GmbH<br />
Prof. Dr. Xuewu Gu<br />
Leiter des Center for Global Studies<br />
der Universität Bonn
Die Deutsch-Chinesische Wirtschaftsvereinigung<br />
15<br />
Fachsprecher<br />
Haifeng Ling<br />
Chief Executive Officer der<br />
Baoshida Swissmetal AG<br />
Thomas Kapitza<br />
Fachsprecher für Gesundheitswirtschaft<br />
Sachverständigenbüro Kapitza<br />
Dr. Michael Schaefer<br />
Vorsitzender des Vorstands der<br />
BMW Stiftung Herbert Quandt<br />
Botschafter a.D. der Bundesrepublik<br />
Deutschland in der Volksrepublik China<br />
Bruno Rudnik<br />
Fachsprecher für Umwelttechnologien<br />
SusTech Consult<br />
Prof. Dr. Helwig Schmidt-Glintzer<br />
Direktor des China Centrum Tübingen<br />
Präsident des Erich-Paulun-Instituts<br />
Botschafter<br />
Prof. Dr. Hans-Wolf Sievert<br />
Vorsitzender des Aufsichtsrates der<br />
Sievert AG<br />
Britta Heidemann<br />
Botschafterin<br />
Dr. Shaojun Sun<br />
Executive President der<br />
Weichai Power Co., Ltd<br />
Qingyuan Yang<br />
China-Botschafter<br />
Dr. Marc Wucherer<br />
Mitglied des Vorstands der<br />
Bosch Rexroth AG
16 <strong>DCW</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> <strong>2018</strong><br />
Regionalvorsitzende<br />
Region Baden-Württemberg<br />
Martin Schürmann<br />
Vorsitzender<br />
Kloeckner DESMA<br />
Elastomertechnik GmbH<br />
Region Nordbayern<br />
Dr. Horst Schaffer<br />
Vorsitzender<br />
Schaffer & Partner GdbR<br />
Jiawei Wang<br />
Stellvertretender Vorsitzender<br />
Rödl & Partner<br />
Yahui Luo-Alt<br />
Stellvertretende Vorsitzende<br />
Der Weg Consulting<br />
Region Berlin-Brandenburg<br />
Kirstin Wenk<br />
Vorsitzende<br />
Wirtschaftsföderung Land<br />
Brandenburg GmbH (WFBB)<br />
Dr. Benjamin Kroymann, E.M.L.E.<br />
Stellvertretender Vorsitzender<br />
Squire Patton Boggs<br />
Armin Siegert<br />
Stellvertretender Vorsitzender<br />
IHK Nürnberg für Mittelfranken<br />
Region Norddeutschland<br />
Dr. Nils Krause<br />
Vorsitzender<br />
DLA Piper<br />
Region Mitteldeutschland<br />
Markus Kopp<br />
Vorsitzender<br />
Mitteldeutsche Flughafen AG<br />
Gang Hong<br />
Stellvertretender Vorsitzender<br />
Sen Gao<br />
Stellvertretender Vorsitzender<br />
Heuking Kühn Lüer Wojtek<br />
Markus Li<br />
Stellvertretender Vorsitzender<br />
Daimay Europe GmbH<br />
Greatview Aseptic Packaging<br />
Manufacturing GmbH
Die Deutsch-Chinesische Wirtschaftsvereinigung<br />
17<br />
Region Nordrhein-Westfalen<br />
Dr. Clemens Schütte<br />
Vorsitzender<br />
Messe Düsseldorf GmbH<br />
Dirk van der Coelen<br />
Stellvertretender Vorsitzender<br />
Lynda Xu<br />
Stellvertretende Vorsitzende<br />
Wumag Texroll GmbH & Co. KG<br />
Region Beijing<br />
Region Rhein-Main<br />
Dr. Hans-Gerd Wienands<br />
Vorsitzender<br />
Benjamin Qi<br />
Repräsentant<br />
Ex-Easy Network & Technology<br />
Co., Ltd.<br />
Messer Group GmbH<br />
Region Guangdong<br />
Qun Huang<br />
Stellvertretender Vorsitzender<br />
Taylor Wessing<br />
Weiyue Wang<br />
Repräsentant<br />
CRCI China Red Cultural Investment<br />
Region Südbayern<br />
Prof. Dr. Johannes Fottner<br />
Vorsitzender<br />
Peter Helis<br />
Stellvertretender Repräsentant<br />
Foshan Helis & Associates<br />
Consulting Ltd.<br />
Technische Universität München<br />
Region Jiangsu<br />
Bruno Rudnik<br />
Stellvertretender Vorsitzender<br />
SusTech Consult<br />
Hongyue Liu<br />
Repräsentant<br />
Suzhou Chien-Shiung Institute of<br />
Technology
18 <strong>DCW</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> <strong>2018</strong><br />
Geschäftsstelle<br />
Silke Besser<br />
Geschäftsführerin<br />
silke.besser@dcw-ev.de<br />
Qian Wang<br />
Manager Corporate Relations<br />
China<br />
qian.wang@dcw-ev.de<br />
Rouven Schmitting<br />
Manager Corporate Relations<br />
Germany<br />
rouven.schmitting@dcw-ev.de<br />
Thomas Scheler<br />
Geschäftsführer<br />
D C W GmbH<br />
thomas.scheler@dcw-gmbh.de<br />
Katharina Erdtmann<br />
Project Manager<br />
katharina.erdtmann@dcw-gmbh.de<br />
Beixi Jia<br />
Project Manager<br />
beixi.jia@dcw-gmbh.de<br />
Jara Knümann<br />
Project Manager<br />
jara.knuemann@dcw-gmbh.de<br />
Chen Xie-Thalmann<br />
Project Manager<br />
chen.xie-thalmann@dcw-gmbh.de<br />
Jasper Habicht<br />
Media Project Manager<br />
jasper.habicht@dcw-gmbh.de<br />
Xiaohui Bi<br />
Project Coordinator<br />
xiaohui.bi@dcw-gmbh.de<br />
Xin Luo<br />
Project Coordinator<br />
xin.luo@dcw-gmbh.de<br />
Britta Pütz<br />
Leiterin Rechnungswesen<br />
britta.puetz@dcw-gmbh.de
Neues chinesisches Wachstumsmodell<br />
19<br />
Yanling Zhu, Edgar Walk<br />
Neues chinesisches Wachstumsmodell<br />
Industrielle Modernisierung mit innovativen Technologien<br />
Chinas Wirtschaft in schwieriger<br />
Übergangsphase<br />
Die wirtschaftliche Entwicklung Chinas in den vergangenen<br />
Dekaden kann nur als außergewöhnlich bezeichnet werden.<br />
In den 1970er-Jahren wuchs die chinesische Wirtschaft mit<br />
durchschnittlich etwa sechs Prozent pro Jahr. Zwischen 1980<br />
und 2009, also über eine 30-jährige Periode, beschleunigte<br />
sich das reale Wirtschaftswachstum auf durchschnittlich<br />
etwa 10 Prozent jährlich. Selbst Japans Wirtschaft wuchs in<br />
den 30 Jahren von 1950 bis 1979 durchschnittlich „nur“ um<br />
etwa 7,5 Prozent pro Jahr. Zwischen 2009 und 2016 hat sich<br />
das Wirtschaftswachstum in China auf durchschnittlich<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015<br />
Grafik 1: Konvergenzprozess ist in vollem Gange<br />
BIP pro Kopf (in % relativ zu USA)<br />
China Südkorea Japan<br />
Quelle: Internationaler Währungsfonds, Metzler<br />
Stand: 15.12.2017<br />
etwa acht Prozent abgeschwächt – mit sinkender Tendenz.<br />
Für <strong>2018</strong> rechnet die Mehrheit der Volkswirte mit einem<br />
Wirtschaftswachstum von 6,5 Prozent und für 2019 mit<br />
6,2 Prozent. Aufgrund demografischer Faktoren und eines<br />
tendenziell sinkenden Produktivitätswachstums wird sich<br />
das Wachstum der chinesischen Volkswirtschaft in den<br />
kommenden Jahren zwar weiter abschwächen, jedoch<br />
mittelfristig im globalen Vergleich überdurchschnittlich<br />
hoch bleiben. So betrug laut Daten des Internationalen<br />
Währungsfonds das chinesische Einkommen pro Kopf 1980<br />
nur etwa 2,5 Prozent des US-Niveaus; im vergangenen Jahr<br />
waren es immerhin schon etwa 30 Prozent des US-Niveaus.<br />
Im Vergleich dazu liegen Japan und Südkorea bei etwa 70<br />
Prozent des US-Niveaus (siehe Grafik 1). China hat somit<br />
immer noch ein großes Aufhol- und Wachstumspotenzial<br />
und unternimmt in der Übergangsphase alles, um bei der<br />
industriellen Modernisierung ganz vorne mitzuspielen.<br />
Ist das Wachstum zu niedrig<br />
ausgewiesen?<br />
Oft wird die Qualität chinesischer Daten für das Bruttoinlandsprodukt<br />
(BIP) in den westlichen Medien in Frage gestellt.<br />
Eine Studie1 zeigte jedoch erst kürzlich, dass die chinesische<br />
Statistikbehörde das tatsächliche Wirtschaftswachstum<br />
in den vergangenen Jahren sogar eher zu niedrig ausgewiesen<br />
haben könnte. Die Verfasser der Studie griffen auf einen Ansatz<br />
zurück, der oft zur Schätzung von Wachstumsdynamiken<br />
in Schwellenländern verwendet wird, wenn man unabhängig<br />
von den Daten der Statistikbehörden sein möchte: Sie<br />
analysierten das Wachstum von Lichtquellen in chinesischen<br />
Provinzen anhand von Satellitenaufnahmen bei Nacht. Ein<br />
erster Blick zeigt einen engen Zusammenhang zwischen den<br />
Wachstumsraten der Wirtschaft in den einzelnen Provinzen<br />
und den Lichtquellen dort (siehe Grafik 2).
20<br />
20 <strong>DCW</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> <strong>2018</strong><br />
0<br />
1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015<br />
Grafik 1: Konvergenzprozess ist in vollem Gange<br />
BIP pro Kopf (in % relativ zu USA)<br />
China Südkorea Japan<br />
Quelle: Internationaler Währungsfonds, Metzler<br />
Stand: 15.12.2017<br />
11<br />
10<br />
9<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
Wachstumsrate<br />
der Lichtquellen<br />
bei Nacht<br />
Heilongjiang<br />
Guangdong<br />
Jiangsu mit<br />
Shanghai<br />
Guizhou<br />
Gansu<br />
Anhui<br />
Xinjiang<br />
Fujian<br />
Yunnan<br />
Tibet<br />
Hainan<br />
Jiangxi<br />
Henan<br />
Shanxi<br />
Shandong<br />
Hebei mit<br />
Beijing und Tianjin<br />
Sichuan mit Chongqing<br />
Guangxi<br />
Qinghai<br />
Ningxia<br />
Shaanxi<br />
Guizhou<br />
Hubei<br />
Jilin<br />
Liaoning<br />
Hunan<br />
11 13<br />
15<br />
17 19<br />
Innere<br />
Mongolei<br />
BIP-Wachstum in<br />
einzelnen Provinzen<br />
Grafik 2: Eine Zunahme von Lichtquellen deutet auch auf ein höheres BIP-Wachstum<br />
Durchschnittliche Wachstumsraten von 2004 bis 2013 in %<br />
Quelle: Hunter Clark, Maxim Pinkovskiy und Xavier Sala-i-Martin, Is Chinese Growth Overstated?, Federal Reserve Bank of<br />
New York Liberty Street Economics (Blog), 19. April 2017, URL: libertystreeteconomics.newyorkfed.org/2017/04/is-chinesegrowth-overstated.html<br />
.<br />
Die Autoren verwendeten die Lichtdaten jedoch nicht direkt<br />
dazu, das Wachstum zu bestimmen, sondern leiteten daraus<br />
einen gewichteten Indikator für das BIP ab (siehe Grafik 3).<br />
Dafür nutzten sie die Indikatoren Bankkreditvergabe, Stromproduktion<br />
und Schienengüterverkehr, für die zuverlässige<br />
Statistiken vorliegen und die damit eine hohe Aussagekraft<br />
in puncto Wirtschaftswachstum haben. Die drei Indikatoren<br />
sind unter anderem Bestandteil des oft verwendeten „Li-Keqiang-Index“<br />
– dort aber gleichgewichtet. Im Gegensatz dazu<br />
kommen die Lichtdaten zum Einsatz, um die Gewichte der<br />
drei Indikatoren zu bestimmen: Je besser sich mit einem der<br />
drei Indikatoren das Lichtquellenwachstum in den Provinzen<br />
erklären lässt, desto höher fällt sein Gewicht aus.<br />
Nach den Ergebnissen der Analyse erhält die Bankkreditvergabe<br />
ein etwa sechs- bis achtfach größeres Gewicht als<br />
der Schienengüterverkehr, während das Gewicht der Stromproduktion<br />
in etwa dazwischen liegt.<br />
Überkapazitäten in der Schwerindustrie<br />
und am Immobilienmarkt<br />
Über viele Jahre hinweg trugen die Staatsbanken zum erfolgreichen<br />
Aufholprozess der chinesischen Wirtschaft bei,<br />
indem sie Kredite an Staatsunternehmen aus der Schwer-
Neues chinesisches Wachstumsmodell<br />
21<br />
16<br />
14<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
2005 2008<br />
2011<br />
2014<br />
Grafik 3: Chinas Wirtschaft könnte in den vergangenen Jahren stärker gewachsen sein, als es die offiziellen<br />
Statistiken nahelegen<br />
Offizielles BIP und BIP-Indikator in % gegenüber dem Vorjahr<br />
offizielles Wirtschaftswachstum<br />
BIP-Indikator plus geschätztes Signifikanzintervall<br />
Quelle: Hunter Clark, Maxim Pinkovskiy und Xavier Sala-i-Martin, Is Chinese Growth Overstated?, Federal Reserve Bank of<br />
New York Liberty Street Economics (Blog), 19. April 2017, URL: libertystreeteconomics.newyorkfed.org/2017/04/is-chinesegrowth-overstated.html<br />
.<br />
industrie vergaben. Daneben finanzierten sie auch ein<br />
kräftiges Wachstum am Immobilienmarkt. Das alte Wachstumsmodell,<br />
basierend auf Schwerindustrie und Exporten,<br />
stößt jedoch inzwischen an seine Grenzen, wie die erheblichen<br />
Überkapazitäten in der Schwerindustrie wie etwa bei<br />
Stahlwerken und im Bergbau sowie am Immobilienmarkt<br />
zeigen. Vor allem die Rentabilität der (Staats-)Unternehmen<br />
ist in diesem Umfeld deutlich gesunken. Sie haben dadurch<br />
immer größere Probleme, ihre ausstehenden Kredite zu bedienen;<br />
teilweise nehmen (Staats-)Unternehmen sogar neue<br />
Kredite auf, um überhaupt die Zinsen zahlen zu können.<br />
Laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ)<br />
stiegen die Kredite in China im Verhältnis zum BIP in den<br />
vergangenen Geschäftsfelder Jahren sogar so stark, Trends dass hohe Risiken einer<br />
Bankenkrise Konsum bestehen würden. Die chinesische Regierung<br />
steht daher vor der schwierigen Entscheidung, ob sie vermehrt<br />
Unternehmen aus den alten Industrien in Konkurs<br />
gehen Gesundheitswesen<br />
lassen soll, oder ob sie die notleidenden Kredite in<br />
den Bankbilanzen versteckt und zulässt, dass diese langsam<br />
abgeschrieben werden. Aus unserer Sicht wäre der beste<br />
Ausweg aus dem Dilemma, die überschuldeten Unternehmen<br />
zu restrukturieren und das Bankensystem<br />
Versorgung)<br />
zu rekapitalisieren.<br />
Dann würden realwirtschaftliche und finanzielle<br />
Made in China 2025<br />
Ressourcen wieder für neues Wachstum bereitstehen. Ein<br />
• Automatisierung und Robotik<br />
Verstecken der notleidenden Kredite würde dagegen das<br />
Wachstum der chinesischen Wirtschaft strukturell verlangsamen,<br />
da überschuldete Banken und<br />
• Hochgeschwindigkeitszüge<br />
Unternehmen<br />
Internet<br />
nicht vom Markt verschwinden, sondern zu Zombiefirmen<br />
werden – ein Phänomen, das seit 1990 in Japan mit kontinuierlich<br />
steigenden Staatsschulden ohne eine nennenswerte<br />
Wachstumsbeschleunigung zu beobachten ist.<br />
Eine schwere Banken- und<br />
Wir tschaftskrise ist eher<br />
unwahrscheinlich<br />
Trotz der Warnungen ist eine schwere Banken- und<br />
Wirtschaftskrise eher unwahrscheinlich. China hat in<br />
• Trend zu Markenprodukten guten in Nischenmärkten Zeiten ein erhebliches (Wein und Finanzpolster Likör, Haushaltsgeräte, in Form hoher<br />
höherwertige Konsumgüter, Devisenreserven Lebensmittel, Schönheits- angelegt. Die und Devisenreserven Körperpflegeprodukte) sind zwar<br />
• Kulturgüter (Filme und Auslandsreisen) von ihrem Hoch im Juni 2014 von knapp 4 Billionen US-<br />
• Neuartige Medikamente aus Dollar eigener auf Entwicklung etwas mehr als 3 Billionen US-Dollar im Jahr<br />
• Altenpflege und medizinische<br />
2015<br />
Leistungen<br />
gefallen, seit Anfang 2016 hat sich der Trend jedoch<br />
•<br />
wieder stabilisiert. So hielten sich seitdem Kapitalabflüsse,<br />
Vermehrter Gebrauch persönlicher medizinischer Geräte<br />
die unter anderem durch striktere Kapitalverkehrskontrollen<br />
erschwert wurden, und Kapitalzuflüsse aufgrund eines<br />
• Reform von Chinas Gesundheitssystem (Krankenhäuser und medizinische<br />
Leistungsbilanzüberschusses die Waage. Die hohen Devisenreserven<br />
und die Leistungsbilanzüberschüsse bedeuten,<br />
• Eigene Autoherstellung; Elektromobilität und Zulieferer<br />
dass China nicht auf ausländisches Kapital zur Finanzierung<br />
• Luft- und Raumfahrt (Produzenten und Zulieferer)<br />
des Wirtschaftswachstums angewiesen ist. So kann auch<br />
keine plötzliche Kapitalflucht ausländischer Investoren eine<br />
• Zulieferer für mobile Endgeräte (z. B. Apple)<br />
• Online-Shopping<br />
• Online-Werbung
22 <strong>DCW</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> <strong>2018</strong><br />
Wirtschaftskrise oder eine unerwünschte Abwertung der<br />
chinesischen Währung auslösen.<br />
Die chinesische Regierung hat erkannt, dass die hohe<br />
Verschuldung der Staatsunternehmen ein Symptom dafür<br />
ist, dass das alte Wachstumsmodell nicht mehr funktioniert.<br />
China hat in der internationalen Statistik den Status eines<br />
Landes mit mittlerem Einkommen erreicht und muss jetzt<br />
sein Wachstumsmodell anpassen, um in die Gruppe der<br />
Länder mit hohem Einkommen aufschließen zu können.<br />
Weitere Privatisierungen könnten<br />
das Wachstum anschieben<br />
Dazu ist neben vielen anderen Reformen vor allem eine Reform<br />
und Privatisierung der Staatskonzerne wichtig. Lange<br />
galt die „Entstaatlichung“ im Land als Erfolgsgeschichte, der<br />
Staatssektor ist viele Jahre lang kontinuierlich geschrumpft.<br />
Während in den 1980er-Jahren noch vier Fünftel der Wirtschaftsleistung<br />
auf Staatskonzerne entfiel, wird ihr Anteil<br />
heute auf 10 bis 20 Prozent geschätzt. Privatunternehmen<br />
haben unterdessen immer weiter an Bedeutung gewonnen,<br />
tummeln sich in vielen Branchen, von Immobilien<br />
über Biotechnologie bis hin zum Internet, und haben sich<br />
eine international beachtliche Größe erarbeitet. Doch die<br />
„Entstaatlichung“ der Wirtschaft scheint seit einigen Jahren<br />
zu stocken. Immer noch gibt es rund 150.000 Staatsunternehmen<br />
im Land. Zwei Drittel davon sind im Besitz von<br />
Provinzen, Regionen oder Kommunen, der Rest untersteht<br />
der Zentralregierung. Dabei lässt die Wirtschaftlichkeit der<br />
Staatsunternehmen klar zu wünschen übrig: Im Schnitt<br />
schafften sie 2016 eine Kapitalrendite von dürftigen 2,9 Prozent,<br />
verglichen mit 10,2 Prozent in der Privatwirtschaft.<br />
In einer Reihe von Branchen haben die Staatsunternehmen<br />
auch international erhebliche Bedeutung. So vereinen<br />
die größten 200 Staatsbetriebe neun Prozent der globalen<br />
Umsätze im Kohlebergbau auf sich, sechs Prozent in der<br />
Automobilproduktion und fünf Prozent in der Baubranche.<br />
Zeit für ein ambitioniertes Reformprogramm, mahnten die<br />
Experten des Internationalen Währungsfonds kürzlich. Sie<br />
schätzen, dass allein eine umfassende Privatisierung dazu<br />
beitragen könnte, Chinas Wirtschaftsleistung binnen eines<br />
Jahrzehnts um 10 Prozent oder 1.000 Milliarden US-Dollar<br />
zu steigern.<br />
Angesichts widersprüchlicher Signale zum Rückzug des<br />
chinesischen Staates ist die Gemengelage zur Privatisierung<br />
jedoch derzeit noch unklar. Einerseits versucht die chinesische<br />
Regierung, ihre Kontrolle über die Unternehmen zu<br />
bewahren. So machten an der Börse Hongkong in den vergangenen<br />
Monaten eine Reihe mehrheitlich im Staatsbesitz<br />
befindlicher Konzerne mit angepassten Unternehmensstatuten<br />
von sich reden: Sie räumen der kommunistischen Partei<br />
zusätzlichen Einfluss ein – und stellen damit die Ziele der<br />
Privatisierung infrage. China Railway Group ist eines dieser<br />
Unternehmen. „Wenn der Verwaltungsrat über grundlegende<br />
Fragen entscheidet, soll er zunächst die Meinung des<br />
Parteikomitees des Unternehmens anhören“, heißt es in der<br />
überarbeiteten Satzung.<br />
Andererseits scheint die staatliche Beteiligungsverwaltung<br />
State Assets Supervision and Administration Commission<br />
(SASAC) konkrete Schritte einer größeren Privatisierungswelle<br />
zu planen. Sie hat die Staatsbetriebe in drei Gruppen<br />
aufgeteilt; nur bei den „vollständig im Wettbewerb stehenden<br />
Firmen“ plant der Staat, sich weitgehend zurückzuziehen.<br />
Sie sollen zu einem Börsengang animiert oder für den<br />
Einstieg privater Investoren vorbereitet werden. Bei einer<br />
weiteren Gruppe „strategischer, im Wettbewerb stehender<br />
Unternehmen“ soll dagegen eine Kontrollmehrheit in<br />
Staatshand bleiben, eine Privatisierung im eigentlichen Sinn<br />
also vermieden werden. Hierzu zählen Branchen, die für die<br />
nationale Sicherheit als zentral gelten, aber auch Unternehmen,<br />
die von den Behörden als „wirtschaftliches Rückgrat“<br />
klassifiziert werden. Wie sich die Staatsunternehmen<br />
konkret auf diese Gruppen verteilen, wurde bisher nicht<br />
bekannt. Nach Medienberichten sollen zu diesem Segment<br />
aber eine Reihe nationaler Champions gehören – Großkonzerne,<br />
deren Bedeutung für den Staat als so entscheidend<br />
erachtet wird, dass er sich nicht aus ihnen zurückziehen<br />
möchte. Schließlich bleibt eine dritte Gruppe von Firmen<br />
mit öffentlichen Aufgaben, die darauf vertrauen kann,<br />
auch künftig vom Staat finanziert zu werden. Dazu dürften<br />
zahlreiche Verkehrskonzerne und Kulturbetriebe zählen, die<br />
zum größten Teil in Staatsbesitz bleiben werden, teilweise<br />
ergänzt durch Public-Private-Partnerships.<br />
Regierung unterstützt neues<br />
Wachstumsmodell<br />
Große und eindeutige Fortschritte erzielte die chinesische<br />
Regierung beim Abbau von Überkapazitäten – vor allem<br />
in der Stahl- und Kohlebranche. Geringere Überkapazitäten<br />
bedeuten, dass die verbleibenden Unternehmen einen<br />
größeren Preissetzungsspielraum haben, wie die Entwick-
Neues chinesisches Wachstumsmodell<br />
23<br />
16<br />
14<br />
12<br />
10<br />
8<br />
lung der Erzeugerpreise zeigt: Sie sanken im Dezember Vehicles“), Robotik, Landmaschinen sowie Raum-, See- und<br />
6<br />
2015 noch um 5,9 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat, fortgeschrittene Bahnausrüstung. Beim Programm Internet<br />
während 4 sie im Dezember 2017 schon wieder um 4,9 Prozent<br />
gegenüber dem Vorjahresmonat stiegen. Das Resulventionellen<br />
Industrien mit Schwerpunkt auf der Integration<br />
Plus geht es um die Förderung von Digitalisierung in kon-<br />
2<br />
tat der stärkeren Preissetzungsmacht ist ein Anstieg der von mobilem Internet, Big Data, Cloud Computing, Sharing<br />
Gewinne 0 chinesischer Industrieunternehmen von mehr als Economy, industriellem Internet der Dinge und künstlicher<br />
202005 Prozent im Jahr 2017. Die Unternehmen 2008 können somit 2011 Intelligenz (KI) sowie 3D-Druck. 2014 Neben MIC 2025 und<br />
ihre Schulden leichter bedienen und zudem noch höhere Internet Plus bieten auch Maßnahmen wie die Initiative für<br />
Grafik 3: Chinas Wirtschaft könnte in den vergangenen Jahren stärker gewachsen sein, als es die offiziellen<br />
Investitionsausgaben finanzieren.<br />
Massenunternehmertum und Innovation (2014) und das<br />
Statistiken nahelegen<br />
Offizielles BIP und BIP-Indikator in % gegenüber dem Vorjahr Tausend-Talente-Programm (2008) großzügige Finanzmittel.<br />
Die Programme BIP-Indikator haben plus auf geschätztes nationaler Signifikanzintervall<br />
und lokaler Ebene<br />
Darüber offizielles hinaus unterstützt Wirtschaftswachstum<br />
die chinesische Regierung den<br />
Quelle: Übergang Hunter zu einem Clark, neuen Maxim Wachstumsmodell Pinkovskiy und Xavier tatkräftig. Sala-i-Martin, So unterschiedlich Is Chinese Growth starke Overstated?, positive Trends Federal bei Innovation Reserve Bank und Digitalisierung<br />
libertystreeteconomics.newyorkfed.org/2017/04/is-chinese-<br />
ausgelöst. beliefen sich die F&E-Ausgaben<br />
of<br />
New ist der York Dienstleistungssektor Liberty Street Economics zu einer (Blog), wichtigen 19. April Wachstumsstütze<br />
geworden, und China . ist in einigen Bereichen der Chinas auf etwa 270 Milliarden US-Dollar, doppelt so viel wie<br />
2017, URL:<br />
growth-overstated.html<br />
Digitalisierung schon weltweit führend. Die in Grafik 4 gezeigten<br />
Branchen mit hohem Wachstumspotenzial werden zent des BIP die der EU-28-Länder jedes Jahr seit 2014 mit<br />
im Jahre 2011. Chinas F&E-Ausgaben übertrafen mit 2,15 Pro-<br />
dabei oft von Experten genannt.<br />
zuletzt 2,1 Prozent des BIP im Jahr 2017.<br />
In diesem Zusammenhang initiierte die chinesische Zentralregierung<br />
im Jahr 2015 zwei zusammenhängende industriepolitische<br />
Programme: Made in China (MIC) 2025 und<br />
Internet Plus. Made in China 2025 zielt darauf ab, Chinas<br />
Produktion entlang der Wertschöpfungskette durch technologische<br />
Innovationen aufzuwerten. Im Fokus stehen dabei<br />
Informationstechnologien der nächsten Generation, neue<br />
Materialien, Biomedizin und medizinische Geräte, energiesparende<br />
Technologie und Elektrofahrzeuge („New Energy<br />
China gehört zu den Spitzenreitern<br />
bei US-Patentanmeldungen<br />
und Risikokapitalinvestitionen<br />
Laut Weltorganisation für geistiges Eigentum belegte China<br />
2017 den 22. Platz weltweit in Bezug auf Innovation. China<br />
ist damit das erste Land mit mittlerem Einkommen unter<br />
Geschäftsfelder<br />
Konsum<br />
Gesundheitswesen<br />
Made in China 2025<br />
Internet<br />
Trends<br />
• Trend zu Markenprodukten in Nischenmärkten (Wein und Likör, Haushaltsgeräte,<br />
höherwertige Konsumgüter, Lebensmittel, Schönheits- und Körperpflegeprodukte)<br />
• Kulturgüter (Filme und Auslandsreisen)<br />
• Neuartige Medikamente aus eigener Entwicklung<br />
• Altenpflege und medizinische Leistungen<br />
• Vermehrter Gebrauch persönlicher medizinischer Geräte<br />
• Reform von Chinas Gesundheitssystem (Krankenhäuser und medizinische<br />
Versorgung)<br />
• Eigene Autoherstellung; Elektromobilität und Zulieferer<br />
• Automatisierung und Robotik<br />
• Luft- und Raumfahrt (Produzenten und Zulieferer)<br />
• Hochgeschwindigkeitszüge<br />
• Zulieferer für mobile Endgeräte (z. B. Apple)<br />
• Online-Shopping<br />
• Online-Werbung<br />
• Cloud-Anbieter<br />
• Virtual Reality (VR)<br />
Grafik 4: Ausgewählte Branchen mit hohem Wachstumspotenzial<br />
Quelle: China Asset Management Co., Ltd.
24 <strong>DCW</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> <strong>2018</strong><br />
den Top 25 und das einzige Land mit mittlerem Einkommen,<br />
das den Abstand zu Ländern mit hohem Einkommen<br />
verringern konnte. Dementsprechend ist die Zahl chinesischer<br />
Patentanmeldungen im Ausland kräftig gestiegen,<br />
insbesondere in den USA: Hier erhöhte sich die Zahl von<br />
US-Patentbewilligungen chinesischen Ursprungs in weniger<br />
als zehn Jahren um das Zehnfache. Im Jahr 2017 stieg China<br />
in die Gruppe der fünf Länder mit den meisten US-Patenten<br />
auf. Aufgrund der großzügigen finanziellen staatlichen<br />
Unterstützung für neue Unternehmen auf nationaler und<br />
lokaler Ebene verfügt China über eine lebendige Start-up-<br />
Szene mit schnell wachsenden neuen Unternehmen und<br />
Risikokapitalinvestitionen. Seit 2014 wurden täglich 14.000<br />
neue Unternehmen registriert, von denen 70 Prozent die<br />
ersten Jahre überleben. China gehört heute somit weltweit<br />
zu den drei größten Märkten für Risikokapitalinvestitionen<br />
(„Venture-Capital“-Investition) in digitale Technologien,<br />
einschließlich Virtual Reality, autonome Fahrzeuge, 3D-<br />
Druck, Drohnen und künstliche Intelligenz. Ungefähr ein<br />
Drittel der 262 „Einhörner" der Welt (Start-ups im Wert von<br />
mehr als einer Milliarde US-Dollar) stammen aus China<br />
und machen 43 Prozent des globalen Wertes solcher Unternehmen<br />
aus.<br />
Nach Angaben von Reuters wollen derzeit 78 auf China<br />
fokussierte Risikokapitalfonds in den nächsten Jahren<br />
weitere 170 Milliarden US-Dollar aufbringen, von denen die<br />
meisten von riesigen staatlichen Einrichtungen und sogenannten<br />
Regierungsberatungsfonds stammen. Im Hinblick<br />
auf die Digitalisierung hat sich China zu einer der führenden<br />
Internet-Ökonomien der Welt entwickelt, insbesondere<br />
in Bezug auf E-Commerce und Internetfinanzierung. Mit<br />
751 Millionen Internetnutzern, davon 96,3 Prozent Mobilnutzern,<br />
ist China mit einem Transaktionsvolumen von<br />
812 Milliarden US-Dollar im Jahr 2016 und 42,4 Prozent<br />
des weltweiten Gesamtvolumens (USA: 24,1 Prozent) der<br />
weltweit größte Retail-E-Commerce-Markt. Die Internet-<br />
Kredittransaktionen in Höhe von 143 Milliarden US-Dollar<br />
im Jahr 2015 sind sechsmal so hoch wie in den USA. 502<br />
Millionen oder 68 Prozent der chinesische Internetnutzer<br />
bezahlten 2016 mobil – ein Wachstum von 40 Prozent<br />
gegenüber 2015. Im Jahr 2016 betrug der Wert der mobilen<br />
Zahlungen im Zusammenhang mit Privatkonsum 790<br />
Milliarden US-Dollar; er war damit elfmal so hoch wie in<br />
den USA. Nach Angaben der China Academy of Information<br />
and Communications Technology (CAICT) hatte der<br />
chinesische Markt für „Sharing Economy“ im Jahr 2016 ein<br />
Transaktionsvolumen von 520 Milliarden US-Dollar und<br />
wuchs um 103 Prozent gegenüber dem Vorjahr; die Zahl der<br />
teilnehmenden Menschen stieg gegenüber 2015 um 20 Prozent<br />
auf 600 Millionen.
Neues chinesisches Wachstumsmodell<br />
25<br />
Die Bedeutung neuer Technologien<br />
wird weiter zunehmen<br />
Marktkenner erwarten, dass die spezifischen Branchen,<br />
die von Made in China 2025 und Internet Plus profitieren<br />
sollen, in den nächsten Jahren deutlich an Fahrt gewinnen<br />
werden; einige haben bereits große Fortschritte gemacht.<br />
Laut Prognose von CAICT wird das chinesische Marktvolumen<br />
für Cloud-Computing und für Big-Data anhaltend<br />
stark wachsen. KI-Technologie ist ein weiterer Bereich, in<br />
dem China bereits enorme Fortschritte gemacht hat: Chinas<br />
Produktion von Industrierobotern wuchs in den ersten drei<br />
Quartalen 2017 um 69,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.<br />
Auch in der IT-Infrastruktur ist China in einigen Bereichen<br />
führend.<br />
So hat China die USA im Hinblick auf die Rechenleistung<br />
im November 2017 überholt und wurde dadurch das Land<br />
mit dem größten Anteil an den Top-500-Supercomputern<br />
der Welt. China ist auch Pionier im Test der 5G-Technology<br />
und der Entwicklung des Internet der Dinge: Laut China<br />
Economic Information Service ist der chinesische Markt<br />
des Internet der Dinge in den letzten Jahren um 20 Prozent<br />
jährlich gewachsen und erreichte 2016 ein Volumen von<br />
136,3 Milliarden US-Dollar. Es wird prognostiziert, dass der<br />
Markt bis 2020 ein Volumen von 222 Milliarden US-Dollar<br />
erreichen und eine wichtige Rolle bei der industriellen Modernisierung<br />
spielen wird.<br />
China unternimmt alles, um bei<br />
der industriellen Modernisierung<br />
ganz vorne mitzuspielen<br />
Ein gutes Beispiel ist die Marktdurchdringung von intelligenten<br />
Strom- und Gaszählern in China: Die Zahlen lagen<br />
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26 <strong>DCW</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> <strong>2018</strong><br />
2017 bei 90 und 55 Prozent. Auch New Energy Vehicles<br />
(NEV) ist ein Bereich, in dem China in den letzten Jahren<br />
dank einer NEV-Steuervergünstigung gute Fortschritte<br />
gemacht hat – die Vergünstigung wurde kürzlich bis<br />
Ende 2020 verlängert. So hat China die größte Anzahl von<br />
öffentlichen Ladestationen für Elektrofahrzeuge weltweit.<br />
Bis Ende 2017 gab es in China 213.903 Ladestationen für öffentliche<br />
Elektrofahrzeuge. Mit insgesamt 777.000 verkauften<br />
NEV im Jahr 2017 ist China auch der weltweit größte<br />
Markt für NEV. In die F&E-Förderung für Elektromobilität<br />
investierte China 2016 laut Zahlen von Roland Berger 4,783<br />
Milliarden Euro; China lag damit vor Deutschland (1,44<br />
Milliarden Euro) an erster Stelle. Auch andere fortschrittliche<br />
Transporttechnologien haben sich in China schnell<br />
durchgesetzt. So hat China das weltweit längste Streckennetz<br />
für Hochgeschwindigkeitszüge – Ende 2016 waren es<br />
22.000 Kilometer. Die Zentralregierung plant, das Streckennetz<br />
bis 2020 auf 30.000 Kilometer zu verlängern. Und<br />
schließlich sind Chinas Anstrengungen bei der Entwicklung<br />
von Ausrüstungen für die Luft- und Raumluftfahrt erwähnenswert<br />
– beispielsweise die Ambition, eine potenzielle<br />
Herausforderung für das Boeing-Airbus-Duopol auf dem<br />
globalen Jet-Markt zu werden, nachdem das erste vollständig<br />
in China entwickelte Groß-Passagierflugzeug C919<br />
seinen Jungfernflug 2017 erfolgreich abgeschlossen hat.<br />
China macht also große Fortschritte beim Übergang zu einem<br />
neuen Wachstumsmodell und hat und damit mittelfristig<br />
hohes Wachstumspotenzial. ■<br />
1 Quelle: Hunter Clark, Maxim Pinkovskiy und Xavier Sala-i-<br />
Martin, Is Chinese Growth Overstated?, Federal Reserve Bank<br />
of New York Liberty Street Economics (Blog), 19. April 2017,<br />
URL: libertystreeteconomics.newyorkfed.org/2017/04/<br />
is-chinese-growth-overstated.html .<br />
Edgar Walk<br />
Chefvolkswirt Metzler<br />
Asset Management<br />
Edgar Walk ist als Chefvolkswirt<br />
Metzler Asset<br />
Management für die volkswirtschaftlichen<br />
Prognosen<br />
verantwortlich.<br />
Yanling Zhu<br />
Kundenbetreuerin<br />
Asset Management<br />
Yanling Zhu ist im Geschäftsfeld<br />
Asset Management<br />
Kundenbetreuerin für<br />
China und für die Betreuung<br />
der Metzler-Repräsentanz in<br />
Peking verantwortlich.<br />
Metzler<br />
Das Bankhaus Metzler ist die älteste deutsche Privatbank<br />
in ununterbrochenem Alleinbesitz der Gründerfamilie<br />
von Metzler. Metzler konzentriert sich bewusst<br />
auf individuelle Dienstleistungen für Institutionen und<br />
anspruchsvolle Privatkunden in den Kerngeschäftsfeldern<br />
Asset Management, Capital Markets, Corporate<br />
Finance und Private Banking.
„Vom Klimakiller zum Klimaretter?“<br />
27<br />
Bruno Rudnik<br />
„Vom Klimakiller zum Klimaretter?“<br />
Aktuelle Entwicklungen im Bereich der Umwelttechnologien in China<br />
„Vom Klimakiller zum Klimaretter“ titelte „Die Zeit“ im<br />
Juni 2017 und stellte die Frage, ob sich ausgerechnet der<br />
größte Klimasünder China zum weltweiten Vorreiter für<br />
Klimaschutz entwickelt 1. Tatsächlich waren die absoluten<br />
CO₂-Emissionen Chinas zwischen 2014 und 2016 leicht<br />
rückläufig, bevor sie 2017 analog mit der anziehenden Nachfrage<br />
nach Kohle wieder gestiegen sind. China ist weiterhin<br />
für ca. 30 Prozent der globalen CO₂-Emissionen verantwortlich<br />
und seit 2014 liegen auch die Pro-Kopf-Emissionen<br />
der Volksrepublik über denen der Europäischen Union<br />
(siehe Grafik 1).<br />
Noch offensichtlicher werden die Herausforderungen<br />
Chinas mit Blick auf eine umfassendere Bewertung der<br />
Umweltsituation, wie sie der „Environmental Performance<br />
Index (EPI)“ der Yale University seit 2002 vornimmt. Unter<br />
Berücksichtigung von 20 Indikatoren zur Beurteilung<br />
des „Schutzes der menschlichen Gesundheit“ sowie des<br />
„Schutzes von Ökosystemen“ liegt China im internationalen<br />
Ländervergleich an Position 109 (siehe Grafik 2). Besonders<br />
deutlich zeigt das Ranking die immensen Probleme des<br />
Landes in den Bereichen Luftqualität und Landwirtschaft/<br />
Ackerland sowie generell mit dem Ausgesetztsein von umweltbedingten<br />
Gesundheitsrisiken. Vor diesem Hintergrund<br />
ist auch der 2013 von Ministerpräsident Li Keqiang erklärte<br />
„War against pollution” zu sehen, da Umweltverschmutzung<br />
und die damit verbundene Zerstörung von Lebensgrundla-<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
25<br />
20<br />
15<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
1990 1995 2000 2005 2010 2014 2015 2016<br />
10<br />
5<br />
0<br />
1990 1995 2000 2005 2010 2015<br />
Grafik 1: CO ² -Emissionen im weltweiten Vergleich<br />
CO ² -Emissionen absolut (Mrd. t)<br />
CO ² -Emissionen pro Kopf (t/a)<br />
China EU China EU<br />
USA Andere Länder USA Welt<br />
Quelle: European Commission, Emissions Database for Global Atmospheric Research
28 <strong>DCW</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> <strong>2018</strong><br />
Rang Land Wert<br />
1. Finnland 90,68<br />
2. Island 90,51<br />
3. Schweden 90,43<br />
…<br />
30. Deutschland 84,26<br />
…<br />
109. China 65,10<br />
…<br />
180. Somalia 27,66<br />
Grafik 2: Environmental Performance Index<br />
Quelle: Yale University<br />
Kategorie Wert Rang<br />
Schutz der menschlichen Gesundheit<br />
Gesundheitseinflüsse 68,89 95.<br />
Luftqualität 23,81 179.<br />
Wasser und Abwasser 85,54 70.<br />
Schutz von Ökosystemen<br />
Wasserressourcen 78,08 55.<br />
Landwirtschaft 43,90 146.<br />
Wälder 60,49 53.<br />
Fischerei 55,45 49.<br />
Biodiversität und Lebensraum 77,45 97.<br />
Klima und Energie 74,78 62.<br />
gen eine direkte und massive Gefahr für die soziale Stabilität<br />
der Volksrepublik darstellen.<br />
Umweltpolitik und Industriepolitik<br />
Diese Risikominimierung manifestiert sich auch im regulatorischen<br />
Rahmenwerk in China wie z.B. dem 2015 in Kraft<br />
getretenen neuen Umweltschutzgesetz, welches neben der<br />
Erhebung des Umweltschutzes zum grundsätzlichen Staatsziel<br />
insbesondere stärkere Sanktionsmechanismen für Verschmutzer<br />
beinhaltet. Seit dem 1. Januar <strong>2018</strong> gilt in China<br />
eine neue Umweltschutzsteuer, die sich über abgabenpflichtige<br />
Schadstoffe und entsprechende Steuersätze pro Messeinheit<br />
insbesondere an Verschmutzer von Luft, Wasser und<br />
Böden richtet. Darüber hinaus wurden in den letzten Jahren<br />
zu spezifischen Umweltproblemen sogenannte „Action<br />
Plans“ verabschiedet wie der „Action Plan for Air Pollution<br />
Prevention and Control“ (2013), der „Action Plan for Water<br />
Pollution Prevention and Control“ (2015) oder der „Action<br />
Plan for Soil Pollution Prevention and Control” (2016).<br />
Neben diesem von kurz- und mittelfristigen Zielen motiviertem<br />
Vorgehen sieht China auch die Chance zur Entwicklung<br />
neuer Technologien, entsprechender Leitmärkte<br />
sowie neuer Wettbewerbsfelder für einheimische Unternehmen<br />
durch eine mittel- bis langfristige orientierte strategische<br />
Industriepolitik. So sind grüne Technologien essentieller<br />
Bestandteil des Programms „Made in China 2025“ – dem<br />
Masterplan zur Modernisierung des chinesischen Produktionssektors<br />
(siehe Grafik 3).<br />
Technologischer Überblick<br />
An dieser Stelle soll zunächst ein Überblick über die hier als<br />
„Umwelttechnologien“ verstandenen und oft als „Greentech“<br />
oder „Cleantech“ bezeichneten Technologiesegmente gegeben<br />
werden. Diese gehen weit über die in China als „three<br />
battles“ bekannten Bereiche Luft, Wasser und Boden hinaus<br />
und sind ebenfalls umfassender als die im chinesischen<br />
Marktkontext oft diskutierten Erneuerbaren Energien wie<br />
Solar und Wind:<br />
• Energie: Erneuerbare Energien, Energiespeicherung,<br />
Energieeffizienz, Smart Grid<br />
• Infrastruktur und Mobilität: Alternative Antriebe (z. B.<br />
Elektromobilität), Smart City, Grünes Bauen<br />
• Ressourcenschutz: Luftreinhaltung, Wasser- und Abwasseraufbereitung,<br />
Bodensanierung<br />
• Material- und Kreislaufwirtschaft: Innovative Werkstoffe,<br />
Recycling<br />
Damit sind „Umwelttechnologien“ ein sehr heterogenes Feld<br />
einzelner Produkt- und Marktsegmente und haben in vielen<br />
Fällen den Charakter von „Querschnittstechnologien“ über<br />
verschiedene klassische Industrien (bespielsweise Automobil,<br />
Energieerzeugung, Chemie) hinweg. Unter Betrachtung<br />
ihrer in China unterschiedlich ausgeprägten Marktreife<br />
und Markttreiber ordnet Grafik 4 die einzelnen Technologiesegmente<br />
in ein vergleichendes Portfolio ein. Während<br />
die Dimension der Marktreife insbesondere die zeitliche<br />
Entwicklung der jeweiligen Märkte in China repräsentiert,<br />
betrachtet die Dimension der Markttreiber vor allem den
„Vom Klimakiller zum Klimaretter?“<br />
29<br />
Ausprägungsgrad der oben genannten Einflussfaktoren<br />
der regulatorischen Umweltpolitik sowie der strategischen<br />
Industriepolitik. Zwischen diesen beiden Polen existieren<br />
auch in China im Bereich der Umwelttechnologie Marktsegmente,<br />
welche inzwischen nahezu ausschließlich durch<br />
Wirtschaftlichkeitsüberlegungen wie Amortisationszeiten<br />
getrieben sind. Beispielhaft ist hier die industrielle Abwärmerückgewinnung<br />
als wichtiges Themenfeld innerhalb des<br />
Sektors Energieeffizienz zu nennen.<br />
Im Folgenden werden ausgewählte Umwelttechnologien mit<br />
unterschiedlichen Merkmalen hinsichtlich Marktreife und<br />
Markttreibern in China exemplarisch vorgestellt. Neben<br />
einer Darstellung der aktuellen Marktentwicklung werden<br />
auch die jeweilige Wettbewerbslandschaft erörtert sowie<br />
Marktchancen für deutsche bzw. ausländische Unternehmen<br />
bewertet.<br />
Sektorbeispiel: Solar<br />
Marktentwicklung<br />
Die Photovoltaik gilt als klassisches Beispiel eines staatlich<br />
geförderten Marktes bzw. einer ganzen Industrie in China.<br />
Inzwischen ist China sowohl der Markt mit der weltweit<br />
größten installierten Photovoltaik-Kapazität als auch derjenige<br />
mit dem absolut größten jährlichen Zubau. Zwar beträgt<br />
der Anteil der fossilen Brennstoffe an der chinesischen<br />
Stromerzeugungskapazität noch immer ca. 60 Prozent,<br />
allerdings ist der Anteil der Photovoltaik zwischen 2015 und<br />
2017 um das Zweieinhalbfache auf aktuell über 7 Prozent<br />
gestiegen. Allein im Jahr 2017 entstanden über 50 Gigawatt<br />
neue Kapazitäten, womit China für mehr als die Hälfte des<br />
weltweiten Zubaus verantwortlich war. Mit aktuell über<br />
130 Gigawatt hat China das offiziell für 2020 gesetzte Ziel<br />
von 105 Gigawatt installierter Photovoltaik-Kapazität bereits<br />
signifikant überschritten. Langfristige Szenarien der National<br />
Development and Reform Commission (NDRC) zeigen<br />
einen möglichen Ausbau der Photovoltaik-Kapazität auf<br />
über 2.000 Megawatt bis 2050 auf. Erneuerbare Energien<br />
könnten dann 60 Prozent des chinesischen Primärenergiebedarfs<br />
und 85 Prozent des Stromverbrauchs abdecken 2.<br />
Die direkte staatliche Förderung der Photovoltaik soll mit<br />
Erreichen der Netzparität ab ca. 2022/2023 bereits wesentlich<br />
früher abgeschafft werden. Seit 2016 wurden die<br />
Einspeisevergütungen schrittweise zurückgefahren – mit<br />
Jahresbeginn <strong>2018</strong> noch einmal um 10–20 Prozent.<br />
Wettbewerbslandschaft<br />
China ist nicht nur größter Markt für, sondern auch größter<br />
Hersteller von Solarprodukten. Unter den weltweiten Top 10<br />
der Hersteller von Photovoltaik-Modulen befanden sich<br />
2017 acht chinesische Unternehmen angeführt von Jinko<br />
Solar, Trina Solar und JA Solar 3. Lediglich die koreanische<br />
Hanwha Q-Cells stellt Module auch außerhalb von China<br />
her – neben Malaysia auch in Deutschland. Selbst eine<br />
unvermeidlich erscheinende Konsolidierung unter den<br />
200 bis 300 Produzenten in China wird absehbar nichts an<br />
der weltweiten Dominanz der chinesischen Unternehmen<br />
ändern. Die Kostenvorteile chinesischer Hersteller beruhen<br />
Schlüsselsektoren „Made in China 2025“<br />
Energieerzeugung und -verteilung<br />
Energiesparende Fahrzeuge und NEV<br />
Neue Werkstoffe<br />
Marine und Schiffbau<br />
Schienenverkehrstechnik<br />
Werkzeugmaschinen und Industrieroboter<br />
Luft- und Raumfahrttechnik<br />
Landwirtschaftliche Maschinen<br />
Informationstechnologie<br />
Biopharma und medizinische Geräte<br />
Marktanteilsziel für chinesische Produkte (%)<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
NEV<br />
Energieverteilung<br />
Energieerzeugung<br />
Grafik 3: „Made in China 2025“ und Umwelttechnik 2020 2025<br />
NEV = New Energy Vehicles<br />
Quelle: State Council, Merics
30 <strong>DCW</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> <strong>2018</strong><br />
Schlüsselsektoren „Made in China 2025“<br />
Marktanteilsziel für chinesische Produkte (%)<br />
Energieerzeugung und -verteilung<br />
100<br />
Energiesparende Fahrzeuge und NEV<br />
Neue Werkstoffe<br />
80<br />
Marine und Schiffbau<br />
60<br />
Schienenverkehrstechnik<br />
dabei Werkzeugmaschinen nicht nur auf niedrigen und Industrieroboter<br />
Arbeitskosten und staatlicher<br />
40<br />
Sektorbeispiel: Elektromobilität<br />
Unterstützung, Luft- und Raumfahrttechnik<br />
sondern in einer von anteilig hohen Materialkosten<br />
Landwirtschaftliche geprägten Industrie Maschinen vor allem auf Größen- und<br />
20<br />
Marktentwicklung<br />
Lieferkettenvorteilen. Informationstechnologie Längst hat China die lokale Supply<br />
0<br />
Chain Biopharma vom Polysilikon und medizinische über die Geräte Wafer- und Zellenproduktion<br />
bis hin zum finalen Modul geschlossen.<br />
NEV Energieverteilung<br />
globalen Leitmarkt erzeugung für<br />
Energie-<br />
China ist in den letzten Jahren zum<br />
Elektromobilität aufgestiegen. 2015 wurden im weltweiten<br />
Grafik 3: „Made in China 2025“ und Umwelttechnik Vergleich erstmals 2020 am meisten Elektrofahrzeuge 2025 in China<br />
zugelassen und seit 2016 beheimatet das Land auch die<br />
weltweit größte Flotte an Fahrzeugen mit rein elektrischem<br />
Antrieb (BEV) sowie Plugin Hybride (PHEV). 2017 hat sich<br />
die Wachstumsdynamik noch einmal beschleunigt: Nach<br />
chinesischen Verbandsangaben wurden im vergangenen<br />
Jahr 777.000 Elektrofahrzeuge – davon 579.000 Pkws und<br />
198.000 Nutzfahrzeuge – in China verkauft, ein Zuwachs<br />
von über 50 Prozent auf Jahresbasis ⁴. Am gesamten chinesischen<br />
Automobilmarkt von 28,9 Millionen Einheiten hatten<br />
Elektrofahrzeuge demzufolge einen Anteil von 2,7 Prozent.<br />
Das ausgegebene Ziel der chinesischen Regierung ist es,<br />
diesen Anteil bis zum Jahr 2025 auf 20 Prozent zu erhöhen,<br />
was bei einem Gesamtmarkt von 35 Millionen Fahrzeugen<br />
eine Neuzulassung von 7 Millionen elektrisch betriebener<br />
Fahrzeuge bedeuten würde.<br />
Chancen für deutsche Unternehmen<br />
NEV = New Energy Vehicles<br />
Quelle: State Council, Merics<br />
Auch über Module hinaus ist die Wertschöpfungskette der<br />
Solar-Photovoltaik in China im Prinzip komplett. Systemkomponenten<br />
wie Wechselrichter und Trägersysteme werden<br />
von chinesischen Herstellern ebenso angeboten wie EPC-<br />
Leistungen im Anlagen- und Kraftwerksbau. Für neuartige<br />
Leuchtturmprojekte ist China ohnehin bekannt: So wurde<br />
2017 das größte schwimmende Photovoltaik-Kraftwerk in der<br />
Stadt Huainan in der Provinz Anhui ans Netz angeschlossen.<br />
Mit über 160.000 verbauten Solarmodulen kommt es auf<br />
eine Leistung von ca. 40 Megawatt. Chancen für ausländische<br />
Unternehmen bestehen vor allem in technologischen<br />
Nischen. So können beispielsweise Lacke und Beschichtungen<br />
auf Algenbasis die Effizienz von Solarmodulen erhöhen.<br />
Auch anwendungsseitig eröffnen sich zum Beispiel über die<br />
Nutzung von Solarmodulen mit speziellen Oberflächenstrukturen<br />
neue Chancen: Befahrbare Solarstraßen können<br />
als Querschnittstechnologie zu Smart-City-Konzepten sowie<br />
induktivem Laden für Elektrofahrzeuge genutzt werden.<br />
Getrieben wird diese rasante Marktentwicklung nicht<br />
zuletzt von umfangreichen finanziellen Vorteilen für die<br />
Endkunden: Auch wenn direkte staatliche Kaufprämien<br />
bereits reduziert wurden, sind Elektrofahrzeuge weiterhin<br />
Markttreiber<br />
Umweltpolitik<br />
Wasser/<br />
Abwasser<br />
Luftreinhaltung<br />
Bodensanierung<br />
• Hoher Bedarf an<br />
ausländischer<br />
Technologie<br />
Wirtschaftlichkeit<br />
Energieeffizienz<br />
Grünes<br />
Bauen<br />
Recycling<br />
Smart City<br />
Innovative<br />
Werkstoffe<br />
Smart Grid<br />
• Nur selektiv<br />
lokale Champions<br />
• Know-how-Aufbau<br />
z.B. durch M & A<br />
• Global agierende<br />
chinesische Wettbewerber<br />
Industriepolitik<br />
Solar,<br />
Wind<br />
Elektromobilität<br />
Energiespeicherung<br />
2005 2010 2015 2020 2025<br />
„hoch“<br />
„gering“<br />
Marktreife<br />
Grafik 4: Umwelttechnik-Portfolio China<br />
Quelle: SusTech Consult
„Vom Klimakiller zum Klimaretter?“<br />
31<br />
steuerbefreit und in etlichen Städten von der Teilnahme an<br />
der Lotterie zur Kennzeichenvergabe ausgenommen und<br />
erhalten damit unproblematisch eine Zulassung. Umweltpolitische<br />
Motivationen zur Förderung der Elektromobilität<br />
müssen zwar nicht negiert, aber zumindest differenziert bewertet<br />
werden, da Elektrofahrzeuge zwar lokal emissionsfrei<br />
fahren und gerade in Mega-Städten wie Peking und Shanghai<br />
zu einer Reduzierung der Luftverschmutzung beitragen<br />
können, auf der anderen Seite aber die Stromerzeugung in<br />
China immer noch mehrheitlich auf emissionsintensiver<br />
Kohleverbrennung beruht.<br />
Die umfangreiche staatliche Förderung der Elektromobilität<br />
hat vor allem industriepolitische Gründe. Da Chinas Automobilhersteller<br />
beim Verbrennungsmotor technisch bislang<br />
nicht den Anschluss an westliche Firmen gefunden haben,<br />
sieht China die historische Chance die Weltmarktführerschaft<br />
in einem neuen automobilen Zeitalter zu übernehmen.<br />
In diesem Kontext ist auch die im September 2017 von<br />
der chinesischen Regierung endgültig beschlossene Quote<br />
für Elektroautos zu sehen. Von 2019 an müssen Hersteller,<br />
die mehr als 30.000 Autos im Jahr in China absetzen, mindestens<br />
10 Prozent ihrer Verkäufe mit elektrisch betriebenen<br />
Fahrzeugen erzielen, ab 2020 steigt der geforderte Anteil auf<br />
12 Prozent. Über hohe Reichweiten der Fahrzeuge und ein<br />
entsprechendes Kreditpunktesystem lassen sich die geforderten<br />
Anteile zwar senken, dennoch stellen die Regelungen<br />
– in Kombination mit ab 2020 geltenden Limits für den<br />
Durchschnittsverbrauch – eine Herausforderung insbesondere<br />
für westliche Hersteller mit aktuell geringem Angebot<br />
an Elektrofahrzeugen dar.<br />
Wettbewerbslandschaft<br />
Dementsprechend wird der Markt für Elektrofahrzeuge<br />
aktuell fast ausschließlich durch lokale Modelle geprägt.<br />
Chinesische Hersteller dominieren die Branche mit einem<br />
Marktanteil von ca. 95 Prozent. Angeführt wird der Markt<br />
Neue Wege sind nur für<br />
den kompliziert, der sie<br />
nicht kennt.<br />
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32 <strong>DCW</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> <strong>2018</strong><br />
von BYD und BAIC (Beijing Automotive), aber auch andere<br />
etablierte chinesische Autobauer wie Chery oder Geely gehören<br />
zu den Top-10-Marken, welche 2017 etwa 85 Prozent<br />
des Marktes auf sich vereint haben. Von sich reden macht<br />
aber vor allem ein ganzer Strauß an Elektromobilitäts-<br />
Startups wie NextEV/Nio, Faraday Future, Future Mobility/<br />
Byton, die hauptsächlich mit Kapital aus der chinesischen<br />
High-Tech-Industrie finanziert sind und mit angeworbenem<br />
westlichen Ingenieurs-Know-how dem globalen Marktführer<br />
Tesla Paroli bieten wollen.<br />
Tesla selbst kommt in China mit jährlich einigen tausend<br />
verkauften Fahrzeugen auf einen Marktanteil im geringen<br />
einstelligen Bereich – genauso wie die wenigen anderen<br />
ausländischen Hersteller, zu denen auch Daimler mit dem<br />
im Joint Venture mit BYD gefertigten Denza gehört. Folgt<br />
man den Verlautbarungen der internationalen Automobilhersteller<br />
soll sich dieses Bild aber bald ändern. Nahezu alle<br />
großen OEMs haben bis 2025 umfangreiche Modelloffensiven<br />
sowie Investitionen in die entsprechende Produktionsinfrastruktur<br />
in China angekündigt. Beispiel Volkswagen:<br />
10 Milliarden Euro plant der Konzern zusammen mit dem<br />
Partner Anhui Jianghuai Automobile (JAC) in die Elektromobilität<br />
zu investieren. Mit rund 40 Modellen sollen im<br />
Jahr 2025 etwa 1,5 Millionen Fahrzeuge verkauft werden.<br />
Chancen für deutsche Unternehmen<br />
Trotz der schwachen Ausgangssituation und der schwierigen<br />
politischen Rahmenbedingungen bietet der chinesische<br />
Markt gute Chancen für die deutschen Automobilhersteller.<br />
Mit ihrer jahrzehntelangen Präsenz vor Ort, ihrer Markenstärke<br />
und Erfahrungen in der Volumenproduktion kann<br />
ein „Aufholen“ bezüglich Marktanteilen in China gelingen.<br />
Neben der staatlich erzwungenen Kooperation mit lokalen<br />
Joint-Venture-Partnern bietet die Zusammenarbeit mit chinesischen<br />
Technologiekonzernen insbesondere im Bereich der<br />
Digitalisierung oder dem autonomen Fahren große Chancen.<br />
So kooperiert Audi seit 2016 in China mit Baidu, Alibaba und<br />
Tencent zu Themen des vernetzten Automobils.<br />
In der Zuliefererbranche stehen etliche Unternehmen mit<br />
dem Übergang vom Verbrennungs- zum Elektromotor zwar<br />
vor strukturellen Herausforderungen, gleichzeitig bedeuten<br />
neue Designs und Funktionalitäten aber auch Chancen für<br />
Hersteller beispielsweise von Innenraumkomponenten.<br />
Während der Batteriemarkt auch aufgrund von politischen<br />
Vorgaben absehbar stark in chinesischer Hand sein dürfte,<br />
ergeben sich Marktpotenziale für innovative Kontroll- und<br />
Steuerungstechnologien wie zum Beispiel Batteriemanagementsystemen<br />
(BMS) oder Sensoren für autonomes Fahren.<br />
Auch die Integration von Brennstoffzellen als Reichweitenverlängerer<br />
bzw. APU (auxiliary power unit) in Elektrofahrzeugen<br />
bietet aktuell Möglichkeiten zur technologischen<br />
Positionierung. Im Bereich der Ladeinfrastruktur, die mit<br />
steigenden Zulassungszahlen einen rasanten Ausbau erlebt,<br />
ist insbesondere die Lokalisierung von Produkten und<br />
Anpassung an bzw. Entwicklung von lokalen Standards ein<br />
Erfolgsfaktor. Beispielhaft kann hier der deutsche Elektrotechnikhersteller<br />
Phoenix Contact genannt werden, der seit<br />
2016 in Nanjing eine Tochtergesellschaft für lokale Elektromobilitätsanwendungen<br />
unterhält.<br />
Sektorbeispiel: Bodensanierung<br />
Marktentwicklung<br />
Auch wenn die Verschmutzung von Böden – im Gegensatz<br />
zu Luft und Wasser – oftmals nicht direkt sicht- und spürbar
„Vom Klimakiller zum Klimaretter?“<br />
33<br />
ist, gibt es inzwischen in China eine recht breite öffentliche<br />
Wahrnehmung des Problems. Offizielle und belastbare<br />
Daten zum Ausmaß der Verunreinigungen sind allerdings<br />
Mangelware: Laut einer 2014 in Teilen veröffentlichten<br />
Regierungsstudie aus den Jahren 2006–2011 sind knapp<br />
20 Prozent des chinesischen Ackerlandes mit Schadstoffen<br />
kontaminiert ⁵ – andere Schätzungen gehen weit darüber<br />
hinaus. Die Herausforderung wird umso deutlicher, wenn<br />
man bedenkt, dass China bei einem Bevölkerungsanteil von<br />
ca. 18 Prozent nur über ca. 7 Prozent der weltweit landwirtschaftlich<br />
nutzbaren Fläche verfügt. Gleichzeitig sind aber<br />
auch urbane Siedlungsräume von Verunreinigungen insbesondere<br />
durch frühere industrielle Aktivität betroffen.<br />
Der 2016 verabschiedete „Soil Action Plan“ setzt das Ziel bis<br />
zum Jahr 2020 90 Prozent des verschmutzten Ackerlandes<br />
sicher nutzbar zu machen. Bis 2030 soll dieser Anteil auf<br />
95 Prozent steigen. Als Maßnahmen werden neben einem<br />
besseren Monitoring auch die Erweiterung des regulatorischen<br />
Rahmenwerks durch Gesetze und Standards genannt.<br />
Das ursprünglich für 2017 angekündigte „Soil Environmental<br />
Protection Law“ befindet sich aktuell allerdings noch<br />
im Gesetzgebungsverfahren. Wesentlicher Bestandteil des<br />
Action Plans ist die Identifizierung und Entwicklung von<br />
relevanten Technologien zur Altlastensanierung. Basierend<br />
auf einer technologischen Bestandsaufnahme sollen bis zum<br />
Jahr 2020 etwa 200 Pilotprojekte realisiert werden.<br />
Während die Sanierungsprojekte im 12. Fünfjahresplan<br />
bis 2015 noch stark auf drei Provinzen (Jiangsu, Hunan,<br />
Beijing) konzentriert waren, zeigt eine Analyse der 2017<br />
ausgeschriebenen und vergebenen Projekte eine breite<br />
landesweite Verteilung. Auftraggeber dieser Projekte sind in<br />
der Regel lokale Regierungen oder Industrieunternehmen<br />
aus den Sektoren Raffinerie und Chemie sowie Bergbau und<br />
Metallurgie. Unter technischen Aspekten kommen bis heute<br />
vor allem Verfestigungs- und Stabilisierungsverfahren zum<br />
Einsatz, aber zunehmend auch chemisch-physikalische und<br />
biologische Verfahren. Der noch junge Markt der Bodensanierung<br />
zeichnet sich dementsprechend durch rasante<br />
Wachstumsraten aus: Nachdem der Marktwert in 2015 noch<br />
ca. 500 Millionen Euro betrug, wuchs dieser auf bereits ca.<br />
3 Milliarden Euro in 2017 an.<br />
Wettbewerbslandschaft<br />
Der absehbare Bedeutungszuwachs der Altlastensanierung<br />
in China hat in den letzten Jahren eine Vielzahl von lokalen<br />
Unternehmen angezogen. Schätzungen gehen von bis zu<br />
500 Firmen mit Aktivitäten im Bereich der Altlastensanierung<br />
aus. In dieser hochgradig fragmentierten und sehr<br />
regional geprägten Branche dürften allerdings nur 50 bis 70<br />
Unternehmen als nachhaltig wettbewerbsfähig angesehen<br />
werden. Zu den Marktführern mit einschlägiger Projekterfahrung<br />
und entsprechender Ressourcenausstattung gehören<br />
BCEG Environmental Remediation, Beijing GeoEnviron<br />
Engineering & Technology und Yonker Environmental Protection.<br />
Letztere hatte 2015 mit der 51-Prozent-Übernahme<br />
des amerikanischen Bodensanierungsspezialisten Integrated<br />
Science & Technology (IST) auf sich aufmerksam gemacht.<br />
Chancen für deutsche Unternehmen<br />
In China besteht ein hoher Bedarf sowohl an etablierter<br />
als auch innovativer Technologie im Bereich der Altlastensanierung.<br />
Seit zwei bis drei Jahren positionieren sich<br />
daher ausländische Technologie- und Industrieführer für<br />
ihren Markteintritt in der Volksrepublik und gehen Kooperationen<br />
mit lokalen Umwelttechnikfirmen ein, die über<br />
die nötigen lokalen Kontakte, personelle und finanzielle<br />
Ressourcen sowie die nötigen Betriebserlaubnisse in China<br />
verfügen. Aus Deutschland haben Unternehmen wie die<br />
Züblin Umwelttechnik erfolgreich erste Kooperationsvereinbarungen<br />
und Projekte mit chinesischen Partnern<br />
abgeschlossen. In der Regel umfassen solche Kooperationen<br />
mehrere Elemente wie<br />
1. eine regional und technologisch spezifizierte Lizenzvergabe<br />
an den chinesischen Partner,<br />
2. technische und beraterische Dienstleistungen im Rahmen<br />
einzelner Projekte sowie<br />
3. die Lieferung von Maschinen und Anlagen zur Durchführung<br />
von Projekten.<br />
Zusammenfassung und<br />
Handlungsempfehlungen<br />
Für etliche Umwelttechnologien ist China der größte Markt<br />
weltweit, in einigen Bereichen sogar schon zum „Leitmarkt“<br />
hinsichtlich Produktion, Nachfrage aber auch technologischer<br />
Trends aufgestiegen. So bietet China nicht nur Chancen<br />
für in reifen Märkten etablierte technische Lösungen,<br />
sondern auch attraktive Potenziale für innovative Technologien<br />
und mit der Kombination aus Marktbedarf, Verfügbarkeit<br />
von Investitionskapital sowie politischer Unterstützung<br />
ein Rahmenwerk zu deren Skalierung. Gleichzeitig ist der<br />
Markt aber von hoher Komplexität geprägt. Herausforderungen<br />
für ausländische Unternehmen zur nachhaltigen
34 <strong>DCW</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> <strong>2018</strong><br />
Partizipation an den Geschäftschancen beinhalten vor<br />
allem:<br />
• intensives Wettbewerbsumfeld mit zahlreichen aufstrebenden<br />
lokalen Anbietern aus China;<br />
• industriepolitische Maßnahmen zur Förderung starker<br />
lokaler Champions;<br />
• regulatorische Standards, die sich oftmals noch im Aufbau<br />
befinden;<br />
• geringe Transparenz bezüglich spezifischer Submärkte<br />
und konkretem Technologiebedarf.<br />
Welche Handlungsempfehlungen für deutsche Unternehmen<br />
lassen sich aus den geschilderten Chancen und Herausforderungen<br />
ableiten? Während sich der Umwelttechniksektor<br />
als sehr heterogene Branche einer allgemeingültigen<br />
Analyse entzieht, lassen sich doch einige Erfolgsfaktoren<br />
und Empfehlungen zum grundsätzlichen Vorgehen nennen:<br />
• Verständnis der Markttreiber („Welches Problem gilt es<br />
konkret zu lösen?“) und Definition des adressierbaren<br />
Zielmarktes (z. B. geografisch nach Provinzen, nach<br />
Applikationen und Kundengruppen, nach technischen<br />
Anforderungen);<br />
• strukturierte Partnersuche basierend auf einem klaren<br />
Anforderungsprofil mit der Identifizierung von „Fallback-Optionen“;<br />
• Klarheit zu möglichen Geschäfts- und Finanzierungsmodellen<br />
für den Markteintritt in China (z. B. über<br />
strategische Partnerschaften, Lizenzvergabe, lokale Joint<br />
Ventures, Kapitalbeteiligungen in Deutschland);<br />
• ganzheitliche Betrachtung des Themas Technologieschutz<br />
unter Einbeziehung rechtlicher Mittel (z. B.<br />
Patentanmeldungen in China) und kommerzieller Konstrukte<br />
(z. B. Incentivierung des chinesischen Partners)<br />
Chinas Weg zum Klimaretter – und vor allem Umweltretter<br />
– wird noch ein sehr langer sein. Der chinesische Umwelttechnikmarkt<br />
mit seinen unterschiedlichen Facetten wird<br />
daher auch mittel- und langfristig ein Wachstumsmarkt<br />
bleiben. Deutsche Unternehmen haben mit ihren vielfältigen<br />
und hochentwickelten Technologie-Portfolios viel zu<br />
bieten für diesen Markt. ■<br />
1 Vom Klimakiller zum Klimaretter, Zeit Online, URL: www.<br />
zeit.de/wirtschaft/2017-06/china-li-keqiang-donald-trumpklimaschutz-g20,<br />
01.07.2017.<br />
2 China 2050 High Renewable Energy Penetration Scenario and<br />
Roadmap Study, Energy Research Institute of National Development<br />
and Reform Commission, April 2015.<br />
3 Top 10 module suppliers in 2017, PV Tech, URL: www.pv-tech.<br />
org/editors-blog/top-10-module-suppliers-in-2017, 15.01.<strong>2018</strong>.<br />
4 China Association of Automobile Manufacturers, URL:<br />
nev.ofweek.com/<strong>2018</strong>-01/ART-71008-8440-30188525.html,<br />
12.01.<strong>2018</strong>.<br />
5 Nationwide Soil Pollution Survey Report, Ministry of Environmental<br />
Protection und Ministry of Land and Resources, April<br />
2014.<br />
Bruno Rudnik<br />
Managing Director<br />
SusTech Consult<br />
Bruno Rudnik ist Geschäftsführer<br />
der SusTech<br />
Consult und Fachsprecher<br />
für Umwelttechnologien<br />
der Deutsch-Chinesischen<br />
Wirtschaftsvereinigung. Seit<br />
15 Jahren berät er insbesondere<br />
europäische und<br />
chinesische Unternehmen zu Investitionsprojekten in<br />
den globalen Wachstumsmärkten. Aufgrund seiner<br />
langjährigen Tätigkeit in China verfügt Herr Rudnik über<br />
intensive Kenntnisse der lokalen Geschäftsbedingungen.<br />
Er studierte Betriebswirtschaft und Chinesisch an<br />
der Universität Passau sowie in Lund/Schweden und<br />
Qingdao/China.<br />
Tel.: +49 89 3791 3888<br />
E-Mail: rudnik@sustech-consult.de<br />
SusTech Consult<br />
SusTech Consult identifiziert Markteintritts-, Skalierungs-<br />
und Finanzierungschancen für Umwelttechnologien<br />
in China und Indien. Ein Schwerpunkt liegt<br />
dabei auf Energieeffizienz, Erneuerbaren Energien,<br />
Wassertechnik, Kreislauf- und Abfallwirtschaft sowie<br />
Biochemie/-kunststoffen. SusTech Consult generiert<br />
Markttransparenz, erarbeitet Handlungsempfehlungen<br />
und unterstützt bei deren Umsetzung.<br />
SusTech Consult<br />
Goethestraße 43, 80336 München<br />
Internet: www.sustech-consult.de
Update Recht und Steuern<br />
35<br />
Jiawei Wang, Vivian Yao<br />
Update Recht und Steuern<br />
Unter geänderten Rahmenbedingungen in China investieren<br />
Rückschau und Ausblick:<br />
Gesetzes- und Regeländerungen<br />
in der Volksrepublik China 2017<br />
Zwei Schlagworte prägen den Wandel Chinas von der Werkbank<br />
der Welt hin zu einer Hochtechnologie- und Dienstleistungsgesellschaft:<br />
„Made in China 2025“ und „Belt and<br />
Road Initiative“. Sowohl für „Made in China 2025“, dem<br />
Gegenstück zum deutschen Vorzeigeprojekt „Industrie 4.0“,<br />
als auch beim wohl größten Infrastrukturprojekt der Welt<br />
handelt es sich ganz klar um Prestigeprojekte der chinesischen<br />
Führung. So ist der Großteil der angestoßenen und<br />
kommenden Reformen darauf ausgerichtet, die ambitionierten<br />
Ziele dieser beiden Strategien umzusetzen und zu<br />
erreichen.<br />
Die Modernisierung der Wirtschaft wird durch eine umfangreiche<br />
Förderungs- und Reformpolitik stetig vorangetrieben.<br />
Die Erfolgsaussichten für deutsche Unternehmen<br />
bleiben in dieser vom Wandel geprägten Phase vielfältig.<br />
Dennoch stehen den vielen Chancen auch Herausforderungen<br />
gegenüber – dies gilt insbesondere für deutsche Unternehmen,<br />
die auf unvorhergesehene Hindernisse treffen.<br />
Ursachen sind neben kulturellen Unterschieden vor allem<br />
rechtliche und steuerliche Besonderheiten, u. a. beim Kauf<br />
und Verkauf von Unternehmen.<br />
Begleitet wird dieser Wandel durch zahlreiche Neuerungen<br />
bei der Gesetzgebung im Jahr 2017. In diesem Beitrag wird<br />
auf Folgende eingegangen:<br />
• der Investitionslenkungskatalog 2017,<br />
• einheitliches Verfahren zur Ausstellung der Arbeitserlaubnis,<br />
• verschärfte Regelungen zum grenzüberschreitenden<br />
Kapitalverkehr.<br />
1. Der Investitionslenkungskatalog<br />
2017<br />
Eine der wichtigsten Lektüren vor dem Markteintritt ist<br />
der sogenannte Foreign Investment Industrial Guidance<br />
Catalogue (Investitionslenkungskatalog). In diesem werden<br />
alle für ausländische Investoren zulässigen und unzulässigen<br />
Investitionsbereiche und -branchen festgelegt. Denn nicht<br />
in jedem Bereich dürfen sich ausländische Investoren frei<br />
betätigen.<br />
Aktuell jedoch versucht die chinesische Regierung wieder<br />
verstärkt, Direktinvestitionen in das Reich der Mitte zu<br />
locken, und schafft damit neue Impulse und Möglichkeiten<br />
für deutsche Unternehmen.<br />
Der Investitionskatalog unterteilt Investitionsvorhaben je<br />
nach Industriebereich in die Kategorien „gefördert“, „reglementiert“<br />
und „verboten“. Nicht aufgeführte Bereiche gelten<br />
grundsätzlich als erlaubt. Für Projekte aus dem geförderten<br />
Bereich können häufig Steuervorteile oder anderweitige<br />
Vergünstigungen beantragt werden. Bei reglementierten<br />
Vorhaben werden in der Regel kritische Prüfungen durch<br />
die zuständigen Behörden vorgenommen, in deren Verlauf<br />
oft eine Vielzahl von Nachweisen seitens der Investoren<br />
erbracht werden müssen.<br />
Zu den geförderten Bereichen gehören größtenteils Projekte<br />
die besonderes Know-how erfordern. Ein weiteres wichtiges<br />
Kriterium: Investitionsvorhaben sollten in Einklang mit den<br />
von der chinesischen Regierung veröffentlichten Fünfjahresplänen<br />
stehen. Geförderte Projekte finden sich zum Beispiel<br />
im Bereich Umweltschutz oder Luftfahrt.<br />
Als reglementierte bzw. beschränkte oder verbotene Investitionsvorhaben<br />
werden Projekte eingestuft, die erhöhte
36 <strong>DCW</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> <strong>2018</strong><br />
Umweltbelastungen hervorrufen, in denen Überkapazitäten<br />
bestehen oder die von der chinesischen Führung als sensibel<br />
eingeordnet werden, beispielsweise bestimmte Projekte in<br />
den Bereichen Bildung oder Medien.<br />
Zusammenfassung und Ausblick<br />
Zu Beginn des Jahres wurden die Beschränkungen für ausländische<br />
Investoren in zahlreichen Bereichen, vor allem im<br />
Bank- und Versicherungswesen sowie im Wertpapier- und<br />
Vermögensverwaltungsgeschäft, weiter abgebaut.<br />
Gleichzeitig soll die Bandbreite der Finanzierungsmöglichkeiten<br />
von ausländisch investierten Unternehmen in China<br />
kräftig erweitert werden, was künftig die Begebung von<br />
Unternehmensanleihen, Wandelschuldverschreibungen und<br />
gar eine Notierung von Aktien an den Börsen in Shanghai<br />
und Shenzhen erlauben wird.<br />
Um das Investitionsklima weiter zu verbessern, sollen derzeit<br />
noch stark beschränkte Sektoren weiter geöffnet werden<br />
und ausländischen Investoren ein besserer Zugang gewährt<br />
werden. Dazu zählen unter anderem der Telekommunikations-<br />
und Internetbereich, das Kultur- und Erziehungswesen,<br />
der Transport- und Eisenbahnausrüstungssektor sowie<br />
die konventionelle Ölförderung und der Bergbau. Hier<br />
dürften sich auch für deutsche Unternehmen interessante<br />
Betätigungsfelder eröffnen, wobei die noch zu erlassenden<br />
Details und Ausführungsbestimmungen genau im Auge zu<br />
behalten sind.<br />
2. Einheitliches Verfahren zur<br />
Ausstellung der Arbeitserlaubnis<br />
Bereits im September 2016 kündigte die „State Administration<br />
of Foreign Experts Affairs“ (SAFEA) an, das „Pilotprogramm<br />
des Systems zur Erlangung der Arbeitserlaubnis für<br />
in China arbeitende Ausländer“ in neun Pilotregionen zu<br />
implementieren. Mit dem 1. April 2017 trat die Anordnung<br />
landesweit in Kraft. Mit der Einführung sollen vor allem<br />
administrative Hindernisse beseitigt und die Kommunikation<br />
vereinfacht werden, die durch unklare und teilweise<br />
überlappende Verantwortlichkeiten unterschiedlichster Behörden<br />
entstanden sind. Ein weiteres Ziel ist die Reduktion<br />
des zeitlichen Aufwands, den das Genehmigungsverfahren<br />
nach sich zog.<br />
Das neue Verfahren – One-Stop-Shop<br />
Mit dem Zusammenlegen des Arbeitsamtes mit dem Büro<br />
für ausländische Experten sowie der Übertragung entsprechender<br />
Genehmigungsbefugnisse ist eine neue Abteilung<br />
entstanden, die der Leitung und Aufsicht entweder des<br />
Arbeitsamtes oder des Expertenbüros unterstellt ist. Aufgabe<br />
der Abteilung ist die Prüfung, Vereinheitlichung und<br />
Ausstellung der „Alien Employment License Notice“ für<br />
normale Ausländer und Experten. Reisen die Antragsteller<br />
nach China ein, so obliegt die erneute Prüfung und Ausstellung<br />
des „Alien Work Permit“ der internen Abteilung.<br />
Mit der Einführung des neuen Systems wird die Datenbank<br />
der Abteilung mit den gespeicherten Informationen der<br />
Expatriates verwendet, um sie mit den Datenbanken des<br />
Ministeriums für öffentliche Sicherheit und dessen lokalen<br />
Büros für den Informationsaustausch zu vernetzen.<br />
Papierlose Anträge<br />
Einer der vielen Kritikpunkte am alten System war unter<br />
anderem, dass die erforderlichen Dokumente in Papierform<br />
eingereicht werden mussten. Dennoch existierte kein<br />
einheitliches Format für die Dokumentenabgabe. Dies<br />
verleitete die Beamten dazu, die eingereichten Dokumente<br />
überkritisch auf Formulierungen oder Übersetzungen zu<br />
überprüfen. Dieser Umstand führte dazu, dass eine zeitliche<br />
Einschätzung des gesamten Genehmigungsprozesses, auch<br />
mit Hilfe von externen Beratern, nicht möglich war. So<br />
wurden unter Umständen Übersetzungen des Lebenslaufes<br />
oder akademischer Grade angezweifelt und mussten durch<br />
den Antragsteller korrigiert eingereicht werden.<br />
Mit Inkrafttreten der neuen Vorschriften fällt der Vorlagezwang<br />
für den persönlichen Lebenslauf und ein formelles<br />
Anschreiben zum Zeitpunkt der Antragstellung weg. Den<br />
Antragstellern ist es seit April möglich, die entsprechenden<br />
Dokumente bequem online einzureichen. Allerdings<br />
ist noch nicht geklärt, ob personalisierte Dokumente, die<br />
fehlerhaft sind oder nicht den strikten Formatansprüchen<br />
entsprechen, durch die Behörden schnell genug angezeigt<br />
werden können, um dem Antragsteller eine rechtzeitige<br />
Korrektur oder Ausbesserung zu ermöglichen.<br />
Identifikationsnummern für Expatriates<br />
Ein weiterer Kritikpunkt am alten System war der aufwändige<br />
Prozess. Gerade Arbeitstransfers von ausländischen<br />
Fachkräften zwischen verschiedenen chinesischen Städten
Update Recht und Steuern<br />
37<br />
zogen einen erheblichen Aufwand nach sich. So mussten<br />
verschiedene Formalitäten bei den Arbeitsämtern und anderen<br />
Behörden erledigt werden. Seit Einführung des neuen<br />
Systems werden den Genehmigungsinhabern einzigartige<br />
und lebenslang gültige ID-Nummern zugewiesen, die in<br />
der Arbeitserlaubnis vermerkt werden. Die oben genannten<br />
Behördengänge werden somit auf ein Minimum reduziert.<br />
Drei-Stufen-Klassifizierung von Expatriates<br />
Mussten Ausländer für eine Arbeitserlaubnis bis zum<br />
1. April 2017 noch mindestens zwei Jahre Berufserfahrung<br />
vorweisen, entfällt dieser Fakt mit der Umsetzung der neuen<br />
Regelungen. Auch etwaige Verlängerungen der Laufzeiten<br />
der Arbeitsgenehmigungen – in der Regel wurden die<br />
Genehmigungen für ein bis fünf Jahre ausgestellt – entfallen.<br />
Um Risiken durch einen möglichen Kontrollverlust<br />
zu vermeiden, wurden in der Praxis regelmäßig einjährige<br />
Genehmigungen ausgestellt.<br />
Das neue System orientiert sich an international gebräuchlichen<br />
Standards. So wird zur Bewertung der Kandidaten<br />
beispielsweise der „Job Guidance Catalogue“, das „Point-<br />
Based Classification System“ oder der „Market Demand<br />
Test“ einbezogen. Die Nutzung dieser Werkzeuge dürfte sich<br />
substanziell auf die Ermessensspielräume der Behörden auswirken.<br />
Zudem wird der Prüfungs- und Bewertungsmaßstab<br />
durch den Einsatz der internationalen Tools objektiver<br />
und transparenter. Bewerber bzw. Antragssteller werden in<br />
diesen Fällen auf Basis ihrer Ausbildung, ihres Alters, ihres<br />
Gehaltsniveaus, ihrer Berufserfahrung usw. in die Gruppen<br />
A, B und C klassifiziert.<br />
Die einzelnen Prüfkriterien werden je nach Einstufung mit<br />
Punktwerten versehen. Beispielsweise kann der Antragsteller<br />
beim Jahreseinkommen bis zu 20 Punkte erhalten.<br />
Jedoch muss das Jahresgehalt 450.000 Renminbi oder<br />
mehr betragen. Bei einer Gehaltsspanne von 150.000 bis<br />
249.999 Renminbi sind es hingegen nur 11 Punkte, die dem<br />
Antragsteller gutgeschrieben werden. Insgesamt werden<br />
neun Einzelkategorien zur Prüfung und Vergabe von Punkten<br />
herangezogen. Werden die einzelnen Werte zusammengerechnet,<br />
ergibt sich ein Bild wie in Tabelle 1 dargestellt.<br />
Kategorie A Top Talent > 85 Punkte<br />
Kategorie B Professional Talent 60–85 Punkte<br />
Kategorie C Ungelernte Kräfte < 60 Punkte<br />
Tabelle 1: Drei-Stufen-Klassifizierung von Expatriates<br />
Zusammenfassung und Ausblick<br />
Ganz klar wird ersichtlich, dass Top-Talente die präferierten<br />
Fachkräfte für den chinesischen Markt sind. Doch das ist im<br />
internationalen Vergleich nicht ungewöhnlich. Der Fachkräftemangel<br />
ist kein deutsches Phänomen, sondern spiegelt<br />
sich auch anderorts wieder.<br />
Die praktische Anwendung der neuen Regelungen zeigt,<br />
dass sich die Vorteile, die sich durch die Gruppenzugehörigkeit<br />
in Kategorie A ergeben, nicht von der Hand weisen<br />
lassen. Unter anderem ist der Verwaltungsaufwand um<br />
einiges geringer als bei Antragsstellern, die von vornherein<br />
der Kategorie B oder C zugeordnet werden. Wie sich dies<br />
langfristig auf ausländische Mitarbeiter in China auswirken<br />
wird, bleibt derzeit noch abzuwarten.<br />
3. Verschärfte Regelungen beim<br />
grenzüberschreitenden Kapitalverkehr<br />
Die Problematik einer verschärften Kapitalflucht aus China<br />
in das Ausland hat die chinesische Zentralbank und die<br />
ihr angegliederte Devisenmanagementbehörde SAFE dazu<br />
bewogen, eine Reihe von Maßnahmen zur Kontrolle und<br />
Überwachung von Devisen- und Kapitaltransfers zu ergreifen.<br />
Seit Bekanntgabe hadern vor allem ausländische Investoren<br />
mit den neuen Maßnahmen. Unternehmen fürchten,<br />
dass erhöhte Kapitalverkehrsbeschränkungen in China auf<br />
dem Vormarsch sein könnten.<br />
Anpassung der Berichtspflichten für<br />
Bartransaktionen<br />
Bereits Ende Dezember 2016 hatte die Zentralbank einen<br />
vorhandenen Vorschriftenkatalog zu Berichtspflichten<br />
der Finanzinstitute bei großvolumigen und verdächtigen<br />
Transaktionen revidiert. Der neue Erlass und geänderte<br />
Vorschriftenkatalog trat am 1. Juli 2017 in Kraft.<br />
Demnach wird im neuen Erlass die Schwelle für eine Berichtspflicht<br />
von Bartransaktionen für Einzahlungen und<br />
Abhebungen von bisher 200.000 Renminbi auf 50.000 Renminbi<br />
gesenkt.<br />
Im Zuge der Neuregelung unterliegen künftig neben den<br />
traditionellen Geschäftsbanken weitere Zahlungsverkehrsdienstleiter<br />
der Berichtspflicht. Dazu zählen beispielsweise
38 <strong>DCW</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> <strong>2018</strong><br />
der Branchenführer für Onlinebezahlsysteme Alipay, aber<br />
auch Fondsgesellschaften.<br />
Die Devisenumtauschquote für Privatpersonen im Gegenwert<br />
von 50.000 US-Dollar pro Kalenderjahr bzw. 10.000 US-<br />
Dollar pro Transaktionstag bleiben von der Neuregelung<br />
unberührt. Allerdings müssen chinesische Kunden künftig<br />
wesentlich aufwändigere Formulare für den Devisentausch<br />
ausfüllen und versichern, dass Transaktionen nicht dem<br />
Erwerb von Immobilien im Ausland, Finanzinvestments oder<br />
sonstigen unerlaubten Verwendungszwecken dienen.<br />
Zusammenfassung und Ausblick<br />
Unserer Beobachtung nach stellen diese Maßnahmen<br />
derzeit keine Einschränkungen des Kapitalverkehrs dar.<br />
Vielmehr dienen sie in erster Linie dazu, auch bislang<br />
illegale Devisentransfers zu unterbinden, bzw. schärfer zu<br />
kontrollieren. Der Fokus liegt insbesondere auf der Eindämmung<br />
der Kapitalausfuhr zum Zweck von Immobilienkäufen<br />
im Ausland. Gerade vor diesem Hintergrund wurden in<br />
den letzten Jahren große Investitionen durch vermögende<br />
Chinesen getätigt. Ein weiteres Ziel der Maßnahmen sind<br />
die stärkere Überwachung und das Vermeiden von Geldwäscheaktivitäten<br />
oder die Terrorismusfinanzierung.<br />
4. Steueränderungen 2017 –<br />
Verschärfte Gesetze<br />
Als Reaktion auf Chinas wirtschaftliche Umstrukturierung<br />
hat die staatliche Steuerverwaltung („SAT“) im Jahr 2017<br />
eine Reihe von Steuerreformen umgesetzt. Einerseits betont<br />
die chinesische Regierung, weiterhin ausländisches Kapital<br />
anziehen zu wollen, Dienstleistungen mit hohem Mehrwert<br />
anzukurbeln und eine grüne Wirtschaft zu fördern,<br />
andererseits haben die chinesischen Steuerbehörden eine<br />
Reihe von Maßnahmen auf Grundlage der Bekämpfung von<br />
Steuervermeidung und die Überwachung des Managements<br />
im Sinne der Steuer-Compliance implementiert. Diese<br />
Maßnahmen sollen die Effizienz der Steuerbehörden in der<br />
Strafverfolgung steigern.<br />
Ausübung der Steueraufsicht und das<br />
„Golden Tax Phase III“-Steuerverwaltungssystem<br />
vor dem Hintergrund von Big Data<br />
In den letzten Jahren haben Chinas Steuerbehörden ihre<br />
Steuerangelegenheiten, einschließlich Auslandszahlungen<br />
und Anträge auf Steuervergünstigung in Nichthandelspositionen,<br />
schrittweise von dem vorherigen Genehmigungssystem<br />
auf das „In Time“- und Ex-post-Überwachungssystem<br />
umgestellt. Einerseits vereinfacht es den Prüfungs- und<br />
Genehmigungsprozess der Steuerangelegenheiten für<br />
Steuerpflichtige und spart Zeit für die Steuererhebung,<br />
andererseits stellt es aber auch höhere Anforderungen an<br />
das unternehmenseigene Steuer-Compliance-Management.<br />
Sobald die Steuerbehörden in einer späteren Phase der<br />
Prüfung Verstöße gegen einschlägige Steuerangelegenheiten<br />
feststellen, können zusätzlich zu den zu zahlenden Steuern<br />
entsprechende Gebühren für verspätete Zahlungen erhoben<br />
und eine Steuerstrafe, die im schlimmsten Fall das Fünffache<br />
der Besteuerungsgrundlage betragen kann, verhängt<br />
werden.<br />
Bis Ende 2016 wurde das Steuerverwaltungssystem „Golden<br />
Tax Phase III“ landesweit eingeführt. Seit der Einführung<br />
des Systems haben die Steuererhebungs- und<br />
-verwaltungsmaßnahmen in China drastische Änderungen<br />
durchlaufen: Das automatische dimensionsübergreifende<br />
Daten-Cross-Check-System macht die Steuerinformationen<br />
regionenübergreifend transparent. Unternehmen mit Steuerunregelmäßigkeiten<br />
werden so mit einem großen Risiko<br />
konfrontiert.<br />
Mit der vollständigen Umsetzung der „Golden Tax Phase<br />
III“ fließen die statistischen Daten der nationalen Besteuerung<br />
in den „Big Data“-Pool ein. „Golden Tax Phase III“<br />
ist nicht nur ein Werkzeug für die Steuererklärung, sondern<br />
auch eine Plattform für den Informationsaustausch<br />
zwischen Unternehmen und Steuerbehörden. Durch diese<br />
Plattform soll das Steuermanagement und die Risikokontrolle<br />
für die staatliche Verwaltung der Besteuerung<br />
effektiver und bequemer gestaltet werden. Wenn sich<br />
Steuerpflichtige mit ihrer Identifikationsnummer für die<br />
Steuererklärung auf der „Golden Tax Phase III“-Plattform<br />
einloggen, wird künftig der gesamte Cashflow sowie<br />
der Rechnungsfluss des Unternehmens nachvollziehbar<br />
dargestellt. Das wiederum heißt, dass künftig dem Rechnungsmanagement<br />
auf Unternehmensseite mehr Bedeutung<br />
zukommt.<br />
„Golden Tax Phase III“ kann nicht nur die einzelnen Unternehmensdaten<br />
genauer untersuchen, sondern auch die Big-<br />
Data-Plattform nutzen, um Daten innerhalb der Unternehmensbranche<br />
zu vergleichen. Die „Golden Tax Phase III“<br />
verfügt über ein Frühwarn- und Bewertungssystem, dass<br />
die Gewinn- und Steuerquote des Unternehmens nach den<br />
Abschlussinformationen abschätzt und mit branchenübli-
Update Recht und Steuern<br />
39<br />
chen Daten vergleichen kann. Wenn die Gewinnmarge des<br />
Unternehmens gravierend vom Durchschnittswert abweicht<br />
und der Steuersatz niedriger ist als der von den Steuerbehörden<br />
festgelegte Steuersatz, dann wird das Unternehmen<br />
vom System als mögliches Objekt für Steuer-Compliance<br />
herausgefiltert. Die Prüfung der Steuerbehörden erfolgt<br />
somit gezielter und effizienter.<br />
Derzeit befinden sich die chinesischen Steuerbehörden in<br />
einer Validierungsphase und treten mit Unternehmen, die<br />
vom Durchschnittswert abweichen, in Kontakt, um die<br />
Gründe für die anormalen Daten der „Golden Tax Phase<br />
III“ zu hinterfragen und bei Verstößen Strafen zu verhängen.<br />
Wir können davon ausgehen, dass Chinas Steuerbehörden<br />
in naher Zukunft die Daten mit anderen Behörden wie<br />
z. B. Zollamt, Sozialversicherungsamt, Wirtschaftsministerium,<br />
Banken, Ausreise- und Einreisebehörden, Immobilienverwaltungen<br />
etc. austauschen bzw. abgleichen werden.<br />
Durch die vollständige Nutzung der Daten von Dritten wird<br />
die Effektivität der Steuererhebung und -verwaltung der<br />
Steuerbehörden weiter verbessert, während die Anforderungen<br />
der Steuer-Compliance-Vorschriften für Unternehmen<br />
stetig zunehmen werden.<br />
Facettenreiche Umsetzung der BEPS-Aktionen<br />
in China<br />
Der Common-Reporting-Standard in China<br />
Durch die Veröffentlichung der „Administrative Measures<br />
on Due Diligence of Financial Account Information to Tax<br />
Matters of Nonresidents“ (Erlass 14 vom 9. Mai 2017), die<br />
gemeinsam von der chinesischen Steuerverwaltung (State<br />
Administration of Taxation – SAT) und fünf weiteren<br />
Behörden erteilt wurde, wurde ein Prozess für die Durchführung<br />
des Common-Reporting Reporting-Standards<br />
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40 <strong>DCW</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> <strong>2018</strong><br />
(CRS) in China festgelegt. Dabei sollen die Finanzinstitute<br />
in China ab dem 1. Juli 2017 eine Due Diligence auf allen<br />
neu eröffneten und bereits bestehenden Finanzkonten<br />
durchführen, um die Steueransässigkeit der einzelnen bzw.<br />
organisationsbezogenen Kontoinhaber zu identifizieren. Für<br />
Finanzkonten, die von Nichtansässigen gehalten werden,<br />
sollen Finanzinstitute jährlich detaillierte Angaben über die<br />
Kontoinhaber, die Kontoinformationen, den Bestand bis<br />
zum Kalenderjahresende, die Kapitalerträge im Kalenderjahr<br />
usw. an die SAT melden.<br />
Die Kombination aus CRS und Erlass 14 wird erhebliche<br />
Auswirkungen auf die Steuerbelastung des globalen<br />
Einkommens für in China Ansässige und Nichtansässige<br />
haben. Für die chinesische Finanzverwaltung ist es generell<br />
schwierig, ausländische Einkünfte chinesischer Ansässiger<br />
zu identifizieren, sofern die betreffenden Vermögenswerte<br />
außerhalb Chinas übermittelt werden. Allerdings ermöglicht<br />
das automatisch arbeitende CRS-Informationsaustauschsystem<br />
ein breites Spektrum an Transparenz hinsichtlich<br />
der globalen Einkommensdaten. Darüber hinaus wird<br />
durch die Berücksichtigung der Niedrigsteuerländer wie<br />
bspw. der Schweiz, Singapur, der Britischen Jungferninseln<br />
bzw. der Cayman-Inseln die Nutzung von Steueroasen nicht<br />
länger möglich sein.<br />
Es wird insbesondere darauf hingewiesen, dass der Erlass 14<br />
die Erhebung der Finanzkontoinformationen der Personen<br />
mit doppeltem steuerlichem Wohnsitz verlangt, d. h. Personen,<br />
die sowohl in China als auch in einem ausländischen<br />
Staat nach dem Doppelbesteuerungsabkommen einen steuerlichen<br />
Sitz aufweisen. Diese Anforderung füllt die Lücke<br />
im Informationsaustausch bezüglich chinesischer Staatsbürger<br />
mit doppelter Staatsangehörigkeit oder einem ständigen<br />
Wohnsitz in einem fremden Land. Immigrierte chinesische<br />
Staatsbürger werden somit mit deutlichen Steuernachteilen<br />
konfrontiert.<br />
Des Weiteren wurden durch den Erlass 14 passive Nichtfinanzinstitute<br />
definiert und die Identifikation der tatsächlich<br />
dahinterstehenden Lenker vorgeschrieben. Im Zusammenhang<br />
mit passiven Nichtfinanzinstituten, die von nicht in<br />
China ansässigen Personen gesteuert werden, fordert die<br />
SAT ebenso Einzelheiten zu den Finanzkonten ein. Dadurch<br />
sollen Investmentinstitute transparent und die dahinterstehenden<br />
Nichtansässigen auffindbar gemacht werden.<br />
Wie im OECD-Musterabkommen enthalten, stellt der steuerliche<br />
Informationsaustausch keinen unbekannten Begriff<br />
dar. Die von CRS und Erlass 14 bereitgestellte Informationsaustauschplattform,<br />
welche automatisch und uneingeschränkt<br />
funktioniert, wird eine Steuerbelastung von<br />
Finanzanlagen weltweit unumgänglich machen und auch in<br />
der Praxis künftige Steuerhinterziehungen vermeiden. CRS<br />
ist ihrem Wesen nach eine steuerliche Angelegenheit, die<br />
zu einer der wichtigsten Maßnahmen und Instrumente bei<br />
der Bekämpfung der Steuerhinterziehung in China werden<br />
könnte.<br />
Aktualisierung der Verrechnungspreisregelungen<br />
In den Jahren 2016 und 2017 veröffentlichte die SAT die<br />
neuen Verrechnungspreisregelungen (Verrechnungspreis<br />
– VP) zu Berichtpflichten (SAT-Bekanntmachung [2016]<br />
Nr. 42), die Verbesserung der Verwaltung von Advance-Pricing-Arrangements<br />
(SAT-Bekanntmachung [2016] Nr. 64)<br />
und die Verwaltungsvorschriften zur speziellen Steueruntersuchung<br />
und -anpassung sowie dem Verständigungsverfahren<br />
(„SAT-Bekanntmachung [2017] Nr. 6), um positiv auf<br />
den BEPS-Aktionsplan der OECD zu reagieren.<br />
Im Rahmen der neuen Verrechnungspreisregelungen hat<br />
China für die gleichzeitige Verrechnungspreisdokumentation<br />
seit dem Jahr 2016 die von der OECD empfohlenen<br />
dreistufigen Dokumentenanforderungen angenommen und<br />
eine multilaterale Vereinbarung zwischen den zuständigen<br />
Behörden über Country-by-Country-Reporting (CbCR)<br />
unterzeichnet. Nach der Vereinbarung wird der erste Austausch<br />
von CbCR mit den Steuerbehörden anderer teilnehmender<br />
Länder voraussichtlich im Jahr <strong>2018</strong> stattfinden.<br />
Chinas neu veröffentlichte Verrechnungspreisregelungen<br />
beziehen sich im Allgemeinen auf die BEPS-Ergebnisse der<br />
OECD, unterscheiden sich jedoch auf folgende Weise:<br />
• Das Safe-Harbor-Kriterium für geringwertige Dienstleistungen,<br />
das von der OECD durchgesetzt wird, wird<br />
nicht anerkannt. Die konsistente Position von SAT zu<br />
„sechsstufigen Tests für Dienstleistungen“ wird fortgesetzt.<br />
Dienstleistungen, die für den Empfänger nicht<br />
vorteilhaft sind, dürfen nicht als Dienstleistungskosten<br />
vor Steuern abgezogen werden.<br />
• Die chinesischen Steuerbehörden verweisen auf den<br />
grundlegenden Inhalt der OECD-Richtlinien und<br />
erläutern, dass Unternehmen, die nur das Eigentum an<br />
immateriellen Vermögenswerten besitzen aber nicht<br />
zum Wert der immateriellen Vermögenswerte beitragen,<br />
nicht bei der Verteilung der durch immaterielle<br />
Vermögenswerte generierten Einnahmen berücksichtigt
Update Recht und Steuern<br />
41<br />
werden können. Wenn Unternehmen während der Bildung<br />
und Nutzung der immateriellen Vermögenswerte<br />
nur Mittel anbieten, ohne entsprechende Funktionen<br />
durchzuführen oder Risiken zu tragen, sollen die Unternehmen<br />
nur eine angemessene Kapitalrendite erhalten.<br />
Außerdem betont die Bekanntmachung, dass die beiden<br />
Parteien regelmäßig prüfen sollen, ob sich die immateriellen<br />
Vermögenswerte grundlegend geändert haben.<br />
Unternehmen können nur dann Lizenzgebühren zahlen,<br />
wenn sie mit den immateriellen Vermögenswerten Einnahmen<br />
erzielen.<br />
• Neben den „DEMPE“-Funktionen der OECD, die zum<br />
Wert der immateriellen Vermögenswerte beitragen,<br />
fügte China auch die Funktion „Promotion“ hinzu<br />
(DEMPE+P).<br />
• Auch wenn die Bekanntmachung der Auffassung der<br />
OECD zustimmt, dass lokale Sonderfaktoren wie Kosteneinsparungen<br />
und Marktprämien nicht als eine Form<br />
von immateriellen Vermögenswerten angesehen werden,<br />
betont die Bekanntmachung dennoch, dass diese<br />
Faktoren bei der Preisgestaltung für Transaktionen von<br />
verbundenen Unternehmen umfassend berücksichtigt<br />
werden sollten.<br />
• Die Kapitalanpassung gilt nur für die Verarbeitung auf<br />
Bestellung und die Gewinnanpassung darf nicht mehr<br />
als zehn Prozent betragen.<br />
• Wenn das tatsächliche Gewinnniveau des Unternehmens<br />
niedriger als der Medianwert der Gewinnspanne der<br />
vergleichbaren Unternehmen ist, soll es grundsätzlich<br />
auf einen Wert angepasst werden, der mindestens dem<br />
Medianwert entspricht. Die OECD akzeptiert den Wert,<br />
sofern das Gewinnniveau innerhalb des Interquartilsabstands<br />
liegt, folglich wird es in Übereinstimmung mit<br />
dem Fremdvergleichsgrundsatz angesehen.<br />
Darüber hinaus erläutert die SAT-Bekanntmachung [2017]<br />
Nr. 6 auch die Rechtsmittel, die Steuerzahler für die von den<br />
Steuerbehörden durchgeführte spezielle Steueranpassung<br />
anwenden können, und bietet nach der endgültigen Anpassungsentscheidung<br />
der chinesischen Steuerbehörden den<br />
Steuerzahlern eine Rechtsgrundlage für weitere Verhandlungen.<br />
Zu den Rechtsmitteln gehören administrative Überprüfungen,<br />
administrative Gerichtsverfahren und Verständigungsverfahren.<br />
Es ist anzumerken, dass die obengenannten<br />
Maßnahmen nur anwendbar sind, wenn die chinesischen<br />
Steuerpflichtigen ihre Steuern bezahlt haben und die Tatsache<br />
der Doppelbesteuerung besteht. Dies kann eine große wirtschaftliche<br />
Belastung für die Steuerzahler bedeuten.<br />
Chinesische Regierung unterzeichnet<br />
„BEPS-Multilateral-Instrument“<br />
Im Juni 2017 nahm China an der Unterzeichnungszeremonie<br />
der OECD in Paris teil und unterzeichnete gemeinsam<br />
mit 67 anderen Ländern ein „Mehrseitiges Übereinkommen<br />
zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Maßnahmen<br />
zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung“<br />
im Rahmen des BEPS-Projektes der OECD. Das<br />
Inkrafttreten der entsprechenden Änderungen wird voraussichtlich<br />
nach <strong>2018</strong> erfolgen.<br />
Grundsätzlich hat China nur die Klauseln gewählt, die dem<br />
Mindeststandard des Übereinkommens entsprechen. Jedoch<br />
bedeutet es nicht, dass China in Bezug auf die Planungen<br />
zur Umsetzung einen niedrigen Standard hat. Stattdessen<br />
hat China bereits vor den BEPS-Aktionen einige OECD-<br />
Vorschläge (wie z. B. den Missbrauch des Abkommens und<br />
die künstliche Vermeidung von Betriebsstätten) bei der<br />
Entwicklung seiner innerstaatlichen Regelungen vorgelegt.<br />
China hat bei dem sechsten BEPS-Aktionsplan, d. h. „Verhinderung<br />
der unzulänglichen Erteilung von Zugeständnissen<br />
an Steuerabkommen“ nur die vorgeschlagene Mindestnorm<br />
„Prüfung des Hauptzweckes“ angenommen. Aber<br />
Chinas innerstaatliche Regelung ist noch strenger bei der<br />
Bewertung der wirtschaftlichen Eigentümer. In der Praxis<br />
verlangen die Steuerbehörden auch, dass der Antragsteller<br />
relevante Informationen wie die Finanzinformationen der<br />
Gesellschafter, das Titelzertifikat bzw. den Leasingvertrag<br />
der registrierten Adresse, das Organigramm und den Gesellschafterbeschluss<br />
in der nachfolgenden Prüfungsphase<br />
einreicht.<br />
Förderung der technologischen Innovation und<br />
staatliche Förderung mit steuerlichen Anreizen<br />
Im traditionellen Körperschaftsteuersystem (Corporate Income<br />
Tax – CIT) in China gilt es, technologische Innovation<br />
zu fördern. Beispielsweise kommen qualifizierte Unternehmen<br />
der Hoch- und Neutechnologie (HNTE) in den Vorzug<br />
eines reduzierten CIT-Steuersatzes von 15 Prozent (allgemeiner<br />
Steuersatz beträgt 25 Prozent) und bei anfallenden Forschungs-<br />
und Entwicklungskosten kann vor der Berechnung<br />
der CIT ein Abzug von 150 Prozent vorgenommen werden,<br />
der sogenannte Super-Abzug.<br />
Zur weiteren Förderung von kleinen Unternehmen bei Investitionen<br />
in den Bereich Forschung & Entwicklung (F&E) und<br />
zur Unterstützung der technologischen Innovation erhöht<br />
sich für die Periode vom 1. Januar 2017 bis zum 31. Dezember
42 <strong>DCW</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> <strong>2018</strong><br />
2019 der Super-Abzug für Kosten im Bereich F&E von 50 auf<br />
75 Prozent. Unter Berücksichtigung, dass die Abschreibung<br />
der immateriellen Vermögenswerte mehrere Jahren betrifft,<br />
können auf jene immateriellen Vermögenswerte, die in der<br />
F&E-Phase entstanden sind, innerhalb des oben genannten<br />
Zeitraums 175 Prozent abgeschrieben werden.<br />
Außerdem hat der chinesische Staatsrat im August 2017<br />
entschieden, die Steuervergünstigungen für Unternehmen,<br />
die sich in einem oder mehreren der vorgeschriebenen<br />
Outsourcing-Services mit fortschrittlicher Technologie<br />
engagieren (d. h. Informationstechnologie-Outsourcing,<br />
Business Process Outsourcing und Knowledge Process<br />
Outsourcing), nach den Tests in ausgewählten Pilotstädten,<br />
landesweit einzuführen, d. h. von den bisher ausgewählten<br />
Service-Outsourcing-Pilotstädten landesweit auszuweiten.<br />
Die Initiative zielt darauf ab, dass die ausländischen Investitionen<br />
eine aktive Rolle für die Optimierung der Dienstleistungshandelsstruktur<br />
spielen und mehr Investitionen in den<br />
Bereich der Services mit Hoch- und Neutechnologie und<br />
hoher Wertschöpfung fließen. Obwohl Service-Unternehmen<br />
mit fortschrittlicher Technologie den Steuersatz wie<br />
HNTE von 15 Prozent genießen können, sind die Unternehmen<br />
nicht verpflichtet, Recht an geistigem Eigentum zu besitzen.<br />
Das heißt, die Schwelle der Vorteile ist noch geringer.<br />
5. Ausblick: Steuerliche Entwicklung<br />
in China <strong>2018</strong><br />
Implementierung der Steueranreize für Reinvestitionen<br />
von ausländischen Unternehmen<br />
Als eine wichtige Maßnahme zur Anziehung ausländischer<br />
Investitionen in China werden verschiedene finanzielle und<br />
steuerliche Begünstigungen eingeführt. Wenn ausländische<br />
Investoren Dividenden von in China ansässigen Unternehmen<br />
direkt in geförderte Investitionsprojekte einzahlen,<br />
können sie die Vorzüge der Steuerabgrenzungsbehandlung<br />
genießen und vorübergehend von der Quellensteuerverpflichtung<br />
befreit werden. Die detaillierten Durchführungsmaßnahmen<br />
werden im Jahr <strong>2018</strong> erwartet.<br />
Vor 2008 war die Gewinnausschüttung aus chinesischen<br />
Unternehmen an ausländische Investoren von der Quellensteuer<br />
ausgenommen. Seit dem Jahr 2008 müssen die<br />
ins Ausland gezahlten Dividenden nach dem nationalen<br />
Gesetz 10 Prozent der Quellensteuer oder nach Doppelbesteuerungsabkommen<br />
einem reduzierten Quellensteuersatz<br />
unterliegen, so gilt z. B. gemäß dem neuen Doppelbesteuerungsabkommen<br />
(DBA) zwischen China und Deutschland<br />
ein reduzierter Quellensteuersatz auf Gewinnausschüttung<br />
von Tochtergesellschaften von fünf Prozent, sofern die Beteiligung<br />
der Muttergesellschaft an den Tochtergesellschaften<br />
mehr als 25 Prozent beträgt. Auch wenn ausländische<br />
Investoren die Gewinne wieder in China anlegen, werden<br />
diese Gewinne noch als Gewinnausschüttung ins Ausland<br />
angesehen und der Quellensteuer in China unterliegen.<br />
Um die Steuerbelastung bei Reinvestments<br />
zu vermeiden, können multinationale<br />
Unternehmen mit gewisser<br />
Größe durch Einrichtung<br />
einer Investitionsgesellschaft in<br />
China die Gewinne aus chinesischen<br />
Investitionen zur Wiederinvestition<br />
zentralisieren.<br />
Kleineren mittelständischen<br />
Unternehmen fällt es schwer,<br />
dies zu realisieren. Obwohl<br />
diese Regelung die Quellensteuer<br />
auf Gewinnausschüttung<br />
für Wiederinvestition nicht vollständig<br />
reduziert und aufheben<br />
wird, kann sie die Steuerbelastung<br />
der Quellensteuer verschieben, was<br />
einen erheblichen Vorteil für kleinere<br />
Unternehmen mit sich bringt, die weitere<br />
Investitionen in China anstreben.<br />
Verabschiedung der Umweltschutzsteuer<br />
Regelungen zum Umweltschutz sollen verschärft werden,<br />
somit wurde am 1. Januar <strong>2018</strong> eine neue Umweltschutzsteuer<br />
eingeführt. Sie soll die bisherigen Emissionsgebühren<br />
ersetzen und sieht eine Besteuerung für Luft-, Wasser-,<br />
Lärm- und Feststoffemissionen vor. Die Zuständigkeit für die<br />
Erhebung der Abgabe wechselt von den offenbar als ineffizient<br />
betrachteten Umweltbehörden zu den Steuerbehörden.<br />
Die Umweltbehörden bleiben jedoch für die Überwachung<br />
und das Erfassen der Emissionen zuständig. Die Höhe der<br />
Steuer hängt vom Schadstoff und seiner Emissionsmenge ab.<br />
Auch können subnationale Regierungen mit Genehmigung<br />
der Volkskongresse auf Provinzebene den Mindeststeuersatz<br />
für Luft- und Wasserverschmutzung bis auf das Zehnfache<br />
erhöhen. Nicht jede Emission ist steuerpflichtig: So sind<br />
z. B. Emissionen durch mobile Verursacher wie Kraft- und
Update Recht und Steuern<br />
43<br />
Schienenfahrzeuge, Schiffe und Flugzeuge ausgenommen.<br />
Gleiches gilt für indirekte Emissionen, d. h. Schadstoffe, die<br />
in rechtmäßig betriebenen Müll- und Entsorgungsanlagen<br />
entsorgt werden. Der Staat belohnt die Vermeidung von<br />
Emissionen: So wird z. B. der Steuersatz um 50 Prozent reduziert,<br />
wenn die Emissionskonzentration um mindestens die<br />
Hälfte unter dem nationalen oder lokalen Emissionsstandard<br />
liegt. Unternehmen werden zu prüfen haben, ob sie ab <strong>2018</strong><br />
wegen Umweltbelastungen steuerpflichtig sein werden und<br />
welche Kosten entweder durch die Steuer oder durch<br />
technologische Maßnahmen zur Vermeidung<br />
von Umweltbelastungen entstehen.<br />
6. Ausblick und<br />
Trend: Chinas<br />
Entwicklungen<br />
2019 – 2022<br />
Reform der privaten<br />
Einkommensteuer<br />
Derzeit führt China ein klassifiziertes<br />
Besteuerungssystem<br />
für die private Einkommensteuer<br />
(IIT) ein, d. h. persönliche Einkommen<br />
wie Lohn und Gehälter,<br />
Vergütungen für persönlich erbrachte<br />
Leistungen, Erträge aus Vermögensübertragung<br />
usw., die in insgesamt elf Kategorien<br />
klassifiziert sind und von der jede Kategorie unterschiedlichen<br />
Besteuerungsmethoden unterliegt. Wegen der<br />
vereinzelten steuerlichen Behandlungen und erheblichen<br />
Unterschiede bei den Steuersätzen können die tatsächlichen<br />
Steuerbelastungen für Steuerpflichtige mit mehreren Einkommensquellen<br />
verhältnismäßig niedrig ausfallen, daher<br />
ist es aktuell noch umstritten, ob dieses System Steuergerechtigkeit<br />
gewährleistet. Seit 2006 hat China die jährliche<br />
Selbsterklärung für Jahreseinkommen von mehr als 120.000<br />
Renminbi eingeführt, die als eine zusammengefasste Erklärung<br />
für persönliche jährliche Einkommen dient. Aktuell<br />
fällt es den Steuerbehörden schwer, die Echtheit der Angaben<br />
zu kontrollieren. Nur mittels Verbesserung der Verwaltung<br />
durch Akkumulation persönlicher Daten mitthilfe der<br />
neu eingeführten Big-Data-Plattform (die auf z. B. Steuerverwaltung,<br />
Bank, Immobilienverwaltung, etc. zugreift)<br />
können relevante Eigentumsinformationen vervollständigt<br />
werden und einheitliche Personenidentifikation erfolgen.<br />
Die Reform kann auch die „Einheit“ der Steuerpflichtigen<br />
verändern, d. h. eine Umkategorisierung von Individuum<br />
zur Familie kann erfolgen. Aus Sicht der Steuergerechtigkeit<br />
kann die Familien-Erhebungsmethode das Prinzip der Steuergerechtigkeit<br />
besser gewährleisten. Jedoch erfordert sie<br />
eine bessere Unterstützung durch das Verwaltungssystem,<br />
höheres Unterstützungssystem , beispielsweise ein verbessertes<br />
Haushaltsregistersystem (hukou).<br />
Fazit und Ausblick<br />
Während die Steuererhebung gesetzlich verstärkt wird, hat<br />
China auch erhebliche Steueranreize geschaffen, um weiterhin<br />
ausländische Investitionen in regierungsgeförderten<br />
Industriezentren anzuziehen. Die kontinuierliche Verbesserung<br />
des Steuerumfelds bietet insbesondere deutschen<br />
Unternehmen zahlreiche Möglichkeiten, steuerliche Vorteile<br />
zu nutzen.<br />
Zu empfehlen ist deutschen Unternehmen, die Kontrolle<br />
der internen Finanzprozesse und des Datenmanagements<br />
zu stärken, um die Steuer-Compliance im Zusammenhang<br />
mit Big Data besser zu bedienen. Zudem sollte als Reaktion<br />
auf Chinas wachsende Steuererhebung auch verstärkt auf<br />
die Steuer-Compliance geachtet werden, die von anderen<br />
Regierungsapparaten gefordert wird.<br />
Die chinesische Regierung hat sich aktiv für BEPS eingesetzt<br />
und die Beteiligung an der internationalen Anti-Steuervermeidung<br />
forciert. Die Umsetzung der BEPS-Operation in<br />
China mit deutschen Unternehmen sollte weiter verfolgt<br />
werden. Wir raten deutschen Unternehmen, die Geschäftsvereinbarungen<br />
ihres Unternehmens zeitnah zu prüfen und<br />
anzupassen, um mit den neuen Maßnahmen der chinesischen<br />
Steuerbehörden in der Bekämpfung von Steuervermeidung<br />
konform zu werden.<br />
Auch deutsche Unternehmen, die beabsichtigen, in China<br />
zu investieren, sollten auf Änderungen in der Steuerpolitik<br />
achten, die ihre Branche betreffen. Nach der landesweiten<br />
Einführung der Präferenz-Einkommensteuerpolitik für<br />
technologisch fortschrittliche Dienstleistungsunternehmen<br />
können betroffene Unternehmen beispielsweise neue<br />
Servicefunktionen mit geringeren technischen Anforderungen<br />
für ihre technischen Forschungs- und Entwicklungsabteilungen<br />
statt in den östlichen Regionen Chinas. wo die<br />
Personalkonzentration und die Betriebskosten hoch sind, in<br />
anderen Regionen mit niedrigeren Betriebskosten etablieren.<br />
Unternehmen, die beabsichtigen, ihre bestehenden,<br />
nicht ausgeschütteten Gewinne in Kapital umzuwandeln,
44 <strong>DCW</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> <strong>2018</strong><br />
können die Aussetzung ihrer Ausschüttung in Erwägung<br />
ziehen, um die Präferenzpolitik einer aufgeschobenen Investition<br />
zu nutzen, wenn die Richtlinie für latente Steuerzahlung<br />
der einbehaltenen Quellensteuer geklärt ist.<br />
Für Deutsche, die in China arbeiten, sollte das individuelle<br />
Einkommen korrekt und vollständig gemäß den Gesetzen<br />
und Vorschriften Chinas und Deutschlands gemeldet<br />
werden. Das auf Big Data basierende chinesische Steuererhebungssystem<br />
wird verstecktes Einkommen definitiv<br />
nachweisbar machen. Nach der Einführung von CRS in<br />
China werden die Finanzkontoinformationen von Ausländern<br />
in China automatisch mit dem Herkunftsland ausgetauscht.<br />
Die unvollständige Erklärung des persönlichen<br />
Einkommens kann Strafzahlungen aus beiden Ländern zur<br />
Folge haben und persönliche Kredit-, Einwanderungs- und<br />
andere negative Auswirkungen mit sich bringen. ■<br />
Jiawei Wang, LL.M.<br />
Registered Foreign Lawyer<br />
(China)<br />
Associate Partner<br />
Leiter China Practice Stuttgart<br />
Jiawei Wang, LL.M., ist<br />
Lüshi (in China zugelassener<br />
Rechtsanwalt) und Associate<br />
Partner bei Rödl &<br />
Partner. Seine Laufbahn bei<br />
Rödl & Partner begann er in<br />
der Shanghaier Niederlassung, wechselte 2012 nach<br />
Deutschland und übernahm 2013 die Leitung der China<br />
Practice am Standort Stuttgart.<br />
Sein Beratungsschwerpunkt mit Bezug zum chinesischen<br />
Recht liegt im Gesellschafts- und Arbeitsrecht<br />
und internationalem Handelsrecht sowie in der Begleitung<br />
von M&A-Transaktionen. Herr Wang hat Rechtswissenschaft<br />
in Shanghai und in Heidelberg studiert.<br />
Er ist Referent und Autor zu China-relevanten Themen.<br />
Zudem ist Jiawei Wang Stellvertretender Vorsitzender<br />
der Deutsch-Chinesischen Wirtschaftsvereinigung<br />
(<strong>DCW</strong> e.V.) für die Region Baden-Württemberg.<br />
Tel.: +49 711 781914-32<br />
E-Mail: jiawei.wang@roedl.pro<br />
Vivian Yao<br />
Chinese Certified Tax Advisor<br />
Partnerin<br />
Leiterin Steuern<br />
Vivian Yao ist Partnerin,<br />
chinesische Steuerberaterin<br />
und begann im Jahr<br />
1999 ihre Rödl & Partner-<br />
Laufbahn. Frau Yao berät<br />
Unternehmen vom Standort<br />
in Shanghai aus und ist<br />
als Leiterin des Steuerteams China auf alle Arten der<br />
Besteuerung in China spezialisiert und setzt ihre Kenntnisse<br />
in nationalen sowie internationalen Projekten ein.<br />
Darüber hinaus berät sie Mandanten aus verschiedenen<br />
Branchen bei deren Direktinvestitionen in China<br />
und begleitet sowohl europäische als auch chinesische<br />
Unternehmen bei M&A-Transaktionen und Umstrukturierungen<br />
in China.<br />
Frau Yao referiert zu Themen des chinesischen und<br />
internationalen Steuerrechts und zur Steuerplanung, zu<br />
Verrechnungspreisen sowie zur Einkommensteuer in<br />
China. Sie ist zudem als Moderatorin für die Auslandshandelskammer<br />
in Shanghai tätig. Darüber hinaus<br />
verfasst Vivian Yao Fachartikel zu diesen Themen und<br />
verantwortet den China-Newsletter von Rödl & Partner.<br />
Tel.: +86 21 6163-5200<br />
E-Mail: vivian.yao@roedl.pro<br />
Rödl & Partner<br />
Rödl & Partner Stuttgart<br />
Friedrichstraße 6, 70174 Stuttgart<br />
Rödl & Partner Shanghai<br />
31/F LJZ Plaza, 1600 Century Avenue,<br />
Shanghai 200122, VR China
Das neue chinesische Sozialkreditsystem<br />
45<br />
Dr. Jörg-Michael Scheil<br />
Das neue chinesische Sozialkreditsystem<br />
Rechtliche Struktur und Auswirkungen auf deutsche Unternehmen<br />
Einleitung<br />
In einer Untersuchung zur Rechtswirklichkeit in China<br />
unter den Bedingungen fortwährender Transformation der<br />
Gesellschaft haben chinesische Autoren vor einigen Jahren<br />
den Begriff „law without order“ geprägt.1 Grundproblem ist<br />
eine nur schwach ausgeprägte innere Bereitschaft zu freiwilliger<br />
Normbefolgung und eine Neigung zu opportunistischem<br />
Verhalten, deren Ursachen der Verfasser kürzlich an<br />
anderer Stelle untersucht hat.2 Es zeichnet sich ab, dass die<br />
Partei- und Staatsführung auf genau diese Problemlage mit<br />
neuen Ansätzen der Sozialkontrolle reagieren will.<br />
1. Programmatische Grundlage<br />
Mit einem Papier vom 14. Juni 2014 hat der chinesische<br />
Staatsrat in Form eines Programmpapiers die Grundlage für<br />
die Einführung eines weitreichenden und ambitionierten<br />
neuen Programms der Sozialkontrolle gelegt, des sogenannten<br />
Sozialkreditsystems.3 Als Ziel dieses Programms wird<br />
angegeben, eine Kultur der Aufrichtigkeit zu errichten und<br />
die Ehrlichkeit der gesamten Gesellschaft zu erhöhen.⁴ Das<br />
System erhebt den Anspruch, auf einer wissenschaftlichen<br />
Basis zu beruhen. Es soll bis 2020 vollständig eingeführt<br />
werden.<br />
Die Vorschriften der Stadt Shanghai vom 30. Dezember<br />
2015 ⁵ stellen – in rechtlicher Umsetzung des Programmpapiers<br />
– wichtige Aspekte der konkreten Arbeitsweise des<br />
öffentlichen Kreditinformationssystem relativ systematisch<br />
und umfassend dar und sollen daher im Folgenden näher<br />
betrachtet werden. Diese werden ergänzt durch neuere Vorschriften<br />
aus Shanghai vom 23. Juni 2017.⁶<br />
2. Grundlegende Begriffe<br />
Öffentliche Kreditinformationen werden grundsätzlich<br />
als Daten und Materialien über natürliche und juristische<br />
Personen definiert, die von Verwaltungsorganen, Justizorganen<br />
und anderen Organisationen, denen Befugnisse zur<br />
Verwaltung öffentlicher Angelegenheiten verliehen wurden,<br />
im Zuge der Erfüllung ihrer Aufgaben oder Erbringung<br />
von Dienstleistungen generiert oder erlangt wurden. Die<br />
betroffenen natürlichen oder juristischen Personen werden<br />
als die „Datensubjekte“ des Systems aufgefasst. Das städtische<br />
Amt für die Digitalisierung der Wirtschaft ist die<br />
zuständige Behörde für öffentliche Kreditinformationen, die<br />
eine einheitliche Kreditinformationsplattform zur Sammlung<br />
und Abfrage relevanter Daten betreibt. Diese Plattform<br />
kann über die Internet-Seite www.sheitc.gov.cn aufgerufen<br />
werden. Am Systemkreislauf sind weiterhin die sogenannten<br />
Daten-Provider-Einheiten sowie die Datenabfrageeinheiten<br />
beteiligt.<br />
3. Kreis der Datensubjekte<br />
und Daten<br />
Das System in Shanghai erfasst relevante Daten aller<br />
natürlichen Personen über 18 Jahre. Zu den erfassten<br />
Basisdaten gehören der Name, die Nummer des Personalausweises,<br />
der Beschäftigungsstatus, Bildungsabschluss,<br />
Familienstand sowie professionelle Qualifikationen und<br />
Zulassungen. Von entscheidender Bedeutung ist der<br />
Eintrag sogenannter Vertrauensverlustdaten, also solcher<br />
Umstände, die einen negativen Einfluss auf den Kreditstatus<br />
haben. Hierzu gehören Steuer-, Gebühren- und<br />
Sozialversicherungsrückstände, frühere falsche Angaben,<br />
Verwaltungsstrafen und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen,<br />
Bauordnungswidrigkeiten, Verstöße im Bereich der
46 <strong>DCW</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> <strong>2018</strong><br />
Produktqualität, Arbeits sicherheit oder des Umweltschutzes,<br />
aber auch Angaben zum Schwarzfahren in öffentlichen<br />
Verkehrsmitteln, Erschleichung von Sozialleistungen<br />
oder zum Prüfungsbetrug, sowie weiterhin strafrechtliche<br />
Verurteilungen, Nichterfüllung rechtskräftiger Urteile<br />
oder Zahlungsrückstände bei Strom-, Wasser- oder Gasrechnungen<br />
über mehr als sechs Monate. Belohnungen<br />
durch lokale Behörden, Freiwilligeneinsätze oder Spenden<br />
können positiv gewertet werden. Die Vorschriften regeln<br />
nicht, ob solche Belohnungen negative Faktoren ausgleichen<br />
können. Informationen über die Religionszugehörigkeit<br />
oder die Krankengeschichte dürfen nicht eingetragen<br />
werden. Die Eintragungen zu juristischen Personen<br />
entsprechen im Wesentlichen denen für Bürger.<br />
Die gesammelten Daten werden in öffentliche und nichtöffentliche<br />
Daten unterschieden. Hierbei gilt der Grundsatz,<br />
dass im Zweifel alle Daten nicht-öffentlich sind.⁷ Öffentlich<br />
sind nur diejenigen Daten, die bereits Gegenstand amtlicher<br />
Veröffentlichungen waren oder nach einschlägigen Vorschriften<br />
veröffentlichungspflichtig sind.<br />
4. Datenabfrage<br />
Voraussetzungen und Verfahren der Datenabfrage sind gesondert<br />
geregelt. In erster Linie ist eine Datenabfrage durch<br />
Verwaltungsorgane im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben<br />
vorgesehen, daneben auch die Abfrage im Rahmen<br />
öffentlicher Beschaffungsprozesse. Datenabfrageeinheiten<br />
müssen ein vollständiges Abfrageverzeichnis führen, in dem<br />
der Name der abfragenden Person, der Zeitpunkt, Inhalt<br />
und Zweck der Abfrage festgehalten wird. Dieses Verzeichnis<br />
soll „langfristig“ aufbewahrt werden. Eine öffentliche<br />
Einsicht in Daten ist am Serviceschalter der Behörde oder<br />
über die oben genannte Internetplattform möglich, soweit es<br />
sich um öffentliche Daten handelt. Eigene nicht-öffentliche<br />
Daten können von einem betroffenen Datensubjekt unter<br />
Vorlage des Personalausweises oder einer entsprechenden<br />
Autorisierung abgefragt werden.<br />
5. Kreditstatus und seine<br />
Auswirkungen<br />
Die Vorschriften lassen erkennen, dass die Einstufung der<br />
Datensubjekte hinsichtlich ihres Kreditstatus in verschiedene<br />
Grade erfolgen soll. Die genaue Abstufung dieser Grade<br />
wird aus der Vorschrift nicht ganz klar, aber offensichtlich<br />
soll es mindestens eine gute, nicht-gute und eine Einstufung<br />
mit besonders schwerwiegendem Vertrauensverlust geben.<br />
Datensubjekte mit guter Einstufung können bestimmte Vorteile<br />
und Vergünstigungen genießen. Dazu gehören Erleichterungen<br />
und Vereinfachungen bei Verwaltungsverfahren<br />
und öffentlichen Leistungen, die präferierte Berücksichtigung<br />
bei Subventionen und Steuererleichterungen sowie<br />
die präferierte Berücksichtigung bei öffentlichen Beschaffungsvorgängen<br />
und im Erwerb von Nutzungsrechten an<br />
staatlichem Land. Bei nicht-guter Einstufung muss das Datensubjekt<br />
mit verschärften Überprüfungen im Rahmen der<br />
regulären Verwaltungstätigkeit, verschärfter Überprüfung<br />
bei der Vergabe von Verwaltungslizenzen, der Streichung<br />
oder Einschränkung von Vergünstigungen, Einschränkungen<br />
bei der Teilnahme an öffentlichen Beschaffungsprozessen<br />
und staatlichem Landerwerb sowie Einschränkungen<br />
bei der Qualifikation als Organ von Unternehmen rechnen.<br />
Natürliche und juristische Personen mit besonders schwerwiegendem<br />
Vertrauensverlust werden in schwarze Listen<br />
eingetragen. Sie müssen mit Marktzugangsverboten, der<br />
Versagung von Registrierungen sowie der Entziehung von<br />
Geschäftslizenzen rechnen.<br />
Im Zusammenhang mit diesen Regelungen ermuntern die<br />
Vorschriften Bürger und Unternehmen, im Rechts- und<br />
Wirtschaftsverkehr einschlägige Kreditinformationen<br />
abzurufen, um dadurch Transaktionsrisiken zu reduzieren.⁸<br />
Diese ist eine der wenigen Stellen im Text der Vorschrift,<br />
an denen der Nutzen des Kreditinformationssystems aus<br />
der Perspektive privater Marktteilnehmer betrachtet wird.<br />
Ansonsten sind die Vorschriften überwiegend aus der<br />
Perspektive staatlicher Nutzer geschrieben.<br />
Die Einzelheiten des Umgangs mit Fällen des schwerwiegenden<br />
Vertrauensverlusts werden der Regelung verschiedener<br />
Fachbehörden überlassen. Die State Administration<br />
of Industry and Commerce hat im Dezember 2015 landesweit<br />
gültige Methoden über die Verwaltung von Listen für<br />
Unternehmen mit schwerwiegenden Rechtsverstößen oder<br />
Vertrauensverlust erlassen.⁹ Danach soll es eine landesweite<br />
Liste mit solchen Unternehmen geben (auch als „Schwarze<br />
Liste“ bezeichnet), die für die Öffentlichkeit über das Kreditinformationssystem<br />
verfügbar ist.<br />
Nach diesen SAIC-Methoden werden auf dieser Liste u. a.<br />
Unternehmen erfasst, die dreimal innerhalb von zwei Jahren<br />
wegen unlauteren Wettbewerbs, irreführender Werbung,<br />
der Schädigung von Verbraucherinteressen oder Markenverletzung<br />
bestraft worden sind.
Das neue chinesische Sozialkreditsystem<br />
47<br />
Vorschriften der Provinz Jiangsu regeln weitere Einzelheiten.<br />
Hier werden u. a. qualifizierte Verstöße gegen Vorschriften<br />
auf dem Gebiet der Produktionssicherheit, des Arneimittelrechts,<br />
Internetdienstleistungen, des Publikations- und<br />
Filmwesens sowie der Bauwirtschaft erfasst, bei denen Unternehmen<br />
auf die Schwarze Liste kommen können.1⁰<br />
6. Löschung und Berichtigung<br />
Negative Kreditinformationen sind fünf Jahre nach Beendigung<br />
des Kredit schädigenden Verhaltens zu löschen. Ein<br />
Datensubjekt kann einen Berichtigungsantrag an das Datenzentrum<br />
richten, wenn ein falscher Eintrag vorliegt, Geschäftsgeheimnisse<br />
bzw. die Privatsphäre berührt sind oder<br />
die Löschungsfrist erreicht wurde. Im Falle eines Berichtigungsantrags<br />
erfolgt ein Abgleich durch das Datenzentrum<br />
innerhalb von zwei Tagen. Bei bestrittenen Dateneinträgen<br />
kann das Datenzentrum einen entsprechenden Hinweis<br />
anbringen. Erfolgt keine Rückmeldung des Daten-Providers<br />
im Rahmen eines Abgleichs zu einem Eintrag, so kann das<br />
Datenzentrum davon absehen, den Eintrag weiter öffentlich<br />
zur Verfügung zu stellen.<br />
Die Shanghaier Maßnahmen von 2015 regeln nicht die Möglichkeit<br />
eines Verwaltungswiderspruchs gegen Handlungen<br />
oder Entscheidungen des Datenzentrums oder die Möglichkeit<br />
einer gerichtlichen Überprüfung im Wege des Verwaltungsprozesses.<br />
Ein solcher Rechtsweg soll aber eröffnet<br />
sein, wie sich aus anderen Vorschriften ergibt. So stellt<br />
Art. 37 der Shanghaier Vorschriften von 2017 klar, dass es<br />
sich bei der Feststellung des Kreditstatus, insbesondere des<br />
Vertrauensverlusts eines Datensubjekts, um einen Verwaltungsakt<br />
handelt, gegen den Verwaltungswiderspruch und<br />
Verwaltungsklage statthaft sind. Art. 16 der SAIC-Methoden<br />
bestätigt dies ebenfalls. An praktischen Erfahrungen mit<br />
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48 <strong>DCW</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> <strong>2018</strong><br />
Rechtsmitteln gegen solche Kreditstatuseinstufungen fehlt<br />
es bisher. Nach allgemeinem systematischen Verständnis<br />
müsste ein betroffenes Unternehmen einen zweistufigen<br />
Rechtsschutz genießen, nämlich einerseits die Überprüfung<br />
zugrunde liegender Sanktionen für relevante Rechtsverstöße<br />
nach den anwendbaren Sondervorschriften (also z. B. einen<br />
Bußgeldbescheid wegen Verletzung von Vorschriften zur<br />
Produktionssicherheit) und andererseits gegen die Festsetzung<br />
des Kreditstatus. Zwischen den zugrunde liegenden<br />
Sanktionen und der Festsetzung wird regelmäßig ein zeitlicher<br />
Abstand liegen, so dass bei Kenntnis des Betroffenen<br />
von der Verschlechterung seines Kreditstatus der ursprüngliche<br />
Verwaltungsakt bereits unanfechtbar geworden ist<br />
und somit auch in einem Rechtsmittelverfahren gegen die<br />
Feststellung des Kreditstatus nicht mehr überprüft werden<br />
kann. Sofern die Feststellung des Kreditstatus eine zwingend<br />
festgelegte Rechtsfolge einer bestimmten Art und Zahl von<br />
vorherigen Sanktionen ist, müsste in diesen Fällen auch das<br />
Rechtsmittel gegen die Festsetzung scheitern.<br />
7. Auswirkungen auf deutsche<br />
Unternehmen in China<br />
Die zuvor dargstellten Regelungen sind auf Tochtergesellschaften<br />
deutscher Unternehmen in China sowie deutschchinesische<br />
Joint-Venture-Unternehmen anwendbar. Kommen<br />
chinesische Behörden nach einer Untersuchung also<br />
zur Annahme eines Rechtsverstoßes, so kann sich daraus<br />
neben den unmittelbaren Rechtsfolgen des einschlägigen<br />
Sondergesetzes auch eine negative Auswirkung auf den Kreditstatus<br />
ergeben. Ein mangelhafter Kreditstatus oder vor<br />
allem die Auflistung als Unternehmen mit schwerem Vertrauensverlust<br />
haben weitreichenden und schwerwiegenden<br />
negativen Einfluss auf die wirtschaftlichen Betätigungsmöglichkeiten<br />
des Unternehmens in China, der schlimmstenfalls<br />
bis zu einem vollständigen Marktausschluss führen kann.<br />
8. Bewertung<br />
Das neue Sozialkreditsystem ist eines der umfangreichsten<br />
und weitreichendsten Programme staatlicher Sozialkontrolle<br />
der letzten Jahrzehnte, und dies nicht nur in China. Es<br />
nutzt die technischen Möglichkeiten der Digitalisierung von<br />
Daten in Verwaltung und Wirtschaft in einer neuartigen<br />
und umfassenden Weise. Dabei wird nicht nur auf staatlich<br />
gewonnene Datenquellen gesetzt, sondern auch auf die<br />
Bereitschaft der Bürger und Unternehmen, im Zuge elektronischer<br />
Geschäfts- und Verwaltungsvorgänge selbst Daten<br />
preiszugeben. Mehrere Kooperationsabkommen wurden<br />
mit großen Online-Unternehmen geschlossen. In diesem<br />
Aspekt besteht eine Ähnlichkeit zur Arbeitsweise von „big<br />
data“ in westlichen Gesellschaften.
Das neue chinesische Sozialkreditsystem<br />
49<br />
Im Mittelpunkt des Systems stehen Anreize und Abschreckung,<br />
die über Reputationsmechanismen wirken sollen.<br />
Dieser Ansatzpunkt ist an sich folgerichtig gewählt, denn<br />
er setzt dort an, wo es bisher die größten Schwachpunkte<br />
in der Gewährleistung rechts- und vertragskonformen<br />
Verhaltens gab, nämlich bei der Verfügbarkeit von Marktteilnehmern,<br />
die im eigenen Interesse ihre Verpflichtungen<br />
freiwillig einhalten und gleichzeitig auf ein entprechendes<br />
Verhalten ihrer Geschäftspartner vertrauen.11 Das Ziel,<br />
das der Staatsrat im Grundlagenpapier aus dem Juli 2014<br />
angegeben hat, nämlich die Ehrlichkeit der gesamten Gesellschaft<br />
zu erhöhen, ist sicherlich lobenswert. Das Dilemma<br />
ist, das ein Fehlen freiwilliger Befolgung und ein Vorherrschen<br />
opportunistischer Einstellungen letztlich auch durch<br />
ein noch so ausgeklügeltes und vollständiges technisches<br />
Kontrollsystem nicht erzwungen werden kann. Reputation<br />
kann nicht vom Staat in Form eines Verwaltungsaktes verliehen<br />
werden, sondern nur als Anerkennung durch andere<br />
Marktteilnehmer.<br />
Es ist zu begrüßen und spricht für die gründliche Konstruktion<br />
des Systems auch in juristischer Hinsicht, dass<br />
Bürgern und Unternehmen gegen die Feststellung des<br />
Kreditsstatus die gerichtliche Überprüfung ermöglicht<br />
wird. Dadurch scheint das neue System konsequent in das<br />
bisherige Rechtssystem eingeordnet zu sein. Eine gerichtliche<br />
Überprüfung wird für Betroffene aber nur dann in<br />
sinnvoller Weise möglich sein, wenn die Einstufungskriterien<br />
transparent gemacht werden. Die Vorschriften legen<br />
hierzu eine Grundlage, insofern drei verschiedenene Stufen<br />
des Kreditstatus normiert und Fallgruppen oder Tatbestände,<br />
die zur Einordnung in die verschiedenen Stufen führen,<br />
durch Aufzählungen oder Tabellen angegeben werden. Falls<br />
allerdings der Bewertungsmechanismus auf Algorithmen<br />
des Systems beruhen sollte, die von den Betroffenen nicht<br />
„nachgerechnet“ werden können, würde dies eine effektive<br />
Überprüfungsmöglichkeit letztlich ausschließen. Ob und<br />
inwieweit dies der Fall sein wird, dürfte nicht zuletzt davon<br />
abhängen, in welchem Umfang künftig neben Daten aus der<br />
Verwaltung und von öffentlichen Versorgern auch Daten<br />
aus privaten Transaktionen einbezogen werden.<br />
Bürger und Unternehmen müssen sich künftig mit zwei<br />
Kontrollebenen auseinandersetzen. Die erste Ebene sind gesetzliche<br />
Spezialregelungen in den herkömmlichen Rechtsgebieten,<br />
die auch bisher schon befolgt werden mussten<br />
und gegen deren Verletzung es bereits in den bestehenden<br />
Vorschriften eine Vielzahl von Sanktionen gibt. Nun kommt<br />
eine zweite Metaebene hinzu, in der alle Sanktionen der<br />
ersten Ebene noch einmal zusammengefasst und durch<br />
„Querwirkung“ potentiell gesteigert werden. Ein Bürger<br />
oder Unternehmen muss damit Nachteile in einem Bereich<br />
befürchten, die sich aus Fehlverhalten in einem ganz anderen,<br />
damit nicht zusammenhängenden Bereich ergeben. Es<br />
bleibt abzuwarten, ob diesen massiven potentiellen Nachteilen<br />
angemessene Vorteile aus dem neuen System gegenüberstehen<br />
werden. ■<br />
Dr. Jörg-Michael Scheil<br />
Dr. Jörg-Michael Scheil<br />
ist Rechtsanwalt, Partner<br />
der Sozietät Schulz Noack<br />
Bärwinkel und Chief Representative<br />
des Shanghaier<br />
Büros seit 1999. Dr. Scheil<br />
berät mit einem Team aus<br />
deutschen und chinesischen<br />
Rechts- und Patentanwälten<br />
deutsche und europäische<br />
Industrieunternehmen bei verschiedenen Rechtsfragen<br />
des China-Geschäfts, darunter neben Investitionen und<br />
Unternehmenskrisen auch Patentstreitigkeiten mit chinesischen<br />
Wettbewerbern. Er ist Verfasser von zahlreichen<br />
Aufsätzen zum chinesischen Recht. Neben China<br />
ist er auch in Vietnam als ausländischer Rechtsanwalt<br />
zugelassen.<br />
Dr. Scheil studierte Rechtswissenschaften und Sinologie<br />
an der Universität Göttingen und Chinesisches<br />
Recht am East China Institut of Politics and Law.<br />
Schulz Noack Bärwinkel<br />
Schulz Noack Bärwinkel – SNB Law – ist eine auf China<br />
und Südostasien spezialisierte deutsche Anwaltskanzlei,<br />
die bereits 1994 als erste deutsche Kanzlei ein Büro<br />
in Shanghai eröffnete.
50 <strong>DCW</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> <strong>2018</strong><br />
1 Liu Jinguo und Jiang Lishan, Transformation of Chinese Society<br />
and the Rule of Law, Beijing 2007, S. 46.<br />
2 Jörg-Michael Scheil, Durchsetzung, Ausnutzung und Umgehung<br />
von Rechtsnormen in China, Zeitschrift für Chinesisches<br />
Recht, 2017, Heft 1, S. 129 ff.<br />
3 State Council Notice concerning Issuance of the Planning<br />
Outline for the Construction of a Social Credit System (2014–<br />
2020), englische Fassung unter: chinacopyrightandmedia.<br />
wordpress.com/2014/06/14/planning-outline-for-theconstruction-of-a-social-credit-system-2014-2020/,<br />
eingesehen<br />
am 15. Oktober 2016.<br />
4 Einleitung vor Ziff. I der Notice (Fn. 45).<br />
5 Maßnahmen der Verwaltung und Nutzung öffentlicher Kreditinformationen<br />
in Shanghai (im Folgenden auch: „Maßnahmen“)<br />
(Order Nr. 38)/ 上 海 市 公 共 信 用 信 息 归 集 和 使 用 管 理<br />
办 法 ( 沪 府 令 38 号 ), Shanghai Municipal People’s Government,<br />
30. Dezember 2015.<br />
6 Vorschriften der Stadt Shanghai über den Sozialkredit (im Folgenden<br />
auch: „Vorschriften“)/ 上 海 市 社 会 信 用 条 例 , Standing<br />
Committee of the 14th Shanghai Municipal National People’s<br />
Congress, 23. Juni 2017.<br />
7 Art. 16 der Maßnahmen.<br />
8 Art. 25 der Vorschriften.<br />
9 Interim Measures for the Administration of List of Enterprises<br />
with Serious Illegal and Dishonest Acts (Order No. 83 of the<br />
State Administration for Industry and Commerce)/ 严 重 违 法<br />
失 信 企 业 名 单 管 理 暂 行 办 法 ( 国 家 工 商 行 政 管 理 总 局 令 第<br />
83 号 , State Administration for Industry & Commerce,<br />
30. Dezember 2015.<br />
10 Notice of Jiangsu Provincial Administration for Industry<br />
and Commerce on Issuing the Administrative Rules for the<br />
Administration of List of Enterprises with Serious Illegal and<br />
Dishonest Acts in Jiangsu (No. 3 [2016] of the Jiangsu Provincial<br />
Administration for Industry and Commerce)/ 江 苏 省 工 商<br />
局 关 于 印 发 《 江 苏 省 工 商 系 统 严 重 违 法 失 信 企 业 名 单 管 理<br />
工 作 规 范 ( 试 行 )》 的 通 知 ( 工 商 规 〔2016〕3 号 ), Jiangsu<br />
Provincial Administration for Industry and Commerce,<br />
22. Dezember 2016.<br />
11 Jörg-Michael Scheil, Vertrauen in der chinesischen Rechtswirklichkeit,<br />
Zeitschrift für Chinesisches Recht, 2011, Heft 1,<br />
S. 1 ff.
Chinesische Direktinvestitionen in Deutschland und Europa<br />
51<br />
Dr. Dirk Barcaba<br />
Chinesische Direktinvestitionen in Deutschland<br />
und Europa<br />
Aktueller Stand von Prüfverfahren in Deutschland<br />
und in der Europäischen Union<br />
Chinesische Investitionen haben sowohl für Deutschland<br />
und die Staaten der Europäischen Union und deren Unternehmen<br />
als auch für das internationale Geschäft chinesischer<br />
Unternehmen eine große Bedeutung. Nicht nur für<br />
chinesische Unternehmen ist es wichtig zu wissen, in welche<br />
Bereiche investiert werden kann, auch deutsche Unternehmen,<br />
die auf der Suche nach chinesischen Partnern sind,<br />
brauchen Sicherheit in der Frage, ob sie auf einen chinesischen<br />
Investor setzen können.<br />
Im Sommer 2017 wurde das Prüfverfahren für bestimmte<br />
Auslandsinvestitionen nach Deutschland erneuert: Investitionen<br />
in kritische Infrastrukturen aus Drittstaaten sind dem<br />
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zu melden.<br />
Ferner wurde ein zweistufiges Prüfverfahren eingeführt, das<br />
zwei bis sieben Monate dauern kann.<br />
Bedenkt man den Investitionsschub aus der Volksrepublik<br />
China, hat diese Entwicklung eine herausragende Bedeutung<br />
für das Deutschlandgeschäft von chinesischen M&A-<br />
Investoren sowie für die Vermarktung von deutschen Unternehmen<br />
und Beteiligungen nach China. Dies gilt umso<br />
mehr, wenn man die turbulenten Änderungen der chinesischen<br />
Rahmenbedingungen für Auslandsinvestitionen in<br />
2016/2017 betrachtet, die eine Förderung von Investitionen<br />
in ausländische Infrastrukturen ausdrücklich vorsehen.<br />
Ebenfalls 2017 wurden auf europäischer Ebene Bestrebungen<br />
deutlich, Mitgliedsstaaten weitergehende Möglichkeiten<br />
einzuräumen, geopolitisch oder industriepolitisch veranlasste<br />
Direktinvestitionen zu untersagen.<br />
Neben den praktischen Auswirkungen auf das M&A-<br />
Geschäft hat diese Entwicklung strategische Bedeutung für<br />
die laufenden Verhandlungen des Investitionsschutzabkommens<br />
zwischen der Europäischen Union und der Volksrepublik<br />
China.<br />
Die Rahmenbedingungen für<br />
Auslandsinvestitionen aus China<br />
2016–<strong>2018</strong><br />
Der 2001 mit dem zehnten Fünfjahresplan begonnene<br />
schrittweise Abbau von Hürden für Auslandsinvestitionen<br />
führte zu einem rasanten Anstieg chinesischer Auslandsinvestitionen<br />
ab 2014. Das Volumen der Auslandsinvestitionen<br />
aus der Volksrepublik China erreichte 2016 ein Rekordhoch<br />
von 170 Milliarden US-Dollar weltweit, hiervon 85 Milliarden<br />
US-Dollar für Unternehmenszukäufe in Europa.1 Dieser<br />
Anstieg war allerdings begleitet von einem deutlichen<br />
Rückgang der chinesischen Devisenreserven und einem<br />
Zuwachs riskanter Bankdarlehen.<br />
Diese Entwicklung kühlte sich im Folgenden deutlich ab:<br />
2017 betrug das Volumen 57 Milliarden US-Dollar für<br />
Unternehmenszukäufe in Europa. Hintergrund des Rückgangs<br />
waren Bestrebungen der chinesischen Behörden im<br />
November 2016, Währungsrisiken zu begrenzen, indem<br />
Genehmigungsanforderungen verstärkt und Prüfverfahren<br />
ausgedehnt wurden.<br />
Im August 2017 wurden sodann von der Nationalen Entwicklungs-<br />
und Reformkommission (NDRC), dem Wirtschaftsministerium<br />
(MOFCOM), dem Außenministerium (MOFA)<br />
und der Zentralbank (PBOC) einheitliche Leitlinien zur<br />
Steuerung und Regulierung der Auslandsinvestitionsrichtung<br />
veröffentlicht.2 Die Leitlinien sollen eine „nachhaltige und gesunde“<br />
Entwicklung der chinesischen Auslandsinvestitionen<br />
im „vernünftigen und geordneten“ Rahmen fördern.<br />
Die Förderung soll sich auf Infrastruktur um den Ausbau<br />
gemäß der „Belt and Road“-Initiative, sowie auf High-Techund<br />
Advanced Manufacturing konzentrieren.
52 <strong>DCW</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> <strong>2018</strong><br />
Auslandsinvestitionen in „sensible Sektoren“ sind hingegen<br />
nicht erwünscht und bedürfen einer Sondergenehmigung.<br />
In der Liste der „sensiblen Sektoren“ für Auslandsinvestitionen<br />
der NDRC (Stand 01.03.<strong>2018</strong>)3 werden neben den Bereichen<br />
Rüstungsindustrie, Wasserressourcen und Medien<br />
auch die Sektoren Immobilien, Hotellerie, Unterhaltungsindustrie,<br />
Sportvereine sowie Beteiligungsfonds ohne spezifische<br />
Industrieprojekte aufgeführt.<br />
Damit wurde die Behandlung von Auslandsinvestitionen<br />
durch chinesische Behörden geklärt und es ist zu erwarten,<br />
dass chinesische Investoren auch im Jahr <strong>2018</strong> voraussichtlich<br />
wieder führend sein werden, wenn es um Inbound-<br />
Investitionen nach Deutschland geht. Vermutlich wird sich<br />
der Schwerpunkt der Investitionen an der Förderungspolitik<br />
orientieren, also auf Infrastruktur und High Tech fokussieren.<br />
Die Realität im Februar <strong>2018</strong> scheint diese Einschätzung<br />
zu bestätigen: So interessiert sich der chinesische Stromnetzbetreiber<br />
SGCC für einen Beteiligungserwerb an einem<br />
deutschen Übertragungsnetzbetreiber.⁴<br />
Die Kontrolle von ausländischen<br />
Direktinvestitionen in die<br />
Bundesrepublik Deutschland<br />
Neben den Beschränkungen aufgrund von Embargos,<br />
wie den Sanktionslisten der Vereinten Nationen und der<br />
Europäischen Union, sowie der Rüstungskontrolle gibt es<br />
die Möglichkeit, Unternehmensübernahmen und Beteiligungserwerbe<br />
aus Drittstaaten zu untersagen. Gemäß dem<br />
Außenwirtschaftsgesetz (AWG) kann dies erfolgen, um die<br />
öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik<br />
Deutschland zu gewährleisten oder einer Gefährdung der<br />
Deckung lebensnotwendiger Bedürfnisse entgegenzuwirken.<br />
Auf der Grundlage dieser sogenannten sektorübergreifenden<br />
Investitionskontrolle nach der Außenwirtschaftsverordnung<br />
(AWV) wurden 2008 bis 2016 rund 335 Prüfverfahren<br />
durchgeführt; in keinem Fall kam es zu einer Untersagung<br />
der beabsichtigten Investition.⁵<br />
Nach Beteiligungserwerben an namenhaften deutschen<br />
Unternehmen wie Kion, Kuka oder Ledvance durch chinesische<br />
Investoren wurde in der öffentlichen Debatte ein<br />
Ausverkauf deutscher Hightech-Industriewerte befürchtet<br />
und die Wirksamkeit des Prüfverfahrens in Frage gestellt.<br />
Das Bedürfnis nach einer Anpassung der Investitionskontrolle<br />
wurde deutlicher, als das Bundeswirtschaftsministerium<br />
Ende 2016 im Fall Aixtron eine bereits gewährte Unbedenklichkeitsbescheinigung<br />
widerrief – nachdem die USA<br />
den Erwerb im Hinblick auf die US-Dependance untersagt<br />
hatte.⁶<br />
Es gab gar den Vorschlag eines kompletten Verbotes mit der<br />
Möglichkeit einer ausnahmsweise gewährten Erlaubnis,⁷
Chinesische Direktinvestitionen in Deutschland und Europa<br />
53<br />
was wohl bereits aus verfassungs- und europarechtlichen<br />
Gründen nicht machbar sein dürfte. Der Kapitalverkehr ist<br />
Angelegenheit der EU nach Artikel 63 des Vertrags über die<br />
Arbeitsweise der Europäischen Union. Dies ist grundsätzlich<br />
auch im Verkehr mit Drittstaaten zu beachten.⁸ Möglich<br />
sind freilich nationale Maßnahmen zur Abwendung einer<br />
Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung.<br />
Eine geo- oder industriepolitische Lenkung der Investition<br />
ist bisher kein erhebliches Kriterium, ebenso wenig eine<br />
fehlende Gegenseitigkeit, also vergleichsweise erschwerter<br />
Marktzugang für aus der Bundesrepublik Deutschland<br />
kommende Direktinvestitionen in den Staat, aus dem die<br />
Auslandsinvestition nach Deutschland stammt.<br />
Die Karte in Grafik 1 vergleicht Investitionsbeschränkungen<br />
weltweit. Deutlich zu erkennen ist der erhebliche Unterschied<br />
der Beschränkungen der Bundesrepublik Deutschland<br />
im Vergleich zur Volksrepublik China, aber ebenso zu<br />
Ländern wie der Republik Indien oder Saudi Arabien.<br />
Die Neuerungen der Investitionskontrolle<br />
durch die Änderung der<br />
Außenwirtschaftsverordnung 2017<br />
Seit der 9. Verordnung zur Änderung der AWV vom<br />
18.07.2017 ist der Erwerb eines inländischen Unternehmens<br />
oder einer Beteiligung von 25 Prozent durch eine Person aus<br />
einem Drittstaat dem Bundesministerium für Wirtschaft<br />
und Energie zu melden, wenn das Unternehmen kritische<br />
Infrastruktur betreibt.<br />
Kritische Infrastrukturen sind Betriebe in den Sektoren<br />
Energie, Wasser, Ernährung, IT und Telekommunikation, Gesundheit,<br />
Finanzen und Versicherungen sowie Transport und<br />
Verkehr im Sinne des Gesetzes über das Bundesamt für Sicherheit<br />
in der Informationstechnik (BSI-Gesetz), welche die<br />
Voraussetzungen gemäß der Verordnung zur Bestimmung<br />
Kritischer Infrastrukturen (Kritis-Verordnung) erfüllen. In<br />
der Kritis-Verordnung sind die Branchen und Dienstleistungen<br />
sowie das Größenkriterium festgelegt. Die Kriterien<br />
unterliegen einer Evaluierung im Zwei-Jahres-Takt. Eigentli-<br />
Grafik 1: OECD FDI Regulatory Restrictiveness Index<br />
Stand 2015<br />
keine Daten<br />
am wenigsten restriktive bis restriktivste Länder<br />
Quelle: OECD
54 <strong>DCW</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> <strong>2018</strong><br />
cher Zweck der Kritis-Verordnung ist es, die Unternehmen zu<br />
bestimmen, die den Pflichtenkatalog nach dem BSI-Gesetz zu<br />
erfüllen haben. Die neue Investitionskontrolle macht sich dies<br />
durch einen (dynamischen) Verweis nutzbar.<br />
Neben den kritischen Infrastrukturen sind von der Neuerung<br />
ebenso betroffen: Entwickler von Software für<br />
Kritische Infrastrukturen, Betreiber von öffentlichen<br />
Telekommunikationsnetzen sowie Anbieter bestimmter<br />
Cloud-Computing-Dienste und Telematikinfrastrukturen<br />
für Krankenkassen.<br />
Ein Erwerb durch Personen aus einem Mitgliedstaat der<br />
Europäischen Union⁹ oder der Europäischen Freihandelszone1⁰<br />
ist grundsätzlich nicht meldepflichtig. Der<br />
Erwerb durch Personen aus bestimmten Überseegebieten<br />
von Mitgliedstaaten kann meldepflichtig sein, wenn diese<br />
Gebiete nicht Teil der Europäischen Union sind, z. B. die<br />
britischen Kanalinseln.11 Neben einem Unternehmenskauf<br />
(Asset Deal)12 ist auch ein Beteiligungserwerb zu melden,<br />
wenn die Beteiligung mindestens 25 Prozent entspricht.13<br />
Ein mittelbarer Beteiligungserwerb ist meldepflichtig, wenn<br />
der Erwerber mit mindestens 25 Prozent an der zwischengeschalteten<br />
Gesellschaft beteiligt ist.1⁴ Zuzurechnen sind<br />
auch abgesprochene Beteiligungserwerbe mit anderen<br />
Personen, also ein sogenanntes „Acting in Concert“. Unklar<br />
ist hingegen, ob eine Aufstockung einer bereits bestehenden<br />
Beteiligung von 25 Prozent ebenfalls zu melden ist.1⁵<br />
Bestehen keine Bedenken, so erteilt das Ministerium auf<br />
Antrag eine Unbedenklichkeitsbescheinigung. Die Unbedenklichkeitsbescheinigung<br />
gilt als erteilt, wenn das Prüfverfahren<br />
nicht innerhalb von zwei Monaten eröffnet wird.<br />
Das Bundesministerium für Energie und Wirtschaft kann<br />
den Erwerb auch eingehender prüfen. Wird ein Prüfverfahren<br />
eröffnet, so sind Prüfunterlagen einzureichen. Der<br />
recht umfangreiche Katalog der Prüfunterlagen ergibt sich<br />
aus einer Allgemeinverfügung des Ministeriums.1⁶ Erfolgt<br />
die Mitteilung über die Eröffnung des Prüfverfahrens nicht<br />
innerhalb von drei Monaten nach der Meldung des Erwerbs,<br />
so ist ein Prüfverfahren und damit eine Untersagung des<br />
Erwerbs ausgeschlossen.1⁷ Gleiches gilt, wenn seit dem Vertragsabschluss<br />
mehr als fünf Jahre vergangen sind. Während<br />
des Prüfverfahrens bleibt der Erwerbsvertrag rechtswirksam,<br />
allerdings kann der Erwerb nicht endgültig vollzogen<br />
werden.1⁸<br />
Das Bundesministerium kann im Zusammenwirken mit<br />
der Regierung den Unternehmens- bzw. Beteiligungserwerb<br />
innerhalb von vier Monaten untersagen oder Auflagen<br />
anordnen; danach ist eine Untersagung des Erwerbs nicht<br />
mehr möglich. Die Frist beginnt, wenn die vollständigen<br />
Prüfunterlagen beim Ministerium vorliegen, wobei die Zeit<br />
für Verhandlungen zwischen dem Ministerium und dem<br />
Erwerber über Auflagen nicht in die Frist einzurechnen ist.<br />
Eine Untersagung setzt eine „tatsächliche und hinreichend<br />
schwere“ Gefährdung der öffentlichen Ordnung<br />
oder Sicherheit, die ein Grundinteresse der Gesellschaft<br />
berührt, voraus.1⁹ Der Europäische Gerichtshof anerkennt<br />
ein solches Grundinteresse beim Schutz von<br />
Schlüsselinfrastrukturen2⁰ und es wird angenommen, dass<br />
der Erwerb von kritischen Infrastrukturen nach BSI-Gesetz<br />
jedenfalls die Versorgungssicherheit der Gesellschaft<br />
betrifft.21 Freilich erscheint ein justiziabler Nachweis einer<br />
tatsächlichen oder hinreichend schweren Gefährdung nicht<br />
ganz leicht; abzustellen ist auf den Erwerber sowie die mit<br />
dem Erwerb ermöglichten Gestaltungsmöglichkeiten im<br />
Einzelfall.<br />
Liegen die Voraussetzungen nicht vor, wird z. B. die Unternehmensgröße<br />
für kritische Infrastruktur nicht erreicht<br />
oder handelt es sich um eine Beteiligung von weniger als 25<br />
Prozent, so besteht keine Meldepflicht; gleichwohl kann der<br />
Erwerb wie bisher untersagt werden, wenn die Untersagungsvoraussetzungen<br />
vorliegen. Ein solches Szenario ist theoretisch<br />
bezüglich der beabsichtigten 20-Prozent-Beteiligung des<br />
chinesischen Stromnetzbetreiber SGCC denkbar, freilich nur,<br />
wenn eine „schwere Gefährdung“ nachweisbar wäre.<br />
Auswirkungen der Neuerungen<br />
auf die Transaktionspraxis<br />
Die Neuerungen der Investitionskontrolle haben vielfältige<br />
Auswirkungen auf die Transaktionspraxis.22<br />
Zunächst ist festzustellen, ob es sich bei dem Zielunternehmen<br />
um einen Betrieb von kritischer Infrastruktur<br />
gemäß der KRITIS-Verordnung handelt. Dies sollte dem<br />
Zielunternehmen schon wegen des Pflichtenkataloges aus<br />
dem BSI-Gesetz bereits bekannt sein. Um zu ermitteln,<br />
ob „Unionsfremde“ eingebunden sind, ist die Identität des<br />
Erwerbsinteressenten frühzeitig festzustellen.<br />
Handelt es sich bei dem Zielunternehmen um einen Betrieb<br />
mit mehreren Sparten, so kann es für den Zweck der<br />
Transaktion sinnvoll sein, im Wege der Umstrukturierung
Chinesische Direktinvestitionen in Deutschland und Europa<br />
55<br />
den Betriebsteil der Kritischen Infrastruktur auszusondern<br />
(Carve Out), um danach die Betriebsteile unterschiedlich<br />
vermarkten zu können.<br />
Ob eine Unbedenklichkeitsbescheinigung zu beantragen ist,<br />
ist im Einzelfall zu beurteilen. Eine verlässliche Grundlage<br />
für den Vollzug des Erwerbs ist eine erteilte Unbedenklichkeitsbescheinigung<br />
nicht unbedingt: Sie kann nach<br />
allgemeinen Grundsätzen wieder zurückgenommen bzw.<br />
widerrufen werden.23 Verlässlicher erscheint, (zusätzlich)<br />
das Verstreichen der Dreimonatsfrist für die Mitteilung über<br />
die Eröffnung eines Prüfverfahrens abzuwarten.<br />
Es kann angezeigt sein, bereits bei der Meldung und dem<br />
Antrag auf eine Unbedenklichkeitsbescheinigung mehr<br />
Auskünfte und Prüfunterlagen als gefordert vorzulegen,<br />
um einer „vorsorglichen“ Eröffnung eines Prüfverfahrens<br />
vorzubeugen.<br />
Im Übrigen sind bei der Transaktionsdurchführung ähnliche<br />
Gesichtspunkte zu bedenken, wie sie auch für die Fusionskontrolle<br />
gelten. Insbesondere sind die Mitwirkungspflichten<br />
und Verantwortlichkeiten der Parteien wegen<br />
des Melde- und Prüfverfahrens festzulegen. Die Verteilung<br />
des Risikos eines Scheiterns der Transaktion aufgrund der<br />
Investitionskontrolle ist Verhandlungssache. Eine „Break-<br />
Up-Fee“ zur Deckung verlorener Transaktionskosten und<br />
ggf. entgangenen Gewinns kann angemessen sein.<br />
Die Entwicklungen auf<br />
europäischer Ebene<br />
Unternehmens- und Beteiligungserwerbe sind Teil des<br />
Kapitalverkehrs und können auch die Niederlassungsfreiheit<br />
berühren, Bereiche also, die grundsätzlich Angelegenheit der<br />
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56 <strong>DCW</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> <strong>2018</strong><br />
Europäischen Union sind.2⁴ Dies soll auch im Verkehr mit<br />
Drittstaaten gelten.2⁵ Allerdings sind Mitgliedsstaaten befugt,<br />
nationale Maßnahmen zu ergreifen, um die öffentliche<br />
Ordnung oder Sicherheit zu gewährleisten,2⁶ wie es mit der<br />
sektorübergreifenden Investitionskontrolle der AWV erfolgt.<br />
Im Februar 2017 haben die Wirtschaftsminister von<br />
Deutschland, Frankreich und Italien in einem gemeinsamen<br />
Schreiben an EU-Handelskommissarin Cecilia<br />
Malmström weitere Anforderungen an die Kontrolle von<br />
staatlich gelenkten Direktinvestitionen in die Mitgliedstaaten<br />
der Europäischen Union formuliert.2⁷ Danach werden<br />
die Kriterien „Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder<br />
Ordnung“ und die „Einhaltung von Sicherheitsinteressen“<br />
allein nicht als ausreichend angesehen, um Direktinvestitionen<br />
von Drittstaaten zu prüfen und einzuschätzen. Zu<br />
berücksichtigen seien auch ökonomische Kriterien, wie die<br />
Gegenseitigkeit, also ob der Drittstaat des Investors ebenso<br />
den Marktzugang für Direktinvestitionen von Unionsansässigen<br />
einräumt, sowie die Einhaltung der Grundsätze der<br />
freien Marktwirtschaft, die mit staatlich gelenkten Investitionen<br />
aus geostrategischen und industriepolitischen Gründen<br />
verletzt sind.<br />
Nach Initiativen aus dem Europäischen Parlament wurde<br />
dann im September 2017 der Vorschlag zur „Verordnung<br />
zur Schaffung eines Rahmens für die Überprüfung ausländischer<br />
Direktinvestitionen in der europäischen Union“<br />
von der Kommission vorgelegt.2⁸ Im Grundsatz ist die<br />
Verordnung eine Ermächtigung an die Mitgliedsstaaten,<br />
Investitionskontrollen bei kritischen Infrastrukturen und<br />
Technologien durzuführen, wenn die Versorgungssicherheit<br />
oder sensible Informationen betroffen sind. Dabei soll<br />
auch berücksichtigt werden können, ob die Investition von<br />
fremden Regierungen gelenkt ist.<br />
Es handelt sich also nicht um den Vorschlag einer europäischen<br />
Investitionskontrolle, sondern im Gegenteil insoweit<br />
um eine Rückverweisung von Zuständigkeiten der Europäischen<br />
Union im Bereich Kapitalverkehr an die Mitgliedsstaaten.<br />
Die Kommission selbst soll zwar auch bestimmte<br />
Transaktionen prüfen können, allerdings soll sie keine Untersagungsbefugnis<br />
haben. Ansonsten enthält der Entwurf<br />
Verfahrens- und Abstimmungsregelungen zwischen den<br />
Mitgliedsstaaten und mit der Kommission.<br />
Im Verordnungsentwurf ist das Kriterium „Gegenseitigkeit“<br />
nicht berücksichtigt. Die Gegenseitigkeit ist auch keine<br />
Konkretisierung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung<br />
bzw. der Sicherungsinteressen eines Staates. Zur Einführung<br />
des Elements „Gegenseitigkeit“ bedürfte es wohl eines sogenannten<br />
besonderen Gesetzgebungsverfahrens des Rats, der<br />
nur einstimmig verschärfende Maßnahmen für Direktinvestitionen<br />
aus Drittstaaten einführen könnte.2⁹
Chinesische Direktinvestitionen in Deutschland und Europa<br />
57<br />
Welche anderen Mitgliedsstaaten sich der politischen Initiative<br />
aus Deutschland, Frankreich und Italien anschließen<br />
und entsprechende nationale Investitionskontrollen einführen<br />
und durchführen werden, ist abzuwarten.<br />
Investitionskontrolle in den USA<br />
Die Globalisierung macht es schwierig, wirtschaftliche<br />
Umstände allein national oder EU-weit zu betrachten. Der<br />
Fall Aixtron macht deutlich, dass bereits eine kalifornische<br />
Niederlassung mit überschaubarer Größe genügt, um die<br />
US-amerikanische Investitionskontrolle wirken zu lassen.3⁰<br />
Das US-amerikanische Gegenstück zur deutschen sektorübergreifenden<br />
Investitionskontrolle ist das CFIUS-Verfahren,<br />
das dem deutschen Verfahren ähnlich ist.31 Es ist ein<br />
mehrstufiges Prüfverfahren, das entweder die Unbedenklichkeit<br />
bescheinigt (No Action Letter) oder eine Untersagung<br />
oder die Anordnung von abhelfenden Auflagen durch<br />
den Präsidenten nach sich zieht.<br />
Tatsächlich wurde von der Möglichkeit der Untersagung<br />
vier Mal Gebrauch gemacht: 1990, 2012, 2016 die Untersagung<br />
wegen Aixtron32 und aktuell im Januar <strong>2018</strong> die Untersagung<br />
des beabsichtigten Erwerbes des Finanzdienstleistungsunternehmens<br />
Moneygram.33 In allen Fällen erfolgte<br />
die Untersagung gegenüber chinesischen Investoren, im<br />
jüngsten Fall von Moneygram gegenüber einem Unternehmen<br />
der Alibaba-Gruppe wegen Datenschutzbedenken.<br />
Investitionsbeschränkungen und<br />
Freihandelsabkommen<br />
Investitionshürden ließen sich durch Freihandelsabkommen<br />
überwinden. Die Bundesrepublik Deutschland und die<br />
Volksrepublik China unterhalten ein Investitionsschutzabkommen,<br />
in der derzeitigen Fassung seit 2005.3⁴<br />
Das Investitionsschutzabkommen soll (bestehende) Investitionen<br />
in dem anderen Staat vor willkürlichen oder<br />
diskriminierenden staatlichen Maßnahmen sowie entschädigungslosen<br />
Enteignungen schützen und die Kapitalerträge<br />
frei verfügbar halten. Ferner ist die Gleichbehandlung festgelegt.<br />
Marktzugangsbestimmungen sind nicht adressiert.<br />
Bereits seit Jahren verhandeln zudem die Europäische Union<br />
und die Volksrepublik China ein Investitionsschutzabkommen.<br />
Eine erhebliche Verhandlungshürde war zunächst<br />
der Wunsch der europäischen Seite, Verbesserungen des<br />
Zugangs zum chinesischen Markt festzulegen, ohne aber<br />
sogleich ein umfangreiches Freihandelsabkommen zu<br />
verhandeln.3⁵ 2016 wurde sich darauf geeinigt, auch diesen<br />
Punkt auf die Agenda zu nehmen3⁶ und es erfolgte sodann<br />
ein inhaltlicher Austausch. Allerdings führte auch die<br />
16. Verhandlungsrunde im Dezember 2017 nicht zu einem<br />
verfestigten Verhandlungsstand zum Thema Marktzugang.3⁷<br />
Aus verhandlungslogischer Sicht können Investitionshürden<br />
und Marktzugangsbeschränkungen als „Währung“ der<br />
Verhandlungen über Investitions- und Handelsabkommen<br />
angesehen werden. Ob die deutschen Neuerungen der<br />
sektorenübergreifende Kontrolle und die dargestellten europäischen<br />
Bestrebungen geeignete Mittel sind, um solche<br />
Verhandlungen zu befördern, muss sich noch erweisen. ■<br />
Dr. Dirk Barcaba<br />
Dr. Dirk Barcaba ist Partner<br />
bei der Internationalen<br />
Rechtsanwaltskanzlei Bird<br />
& Bird in Frankfurt am<br />
Main und berät regelmäßig<br />
internationale Investoren,<br />
multinationale Konzerne,<br />
insbesondere im Hochtechnologie-Sektor,<br />
Geschäftsbanken<br />
und Family Offices,<br />
vor allem aus der der Volksrepublik China.<br />
Tel.: +49 69 74222 6238<br />
E-Mail: dirk.barcaba@twobirds.com<br />
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58 <strong>DCW</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> <strong>2018</strong><br />
1 Ernst & Young, Chinesische Unternehmenskäufe in Europa,<br />
Januar <strong>2018</strong>.<br />
2 Leitlinien zur weiteren Orientierung und Standardisierung der<br />
Ausrichtung von Auslandsinvestitionen, veröffentlicht am 18.08.<br />
2017 siehe https://www.yidaiyilu.gov.cn/zchj/zcfg/23971.htm.<br />
3 Liste „sensitive Sektoren“ für Auslandsinvestitionen <strong>2018</strong>,<br />
veröffentlicht am 12.02.<strong>2018</strong>, siehe https://eng.yidaiyilu.gov.cn/<br />
wcm.files/upload/CMSydylyw/<strong>2018</strong>02/<strong>2018</strong>02120922034.pdf.<br />
4 Siehe Veröffentlichung vom Manager Magazin vom 13.02.<strong>2018</strong>.<br />
5 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Schlaglichter<br />
der Wirtschaftspolitik, Monatsbericht Oktober 2017 I.5.<br />
6 Flaßhoff/Glasmacher: Wankende Verwaltungsakte im Außenwirtschaftsrecht<br />
bei Unternehmenskäufen, NZG 2017, 489; Veröffentlichung<br />
Heise Online: Obama legt Veto gegen Aixtron-<br />
Übernahme durch Unternehmen aus China ein, 03.12.2016.<br />
7 Aden: Schutz deutscher Unternehmen gegen Abwanderung in<br />
das Nicht-EU-Ausland, RIW Heft 12/2017.<br />
8 Hindelang/Hagemeyer: Enemy at the Gates, EuZW 2017, 882, 887.<br />
9 Siehe hierzu: § 2 Abs. 18, 19 AWG.<br />
10 § 55 Abs. 2 AWV.<br />
11 Siehe hierzu: Hensel/Pohl: Das novellierte Außenwirtschaftsrecht<br />
in internationalen Unternehmenstransaktionen, AG 2013,<br />
849, 852 f.<br />
12 Einschränkend für bestimmte Teilbetriebsveräußerungen<br />
und einem Erwerb aus der Insolvenz: Becker/Sachs: Investitionsprüfung<br />
nach Änderung der AWV – Offene Fragen aus<br />
Perspektive der Transaktionspraxis, NZG 2017, 1336, 1338.<br />
13 Diese 25-Prozent-Schwelle ist geringer als die normale Sperrminorität<br />
bei einer GmbH oder einer Aktiengesellschaft, die<br />
mehr als 25 Prozent verlangt, § 53 Abs. 2 GmbHG, § 179 Abs. 2<br />
AktG; ebenfalls mehr als 25 Prozent ist die Erheblichkeitsschwelle<br />
beim Transparenzregister, §§ 18, 3 Abs. 2 GwG.<br />
14 § 56 Abs. 2 AWV.<br />
15 Gegen eine Meldepflicht in diesem Fall: Becker/Sachs: a.a.O.<br />
16 BAnz AT 06.09.2013 B1.<br />
17 § 55 Abs. 3 AWV.<br />
18 § 15 Abs. 3 AWG.<br />
19 § 5 Abs. 2 AWG; dies entspricht der Vorgabe der EuGH Rechtsprechung,<br />
EuGH Urt. v. 14.3.2000 – C-54/99, Rn. 17.<br />
20 Konkret beispielsweise bei Elektrizität, EuGH Urt. v. 11.11.2010<br />
– C-543/08; Urt. v. 8.11.2012 – C-244/11.<br />
21 Begründung zur Neunten Verordnung zur Änderung der<br />
AWV, BAnz AT 17.07.2017, 2.<br />
22 Boewe/Johnen: Die Änderung der Außenwirtschaftsverordnung<br />
und deren Relevanz für Unternehmenskäufe, NZG 2017,<br />
1095; Slobodenjuk: Verschärfte Investitionskontrolle nach<br />
Außenwirtschaftsverordnung – ein Überblick, BB 2017, 2306.<br />
23 Siehe hierzu: Flaßhoff/Glasmacher: Wankende Verwaltungsakte<br />
im Außenwirtschaftsrecht bei Unternehmenskäufen, NZG<br />
2017, 489.<br />
24 Art. 49, 63 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen<br />
Union (AEUV)<br />
25 Siehe ausdrücklich Art. 63 Abs. 1 AEUV; Hindelang/Hagemeyer,<br />
a.a.O.<br />
26 Art. 65 Abs. 1 lit. b) Var. 3 AEUV.<br />
27 Gemeinsames Schreiben der Bundesministerin für Wirtschaft<br />
und Energie, des französischen Ministers für Wirtschaft und<br />
Finanzen und des italienischen Wirtschaftsministers vom<br />
Februar 2017 an die Europäische Kommission zu Händen der<br />
Kommissarin Cecilia Malmström.<br />
28 Vorschlag für eine Verordnung des europäischen Parlamentes<br />
und des Rates zur Schaffung eines Rahmens für Überprüfung<br />
ausländischer Direktinvestitionen in der Europäischen Union<br />
vom 13.09.2017, COM (2017) 487 final.<br />
29 Art. 64 Abs. 2 und 3 AEUV. Dies verwundert. Im Justizverkehr<br />
ist die Gegenseitigkeit als Kriterium seit jeher für die Anerkennung<br />
von Urteilen ausländischer Gerichte anerkannt, § 328<br />
Abs. 1 Nr. 5 ZPO.<br />
30 Heise Online: Obama legt Veto gegen Aixtron-Übernahme<br />
durch Unternehmen aus China ein, 03.12.2016.<br />
31 Einen guten Überblick gibt: Seibt/Kuhlenkamp: CFIUS–Verfahren<br />
und Folgen für M&A Transaktionen, ZIP 2017, 1345.<br />
32 Hierzu: Seibt/Kuhlenkamp, 1347 m.w.N.<br />
33 Veröffentlichung Heise Online: Datenschutz: Alibaba-Chef<br />
darf Moneygram nicht übernehmen, von Sokolov vom<br />
03.01.<strong>2018</strong>.<br />
34 Die Bundesrepublik Deutschland unterhält solche Abkommen<br />
mit einer Vielzahl von Staaten.<br />
35 Ausführlich: Fritsche: Investitionsschutzabkommen mit China,<br />
Blickwechsel, Ausgabe Februar 2016 der Stiftung Asienhaus.<br />
36 Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom<br />
15.01.2016: „EU and China agree on scope of the future<br />
investment deal”.<br />
37 Veröffentlichung der Europäischen Kommission vom 26.10.2017:<br />
EU-China Investment Agreement: Report of the 15th Round of<br />
negotiations sowie vom 20.12.2017: EU-China Investment Agreement:<br />
Report of the 16th Round of negotiations.
Greatview in Deutschland<br />
59<br />
Interview mit Herrn Gang Hong,<br />
Vorstandsvorsitzender der Greatview Aseptic Packaging Co., Ltd.<br />
Greatview in Deutschland<br />
Wie führt man nach einem gelungenen Investment ein Unternehmen<br />
mit einem deutsch-chinesischen Team?<br />
Die Greatview Aseptic Packaging Co., Ltd wurde 2003<br />
gegründet. Etwas mehr als zehn Jahre später hat Greatview<br />
seine wichtigsten strategischen Ziele, wie z.B. die Notierung<br />
an der Hongkonger Börse und Investitionen im Ausland,<br />
erreicht. Sie wuchs schnell zum weltweit drittgrößten Anbieter<br />
von sterilisierbarem Verpackungsmaterial für flüssige<br />
Lebensmittel und durchbrach das vorherrschende Monopol<br />
der Branche.<br />
2011 investierte Greatview 50 Millionen Euro in den Greenfield-Bau<br />
einer Produktionsstätte in Halle an der Saale, im<br />
Osten Deutschlands. Es wurde ein erfolgreicher Einstieg<br />
in Europa, das zugleich den wichtigsten regionalen Markt<br />
dieser Branche darstellt und Sitz des Wettbewerbers ist. Im<br />
Jahr 2013 wurde eine weitere Investition von 38 Millionen<br />
Euro für den Aufbau einer zweiten Produktionslinie in<br />
Halle getätigt.<br />
Sechs Jahre nach dem Einstieg in Deutschland schritt auch<br />
die weitere Expansion im Ausland voran. Dieser Erfolg fand<br />
große Resonanz: Im November 2017 gewann Greatview im<br />
Rahmen des Invest Award einen Preis für „Ausgezeichnete<br />
chinesisch finanzierte Unternehmen in Deutschland (Greenfield)“<br />
in der Sparte für mittelständische Unternehmen.<br />
Derzeit sind in der Produktionsstätte in Deutschland mehr<br />
als 200 Mitarbeiter beschäftigt, darunter nur fünf Chinesen.<br />
Mehr als 90 Prozent der Mitarbeiter sind deutsche Arbeitnehmer.<br />
Viele Fragen stellen sich: Welche Maßnahmen<br />
wurden ergriffen, um ein Team erfolgreich zu führen? Wie<br />
Das Greatview-Werk in Halle (Saale)
60 <strong>DCW</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> <strong>2018</strong><br />
Mitarbeiter im deutschen Werk von Greatview<br />
hat ein multinationaler Konzern aus China die kulturelle<br />
Integration in Deutschland geschafft? Gab es während der<br />
sechs Jahre des Engagements in Deutschland Schwierigkeiten<br />
oder Herausforderungen für Greatview und wenn ja,<br />
welche? Wie ist die Einschätzung hinsichtlich chinesischer<br />
Investitionen in Deutschland?<br />
Zu Beginn des Jahres <strong>2018</strong> bat die Deutsch-Chinesische<br />
Wirtschaftsvereinigung e.V. Herrn Gang Hong, einer der<br />
Gründer und Vorstandsvorsitzenden der Greatview Aseptic<br />
Packaging Co., Ltd., über die rasante Entwicklung von<br />
Greatview im Ausland und die Herausforderungen von chinesisch<br />
finanzierten Unternehmen im Ausland zu sprechen.<br />
<strong>DCW</strong> Bevor Greatview in Deutschland investiert hat, wurden<br />
viele Studien und Untersuchungen über die deutsche<br />
Kultur, die Arbeitseinstellung der deutschen Mitarbeiter,<br />
ethisches Verhalten, kulturelle Traditionen und Arbeitsgewohnheiten<br />
durchgeführt. Gibt es große Abweichungen<br />
von den Untersuchungsergebnissen und der tatsächlichen<br />
Wahrnehmung des Managements? Welche neuen Erfahrungen<br />
gab es beim Führen des deutschen Teams?<br />
Gang Hong Obwohl wir im Vorhinein intensive Nachforschungen<br />
über den deutschen Markt und die deutsche<br />
Kultur angestellt und Informationen aus erster Hand<br />
erhalten haben, die wir von Anfang an nutzen konnten, ist<br />
es eine andere Sache, das Lehrbuchwissen in der Realität<br />
anzuwenden. Die eigentliche Arbeit bestand in der Umsetzung<br />
der erhaltenen Informationen. Insgesamt kann ich<br />
aber durchaus sagen, dass die Praxis und die Studienergebnisse<br />
sich nicht sehr deutlich unterschieden und einige<br />
Studienergebnisse halfen uns in der Praxis, unsere Managementerfahrung<br />
zu verbessern. Zunächst ist zu betonen, dass<br />
eine Neu-Investition mit der Integration von Fusionen und<br />
Übernahmen nicht verglichen werden kann.<br />
Wir haben eine internationale Managementphilosophie<br />
und das Produktionssystem der Muttergesellschaft in ein<br />
deutsches Fertigungssystem integriert. Betont werden<br />
muss, dass bei diesem Prozess nicht einfach und direkt das<br />
Managementsystem der chinesischen Firma der ausländischen<br />
aufgedrängt werden kann. Von immenser Bedeutung<br />
sind ausreichende Kenntnisse der kulturellen Unterschiede,<br />
um eine gemeinsame Unternehmenskultur aufzubauen, die<br />
jedes Unternehmen benötigt. Im Folgenden werde ich speziell<br />
über die Managementerfahrungen sprechen, die wir vor<br />
Aufbau und Beginn der Produktion sammeln konnten.<br />
Bei der Durchführung der Greenfield Investition sind wir<br />
bereits vor Produktionsbeginn einigen Herausforderungen<br />
begegnet: Die Auswahl eines Standorts und der Aufbau<br />
einer qualifizierten Belegschaft sind Probleme, die viel<br />
Energie erfordern. Zunächst möchte ich über die Schwierigkeiten<br />
sprechen, die in der Anfangsphase aufgetreten sind:<br />
Zusätzlich zu dem internationalen Managementteam, das
Greatview in Deutschland<br />
61<br />
wir im deutschen Werk aufbauten, sollten Fachtechniker aus<br />
China geholt werden. Wie vermittelt man den deutschen<br />
Mitarbeitern erfolgreich die erprobten Technologien und<br />
wie integriert man chinesische und deutsche Fachkräfte?<br />
Das sind wichtige Herausforderungen, denen wir uns zuvor<br />
zu stellen hatten. In der frühen Phase der Gründung von<br />
Greatview in Deutschland verfolgten wir die Strategie, eine<br />
Gruppe deutscher Mitarbeiter nach China zu entsenden<br />
und sie durch mehr als 30 Facharbeiter und Techniker<br />
unserer Muttergesellschaft mit Hilfe von Dolmetschern zu<br />
schulen. Nachdem die Ausbildung in China beendet wurde,<br />
planten wir, die chinesischen Fachkräfte zusammen mit den<br />
deutschen Fachkräften in die deutsche Fabrik zu entsenden,<br />
um beim Aufbau des Produktionsmanagementsystems zu<br />
helfen.<br />
Die meisten der Facharbeiter in China kommen aus einer<br />
kleinen Stadt in der Provinz Shandong und sprechen wenig<br />
Englisch. Sie sind dafür bekannt, dass sie sowohl kreativ<br />
sind, als auch hart arbeiten können. Um am Aufbau der<br />
deutschen Produktionslinie teilzunehmen, haben sie fleißig<br />
Englisch gelernt. Man muss wissen, dass das Erlernen einer<br />
Fremdsprache in einer kleinen chinesischen Stadt nicht<br />
selbstverständlich und auch nicht leicht ist. Diese Gruppe<br />
von Facharbeitern blickte mit großer Vorfreude auf den Bau<br />
des deutschen Werks. Damals unterschätzten wir jedoch die<br />
Schwierigkeit des Exportes eines Technologiemodells nach<br />
dem Leitsatz: „Der chinesische Meister lehrt den deutschen<br />
Schüler“.<br />
Das Visum war dabei die erste Hürde: Der Visa-Beauftragte<br />
der deutschen Botschaft in China glaubte nicht, dass chinesische<br />
Experten nach Deutschland gingen, um Technik zu<br />
lehren. Vielmehr nahm er an, dass die chinesischen Arbeiter<br />
deutsche Arbeitsplätze besetzen wollten und lehnten die<br />
Visaerteilung für die meisten chinesischen Angestellten ab.<br />
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in China.<br />
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62 <strong>DCW</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> <strong>2018</strong><br />
Aus diesem Grund haben Herr Bi, der CEO von Greatview,<br />
und ich bei dem deutschen Botschafter in China und im<br />
deutschen Außenministerium jeweils eine Erklärung abgegeben.<br />
Nicht allen 30 chinesischen Arbeitnehmern haben<br />
wir es damit ermöglichen können, ihre Visa problemlos<br />
zu erhalten. Letztendlich kamen nur wenige chinesische<br />
Mitarbeiter nach Deutschland, was die Vorbereitungen,<br />
den Aufbau und die Inbetriebnahme des deutschen Werkes<br />
deutlich verlangsamte.<br />
An diesem Punkt muss ich betonen, dass das interkulturelle<br />
Verständnis beider Partner Grundlage einer guten wirtschaftlichen<br />
Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern<br />
ist. Deutschland sollte wahrnehmen und anerkennen, dass<br />
China sich schnell verändert. Gegenseitiger Respekt und<br />
Toleranz können den Erfolg der wirtschaftlichen Zusammenarbeit<br />
sicherstellen.<br />
Abgesehen von den anfänglichen unkontrollierbaren<br />
externen Faktoren, war auch die effektive Integration der<br />
Arbeitsmethoden von Mitarbeitern beider Länder ein<br />
Problem, dem wir nach dem Start der eigentlichen Produktion<br />
gegenüberstanden. Aber die Erfahrung hat uns gezeigt,<br />
dass Produktionsmanagement nicht nur aus Standards und<br />
Technologien besteht. Chinesen und Deutsche haben unterschiedliche<br />
kulturelle Hintergründe. Diesen mit Verständnis<br />
zu begegnen, kann ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum<br />
Managementerfolg sein. Ich werde dazu zwei Beispiele<br />
nennen:<br />
Greatview sowie viele weitere chinesische Unternehmen<br />
haben in den letzten Jahren große Fortschritte und Erfolge<br />
in der verarbeitenden Industrie erzielt, weil wir zusammen<br />
mit vielen unserer Kollegen eine demokratische Managementstrategie<br />
übernommen haben. Die deutschen Mitarbeiter<br />
und Führungskräfte haben unsere Managementmethode<br />
nicht sofort anerkannt. Sie waren sicher skeptisch, ob wir<br />
nicht vielleicht noch mit veralteten Managementmethoden<br />
arbeiten würden. Nach weitgehenden Beseitigungen<br />
von sprachlichen Barrieren und mit der Durchführung<br />
von interkulturellen Trainings auf beiden Seiten wurde das<br />
Management deutlich verbessert und im Laufe der Zeit auch<br />
akzeptiert. Chinesische und deutsche Mitarbeiter waren von<br />
Beginn an eher unkompliziert. Jeder Manager soll jeden<br />
Mitarbeiter respektieren und bereit sein zuzuhören. Wir<br />
konnten das Managementsystem gemeinsam schrittweise<br />
etablieren. Wir sind sehr stolz, dass wir mithilfe von mehr<br />
als zehn Jahren Erfahrung im Management in China, unser<br />
internationales Managementsystem erfolgreich in das deutsche<br />
Werk integrieren konnten.<br />
Außerdem möchte ich bezüglich der Thematik Krankenquote<br />
andere chinesische Investoren an unserer Erfahrung<br />
teilhaben lassen und darauf hinweisen, dass entsprechende<br />
Vorbereitungen getroffen werden müssen. Im Vergleich<br />
zu China gibt es in Deutschland einen hohen Grad der<br />
Professionalisierung, die Arbeitskosten sind daher ebenfalls<br />
sehr hoch. Zu Beginn haben wir für das deutsche Werk<br />
einen Plan entworfen, Vertretungsfunktionen im Vergleich<br />
zu unseren Werken in China, geringer zu halten. Davon<br />
ausgehend, dass in dem chinesischen Werk pro Schicht zwei<br />
Mechaniker arbeiten, wäre das in Deutschland normalerweise<br />
nur einer gewesen. So ein Einsatzplan aber birgt auch<br />
Risiken: Wenn dieser eine Mechaniker krankheitsbedingt<br />
nicht arbeiten kann, kann unsere Lieferkette nicht reibungslos<br />
laufen.<br />
Das deutsche Arbeitsrecht schützt die Angestellten vollumfassend:<br />
Wenn ein Arbeitnehmer krank ist, kann er<br />
zu Hause bleiben. Er muss sofort Bescheid geben, dass<br />
er aufgrund von Krankheit nicht arbeiten kann und dem<br />
Arbeitgeber eine entsprechende ärztliche Krankschreibung<br />
zusenden. Während dieser Zeit muss der Arbeitsgeber bis<br />
zu sechs Wochen das volle Entgelt zahlen. Die Krankenquote<br />
in Deutschland ist deutlich höher als in China. Bei<br />
Schlüsselpositionen kann das unter Umständen zu einer<br />
Stagnation der Unternehmensabläufe führen. Das deutsche<br />
Arbeitsrecht gewährt den Angestellten Rechte, die ein<br />
Unternehmen natürlich beachten muss. Wir haben letztlich<br />
den Personalplan entsprechend angepasst, um weitere Risiken<br />
zu vermeiden, auch wenn die Betriebskosten dadurch<br />
gestiegen sind. Um die Gesundheit unserer Mitarbeiter zu<br />
stärken, stellen wir z. B. kostenfrei frisches Obst in unserer<br />
Cafeteria zur Verfügung und führen in Kooperation mit<br />
einer Krankenkasse verschiedene Gesundheitstage durch.<br />
<strong>DCW</strong> Vielen Dank, dass Sie praktische Beispiele zur<br />
Analyse des Managements internationaler Teams genannt<br />
haben. Auch wenn es viele Übereinstimmungen gibt, sind<br />
Menschen aus unterschiedlichen Ländern durch ihre eigene<br />
Kultur geprägt. Mitarbeiter mit unterschiedlichen kulturellen<br />
Hintergründen zu führen, bedeutet, die Stärken der<br />
Menschen zu nutzen und zu entwickeln. Wo denken Sie,<br />
gibt es offensichtliche Unterschiede in den Denkweisen von<br />
deutschen und chinesischen Mitarbeitern?<br />
Gang Hong Sicherlich bringen Unterschiede in der<br />
Denkweise zwischen den beiden Ländern und die Auseinandersetzung<br />
der beiden Kulturen Probleme bei der<br />
Produktion mit sich. Wenn beispielsweise Aufgaben verteilt<br />
werden, fragt der deutsche Mitarbeiter: „Warum wird das
Greatview in Deutschland<br />
63<br />
so gemacht?“, der chinesische Angestellte fragt hingegen:<br />
„Wie wird es gemacht?“. Anhand dieses Beispiels kann man<br />
die unterschiedlichen Denkweisen erkennen: Die deutschen<br />
Mitarbeiter wollen zuerst die logische Beziehung zwischen<br />
den Dingen verstehen und erkennen, warum etwas getan<br />
werden muss. Der "Forschungsgeist" der deutschen Arbeiter<br />
hat uns wirklich erstaunt. Denn „Warum?“ ist eine Frage,<br />
die in der chinesischen Unternehmenskultur nur Mitarbeiter<br />
der Forschungs- und Entwicklungsabteilung stellen<br />
und beantworten müssen. Hinsichtlich der Effizienz hoffen<br />
wir natürlich, dass alle Angestellten unsere Anweisungen<br />
präzise umsetzen.<br />
Die kulturellen Unterschiede können zu Betriebsbeginn<br />
eines Werkes auch zu Verzögerungen führen, die wir aber<br />
gemeinsam abstellen konnten. Sofern es keine prinzipiellen<br />
Probleme gibt, respektieren wir beide Durchführungsmethoden.<br />
Es muss trotz aller Unterschiede nach Gemeinsamkeiten<br />
gesucht werden. Denn am Voneinander-Lernen<br />
sind wir gewachsen. Chinesische Experten sind bestrebt,<br />
die verschiedenen operativen Prozesse zu verstehen und<br />
sie deutschen Experten zu erklären. Es ist für beide Seiten<br />
schwierig, auf Englisch zu kommunizieren. Fachspezifische<br />
Dolmetscher in beiden Sprachen gibt es wenige und oft besitzen<br />
sie keine ausreichende Branchenkenntnis. Ich denke,<br />
dass dies auch ein großes Problem für chinesische Produktionsunternehmen<br />
in Deutschland sein wird.<br />
Wenn wir über dieses Problem sprechen, möchte ich auch<br />
gerne hervorheben, dass der Forschungsdrang der deutschen<br />
Angestellten die Stärke der deutschen Ausbildung im<br />
Bereich der Technik widerspiegelt. Im Vergleich zu chinesischen<br />
Mitarbeitern besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit,<br />
dass deutsche Facharbeiter bis in die Forschungs-und<br />
Entwicklungspositionen gelangen können.<br />
<strong>DCW</strong> In den mehr als vier Jahren der Inbetriebnahme des<br />
Standorts in Halle haben deutsche und chinesische Mitarbeiter<br />
sicherlich immer mehr Verständnis für die Kultur<br />
des anderen hinzugewonnen. Gleichzeitig sind vermutlich<br />
aber auch unter den deutschen und chinesischen Managern<br />
immer wieder neue essentielle Punkte gefunden worden, in<br />
denen sich Menschen und Kulturen unterscheiden. Worin<br />
unterscheiden sich Ihrer Meinung nach deutsche und chinesische<br />
Mitarbeiter und wo sehen Sie Vorteile?<br />
Gang Hong Ich denke, dass Chinesen sehr bescheiden und<br />
aufgeschlossen sowie äußerst durchsetzungsfähig sind. Im<br />
Umgang mit anderen Kulturen sind wir oft demütig. Diese<br />
positive Einstellung veranlasst uns, sowohl tolerant als auch<br />
lernwillig zu sein. Abgesehen davon, sind Chinesen sehr<br />
fleißig. Viele erfolgreiche chinesische Unternehmen arbeiten<br />
mit einem Team, das diese Eigenschaften vereint. Mit der<br />
richtigen Mobilisierung des Personals, kann man sagen,<br />
dass chinesische Angestellte vielleicht die fleißigsten Mitarbeiter<br />
der Welt sind. Aber auch in Deutschland haben wir<br />
Blick in die automatisierte Fabrik von Greatview
64 <strong>DCW</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> <strong>2018</strong><br />
sehr fleißige Mitarbeiter gefunden. Sie sind sehr stringent<br />
und sorgfältig, praktisch veranlagt und realistisch.<br />
Anfänglich waren die deutschen Mitarbeiter in der Übernahme<br />
der Aufgaben sehr vorsichtig. Sobald sie aber von<br />
der Richtigkeit überzeugt waren, wurde es zu einer sehr<br />
erfüllenden Aufgabe. Weiterhin konnten sie regelmäßig die<br />
Initiative ergreifen, technische Optimierungen vorzuschlagen.<br />
Dieser spontane Perfektionismus ist eine Eigenschaft,<br />
die wir an deutschen Mitarbeitern bewundern und von<br />
ihnen lernen sollten. Die Eigenschaft, sich aktiv einzubringen,<br />
inspirierte auch die chinesischen Kollegen. Die gute<br />
Kombination von Fleiß, Gewissenhaftigkeit und die aktive<br />
Mitarbeit bringen dem Unternehmen auf lange Sicht große<br />
Vorteile.<br />
Außerdem möchte ich gerne über die Loyalität der Mitarbeiter<br />
sprechen. Man muss hervorheben, dass die chinesischen<br />
Mitarbeiter in erfolgreichen Unternehmen ziemlich<br />
loyal sind. Das ist eine Besonderheit von Ostasien. Diesen<br />
Grad an Loyalität würden deutsche Arbeiter ehrlich gesagt<br />
nicht erreichen, da ein Hauptmerkmal der westlichen Kultur<br />
die Entwicklung des Individuums ist. Vor diesem gesellschaftlichen<br />
Hintergrund möchte ich das von den deutschen<br />
Mitarbeitern auch nicht verlangen. Deutsche Angestellte<br />
haben gegenüber ihrer Arbeit eine sehr vernünftige Einstellung,<br />
legen Wert auf ihre persönliche Entwicklung und<br />
das Ansehen innerhalb des Unternehmens. Diese rationale<br />
Professionalität ist beeindruckend.<br />
<strong>DCW</strong> In vielen chinesisch investierten Unternehmen in<br />
Deutschland erkennt man, dass es ist nicht leicht ist, in<br />
Deutschland hochqualifiziertes Personal zu rekrutieren. Insbesondere<br />
um deutsches Personal für chinesisch investierte<br />
Unternehmen zu finden, muss die Unternehmensattraktivität<br />
erhöht werden. Wie baute Greatview erfolgreich ein 200<br />
Mitarbeiter starkes deutsches Team auf?<br />
Gang Hong Zunächst sollten wir uns die Hintergründe<br />
der Entwicklungen der deutschen Wirtschaft vergegenwärtigen:<br />
Wir haben seit 2009 den deutschen Markt untersucht.<br />
2013 erfolgte die offizielle Inbetriebnahme unseres Werkes.<br />
Während dieser Zeit erging es der deutschen Wirtschaft<br />
nicht sehr gut, das zeigte sich besonders gravierend im<br />
Osten Deutschlands. Hier gab es eine hohe Arbeitslosenquote<br />
. In diesem gesamtwirtschaftlichen Umfeld wurden<br />
wir zu einem Industrieunternehmen, das lokal Arbeitsplätze<br />
schaffen konnte und begegneten bei der Rekrutierung kaum<br />
Schwierigkeiten. Wir erhielten aus Sachsen-Anhalt und<br />
dem benachbarten Sachsen fast 3.000 Bewerbungen, weit<br />
Herr Hong und seine Mitarbeiter beim Hissen der Flaggen
Greatview in Deutschland<br />
65<br />
mehr als die geplanten 119 Stellen, die wir anbieten konnten.<br />
Das zeigt auch, dass wir als internationales Unternehmen<br />
aus China das öffentliche Interesse erregen konnten. Im<br />
Vergleich zu der fast reibungslosen Stellenbesetzung von<br />
vor ein paar Jahren ist die Rekrutierung von Fachkräften<br />
inzwischen eine Herausforderung.<br />
Der deutschen Wirtschaft geht es momentan sehr gut,<br />
auch die Wirtschaft im Osten Deutschlands entwickelt<br />
sich schnell und die Arbeitslosenquote befindet sich auf<br />
dem niedrigsten Niveau der Geschichte. Große namhafte<br />
deutsche Unternehmen wie BMW und Porsche haben<br />
ihre Produktionsstätten, die sich auch in dieser Region<br />
Ostdeutschlands befinden, ebenfalls erweitert. Leipzig als<br />
östlicher Wirtschaftsstandort (neben Halle) und seine Umgebung<br />
sind sehr attraktiv.<br />
Unter diesen Umständen ist das Finden von geeignetem<br />
Personal längst nicht mehr ganz einfach: Mit dieser Herausforderung<br />
sieht sich jedoch jedes Unternehmen in einem<br />
bestimmten Zeitraum konfrontiert. Unsere Vorteile sind:<br />
modernste Maschinen und Anlagen, sehr gute Arbeitsbedingungen<br />
und die internationale Ausrichtung.<br />
<strong>DCW</strong> Der Betrieb des Unternehmens umfasst nicht nur das<br />
interne Management eines Unternehmens. Viele chinesische<br />
Firmen möchten auch mehr von der Unterstützung aus dem<br />
politischen Umfeld erfahren. Wie würden Sie die Arbeit von<br />
deutschen Kommunen und Wirtschaftsförderern für die<br />
Investitionen in Deutschland bewerten?<br />
Gang Hong Als wir zu Beginn die Analysen durchführten,<br />
pflegten wir engen Kontakt zu vielen deutschen Bundesländern<br />
und Germany Trade & Invest (GTAI). Wir schätzen<br />
die Fähigkeit und Effizienz der deutschen Wirtschaftsförderungen<br />
sehr, Unternehmen zu unterstützen. Als wir einen<br />
geeigneten Investitionsstandort gesucht haben, hat uns<br />
GTAI einige passende Standorte angeboten. Der komplette<br />
Service war entgeltfrei. Natürlich bedarf es bei Investitionen<br />
in wichtigen Angelegenheiten größerer Vorsicht. Die<br />
Ansprechpartner der Wirtschaftsförderungen haben uns<br />
immer geduldig und professionell beraten.<br />
Schließlich haben wir uns für die Stadt Halle in Sachsen-<br />
Anhalt entschieden. Wir hatten zahlreiche Verhandlungen<br />
und Konsultationen mit lokalen Regierungsvertretern wie<br />
Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff und seinen Kollegen<br />
und dem Bürgermeister von Halle. Wir sind überaus dankbar<br />
für die gute Zusammenarbeit und Hilfe. Ich muss sagen,<br />
dass ich die politische und geschäftliche Kultur Deutschlands<br />
zutiefst bewundere. Im Zuge unserer Analysen haben<br />
wir die Verlässlichkeit der Landesregierung Sachsen-Anhalt<br />
kennengelernt. Dr. Haseloff ist ein Politiker mit Weitblick.<br />
In Zeiten knapper Haushaltsbudgets initiierte er den Bau<br />
des Star Park, einem Industriepark in Halle, und überzeugte<br />
Unternehmen, in den Osten Deutschlands zu investieren.<br />
Unser Werk befindet sich genau in diesem Industriepark.<br />
Sachsen-Anhalt hat uns ein preislich attraktives Grundstück<br />
angeboten, mit angemessenen Arbeitsressourcen und<br />
ausgezeichnetem Infrastrukturausbau. Dafür sind wir sehr<br />
dankbar.<br />
<strong>DCW</strong> Sie haben die Probleme für chinesische Mitarbeiter,<br />
in der Zeit unmittelbar nach der Gründung des Betriebs<br />
Visa zu erhalten, erwähnt. Sind denn seit diesen fünf Jahren<br />
positive Veränderungen in diesem Bereich zu verzeichnen?<br />
Gang Hong Eine Verbesserung ist sicherlich zu verzeichnen,<br />
als Unternehmer warte ich aber auf noch weitergehende<br />
Fortschritte. Was mich persönlich als Vorsitzenden von<br />
Greatview betrifft, ist mein derzeitiges Businessvisum für<br />
Deutschland auf nur zwei Jahre befristet. Bei der Beantragung<br />
des Visums muss ich jedes Mal detailliert meinen Reiseverlauf<br />
in Deutschland angeben und die Prozeduren sind<br />
kompliziert. Eine Vereinfachung des Visa-Services für Manager<br />
chinesischer Auslandsunternehmen in Deutschland<br />
ist etwas, dem ich wirklich erwartungsvoll entgegensehe.<br />
<strong>DCW</strong> Greatview konnte in den sieben Jahren seit seiner Investition<br />
in Deutschland viel Aufmerksamkeit verzeichnen<br />
und Erfolge verbuchen. Haben sich Ihre Erwartungen, die<br />
Sie bei der Entscheidung für diese Investition hatten, erfüllt?<br />
Gang Hong Die Investition in Deutschland war ein wichtiger<br />
Schritt in der Internationalisierungsstrategie von Greatview<br />
und die derzeitigen Erfolge haben unsere Erwartungen<br />
in Gänze erfüllt. Obwohl wir eine relativ lange Phase der<br />
Anpassung, der Einarbeitung und der Justierung zu Beginn<br />
des Betriebs im Vergleich zum Werk in China durchlaufen<br />
haben, ist die weitere Entwicklung doch gut. Schon nach<br />
etwas mehr als zwei Jahren nach der Investition hat der<br />
deutsche Betrieb bereits Gewinne erzielt.<br />
Im Mai 2013 haben wir mit einer weiteren Investition von 38<br />
Millionen Euro den Betrieb um eine zweite Produktionslinie<br />
erweitert. Das Investitionsabkommen wurde feierlich im<br />
Beisein der Bundeskanzlerin Angela Merkel und des chinesischen<br />
Ministerpräsidenten Li Keqiang unterzeichnet. Die<br />
zweite Produktionslinie ist bereits im August 2017 in Betrieb<br />
gegangen und hat unsere Produktionskapazitäten weiter
66 <strong>DCW</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> <strong>2018</strong><br />
vergrößert. Dahinter standen der Einsatz, die Anstrengungen<br />
und die Zusammenarbeit der Mitarbeiter. Darauf bin<br />
ich stolz.<br />
Warum sage ich, dass die Investition in Deutschland ein<br />
wichtiger Schritt in der Internationalisierungsstrategie war?<br />
Zunächst konnten wir durch die Errichtung eines europäischen<br />
Werks unsere Lieferkette optimieren. Außerdem<br />
konnte Greatview durch den Betrieb seines deutschen<br />
Werkes äußerst vielfältige Erfahrungen in der Praxis des<br />
transnationalen und transkulturellen Wirtschaftens sammeln<br />
und jede Menge exzellenter Manager und Frontline-<br />
Mitarbeiter ausbilden. Dies hat im Folgenden die weitere<br />
Internationalisierung unserer Managementkompetenz<br />
gestärkt, neue Arbeitskräfte gebracht, die Wahl unserer<br />
Strategien diversifiziert und uns im späteren internationalen<br />
Expansionsprozess Selbstvertrauen gegeben. Somit war die<br />
Investition in Deutschland eine richtige und sehr wichtige<br />
Entscheidung. Unsere Produktmarken sind des Weiteren<br />
durch „Made in Germany“ noch internationaler geworden.<br />
<strong>DCW</strong> Vielen Dank, dass Sie Ihre Erfahrungen mit uns<br />
teilen. Aus den Beispielen aus der Praxis können sicherlich<br />
andere chinesische Unternehmen, die im Ausland investieren<br />
wollen, neue Ideen für die Unternehmensorganisation<br />
und -entwicklung generieren. Haben Sie weitere Ratschläge<br />
und Hinweise für chinesische Unternehmen, die derzeit<br />
planen, ins Ausland zu gehen?<br />
Gang Hong Als Leiter eines Unternehmens braucht man<br />
sicherlich die Fähigkeit, ein internationalisiertes Unternehmen<br />
zu führen und eine ausreichende Vision zur Internationalisierung.<br />
Als mittelständisches Unternehmen hat<br />
Greatview ein extrem internationales Team, das seine Technik<br />
und sein Verwaltungssystem in Deutschland implementieren<br />
konnte. Ein Großteil der Unternehmensgründer und<br />
des Managements unseres Unternehmens hat im Ausland<br />
studiert oder Erfahrungen in ausländischen Unternehmen<br />
gesammelt und unsere Unternehmensvision ist es, ein ebenso<br />
multinationales Unternehmen zu werden. Dies half uns,<br />
internationalisierte Betriebsweisen und Standards bereits<br />
bei der Unternehmensgründung zu etablieren. Wir haben<br />
somit die Fähigkeit, die Regeln der fremden Umgebung<br />
und des ausländischen Marktes ausreichend zu verstehen,<br />
bevor wir ins Ausland gehen. Trotzdem gab es in der ersten<br />
Phase der Auslandsinvestition eine Durststrecke, die es zu<br />
überwinden galt. Daher sind für klein- und mittelständische<br />
Unternehmen Sparsamkeit und Gewissenhaftigkeit allein<br />
nicht ausreichend.<br />
Wenn die Führungsebene keine ausreichend internationale<br />
Vision und Organisationserfahrung hat und es ihr an mentaler<br />
und substanzieller Vorbereitung fehlt, sind die Schwierigkeiten,<br />
auf die sie stoßen wird, vorauszusehen. Ich hoffe,<br />
dass die praktischen Erfahrungen der Greenfield-Investition<br />
von Greatview anderen chinesischen Unternehmen, die derzeit<br />
den europäischen Markt ins Auge fassen, als hilfreiche<br />
Referenz dienen können. ■<br />
Gang Hong<br />
Gründer und Vorstandsvorsitzender<br />
der Greatview<br />
Aseptic Packaging Co., Ltd.<br />
Nach seinem Bachelorstudium<br />
in thermischer Physik<br />
an der Universität Zhejiang<br />
1985 und einem Masterstudium<br />
in Wirtschaftswissenschaften<br />
an der Universität<br />
Sussex Großbritannien<br />
1987 arbeitete Gang Hong in China zunächst als<br />
Business Development Manager bei der Scandinavia<br />
AB, später als erster Resident Chief Representative bei<br />
einem namhaften Verpackungshersteller. Im Jahr 2003<br />
gründete er die Greatview Aseptic Packaging Co., Ltd<br />
und verantwortete den kontinuierlichen Wachstumsprozess<br />
des Unternehmens. Die Greatview Aseptic Packaging<br />
Co., Ltd. ist eines der wenigen Unternehmen,<br />
die sterilisierbare Verpackungsmaterialien produzieren.<br />
Im Jahr 2011 investierte das Unternehmen 50 Millionen<br />
Euro in den Bau seines Verpackungswerks in Halle<br />
(Saale).
Managementinnovation aus China?<br />
67<br />
Dr. Matthias Niedenführ<br />
Managementinnovation aus China?<br />
Der Emerging Trend des „Confucian Entrepreneur“<br />
Beim World Economic Forum <strong>2018</strong> in Davos erregte Jack Ma<br />
(Ma Yun, 马 云 ), Gründer des chinesischen Online-Handelsgiganten<br />
Alibaba, mit seinen Aussagen zu den Anforderungen<br />
an Menschen und ethische Standards in der<br />
Wirtschaft einige Aufmerksamkeit: 1<br />
Business people should have a philanthropic heart<br />
and entrepreneurial mind instead of an entrepreneurial<br />
heart and a philanthropic mind.<br />
Was meint Ma mit diesem Statement? Für Unternehmer gibt<br />
es zwei hauptsächliche Beweggründe, um sich mit ethischen<br />
Erwägungen auseinanderzusetzen, nämlich intrinsische Motivation<br />
und externe Anreize. Ein Unternehmer mit „philanthropischem<br />
Kopf “ und „unternehmerischem Herzen“ wird<br />
eher zur Vermeidung von gewinnschädigendem Imageverlust<br />
an Corporate Sustainability denken,2 wobei ein äußerer<br />
Anschein erzeugt wird, ohne jedoch die Unternehmenskultur<br />
substantiell zu verändern (wie durch Einführung von<br />
Stakeholder Dialogen oder die Anpassung von Performance<br />
Appraisals). Unternehmer mit „philanthropischem Herzen“<br />
dagegen legen ihren Fokus darauf, welchen Nutzen für die<br />
Gesellschaft ihr Geschäft bringen kann, und nicht nur auf die<br />
Ergebnisse im nächsten Quartalsbericht. Diese Art Unternehmer,<br />
so Ma, brauche die Welt.<br />
Aus diesem Grund betonte Ma auch die Bedeutung gemischter<br />
Teams für den Erfolg eines Unternehmens. Bei Alibaba<br />
seien 37 Prozent der Führungspositionen von Frauen<br />
besetzt, da diese, so Ma, oft über einen höheren „Liebes-<br />
Quotienten“ (LQ) verfügten:<br />
If you want to be respected, you need high LQ –<br />
the IQ of love<br />
Liebe zur eigenen Aufgabe, zu Teammitgliedern und zu den<br />
Kunden sei eine zentrale Antriebskraft, die bei erfolgreichen<br />
Unternehmern und Managern zu finden sein müsse.<br />
Vorreiter des New Chinese<br />
Management<br />
Die von Ma vorgebrachten Ansichten sind sicher nicht neu,<br />
doch es gelingt ihm, sie besonders prägnant auf den Punkt zu<br />
bringen. Dabei nennt er eine Reihe von Werten, wie Überzeugungen,<br />
unabhängiges Denken, Teamwork, und Rücksichtnahme<br />
für andere, die in den letzten Jahren für chinesische<br />
Unternehmer besondere Bedeutung erlangt haben.<br />
Jack Ma ist, ebenso wie sein Konkurrent Pony Ma (Ma Huateng,<br />
马 化 腾 ), der Gründer von Tencent, ein Alumnus der<br />
Cheung Kung Graduate School of Business (CKGSB). Diese<br />
wurde 2002 vom Hongkonger Tycoon Lee Ka Shing ( 李 嘉<br />
诚 ) gegründet und gilt als erfolgreichste private Business<br />
School Chinas.3 Seit einigen Jahren arbeitet sie gemeinsam<br />
mit dem Konfuzianismus-Experten Tu Weiming ( 杜 维 明 ,<br />
Harvard/Peking University) an einem „humanistic curriculum“<br />
für Manager.<br />
Mit diesem Hintergrund gehört Jack Ma wohl nicht von<br />
ungefähr zu jener neuen Generation von Unternehmern,<br />
die Privatunternehmen in China zu einem Motor für Innovation<br />
gemacht haben und dabei gezielt auf chinesische<br />
„humane Werte“ zurückgreifen. Diese Unternehmer wollen<br />
sich nicht mehr nur von westlichen Managementideen leiten<br />
lassen, wie sie in den Business Schools gelehrt werden,<br />
sondern auch die besonderen kulturellen, gesellschaftlichen<br />
und politischen Verhältnisse ihres Heimatlandes im<br />
Management widergespiegelt sehen. Sie versuchen ein New<br />
Chinese Management zu entwickeln, welches die globale<br />
Diskussion über vorbildliches Management um einen dezidiert<br />
chinesischen Beitrag bereichern soll.<br />
Als Inhaber einer Professur, die den Fragen ethischen<br />
Wirtschaftens in China gewidmet ist,⁴ beschäftige ich mich
68 <strong>DCW</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> <strong>2018</strong><br />
„Model Entrepreneurs“ auf einer Confucian Entrepreneur Tagung<br />
seit längerem mit dem aus dieser Diskussion entstehenden<br />
Phänomen des „Confucian Entrepreneurship“. Dabei ist<br />
es mir ein besonderes Anliegen, gerade auch jene Unternehmen<br />
und Geschäftsleute, die in China aktiv sind oder<br />
mit chinesischen Partnern zusammenarbeiten, über diesen<br />
Emerging Trend zu informieren, der bisher noch nicht von<br />
der westlichen Öffentlichkeit wahrgenommen wird.<br />
Im Folgenden werde ich zum besseren Verständnis zunächst<br />
kurz die Entstehung und den chinesischen Kontext dieses<br />
Phänomens skizzieren, danach einige der Unternehmer,<br />
deren Arbeit ich untersucht habe, selbst zu Wort kommen<br />
lassen und Beispiele ihrer innovativen Management-Praktiken<br />
vorstellen.<br />
Was ist der „Confucian<br />
Entrepreneur“?<br />
Der chinesische Begriff „Confucian Entrepreneur“ (rushang<br />
儒 商 ) setzt sich zusammen aus den Schriftzeichen ru 儒 (für<br />
rujiao 儒 教 „Konfuzianismus“)⁵ und shang 商 (für shangren<br />
商 人 „Händler, Kaufleute, Geschäftsleute, Unternehmer“). In<br />
China bezeichnet Rushang jene Unternehmer, die in ihrem<br />
Geschäft erfolgreich sind, dabei insbesondere aber auch<br />
darauf achten, ethisch zu agieren. Hierbei beziehen sie sich<br />
auf traditionelle Werte aus dem chinesischen Kulturerbe. Zu<br />
diesen Werten gehören Aufrichtigkeit, Vertrauen, Fleiß, Fairness,<br />
Verlässlichkeit und andere konfuzianische Tugenden.<br />
Die Rushang der Volksrepublik engagieren sich zudem für<br />
eine Wiederbelebung (fuxing 复 兴 ) der traditionellen Kultur<br />
und der chinesischen Nation. Dies steht eng im Zusammenhang<br />
mit der Förderung chinesischer Werte und dem neuen<br />
Selbstbewusstsein Chinas in der Ära Xi Jinping.<br />
Im engeren Sinne beziehen sich „Confucian Entrepreneurs“<br />
auf Wertevorstellungen konfuzianischer Denker, wie etwa<br />
Konfuzius (Kongzi 孔 子 ), Mencius (Mengzi 孟 子 ), dem<br />
Song-zeitlichen „Neo-Konfuzianer“ Zhu Xi ( 朱 熹 ), oder<br />
dem Ming-zeitlichen Gelehrten Wang Yangming ( 王 阳<br />
明 ). Die Denkschulen, die unter „Konfuzianismus“ zusammengefasst<br />
werden, wurden – mit Unterbrechungen – über<br />
Generationen bis heute weitergegeben und weiterentwickelt.<br />
Im weitesten Sinne werden alle Denkströmungen der chinesischen<br />
Geschichte als Referenz für die Rushang herangezogen,<br />
also auch Daoismus, Buddhismus, die Yin-Yang-Lehre,<br />
Mohismus, die Fünf-Elemente-Lehre etc. Tatsächlich gibt es<br />
auch den „Daoist Entrepreneur“ (daoshang 道 商 ) und den<br />
„Buddhist Entrepreneur“ (foshang 佛 商 ).⁶<br />
Dabei ist zu beachten, dass die genannten ethischen Systeme<br />
in China nur bedingt der westlichen Vorstellung von<br />
Religion entsprechen und es zwischen ihnen keine feste<br />
Abgrenzung gibt. Manch einer versteht sich als Konfuzianer,<br />
wenn es um die Ideale staatlicher Ordnung und sozialer<br />
Beziehungen geht, und bezieht sich in anderen Lebensbereichen,<br />
wie etwa der Rücksicht auf die Umwelt und Jenseitsvorstellungen<br />
auf buddhistische, daoistische und andere<br />
Gedanken.⁷ Die Flexibilität und gewisse stabilitätsfördernde<br />
Elemente des Konfuzianismus waren sicher Gründe, warum<br />
schon der Kaiser und die Beamtenelite diese Denkschule<br />
favorisierten und warum auch die gegenwärtige Führung in<br />
China wieder an diese Tradition anknüpft.
Managementinnovation aus China?<br />
69<br />
Historische Vorgänger und<br />
Vorbilder<br />
Die Vorstellung von „konfuzianischen Kaufleuten“ ist keineswegs<br />
neu. Schon vor Jahrhunderten versuchten Kaufleute<br />
und Unternehmer, Gewinnstreben mit der Verantwortlichkeit<br />
für die Gemeinde in Einklang zu bringen und<br />
Ausbeutung zu vermeiden, indem sie faire Preise machten<br />
und lokale Förderprojekte verfolgten. Dazu gehörten<br />
Bewässerungsprojekte, Straßen- und Brückenbau, Instandhaltung<br />
von Dämmen und Wohltätigkeitsprojekte – alles<br />
Aktivitäten, die heute in Corporate-Social-Responsibility-<br />
Berichten Erwähnung finden würden.<br />
Gewinnstreben wurde von konfuzianischen Denkern traditionell<br />
mit Missfallen betrachtet. Entsprechend stellte man<br />
auch die Kaufleute in der Einteilung der Gesellschaft der<br />
„Vier Volksgruppen“ unter die anderen sozialen Gruppen,<br />
also unter „Gelehrtenbeamte“, „Bauernvolk“ und „Handwerker“.<br />
Gerade in der Ming- und Qing-Zeit kam es jedoch<br />
zu dem Phänomen, dass gescheitere Aspiranten der Beamtenprüfungen,<br />
die in der harten Auslese nicht reüssierten,<br />
eine kaufmännische Laufbahn einschlugen, um sich über<br />
Wasser zu halten. Unter den Kaufleuten wiederum, denen<br />
der Zugang zu den Prüfungen ohnehin verwehrt war, gab<br />
es solche,⁸ die den sozialen Aufstieg durch konfuzianische<br />
Bildung flankierten. Somit bildete sich zwischen diesen vertikal<br />
getrennten Schichten eine hybride Gruppe heraus, die<br />
als Mischung hochgebildeter Konfuzianer und erfolgreicher<br />
Kaufleute schon damals die Selbstzuschreibung „konfuzianische<br />
Händler“ (rugu 儒 贾 ) wählte.⁹<br />
Tatsächlich gab es regionale Händlergruppen (shangbang 商<br />
帮 ), die für ihren Erfolg und ihre Tugenden weithin bekannt<br />
waren. Dazu zählten vor allem die Händler aus den Provinzen<br />
Anhui, Shanxi Zhejiang, Jiangsu und Guangdong.1⁰<br />
Es kommt nicht von ungefähr, dass genau diese Regionen<br />
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70 <strong>DCW</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> <strong>2018</strong><br />
heute an diese Tradition anknüpfen und im Bereich ökonomischer<br />
Aktivität und Entrepreneurship in China wieder an<br />
der Spitze liegen.11<br />
Die Renaissance des „Confucian<br />
Entrepreneurs“<br />
Nachdem in den ersten drei Jahrzehnten des kommunistischen<br />
China im Zuge der Planwirtschaft das private<br />
Unternehmertum in der Volksrepublik fast vollständig<br />
verschwunden war, hat dieses in der Zeit der „Reform- und<br />
Öffnungs“-Politik Deng Xiaopings wieder eine deutliche<br />
Aufwertung erfahren. Die Vorstellungen und Praktiken des<br />
Rushang lebten in der chinesischen Diaspora (Hongkong,<br />
Taiwan, Südostasien) sowie in Japan, Korea und Vietnam<br />
weiter und wurden von Investoren wieder zurück nach Festlandchina<br />
gebracht. Zu den häufig genannten Vorbildern<br />
zählen Inamori Kazuo ( 稲 盛 和 夫 , Japan), Chou Chun-chi<br />
( 周 俊 吉 , Taiwan),11 Run Run Shaw ( 邵 逸 夫 ) und Li Ka<br />
Shing (beide Hongkong).<br />
Die Phase intensiven Wachstums, die seit der Zeit der<br />
„Reform und Öffnung“ anhält, hat allerdings eine Reihe negativer<br />
Konsequenzen für die Umwelt und soziale Ungleichgewichte<br />
mit sich gebracht. Dazu zählen die weit verbreitete<br />
Korruption und die Missachtung von Fairness-Grundsätzen<br />
in Geschäftsbeziehungen. Die Diskussionen um „business<br />
ethics“, „CSR“ und „sustainability“, die zu der Zeit im Westen<br />
bereits etabliert waren, werden daher seit dem WTO-<br />
Beitritt auch in China verstärkt aufgegriffen. Gleichzeitig<br />
suchen viele – wie Jack Ma – nach vergleichbaren Ideen im<br />
chinesischen Kulturerbe.<br />
Während die Diskussionen in den 2000ern vor allem von<br />
Akademikern wie dem oben erwähnten Tu Weiming,<br />
Zhou Shengchun ( 周 生 春 , Zhejiang), Li Honglei ( 黎 红 雷 ,<br />
Guang dong) und Fan Heping ( 樊 和 平 , Nanjing) angetrieben<br />
wurden, haben in den letzten Jahren immer mehr Unternehmer<br />
die Wiederaufwertung der traditionellen Kultur<br />
und ihrer Werte im Business für sich entdeckt. Einer von<br />
ihnen erklärt seine Motivation folgendermaßen:<br />
Using the term Confucian businessman is a trend<br />
and it’s good for business, […] It sets me apart from<br />
crass merchants who don't care about regulations<br />
or social responsibilities.1³<br />
Der „Confucian Entrepreneur“ wurde ab 2006 auf Konferenzen,<br />
wie den Confucian Entrepreneur Seminars,1⁴ dem<br />
Bo’ao Confucian Entrepreneur Forum oder dem New Business<br />
Civilization Forum1⁵ aufgegriffen. Spezialisierte Forschungsinstitute1⁶<br />
sowie zahlreiche Confucian-Entrepreneur-Vereinigungen<br />
widmen sich diesem Thema.<br />
Die Ernsthaftigkeit des Engagements vieler Unternehmer<br />
wird in der öffentlichen Diskussion in China zuweilen in<br />
Frage gestellt:<br />
[… He] is one of many Chinese businessmen who<br />
want to add some Confucian (meaning Chinese<br />
culture) cachet to their image and become known<br />
as a scholar-businessman.<br />
Chinesische Unternehmer werden auf dem Bo’ao Confucian Entrepreneur Forum geehrt
Managementinnovation aus China?<br />
71<br />
Liu Chuanzhi, Gründer und Ehrenvorsitzender von Lenovo<br />
Auch wenn für einige Unternehmer das Label „Confucian<br />
Entrepreneur“ vermutlich wenig mehr als ein Modebegriff<br />
ist – die Philanthropie also nur im Kopf steckt, um mit Jack<br />
Ma zu sprechen – so ist doch bemerkenswert, dass tausende<br />
Unternehmer an den Diskussionen teilnehmen und<br />
bekannte Unternehmerpersönlichkeiten ihnen Legitimität<br />
verleihen.<br />
Im Dezember 2017 trafen sich knapp 2.000 Unternehmer<br />
in Hainan,1⁷ um sich darüber zu unterhalten, was „New<br />
Chinese Management“ auf der Grundlage traditioneller<br />
chinesischer Werte sein könnte. Unter dem Thema „Speak<br />
to the World“ ( 对 世 界 说 ) wurde diskutiert, wie nachhaltige<br />
Formen chinesischen Unternehmertums entwickelt und<br />
umgesetzt werden und wie chinesische Unternehmer konstruktiv<br />
in der Welt agieren können.<br />
Zu den als Vorbild genannten Unternehmern gehören Liu<br />
Chuanzhi ( 柳 传 志 , Lenovo), Chen Feng ( 陈 峰 , Hainan<br />
Airlines), Ji Keliang ( 季 克 良 , ehemaliger Leiter von Maotai),<br />
Mao Zhongqun ( 茅 忠 群 , CEO von FOTILE) und viele<br />
andere.<br />
We will need the resources of traditional Chinese<br />
culture to build a new business civilization<br />
Liu Chuanzhi, Lenovo<br />
Die chinesische Regierung, die große Herausforderungen<br />
wie Umweltschäden und rückgängige soziale Kohäsion<br />
bewältigen muss, ist auf die Unterstützung ihrer Politik<br />
durch private Unternehmer angewiesen. Doch obwohl der<br />
Emerging Trend des „Confucian Entrepreneurs“ den Zielen<br />
der Partei entspricht, handelt es sich hierbei nicht um einen<br />
Top-down-Prozess, sondern um Bottom-up-Prozesse, die<br />
von Geschäftsleuten und Wissenschaftlern initiiert wurden.<br />
Sie werden von der Partei wohlwollend geduldet.<br />
Forschung an Fallstudien<br />
Nun passiert es nicht selten, dass Ideale trotz aller Diskussionen<br />
in der Realität wenig Anwendung finden. Eine<br />
wichtige Aufgabe liegt daher darin, solche Unternehmen<br />
zu identifizieren, die konfuzianische Werte auch in der geschäftlichen<br />
Praxis umsetzen. Es geht darum, die propagierten<br />
den implementierten Werten gegenüberzustellen. Dabei<br />
soll der Umbau der Unternehmenskultur hin zu einem<br />
nachhaltigem, in traditionellen Werten verankerten Modell<br />
in wissenschaftlich überprüfbarer Weise untersucht werden.<br />
Insbesondere die Reaktion der Mitarbeiter (von Compliance<br />
bis hin zu Widerstand) ist hier von Bedeutung.<br />
Im chinesischen Kontext ist der Zugang zu relevanten<br />
Unternehmen und damit wertvollen Informationen für Ausländer<br />
nur schwer zu erlangen. In Jahren geduldiger Netzwerkarbeit<br />
konnte ich jedoch das notwendige Vertrauen bei<br />
zentralen Akteuren entwickeln, von denen ich einige bereits<br />
genannt habe. Unter den über hundert Unternehmern, zu<br />
denen ich inzwischen Kontakt habe, wurden diejenigen<br />
herausgesucht, die durch ihre besonderen Bemühungen um<br />
eine „konfuzianische“ Arbeitsweise auffallen.<br />
Der empirische Teil meiner Forschung umfasst Interviews –<br />
auf Chinesisch – mit ca. 15 Akteuren je untersuchter Firma:<br />
Zunächst mit dem Unternehmer selbst, dann mit dem Top-<br />
Management, dem mittleren und unteren Management und
72 <strong>DCW</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> <strong>2018</strong><br />
der Mitarbeiterebene. Die Interviews sind halb-strukturiert,<br />
damit auch die Interviewpartner Themen zur Sprache bringen<br />
können, die ihnen relevant erscheinen. Sie sind anonymisiert,<br />
damit die Mitarbeiter sich frei äußern und Kritik üben<br />
können. Die Fragen sind u. a.: Welchen Anspruch hat das<br />
Unternehmen und für welche Werte steht es? Wie vermitteln<br />
Führungskräfte diese Werte? Welche Maßnahmen werden<br />
konkret umgesetzt?<br />
Die bisher untersuchten Unternehmen sind in ihrer Größe,<br />
Branche und ihrem gewählten Ansatz sehr unterschiedlich.<br />
Das Ziel ist es, eine Theorie des „Confucian Entrepreneur“<br />
zu erarbeiten, die in quantitativen Folgestudien überprüft<br />
werden wird. Im Folgenden greife ich exemplarisch zwei<br />
Fälle heraus:<br />
Mao Zhongqun und FOTILE:<br />
„Exzellent durch Liebe“<br />
Die Firma FOTILE (Fangtai 方 太 ) ist Marktführer in China<br />
im Edelsegment elektrischer Küchengeräte und Einbauküchen.<br />
Sie sitzt in Cixi ( 慈 溪 ) bei Ningbo (Zhejiang) in der<br />
Hightech-Zone Hangzhou-Bay gegenüber von Shanghai.<br />
FOTILE wurde 1996 gegründet, als der heutige CEO Mao<br />
Zhongqun ( 茅 忠 群 ) von seinem Vater Mao Lixiang ( 茅 理<br />
翔 ) in die damalige Feixiang-Gruppe ( 飞 翔 ) geholt wurde,<br />
wofür er seine erfolgreiche naturwissenschaftliche Karriere<br />
aufgeben musste. Nach intensiver Marktrecherche verlagerte<br />
der Sohn das Geschäft von Feuerzeugen ins Segment der<br />
Dunstabzugshauben europäischer Bauart und benannte die<br />
Firma in FOTILE um.1⁸ Dafür forderte er volle Kontrolle<br />
über das Unternehmen und das Recht, nur passende Mitarbeiter<br />
aus der alten Firma zu übernehmen. Der Fall Feixiang–FOTILE<br />
gilt als Vorbild einer gelungenen Übergabe<br />
der Gründergeneration an die zweite Generation.1⁹<br />
Als Vorbereitung auf seine neue Laufbahn machte Mao<br />
zunächst einen EMBA an der China Europe International<br />
Business School (CEIBS) in Shanghai, bevor er sich an der<br />
Peking Universität und der Tsinghua-Universität in Peking<br />
in Kursen in Guoxue ( 国 学 , „Nationalstudien“)1⁹ einschrieb.<br />
Er verspürte die Notwendigkeit, westliche Management-<br />
Ideen um chinesische Elemente zu erweitern:<br />
That made me think about China having five<br />
thousand years of civilization, about our future. In<br />
twenty, thirty years, will our Business Schools still<br />
only teach American management?<br />
I don’t think that is likely. It must be like in Japan,<br />
somehow combining modern management with<br />
China’s five thousand years of culture.<br />
Die Umstrukturierung stand unter dem Motto „Integration<br />
von Chinesischem und Westlichem“ (zhongxi hebi 中 西 合<br />
璧 ). Mao fügte sich im Sinne konfuzianischer kindlicher<br />
Pietät (xiao 孝 ) den Wünschen des Vaters, in die Firma<br />
einzusteigen. Seine westliche Ausbildung veranlasste ihn<br />
aber auch, mit der in chinesischen Familienunternehmen<br />
üblichen Verteilung von Führungspositionen an Familienmitglieder<br />
zu brechen und stattdessen professionelle<br />
Manager in die Firma zu holen.<br />
Die Umgestaltung der Unternehmenskultur fängt bei den<br />
Führungsmethoden an. In der konfuzianischen Tugendethik<br />
ist „Selbstzivilisierung“ (zixiu 自 修 ) ein zentrales<br />
Motiv. Zixiu bezeichnet die tägliche Selbstprüfung, ob das<br />
eigene Denken und Handeln tatsächlich den konfuzianischen<br />
Idealen entspricht. Diese Wertorientierung soll auch<br />
zur Verbesserung des Umfelds eingesetzt werden. Diese<br />
beiden Konzepte – selbstkritische Führung sowie die Verantwortung<br />
für Mitarbeiter und Gemeinschaft – versuchen<br />
die Rushang nun auf die Führungskräfte im Unternehmen<br />
zu übertragen. Dies erinnert an das Stakeholder-Konzept im<br />
westlichen Management. Der Anspruch ist, dass das Führungspersonal<br />
bei Problemen die Fehler zunächst bei sich<br />
selbst sucht. Konfuzianische Führung soll mit vorbildlichem<br />
Handeln die Mitarbeiter inspirieren.<br />
Mao Zhongqun hoffte, diese Werte mit seinem ab 2008<br />
schrittweise eingeführten Programm für konfuzianische<br />
Bildung in sein Unternehmen zu operationalisieren. Ein<br />
Konfuzius-Lernraum wurde eingerichtet und die Angestellten<br />
dazu angehalten, jeden Tag 15 Minuten ihrer Arbeitszeit<br />
der Lektüre von Klassikern zu widmen.21 Heute tauschen<br />
sich die Arbeitsteams auf WeChat in kleineren WeChat-<br />
Gruppen über „Best Practices“ aus. Dabei findet sowohl<br />
eine horizontale Kommunikation zwischen Arbeitsteams<br />
und eine vertikale Kommunikation zwischen den Hierarchieebenen<br />
statt. Dem anfänglichen Widerstand vor allem<br />
des gebildeten Managements gegen diese teils als invasiv<br />
empfundene „Werterziehung“ konnte Mao durch behutsame<br />
Anpassungen und durch die Berücksichtigung des Feedbacks<br />
der Betroffenen begegnen.<br />
Von den weiteren, in konfuzianischem Sinne „humanen“,<br />
Maßnahmen greife ich hier nur einige heraus: Mit der<br />
Vergabe von „Identity Shares“ (shengu 身 股 ) versucht man,<br />
alle Mitarbeiter mit mindestens zwei Jahren Unternehmenszugehörigkeit<br />
am Erfolg der Firma zu beteiligen. Soziale<br />
Hintergründe der Arbeitnehmer sollen berücksichtigt<br />
werden – sowohl in der Leistungsbewertung als auch in der<br />
Vergabe von beispielsweise bezahltem Sonderurlaub, damit<br />
Mitarbeiter ihre Eltern besuchen können.22
Managementinnovation aus China?<br />
73<br />
FOTILE hat erfolgreich landesweit ein Image als verantwortungsvolles<br />
Unternehmen etablieren können. Dazu gehört<br />
auch, dass sie zuverlässig Steuern zahlen und Bestechung<br />
ablehnen. Um die Sicherheit der Kunden zu gewährleisten,<br />
verzichtete die Firma auf einen Millionenauftrag in einem<br />
Großprojekt, da der Bauunternehmer Vorschläge zum verbesserten<br />
Brandschutz nicht umsetzen wollte. Diese „Best<br />
Practice“ wurde von Mitarbeitern in den Interviews mehrfach<br />
als Grund genannt, warum man stolz sei, bei FOTILE<br />
zu arbeiten.<br />
Der Umbau der Unternehmenskultur zeitigt Erfolge: Die<br />
Kosten aus internen Kommunikationskonflikten wurden<br />
erheblich reduziert. Angestellte bestätigten für sie spürbare<br />
Veränderungen im Vergleich zur Situation vor der<br />
Umstellung. Viele Interviewte zeigten sich ausgesprochen<br />
stolz auf ihren Arbeitgeber und identifizieren sich mit dem<br />
Unternehmen. Die Maßnahmen führten auch dazu, dass<br />
die in China übliche, hohe Mitarbeiterfluktuation von 25<br />
bis 30 Prozent pro Jahr auf sieben Prozent reduziert werden<br />
konnte. Dies macht Ausbildungsinvestitionen in die Mitarbeiter<br />
rentabler. FOTILE wächst seit längerem zweistellig<br />
gegen den Trend der Branche und hat den jährlichen Umsatz<br />
auf über 10 Milliarden Renminbi steigern können. Die<br />
Auftragsbücher sind voll und es gibt einen Lieferrückstau<br />
von bis zu einem halben Jahr. In <strong>2018</strong> wird sich FOTILE<br />
weiter vergrößern, überdurchschnittlich in F&E investieren<br />
und erstmalig über 20.000 Menschen beschäftigen.<br />
Wu Nianbo und GOOD-ARK:<br />
Der „Happy Company“-Ansatz<br />
Das Unternehmen GOOD-ARK (Suzhou Gude 苏 州 固<br />
锝 ) wurde seit 1991 von Wu Nianbo ( 吴 念 博 ) aufgebaut.<br />
Im Zuge der Marktliberalisierung entwickelte sich Suzhou<br />
in den 90ern zu einem Anzugspunkt für Halbleiter-Produzenten<br />
aus Taiwan, Hongkong und Japan. Wu, eigentlich<br />
Lehrer, wurde Partner eines taiwanischen Investors und<br />
sammelte Geld im Familien- und Verwandtenkreis, um die<br />
ersten Aufträge zu übernehmen und in einer kleinen Fabrik<br />
auszuführen. Seine Strategie, gleich zu Beginn mit vollem<br />
Risiko hohe Liefermengen zu garantieren, brachte ihm nach<br />
anfänglichen Verlusten großen Erfolg. Das Unternehmen<br />
wuchs mit dem Halbleiter-Boom und dem Aufstieg Suzhous<br />
zum High-Tech-Zentrum Chinas und ist heute Weltmarktführer<br />
in der Dioden-Produktion.<br />
Wu hat im letzten Jahrzehnt seine Firma schrittweise von<br />
einem westlichen hin zu einem „konfuzianischen“ Business-<br />
Modell umgebaut, welches er „Happy Enterprise“ (xingfu<br />
qiye 幸 福 企 业 ) nennt. Die Firma wird dabei als „große Familie“<br />
in konfuzianischem Sinne gesehen, in der der Unternehmer<br />
in der wohlwollendenden Vaterrolle die Geschicke<br />
des Unternehmens lenkt. Das Augenmerk liegt dabei nicht<br />
allein auf den Gewinnen, sondern auch auf dem Wohlergehen<br />
der Mitarbeiter – der „Familienmitglieder“, die sich<br />
gegenseitig „GOOD-ARK-Leute“ nennen. Die Idee ist, dass<br />
Wu Nianbo, Gründer des Unternehmens GOOD-ARK, spricht zu Gästen in der firmeneigenen „Lernhalle“
74 <strong>DCW</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> <strong>2018</strong><br />
glückliche Mitarbeiter leistungsfähiger<br />
und leistungsbereiter sind<br />
und damit letztlich zum Erfolg<br />
des Unternehmens als Ganzes<br />
beitragen.<br />
Für die Werteorientierung<br />
spielen für Wu zunächst<br />
„humanistische Bildungsmaßnahmen“<br />
eine zentrale Rolle.<br />
Darunter fasst er tägliche Zeitfenster<br />
für das Lesen klassischer<br />
Texte, Bildungswochenenden sowie<br />
Kursmodule, die als bezahlte Arbeitszeit<br />
gelten. Wu liegt daran, „Mitgefühl für die<br />
Arbeiter und ihre Familien“ zu zeigen, welches sich<br />
in Zugeständnissen an die Mitarbeiter äußert, die in China<br />
weit über dem Durchschnitt liegen. Dazu gehören beispielsweise<br />
drei Wochen bezahlter Urlaub für Besuche von Eltern<br />
bei ihren Kindern, die bei den Großeltern in der Provinz<br />
zurückgelassen werden mussten, oder eine zweijährige<br />
Elternzeit für Mütter mit halbem Gehalt und der Aussicht<br />
auf Wiedereingliederung in die gleiche Stelle. Diese<br />
Zugeständnisse sollen den Angestellten Anreize liefern, die<br />
zunächst als mühsam empfundene Werteerziehung in Kauf<br />
zu nehmen, bevor sie diese für sich selbst angenommen haben.<br />
Auf Nachfrage wurde mir vergewissert, dass im Zuge<br />
der Umstellung zwar einige Mitarbeiter das Unternehmen<br />
verlassen haben, dass inzwischen aber viele gerade aufgrund<br />
der Wertorientierung zu GOOD-ARK kommen.23<br />
Weiterhin organisiert GOOD-ARK Freiwilligeneinsätze<br />
der Arbeiter bei Social-Outreach-Projekten in der Nachbarschaft,<br />
wofür auf allen Ebenen der Firma „Volunteer<br />
Comittees“ eingerichtet wurden. Mit Batteriesammelaktionen,<br />
Wasser- und Energiesparmodellen im Unternehmen,<br />
sowie der Einführung einer rein vegetarischen Kantine soll<br />
Umweltbewusstsein praktiziert werden. Diese Aktionen<br />
sind kompatibel zum westlichen CSR-Konzept und in den<br />
Interviews wurde klar, dass diese Elemente der neuen Unternehmenskultur<br />
unter den Managern besondere Unterstützung<br />
finden.<br />
Chairman Wu möchte sein Vertrauen in die Mitarbeiter<br />
dadurch zeigen, dass sämtliche Zeiterfassungssysteme<br />
und die Leibesvisitationen im Edelmetalllager abgeschafft<br />
wurden. Er ist stolz darauf, noch nie eine Kündigung<br />
ausgesprochen zu haben.2⁴ Jeder soll die Möglichkeit<br />
bekommen, seine Fehler zu korrigieren. Dies passt zum<br />
Menschenbild von Mencius, für den die Lern- und Entwicklungsfähigkeit<br />
des Einzelnen<br />
einen hohen Stellenwert einnimmt.<br />
2016 übernahm GOOD-ARK<br />
eine Firma in Malaysia, deren<br />
chinesische Vorbesitzer große<br />
Probleme mit der malaysischen<br />
Belegschaft hatten. Arbeitsräume,<br />
Küchen, Sanitärräume und<br />
Außenanlagen wurden zunächst<br />
renoviert, damit die Mitarbeiter<br />
sich wohl fühlen. Arbeitszeiterfassungssysteme<br />
wurden auch hier abgebaut.<br />
Für die Bedürfnisse der muslimischen<br />
Arbeiter wurde ein Gebetsraum eingerichtet. Mit<br />
diesen und anderen Maßnahmen des „Happy Enterprise“-<br />
Ansatzes konnte die Firma in 14 Monaten auf Kurs und in die<br />
schwarzen Zahlen gebracht werden.<br />
Die globale Perspektive von GOOD-ARK besteht darin,<br />
einen „konfuzianischen Beitrag“ zu Geschäftspraktiken in<br />
der Welt zu leisten, wie Wu in seinem Engagement für die<br />
UNESCO zeigte:<br />
Nowadays the most important thing<br />
for us is to share with the world Chinas<br />
culture and the wisdom of its ancient sages.<br />
This is the core and real function of the BRI Initiative<br />
[…] That is why my model is not to make money<br />
first but to first suffer losses.<br />
GOOD-ARK gelingt es trotz der Marktabkühlung, gegen<br />
den Trend zu wachsen. Die interviewten Mitarbeiter identifizieren<br />
sich mit der Firma, tragen die Arbeitsuniform bei<br />
freiwilligen Einsätzen in der Nachbarschaft und betonen die<br />
Besonderheit ihres Arbeitgebers im Vergleich zu „normalen“<br />
Unternehmen. Die Mitarbeiterfluktuation bei GOOD-<br />
ARK beträgt weniger als fünf Prozent. Auch werden ISO-<br />
Standards implementiert, insbesondere in den Bereichen<br />
Arbeitssicherheit und Umweltschutz. Inzwischen haben<br />
sich vier weitere Firmen, Sun Hong ( 盛 宏 , Hang zhou),<br />
Zhongxing Jingmi ( 中 兴 精 密 , Ningbo), Naide ( 耐 德 ,<br />
Chongqing) und Liangzi Gaoke ( 量 子 高 科 , Guangzhou),<br />
zur „Happy Enterprise“-Alliance zusammengeschlossen.<br />
Vorbild für andere Unternehmen?<br />
Die beschriebenen Unternehmer sind mitten in einem<br />
Trial-and-Error-Prozess der Optimierung ihrer Ansätze
Managementinnovation aus China?<br />
75<br />
und werden sich noch weiterentwickeln. Diese Firmen<br />
sind (bisher noch) eine Ausnahme in China. Dennoch fällt<br />
auf, dass sie tagtäglich von Busladungen von interessierten<br />
Pilgern von Unternehmern und Verwaltungsleuten besucht<br />
werden.2⁵ Diese Ansätze von „Confucian Enterpreneurship“<br />
stellen meines Erachtens eine „Avant Guard“ für eine<br />
chinesische Form von CSR dar. Ihre Modelle werden von<br />
zahlreichen Unternehmen studiert und übernommen. Viele<br />
chinesische Unternehmer operieren ohnehin bereits unbewusst<br />
auf Basis – zumindest eines Teils – dieser Wertvorstellungen.<br />
Sie sind also „konfuzianischer“, als ihnen selbst klar<br />
sein mag.<br />
Was die Übertragbarkeit dieser Ansätze auf andere Kulturkreise<br />
angeht, die ja ebenfalls zu den Zielen der Rushang<br />
gehört, bleiben noch einige Fragen offen. Zum einen<br />
funktionieren eine ganze Reihe der Ansätze und Methoden<br />
bereits gut in anderen Unternehmen in China und können<br />
in ostasiatische Kulturzusammenhänge (z. B. in Südostasien)<br />
mit Anpassungen übertragen werden. Betrachtet man<br />
westliche Länder, wäre eine Übertragung bei einigen Methoden<br />
allerdings schwer. So hat Werteerziehung mithilfe<br />
von Spruchbannern und Auswendiglernen in China zwar<br />
eine ununterbrochene Tradition, doch findet diese Form des<br />
Lernens und Lehrens hierzulande wenig Anklang. Einige<br />
Maßnahmen würden als Bevormundung oder als eine Einmischung<br />
in die Privatsphäre empfunden werden.<br />
Zum zweiten wurde ein Großteil dieser Methoden von den<br />
beschriebenen Unternehmen in einer Zeit des sehr guten<br />
oder zumindest stabilen Wachstums in China entwickelt.<br />
Daher bleibt noch zu beobachten, ob und wie sich diese<br />
Ansätze in ökonomisch schwierigeren Phasen bewähren.<br />
Daher ist es insgesamt für konkrete Handlungsempfehlungen<br />
an deutsche Unternehmer in China noch relativ<br />
früh. Die Rushang erreichen eine nachhaltige Reduktion<br />
der Mitarbeiterfluktuation, eine erhöhte Mitarbeiterbindung<br />
und können die Kosten von unternehmensinternen<br />
kommunikativen Konflikten minimieren. Hierfür sind nicht<br />
allein monetäre Anreize ausschlaggebend: Ein Krankenbesuch<br />
bei der Mutter eines Angestellten wird das Image<br />
als fürsorglicher Vorgesetzter möglicherweise nachhaltiger<br />
positiv beeinflussen.<br />
Es ist zu erwarten, dass die Konzepte des Rushang bald<br />
auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen Anwendung<br />
finden werden. In Davos forderte Jack Ma den Umbau von<br />
Bildungsinhalten, da Fortschritte in Machine Learning und<br />
künstlicher Intelligenz unweigerlich einen erheblichen Teil<br />
heute verbreiteter Tätigkeiten obsolet werden ließen. Ma<br />
spricht sich dafür aus, dass Kinder für die Spezies Mensch<br />
einzigartige Kompetenzen erwerben sollen, die von Maschinen<br />
nicht kopiert werden können:<br />
Believing, independent thinking, teamwork, care<br />
for others – these are the soft parts that knowledge<br />
might not teach you.<br />
In diesem Sinne ist es sinnvoll, das Beispiel der Rushang mit<br />
einem offenen Blick weiter zu verfolgen und Entwicklungen<br />
und Aspekte zu finden, die sowohl für deutsche Unternehmen<br />
in China als auch für die Zusammenarbeit zwischen<br />
deutschen und chinesischen Unternehmen förderlich sind<br />
– und vielleicht gibt es ja auch Aspekte zu finden, von denen<br />
wir lernen können. ■<br />
Dr. Matthias Niedenführ<br />
Dr. Matthias Niedenführ<br />
ist Juniorprofessor für<br />
Chinawissenschaften und<br />
Wirtschaftsethik an der<br />
Universität Tübingen und<br />
Vize-Direktor des China<br />
Centrums Tübingen (CCT).<br />
Das CCT, welches u. a. von<br />
der Karl Schlecht Stiftung<br />
und der <strong>DCW</strong> gefördert wird, ist eine zentrale Einrichtung<br />
der Universität Tübingen die als Brückeneinrichtung<br />
zur Verknüpfung von Wissenschaft, Wirtschaft und<br />
Zivilgesellschaft gegründet wurde. Im Handlungsfeld<br />
„China-Kompetenz“ organisiert das CCT den Dialog mit<br />
China sowie über auf China bezogene Themen, wobei<br />
Forscher, Studenten, Praktiker und die Allgemeinheit<br />
eingebunden werden. Im Handlungsfeld „Wirtschaftskultur“<br />
wird die Auseinandersetzung mit der chinesischen<br />
Wirtschaftskultur gefördert, mit dem Ziel,<br />
wechselseitiges Wissen und gegenseitige kulturelle<br />
Wertschätzung zu stärken. Im Handlungsfeld „China im<br />
Schulunterricht“ wird – über das im CCT angesiedelten<br />
Erich-Paulun-Institut – die langfristige Verankerung des<br />
Chinesischen als Schulfach gefördert, um der Bedeutung<br />
des Chinesischen als globale Wirtschafts- und<br />
Wissenschaftssprache Rechnung zu tragen.<br />
E-Mail: matthias.niedenfuehr@cct.uni-tuebingen.de
76 <strong>DCW</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> <strong>2018</strong><br />
1 Die Zitate findet man unter https://www.weforum.org/<br />
agenda/<strong>2018</strong>/01/jack-ma-davos-top-quotes/, das gesamte<br />
Interview vom 24.1.<strong>2018</strong> unter https://www.youtube.com/<br />
watch?v=4zzVjonyHcQ.<br />
2 Jack Ma verwendet hier westliche Konzepte von „Heart“ und<br />
„Mind“, die beides getrennt auffassen. Der chinesische Begriff<br />
xin 心 „heart-and-mind“ hat hier keine starke Trennung.<br />
3 Die etwa 10 000 Absolventen der CKGSB leiten Unternehmen,<br />
die etwa ein Sechstel des chinesischen BIP auf sich vereinigen<br />
können. Siehe http://english.ckgsb.edu.cn/content/europe.<br />
4 Die Professur geht auf eine Initiative der Karl Schlecht Stiftung<br />
zurück, welche auch das benachbarte Weltethos-Institut<br />
Tübingen umfangreich fördert. Der Dialog über Weltethos und<br />
gemeinsame Einsichten zu fairem Wirtschaften in China und<br />
im Westen wird seitens des Stifters als wichtige Zukunftsfrage<br />
gesehen.<br />
5 Auch ruxue ( 儒 学 ) genannt. Im Westen wird in letzter Zeit<br />
vermehrt der Begriff „Ruismus“ verwendet.<br />
6 Diese Selbstidentifizierung ist vor allem in Taiwan und in der<br />
chinesischen Diaspora zu finden.<br />
7 Der Konfuzianismus kann so flexibel gedacht werden, dass<br />
man „konfuzianischer Christ“, oder „konfuzianischer Moslem“<br />
sein kann.<br />
8 Frauen war der Zugang zu Ämtern nicht möglich. Die Ausbildung<br />
durch Moralbücher wie das Han-zeitliche Nüjie ( 女<br />
戒 ) (Ermahnungen für Frauen) sollte auf die Rolle als Tochter,<br />
Ehefrau und Mutter vorbereiten.<br />
9 Einen ausführlichen Einblick in die Qing-zeitlichen Formen<br />
der Confucian Entrepreneurs gibt es bei Richard John Lufrano,<br />
Honorable Merchants: Commerce and Self-Cultivation in Late<br />
Imperial China (Study of the East Asian Institute), University<br />
of Hawai’i Press, 1997. Die Arbeit von Ming Xu zeichnet das<br />
Beispiel der Händler aus der Provinz Anhui in der Ming-Zeit<br />
nach, siehe Xu Ming, Qi zu Zhi – Mingdai “Rugu” yixiang de<br />
xingqi – Yi Weishang wei zhongxin de kaocha ( 气 与 志 : 明<br />
代 儒 贾 意 象 的 兴 起 – 以 微 商 为 中 心 的 考 察 ) [Attitude and<br />
Will: The emergence of the concept of “Confucian Merchants”<br />
during the Ming Dynasty – An Investigation on the Anhui<br />
Merchants], Hua Mulan Wenhua, 2016.<br />
10 Eine Übersicht findet man beim Centre for the Culture of<br />
Confucian Entrepreneurs (CCCE) at Peking University ( 北<br />
京 大 学 儒 商 文 化 中 心 ), Rushang renwu pian ( 儒 商 人 物 篇 )<br />
[Overview Sheet of Confucian Entrepreneurs Personae], 2008.<br />
http://www.pku-rswh.com/personae.asp.<br />
11 Die höchsten Konzentrationen deutscher Investitionstätigkeit ist<br />
weitgehend deckungsgleich mit diesen Regionen, siehe German<br />
Business in China – Business Confidence Survey 2017/18, S. 6.<br />
12 Chou hat die Immobilienfirma Sinyi aufgebaut, die für ihre<br />
Arbeit viele Preise erhielt, siehe Terence Tsai, Michael N.<br />
Young, Bor-shiuan Cheng, Confucian Business Practices and<br />
Firm Competitiveness: The Case of Sinyi Real Estate, Frontiers<br />
of Business Research in China 5(3), 2001, S. 317–343.<br />
13 Siehe China.org.cn, Businessmen seek Confucian chic,<br />
13.12.2011.<br />
14 Diese Reihe wird seit 2013 durch das Weltethos-Institut Beijing<br />
(WEIB) veranstaltet, einem gemeinsamen Projekt der Universitäten<br />
Peking und Tübingen, der Karl Schlecht Stiftung und<br />
der Stiftung Weltethos.<br />
15 Dieses Forum ist ein Format der CKGSB und der Harvard<br />
Kennedy School (HKS).<br />
16 Beispiele sind das Center for Confucian Entrepreneur and East<br />
Asian Civilization (Zhejiang Universität), das Center for the<br />
Culture of Confucian Entrepreneurs (Peking Universität), das<br />
Weltethos Institut Beijing (PKU), und das Global Confucian<br />
Entrepreneur Research Institute (Shanghai Finance University).<br />
17 Zum 1. Bo’ao Confucian Entrepreneur Forum ( 博 鳌 儒 商 论 坛 )<br />
2016 kamen 600 Unternehmer, Wissenschaftler und Politiker.<br />
Im Jahr darauf schwoll die Teilnehmerzahl bereits auf das<br />
Dreifache an. Treibende Kraft dahinter ist Li Honglei (Zhongshan<br />
Universität, Guangzhou), der Autor von Confucian<br />
Business Wisdom ( 儒 家 商 道 智 慧 ), People’s Press, 2017.<br />
18 Der Name Fangtai stammt übrigens von einer beliebten Fernsehköchin<br />
im Hongkonger Fernsehen.<br />
19 Siehe Jean Lee, Rebecca Chung, An Jing, Succession in Chinese<br />
Family Businesses (A): Fotile and the Mao Family, Ivey<br />
Publishing, 2015. Mao Lixiang setzt sich für die Förderung<br />
von Familienunternehmertum ein. 2007 stiftete der den „Mao<br />
Lixiang Academic Prize for Family Business“, der Forschungsstipendien<br />
vergibt. 2009 gründeten er und seine Familie den<br />
„Fotile Research Fund for Family Business Research“ an der<br />
Zhejiang Universität. 2014 wurde dieses um den „Mao Lixiang<br />
Education Fund for Succession and Entrepreneurship“ ergänzt,<br />
welcher unternehmerische Talente fördert. Siehe http://<br />
philanthropy.coutts.com/en/reports/2015/china/case-studies/<br />
mao-lixiang.html.<br />
20 Guoxue bezieht sich auf das japanische Kokugaku im 19. Jahrhundert.<br />
Unter dem Ansturm westlicher Wissenschaft und<br />
Ideen wurde von Intellektuellen der Fokus auf die Stärken des eigenen<br />
Erbes gelegt. Seit zwei Jahrzehnten ist solch ein Trend zur<br />
Re-Traditionalisierung in China wieder in Mode gekommen.<br />
21 Die Texte sind zunächst einfache Moralbücher, wie die „Anleitung<br />
für Gute Schüler“ (Dizigui 弟 子 规 ), die bis Anfang des<br />
20. Jahrhunderts Grundlage der grundständigen Bildung waren.<br />
Auch Teile anspruchsvollerer philosophischer Texte wie die<br />
„Gespräche“ (Lunyu 论 语 ) von Konfuzius werden verwendet.<br />
22 Die Betonung der kindlichen Pietät passt zur derzeitigen<br />
„Nimm Deine Mutter an die Hand“-Kampagne von Xi Jinping,<br />
der als „oberster vorbildlicher Sohn des Landes“ zum Frühlingsfest<br />
<strong>2018</strong> dazu aufrief, an die eigenen Eltern zu denken,<br />
diese zu besuchen und Sorge für ihr Wohlergehen zu zeigen.<br />
23 Ein Großteil dieser Mitarbeiter wird durch familiäre und private<br />
Kontakte angeworben.<br />
24 Wer von den „Familienmitgliedern“ zu anderen Unternehmen<br />
wechseln möchte, kann jederzeit wieder zurückkommen, was<br />
mehrfach vorgekommen ist.<br />
25 FOTILE hat hierfür ein eigenes Welcome Center errichtet, bei<br />
GOOD-ARK werden regelmäßig Tagungen für Delegationen<br />
aus verschiedenen Landesteilen organisiert.
DeZhong.de<br />
德 中 经 济 合 作 平 台<br />
Börse für deutsch-chinesische Wirtschaftskooperationen<br />
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Deutsch-Chinesische Fax: +49 221 120417<br />
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Unter Sachsenhausen 10–26<br />
50667 Köln<br />
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Ich/Wir beantrage/n die Mitgliedschaft in der Deutsch-Chinesischen Wirtschaftsvereinigung e.V. (<strong>DCW</strong>) als<br />
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korporatives Mitglied<br />
Bitte geben Sie für Ihr Unternehmen oder Ihre Einrichtung Zutreffendes für das letzte Geschäftsjahr an:<br />
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Bilanzsumme in Mio. € (falls vorhanden): ≤ 2 ≤ 43 > 43<br />
Der jährliche Beitragssatz beträgt für Kleinstunternehmen 360 €, für KMU 480 € und für Großunternehmen 600 €.<br />
Konzernmitglied<br />
Unternehmen eines Konzerns in der Mitgliedschaft können für einen pauschalen Beitrag (zzt. 960 €) optieren, der<br />
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gekündigt werden (Austritt).