Seite 4 | <strong>April</strong> <strong>2018</strong> www.theatercourier.de THEATER Radeberger Biertheater: In „Malzau braut sich“ was zusammen Seit 2002 verspricht das 1. Sächsische Mundart- Theater im Hotel Kaiserhof in Radeberg „Spaß beim Bier“ Der prunkvolle Kaisersaal im Hotel Kaiserhof ist an diesem Samstagnachmittag proppevoll. Das Publikum ist gemischt, sogar größere Kinder sind dabei, alle sind leger gekleidet, ein Schlips ist nicht zu sehen. Dafür eine Menge Servierkräfte, die flink die Getränke- und Essenswünsche (viel Sächsisches auf der moderaten Speisekarte) der rund 300 Gäste erfüllen. Am Tresen „Malzau braut sich“ mit Bürgermeisterin Gisela, Ökofuzzi Sven, Unternehmer Trumpf, Gatte Harry, Schwester Gloria und Freund Kurt Johannes ist der als Bierkutscher Ernst bekannte Radeberger Stadtführer dabei, Glas für Glas mit dem einheimischen Hopfensaft zu füllen. Und schon geht es los: Das von Thomas Rauch geschriebene Stück „Malzau braut sich“ ist No. 16 der Backental- Sage und natürlich eine Eigenproduktion (Regie Ulrich Schwarz, Co-Regie Thomas Rauch, Bühnenbild Bernd Kühne, Musik Hans-Jörg Hombsch – einer der Bierhähne). Bürgermeisterin Gisela Kleinschmidt (Hans-Jörg Hombsch!) hat nicht nur einen üblen Frauenschnupfen, sondern auch das früher der Familie ihres Mannes Harry (Holger Blum) gehörende Grundstück der © Radeberger Biertheater ehemaligen HO-Gaststätte „Zur Linde“ an den Öko Sven Klose (Thomas Rauch) verkauft. Der war in seinem ersten Leben Anwalt. Jetzt baut er Kräuter an (auch mal für einen Joint für die Bürgermeisterin) und braut schließlich für den Hausgebrauch nach in der „Linde“ gefundenen Uralt- Rezepten ein Bier, bei dessen Genuss dem Ensembleteam Sterne aufgehen und der ganze Saal jedes Mal begeistert „würzig, süffig, einfach genial“ skandiert. Der Grundstücksverkauf und das neue Bier verärgern den Chef des ansässigen Bier- Unternehmens Detlef Trumpf (Peter Splitt hat ein „f“ mehr im Namen, dafür aber die verfemte blonde Fönfrisur), der mit allen illegalen Mitteln versucht, das Grundstück zu ergaunern. Bei jedem Besuch bei der Bürgermeisterin begibt er sich in Lebensgefahr, denn der Opa lauert draußen mit einem Gewehr auf ihn – und schießt zwar sehr laut, aber immer daneben. Dass er den pfiffigen Bürgermeister-Gatten Harry entlässt, lässt seinen Bierabsatz und damit sein Unternehmen in die roten Zahlen rutschen. Denn der nimmt nicht nur seine uralte Verkorkungsmaschine Uschi mit, sondern auch ein Geheimnis. Außerdem kommen noch Schwester Gloria (Gabi Köckritz) und deren zukünftiger Bräutigam Kurt Johannes (Jens Albrecht) zu Besuch in die Heimat. Und so kommt es, dass im 1. Sächsischen Mundart-Theater diesmal nicht ausschließlich Sächsisch, sondern noch Schwäbisch und sogar eine Abart von Englisch gesprochen wird. Wie das Stück ausgeht? Nach einigen historisch nicht belegten Überraschungen natürlich gut – es ist nur mal kurzzeitig ein Drama – und mit minutenlangem Beifall und Zugabe-Rufen! Traditionell machen die Bierhähne Hans-Jörg Hombsch (immer noch in Frauenkleidern, aber nicht mehr verschnupft) und Holger Blum (im Glitzeranzug wie eine Diskokugel) mit umgedichteten Mitklatsch-Songs von Udo Jürgens und Roland Kaiser den Abspann nach mehr als 2,5-stündiger kurzweiliger Unterhaltung. Autor Thomas Rauch hat viele witzige Pointen eingebaut, allerdings ohne Schenkelklopfermentalität. Mein Favorit: Harrys Ausspruch, „wenn wir Männer Schnupfen haben, jammern wir nicht, sondern legen uns ins Bett und sterben leise“. Regine Eberlein Malzau braut sich Radeberger Biertheater www.biertheater.de Tickethotline: 03528 - 48 70 70 Das Gute und Böse im Menschen: Dr. Jekyll und Mr. Hyde im Theater Freiberg „Das Grauenvolle – das ist das, was zugleich lockt und schreckt“ (Henrik Ibsen,1828-1906) Robert Louis Stevenson? Das ist doch der schottische Schriftsteller, der die „Schatzinsel“ geschrieben hat! – Ja genau, aber neben Reiseerzählungen, Abenteuerliteratur und Novellen hat er in seinem kurzen Leben (1850-1894) nach einem authentischen Fall 1886 auch den psychologischen Horrorroman „Der sonderbare Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ zu Papier Alexander Donesch als Dr. Jekyll/Mr. Hyde und Jana Maria Gropp als seine Verlobte Lisa gebracht. Angeblich schrieb er innerhalb von sechs Tagen fast ohne Schlaf 60.000 Worte mit dem Bleistift auf Papier... Steve Cuden und Frank Wildhorn machten daraus zu den Liedtexten von Leslie Bricusse ein Musical. Uraufführung war 1990, sieben Jahre später lief das Stück am Broadway. Jetzt hatte es Premiere am Mittelsächsischen Theater Freiberg. Im London des 19. Jahrhundert faszinieren den angesehenen Arzt Dr. Henry Jekyll die Abgründe des Menschen. Seine These ist, mittels einer Droge die bösen Anteile von den guten abzuspalten und © Jörg Metzner damit die Welt ein wenig besser zu machen. Dazu wären allerdings medizinische Experimente an Menschen nötig. Seine Umgebung hat wenig Verständnis für seinen Forscherdrang, der künftige Schwiegervater zweifelt an ihm, sein enger Freund hat Angst um ihn und nur seine engelsgleiche Verlobte liebt ihn vorbehaltlos. Als er keine Hilfe vom geldgebenden Krankenhaus-Konsortium bekommt, entschließt sich der fanatische Wissenschaftler zum Selbsttest. Und dieses Labor-Experiment entgleist: Mr. Hyde ist geschaffen! In London ist fortan ein Monster unterwegs, Mitglieder des Konsortiums werden ermordet, selbst die Prostituierte Lucy, deren Vertrauen der Arzt mit Nächstenliebe errungen hat, bezahlt dies mit dem Leben. Mit Grauen merkt Jekyll, was Hyde mit ihm macht und dass er selbst seine Liebsten gefährdet. Schließlich bittet er seinen Freund um einen letzten Freundschaftsdienst – doch Hyde ist ebenso Jekyll... Regisseur Stefan Haufe bringt mit dem auch optisch (Ausstattung Tilo Staudte) im 19. Jahrhundert angesiedelten Stück schwungvolles, tiefgründiges Musiktheater auf die Bühne des weltweit ältesten Stadttheaters (1623 erbaut). Das Bühnenbild – variable schwarze Rechtecke mit einer Art Dach und Schornstein? – passt sich mit farbigem Licht und wenigen Objekten den jeweiligen Szenen ideal an. Sowohl seine ihn unbeirrt liebende Verlobte Lisa (engelsgleich: Jana Maria Gropp), die durch ihn wieder Lebensmut schöpfende Prostituierte Lucy (stark: Susanne Engelhardt) und sein treuer Freund John (Christian Härtig) überzeu gen schauspielerisch und stimmlich. Was jedoch der gebürtige Österreicher Alexander Donesch (Bariton) in seiner Doppelrolle auf der Bühne vollbringt, löst ständige Beifallsstürme aus. Wahrlich artistisch wechselt er in der dramatischen Endphase die zwei völlig verschiedenen Persönlichkeiten und „springt“ singend im Minutentakt vom verzweifelten Jekyll zum mörderischen Hyde. Alle Achtung! Nach verdientem minutenlangem Beifall und Bravorufen blieb trotz einfallsreichen Ballett- und Choreinlagen ein Wermutstropfen: Die teils überbordende Lautstärke ließ oftmals keine Textinhalte mehr erkennen. Regine Eberlein Jekyll & Hyde Mittelsächsisches Theater Freiberg 22.04. | 13./19.05.18 www.mittelsaechsisches-theater.de Tickethotline: 03731 - 35 82 35