Johannes Dellinger
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Na ja, habe von einigen ehemaligen Kollegen gehört, dass<br />
es schwierig wird mit manchen Frauen, wenn der Mann in<br />
Rente geht und immer zuhause ist.<br />
Aber das ist es nicht bei uns. Angefangen hat es eigentlich<br />
damit, dass ich eben nun alles in der Zeitung lese, auch die<br />
Todesanzeigen. Vielleicht liegt`s daran, dass ich so viel Zeit<br />
habe. Oder am Alter. Und so ist es ja auch: da sterben ja<br />
dauernd welche, die ich gekannt habe!<br />
Na ja, gekannt ist vielleicht übertrieben. Aber doch,<br />
immerhin, ich lese die Namen und weiß eben oft, wer das<br />
ist. Oder war.<br />
Jetzt ist es aber so, dass meine Frau und ich eigentlich<br />
wenig Freunde hatten. Und das liegt auch an mir, muss ich<br />
zugeben. Ich hatte nie gerne Leute bei uns zuhause. My<br />
home is my castle, meine ich. Bin auch nicht gerne<br />
ausgegangen. Stimmt schon, Rosie hat immer darunter<br />
gelitten.<br />
Das Komische ist aber: mein Verhältnis zu Menschen hat<br />
sich total verändert, seitdem ich zuhause bin. Wenn ich so<br />
eine Todesanzeige lese, da weine ich richtig und fühle mich<br />
total verbunden mit dem, der da gestorben ist. So, als hätte<br />
ich einen wirklichen Freund verloren.