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Wä<strong>hrungsreform</strong> <strong>und</strong> <strong>ne</strong>ue Geldsysteme<br />
Ei<strong>ne</strong> Son<strong>de</strong>rpublikation <strong>de</strong>r BörseGo AG<br />
Februar // 2012
Inhalt<br />
Wä<strong>hrungsreform</strong> <strong>und</strong> <strong>ne</strong>ue Geldsysteme<br />
Editorial Seite 03<br />
Finanzmarktexperten<br />
Interview mit Dirk Müller: Seite 04<br />
„Wir befin<strong>de</strong>n uns in <strong>de</strong>r Endphase vor <strong>de</strong>m Reset“<br />
Daniel Kühn: Seite 07<br />
Das Schuldgeldsystem, Vollgeld <strong>und</strong> die Mo<strong>ne</strong>tative<br />
Schul<strong>de</strong>n sind gut! Seite 12<br />
Gastbeitrag von Roland Klaus: Seite 14<br />
Ein unkonventio<strong>ne</strong>ller Ausweg aus <strong>de</strong>r Schul<strong>de</strong>nkrise?<br />
Interview mit Max Otte: Seite 16<br />
„Langfristig steht IMMER ei<strong>ne</strong> Wä<strong>hrungsreform</strong> bevor“<br />
Andreas Hoose: Seite 17<br />
Kurze Geschichte <strong>de</strong>r Staatsbankrotte<br />
Daniel Kühn: Seite 22<br />
Worauf Sie im Falle ei<strong>ne</strong>r Wä<strong>hrungsreform</strong> achten müssen<br />
Wirtschaftswissenschaftler<br />
Interview mit Hans-Wer<strong>ne</strong>r Sinn: Seite 25<br />
„Wenn <strong>de</strong>r Euro zerbricht, hat die Bun<strong>de</strong>sbank ein Problem“<br />
Vermögensverwalter<br />
Interview mit Philipp Vorndran: Seite 28<br />
„Es wird weitere extrem teure Rettungsaktio<strong>ne</strong>n geben“<br />
Gastbeitrag von Bert Flossbach: Seite 31<br />
„Höhepunkt <strong>de</strong>r Skurrilität“<br />
Wirtschaftsphilosophen<br />
Interview mit Rahim Taghiza<strong>de</strong>gan: Seite 33<br />
Über das <strong>de</strong>zentrale Fin<strong>de</strong>n ei<strong>ne</strong>r Geldordnung<br />
Gastbeitrag von Michael von Prollius: Seite 35<br />
Free Banking – Wettbewerb ist ei<strong>ne</strong>r Behör<strong>de</strong> überlegen<br />
Interview mit Raim<strong>und</strong> Dietz: Seite 37<br />
„Die Geldschöpfung <strong>de</strong>r Zentralbanken ist ein Segen...“<br />
Politik<br />
Gastbeitrag von Frank Schäffler: Seite 39<br />
Kurzer Fahrplan zu ei<strong>ne</strong>r <strong>ne</strong>uen Geldordnung<br />
E<strong>de</strong>lmetall- <strong>und</strong> Rohstoffexperte<br />
Jochen Stanzl:<br />
Komplementärwährungen Seite 42<br />
Gold ist Geld? Warum? Seite 44<br />
Impressum & Disclaimer Seite 48<br />
2
Editorial<br />
Wä<strong>hrungsreform</strong> <strong>und</strong> <strong>ne</strong>ue Geldsysteme<br />
Sehr geehrte Leserin<strong>ne</strong>n <strong>und</strong> Leser,<br />
als ich letztes Jahr ei<strong>ne</strong>m <strong>de</strong>r Vorstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r BörseGo AG das<br />
Thema Wä<strong>hrungsreform</strong> für ei<strong>ne</strong> Son<strong>de</strong>rpublikation vorschlug,<br />
war die Reaktion skeptisch. Verständlich, wer<strong>de</strong>n Sie sagen<br />
– heikles Thema. Es ging aber nicht um <strong>de</strong>n Inhalt, son<strong>de</strong>rn<br />
um das geplante Datum – Frühjahr 2012. Da könnte es doch<br />
schon zu spät sein…<br />
Sie sehen an dieser klei<strong>ne</strong>n A<strong>ne</strong>kdote, wie angespannt die<br />
Lage 2011 war. Die Eurokrise war <strong>und</strong> ist das beherrschen<strong>de</strong><br />
Thema in <strong>de</strong>n Medien. Ich muss ehrlich gestehen, dass ich im<br />
Sommer/Spätsommer öfter von sehr ernsten Sorgen um unser<br />
Geldsystem geplagt war. Vielen von Ih<strong>ne</strong>n wird es nicht an<strong>de</strong>rs<br />
gegangen sein <strong>und</strong> auch immer noch gehen, <strong>de</strong>nn Sie lesen<br />
gera<strong>de</strong> ei<strong>ne</strong> Son<strong>de</strong>rpublikation mit <strong>de</strong>m Titel „Wä<strong>hrungsreform</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>ne</strong>ue Geldsysteme“.<br />
Ob <strong>und</strong> wann uns ei<strong>ne</strong> Wä<strong>hrungsreform</strong> bevorsteht, kann<br />
Ih<strong>ne</strong>n niemand sagen. Ob danach ein <strong>ne</strong>ues Geldsystem folgen<br />
wird o<strong>de</strong>r das bestehen<strong>de</strong> Papiergeldsystem einfach <strong>ne</strong>u<br />
aufgesetzt wird (dann vermutlich nur noch in elektronischer<br />
Form), ist rei<strong>ne</strong> Spekulation. Was ich Ih<strong>ne</strong>n nach <strong>de</strong>m Studium<br />
<strong>de</strong>r Historie <strong>und</strong> <strong>de</strong>r wichtigsten Alternativen aber versichern<br />
kann, ist ei<strong>ne</strong> vielleicht banale, aber sehr wichtige Feststellung:<br />
Es gibt kein perfektes Geldsystem. Sie haben alle ihre Vor-<strong>und</strong><br />
Nachteile.<br />
Das aktuelle „Schuldgeld“, auch Fiat Mo<strong>ne</strong>y genannt (Fiat= Es<br />
wer<strong>de</strong>), steht nicht zu Unrecht f<strong>und</strong>amental unter Beschuss. Es<br />
ist Geld, das kei<strong>ne</strong>n in<strong>ne</strong>ren Wert besitzt <strong>und</strong> <strong>de</strong>ssen Zahlungskraft<br />
einzig auf zwei Bei<strong>ne</strong>n steht: Der Staat macht es zum gesetzlichen<br />
Zahlungsmittel, woraus folgt dass man dieses Geld<br />
nutzen MUSS. Und die Menschen bringen <strong>de</strong>m Papiergeld ein<br />
gewisses Vertrauen entgegen bzw. hinterfragen es nicht. Ich<br />
erzähle Ih<strong>ne</strong>n nichts Neues, wenn ich feststelle, dass das Vertrauen<br />
bröckelt <strong>und</strong> das Hinterfragen begon<strong>ne</strong>n hat.<br />
Dennoch sollte man das Papiergeldsystem nicht völlig verdammen.<br />
Es hat erstklassige Arbeit geleistet. Das explosionsartige<br />
Wachstum nach <strong>de</strong>m Zweiten Weltkrieg bis in die heutige Zeit<br />
hi<strong>ne</strong>in wur<strong>de</strong> <strong>und</strong> wird durch das herrschen<strong>de</strong> Geldsystem<br />
massiv unterstützt. Es ist sehr flexibel, ein Punkt, wo z.B. <strong>de</strong>r<br />
Goldstandard extrem schwach ist. Ich traue mir die Aussage<br />
zu, dass die Welt heute ökonomisch nicht annähernd so weit<br />
entwickelt wäre, hätten wir kein Papiergeldsystem.<br />
Aber es ist eben auch ein Schuldgeldsystem, <strong>und</strong> so ist es eigentlich<br />
nicht verwun<strong>de</strong>rlich, dass die Welt heute in Schul<strong>de</strong>n<br />
ertrinkt. Ei<strong>ne</strong> Erhöhung <strong>de</strong>r Geldmenge durch das Bankensystem<br />
geht notwendigerweise einher mit ei<strong>ne</strong>r Erhöhung <strong>de</strong>r<br />
Schul<strong>de</strong>n, je<strong>de</strong>s Guthaben entspricht ei<strong>ne</strong>r Schuld. Zu Beginn<br />
ei<strong>ne</strong>s Schuldgeldsystems fällt dieses Prinzip gar nicht weiter<br />
auf. Denn die „Erstausstattung“, die Geldschei<strong>ne</strong>, sind sozusagen<br />
vollwertiges Geld. Formal han<strong>de</strong>lt es sich zwar um ei<strong>ne</strong><br />
unverzinsliche Verbindlichkeit <strong>de</strong>r Zentralbank, <strong>de</strong> facto ist <strong>de</strong>r<br />
Geldschein aber „Vollgeld“. Im Laufe <strong>de</strong>r Zeit nimmt <strong>de</strong>r Anteil<br />
<strong>de</strong>s „Giralgel<strong>de</strong>s“, also <strong>de</strong>s von Banken geschöpften Buchgel<strong>de</strong>s,<br />
an <strong>de</strong>r gesamten Geldmenge ständig zu. Und irgendwann<br />
besteht <strong>de</strong>r Löwenanteil allen zirkulieren<strong>de</strong>n Gel<strong>de</strong>s aus Schul<strong>de</strong>n.<br />
An <strong>de</strong>r Geldschöpfung durch die Banken stören sich Kritiker<br />
nicht erst seit <strong>de</strong>r Finanzkrise. Sowohl die Vollgeldbewegung<br />
als auch die Vertreter diverser Gold-<strong>und</strong> Silberstandards wollen<br />
das Monopol <strong>de</strong>r Banken in diesem Bereich brechen. Die Vertreter<br />
<strong>de</strong>s „Free Banking“ gehen noch ei<strong>ne</strong>n Schritt weiter <strong>und</strong><br />
wollen einfach <strong>de</strong>n Markt bzw. die Bürger <strong>und</strong> Unter<strong>ne</strong>hmen<br />
entschei<strong>de</strong>n lassen, was sie als Geld nutzen wollen. Das Geld<br />
wür<strong>de</strong> somit privatisiert. Ein interessanter Ansatz, <strong>de</strong>r aber<br />
auch voller Schwierigkeiten steckt.<br />
Wir haben im Rahmen dieser Publikatio<strong>ne</strong>n nicht lückenlos<br />
alle Alternativen zum herrschen<strong>de</strong>n Geldsystem untersucht,<br />
son<strong>de</strong>rn ei<strong>ne</strong> Auswahl getroffen. Erstens haben natürlich nicht<br />
alle die gleiche Be<strong>de</strong>utung, zweitens wollten wir ei<strong>ne</strong> gesun<strong>de</strong><br />
Mischung aus Gastbeiträgen <strong>und</strong> Interviews schaffen, <strong>und</strong> drittens<br />
gibt es immer ein Platzproblem. Wir sind aber schon auf<br />
Ihr Feedback gespannt <strong>und</strong> wer<strong>de</strong>n bei großem Interesse vielleicht<br />
im nächsten Jahr ei<strong>ne</strong>n Nachfolger für diese Publikation<br />
präsentieren. Denn ei<strong>ne</strong>s ist klar: Die Probleme unseres Geldsystems<br />
wer<strong>de</strong>n nicht geringer.<br />
Viel Spaß beim Lesen!<br />
Ihr<br />
Daniel Kühn<br />
3
Interview mit Dirk Müller<br />
Finanzmarktexperte<br />
„Wir befin<strong>de</strong>n uns in <strong>de</strong>r Endphase vor <strong>de</strong>m Reset“<br />
Dirk Müller spricht im Interview über die europäische Schul<strong>de</strong>nkrise, die Zukunft <strong>de</strong>s Euro <strong>und</strong> darüber, dass <strong>de</strong>r Bürger im bestehen<strong>de</strong>n<br />
System „schlicht <strong>und</strong> ergreifend immer <strong>de</strong>r Dumme“ ist.<br />
Herr Müller, ist <strong>de</strong>r Euro daran schuld, dass sich viele Län<strong>de</strong>r<br />
nun in ei<strong>ne</strong>r solch misslichen Lage befin<strong>de</strong>n?<br />
Hauptproblem ist die massive Überschuldung <strong>de</strong>s gesamten<br />
Systems, weltweit. Wir in Europa haben mit <strong>de</strong>m Euro aber<br />
auch noch ein hausgemachtes Problem. Die Einführung <strong>de</strong>s<br />
Euro ist oh<strong>ne</strong> soli<strong>de</strong>s F<strong>und</strong>ament im Sin<strong>ne</strong> ei<strong>ne</strong>r gemeinsamen<br />
Steuer- <strong>und</strong> Finanzpolitik erfolgt <strong>und</strong> dahingehend ein Fehler<br />
gewesen. Die Wirtschaftskraft <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r <strong>und</strong> <strong>de</strong>ren nationale<br />
Währungen müssen im Einklang zueinan<strong>de</strong>r stehen. Der Euro<br />
ist für Deutschland ein bisschen zu schwach, für die Peripherie<br />
jedoch viel zu schwer. Wenn Län<strong>de</strong>r in Eigenverantwortlichkeit<br />
han<strong>de</strong>ln sollen, brauchen sie auch ihre eige<strong>ne</strong> Währung.<br />
Wie sehen Sie dann die Zukunft <strong>de</strong>s Euro?<br />
Momentan hält die Politik noch mit aller Macht am Euro fest.<br />
Die Gemeinschaftswährung war ja nicht nur ein wirtschaftliches,<br />
son<strong>de</strong>rn auch ein politisches Vorhaben. Daher versucht<br />
man dieses nun noch so lange wie möglich am Leben zu erhalten.<br />
Allzu lange wird das aber nicht mehr dauern, <strong>de</strong>nn dafür<br />
bräuchte man ei<strong>ne</strong> umfangreiche Transferunion, in <strong>de</strong>r reiche<br />
Län<strong>de</strong>r wie Deutschland jährlich Transferleistungen in zweistelliger<br />
Milliar<strong>de</strong>nhöhe leisten müssten. Wirklich vorstellbar<br />
ist das nicht <strong>und</strong> gewollt schon gar nicht. Die an<strong>de</strong>re Variante<br />
wäre ei<strong>ne</strong> jahrzehntelang andauern<strong>de</strong> absolute Demokratisierung<br />
Europas durch <strong>ne</strong>ue Wahlen, Gesetze <strong>und</strong> Verträge, um<br />
so ein fö<strong>de</strong>ralistisches System zu schaffen – die „Vereinigten<br />
Staaten von Europa“. Das ist allerdings absolute Utopie, die sich<br />
niemals realisieren wird. So bleibt für mich nur die letzte Option:<br />
Ei<strong>ne</strong> Auflösung <strong>de</strong>s Euro in sei<strong>ne</strong>r jetzigen Form <strong>und</strong> ei<strong>ne</strong> komplette<br />
o<strong>de</strong>r teilweise Rückkehr zu nationalen Währungen.<br />
Heißt das, wir wür<strong>de</strong>n also wie<strong>de</strong>r unsere D-Mark zurückbekommen?<br />
Vorstellbar ist das auf je<strong>de</strong>n Fall. Ei<strong>ne</strong> an<strong>de</strong>re interessante I<strong>de</strong>e<br />
wäre ein Nord- o<strong>de</strong>r Ker<strong>ne</strong>uro mit Mitgliedsstaaten auf Augenhöhe.<br />
Hier ließe sich ei<strong>ne</strong> gemeinsame Wirtschaftspolitik ein-<br />
facher durchsetzen <strong>und</strong> diese <strong>ne</strong>u geschaffe<strong>ne</strong> Währung wäre<br />
dann auch ei<strong>ne</strong> <strong>de</strong>r stabilsten <strong>de</strong>r Welt.<br />
Wäre das für Deutschlands Export nicht tödlich?<br />
Dieses Argument kommt natürlich oft. Deutschland war aber<br />
auch schon zu Zeiten <strong>de</strong>r sehr starken D-Mark Exportweltmeister.<br />
Wir produzieren High-Tech-Produkte, für <strong>de</strong>ren Sicherheit <strong>und</strong><br />
Qualität die Ab<strong>ne</strong>hmer wohl auch ger<strong>ne</strong> bereit sind, ein paar<br />
Prozent mehr zu bezahlen. Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite wür<strong>de</strong> die Bevölkerung<br />
<strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r auch von ei<strong>ne</strong>r Aufwertung ihrer Währung<br />
profitieren. Die Kaufkraft ihres Einkommens wür<strong>de</strong> steigen.<br />
Wir bleiben in ei<strong>ne</strong>m Ker<strong>ne</strong>uro <strong>und</strong> die Südlän<strong>de</strong>r bekommen<br />
ihre Drachmen, Peseten <strong>und</strong> Lire wie<strong>de</strong>r – <strong>de</strong>r Schul<strong>de</strong>nberg<br />
<strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r bleibt doch aber auch nach ei<strong>ne</strong>m Austritt aus <strong>de</strong>r<br />
Eurozo<strong>ne</strong> erhalten o<strong>de</strong>r?<br />
Richtig, es gibt für <strong>de</strong>n Staat nur drei Möglichkeiten sich sei<strong>ne</strong>r<br />
Schul<strong>de</strong>n zu entledigen, <strong>und</strong> in allen Varianten steht am En<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>r Bürger als <strong>de</strong>r Verlierer da. Erstens kann ein klarer Schnitt<br />
erfolgen, bei <strong>de</strong>m man einfach Schul<strong>de</strong>n streicht, so wie jetzt<br />
in Griechenland zu sehen. In gleichem Maße wer<strong>de</strong>n dabei<br />
aber die Vermögen <strong>de</strong>rer beschnitten, die griechische Anleihen<br />
halten. Zweitens gibt es die klassische Variante <strong>de</strong>r Schul<strong>de</strong>nfi-<br />
4
nanzierung durch Steuererhöhungen. Auch hier steht als aller<br />
erstes <strong>de</strong>r Bürger in <strong>de</strong>r Schusslinie. Die letzte <strong>und</strong> wahrscheinlich<br />
bequemste Variante ist die Entschuldung durch Inflation.<br />
Aber genau dafür braucht man eben ei<strong>ne</strong> eige<strong>ne</strong> Währung,<br />
die man beliebig drucken <strong>und</strong> dadurch abwerten kann. Positiv<br />
gesehen kann man als Volkswirtschaft dadurch wie<strong>de</strong>r ein<br />
eige<strong>ne</strong>s Geschäftsmo<strong>de</strong>ll entwickeln – beispielsweise wür<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>r Tourismus in <strong>de</strong>n Peripherielän<strong>de</strong>rn wie<strong>de</strong>r interessanter<br />
wer<strong>de</strong>n. Allerdings wird auch hier in erster Linie <strong>de</strong>r Sparer enteig<strong>ne</strong>t<br />
– vor allem ältere Leute wür<strong>de</strong>n hierbei um ihre Altersvorsorge<br />
gebracht. Der Bürger ist in unserem System schlicht <strong>und</strong><br />
ergreifend immer <strong>de</strong>r Dumme.<br />
Sie mei<strong>ne</strong>n, das System ist schuld an unserer Lage?<br />
Das Gr<strong>und</strong>problem ist folgen<strong>de</strong>s: Wir erschaffen Geld als Schuldgeld,<br />
sprich Geld entsteht, in<strong>de</strong>m jemand ei<strong>ne</strong>n Kredit aufnimmt.<br />
Somit steht allem Geldvermögen irgendwo ei<strong>ne</strong> Schuld gegenüber.<br />
Sobald jemand Zinsen für sei<strong>ne</strong> Schuld zahlt, lan<strong>de</strong>t dieses<br />
Geld auf <strong>de</strong>r Vermögensseite ei<strong>ne</strong>s an<strong>de</strong>ren. Dieses Geld hat<br />
sich über die Zeit bei immer weniger Leuten angesammelt. Und<br />
genau hier liegt das Problem: Die breite Masse <strong>de</strong>r Bevölkerung<br />
trägt ei<strong>ne</strong>n immer höheren Schul<strong>de</strong>nberg, während nur einige<br />
wenige auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite <strong>de</strong>r Rechnung stehen. Die obersten<br />
zehn Prozent <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Bevölkerung teilen sich zwei Drittel<br />
<strong>de</strong>s gesamten Privatvermögens von fast fünf Billio<strong>ne</strong>n Euro. Der<br />
Rest muss <strong>de</strong>n Gürtel immer enger schnallen, in allen Bereichen.<br />
Denn wo die Schul<strong>de</strong>n im System liegen ist egal. Ob beim Bürger<br />
direkt, beim Staat durch höhere Steuern o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Unter<strong>ne</strong>hmen<br />
durch höhere Preise ihrer Produkte – <strong>de</strong>r Bürger zahlt immer.<br />
Wie lange kann es <strong>de</strong>nn dann überhaupt noch so weitergehen?<br />
Es wird solange so weitergehen, bis die Last, die auf <strong>de</strong>r breiten<br />
Masse lastet, zu groß wird. Mei<strong>ne</strong>r Meinung nach befin<strong>de</strong>n wir<br />
uns bereits in dieser Endphase. Wie lange es genau noch dauert<br />
weiß ich nicht, aber es wird <strong>de</strong>r große Neustart kommen – ei<strong>ne</strong><br />
Umverteilung von oben nach unten. Die Geschichte zeigt, dass<br />
alle paar Jahrzehnte ein solcher Reset stattfin<strong>de</strong>t.<br />
Wie sieht so ein Bruch dann konkret aus?<br />
Egal was passiert, es wird sicherlich erst einmal alle Menschen<br />
betreffen. Letztendlich muss aber die breite Masse entlastet<br />
wer<strong>de</strong>n. Dies kann beispielsweise über Inflation passieren: Die<br />
For<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Gläubiger wer<strong>de</strong>n real weniger wert, auf <strong>de</strong>r<br />
an<strong>de</strong>ren Seite wer<strong>de</strong>n die Schuld<strong>ne</strong>r, sprich die breite Bevölkerung,<br />
real entlastet. Auch die jetzt diskutierten Schul<strong>de</strong>nschnitte<br />
sind Teil dieser Umverteilung. Investoren wird ein mehr o<strong>de</strong>r<br />
weniger großer Teil ihrer Vermögen genommen, wohingegen<br />
die Masse wie<strong>de</strong>rum durch die sinken<strong>de</strong> Schul<strong>de</strong>nlast profitiert.<br />
In <strong>de</strong>n USA gab es als Antwort auf die Weltwirtschaftskrise <strong>de</strong>r<br />
1930er Jahre <strong>de</strong>n sogenannten New Deal, <strong>de</strong>r in Form von extremer<br />
Besteuerung von Vermögen ebenfalls zur Umverteilung<br />
beitrug. Ei<strong>ne</strong> starke Anhebung v.a. <strong>de</strong>r Spitzensteuersätze o<strong>de</strong>r<br />
ei<strong>ne</strong> Vermögenssteuer sind auch hier <strong>de</strong>nkbar.<br />
Wenn dieser Reset so unausweichlich ist, warum wird dann<br />
überhaupt noch verhan<strong>de</strong>lt <strong>und</strong> <strong>de</strong>battiert? Ist das, was in<br />
Brüssel jetzt passiert, dann nicht letztlich irrelevant?<br />
Es ist insofern noch wichtig, als dass die Politik zumin<strong>de</strong>st teilweise<br />
die Zügel in <strong>de</strong>r Hand hat, wenn es darum geht zu bestimmen<br />
wie <strong>de</strong>r Neustart auszusehen hat. Sie kann noch bestimmen wer<br />
wie belastet wird. Hier ist allerdings auch schon viel zu viel Zeit<br />
verstrichen <strong>und</strong> viele Fehler wur<strong>de</strong>n begangen. Viel zu lange wur<strong>de</strong><br />
an <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>e festgehalten, die Belastungen einfach dadurch zu<br />
mil<strong>de</strong>rn, dass man noch mehr mit ins Boot holt. Hätte man sich<br />
<strong>de</strong>r Unausweichlichkeit ei<strong>ne</strong>s Schul<strong>de</strong>nschnitts schon früher gestellt,<br />
wären nur die Banken betroffen gewesen. Mittlerweile sind<br />
sowohl Zentralbanken, als auch Staaten <strong>und</strong> somit <strong>de</strong>r Bürger<br />
selbst betroffen. Was nun passieren muss, ist ei<strong>ne</strong> klare Richtungsweisung<br />
für <strong>de</strong>n weiteren Verlauf <strong>de</strong>s Umbruchs.<br />
Was müsste sich <strong>de</strong>nn gr<strong>und</strong>legend än<strong>de</strong>rn, damit wir die gleichen<br />
Probleme in Zukunft nicht wie<strong>de</strong>r bekommen?<br />
Wir haben ei<strong>ne</strong> ganz irrsinnige Regelung in unserem Geldsystem.<br />
Private Geschäftsbanken haben die eigentliche Kontrolle<br />
über die Geldschöpfung <strong>und</strong> erschaffen Geld sozusagen aus<br />
<strong>de</strong>m Nichts. Warum sollte man ein solches Recht nicht vollends<br />
auf ei<strong>ne</strong> an<strong>de</strong>re Ebe<strong>ne</strong> übertragen? Ei<strong>ne</strong> I<strong>de</strong>e, die es dazu schon<br />
lange gibt, ist die ei<strong>ne</strong>s Vollgeldsystems. Hier gibt es ei<strong>ne</strong> Art<br />
vierte staatliche Gewalt, die „Mo<strong>ne</strong>tative“, die die Geldschöpfung<br />
übernimmt. Sie wür<strong>de</strong> in Form ei<strong>ne</strong>r unabhängigen Notenbank<br />
<strong>de</strong>n Staat <strong>und</strong> die Banken mit Geld versorgen. Alle Sicherheiten,<br />
die im Ausgleich für Sichteinlagen von Kun<strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>n Banken<br />
in <strong>de</strong>n Büchern stehen, wer<strong>de</strong>n durch von <strong>de</strong>r Zentralbank <strong>ne</strong>u<br />
5
geschöpftes Geld getauscht. Das Geld auf <strong>de</strong>n Girokonten bliebe<br />
erhalten, dürfte aber von <strong>de</strong>n Banken nicht mehr eigenständig<br />
in Form von Kreditvergabe in Umlauf gebracht wer<strong>de</strong>n. Die<br />
Mo<strong>ne</strong>tative in Form <strong>de</strong>r Notenbank hätte also die absolute Kontrolle<br />
darüber, wie viel Geld <strong>ne</strong>u in Umlauf kommt.<br />
Das wäre doch dann aber ei<strong>ne</strong> vollständige Finanzierung von<br />
Staaten über die Notenpresse o<strong>de</strong>r?<br />
Das ist richtig, die Staaten wür<strong>de</strong>n direkt über die Zentralbank,<br />
in unserem Fall die EZB, finanziert. Momentan ist es so, dass<br />
sich die Geschäftsbanken bei <strong>de</strong>r EZB unbegrenzt Geld zu niedrigsten<br />
Zinsen leihen o<strong>de</strong>r einfach selbst Geld schöpfen, um es<br />
dann an Staaten <strong>de</strong>utlich teurer weiter zu verleihen <strong>und</strong> sich so<br />
die Taschen vollstopfen. Läuft das schief, soll die EZB wie<strong>de</strong>r einspringen.<br />
Warum nimmt man diesen Zwischenschritt nicht einfach<br />
raus? Die Zentralbank bekommt das alleinige Recht Geld<br />
zu schaffen <strong>und</strong> an Staaten zu verleihen. Den Staaten wür<strong>de</strong><br />
dadurch natürlich <strong>de</strong>r Zugang zum freien Markt versperrt – die<br />
Notenbank hätte dann die Möglichkeit exakt so viel Geld bereit<br />
zu stellen, wie gera<strong>de</strong> nötig ist um das Wachstum zu finanzieren.<br />
Dabei kann sie sich monats- o<strong>de</strong>r quartalsweise an vergange<strong>ne</strong>n<br />
Wachstumsraten orientieren o<strong>de</strong>r ein gewünschtes<br />
Wachstum anpeilen.<br />
Gibt es schon Vorbil<strong>de</strong>r zu alternativen Geldsystemen?<br />
Ja, die gibt es. Die vielen regionalen Währungen allei<strong>ne</strong> in<br />
Deutschland sind hier ein gutes Beispiel. Der Chiemgauer ist<br />
ei<strong>ne</strong> <strong>de</strong>r bekanntesten. Diese Regiogel<strong>de</strong>r funktionieren oh<strong>ne</strong><br />
Zinseszins <strong>und</strong> wer<strong>de</strong>n sogar entwertet, wenn sie nicht in Umlauf<br />
gebracht wer<strong>de</strong>n. I<strong>de</strong>en <strong>und</strong> Mo<strong>de</strong>lle gibt es einige, allerdings<br />
haben die, die an <strong>de</strong>n Hebeln <strong>de</strong>r Macht sitzen, zumeist<br />
kein Interesse an ei<strong>ne</strong>r Verän<strong>de</strong>rung.<br />
Das Geldsystem komplett auf <strong>de</strong>n Kopf zu stellen hört sich<br />
noch sehr nach Zukunftsmusik an. Gibt es auch greifbarere<br />
I<strong>de</strong>en zur Besserung <strong>de</strong>r Lage?<br />
Denken Sie einmal an <strong>de</strong>n Glass-Steagall-Act in <strong>de</strong>n USA in <strong>de</strong>n<br />
1930er Jahren. Besser bekannt als Trennbankensystem hat er<br />
dafür gesorgt, die eige<strong>ne</strong> Spekulation <strong>und</strong> das Privatkun<strong>de</strong>ngeschäft<br />
<strong>de</strong>r Banken strikt vo<strong>ne</strong>inan<strong>de</strong>r zu tren<strong>ne</strong>n. Dass dieses<br />
Gesetz in <strong>de</strong>n 1980er <strong>und</strong> -90er Jahren wie<strong>de</strong>r stückweise<br />
abgeschafft wur<strong>de</strong>, war rückblickend ein Fehler aus <strong>de</strong>r Selbstüberschätzung<br />
<strong>de</strong>r Finanzmärkte heraus. Mit <strong>de</strong>r <strong>ne</strong>uen Volcker-<br />
Regel kommt diese I<strong>de</strong>e in Teilen wie<strong>de</strong>r zurück. Auch hier sollte<br />
man das Zocken <strong>de</strong>r Banken mit Kun<strong>de</strong>ngel<strong>de</strong>rn unterbin<strong>de</strong>n.<br />
Ei<strong>ne</strong> weitere Verbesserung sehe ich in <strong>de</strong>r steuerlichen Bevorzugung<br />
von Arbeitsentgelt <strong>und</strong> Risikokapital gegenüber Spekulations-<br />
<strong>und</strong> Zinseinkünften. Warum sollte jemand fast risikolos<br />
ei<strong>ne</strong> Rendite erzielen kön<strong>ne</strong>n – unabhängig davon, wie gut o<strong>de</strong>r<br />
schlecht es <strong>de</strong>r Wirtschaft geht – <strong>und</strong> dafür auch noch niedrigere<br />
Steuern zahlen müssen als viele Arbeiter auf ihren Lohn? Dieses<br />
wären relativ einfach umzusetzen<strong>de</strong> Maßnahmen – hier ist<br />
also wie<strong>de</strong>r einmal die Politik gefragt, die sich endlich loslösen<br />
muss von <strong>de</strong>r Finanzindustrie <strong>und</strong> sich mehr an <strong>de</strong>r Nachhaltigkeit<br />
<strong>de</strong>r von ihr vorzugeben<strong>de</strong>n finanzrechtlichen Rahmenbedingungen<br />
orientieren sollte.<br />
Die Fragen stellte Philipp Hagspiel<br />
Dirk Müller (Jahrgang 1968) wur<strong>de</strong> als Aktienhändler ei<strong>ne</strong>m<br />
breiten Publikum durch das Fernsehen bekannt: Regelmäßig<br />
war er vor <strong>de</strong>r DAX-Kurstafel <strong>de</strong>r Frankfurter Börse mit <strong>de</strong>m<br />
jeweils passen<strong>de</strong>n Gesichtsausdruck zur Aktienmarktentwicklung<br />
zu sehen. Seit Beginn <strong>de</strong>r Finanzkrise in <strong>de</strong>n USA ist Müller<br />
als Finanzmarktexperte aus <strong>de</strong>n Medien nicht mehr wegzu<strong>de</strong>nken:<br />
Müller übt heftige Kritik an <strong>de</strong>r Nachlässigkeit <strong>de</strong>r Politik, an<br />
Ratingagenturen <strong>und</strong> Wirtschaftsforschungsinstituten. Müller<br />
sieht das Verfallsdatum <strong>de</strong>s <strong>de</strong>rzeitigen Wirtschaftssystems<br />
erreicht <strong>und</strong> rech<strong>ne</strong>t mittelfristig mit ei<strong>ne</strong>r Neuausrichtung <strong>de</strong>s<br />
europäischen Währungssystems.<br />
6
Daniel Kühn<br />
Finanzmarktexperte<br />
Das Schuldgeldsystem, Vollgeld <strong>und</strong> die Mo<strong>ne</strong>tative<br />
Im real existieren<strong>de</strong>n Geldsystem entsteht <strong>ne</strong>ues Geld im Wesentlichen durch die Geldschöpfung <strong>de</strong>s Bankensystems. Das so<br />
auftauchen<strong>de</strong> Geld ist aber nur ei<strong>ne</strong> For<strong>de</strong>rung gegen die kreditgeben<strong>de</strong> Bank <strong>und</strong> verkörpert lediglich ei<strong>ne</strong>n Anspruch auf Zentralbankgeld.<br />
Die Vollgeld-Bewegung will damit Schluss machen <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Banken das Recht <strong>ne</strong>hmen, Kredite <strong>und</strong> damit Geld aus<br />
<strong>de</strong>m Nichts zu kreieren.<br />
Der Begriff Vollgeld impliziert, dass das von uns <strong>de</strong>rzeit genutzte<br />
Geld in irgen<strong>de</strong>i<strong>ne</strong>r Weise nicht vollwertig ist. Korrekterweise<br />
muss man konstatieren, dass es verschie<strong>de</strong><strong>ne</strong> Kategorien Geld<br />
gibt. Das Geld, welches Sie in Form von Schei<strong>ne</strong>n <strong>und</strong> Münzen<br />
in Ihrem Portemonnaie haben, ist auf ei<strong>ne</strong> unmittelbarere Weise<br />
Geld als Ihr Guthaben auf <strong>de</strong>m Girokonto.<br />
Der f<strong>und</strong>amentale Unterschied zwischen Bargeld <strong>und</strong> Kontoguthaben<br />
Für Schei<strong>ne</strong> <strong>und</strong> Münzen besteht ein gesetzlicher Annahmezwang,<br />
weil es sich um ein gesetzliches Zahlungsmittel han<strong>de</strong>lt.<br />
Das Guthaben auf ei<strong>ne</strong>m Konto ist dagegen kein gesetzliches<br />
Zahlungsmittel! Das dürfte für einige überraschend sein. Es<br />
han<strong>de</strong>lt sich um ein so genanntes Geldsurrogat (auch: Geldsubstitut;<br />
Gel<strong>de</strong>rsatzmittel). Das Kontoguthaben repräsentiert<br />
ei<strong>ne</strong>n Anspruch gegenüber <strong>de</strong>r Bank auf Auszahlung von Bargeld.<br />
Diese For<strong>de</strong>rung kann man auf an<strong>de</strong>re übertragen, in<strong>de</strong>m<br />
man ei<strong>ne</strong> Überweisung tätigt. Die For<strong>de</strong>rung selber ist aber kein<br />
echtes Geld!<br />
Der Unterschied zwischen Bargeld <strong>und</strong> ei<strong>ne</strong>m Kontoguthaben<br />
wird sofort offensichtlich, wenn man <strong>de</strong>n Fall ei<strong>ne</strong>r Bankpleite<br />
be<strong>de</strong>nkt. Lassen wir gesetzliche <strong>und</strong> private Einlagesicherungssysteme<br />
außen vor (die im Ernstfall oh<strong>ne</strong>hin zum Scheitern<br />
verurteilt sind), so wird man als Kontoinhaber zum Gläubiger<br />
in ei<strong>ne</strong>m Insolvenzverfahren. Ihr Bargeld dagegen kön<strong>ne</strong>n Sie<br />
maximal verlieren, wenn Sie nicht darauf aufpassen (<strong>und</strong> es<br />
kann natürlich an Wert verlieren, was für das Bankguthaben<br />
aber genauso gilt).<br />
Bargeld <strong>und</strong> Guthaben <strong>de</strong>r Geschäftsbanken bei <strong>de</strong>r Zentralbank<br />
(Zentralbankgeld) haben aus geldtheoretischer Sicht <strong>de</strong>n<br />
gleichen Status: Zusammen bil<strong>de</strong>n sie die sogenannte „mo<strong>ne</strong>täre<br />
Basis“. Diese Begrifflichkeit wird verständlich, wenn man<br />
be<strong>de</strong>nkt, welchen Restriktio<strong>ne</strong>n die Geschäftsbanken bei ihrer<br />
eige<strong>ne</strong>n Geldschöpfung ausgesetzt sind.<br />
Das fraktionale Teilreservesystem <strong>und</strong> die Min<strong>de</strong>streserve: So<br />
entsteht <strong>ne</strong>ues Geld<br />
Je<strong>de</strong> Bank muss bei <strong>de</strong>r Zentralbank ein Konto unterhalten <strong>und</strong><br />
dort die sogenannte Min<strong>de</strong>streserve halten. Der Min<strong>de</strong>streservesatz<br />
(<strong>de</strong>rzeit 1%) ist ein Anteil von Bankeinlagen bestimmter<br />
Fristigkeiten, <strong>de</strong>n je<strong>de</strong> Bank auf <strong>de</strong>m Min<strong>de</strong>streservekonto halten<br />
muss („fraktionales Teilreservesystem“). Das ist ei<strong>ne</strong>r von<br />
zwei begrenzen<strong>de</strong>n Faktoren in <strong>de</strong>r Kreditvergabe bzw. Ausweitung<br />
<strong>de</strong>r Bilanzsumme von Banken. Der an<strong>de</strong>re ist die zwingen<strong>de</strong><br />
Eigenkapitalunterlegung von Krediten (in <strong>de</strong>r Regel 8%), die<br />
ausgerech<strong>ne</strong>t bei Staatsanleihen nicht gilt, da diese immer als<br />
sicher betrachtet wur<strong>de</strong>n.<br />
Ein Min<strong>de</strong>streservesatz von 1% be<strong>de</strong>utet konkret: Wird ein Kredit<br />
über z.B. 1 Mio. EUR vergeben <strong>und</strong> <strong>de</strong>m Konto <strong>de</strong>s Kun<strong>de</strong>n sozusagen<br />
aus <strong>de</strong>m Nichts gutgeschrieben („Giralgeldschöpfung“),<br />
dann muss dafür ein Betrag von 10 TSD EUR Min<strong>de</strong>streserve<br />
hinterlegt wer<strong>de</strong>n. Die Möglichkeit, Kredite auszureichen ist<br />
also durch die Menge an Zentralbankgeld im Besitz <strong>de</strong>r Bank<br />
begrenzt. Aber auch wenn die Min<strong>de</strong>streserve bei null läge<br />
wür<strong>de</strong> das mitnichten be<strong>de</strong>uten, dass ei<strong>ne</strong> Bank kein Zentralbankgeld<br />
bräuchte. Dies wäre nur <strong>de</strong>r dann <strong>de</strong>r Fall, wenn es<br />
nur ei<strong>ne</strong> einzige Bank gäbe, kein Bargeld <strong>und</strong> kei<strong>ne</strong> Möglichkeit<br />
ins Ausland zu überweisen. Das wäre dann das Wun<strong>de</strong>rland<br />
<strong>de</strong>r Geldschöpfung. Es ist essentiell wichtig zu verstehen, wie<br />
das <strong>ne</strong>ue Geld im herrschen<strong>de</strong>n System entsteht: Durch Kreditgewährung<br />
<strong>und</strong> ei<strong>ne</strong> Gutschrift auf ei<strong>ne</strong>m Konto. Es wird nicht<br />
Guthaben ei<strong>ne</strong>s an<strong>de</strong>ren Kun<strong>de</strong>n umgebucht, son<strong>de</strong>rn <strong>ne</strong>ues<br />
Geld geschaffen. Damit erhöht sich auch die Bilanzsumme <strong>de</strong>r<br />
Bank; wird <strong>de</strong>r Kredit zurückgezahlt, dann schrumpft sie.<br />
Warum Banken scharf auf Kun<strong>de</strong><strong>ne</strong>inlagen sind – <strong>und</strong> sein<br />
müssen<br />
Wenn Sie als Kun<strong>de</strong> Geld abheben o<strong>de</strong>r auf das Konto ei<strong>ne</strong>s an<strong>de</strong>ren<br />
Instituts überweisen, dann verliert Ihre Bank Zentralbank-<br />
7
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geld (entwe<strong>de</strong>r an ei<strong>ne</strong>n Konkurrenten o<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>n Bargeldumlauf)<br />
– das mag diese überhaupt nicht! Im Normalfall gleichen<br />
sich Überweisungen in<strong>ne</strong>rhalb ei<strong>ne</strong>s Lan<strong>de</strong>s täglich aber mehr<br />
o<strong>de</strong>r weniger aus <strong>und</strong> es fließt <strong>de</strong> facto wenig Zentralbankgeld<br />
zwischen <strong>de</strong>n Zentralbankkonten <strong>de</strong>r Geschäftsbanken. Aber<br />
gera<strong>de</strong> dann wenn es eh schon schlecht läuft, kommt die Maschi<strong>ne</strong><br />
oft ins Rollen <strong>und</strong> die Kun<strong>de</strong>n laufen in Scharen davon.<br />
Das war z.B. im Jahr 2008 bei einigen Instituten <strong>de</strong>r Fall. Und<br />
weil bald die nackte Panik regierte, kam es zu oft erstaunlichen<br />
Angeboten. Tagesgeld zu 4% z.B. war damals kei<strong>ne</strong> Seltenheit<br />
– die Banken wollten, koste es was es wolle, ihre Einlagenseite<br />
<strong>und</strong> damit das Zentralbankguthaben stärken.<br />
Wie Banken miteinan<strong>de</strong>r umgehen, wenn es „gut läuft“<br />
Sofern Geld nicht in Massen in bar abgehoben wird, führt <strong>de</strong>r<br />
Abfluss von Zentralbankgeld bei <strong>de</strong>n ei<strong>ne</strong>n zu ei<strong>ne</strong>m Zufluss bei<br />
<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Banken, da es sich dann um Überweisungen han<strong>de</strong>lt.<br />
In „normalen Zeiten“ verleihen dann die Banken mit zu viel<br />
<strong>de</strong>n Banken mit zu wenig ihr überschüssiges (über die Min<strong>de</strong>streserve<br />
hinausgehen<strong>de</strong>s) Zentralbankgeld, schon allei<strong>ne</strong> <strong>de</strong>swegen,<br />
weil es sonst auf <strong>de</strong>r „Einlagefazilität“ <strong>de</strong>r EZB lan<strong>de</strong>t,<br />
die <strong>de</strong>rzeit mit nur 0,25% verzinst wird. Aber was, wenn man<br />
<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Banken nicht mehr so recht traut? Dann nimmt<br />
man lieber <strong>de</strong>n Zinsverlust in Kauf <strong>und</strong> bleibt auf <strong>de</strong>m Zentralbankgeld<br />
sitzen – nicht umsonst <strong>ne</strong>nnt man die Einlagefazilität<br />
auch „Angstindikator“.<br />
Wirklich übel<strong>ne</strong>hmen kann man es <strong>de</strong>n Geldhäusern aber nicht.<br />
Wer leiht schon ger<strong>ne</strong> ei<strong>ne</strong>r griechischen Bank Geld, <strong>und</strong> sei es<br />
auch nur über Nacht?<br />
Geschäftsbanken <strong>und</strong> Zentralbanken: Ein Abhängigkeitsverhältnis<br />
Was machen die Banken nun, im Angesicht <strong>de</strong>r Tatsache, dass<br />
die Kun<strong>de</strong><strong>ne</strong>inlagen dahinschmelzen <strong>und</strong> Zentralbankgeld<br />
knapp wird? Sie wer<strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>r EZB bzw. ihrer nationalen Zentralbank<br />
vorstellig <strong>und</strong> fragen nach Krediten. Denn ein Kredit <strong>de</strong>r<br />
Zentralbank IST Zentralbankgeld.<br />
Als Sicherheit hinterlegen sie dafür Kredite wechselhafter Qualität.<br />
Teilweise ist diese so schlecht, dass die EZB selber ei<strong>ne</strong>n<br />
Kredit verweigert, obwohl sie ihre Kriterien bereits aufgeweicht<br />
hat. Im Notfall gibt es dann noch die ELA – Liquidity Emergency<br />
Assistance – von <strong>de</strong>r heimischen Notenbank. Wenn Sie dieses<br />
span<strong>ne</strong>n<strong>de</strong> Thema interessiert, kön<strong>ne</strong>n Sie sich hier einlesen.<br />
Das aktuelle System ist ein „Schuldgeldsystem“<br />
Jetzt wissen Sie in Gr<strong>und</strong>zügen schon einiges über das aktuelle<br />
Geldsystem. Es wird, bevorzugt von Kritikern, auch Schuldgeldsystem<br />
genannt. Warum? Wenn <strong>ne</strong>ues Geld durch die<br />
Kreditgewährung <strong>de</strong>r Banken entsteht, dann ist das immer<br />
zinsbelastet <strong>und</strong> ei<strong>ne</strong> Schuld. Sie ken<strong>ne</strong>n das ja, ei<strong>ne</strong>n kostenlosen<br />
Kredit gibt es nicht, <strong>und</strong> geschenkt gibt es auch nichts.<br />
Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite bekommen Sie für Ihre Einlage aber<br />
auch ei<strong>ne</strong>n Zins. Die Differenz <strong>de</strong>r Verzinsung zwischen <strong>de</strong>n<br />
ausgereichten Krediten auf <strong>de</strong>r ei<strong>ne</strong>n <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Einlagen auf <strong>de</strong>r<br />
an<strong>de</strong>ren Seite <strong>ne</strong>nnt man Zinsspan<strong>ne</strong> – das verdient die Bank<br />
also brutto an ihrem Kreditgeschäft, vor allen Kosten, Abschreibungen<br />
etc.<br />
Kritik am herrschen<strong>de</strong>n Schuldgeldsystem<br />
Die Kritik am Schuldgeldsystem ist vielfältig. Hauptansatzpunkt<br />
ist die Tatsache, dass die Banken das Geld aus <strong>de</strong>m Nichts<br />
<strong>ne</strong>u erzeugen kön<strong>ne</strong>n, in<strong>de</strong>m sie ei<strong>ne</strong>n Betrag X auf <strong>de</strong>m Konto<br />
gutschreiben. Wenn <strong>de</strong>r Kredit zurückgezahlt wird, ist zwar<br />
die Schuld getilgt, aber <strong>de</strong>r Zins muss ja auch geleistet wer<strong>de</strong>n.<br />
So führt das Schuldgeldsystem über <strong>de</strong>n Zins <strong>und</strong> Zinseszins<br />
dazu, dass die Geldmenge ständig steigen muss, sagen die<br />
Kritiker, <strong>und</strong> das führt nicht nur zu ei<strong>ne</strong>m „Wachstumszwang“,<br />
son<strong>de</strong>rn letztlich auch zu Inflation. Das alles ist natürlich nur<br />
dann zwingend <strong>de</strong>r Fall, wenn je<strong>de</strong> Bank auf Teufel komm raus<br />
gerettet wird. Das Rettungsgeld kommt direkt o<strong>de</strong>r über Umwege<br />
von <strong>de</strong>n Zentralbanken, womit wir bei <strong>de</strong>r zweiten Art <strong>de</strong>r<br />
Geldschöpfung sind, die korrekterweise eigentlich die primäre<br />
ist: Die Erweiterung <strong>de</strong>r Geldbasis.<br />
Die Geldschöpfung durch die Zentralbanken<br />
Im Gegensatz zu <strong>de</strong>n Geschäftsbanken kön<strong>ne</strong>n Zentralbanken<br />
vollwertiges Geld <strong>ne</strong>u schöpfen, <strong>und</strong> das haben sie in <strong>de</strong>n vergange<strong>ne</strong>n<br />
Jahren auch ausgiebig getan.<br />
Der Vorgang ist relativ simpel. Die Zentralbank erwirbt Aktiva<br />
entwe<strong>de</strong>r <strong>de</strong>finitiv – sie kauft also z.B. Gold o<strong>de</strong>r Aktien am<br />
9
Markt – o<strong>de</strong>r sie nimmt Aktiva als Sicherheit <strong>und</strong> vergibt dafür<br />
Kredite. In bei<strong>de</strong>n Fällen entsteht <strong>ne</strong>ues Geld in Form von<br />
Zentralbankguthaben <strong>de</strong>r jeweiligen Verkäufer. Wenn Sie z.B.<br />
ei<strong>ne</strong> italienische Anleihe an <strong>de</strong>r Börse verkaufen <strong>und</strong> die EZB<br />
ist <strong>de</strong>r Käufer, dann schreibt Ihre Bank Ih<strong>ne</strong>n <strong>de</strong>n Verkaufserlös<br />
auf <strong>de</strong>m Girokonto gut, <strong>und</strong> die Bank wie<strong>de</strong>rum erhält ei<strong>ne</strong> entsprechen<strong>de</strong><br />
Gutschrift auf ihrem Zentralbankkonto bei <strong>de</strong>r EZB.<br />
Damit ist die Geldbasis erhöht. Die Bilanzsumme <strong>de</strong>r EZB stieg<br />
so seit 2005 von ei<strong>ne</strong>r run<strong>de</strong>n Bio. EUR auf aktuell ca. 2,8 Bio.<br />
EUR – Ten<strong>de</strong>nz klar weiter steigend. Wür<strong>de</strong>n die Geschäftsbanken<br />
diese <strong>ne</strong>uen Möglichkeiten entsprechend umsetzen<br />
<strong>und</strong> massenhaft Kredite vergeben (zumal <strong>de</strong>r Min<strong>de</strong>streservesatz<br />
erst im Januar von 2% auf 1% gefallen ist), wür<strong>de</strong> es<br />
zu ei<strong>ne</strong>r gigantischen Explosion <strong>de</strong>r Geldmenge M3 kommen<br />
(aktuell ca. 9,8 Bio. EUR) – das am weitesten gefasste Geldmengenaggregat,<br />
welches <strong>ne</strong>ben Bargeld <strong>und</strong> Sichteinlagen<br />
auch Anteile an Geldmarktfonds, Geldmarktpapieren <strong>und</strong><br />
Bankanleihen mit ei<strong>ne</strong>r Laufzeit bis zu zwei Jahren umfasst.<br />
Aber <strong>de</strong>r Begriff Kreditklemme ist ja nicht umsonst im Umlauf,<br />
die Banken haben das Potenzial aber <strong>de</strong>rzeit nicht <strong>de</strong>n Willen,<br />
die Kreditmaschi<strong>ne</strong>rie in <strong>de</strong>r Realwirtschaft mit extremer Power<br />
zu versehen.<br />
Das Vollgeldsystem<br />
So langsam müssen wir die Kurve zum Vollgeldsystem fin<strong>de</strong>n.<br />
Wir haben bereits festgestellt, dass <strong>de</strong>r Großteil <strong>de</strong>r aktuell zirkulieren<strong>de</strong>n<br />
Geldmenge aus Geldsurrogaten besteht, aus For<strong>de</strong>rungen,<br />
die ei<strong>ne</strong>n Anspruch auf Lieferung von Zentralbankgeld<br />
(Bargeld) darstellen. Dieses System befin<strong>de</strong>t sich ständig<br />
in ei<strong>ne</strong>m Kampf zwischen Expansion <strong>und</strong> Zusammenbruch,<br />
Inflation <strong>und</strong> Deflation. Kommt es z.B. zu Bankenpleiten größeren<br />
Ausmaßes, dann kann es theoretisch zu ei<strong>ne</strong>r Kettenreaktion<br />
kommen, die letztlich ei<strong>ne</strong>n Großteil <strong>de</strong>s „Schuldgel<strong>de</strong>s“<br />
auslöscht. Im Extremfall bliebe nur das Bargeld übrig. Das<br />
mag übertrieben klingen, aber im Herbst 2008 waren wir nicht<br />
so wahnsinnig weit von ei<strong>ne</strong>m möglichen Bankenrun entfernt.<br />
Die Vollgeldbewegung wagt ei<strong>ne</strong>n durchaus revolutionär zu<br />
<strong>ne</strong>n<strong>ne</strong>n<strong>de</strong>n Ansatz, um <strong>de</strong>r Problematik Herr zu wer<strong>de</strong>n. Ei<strong>ne</strong>r<br />
<strong>de</strong>r promi<strong>ne</strong>ntesten <strong>und</strong> frühesten Vertreter war <strong>de</strong>r amerikanische<br />
Nationalökonom Irving Fisher. Er hatte in <strong>de</strong>r Weltwirtschaftskrise<br />
1930 sein Vermögen an <strong>de</strong>r Börse verloren <strong>und</strong><br />
lokalisierte das herrschen<strong>de</strong> Geldsystem als Ursache für das<br />
entstan<strong>de</strong><strong>ne</strong> Fiasko. Zahlreiche Probleme <strong>de</strong>s Finanzwesens<br />
sind <strong>de</strong>mnach <strong>de</strong>r Ursache geschul<strong>de</strong>t, dass die Banken Geld<br />
durch Kreditvergabe aus <strong>de</strong>m Nichts schöpfen kön<strong>ne</strong>n. Die<br />
Vertreter <strong>de</strong>r Vollgeldbewegung dagegen argumentieren, ei<strong>ne</strong><br />
Bank solle künftig nur noch das Geld verleihen, das ihr auch<br />
zu diesem Zwecke ausdrücklich anvertraut wur<strong>de</strong>. Das Geldschöpfungsmonopol<br />
<strong>de</strong>r Banken wäre am En<strong>de</strong>.<br />
Die Mo<strong>ne</strong>tative als Strömung <strong>de</strong>r Vollgeldbewegung<br />
Als Arm <strong>de</strong>r Vollgeldbewegung hat sich die Mo<strong>ne</strong>tative entwickelt.<br />
Die Ähnlichkeit zu <strong>de</strong>n Begriffen Judikative, Legislative<br />
<strong>und</strong> Exekutive ist kein Zufall, <strong>de</strong>nn es soll nicht weniger, ei<strong>ne</strong><br />
vierte staatliche Gewalt etabliert wer<strong>de</strong>n. Das Ziel <strong>de</strong>r Initiative<br />
lässt sich in drei Haupt-For<strong>de</strong>rungen zusammenfassen:<br />
1. Beendigung <strong>de</strong>r Geldschöpfung durch die Banken<br />
2. Wie<strong>de</strong>rherstellung <strong>de</strong>s staatlichen Vorrechts <strong>de</strong>r<br />
Geldschöpfung<br />
3. Inumlaufbringen <strong>ne</strong>uen Gel<strong>de</strong>s durch öffentliche<br />
Ausgaben<br />
Zu diesem Zwecke soll die Mo<strong>ne</strong>tative die Geldschöpfung<br />
über<strong>ne</strong>hmen, die ausführen<strong>de</strong> Behör<strong>de</strong> wäre dann die EZB<br />
bzw. die Bun<strong>de</strong>sbank.<br />
Wesentlicher Schritt wäre die Umwandlung bestehen<strong>de</strong>r Girokonten<br />
bzw. <strong>de</strong>ren Herauslösung aus <strong>de</strong>n Bankbilanzen. Das<br />
Giralgeld (geschöpftes Geld) wür<strong>de</strong> in Vollgeld umgewan<strong>de</strong>lt,<br />
was dann <strong>de</strong>n gleichen Status als gesetzliches Zahlungsmittel<br />
mit Annahmezwang erhielte wie Banknoten <strong>und</strong> Münzen. Es<br />
wäre ausfallsicher, da nicht Eigentum <strong>de</strong>r Bank. Im Gegensatz<br />
dazu ist Ihr Girokontoguthaben heute ei<strong>ne</strong> For<strong>de</strong>rung gegen<br />
Ihre Bank!<br />
Konsequenz <strong>de</strong>r angedachten Reform: Die Bank kann Ihr Geld<br />
nicht mehr einfach so verleihen. Das Geld auf <strong>de</strong>m „<strong>ne</strong>uen“ Girokonto<br />
entspricht unter je<strong>de</strong>m Gesichtspunkt Geld, das sich<br />
in Ihrem Geldbeutel befin<strong>de</strong>t (außer dass es Ih<strong>ne</strong>n nicht abhan<strong>de</strong>nkommen<br />
kann). Damit ist es auch in Zeiten, in <strong>de</strong><strong>ne</strong>n<br />
es „nutzlos“ herum liegt, nicht Teil <strong>de</strong>s Geldkreislaufs. Eben<br />
wie bei gehortetem Bargeld. Natürlich wür<strong>de</strong> es darauf kei<strong>ne</strong><br />
Zinsen geben, son<strong>de</strong>rn nur Gebühren, die wohl <strong>de</strong>utlich höher<br />
lägen als heute.<br />
10
Geschäftsbanken dürfen kein <strong>ne</strong>ues Geld mehr schöpfen, nur<br />
die Zentralbank<br />
Banken könnten zwar weiter Geld verleihen, aber nur insoweit<br />
es Ih<strong>ne</strong>n selber gehört o<strong>de</strong>r aber von Kun<strong>de</strong>n zu eben diesem<br />
Zwecke anvertraut wird – also eben nicht Geld auf <strong>de</strong>m Girokonto.<br />
Giralgeldschöpfung wäre nicht mehr möglich. Die Kreditvergabe<br />
durch Geschäftsbanken wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>mzufolge <strong>de</strong>utlich<br />
zurückgehen, insbeson<strong>de</strong>re wäre sie limitiert durch die<br />
Summe an Kun<strong>de</strong>ngel<strong>de</strong>rn, die zu diesem Zwecke zur Verfügung<br />
gestellt wer<strong>de</strong>n plus das eige<strong>ne</strong> Vermögen <strong>de</strong>r Banken.<br />
Geldschöpfung an sich gäbe es schon noch – aber durchgeführt<br />
einzig <strong>und</strong> allei<strong>ne</strong> durch die Zentralbank, die damit vollständige<br />
Kontrolle über die Geldmenge hätte. Technisch liefe<br />
die Schöpfung so ab, dass die Zentralbank <strong>de</strong>m Staat <strong>ne</strong>ues<br />
Geld zinslos überlässt, dieser finanziert dann z.B. Infrastrukturmaßnahmen<br />
damit, das zusätzliche Geld fließt somit in <strong>de</strong>n<br />
Kreislauf. Bestehen<strong>de</strong>, auslaufen<strong>de</strong> Staatsschul<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n<br />
auf <strong>de</strong>m gleichen Weg beglichen, sie wür<strong>de</strong>n also vollständig<br />
mo<strong>ne</strong>tarisiert. Wenn ei<strong>ne</strong> alte Staatsanleihe fällig wird, dann<br />
begleicht sie die Zentralbank mit <strong>ne</strong>uem Geld. Die Verfasser <strong>de</strong>r<br />
Initiative sprechen hier etwas beschönigend von ei<strong>ne</strong>r „hohen<br />
Übergangs-Seigniorage“. Am En<strong>de</strong> wür<strong>de</strong> die gesamte heute<br />
zirkulieren<strong>de</strong> Geldmenge in Vollgeld übergehen, die Geldmenge<br />
wür<strong>de</strong> sich exakt berechenbar entwickeln, nämlich genau<br />
in <strong>de</strong>m Maße, wie die Zentralbank <strong>ne</strong>ues Geld schafft.<br />
Die Mo<strong>ne</strong>tative soll übrigens von <strong>de</strong>r Regierung unabhängig<br />
sein, was man zumin<strong>de</strong>st in Zweifel ziehen darf. In <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>alvorstellung<br />
soll die Zentralbank dann das Geldmengenwachstum<br />
am geplanten Wachstum <strong>de</strong>r Wirtschaft ausrichten, was<br />
letztlich nach sozialistischer Planwirtschaft klingt.<br />
Bruttogeld (aktuell) vs. Nettogeldschöpfung (Vollgeld)<br />
Der markante Unterschied zwischen <strong>de</strong>r Giralgeldschöpfung<br />
durch Banken <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Vollgeldschöpfung durch ei<strong>ne</strong> Mo<strong>ne</strong>tative<br />
ist folgen<strong>de</strong>r: Das Giralgeld ist ei<strong>ne</strong> Bruttogeldschöpfung:<br />
Ei<strong>ne</strong>m <strong>ne</strong>uen Guthaben steht ei<strong>ne</strong> <strong>ne</strong>ue Verbindlichkeit in exakt<br />
gleicher Höhe gegenüber. Das staatliche Vollgeld dagegen<br />
entsteht in voller Höhe gänzlich <strong>ne</strong>u. Es entspricht <strong>de</strong>r Ausgabe/Verteilung<br />
<strong>ne</strong>uer Banknoten.<br />
Für <strong>de</strong>n Staat ei<strong>ne</strong> fei<strong>ne</strong> Sache – er entschul<strong>de</strong>t sich vollständig<br />
auf Kosten sei<strong>ne</strong>r Bürger, die erhöhte Inflation in Kauf <strong>ne</strong>hmen<br />
müssen. Vor allem <strong>de</strong>r erste Schub wäre enorm, da auslaufen<strong>de</strong><br />
Anleihen einfach durch <strong>ne</strong>ues Geld beglichen wer<strong>de</strong>n <strong>und</strong><br />
<strong>de</strong>r gesamte Systemwechsel natürlich von <strong>de</strong>n Marktteil<strong>ne</strong>hmern<br />
antizipiert wür<strong>de</strong>.<br />
Das Zinseszinsproblem übrigens wür<strong>de</strong> durch <strong>de</strong>n Systemwechsel<br />
nicht gr<strong>und</strong>sätzlich gelöst. Denn wer <strong>de</strong>n Banken<br />
o<strong>de</strong>r Unter<strong>ne</strong>hmen Geld leiht, will dafür verständlicherweise<br />
Zinsen sehen. Die Geldmenge wür<strong>de</strong>, wie bereits im aktuellen<br />
System, weiter expo<strong>ne</strong>ntiell wachsen, versorgt durch die Mo<strong>ne</strong>tative.<br />
Der Traum je<strong>de</strong>s Sozialisten<br />
Ein Unterschied, <strong>de</strong>n viele sicherlich begrüßen wür<strong>de</strong>n, wäre<br />
ei<strong>ne</strong> weitgehen<strong>de</strong> Entmachtung <strong>de</strong>r Banken <strong>und</strong> die Tatsache,<br />
dass <strong>de</strong>r Staat kei<strong>ne</strong>n Zinsaufwand mehr hätte. Die größte Gefahr<br />
besteht wahrscheinlich darin, dass von Unabhängigkeit<br />
kei<strong>ne</strong> Re<strong>de</strong> sein kann <strong>und</strong> allerlei sozialistische Utopien, wie<br />
z.B. das bedingungslose Grun<strong>de</strong>inkommen, dann über die<br />
Mo<strong>ne</strong>tative finanziert wür<strong>de</strong>n. Wenn man sich ansieht, wer<br />
von <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Politpromi<strong>ne</strong>nz dieses System unterstützt,<br />
fällt die Hülle endgültig: Oskar Lafontai<strong>ne</strong> <strong>und</strong> Sarah Wagenk<strong>ne</strong>cht.<br />
Banken, hört die Signale!<br />
Autor: Daniel Kühn<br />
11
Daniel Kühn<br />
Finanzmarktexperte<br />
Schul<strong>de</strong>n sind gut!<br />
Gordon Gekkos berühmtester Ausspruch im Klassiker „Wall Street“: Greed is good! Unser Geldsystem braucht <strong>ne</strong>ben Gier aber<br />
auch noch Schul<strong>de</strong>n, Schul<strong>de</strong>n, Schul<strong>de</strong>n. Die größte Gefahr für das System ist <strong>de</strong>r paralelle Versuch vieler Marktteil<strong>ne</strong>hmer, sich<br />
zu entschul<strong>de</strong>n.<br />
Im vorangegangen Artikel wird auf einige konstituieren<strong>de</strong> Eigenschaften<br />
<strong>de</strong>s herrschen<strong>de</strong>n Geldsystems eingegangen.<br />
Es wird nicht umsonst auch „Schuldgeldsystem“ genannt.<br />
Neues Geld entsteht zum Großteil durch Geldschöpfung <strong>de</strong>s<br />
Geschäftsbankensystems aufbauend auf <strong>de</strong>r Geldbasis,<br />
welche die Zentralbank schafft. Der Löwenanteil <strong>de</strong>s zirkulieren<strong>de</strong>n<br />
Gel<strong>de</strong>s, das die Wirtschaft befeuert, ist geschöpftes<br />
Giralgeld. Das Guthaben <strong>de</strong>r ei<strong>ne</strong>n ist die Verbindlichkeit <strong>de</strong>r<br />
an<strong>de</strong>ren. Das sollte man in <strong>de</strong>r Diskussion nie vergessen.<br />
Seit <strong>de</strong>r Verschärfung <strong>de</strong>r Schul<strong>de</strong>nkrise ist viel davon die<br />
Re<strong>de</strong>, dass alle sparen sollen. Bayern will bis 2030 sogar<br />
völlig schul<strong>de</strong>nfrei sein. Aber wenn alle gleichzeitig sparen,<br />
bricht die Wirtschaft ein. Wenn alle gleichzeitig Schul<strong>de</strong>n abbauen<br />
wollen <strong>und</strong> nicht parallel an<strong>de</strong>re <strong>ne</strong>ue Schul<strong>de</strong>n machen,<br />
implodiert die Geldmenge. Warum?<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich führt Schul<strong>de</strong>nmachen per se nicht zu ei<strong>ne</strong>r Erhöhung<br />
<strong>de</strong>r Geldmenge. Wenn Sie mir 100 EUR in bar leihen,<br />
dann wan<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>r Schein von Ihrem in mei<strong>ne</strong>n Geldbeutel.<br />
Wenn ein Unter<strong>ne</strong>hmen ei<strong>ne</strong> Anleihe begibt, <strong>und</strong> Sie zeich<strong>ne</strong>n<br />
diese Anleihe, dann wird <strong>de</strong>m Konto <strong>de</strong>s Unter<strong>ne</strong>hmens Geld<br />
gutgeschrieben <strong>und</strong> Ihrem abgebucht. In diesen Fällen bleibt<br />
die Geldmenge konstant (Zinsen außen vor gelassen).<br />
Die Geldmenge wird dann tangiert, wenn die Banken ins<br />
Spiel kommen. Ei<strong>ne</strong>n Kredit holen Sie sich in <strong>de</strong>r Regel bei<br />
<strong>de</strong>r Bank, <strong>und</strong> nicht beim Nachbarn. Die Bank schreibt Ih<strong>ne</strong>n<br />
Geld auf Ihrem Koto gut, erhöht die Bilanzsumme <strong>und</strong> kreiert<br />
so <strong>ne</strong>ues Geld („Giralgeldschöpfung“). Ebenso läuft es bei<br />
Unter<strong>ne</strong>hmenskrediten, die bei Banken genommen wer<strong>de</strong>n.<br />
Und wie ist es mit <strong>de</strong>n Staaten? Der Großteil <strong>de</strong>r Staatsverschuldung<br />
wird über Staatsanleihen aufgenommen. Zunächst<br />
könnte man an<strong>ne</strong>hmen, dass es sich um ei<strong>ne</strong>n geldmengen<strong>ne</strong>utralen<br />
Prozess han<strong>de</strong>lt: Sie kaufen Anleihen, <strong>und</strong><br />
damit wan<strong>de</strong>rt Geld von Ihrem Konto auf das Staatskonto.<br />
Das ist auch korrekt. Aber die größten Player auch in diesem<br />
Spiel sind die Banken, <strong>und</strong> wir wissen die Banken haben<br />
„Son<strong>de</strong>rrechte“.<br />
Ganz beson<strong>de</strong>rs wichtig ist in diesem Zusammenhang die<br />
Tatsache, dass Banken <strong>de</strong>n Kauf von Staatsanleihen nicht<br />
mit Eigenkapital unterlegen müssen. Wenn die Bank Ih<strong>ne</strong>n<br />
1000 EUR leiht, muss sie dafür in <strong>de</strong>r Regel 80 EUR (=8%)<br />
Eigenkapital vorhalten. Dieses Erfor<strong>de</strong>rnis ist die eigentliche<br />
Hür<strong>de</strong> für ungebremste Kreditvergabe. Der Gr<strong>und</strong> dafür ist,<br />
dass ein Kredit risikobehaftet ist, die Bank muss Ausfallrisiken<br />
mit eige<strong>ne</strong>m Kapital abfe<strong>de</strong>rn.<br />
Nicht so aber bei Staatsanleihen. Wohl nicht ganz u<strong>ne</strong>igennützig<br />
haben die Staaten beschlossen, dass Staatsanleihen<br />
ausfallsicher sind. Somit ist auch von <strong>de</strong>n Banken kein Eigenkapital<br />
zu hinterlegen. Das führt zu <strong>de</strong>r grotesk anmuten<strong>de</strong>n<br />
Situation, dass es zu ei<strong>ne</strong>r beinahe beliebigen Aufblähung<br />
<strong>de</strong>r Bilanzsumme kommen kann.<br />
Der Gr<strong>und</strong> dafür ist, dass die Geschäftsbanken Staatsanleihen<br />
bei <strong>de</strong>r Zentralbank als Sicherheit für Kredite hinterlegen<br />
kön<strong>ne</strong>n.<br />
12
Betrachten Sie isoliert ei<strong>ne</strong> einzige Bank, die 1 Mrd. EUR Zentralbankgeld<br />
für Anleihekäufe zur Verfügung hat. Sie kauft,<br />
verliert das Zentralbankgeld (was in <strong>de</strong>r gesamten Höhe<br />
noch nicht mal zwingend ist, es kommt darauf an wer die<br />
Verkäufer sind <strong>und</strong> wo sie ihre Konten haben) <strong>und</strong> hat nun<br />
Staatsanleihen im Depot. Die Woche drauf hinterlegt sie die<br />
<strong>ne</strong>uen Anleihen als Sicherheit, holt sich 1 Mrd. EUR Kredit<br />
bei <strong>de</strong>r EZB <strong>und</strong> kauft er<strong>ne</strong>ut Bonds… Dieses Spielchen kann<br />
ewig weitergehen, da die Bank kein Eigenkapital braucht, nur<br />
Zentralbankgeld.<br />
Was Sie hier lesen ist kei<strong>ne</strong> kru<strong>de</strong> Theorie, son<strong>de</strong>rn sogar die<br />
Hoffnung <strong>de</strong>r Politik <strong>und</strong> <strong>de</strong>r EZB. Die so genannten LTRO die<strong>ne</strong>n<br />
letztlich diesem Zweck.<br />
Wir kommen nun wie<strong>de</strong>r auf unsere Eingangsbemerkung<br />
zurück: Der Großteil <strong>de</strong>s in <strong>de</strong>r Wirtschaft zirkulieren<strong>de</strong>n<br />
Gel<strong>de</strong>s ist geschöpftes Schuldgeld. In <strong>de</strong>r Eurozo<strong>ne</strong> gibt es<br />
<strong>de</strong>rzeit etwa 900 Mrd. EUR Bargeld, die Geldmenge M3 ist<br />
mehr als 10mal so hoch, wobei dieser Faktor bereits <strong>de</strong>utlich<br />
zurückgegangen ist, <strong>de</strong>nn die Kreditvergabe an Private<br />
<strong>und</strong> Unter<strong>ne</strong>hmen ist ins Stocken geraten. Was passiert nun,<br />
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wenn kei<strong>ne</strong>r mehr Schul<strong>de</strong>n machen will, <strong>und</strong> diejenigen die<br />
Schul<strong>de</strong>n haben diese begleichen wollen? Wird ein Kredit bei<br />
ei<strong>ne</strong>r Bank zurückgezahlt, dann wird dieses Geld „vernichtet“<br />
– das ist <strong>de</strong>r Gegenpart zum Schöpfen. Das ganze System<br />
basiert darauf, dass ständig mehr Kredit <strong>ne</strong>u vergeben/aufgenommen<br />
als getilgt wird. Schon ei<strong>ne</strong> Stagnation ist gefährlich,<br />
das Schrumpfen führt gera<strong>de</strong>wegs in ei<strong>ne</strong> <strong>de</strong>flationäre<br />
Spirale. Daran sollten Sie immer <strong>de</strong>nken, wenn vom globalen<br />
Schul<strong>de</strong>nabbau die Re<strong>de</strong> ist.<br />
Autor: Daniel Kühn<br />
Daniel Kühn, Diplom-Kaufmann, ist seit 15 Jahren als Tra<strong>de</strong>r an<br />
<strong>de</strong>r Börse aktiv. Für die BörseGo AG ist er seit 2003 tätig. Kühns<br />
Interessenschwerpunkte sind Makroökonomie, Geldtheorie,<br />
Wirtschaftspolitik <strong>und</strong> f<strong>und</strong>amentale Aktienanalyse.<br />
<strong>www</strong>.goldsilber-direkt24.<strong>de</strong><br />
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13
Gastbeitrag von Roland Klaus<br />
Finanzmarktexperte<br />
Ausweg aus <strong>de</strong>r Schul<strong>de</strong>nspirale – Wie man die Verschuldungskrise<br />
lösen könnte – ein unkonventio<strong>ne</strong>ller Vorschlag<br />
Roland Klaus sieht die <strong>de</strong>rzeitigen Vorschläge <strong>de</strong>r Politik zur Lösung <strong>de</strong>r Schul<strong>de</strong>nkrise als unzulänglich an.<br />
Die Rettungsaktio<strong>ne</strong>n <strong>de</strong>r europäischen Finanz- <strong>und</strong> Wirtschaftspolitik<br />
wer<strong>de</strong>n immer hektischer <strong>und</strong> offenk<strong>und</strong>ig verzweifelter.<br />
Rettungsschirme wer<strong>de</strong>n aufgesetzt, vergrößert,<br />
gehebelt. Staatliche Garantien wer<strong>de</strong>n zum Bestandteil taktischer<br />
Poker- <strong>und</strong> Machtspiele <strong>und</strong> entschei<strong>de</strong>n über die Zusammensetzung<br />
politischer Regierungen. Notenbanken fluten<br />
die Banken mit Geld, in <strong>de</strong>r Hoffnung, dass diese ei<strong>ne</strong>n Teil <strong>de</strong>r<br />
Kredite an die Staaten weiterreichen. Nullzinsen wer<strong>de</strong>n auf<br />
Sicht mehrerer Jahre garantiert, um die Nutzung von Krediten<br />
zu befeuern.<br />
Doch all diese Überlegungen <strong>und</strong> Maßnahmen haben ei<strong>ne</strong>s<br />
gemeinsam: Sie versuchen, das Schul<strong>de</strong>nproblem dadurch<br />
zu lösen, dass <strong>ne</strong>ue Schul<strong>de</strong>n produziert wer<strong>de</strong>n. Selbst <strong>de</strong>r<br />
diskutierte Schul<strong>de</strong>nschnitt für Griechenland wür<strong>de</strong> in letzter<br />
Konsequenz kaum be<strong>de</strong>uten, dass Schul<strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>r Welt<br />
geschafft wer<strong>de</strong>n. Denn zumin<strong>de</strong>st je<strong>ne</strong> Verluste, die im Bankensektor<br />
anfallen, wür<strong>de</strong>n zum großen Teil durch staatliche<br />
Hilfen aufgefangen wer<strong>de</strong>n müssen. Geld, das sich die Regierungen<br />
ihrerseits erst leihen müssten. Letztendlich han<strong>de</strong>lt es<br />
sich bei all diesen Vorschlägen nur um ei<strong>ne</strong> Verlagerung <strong>de</strong>r<br />
Schul<strong>de</strong>nlast von <strong>de</strong>n Schwachen auf die (noch) etwas Stärkeren.<br />
Die von <strong>de</strong>n Politikern krampfhaft erhoffte Lösung ei<strong>ne</strong>s Herauswachsens<br />
aus <strong>de</strong>n Schul<strong>de</strong>n kann nicht funktionieren.<br />
Erst recht nicht in ei<strong>ne</strong>m Umfeld <strong>de</strong>r <strong>de</strong>mographischen Abenddämmerung,<br />
die dazu führt, dass die Bevölkerung <strong>de</strong>r Eurozo<strong>ne</strong><br />
in <strong>de</strong>n nächsten Jahren <strong>und</strong> Jahrzehnten voraussehbar<br />
schrumpfen wird. Denn Bevölkerungswachstum ist – <strong>ne</strong>ben<br />
steigen<strong>de</strong>r Produktivität – ei<strong>ne</strong>r <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n unabdingbaren<br />
Faktoren für wirtschaftliches Wachstum.<br />
Welche Möglichkeiten gibt es also, die Schul<strong>de</strong>n nachhaltig<br />
zu reduzieren? Ei<strong>ne</strong> Möglichkeit besteht darin, das durchaus<br />
vorhan<strong>de</strong><strong>ne</strong> Nettovermögen <strong>de</strong>r Bürger Stück für Stück an <strong>de</strong>n<br />
Staat zu übertragen. Durch höhere Steuern <strong>und</strong> Abgaben <strong>und</strong><br />
durch geldpolitische Zinsmanipulatio<strong>ne</strong>n, die dazu führen,<br />
dass die einigermaßen soli<strong>de</strong>n staatlichen Schuld<strong>ne</strong>r, z.B.<br />
Deutschland, Zinsen für ihre Bun<strong>de</strong>sanleihen zahlen, die unter<br />
<strong>de</strong>r Inflationsrate liegen. Dies wür<strong>de</strong> be<strong>de</strong>uten, dass auf <strong>de</strong>r<br />
an<strong>de</strong>ren Seite für <strong>de</strong>n Sparer ei<strong>ne</strong> <strong>ne</strong>gative Realrendite übrig<br />
bleiben wür<strong>de</strong>. Das Ergebnis wäre ein schleichen<strong>de</strong>r Vermögenstransfer<br />
vom Bürger zum Staat.<br />
In <strong>de</strong>r Theorie kann das durchaus funktionieren. In Deutschland<br />
stehen staatlichen Schul<strong>de</strong>n von 2 Billio<strong>ne</strong>n Euro ein<br />
Nettovermögen <strong>de</strong>r Bürger von 5 Billio<strong>ne</strong>n Euro gegenüber. In<br />
an<strong>de</strong>ren Staaten sind die Relatio<strong>ne</strong>n ähnlich. Doch die Praxis<br />
dürfte an<strong>de</strong>rs aussehen. Viele Bürger, vor allem die Reichen<br />
<strong>und</strong> Leistungsstarken, dürften sich dieser Form von finanzieller<br />
Repression durch Kapitalflucht o<strong>de</strong>r Auswan<strong>de</strong>rung entziehen.<br />
Es bleibt ei<strong>ne</strong> zweite Möglichkeit, die bislang nicht in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit<br />
diskutiert wird. Der Schul<strong>de</strong>nschnitt muss an ei<strong>ne</strong>r Stelle<br />
erfolgen, an <strong>de</strong>r er endgültig ist <strong>und</strong> nicht nur ei<strong>ne</strong> Verlagerung<br />
auf ei<strong>ne</strong>n an<strong>de</strong>ren Schuld<strong>ne</strong>r be<strong>de</strong>utet. Diese Stelle kann<br />
eigentlich nur ei<strong>ne</strong> Instanz sein, die das Geld selbst schöpft<br />
<strong>und</strong> kontrolliert: die Notenbank. Weltweit haben die großen<br />
Notenbanken bereits begon<strong>ne</strong>n, Staatsanleihen aufzukaufen.<br />
Das Fe<strong>de</strong>ral Reserve System ist bereits größter Gläubiger <strong>de</strong>r<br />
Vereinigten Staaten. Ähnlich sieht es in Großbritannien, Japan<br />
<strong>und</strong> – mit Einschränkungen – <strong>de</strong>r Eurozo<strong>ne</strong> aus.<br />
14
Nehmen wir nun an, dass die großen<br />
Notenbanken- möglicherweise in ei<strong>ne</strong>r<br />
konzertierten Aktion – auf die Rückzahlung<br />
<strong>de</strong>r von ih<strong>ne</strong>n gehalte<strong>ne</strong>n<br />
Staatsanleihen verzichten. Sie wür<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>n Regierungen in <strong>de</strong>m von ih<strong>ne</strong>n<br />
kontrollierten Währungsraum also ei<strong>ne</strong>n<br />
wesentlichen Teil ihrer Schul<strong>de</strong>n<br />
erlassen. Alle an<strong>de</strong>ren Besitzer von<br />
Staatsanleihen behalten dagegen ihre<br />
Ansprüche auf Zins <strong>und</strong> Rückzahlung<br />
bzw. verzichten lediglich in ei<strong>ne</strong>m Umfang,<br />
<strong>de</strong>r ihre Existenz nicht gefähr<strong>de</strong>t.<br />
Damit könnte die Verschuldungsgrad<br />
vieler Staaten auf ein Niveau zurückgeführt<br />
wer<strong>de</strong>n, das ei<strong>ne</strong> Finanzierung<br />
durch private Gläubiger ermöglicht.<br />
Die Notenbanken, die ei<strong>ne</strong>n solchen Verzicht auf Rückzahlung<br />
gewähren, wären dadurch bilanziell überschul<strong>de</strong>t. Nötig wäre<br />
daher die politische Entscheidung, die Bilanzen <strong>de</strong>r Notenbanken<br />
<strong>ne</strong>u aufzusetzen <strong>und</strong> gewissermaßen bei Null starten zu<br />
lassen. Dies erscheint durchaus möglich, da die Notenbanken<br />
ja je<strong>ne</strong> Stellen sind, die monopolistisch über das Entstehen von<br />
Geld bestimmen. Ein solcher Schritt käme ei<strong>ne</strong>r Neuordnung<br />
<strong>de</strong>s Finanzsystems gleich, <strong>de</strong>r einfacher zu verdauen wäre<br />
als ein Zusammenbruch von Staaten <strong>und</strong> Bankensystem. Die<br />
Schul<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n quasi in ei<strong>ne</strong>m großen schwarzen Loch verschwin<strong>de</strong>n,<br />
das das Gegenstück zur enormen Geldschöpfung<br />
<strong>de</strong>r vergange<strong>ne</strong>n Jahre darstellt.<br />
Natürlich wäre ein solches Vorgehen nicht oh<strong>ne</strong> Nachteile. Es<br />
wür<strong>de</strong> diejenigen beloh<strong>ne</strong>n, die sich in <strong>de</strong>r Vergangenheit be<strong>de</strong>nkenlos<br />
hohe Schul<strong>de</strong>n aufgebür<strong>de</strong>t haben <strong>und</strong> auch je<strong>ne</strong>,<br />
die spekulative Anlagen in <strong>de</strong>n Schuldverschreibungen eben<br />
dieser Schuld<strong>ne</strong>r getätigt haben. Unter <strong>de</strong>m Gesichtspunkt<br />
<strong>de</strong>s Moral Hazard kommt ein solches Vorgehen daher ei<strong>ne</strong>m<br />
Sün<strong>de</strong>nfall erster Kategorie gleich. Dennoch erscheint es als<br />
das klei<strong>ne</strong>re Übel, wenn man es mit ei<strong>ne</strong>m Zusammenbruch<br />
<strong>de</strong>s Staaten- <strong>und</strong> Finanzsystems unter sei<strong>ne</strong>n hohen Schul<strong>de</strong>n<br />
vergleicht.<br />
Um längerfristig wirksam zu sein <strong>und</strong> um die genannten Moral<br />
Hazard Probleme zumin<strong>de</strong>st einzudämmen, dürfte ein solcher<br />
Mega-Schul<strong>de</strong>nschnitt nicht isoliert<br />
stehen. Er müsste gemeinsam mit<br />
weiteren Maßnahmen beschlossen<br />
wer<strong>de</strong>n, die verhin<strong>de</strong>rn, dass sich die<br />
Situation durch das er<strong>ne</strong>ute Auftürmen<br />
von Schul<strong>de</strong>n in kurzer Zeit er<strong>ne</strong>ut<br />
zuspitzt. Dazu könnten folgen<strong>de</strong><br />
Maßnahmen gehören, die Schuld<strong>ne</strong>r<br />
<strong>und</strong> Gläubiger stärker an die Kandare<br />
<strong>ne</strong>hmen: Erstens ei<strong>ne</strong> verbindliche<br />
Einführung von Schul<strong>de</strong>nbremsen für<br />
sämtliche Regierungen, die von <strong>de</strong>m<br />
Schul<strong>de</strong>nschnitt profitieren. Zweitens:<br />
Klare <strong>und</strong> unverrückbare No-Bailout-<br />
Regeln für die Eurozo<strong>ne</strong>, verbun<strong>de</strong>n<br />
mit Sanktionsmechanismen, die ei<strong>ne</strong>n<br />
zwangsweisen Austritt einzel<strong>ne</strong>r<br />
Staaten bei Verstoß gegen diese Schul<strong>de</strong>nbremsen vorsehen.<br />
Drittens die Einführung ei<strong>ne</strong>s Trennbankensystems nach US-<br />
Vorbild, das verhin<strong>de</strong>rt, das überbor<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Spekulation von Instituten<br />
zu Schieflagen von systemisch wichtigen Banken führen<br />
kann. Wer zocken will, kann das tun. Er kann dann jedoch<br />
nicht damit rech<strong>ne</strong>n, dass er von Staaten o<strong>de</strong>r Zentralbanken<br />
aufgefangen wird. Viertens – <strong>und</strong> das ist vielleicht die wichtigste<br />
<strong>und</strong> gleichzeitig komplizierteste For<strong>de</strong>rung – die Abkehr<br />
vom rei<strong>ne</strong>n Papiergeldsystem <strong>und</strong> ei<strong>ne</strong> stärkere Orientierung<br />
hin zu ei<strong>ne</strong>m ge<strong>de</strong>ckten Geldsystem.<br />
Roland Klaus arbeitet als freier Journalist <strong>und</strong> Analyst in Frankfurt<br />
am Main. Für <strong>de</strong>n amerikanischen Finanzsen<strong>de</strong>r CNBC<br />
<strong>und</strong> <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Nachrichtenkanal N24 berichtete er von<br />
<strong>de</strong>r Frankfurter Börse. In sei<strong>ne</strong>m Buch „Wirtschaftliche Selbstverteidigung“<br />
entwirft er ei<strong>ne</strong> Analyse <strong>de</strong>r Schul<strong>de</strong>nkrise <strong>und</strong><br />
liefert Ratschläge, wie man sich auf die entstehen<strong>de</strong>n Risiken<br />
einstellen kann. Sie erreichen ihn unter <strong>www</strong>.wirtschaftlicheselbstverteidigung.<strong>de</strong><br />
15
Interview mit Max Otte<br />
Finanzmarktexperte<br />
„Langfristig steht IMMER ei<strong>ne</strong> Wä<strong>hrungsreform</strong> bevor“<br />
Der Finanzmarktexperte Max Otte im Interview: Wie stehen die Chancen für Inflation <strong>und</strong> Deflation? Welche <strong>ne</strong>uen Anreize braucht<br />
das etablierte Geldsystem, um besser zu funktionieren? Droht kurzfristig ei<strong>ne</strong> Wä<strong>hrungsreform</strong>?<br />
Die Sorge vor Inflation gehört bei <strong>de</strong>n Deutschen schon fast<br />
zum Genco<strong>de</strong>. Wie hoch schätzen Sie die Gefahr von nachhaltig<br />
stark steigen<strong>de</strong>n Preisen ein?<br />
Zunächst einmal muss man das Wort „Gefahr“ hinterfragen. Die<br />
aktuellen Schul<strong>de</strong>nberge kön<strong>ne</strong>n durch Wachstum <strong>und</strong> Sparen<br />
allei<strong>ne</strong> nicht abgetragen wer<strong>de</strong>n. Zu<strong>de</strong>m wirkt sich Sparen zunächst<br />
sehr <strong>ne</strong>gativ auf das Wachstum aus. Es gibt nur zwei<br />
weitere Wege, die Schul<strong>de</strong>n zu reduzieren: Schul<strong>de</strong><strong>ne</strong>rlasse<br />
bzw. geord<strong>ne</strong>te Insolvenzen <strong>und</strong> Inflation. Die Situation ist noch<br />
dieselbe wie vor drei Jahren. Die Welt balanciert auf ei<strong>ne</strong>m haarscharfen<br />
Grat zwischen Inflation <strong>und</strong> Deflation. Und in dieser Situation<br />
hoffe, ich dass wir eher Inflation als Deflation bekommen<br />
wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn die Konsequenzen ei<strong>ne</strong>r Deflation wären fürchterlich.<br />
Das wissen die Notenbanken auch. Insbeson<strong>de</strong>re die amerikanische<br />
Fed <strong>und</strong> die Bank of England fahren ei<strong>ne</strong>n inflationären<br />
Kurs. Dennoch stehen die Chancen für Inflation bestenfalls<br />
3:1 o<strong>de</strong>r 4:1. Ein signifikantes Restrisiko <strong>de</strong>r Deflation bleibt.<br />
Steht unser Geldsystem vor <strong>de</strong>m Zusammenbruch?<br />
Wer „Dieses Mal ist alles an<strong>de</strong>rs“ von Ken<strong>ne</strong>th Rogoff <strong>und</strong> Carmen<br />
Reinhart gelesen hat, das die Lehren aus vier Jahrhun<strong>de</strong>rten<br />
Finanzkrisen zieht, o<strong>de</strong>r „Schul<strong>de</strong>n – die ersten 5000 Jahre“ von<br />
David Graeber, <strong>de</strong>r weiß, dass Geldsysteme schon mehrmals mit<br />
Reset <strong>ne</strong>u gestartet wur<strong>de</strong>n. In Israel wur<strong>de</strong>n zum Beispiel alle<br />
12 Jahre alle Schul<strong>de</strong>n erlassen. Ich kann die F<strong>und</strong>amentalkritik<br />
am Geldsystem nicht teilen: wir benötigen in ei<strong>ne</strong>r komplexen, arbeitsteiligen<br />
Wirtschaft sowohl Geld als auch Zins, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Zins<br />
ist <strong>de</strong>r Anreiz zur Kapitalbildung. Problematisch wird es, wenn<br />
vor allem mit Geld Geld verdient wird. Dies ist aber weniger ei<strong>ne</strong><br />
Frage <strong>de</strong>s Geldsystems, als <strong>de</strong>r Finanzmarkt- o<strong>de</strong>r Geldregulierung<br />
<strong>und</strong> ei<strong>ne</strong>r strengen Notenbankpolitik. Auch die Einführung<br />
von 100-%-Geld, ein Vorschlag <strong>de</strong>r von Professor Peukert an<br />
<strong>de</strong>r Universität Erfurt wie<strong>de</strong>r aufgegriffen wur<strong>de</strong>, könnte helfen,<br />
ebenso wie ei<strong>ne</strong> konsequente Notenbankpolitik. Zu<strong>de</strong>m wür<strong>de</strong><br />
ei<strong>ne</strong> aktive Umverteilungspolitik, welche rei<strong>ne</strong> Finanzgeschäfte<br />
erschwert <strong>und</strong> die Investition in die Realwirtschaft erleichtert –<br />
<strong>de</strong>rzeit ist es umgekehrt – die Anreize wie<strong>de</strong>r richtig setzen.<br />
Steht uns womöglich ei<strong>ne</strong> Wä<strong>hrungsreform</strong> bevor?<br />
Langfristig steht IMMER ei<strong>ne</strong> Wä<strong>hrungsreform</strong> bevor. Die Frage<br />
ist wie langfristig. Bei <strong>de</strong>r römischen Währung dauerte es zum<br />
Beispiel 500 Jahre. Ich glaube schon, dass <strong>de</strong>r Euro in <strong>de</strong>r jetzigen<br />
Form langfristig nicht haltbar ist <strong>und</strong> dass einige Län<strong>de</strong>r<br />
ausschei<strong>de</strong>n müssen. Außer<strong>de</strong>m müssen wir durch Insolvenzen<br />
o<strong>de</strong>r Umschuldungen die Schul<strong>de</strong>n senken. Sonst bleibt nur<br />
<strong>de</strong>r Weg über Wä<strong>hrungsreform</strong> <strong>und</strong> Währungsumstellung. Für<br />
die nächsten 3-4 Jahre schließe ich diese Gefahr jedoch aus.<br />
Die Fragen stellte Helge Rehbein<br />
Max Otte ist Professor für Betriebswirtschaftslehre an <strong>de</strong>r Fachhochschule<br />
Worms, seit 2011 zusätzlich Professor für Unter<strong>ne</strong>hmensanalyse<br />
an <strong>de</strong>r Universität Graz. Otte ist zugleich als<br />
unabhängiger Kapitalanlageexperte tätig. Sein 2003 von ihm<br />
gegrün<strong>de</strong>tes Institut für Vermögensentwicklung (IFVE) vermarktet<br />
sei<strong>ne</strong> Theorien zur Vermögensentwicklung für Privatinvestoren.<br />
Der Finanzmarktexperte sagte in sei<strong>ne</strong>m 2006 erschie<strong>ne</strong><strong>ne</strong>n Bestseller<br />
„Der Crash kommt: Die <strong>ne</strong>ue Weltwirtschaftskrise <strong>und</strong> wie<br />
Sie sich darauf vorbereiten“ – <strong>de</strong>r inzwischen mit <strong>de</strong>utlich mehr als<br />
ei<strong>ne</strong>r halben Million verkauften Exemplaren in <strong>de</strong>r 19. Auflage vorliegt<br />
– die Finanzkrise <strong>de</strong>s Jahres 2008 voraus <strong>und</strong> wur<strong>de</strong> damit<br />
weit über Deutschlands Grenzen hinaus bekannt. Otte ist aufgr<strong>und</strong><br />
sei<strong>ne</strong>r pointiert zugespitzten, luzi<strong>de</strong>n Meinungsäußerungen zu aktuellen<br />
Wirtschaftsfragen gern gesehe<strong>ne</strong>r Gast in <strong>de</strong>n Medien.<br />
16
Andreas Hoose<br />
Finanzmarktexperte<br />
Ein Rückblick auf Wä<strong>hrungsreform</strong>en <strong>und</strong> Staatsbankrotte –<br />
Das Märchen vom stabilen Geld ...<br />
Sieht man sich die aktuellen Entwicklungen in unserem Finanzsystem an, <strong>und</strong> hört man sich dazu bei <strong>de</strong>n „Leuten auf <strong>de</strong>r Straße“<br />
um, dann bemerkt man immer öfter ei<strong>ne</strong> Art diffuse Verunsicherung. Immer mehr Menschen schei<strong>ne</strong>n das Gefühl zu haben, dass<br />
da „irgen<strong>de</strong>twas kommt“ – oh<strong>ne</strong> genau sagen zu kön<strong>ne</strong>n, was das sein könnte.<br />
Noch vor zwei o<strong>de</strong>r drei Jahren wur<strong>de</strong>n kritische Kommentatoren<br />
schief angesehen, wenn sie die Möglichkeit ei<strong>ne</strong>r Wä<strong>hrungsreform</strong><br />
zur Diskussion stellten. Ist es das, was uns bevorstehen<br />
könnte? Spüren die Menschen intuitiv, dass sie auch<br />
heute wie<strong>de</strong>r in ganz großem Stil betrogen wer<strong>de</strong>n? Es heißt,<br />
die Geschichte wie<strong>de</strong>rholt sich nicht, aber sie reimt sich. Gehen<br />
wir also einmal <strong>de</strong>r Frage nach, wie das alles angefangen hat:<br />
Seit Ausbruch <strong>de</strong>r Finanzkrise im Sommer 2007 wird regelmäßig<br />
das Versagen <strong>de</strong>r Märkte beklagt. Das System freier Marktkräfte<br />
sei gescheitert. So erklären es uns die Politiker mit sorgenvoller<br />
Mie<strong>ne</strong>. Die Märkte müssten <strong>de</strong>shalb an die Kette gelegt <strong>und</strong> reguliert<br />
wer<strong>de</strong>n, dabei müsse man mit harter Hand durchgreifen...<br />
Was Medien <strong>und</strong> Politik verschweigen: Es gibt überhaupt kei<strong>ne</strong><br />
freien Märkte. Wäre <strong>de</strong>m nicht so, gäbe es viele <strong>de</strong>r heutigen<br />
Probleme überhaupt nicht: Weite Teile <strong>de</strong>s Bankensektors wären<br />
längst pleite <strong>und</strong> abgewickelt. Griechenland <strong>und</strong> Portugal<br />
hätten <strong>de</strong>n Euro nie bekommen...<br />
Statt<strong>de</strong>ssen wird nun das Bankensystem „gerettet“. Statt<strong>de</strong>ssen<br />
wer<strong>de</strong>n ganze Staaten auf Kosten <strong>de</strong>r Allgemeinheit vor <strong>de</strong>r<br />
Pleite bewahrt. Und die Politiker tun so, als sei dies im Interesse<br />
<strong>de</strong>s Volkes. Die Wahrheit ist: Gescheitert sind nicht die freien<br />
Märkte. Gescheitert ist ein System <strong>de</strong>r Regulierung, <strong>de</strong>r staatlichen<br />
Eingriffe <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Verflechtung von Banken, Medien <strong>und</strong><br />
Regierungen.<br />
Gescheitert ist vor allem aber ein System, in <strong>de</strong>m Schul<strong>de</strong>n,<br />
billiges Geld <strong>und</strong> ein Übermaß an Krediten zum Allheilmittel<br />
stilisiert wur<strong>de</strong>n. Doch anstatt <strong>de</strong>n Menschen die Wahrheit zu<br />
sagen <strong>und</strong> die Probleme anzugehen, wird die Entwicklung mit<br />
immer mehr billigem Geld <strong>und</strong> noch mehr Regulierung auf die<br />
Spitze getrieben.<br />
Nun könnte man an<strong>ne</strong>hmen, das alles sei in <strong>de</strong>r Geschichte ein<br />
einmaliger Vorgang. Wir Menschen <strong>ne</strong>igen ja dazu, uns selbst<br />
<strong>und</strong> unsere eige<strong>ne</strong>n Erfahrungen beson<strong>de</strong>rs wichtig zu <strong>ne</strong>hmen.<br />
Doch ein Blick in die Geschichte <strong>de</strong>s Gel<strong>de</strong>s zeigt, dass<br />
<strong>de</strong>r großangelegte Betrug an <strong>de</strong>r Allgemeinheit ei<strong>ne</strong> lange Tradition<br />
hat.<br />
Geld <strong>und</strong> Betrug: Zwei Seiten ei<strong>ne</strong>r Medaille<br />
Schon im antiken Rom begann ei<strong>ne</strong> Entwicklung, die sich wie<br />
ein roter Fa<strong>de</strong>n durch die Geschichte zieht: Bis heute lassen die<br />
regieren<strong>de</strong>n Klassen nichts unversucht, um die Bevölkerung mit<br />
<strong>de</strong>m jeweils umlaufen<strong>de</strong>n Geld zu betrügen. Das Gr<strong>und</strong>prinzip<br />
ist <strong>de</strong>nkbar einfach: Durch schleichen<strong>de</strong> Münzverschlechterungen,<br />
ei<strong>ne</strong>r Frühform <strong>de</strong>r Inflation, bei <strong>de</strong>r die römischen Kaiser<br />
<strong>de</strong>n Gold- o<strong>de</strong>r Silbergehalt <strong>de</strong>r umlaufen<strong>de</strong>n Münzen heimlich<br />
verringerten, sank <strong>de</strong>r Wert <strong>de</strong>s Gel<strong>de</strong>s unaufhaltsam. Mit <strong>de</strong>r<br />
Einführung <strong>de</strong>s Papiergel<strong>de</strong>s sollte dieses System sehr viel später<br />
zur Perfektion entwickelt wer<strong>de</strong>n.<br />
Was ist <strong>de</strong>r Gr<strong>und</strong> für dieses Vorgehen? Und warum wer<strong>de</strong>n die<br />
Menschen betrogen, wenn <strong>de</strong>r Wert <strong>de</strong>s Gel<strong>de</strong>s immer weiter<br />
sinkt? Ursache <strong>de</strong>s staatlichen Betruges an <strong>de</strong>r eige<strong>ne</strong>n Bevölkerung<br />
ist die Tatsache, dass <strong>de</strong>r Kapitalhunger von Regierungen<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich u<strong>ne</strong>rschöpflich ist. Zu Zeiten <strong>de</strong>r römischen<br />
17
Regenten, die mit <strong>de</strong>m Geldbetrug ihren aufwendigen Lebenswan<strong>de</strong>l<br />
<strong>und</strong> kostspielige Feldzüge finanzierten, war das nicht<br />
an<strong>de</strong>rs als im Zeitalter von „Rettungspaketen“ für wanken<strong>de</strong><br />
Volkswirtschaften <strong>de</strong>r Euro-Zo<strong>ne</strong>. Die Grün<strong>de</strong>, warum Regierungen<br />
die eige<strong>ne</strong> Bevölkerung über ei<strong>ne</strong> Abwertung <strong>de</strong>s Gel<strong>de</strong>s<br />
betrügen, sind vielfältig <strong>und</strong> variieren im geschichtlichen Ablauf.<br />
Das Ergebnis ist jedoch immer das Gleiche: Am En<strong>de</strong> zahlen die<br />
Bürger die Zeche für Schul<strong>de</strong>nwahnsinn, Misswirtschaft <strong>und</strong><br />
Kriegstreiberei.<br />
Geld, <strong>und</strong> das wird ger<strong>ne</strong> vergessen, ist im ursprünglichen Sin<strong>ne</strong><br />
ja kein Geschöpf <strong>de</strong>s Staates, es ist vielmehr ein Produkt <strong>de</strong>s<br />
wirtschaftlichen Warenverkehrs: Geld ist <strong>de</strong>r aus ei<strong>ne</strong>r Leistung<br />
entstan<strong>de</strong><strong>ne</strong> Rechtsanspruch auf ei<strong>ne</strong> gleichwertige Gegenleistung.<br />
Und genau an dieser Stelle setzt das an, was wir heute<br />
Inflation <strong>ne</strong>n<strong>ne</strong>n. Der betrügerische Trick, <strong>de</strong>n die Regierungen<br />
seit Jahrhun<strong>de</strong>rten anwen<strong>de</strong>n, liegt darin, dass <strong>de</strong>r Maßstab<br />
Ware gegen Geld heimlich verän<strong>de</strong>rt wird:<br />
Die Menschen erhalten nur noch halb so viel reale Gegenleistung<br />
für ihre Arbeit, wenn <strong>de</strong>r Wert <strong>de</strong>s Gel<strong>de</strong>s heimlich um die<br />
Hälfte gesenkt wird. Erst allmählich spricht sich herum, dass<br />
das Geld weniger Kaufkraft besitzt. Deshalb steigen die Preise<br />
für reale Güter <strong>und</strong> <strong>de</strong>shalb verlangen die Menschen irgendwann<br />
doppelt so viel Geld für ihre Arbeit. Doch die Regierung hat<br />
<strong>de</strong>n Wert <strong>de</strong>s Gel<strong>de</strong>s schon wie<strong>de</strong>r unbemerkt gesenkt - <strong>und</strong> die<br />
Bürger wer<strong>de</strong>n er<strong>ne</strong>ut betrogen...<br />
Gel<strong>de</strong>ntwertung, <strong>und</strong> das ist für das historische Verständnis<br />
wichtig, hat immer nur ei<strong>ne</strong> Ursache: Ei<strong>ne</strong> willkürliche, künstliche<br />
Vermehrung <strong>de</strong>r umlaufen<strong>de</strong>n Geldmenge. Und sie hat<br />
immer nur ei<strong>ne</strong> Auswirkung: Die Kaufkraft <strong>de</strong>s Gel<strong>de</strong>s geht<br />
verloren, was zu ei<strong>ne</strong>m scheinbaren Anstieg <strong>de</strong>r Preise führt.<br />
Scheinbar <strong>de</strong>shalb, weil in Wahrheit ja nicht die Preise steigen,<br />
son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Wert <strong>de</strong>s Gel<strong>de</strong>s verfällt. Inflation ist <strong>de</strong>shalb ei<strong>ne</strong><br />
indirekte Steuer <strong>de</strong>s Staates <strong>und</strong> ei<strong>ne</strong> unbemerkte, weil meist<br />
schleichen<strong>de</strong> Konfiszierung <strong>de</strong>s Vermögens <strong>de</strong>r arbeiten<strong>de</strong>n<br />
<strong>und</strong> sparen<strong>de</strong>n Bürger.<br />
Auf diese Weise war schon im alten Rom <strong>de</strong>r Silbergehalt <strong>de</strong>s<br />
sei<strong>ne</strong>rzeit gängigen Denar in<strong>ne</strong>rhalb weniger Jahrhun<strong>de</strong>rte<br />
von 100 auf etwa fünf Prozent gesunken. Ganz ähnlich verhält<br />
es sich heute mit unserem Papiergeld, etwa <strong>de</strong>m US-Dollar<br />
o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Euro: Die reale Kaufkraft sinkt kontinuierlich, aber<br />
auch dies geschieht so langsam, dass es kaum jeman<strong>de</strong>m<br />
auffällt. Am En<strong>de</strong> dieses Prozesses stehen oftmals Wä<strong>hrungsreform</strong>en<br />
<strong>und</strong> Staatsbankrotte. Doch auch das ist überhaupt<br />
nichts Neues:<br />
Die erste Wä<strong>hrungsreform</strong>...<br />
Schon lange vor <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s alten Römischen Reiches war<br />
das Vertrauen in das römische Geld durch die kontinuierliche<br />
Abwertung <strong>de</strong>rart zerstört, dass nur noch ei<strong>ne</strong> Wä<strong>hrungsreform</strong><br />
helfen konnte. Im Jahr 309 führte Kaiser Constantin <strong>de</strong>n „Aureus<br />
Solidus“ ein. Dieser trug an<strong>de</strong>rs als sein Vorgänger <strong>de</strong>n lateinischen<br />
Zusatz „fest, zuverlässig, soli<strong>de</strong>“. Auch dies erin<strong>ne</strong>rt an<br />
<strong>ne</strong>uzeitliche Gepflogenheiten: Mit <strong>de</strong>r <strong>ne</strong>uen Bezeichnung sollte<br />
gleichzeitig ei<strong>ne</strong> Wen<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r katastrophalen Geldpolitik <strong>de</strong>r römischen<br />
Kaiser signalisiert wer<strong>de</strong>n.<br />
Ab <strong>de</strong>m Jahr 324 wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r „Aureus Solidus“ zur Standardgoldmünze<br />
im gesamten Römischen Reich. Geän<strong>de</strong>rt hatte sich dadurch<br />
freilich nichts, <strong>und</strong> von ei<strong>ne</strong>r soli<strong>de</strong>n Geldpolitik konnte<br />
schon gar kei<strong>ne</strong> Re<strong>de</strong> sein: Historiker gehen heute davon aus,<br />
dass die fortgesetzte Verschlechterung <strong>de</strong>s Gel<strong>de</strong>s ei<strong>ne</strong>r <strong>de</strong>r<br />
wichtigsten Grün<strong>de</strong> für <strong>de</strong>n Untergang <strong>de</strong>s antiken Römischen<br />
Reiches im 7. Jahrhun<strong>de</strong>rt war.<br />
Die erste Wä<strong>hrungsreform</strong> im alten Rom brachte <strong>de</strong>n Menschen<br />
<strong>ne</strong>ues Geld: Der „Aureus Solidus“ sollte beson<strong>de</strong>rs soli<strong>de</strong> sein.<br />
Lei<strong>de</strong>r war das ein Märchen, wie so vieles in <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>s<br />
Gel<strong>de</strong>s...<br />
Vom frühen Mittelalter unter <strong>de</strong>r Regentschaft Karls <strong>de</strong>s Großen<br />
bis zu Beginn <strong>de</strong>s 18. Jahrhun<strong>de</strong>rts wur<strong>de</strong>n die Menschen<br />
in Europa auf diese o<strong>de</strong>r ähnliche Weise immer wie<strong>de</strong>r um ihre<br />
Ersparnisse gebracht: Nach<strong>de</strong>m die Regierungen anfangs<br />
noch <strong>de</strong>n E<strong>de</strong>lmetallgehalt <strong>de</strong>r Münzen mühsam verringert<br />
hatten, etwa, in<strong>de</strong>m an <strong>de</strong>n Rän<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Münzen ein wenig<br />
Metall abgetragen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Silbermünzen Kupfer beigemischt<br />
wur<strong>de</strong>, ging man später dazu über, die Münzen einfach einzuziehen<br />
<strong>und</strong> für ungültig zu erklären. Die Münzen kamen „in<br />
Verruf“, wie man das nannte. Um die Staatskasse aufzufüllen,<br />
wur<strong>de</strong>n solche als „Münzreform“ bezeich<strong>ne</strong>ten Wä<strong>hrungsreform</strong>en<br />
zur damaligen Zeit mitunter mehrmals im Jahr durchgeführt.<br />
18
Die erste Hyperinflation...<br />
Das Papiergeld war noch gar nicht erdacht, da erlebten Teile<br />
<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Bevölkerung ei<strong>ne</strong>n ersten Vorgeschmack auf<br />
kommen<strong>de</strong> Entwicklungen: In <strong>de</strong>n Jahren von 1457 bis 1460<br />
kam es zur ersten großen mo<strong>ne</strong>tär bedingten Inflation <strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>utschen Geldgeschichte. Aufgr<strong>und</strong> notorisch leerer Kassen<br />
<strong>und</strong> weil Silber knapp gewor<strong>de</strong>n war, wur<strong>de</strong>n in Österreich <strong>und</strong><br />
Bayern min<strong>de</strong>rwertige, also stark kupferhaltige Pfennige in<br />
größeren Stückzahlen geprägt. Bis in das Jahr 1458 war <strong>de</strong>r<br />
Wertverlust dieser Pfennige noch im Rahmen geblieben, abzulesen<br />
an <strong>de</strong>r Kursentwicklung zum ungarischen Goldgul<strong>de</strong>n:<br />
Um 1455 kostete <strong>de</strong>r Goldgul<strong>de</strong>n 240 Pfennige, En<strong>de</strong> 1458<br />
waren es 300 Pfennige. Aber schon an<strong>de</strong>rthalb Jahre später<br />
erreichte die Gel<strong>de</strong>ntwertung dramatische Ausmaße: Am 17.<br />
April 1460 mussten 3.686 Pfennige für ei<strong>ne</strong>n Goldgul<strong>de</strong>n getauscht<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Die Gel<strong>de</strong>ntwertung hatte rasante Preissteigerungen bei <strong>de</strong>n<br />
Gütern <strong>de</strong>s täglichen Bedarfs zur Folge. Brot, Salz <strong>und</strong> Mehl<br />
wur<strong>de</strong>n für viele Bürger unbezahlbar. Es kam zu Hungersnöten<br />
<strong>und</strong> Aufstän<strong>de</strong>n. Für die Menschen war das ei<strong>ne</strong> völlig <strong>ne</strong>ue <strong>und</strong><br />
schockieren<strong>de</strong> Erfahrung. Bislang waren Preisanstiege allenfalls<br />
durch Missernten o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re nicht-mo<strong>ne</strong>täre Ereignisse<br />
ausgelöst wor<strong>de</strong>n. Jetzt aber war die praktisch täglich spürbare<br />
Münzverschlechterung verantwortlich für die immensen Preissteigerungen.<br />
Schließlich wollte niemand mehr die kupfer<strong>ne</strong>n<br />
Pfennige an<strong>ne</strong>hmen, <strong>de</strong>r Han<strong>de</strong>l stockte, weite Teile <strong>de</strong>r Bevölkerung<br />
verarmten.<br />
Geld – ganz oh<strong>ne</strong> Wert!<br />
Mit <strong>de</strong>m Papiergel<strong>de</strong>xperiment <strong>de</strong>s Schotten John Law in Frankreich<br />
wur<strong>de</strong> das Kapitel <strong>de</strong>r mühsamen Münzverschlechterung<br />
zu <strong>de</strong>n Akten gelegt. „Geld muss nicht aus Gold sein“, sagte Jon<br />
Law. Man kann dafür genauso gut Papier verwen<strong>de</strong>n. Und weil<br />
sich diese unglaubliche I<strong>de</strong>e wie ein Lauffeuer über die ganze<br />
Welt verbreitete, kann man sagen, dass <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>r<strong>ne</strong> Kapitalismus,<br />
dass die Finanzkrise <strong>und</strong> die Rettungspakete für <strong>de</strong>n Euro<br />
an je<strong>ne</strong>m 21. April 1671 ihren Ursprung haben, an <strong>de</strong>m John<br />
Law auf die Welt kam.<br />
Bei sei<strong>ne</strong>m Vater, ei<strong>ne</strong>m Goldschmied, hatte <strong>de</strong>r klei<strong>ne</strong> John<br />
seltsame Dinge beobachtet: Wenn ein Kun<strong>de</strong> knapp bei Kas-<br />
se war, dann half <strong>de</strong>r Vater manchmal mit ein paar Pf<strong>und</strong> aus.<br />
Doch was passierte plötzlich? Das, was wir heute ei<strong>ne</strong>n Kredit<br />
<strong>ne</strong>n<strong>ne</strong>n, ermöglichte es <strong>de</strong>m Kun<strong>de</strong>n sei<strong>ne</strong>rseits Waren zu<br />
kaufen, obwohl er selbst gar kein Geld hatte. Das besaß er erst,<br />
wenn er sei<strong>ne</strong> Waren mit Gewinn weiterverkauft hatte. Davon<br />
beglich er die Schul<strong>de</strong>n bei Johns Vater, <strong>de</strong>r dafür <strong>de</strong>n Zins kassierte.<br />
Ei<strong>ne</strong>n Teil <strong>de</strong>s Gewinns behielt <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong> für sich selbst,<br />
hatte plötzlich also Geld...<br />
Das ist es! Ein Kredit, das hat Law sofort begriffen, lässt Wohlstand<br />
dort entstehen, wo vorher überhaupt nichts ist. Und je<br />
mehr Kredit gegeben wird, <strong>de</strong>sto größer wird <strong>de</strong>r daraus entstehen<strong>de</strong><br />
Wohlstand. Im Jahr 1705, Law ist 34 Jahre alt, entwirft<br />
er daraus ei<strong>ne</strong>n revolutionären Plan für ei<strong>ne</strong> <strong>ne</strong>ue Wirtschaftsordnung,<br />
<strong>de</strong>r sich in ei<strong>ne</strong>m Satz zusammenfassen lässt: Papier<br />
soll zu Geld wer<strong>de</strong>n, <strong>und</strong> ei<strong>ne</strong> staatliche Bank soll die Schei<strong>ne</strong><br />
dafür drucken!<br />
Die französische Regierung, die wegen <strong>de</strong>r zerrütteten Staatsfinanzen<br />
mit <strong>de</strong>m Rücken zur Wand steht, wagt das Experiment.<br />
Das Vorhaben scheitert vor allem daran, dass ganz ähnlich wie<br />
bei späteren Gelegenheiten viel zu viel Geld in Umlauf gebracht<br />
wird. Am En<strong>de</strong> ist nicht nur <strong>de</strong>r Staat bankrott, son<strong>de</strong>rn auch fast<br />
alle sei<strong>ne</strong> Bürger. Doch schon bald sollte die I<strong>de</strong>e wie<strong>de</strong>r aufgegriffen<br />
wer<strong>de</strong>n: Der Gedanke, Geld aus Papier zu erschaffen<br />
war so verlockend, dass die Regierungen bis heute an <strong>de</strong>m System<br />
festhalten. Künftig sollte allerdings ein Fe<strong>de</strong>rstrich genügen,<br />
um Papiergeld in beliebiger Menge herzustellen...<br />
Ein klei<strong>ne</strong>s Hin<strong>de</strong>rnis war auf <strong>de</strong>m Weg dorthin allerdings noch<br />
zu beseitigen: Das Gold als stabilisieren<strong>de</strong>r Anker ei<strong>ne</strong>r ungebremsten<br />
staatlichen Schul<strong>de</strong>n- <strong>und</strong> Enteignungspolitik. In <strong>de</strong>r<br />
letzten Phase <strong>de</strong>s staatlichen Geldbetruges fiel auch diese Hür<strong>de</strong>.<br />
Weil die ungezügelte Ausweitung <strong>de</strong>r Geldmenge <strong>und</strong> die<br />
Enteignung <strong>de</strong>r Bürger über Inflation staatlich gewollt sind, wur<strong>de</strong><br />
im Jahr 1971 die Deckung <strong>de</strong>s Gel<strong>de</strong>s durch Gold endgültig<br />
abgeschafft. Seither ist nicht mehr das Gold <strong>de</strong>r Maßstab für<br />
„soli<strong>de</strong>s Geld“, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r US-Dollar.<br />
Damit haben wir heute ei<strong>ne</strong>n Punkt erreicht, an <strong>de</strong>m Geld nur<br />
noch ei<strong>ne</strong>n „Wert“ hat, solange die Bürger darauf vertrauen,<br />
dass <strong>de</strong>r Staat die „Gültigkeit“ sei<strong>ne</strong>s „gesetzlichen Zahlungsmittels“<br />
sicherstellt. Doch wie wir gesehen haben, hat <strong>de</strong>r Staat<br />
genau daran überhaupt kein Interesse. Ei<strong>ne</strong> soli<strong>de</strong> staatliche<br />
19
Geldpolitik ist sozusagen kontraproduktiv, weil sie <strong>de</strong>m staatlichen<br />
Zugriff auf das Vermögen <strong>de</strong>r Bürger entgegensteht.<br />
Fassen wir also zusammen:<br />
In <strong>de</strong>r ersten Phase <strong>de</strong>s staatlichen Geldbetrugs wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />
Wert <strong>de</strong>r umlaufen<strong>de</strong>n Münzen immer weiter verringert. Dies<br />
geschah durch Absenkung <strong>de</strong>s E<strong>de</strong>lmetall-Gehalts o<strong>de</strong>r in<strong>de</strong>m<br />
die Münzen vollständig für wertlos erklärt wur<strong>de</strong>n.<br />
Mit <strong>de</strong>r Erfindung <strong>de</strong>s Papiergel<strong>de</strong>s im 18. Jahrhun<strong>de</strong>rt wur<strong>de</strong><br />
die zweite Phase <strong>de</strong>s staatlichen Geldbetrugs eingeleitet: Der<br />
Staat sorgte jetzt dafür, dass mehr Kredit ausgegeben wur<strong>de</strong><br />
als Gold vorhan<strong>de</strong>n war. Viel mehr. Auf diese Weise wur<strong>de</strong>n<br />
später die bei<strong>de</strong>n Weltkriege finanziert.<br />
Schließlich wur<strong>de</strong> die Bindung <strong>de</strong>s Gel<strong>de</strong>s an das Gold vollständig<br />
aufgegeben. Dem staatlichen Geldbetrug an <strong>de</strong>r Allgemeinheit<br />
sind jetzt kei<strong>ne</strong> Grenzen mehr gesetzt. Natürlich hat<br />
die Häufigkeit von Wä<strong>hrungsreform</strong>en <strong>und</strong> Staatsbankrotten<br />
seither weltweit stark zugenommen. Beson<strong>de</strong>rs gravierend<br />
wirkten sich dabei jeweils starke Erhöhungen <strong>de</strong>r Geldmenge<br />
aus, weil sich die Wirtschaft auf diese starken Geldmengenausweitungen<br />
nicht mehr wie in früheren Jahrhun<strong>de</strong>rten langsam<br />
anpassen konnte.<br />
Historisch betrachtet ist <strong>de</strong>r offe<strong>ne</strong> Staatsbankrott allerdings<br />
eher die Ausnahme. Auch Wä<strong>hrungsreform</strong>en, in Wahrheit han<strong>de</strong>lt<br />
es sich dabei ja um ei<strong>ne</strong> Entschuldung <strong>de</strong>s überschul<strong>de</strong>ten<br />
Staates <strong>und</strong> ei<strong>ne</strong> Enteignung <strong>de</strong>r arbeiten<strong>de</strong>n <strong>und</strong> sparen<strong>de</strong>n<br />
Bevölkerung, sind kei<strong>ne</strong> alltäglichen Ereignisse. Das ist auch<br />
vollkommen logisch, <strong>de</strong>nn die schleichen<strong>de</strong> Enteignung über<br />
Inflation ist für die Regierungen weitaus praktischer, weil viel<br />
unauffälliger.<br />
Meist bevorzugen Regierungen <strong>de</strong>shalb <strong>de</strong>n Weg <strong>de</strong>s ver<strong>de</strong>ckten<br />
Staatsbankrotts: Durch die Münzverschlechterungen<br />
früherer Jahrhun<strong>de</strong>rte o<strong>de</strong>r das Drucken von Papiergeld<br />
heute wird das Ereignis so lange wie nur irgend möglich<br />
hinausgezögert. Das kommt Ih<strong>ne</strong>n bekannt vor? Das sollte<br />
es auch. Denn erst wenn die Geldillusion zerplatzt ist, räumen<br />
die Regierungen ein, dass sie ihren Zahlungsverpflichtungen<br />
nicht mehr nachkommen kön<strong>ne</strong>n, so etwa im Jahr 1923 in<br />
Deutschland.<br />
Ein weiteres frühes Beispiel hierfür ist China: Während <strong>de</strong>r Ming-<br />
Dynastie kam es zur Papiergeldinflation mit <strong>de</strong>m nachfolgen<strong>de</strong>m<br />
Staatsbankrott von 1425. In <strong>de</strong>n Jahren 1921 <strong>und</strong> 1939 ging China<br />
noch zweimal pleite – seither allerdings nicht mehr. Und mit<br />
ei<strong>ne</strong>r Staatspleite Chinas ist auch weiterhin nicht zu rech<strong>ne</strong>n: In<br />
kei<strong>ne</strong>m an<strong>de</strong>ren Land <strong>de</strong>r Welt wird so viel Gold angehäuft wie im<br />
Reich <strong>de</strong>r Mitte. Und Reichtum, auch das zeigt ein Blick in die Geschichtsbücher,<br />
sammelt sich dort an, wo Gold angehäuft wird.<br />
Untersucht man die Staatspleiten <strong>de</strong>r vergange<strong>ne</strong>n acht Jahrhun<strong>de</strong>rte<br />
in Großbritannien, China, Frankreich, Portugal, Spanien,<br />
Island, Griechenland, Österreich, Deutschland, <strong>de</strong>r Türkei,<br />
Russland, Afrika, Indien <strong>und</strong> Lateinamerika, dann kommt man<br />
zu erschüttern<strong>de</strong>n Ergebnissen: Seit <strong>de</strong>m ersten großen Staatsbankrott<br />
in Großbritannien im Jahr 1340 <strong>und</strong> <strong>de</strong>r ersten chi<strong>ne</strong>sischen<br />
Staatspleite im Jahr 1425 mussten diese Staaten sage<br />
<strong>und</strong> schreibe 138 Mal ihre Zahlungsunfähigkeit erklären.<br />
Spitzenreiter in Europa ist Spanien. Die Iberer haben in <strong>de</strong>n vergange<strong>ne</strong>n<br />
Jahrhun<strong>de</strong>rten 13 Staatspleiten hingelegt. Bis 1800<br />
war Spanien sechs Mal zahlungsunfähig, allein im 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />
sieben Mal. Frankreich folgt mit acht Staatspleiten zwischen<br />
1500 <strong>und</strong> 1812. Der französische Finanzminister Abbe<br />
Terray, von 1768 bis 1774 im Amt, soll <strong>de</strong>r Regierung sogar geraten<br />
haben, min<strong>de</strong>stens alle 100 Jahre <strong>de</strong>n Staatsbankrott zu<br />
erklären, um wie<strong>de</strong>r ein „Gleichgewicht“ herzustellen.<br />
Internationale Spitzenreiter sind die Län<strong>de</strong>r Lateinamerikas, die<br />
im 19. <strong>und</strong> 20. Jahrhun<strong>de</strong>rt unglaubliche 61 Staatsbankrotte<br />
anhäuften. Allein Mexiko, Argentinien <strong>und</strong> Brasilien kommen zusammen<br />
auf 22 Staatspleiten. Deutschland war übrigens „nur“<br />
fünfmal pleite: In <strong>de</strong>n Jahren 1807, 1813, 1923, 1932 <strong>und</strong> 1948.<br />
In unseren Tagen ist damit zu rech<strong>ne</strong>n, dass Staatsbankrotte<br />
etwas an<strong>de</strong>rs ablaufen wer<strong>de</strong>n als in <strong>de</strong>r Vergangenheit. Die<br />
Bestrebungen in <strong>de</strong>r Europäischen Union <strong>de</strong>uten darauf hin,<br />
dass <strong>de</strong>r Staatsbankrott heute auf ei<strong>ne</strong> internationale Ebe<strong>ne</strong> verschoben<br />
wer<strong>de</strong>n soll: Nicht mehr das einzel<strong>ne</strong> Land geht pleite,<br />
son<strong>de</strong>rn ei<strong>ne</strong> ganze Staatengemeinschaft.<br />
Es gilt <strong>de</strong>r Gr<strong>und</strong>satz: Alle Staaten haften für die Schul<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />
Gemeinschaft <strong>und</strong> kein Staat haftet für sei<strong>ne</strong> eige<strong>ne</strong>n Schul<strong>de</strong>n.<br />
In ei<strong>ne</strong>m Umfeld <strong>de</strong>r allgemei<strong>ne</strong>n Überschuldung dürfte<br />
Inflation ein noch attraktiverer „Ausweg“ sein als im Zeitalter<br />
<strong>de</strong>r Nationalstaaten.<br />
20
Fazit <strong>und</strong> Empfehlung:<br />
Wir wer<strong>de</strong>n Zeugen von historischen Ereignissen. Diesen Satz<br />
liest man <strong>de</strong>rzeit öfter. Richtig daran ist: Nie zuvor in <strong>de</strong>r Geschichte<br />
<strong>de</strong>r Menschheit gab es ein <strong>de</strong>rart umfassen<strong>de</strong>s weltweites<br />
Schul<strong>de</strong>nproblem. Die Folgen, die daraus entstehen<br />
wer<strong>de</strong>n, sind jedoch kei<strong>ne</strong>swegs historisch einzigartig, sie<br />
folgen vielmehr ei<strong>ne</strong>r langen Tradition: Wä<strong>hrungsreform</strong>en,<br />
Staatsbankrotte <strong>und</strong> ei<strong>ne</strong> mehr o<strong>de</strong>r weniger schleichen<strong>de</strong><br />
Entwertung <strong>de</strong>s Gel<strong>de</strong>s mit <strong>de</strong>m Zweck, die Staatsschul<strong>de</strong>n<br />
zu verringern, sind historisch betrachtet nicht die Ausnahme,<br />
son<strong>de</strong>rn die Regel.<br />
Am En<strong>de</strong>, <strong>und</strong> das ist bezeich<strong>ne</strong>nd in <strong>de</strong>r Geschichte, haben<br />
alle künstlich geschaffe<strong>ne</strong>n Währungen ihren Wert immer <strong>und</strong><br />
zu allen Zeiten vollständig verloren. Es gibt kei<strong>ne</strong> einzige Ausnahme.<br />
Unnötig zu erwäh<strong>ne</strong>n, dass Gold <strong>und</strong> Silber ihren Wert<br />
über die Jahrtausen<strong>de</strong> bewahrt haben. Es ist <strong>de</strong>shalb davon<br />
auszugehen, dass die bei<strong>de</strong>n E<strong>de</strong>lmetalle umso stärker wie<strong>de</strong>r<br />
in <strong>de</strong>n Fokus <strong>de</strong>r Menschen rücken wer<strong>de</strong>n, je offensichtlicher<br />
<strong>de</strong>r staatliche Geldbetrug in <strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n Jahren<br />
wer<strong>de</strong>n wird.<br />
Die Frage, ob auch gegenwärtige Ge<strong>ne</strong>ratio<strong>ne</strong>n Opfer solcher<br />
Bestrebungen wer<strong>de</strong>n, stellt sich <strong>de</strong>shalb überhaupt nicht.<br />
Ei<strong>ne</strong> schleichen<strong>de</strong> Abwertung unseres Gel<strong>de</strong>s fin<strong>de</strong>t bereits<br />
vor unseren Augen statt, <strong>und</strong> ob wir Wä<strong>hrungsreform</strong>en o<strong>de</strong>r<br />
Staatspleiten in Europa erleben wer<strong>de</strong>n, das ist nur ei<strong>ne</strong> Frage<br />
<strong>de</strong>s Zeithorizonts. Dass sie kommen wer<strong>de</strong>n, steht historisch<br />
betrachtet vollkommen außer Frage. Denn die Geschichte <strong>de</strong>s<br />
Gel<strong>de</strong>s ist die Geschichte vom Betrug an <strong>de</strong>r Bevölkerung. Zur<br />
Überraschung vieler Zeitgenossen wird das diesmal nicht an<strong>de</strong>rs<br />
sein...<br />
Auf die folgen<strong>de</strong>n Warnsignale sollten Sie <strong>de</strong>shalb ganz beson<strong>de</strong>rs<br />
achten. Mit diesen <strong>und</strong> ähnlichen Maßnahmen haben<br />
die Regierungen in <strong>de</strong>r Vergangenheit versucht, ei<strong>ne</strong>n drohen<strong>de</strong>n<br />
Staatsbankrott hinauszuzögern <strong>und</strong> zu verschleiern:<br />
1. Geld wird „nach Bedarf“ in Umlauf gebracht. Die Banken<br />
erhalten dabei ei<strong>ne</strong>n Zinsaufschlag. Seit einigen Wochen<br />
wird genau dies in <strong>de</strong>r Europäischen Union praktiziert: Im<br />
Dezember 2011 konnten die Geschäftsbanken Kapital<br />
zu niedrigsten Zinsen in beliebiger Höhe bei <strong>de</strong>r EZB ab-<br />
rufen. Dieses Geld kön<strong>ne</strong>n sie nun hochverzinslich anlegen,<br />
etwa in<strong>de</strong>m sie Staatsanleihen <strong>de</strong>r europäischen<br />
Krisenlän<strong>de</strong>r kaufen. Da weitere Schul<strong>de</strong>nschnitte wie in<br />
Griechenland von <strong>de</strong>r Politik bereits ausdrücklich ausgeschlossen<br />
wur<strong>de</strong>n, gehen die Banken dabei kei<strong>ne</strong>rlei Risiken<br />
ein. Im Zweifelsfall haftet <strong>de</strong>r Steuerzahler...<br />
2. Abwertung <strong>de</strong>r nationalen Währungen um bis zu 50 Prozent.<br />
Beispiele aus <strong>de</strong>r jüngeren Vergangenheit sind Russland<br />
(1998), Argentinien (2001), Nordkorea (2009) <strong>und</strong><br />
Ve<strong>ne</strong>zuela (2010)<br />
3. Umwandlung von Staatskrediten in langfristige Anleihen<br />
(Russland 1998)<br />
4. Einführung von staatlichen Schuldpapieren, mit <strong>de</strong><strong>ne</strong>n<br />
Staatsdie<strong>ne</strong>r entlohnt wer<strong>de</strong>n (Argentinien 2001)<br />
5. Gesetzliche Beschränkungen von Bargeldzahlungen. In<br />
<strong>de</strong>r Euro-Zo<strong>ne</strong> wird das bereits eingeführt. Vorreiter sind<br />
Krisenlän<strong>de</strong>r wie Italien, Spanien o<strong>de</strong>r Griechenland<br />
6. Umwandlung von Geldkonten in festverzinsliche Sparbücher<br />
7. Umtausch von Dollar-Konten in nationale Währungen<br />
8. Verweigerung <strong>de</strong>s Zugriffs auf Geldkonten<br />
9. Höhere Steuern <strong>und</strong> Sozialabgaben<br />
10. Verstaatlichung von Rentenansprüchen (Island, Ungarn)<br />
11. Kürzung von staatlichen Sozialleistungen <strong>und</strong> Renten<br />
(Griechenland, Spanien, Ungarn, Lettland)<br />
12. Erhöhung von Einkommen- <strong>und</strong> Mehrwertsteuer (Griechenland)<br />
13. Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst (Griechenland)<br />
14. Schließung von Schulen, Theatern <strong>und</strong> Kliniken<br />
15. Son<strong>de</strong>rsteuer auf Immobilienbesitz (Griechenland)<br />
16. Verbrauchssteuern auf Privatwagen <strong>und</strong> E<strong>ne</strong>rgie (Griechenland)<br />
Andreas Hoose ist seit vielen Jahren überzeugter Anhänger<br />
<strong>de</strong>r antizyklischen Anlagestrategie. Der gelernte Journalist <strong>und</strong><br />
studierte Ökonom ist Chefredakteur <strong>de</strong>s Antizyklischen Börsenbriefs,<br />
ei<strong>ne</strong>m Service <strong>de</strong>r BörseGo AG, <strong>und</strong> Geschäftsführer <strong>de</strong>s<br />
Antizyklischen Aktienclubs. Der Antizyklische Börsenbrief ist die<br />
einzige Publikation im <strong>de</strong>utschsprachigen Raum, die sich <strong>de</strong>m<br />
Thema Investieren aus antizyklischer Sicht widmet. Weitere<br />
Informatio<strong>ne</strong>n fin<strong>de</strong>n Sie im Inter<strong>ne</strong>t unter <strong>www</strong>.antizyklischerboersenbrief.<strong>de</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>www</strong>.antizyklischer-aktienclub.<strong>de</strong><br />
21
Daniel Kühn<br />
Finanzmarktexperte<br />
Worauf Sie im Falle ei<strong>ne</strong>r Wä<strong>hrungsreform</strong> achten müssen<br />
Zunächst soll <strong>de</strong>finiert wer<strong>de</strong>n, was wir überhaupt unter ei<strong>ne</strong>r Wä<strong>hrungsreform</strong> verstehen. Gr<strong>und</strong>sätzlich könnte man darunter<br />
alle gr<strong>und</strong>legen<strong>de</strong>n Än<strong>de</strong>rungen in ei<strong>ne</strong>m Währungssystem zusammenfassen. Die Einführung <strong>de</strong>s Euro wäre dann auch als Wä<strong>hrungsreform</strong><br />
im weiteren Sin<strong>ne</strong> zu betrachten.<br />
Im engeren Sin<strong>ne</strong> ist es sinnvoll, als konstituieren<strong>de</strong>s Element ei<strong>ne</strong>n<br />
durch die Wä<strong>hrungsreform</strong> bedingten Vermögensverlust einzubeziehen<br />
(zu historischen Beispielen lesen Sie bitte <strong>de</strong>n Artikel<br />
von Andreas Hoose auf Seite 17).<br />
Vermögensverluste durch Wä<strong>hrungsreform</strong>en entstehen z.B.,<br />
wenn Bestandsgrößen <strong>und</strong> Stromgrößen unterschiedlich umgestellt<br />
wer<strong>de</strong>n. Stellen Sie sich vor, die DM wür<strong>de</strong> wie<strong>de</strong>r eingeführt.<br />
Die Regierung legt fest:<br />
• Löh<strong>ne</strong>, Renten, Mieten, etc. wer<strong>de</strong>n im Verhältnis 1:1 von Euro in<br />
DM umgestellt.<br />
• Bankguthaben <strong>und</strong> Schul<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n im Verhältnis 2:1 von<br />
Euro in DM umgestellt<br />
• Bargeld wird bis 5.000 EUR pro Person im Verhältnis 1:1, darüber<br />
hinaus im Verhältnis 2:1 von Euro in DM umgestellt<br />
In ei<strong>ne</strong>m solchen Fall wür<strong>de</strong>n Sie also die Hälfte <strong>de</strong>s Konto-Guthabens<br />
einbüßen, sowie die Hälfte <strong>de</strong>s über 5.000 EUR hinausgehen<strong>de</strong>n<br />
Cashbestan<strong>de</strong>s. Entschei<strong>de</strong>nd ist hier nicht die Umstellung<br />
2:1 isoliert betrachtet, son<strong>de</strong>rn ins Verhältnis gesetzt zur<br />
Stromgrößenän<strong>de</strong>rung. Wür<strong>de</strong>n bei<strong>de</strong> Größen 2:1 umgestellt, so<br />
wür<strong>de</strong>n wir im engeren Sin<strong>ne</strong> nicht von ei<strong>ne</strong>r Wä<strong>hrungsreform</strong><br />
sprechen. Es wäre lediglich ei<strong>ne</strong> Umstellung. In diesem Zusammenhang<br />
ist es übrigens belustigend in Inter<strong>ne</strong>tforen zu lesen,<br />
die darüber räsonieren, in welchem Verhältnis im Falle ei<strong>ne</strong>r<br />
Wie<strong>de</strong>reinführung <strong>de</strong>r DM getauscht wür<strong>de</strong>. Insbeson<strong>de</strong>re macht<br />
es gar kei<strong>ne</strong>n Sinn, mit <strong>de</strong>m alten Umtauschverhältnis 1,95:1 zu<br />
vergleichen. Ei<strong>ne</strong> „<strong>ne</strong>ue DM“ hätte mit <strong>de</strong>r alten nichts zu tun. Das<br />
Umtauschverhältnis isoliert betrachtet ist gar nicht aussagekräftig,<br />
es kommt einzig darauf an, ob <strong>und</strong> wie verschie<strong>de</strong><strong>ne</strong> Größen<br />
unterschiedlich umgestellt wer<strong>de</strong>n.<br />
Doch wie sieht‘s eigentlich mit Schul<strong>de</strong>n aus? Zunächst ist ei<strong>ne</strong><br />
Wä<strong>hrungsreform</strong> mit ei<strong>ne</strong>m „Währungsschnitt“ gut für Schuld<strong>ne</strong>r.<br />
Stellen Sie sich z.B. vor, Sie haben ein Haus finanziert – <strong>und</strong> dann<br />
fällt die Hälfte <strong>de</strong>r Schul<strong>de</strong>n weg, während Ihr Einkommen stabil<br />
bleibt (siehe oben). Klingt wie ei<strong>ne</strong> fei<strong>ne</strong> Sache. Die Geschichte<br />
hat aber gezeigt, dass solche „Kriegsgewinnler“ dann trotz<strong>de</strong>m<br />
bluten müssen, z.B. über ei<strong>ne</strong>n „Lastenausgleich“. Denkbar wären<br />
auch Vermögensabgaben. Dennoch stellt man sich als Schuld<strong>ne</strong>r<br />
wohl besser <strong>de</strong>nn als Gläubiger. Das wird auch <strong>de</strong>r Staat so<br />
sehen, <strong>de</strong>r sich im Rahmen ei<strong>ne</strong>r echten Wä<strong>hrungsreform</strong> wohl<br />
gleich von ei<strong>ne</strong>m Teil sei<strong>ne</strong>r Staatsschul<strong>de</strong>n verabschie<strong>de</strong>n wird.<br />
Vermögensverluste kön<strong>ne</strong>n aber auch bei Wä<strong>hrungsreform</strong>en im<br />
weiteren Sin<strong>ne</strong> entstehen, also dann wenn es lediglich zu für alle<br />
Geldgrößen i<strong>de</strong>ntischen Umstellungen kommt. Nämlich dann,<br />
wenn die <strong>ne</strong>ue Währung „schwächer“ ist als die alte. Das ist etwas,<br />
das z.B. Griechenland blühen wür<strong>de</strong>, Portugal o<strong>de</strong>r auch Italien.<br />
Deutschland dagegen wäre bei dieser Variante zunächst ein<br />
Gewin<strong>ne</strong>r, ebenso wie die Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r Finnland.<br />
Was ist nun die richtige Strategie, wenn man mit ei<strong>ne</strong>r echten<br />
Wä<strong>hrungsreform</strong> rech<strong>ne</strong>t, also ei<strong>ne</strong>m Währungsschnitt, <strong>de</strong>r <strong>de</strong><br />
facto zu ei<strong>ne</strong>r Teilenteignung führt? Wir haben schon festgestellt:<br />
Cash ist schlecht, Kontoguthaben sind schlecht, Staatsanleihen<br />
sind wohl auch nicht erste Wahl. Besser fährt man, schon angesichts<br />
<strong>de</strong>r sehr niedrigen Zinsen, mit ei<strong>ne</strong>r selbstgenutzten (!)<br />
Immobilie. Allerdings im Hinterkopf behalten: Alles, was irgendwo<br />
registriert ist, ist letztlich auch <strong>de</strong>m gierigen Griff <strong>de</strong>s Staates ausgesetzt.<br />
Der fast schon obligatorische Rat muss dann letztlich lauten,<br />
auch wenn es langweilig klingt: Gold <strong>und</strong> Silber lieb ich sehr,<br />
kann’s auch gut gebrauchen…<br />
Ei<strong>ne</strong> abschließen<strong>de</strong> Bemerkung noch: Auch wenn ei<strong>ne</strong> Wä<strong>hrungsreform</strong>,<br />
in welcher Form auch immer, noch in weiter Fer<strong>ne</strong><br />
liegen mag – mit ei<strong>ne</strong>r Än<strong>de</strong>rung wer<strong>de</strong>n Sie sich in nicht allzu fer<strong>ne</strong>r<br />
Zukunft arrangieren müssen: Der Abschaffung <strong>de</strong>s Bargel<strong>de</strong>s.<br />
In 10-20 Jahren wird es kei<strong>ne</strong> Münzen <strong>und</strong> Schei<strong>ne</strong> mehr geben.<br />
Geld wird vollelektronisch. Sie zahlen dann nur noch per Handy,<br />
Chips o<strong>de</strong>r Karten. Aus politischer Sicht sind die Argumente dafür<br />
so vielfältig wie scheinbar überzeugend: Drastische Erschwerung<br />
von Schwarzarbeit, kei<strong>ne</strong> Geldfälschung mehr möglich, <strong>und</strong> nicht<br />
zuletzt wird ein gewöhnlicher Bankenrun unmöglich. Und ganz<br />
<strong>ne</strong>benbei wird dann wirklich je<strong>de</strong> Transaktion nachvollziehbar.<br />
Schö<strong>ne</strong> <strong>ne</strong>ue Welt.<br />
Autor: Daniel Kühn<br />
22
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Ei<strong>ne</strong> Finanzkatastrophe scheint bevorzustehen. Meldungen,<br />
dass Staaten in ihrer Kreditwürdigkeit herabgestuft wer<strong>de</strong>n,<br />
sind mittlerweile an <strong>de</strong>r Tagesordnung.<br />
Mehrere EU-Staaten, darunter Griechenland, wur<strong>de</strong>n auf<br />
„Ramschniveau“ abgewertet, müssen also höhere Zinsen auf<br />
ihre Kredite zahlen. In<strong>ne</strong>rhalb <strong>de</strong>r EU sind längst nicht mehr<br />
„nur“ die PIIGS-Staaten betroffen. Auch Frankreich hat sei<strong>ne</strong><br />
Bestnote verloren. Es scheint nicht mehr lange zu dauern, bis<br />
auch die BRD an die Reihe kommt, die sich erst kürzlich mit<br />
<strong>de</strong>n höchsten Steuereinnahmen aller Zeiten gefeiert hat.<br />
Die Finanz-Lage in Europa spitzt sich immer mehr zu. Staaten<br />
müssen rekordverdächtige Zinsen zahlen, um sich überhaupt<br />
Geld leihen zu kön<strong>ne</strong>n. Doch wer glaubt eigentlich noch an<br />
<strong>de</strong>ssen Rückzahlung? Der EZB wird wohl nichts an<strong>de</strong>res übrig<br />
bleiben, als weiterhin Staatsanleihen selbst zu „schlucken“.<br />
Ausgang ungewiss. Denn unweigerlich stellt sich die Frage:<br />
Kön<strong>ne</strong>n mit Wein, Spaghetti <strong>und</strong> Oliven Milliar<strong>de</strong>n Euro plus steigen<strong>de</strong><br />
Zinsen zurückgezahlt wer<strong>de</strong>n? Ein Fass oh<strong>ne</strong> Bo<strong>de</strong>n…<br />
Beispiel Italien: Dort laufen Inter<strong>ne</strong>tquellen zufolge in 2012<br />
Staatsanleihen im „Wert“ von r<strong>und</strong> 318 Milliar<strong>de</strong>n Euro aus.<br />
„Vorsorglich“ wur<strong>de</strong> die Kreditwürdigkeit <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s im Januar<br />
um zwei Stufen herabgesetzt.<br />
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Während <strong>de</strong>s Kongresses kön<strong>ne</strong>n<br />
Sie E<strong>de</strong>lmetallmünzen erwerben<br />
Dazu kommt: Das Überschuldungs-Problem besteht weltweit.<br />
Auch Amerika musste im vergange<strong>ne</strong>n Jahr sei<strong>ne</strong> Topbonität<br />
abgeben. Ei<strong>ne</strong> WELTWÄHRUNGSREFORM wird unausweichlich.<br />
Die logische Konsequenz wird wohl die Vernichtung Ihrer<br />
Guthaben sein! Richtig, es ist leichter, solche Prognosen als<br />
Schwarzmalerei abzutun, als sich ernsthaft mit <strong>de</strong>n Fakten<br />
auseinan<strong>de</strong>rzusetzen. Doch was Ih<strong>ne</strong>n am En<strong>de</strong> von legendären<br />
Versprechungen unserer Politiker wie beispielsweise<br />
Blüms Aussage „Die Renten ist sicher“ bleibt, erleben Sie bereits.<br />
Ob Sie auf Merkels „Die Einlagen sind sicher“ vertrauen<br />
kön<strong>ne</strong>n, wer<strong>de</strong>n Sie schon bald erleben.<br />
Je mehr sich die Aussagen <strong>de</strong>r so genannten „Verschwörungstheoretiker“<br />
bewahrheiten, <strong>de</strong>sto weniger schei<strong>ne</strong>n die<br />
Anleger diesen Politiker-Versprechungen zu trauen. Viele haben<br />
die rosarote Brille bereits abgenommen, flüchten aus <strong>de</strong>m<br />
23
Mit: Dr. Udo Ulfkotte, Dr. Dietmar Siebholz, Johann A. Saiger,<br />
Dr. Ulrich Schlüer, Thorsten Schulte <strong>und</strong> Prof. Dr. Hans J. Bocker<br />
JETZT SCHLÄGT‘S 13<br />
DIE WELT VOR DER WÄHRUNGSREFORM<br />
Ein Film von<br />
Sven Hermann & Sonja Hubl<br />
Papier in Sachwerte, vorzugsweise in E<strong>de</strong>lmetalle. Denn Gold<br />
<strong>und</strong> auch Silber zählen zu <strong>de</strong>n ältesten Währungen <strong>de</strong>r Welt.<br />
Ihr Vorteil: Während Papierwährungen über kurz o<strong>de</strong>r lang im<br />
Wert fallen <strong>und</strong> irgendwann gegen null gehen, ist <strong>de</strong>r Wert <strong>de</strong>s<br />
Gol<strong>de</strong>s seit Jahrtausen<strong>de</strong>n beständig geblieben. Und das wird<br />
auch diesmal <strong>de</strong>r Fall sein.<br />
Wer<strong>de</strong>n Sie Ihr eige<strong>ne</strong>r Kapitän!<br />
Sie kön<strong>ne</strong>n sich auf die Rettungsschirme <strong>und</strong> Versprechungen<br />
<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren verlassen. O<strong>de</strong>r selbst aktiv wer<strong>de</strong>n <strong>und</strong> sich ihr<br />
eige<strong>ne</strong>s Rettungsboot bauen. Dabei sind Sie nicht allein! Wir<br />
stehen Ih<strong>ne</strong>n mit unserem europaweiten Experten<strong>ne</strong>tzwerk zur<br />
Seite. Wir, unsere DVDs <strong>und</strong> unsere <strong>de</strong>utschlandweit bekannten<br />
Kongresse bieten Ih<strong>ne</strong>n unabhängige Wissensvermittlung<br />
fern <strong>de</strong>s Mainstream. Hier setzen wir uns unter an<strong>de</strong>rem intensiv<br />
mit Themen wie <strong>de</strong>r Frage nach Deflation o<strong>de</strong>r Inflation, <strong>de</strong>n<br />
Vor- <strong>und</strong> Nachteilen von Aktien, Immobilien, Metallen usw. auseinan<strong>de</strong>r<br />
<strong>und</strong> damit, auf was Sie bei Ihrer Krisenvorbereitung<br />
unbedingt achten sollten. Das ist Ihr Schlüssel zu eigenständigem<br />
Denken <strong>und</strong> Han<strong>de</strong>ln - um auch in Krisenzeiten unabhängig<br />
<strong>und</strong> selbständig richtig entschei<strong>de</strong>n zu kön<strong>ne</strong>n!<br />
Sven Hermann Consulting<br />
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24
Interview mit Hans-Wer<strong>ne</strong>r Sinn<br />
Wirtschaftswissenschaftler<br />
„Wenn <strong>de</strong>r Euro zerbricht, hat die Bun<strong>de</strong>sbank ei<strong>ne</strong><br />
500 Mrd. EUR-For<strong>de</strong>rung gegen ein System, das nicht mehr existiert“<br />
Hans-Wer<strong>ne</strong>r Sinn richtet sich gegen die Sozialisierung von Schul<strong>de</strong>n. „Je<strong>de</strong>r muss für sein eige<strong>ne</strong>s Risiko haften“, for<strong>de</strong>rt er.<br />
Herr Prof. Sinn, Europa steckt in <strong>de</strong>r Krise, die Einheitswährung<br />
scheint momentan mehr Fluch als Segen zu sein. War <strong>de</strong>r Euro<br />
ein Fehler?<br />
Wenn ich vor zehn Jahren gewusst hätte, was später passieren<br />
wird, wäre ich damals natürlich auch strikt gegen diese<br />
Währungsunion mit lauter ungeeig<strong>ne</strong>ten Südlän<strong>de</strong>rn gewesen.<br />
Das wird auch kaum ein Ökonom an<strong>de</strong>rs sehen. Lei<strong>de</strong>r wur<strong>de</strong>n<br />
vereinbarte Regeln nicht eingehalten, dazu kamen gefälschte<br />
Zahlen wie z.B. aus Griechenland, <strong>und</strong> heute haben wir <strong>de</strong>n<br />
Schlamassel.<br />
Wir müssen uns aber irgendwie arrangieren o<strong>de</strong>r? Der Euro<br />
ist doch mehr o<strong>de</strong>r weniger wie ei<strong>ne</strong> Ehe, die nicht geschie<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Wahrscheinlich wer<strong>de</strong>n wir damit leben müssen, <strong>und</strong> wir müssen<br />
versuchen die gröbsten Fehler zu beseitigen. Die Trennung<br />
<strong>de</strong>s Euro in ei<strong>ne</strong>n Nord- <strong>und</strong> ei<strong>ne</strong>n Sü<strong>de</strong>uro o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Austritt<br />
Deutschlands ist kei<strong>ne</strong> überzeugen<strong>de</strong> Option, wohl aber <strong>de</strong>r<br />
Austritt einzel<strong>ne</strong>r Südlän<strong>de</strong>r, die im Euro ihre Wettbewerbsfähigkeit<br />
nicht erlangen kön<strong>ne</strong>n.<br />
Was sind die gröbsten Fehler?<br />
Die Schul<strong>de</strong>nsozialisierung ist das größte Problem, <strong>und</strong> sie<br />
fin<strong>de</strong>t auf drei Ebe<strong>ne</strong>n statt. Zum ei<strong>ne</strong>n offen, über ei<strong>ne</strong> Reihe<br />
von Rettungspaketen, an <strong>de</strong><strong>ne</strong>n die Euro-Staaten anteilig teilhaben<br />
<strong>und</strong> somit haften. Deutschland als größte <strong>und</strong> stärkste<br />
Volkswirtschaft trägt dabei das höchste Risiko. Zum an<strong>de</strong>ren<br />
läuft die Schul<strong>de</strong>nsozialisierung über die EZB, die mit eigentlich<br />
nicht ausreichen<strong>de</strong>m juristischem Mandat versehen Risiken in<br />
ihre Bücher nimmt, für die letztlich auch alle Eurolän<strong>de</strong>r gemäß<br />
ihrem Anteil haften. Deutschland z.B. ist mit 27% dabei. Und<br />
schließlich über das TARGET2-System…<br />
Die Auf<strong>de</strong>ckung <strong>de</strong>r <strong>ne</strong>gativen Implikatio<strong>ne</strong>n <strong>de</strong>s TARGET2-<br />
Mechanismus ist wohl Ihr großes Verdienst. Was genau ist<br />
TARGET2 <strong>und</strong> was ist das Problem damit?<br />
Ist die Währungsunion im Gleichgewicht, wan<strong>de</strong>rt das Geld<br />
kreuz <strong>und</strong> quer über die Grenzen, aber es gibt kei<strong>ne</strong> Nettoströme<br />
von Geld. Ein Land, das mehr Güter kauft als es verkauft,<br />
holt sich dafür <strong>de</strong>n Kredit aus <strong>de</strong>m Ausland. In Europa versiegten<br />
die privaten Kredite aber seit 2008 bei einigen Län<strong>de</strong>rn.<br />
Dadurch kam es zu Nettoabflüssen von Geld. Das Geld wur<strong>de</strong><br />
dann in <strong>de</strong>n Defizit-Län<strong>de</strong>rn nachgedruckt <strong>und</strong> bei uns, wo es<br />
im Übermaß ankam, wur<strong>de</strong> es geschred<strong>de</strong>rt, natürlich nur bildlich.<br />
Es läuft ja alles elektronisch ab. Deutschland hat in <strong>de</strong>n<br />
Jahren 2008 bis 2010 aus <strong>de</strong>m Güteraustausch mit an<strong>de</strong>ren<br />
Eurolän<strong>de</strong>rn 264 Mrd. Euro verdient, doch waren 255 Mrd. Euro<br />
davon an<strong>de</strong>rswo nachgedrucktes Geld. Dafür hat niemand<br />
in Deutschland zuvor Schuldschei<strong>ne</strong> o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Ansprüche<br />
gegen das Ausland erhalten. Nur die Bun<strong>de</strong>sbank erhielt ei<strong>ne</strong><br />
Ausgleichsfor<strong>de</strong>rung gegen die EZB. Diese For<strong>de</strong>rung kön<strong>ne</strong>n<br />
wir nie fällig stellen, <strong>und</strong> sie wird nur mit ei<strong>ne</strong>m Prozent verzinst.<br />
Insgesamt haben wir mittlerweile bald 500 Milliar<strong>de</strong>n solcher<br />
Auslandsfor<strong>de</strong>rungen erworben. Das ist die Hälfte <strong>de</strong>s Nettoauslandsvermögens<br />
<strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland.<br />
Und wenn <strong>de</strong>r Euro zerbrechen wür<strong>de</strong>?<br />
Dann hat die Bun<strong>de</strong>sbank ei<strong>ne</strong> For<strong>de</strong>rung gegen ein System,<br />
das es nicht mehr gibt. Dieser Fall ist nicht geregelt, <strong>und</strong> das<br />
wissen alle.<br />
25
Daraus ergibt sich Ihrer Meinung nach ein enormes Erpressungspotenzial?<br />
So ist es, <strong>und</strong> das spielt ei<strong>ne</strong> implizite Rolle in allen Verhandlungen<br />
bzgl. diverser Rettungsmaßnahmen. Deutschland könnte<br />
ja ganz offensichtlich nur unter größten Schmerzen aus <strong>de</strong>m<br />
Euro austreten, <strong>und</strong> hat nur wenige Druckmittel zur Hand. Ei<strong>ne</strong>s<br />
davon wäre, dass sich die Bun<strong>de</strong>sbank weigert, im Auftrag <strong>de</strong>r<br />
EZB Staatsanleihen zu kaufen. Sie könnte das – bisher spurt sie<br />
aber noch, <strong>de</strong>r „Wi<strong>de</strong>rstand“ ist rein verbaler Natur.<br />
Wie sollte man das TARGET2-Problem angehen?<br />
Wie in <strong>de</strong>n USA. Dort wer<strong>de</strong>n je<strong>de</strong>s Jahr im April die Sal<strong>de</strong>n zwischen<br />
<strong>de</strong>n zwölf Fed-Districts mit marktgängigen Papieren ausgeglichen.<br />
So etwas brauchen wir in Europa auch. Zum ei<strong>ne</strong>n<br />
könnten die betroffe<strong>ne</strong>n Zentralbanken, also je<strong>ne</strong> mit <strong>ne</strong>gativem<br />
Saldo, als Ausgleich bestehen<strong>de</strong> Aktiva liefern, z.B. Gold o<strong>de</strong>r<br />
goldbesicherte Wertpapiere wie in <strong>de</strong>n USA. Ich könnte mir aber<br />
auch vorstellen, pfandbesicherte Wertpapiere zu diesem Zweck<br />
zu kreieren. Als Pfand könnten entwe<strong>de</strong>r staatliche Aktiva wie<br />
Immobilien die<strong>ne</strong>n o<strong>de</strong>r auch künftige Steuereinnahmen. Es<br />
gibt genügend Möglichkeiten.<br />
Wäre Besicherung auch ein Weg für Staatsanleihen?<br />
Ja, es könnte in Zukunft zwei Kategorien von Staatsanleihen geben<br />
– besicherte mit relativ niedrigem Zins, <strong>und</strong> riskantere unbesicherte<br />
mit höherer Rendite. Das macht aber nur Sinn, wenn<br />
die Investoren auch das Risiko tragen müssen.<br />
Risiko – das bringt uns zu <strong>de</strong>n Rettungspaketen. Sie sind vermutlich<br />
gegen Mechanismen wie <strong>de</strong>n ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus)?<br />
Nicht prinzipiell – aber <strong>de</strong>r ESM ist klar überdimensioniert. Je<strong>de</strong>nfalls<br />
dann, wenn man ihn als Notfallinstrument begreift, wie<br />
ich es tue. Es kann nicht Aufgabe <strong>de</strong>s ESM sein, die gesamte<br />
Staatschuld Italiens aufzu<strong>ne</strong>hmen. Dafür ist er natürlich wie<strong>de</strong>rum<br />
zu klein. Das läuft alles lei<strong>de</strong>r in die falsche Richtung.<br />
Sie leh<strong>ne</strong>n ei<strong>ne</strong> tiefergehen<strong>de</strong> Einbeziehung <strong>de</strong>r EZB in die<br />
Rettungsaktio<strong>ne</strong>n ab – vor allem, weil dadurch letztlich wie<strong>de</strong>r<br />
ei<strong>ne</strong> Schul<strong>de</strong>nsozialisierung stattfin<strong>de</strong>t.<br />
Wenn <strong>de</strong>r EZB ei<strong>ne</strong> größere Rolle zugestan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n soll, dann<br />
müssen die EU-Verträge entsprechend geän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Außer<strong>de</strong>m<br />
kann es doch nicht sein, dass Malta <strong>und</strong> Zypern im EZB-Rat<br />
das gleiche Stimmrecht haben wie Deutschland, obwohl sie zusammen<br />
nur ein Neunzigstel <strong>de</strong>r Wirtschaftskraft <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
haben. Wenn die „Machtverteilung“ in <strong>de</strong>r EZB angemessen<br />
<strong>ne</strong>u geregelt ist <strong>und</strong> qualifizierte Mehrheiten für fiskalische<br />
Maßnahmen erfor<strong>de</strong>rlich sind, kann man sicherlich auch über<br />
ei<strong>ne</strong> <strong>ne</strong>u <strong>de</strong>finierte Rolle <strong>de</strong>r EZB zumin<strong>de</strong>st nach<strong>de</strong>nken.<br />
Wenn man Sie in Talkshows erlebt, gewinnt man oft <strong>de</strong>n Eindruck,<br />
dass Ihre Gesprächspart<strong>ne</strong>r versuchen, Sie in die „ökonomisch-nationale“<br />
Ecke zu drängen. Sie sind aber ein überzeugter<br />
Europäer, o<strong>de</strong>r?<br />
Wenn <strong>de</strong>n Leuten nichts mehr einfällt, dann versuchen sie eben,<br />
ei<strong>ne</strong>m ei<strong>ne</strong>n diffamieren<strong>de</strong>n Stempel aufzudrücken. Natürlich bin<br />
ich ein überzeugter Europäer. Ich sehe als Fernziel auch durchaus<br />
die „Vereinigten Staaten von Europa“. Man muss aber die Reihenfolge<br />
einhalten. Wir sollten nicht mit <strong>de</strong>r Schul<strong>de</strong>nsozialisierung<br />
begin<strong>ne</strong>n. Und wir müssen uns auch darüber klar sein, was ei<strong>ne</strong>n<br />
Staat ausmacht. Vor allem braucht <strong>de</strong>r Staat Mittel, sein Gewaltmonopol<br />
durchzusetzen, also ei<strong>ne</strong> gemeinsame Armee, ei<strong>ne</strong><br />
Polizei <strong>und</strong> ein einheitliches Rechtssystem. Wenn wir <strong>de</strong>n europäischen<br />
Staat wollen, dann bitte richtig. Nur in ei<strong>ne</strong>m echten Staat<br />
kann es ei<strong>ne</strong>n Finanzausgleich nach <strong>de</strong>utschem Muster geben.<br />
Man kann sich nicht nur das Transfersystem herauspicken.<br />
Vereinigte Staaten von Europa – da muss aber das Volk endlich<br />
mal befragt wer<strong>de</strong>n?<br />
Unbedingt, <strong>und</strong> das hat das Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht auch<br />
klargemacht. Ein noch Mehr an politischer Einigung bedarf <strong>de</strong>r<br />
Zustimmung <strong>de</strong>s Souveräns, <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Souverän ist das Volk.<br />
Wir haben nun viel über <strong>de</strong>n Euro <strong>und</strong> die EZB gesprochen. Was<br />
<strong>de</strong>nken Sie gr<strong>und</strong>sätzlich über das bestehen<strong>de</strong> Geldsystem?<br />
Man kann natürlich darüber nach<strong>de</strong>nken, ob irgen<strong>de</strong>i<strong>ne</strong> Form<br />
von „Deckung“ <strong>de</strong>r Geldmenge sinnvoll wäre. Aber ehrlich gesagt<br />
gibt es doch gar nicht genug geeig<strong>ne</strong>te Sachwerte dafür,<br />
<strong>de</strong>nken Sie z.B. an Gold. Man müsste die Sachwerte extrem aufwerten.<br />
Ich kann eigentlich mit <strong>de</strong>m bestehen<strong>de</strong>n System gut<br />
leben, die Geldmenge lässt sich mit diszipliniertem Verhalten<br />
26
<strong>de</strong>r Zentralbanken gut steuern, ei<strong>ne</strong> Sach<strong>de</strong>ckung ist gar nicht<br />
nötig, wenn man sich an die Regeln hält. Mei<strong>ne</strong> Hauptsorge gilt,<br />
wie bereits dargelegt, eher <strong>de</strong>r Sozialisierung von Schul<strong>de</strong>n. Je<strong>de</strong>r<br />
muss für sein eige<strong>ne</strong>s Risiko haften!<br />
Zuletzt machten Euro-Skeptiker in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit Furore.<br />
Hans-Olaf Henkel will sogar ei<strong>ne</strong> <strong>ne</strong>ue Partei grün<strong>de</strong>n. Wäre<br />
ein politisches Engagement für Sie ei<strong>ne</strong> Option?<br />
Ich respektiere <strong>und</strong> schätze Herrn Henkel, auch wenn ich einige<br />
sei<strong>ne</strong>r Positio<strong>ne</strong>n nicht teile. Er ist ein aufrechter Mann. Aber<br />
auf Ihre Frage ein ganz klares Nein: Ich bin Wissenschaftler aus<br />
Überzeugung <strong>und</strong> mit viel Freu<strong>de</strong> <strong>und</strong> habe kei<strong>ne</strong>rlei politische<br />
Ambitio<strong>ne</strong>n.<br />
Letzte Frage: Sind Sie selber an <strong>de</strong>r Börse aktiv?<br />
Nein, gegen die vielen Profis, die dort unterwegs sind, hätte ich<br />
wenig Chancen.<br />
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Wir wissen´s zuerst.<br />
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Hans-Wer<strong>ne</strong>r Sinn (Jahrgang 1948) ist seit 1984 Lehrstuhlinhaber<br />
für Nationalökonomie <strong>und</strong> Finanzwissenschaft an <strong>de</strong>r<br />
Ludwig-Maximilians-Universität München. Seit 1999 Präsi<strong>de</strong>nt<br />
<strong>de</strong>s ifo-Institutes für Wirtschaftsforschung, hat er die Münch<strong>ne</strong>r<br />
Institution zu ei<strong>ne</strong>r a<strong>ne</strong>rkannten Forschungseinrichtung ausgebaut.<br />
Sinns beson<strong>de</strong>rer Forschungsschwerpunkt ist <strong>de</strong>r Themenkomplex<br />
<strong>de</strong>s längerfristigen wirtschaftlichen Wachstums.<br />
Dabei ist er ein Anhänger <strong>de</strong>s Ordoliberalismus im Sin<strong>ne</strong> von<br />
Ludwig Erhard <strong>und</strong> Walter Eucken. Sinn prägt die Meinungsbildung<br />
in Deutschland durch ei<strong>ne</strong> Vielzahl von Medienauftritten<br />
<strong>und</strong> hat mehrere Sachbuch-Bestseller zu wirtschaftspolitischen<br />
Fragen veröffentlicht, darunter „ Kasino-Kapitalismus: Wie es<br />
zur Finanzkrise kam, <strong>und</strong> was jetzt zu tun ist“, „Ist Deutschland<br />
noch zu retten?“ <strong>und</strong> – ganz aktuell – „Das grü<strong>ne</strong> Paradoxon:<br />
Plädoyer für ei<strong>ne</strong> illusionsfreie Klimapolitik“.<br />
Die Fragen stellte Daniel Kühn<br />
1.1.2020: Die Vereinigten Staaten von<br />
Europa wer<strong>de</strong>n gegrün<strong>de</strong>t.<br />
Was auch immer die Zukunft uns bringen mag -<br />
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Nachrichtenüberblick einrichten – damit Sie nur lesen, was Sie wirklich interessiert.<br />
27
Interview mit Philipp Vorndran<br />
Vermögensverwalter<br />
„Es wird weitere extrem teure Rettungsaktio<strong>ne</strong>n geben“<br />
Interview mit <strong>de</strong>m Vermögensverwalter Philipp Vorndran zum Thema europäische Schul<strong>de</strong>nkrise, Gold als Investment <strong>und</strong> ei<strong>ne</strong><br />
möglicherweise bevorstehen<strong>de</strong> Phase finanzieller Repression.<br />
Die Entscheidungsträger in<strong>ne</strong>rhalb <strong>de</strong>r EU haben beschlossen,<br />
die Haushalte <strong>de</strong>r Mitgliedstaaten künftig genauer unter die<br />
Lupe zu <strong>ne</strong>hmen <strong>und</strong> in die nationalen Haushalte hi<strong>ne</strong>in regieren<br />
zu wollen. Was halten Sie von <strong>de</strong>r Maßnahme?<br />
Die Maßnahmen gehen unserer Meinung nicht weit genug, wir<br />
brauchen endlich auch die Haftung von politischen Entscheidungsträgern.<br />
Außer<strong>de</strong>m sind die vorliegen<strong>de</strong>n Beschlüsse hoch<br />
problematisch. Hier wer<strong>de</strong>n in Teilbereichen <strong>de</strong>mokratische Spielregeln<br />
verletzt <strong>und</strong> die Akzeptanz <strong>de</strong>r EU bei <strong>de</strong>n Bürgern gefähr<strong>de</strong>t.<br />
Wir müssen uns mal klar machen, was <strong>de</strong>rzeit geschieht:<br />
Vertreter <strong>de</strong>r Zahlerstaaten for<strong>de</strong>rn gemeinsam mit EU-Technokraten<br />
von Schul<strong>de</strong>nstaaten, dass diese finanzpolitisch die Hosen<br />
herunter lassen. Das muss <strong>de</strong>n Bürgern in <strong>de</strong>n Problemlän<strong>de</strong>rn<br />
wie ei<strong>ne</strong> Fremdregierung vorkommen. Damit wer<strong>de</strong>n sie sich<br />
langfristig nicht abfin<strong>de</strong>n.<br />
Gleichzeitig zeigt uns die Entwicklung <strong>de</strong>r vergange<strong>ne</strong>n Jahre<br />
aber doch, dass ei<strong>ne</strong> effizientere Haushaltskontrolle dringend<br />
nötig ist...<br />
Das ist richtig. Man darf aber <strong>de</strong>n zweiten Schritt nicht vor <strong>de</strong>m<br />
ersten machen. Wir glauben, dass man zunächst einmal entschei<strong>de</strong>n<br />
müsste, welche Volkswirtschaften für ei<strong>ne</strong> langfristig stabile<br />
Währungsunion überhaupt infrage kommen. Maßgeblich ist dafür<br />
ei<strong>ne</strong> weitgehen<strong>de</strong> Homogenität in<strong>ne</strong>rhalb <strong>de</strong>s Währungsraumes.<br />
Ich beziehe diesen Begriff ausdrücklich nicht ausschließlich auf<br />
die Ökonomie, son<strong>de</strong>rn auch auf die Kultur <strong>de</strong>r Staatsführung <strong>und</strong><br />
die Akzeptanz bestimmter Werte <strong>und</strong> Mechanismen in <strong>de</strong>r Bevölkerung.<br />
Diese Voraussetzungen sehen wir bei einigen <strong>de</strong>r Eurostaaten<br />
<strong>de</strong>rzeit nicht erfüllt <strong>und</strong> sehen auch wenig Chancen, dass<br />
sich daran längerfristig etwas än<strong>de</strong>rn wird.<br />
Die Gr<strong>und</strong>frage ist daher: Wie muss die künftige Eurozo<strong>ne</strong> beschaffen<br />
sein, damit sie auch langfristig überleben kann <strong>und</strong> ihren<br />
Bürgern Nutzen stiftet. Wir kön<strong>ne</strong>n uns sehr gut vorstellen, dass<br />
<strong>ne</strong>ben Deutschland auch Finnland, Österreich, Luxemburg, die<br />
Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong>, Estland, Slowenien <strong>und</strong> die Slowakei <strong>und</strong> mit Abstrichen<br />
auch Belgien diese Kriterien erfüllen. Unserer Ansicht nach<br />
hat auch Irland gute Chancen, da dort Reformvorhaben mit ei<strong>ne</strong>r<br />
ganz an<strong>de</strong>ren Vehemenz umgesetzt wer<strong>de</strong>n als beispielsweise in<br />
Griechenland, Portugal o<strong>de</strong>r Italien. Auch könnte ich mir vorstellen,<br />
dass Polen <strong>und</strong> Tschechien unter solchen Bedingungen rasch<br />
<strong>de</strong>m Euro beitreten. Auch Frankreich wird dazu gehören, aber primär<br />
aus politischen Grün<strong>de</strong>n, da die Achse Berlin-Paris wohl nicht<br />
zur Disposition steht. Bei allen weiteren Län<strong>de</strong>rn ist es schwer vorstellbar,<br />
dass ein Verbleib in <strong>de</strong>r Eurozo<strong>ne</strong> gelingt.<br />
Lassen Sie mich noch etwas zu <strong>de</strong>n Durchgriffsrechten auf nationale<br />
Haushalte sagen: Diese Rechte müssen natürlich alle <strong>de</strong>mokratisch<br />
legitimiert sein. Wir brauchen endlich ei<strong>ne</strong> europäische<br />
Wirtschaftsregierung <strong>und</strong> ein europäisches Parlament, das etwas<br />
zu sagen hat. Diese Institutio<strong>ne</strong>n müssen aber durch das Prinzip<br />
von „o<strong>ne</strong> man o<strong>ne</strong> vote“ legitimiert wer<strong>de</strong>n – die Mehrheit <strong>de</strong>r EU-<br />
Bürger muss entschei<strong>de</strong>n. Das führt logischerweise dazu, dass<br />
große Staaten stärker repräsentiert sind als klei<strong>ne</strong>, wer diesem<br />
Prinzip nicht zustimmen will, muss lei<strong>de</strong>r außen vor bleiben.<br />
Zusammenfassend müssen für ei<strong>ne</strong>n erfolgreichen Währungsraum<br />
folgen<strong>de</strong> Gegebenheiten vorherrschen: Wir brauchen ei<strong>ne</strong><br />
homoge<strong>ne</strong> Struktur, ei<strong>ne</strong> Art Ker<strong>ne</strong>uropa, die restlichen Staaten<br />
müssen in die EU entlassen wer<strong>de</strong>n <strong>und</strong> führen wie<strong>de</strong>r ihre eige<strong>ne</strong><br />
Währung ein. Wenn sich dieses Ker<strong>ne</strong>uropa herausgebil<strong>de</strong>t hat,<br />
muss überlegt wer<strong>de</strong>n, welche Anfor<strong>de</strong>rungen es an die gemeinsame<br />
Budgetplanung gibt, um ei<strong>ne</strong> Situation wie wir sie heute<br />
haben künftig zu verhin<strong>de</strong>rn. Von <strong>de</strong>n <strong>de</strong>rzeit diskutierten Schul<strong>de</strong>nbremsen<br />
halte ich in <strong>de</strong>r praktischen Umsetzung wenig. Die<br />
Erfahrung lehrt, dass die Politik solche Obergrenzen sch<strong>ne</strong>ll än-<br />
28
<strong>de</strong>rt, sobald an<strong>de</strong>re politische Ziele Oberhand gewin<strong>ne</strong>n. Als Investor<br />
muss man immer mit großer Skepsis an alle politischen<br />
Versprechungen herangehen.<br />
In welchem zeitlichen Rahmen soll Ihr Szenario ablaufen?<br />
Wir gehen davon aus, dass man zunächst einmal weiter an<br />
<strong>de</strong>n Krisen-Symptomen herum doktert. Es wür<strong>de</strong> uns aber nicht<br />
überraschen, wenn Griechenland in<strong>ne</strong>rhalb <strong>de</strong>r nächsten 18<br />
Monate freiwillig aus <strong>de</strong>r Eurozo<strong>ne</strong> austritt, dieser Schritt mit ei<strong>ne</strong>m<br />
Schul<strong>de</strong>nschnitt einhergeht <strong>und</strong> Griechenland dann ei<strong>ne</strong><br />
Vorbildfunktion für an<strong>de</strong>re Staaten einnimmt. Viele Bürger in Krisenstaaten<br />
wer<strong>de</strong>n stau<strong>ne</strong>n, wie positiv sich ein solcher Befreiungsschlag<br />
trotz kurzfristiger Verwerfungen, mittelfristig für die<br />
Bin<strong>ne</strong>nwirtschaft auswirken wird. Diese Erkenntnis könnte zu<br />
weiteren Austritten führen. Ei<strong>ne</strong>r <strong>de</strong>r offensichtlichen Kandidaten<br />
ist für uns Portugal. Nun aber zu Ihrer Frage: Bis es zu ei<strong>ne</strong>r Ker<strong>ne</strong>urozo<strong>ne</strong>,<br />
wie ich sie oben beschrieben habe kommen wird,<br />
dürften noch drei bis fünf Jahre ins Land ziehen. Während dieser<br />
Zeit wird es weitere extrem teure Rettungsaktio<strong>ne</strong>n geben.<br />
Sie sprechen die Rettungsaktio<strong>ne</strong>n an. Was <strong>de</strong>nken Sie? Wer<strong>de</strong>n<br />
die <strong>de</strong>rzeit laufen<strong>de</strong>n Rettungsfonds ihren Zweck erfüllen<br />
o<strong>de</strong>r wird am En<strong>de</strong> die Europäische Zentralbank mehr o<strong>de</strong>r<br />
weniger ver<strong>de</strong>ckt nach US-amerikanischem Vorbild am Markt<br />
eingreifen müssen?<br />
Derzeit wird von <strong>de</strong>r Politik in je<strong>de</strong>r Woche ei<strong>ne</strong> <strong>ne</strong>ue Sau<br />
durchs Dorf getrieben. Erst spricht man über Elite-Bonds, dann<br />
über mehrere Krisenfonds, die parallel laufen sollen o<strong>de</strong>r auch<br />
über Tilgungstrukturen. Das sind für uns Kopfgeburten, die vom<br />
Markt getestet <strong>und</strong> regelmäßig für zu schwach befun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />
Das liegt daran, weil alle Vorschläge nur die Symptome<br />
bekämpfen <strong>und</strong> die Gr<strong>und</strong>probleme <strong>de</strong>r Eurozo<strong>ne</strong> außen vor<br />
gelassen wer<strong>de</strong>n. Noch immer ist <strong>de</strong>r Euro ein politisches <strong>und</strong><br />
nicht ein ökonomisches Projekt. Wir als Investoren, die Kun<strong>de</strong>ngel<strong>de</strong>r<br />
verwalten, dürfen uns nicht an kurzfristigen Spekulatio<strong>ne</strong>n<br />
über das Ausmaß von Rettungspaketen beteiligen. Wir<br />
müssen sehen, dass wir langfristig erfolgreich sind.<br />
Ei<strong>ne</strong> elementare Frage für Investoren ist die <strong>de</strong>s Geldsystems.<br />
Glauben Sie daran, dass wir unser jetziges Geldsystem behalten<br />
o<strong>de</strong>r könnte es im Rahmen ei<strong>ne</strong>s Ker<strong>ne</strong>uropas zu ei<strong>ne</strong>m<br />
Systemwechsel kommen?<br />
Ei<strong>ne</strong> Abschaffung <strong>de</strong>s Fiat Mo<strong>ne</strong>y wird es in <strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n drei<br />
bis fünf Jahren nicht geben. Ich gehe davon aus, dass man über<br />
finanziellen Druck <strong>und</strong> strenge Regeln die Schul<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Staaten<br />
im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt zurückführen wird. Das<br />
dürfte bei vielen Sparern zu ei<strong>ne</strong>m massiven Kaufkraftverlust<br />
führen. Ei<strong>ne</strong>n wirklichen Reset im Geldsystem wird es aber nicht<br />
geben. Wenn einzel<strong>ne</strong> Län<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m Euro aussteigen <strong>und</strong> wie<strong>de</strong>r<br />
ei<strong>ne</strong> eige<strong>ne</strong> Währung bekommen, ist das für mich kein Reset.<br />
Ein wirklicher Reset wäre ei<strong>ne</strong> Währung mit ei<strong>ne</strong>m Realwertstandard<br />
– das sehe ich nicht.<br />
Wäre ein solcher Realwertstandard Ihrer Meinung nach besser<br />
als das bestehen<strong>de</strong> System?<br />
Ich halte ei<strong>ne</strong> Unterlegung <strong>de</strong>s Gel<strong>de</strong>s mit Realwerten für sehr<br />
sinnvoll, weil so <strong>de</strong>n Notenbanken <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Staaten in gewissem<br />
Maße die Möglichkeit genommen wird, ihre Geldmengen<br />
von <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>r Realwirtschaft abzukoppeln. Ich glaube<br />
aber, dass ein solches System nicht lange Bestand hätte:<br />
Ähnlich wie bei Bretton Woods, <strong>de</strong>m Goldstandard in <strong>de</strong>n USA,<br />
könnte das System ja von Politikern mit ei<strong>ne</strong>m Fe<strong>de</strong>rstrich wie<strong>de</strong>r<br />
zunichte gemacht wer<strong>de</strong>n.<br />
Es wird ja auch immer wie<strong>de</strong>r über ei<strong>ne</strong>n Goldstandard nachgedacht.<br />
Auch das ist für mich sehr unwahrscheinlich, nicht nur<br />
weil die Verteilung <strong>de</strong>s Gol<strong>de</strong>s r<strong>und</strong> um die Welt viel zu heterogen<br />
ist. Sie kön<strong>ne</strong>n kei<strong>ne</strong>n Goldstandard einführen, wenn Italien<br />
relativ zum BIP viel mehr Gold besitzt als Indien <strong>und</strong> China.<br />
Player wie Indien <strong>und</strong> China wer<strong>de</strong>n allerdings in zukünftigen<br />
Währungssystemen ei<strong>ne</strong> große Rolle spielen – ob sie es wollen<br />
o<strong>de</strong>r nicht.<br />
Sie haben <strong>de</strong>m Goldstandard soeben ei<strong>ne</strong> Absage erteilt. Ist<br />
Gold als Investment damit hinfällig gewor<strong>de</strong>n?<br />
Das ist es sicher nicht! Für uns ist Gold ei<strong>ne</strong> Währung wie <strong>de</strong>r<br />
Dollar <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Euro. Gold als Währung hat <strong>de</strong>n großen Vorteil,<br />
dass es nicht beliebig vermehrt <strong>und</strong> nur vorübergehend von Notenbanken<br />
manipuliert wer<strong>de</strong>n kann. Je nach<strong>de</strong>m in welchem<br />
Währungsraum man sich als Investor aufhält, umso mehr Gold<br />
muss man im Portfolio haben. Schauen Sie sich die Schweiz an:<br />
Bis zur Bindung an <strong>de</strong>n Euro brauchte ich als Schweizer kaum<br />
Gold, da die eige<strong>ne</strong> Währung bereits ein relativ sicherer Hafen<br />
war. Das hat man an <strong>de</strong>r Aufwertung <strong>de</strong>s Frankens gut gesehen.<br />
Seit es die Bindung <strong>de</strong>s Frankens an <strong>de</strong>n Euro gibt, hat sich<br />
29
die Situation dramatisch verän<strong>de</strong>rt. In Australien o<strong>de</strong>r Kanada<br />
ist es dagegen nach wie vor nicht so relevant über Gold nachzu<strong>de</strong>nken<br />
wie in <strong>de</strong>n USA o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Eurozo<strong>ne</strong>.<br />
Wir haben Gold in unserem Portfolio, weil wir es für die einzige<br />
stabile <strong>und</strong> liqui<strong>de</strong> Währung halten, um gegenüber <strong>de</strong>n Hauptwährungen<br />
zu diversifizieren. Neben Gold ist uns auch ein gut<br />
diversifiziertes Währungsportfolio wichtig. Dabei sind <strong>de</strong>r Kanadische<br />
Dollar, <strong>de</strong>r Australische Dollar, <strong>de</strong>r Singapur-Dollar, die<br />
Norwegische Kro<strong>ne</strong>, <strong>de</strong>r Schweizer Franken, <strong>de</strong>r Hongkong-Dollar<br />
o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Chilenische Peso von Be<strong>de</strong>utung. Allerdings nicht<br />
als Einzelwette, wie das sehr viele Investoren machen.<br />
Das klingt interessant! Gibt es Investment-Produkte, welche<br />
genau diese Währungen ab<strong>de</strong>cken?<br />
Das ist genau die Frage, die wir uns bei Flossbach von Storch<br />
vor ei<strong>ne</strong>m Jahr gestellt haben. Wir mussten feststellen, dass es<br />
ein solches Produkt zu diesem Zeitpunkt noch nicht gab <strong>und</strong> haben<br />
<strong>de</strong>n Fonds Bond Diversifikation aufgelegt. Der Fonds setzt<br />
auf Anleihen <strong>und</strong> Währungen von Staaten, die wir als rückzahlungsfähig<br />
<strong>und</strong> rückzahlungswillig einschätzen. Ursprünglich<br />
wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Fonds konzipiert, um unseren inter<strong>ne</strong>n Kun<strong>de</strong>nbedürfnissen<br />
gerecht zu wer<strong>de</strong>n. Inzwischen verzeich<strong>ne</strong>n wir allerdings<br />
auch von außerhalb ei<strong>ne</strong> stetig steigen<strong>de</strong> Nachfrage.<br />
Sie reisen als Kapitalmarktexperte von Flossbach von Storch<br />
häufig durch die Welt <strong>und</strong> recherchieren vor Ort. Kürzlich waren<br />
Sie in China. Kann China die Eurozo<strong>ne</strong> retten o<strong>de</strong>r hat es<br />
genug eige<strong>ne</strong> Aufgaben?<br />
Genauso ist es! China hat zwar große Währungsreserven, es<br />
hat aber in sei<strong>ne</strong>r Wirtschaft genug eige<strong>ne</strong> Herausfor<strong>de</strong>rungen.<br />
Beispielsweise am Immobilienmarkt o<strong>de</strong>r im Bereich <strong>de</strong>r<br />
Infrastruktur. Auch das Bankensystem <strong>und</strong> insbeson<strong>de</strong>re das<br />
Schattenbankensystem dürfte an einigen Stellen Sanierungsbedarf<br />
haben. Was China aber während <strong>de</strong>r Euro-Krise auf<br />
je<strong>de</strong>n Fall machen wird, sind Koppelgeschäfte. Man wird Anleihen<br />
kaufen – aber nur, wenn man auch reale Werte, wie Unter<strong>ne</strong>hmen,<br />
erwerben darf. Die Chi<strong>ne</strong>sen wissen ganz genau,<br />
wie viel die Anleihen Griechenlands o<strong>de</strong>r Italiens wert sind. Und<br />
ihre Bevölkerung fragt durchaus zu Recht, warum <strong>de</strong>nn, ihr<br />
Staat europäische Schuldtitel kaufen soll, solange das Durchschnittsvermögen<br />
<strong>de</strong>r Europäer noch immer um Längen über<br />
ihrem eige<strong>ne</strong>n liegt.<br />
Was machen Sie als Investor aus diesen Erkenntnissen?<br />
Wie gesagt, erwarten wir in <strong>de</strong>n nächsten Jahren finanzielle Repression<br />
- also künstlich niedrige Zinsen bei gleichzeitig hoher<br />
Inflation plus Steuererhöhungen <strong>und</strong> Kapitalverkehrskontrollen,<br />
also Einschränkungen für Investments im Auslands <strong>und</strong> in<br />
E<strong>de</strong>lmetalle. Ei<strong>ne</strong> solche finanzielle Repression haben wir in <strong>de</strong>n<br />
USA während <strong>de</strong>r 1940er Jahre gesehen <strong>und</strong> sehen sie <strong>de</strong>rzeit<br />
auch in China. Dagegen hilft nur ein gut diversifiziertes Portfolio<br />
aus Realwerten. Wichtigstes Instrument ist dabei die Qualitätsaktie.<br />
Aber auch E<strong>de</strong>lmetalle, Bonds <strong>und</strong> Währungen wie oben<br />
beschrieben sind bei diesem Anlagemix wichtig. Bis zu ei<strong>ne</strong>m<br />
gewissen Maße halten wir auch die Immobilie für interessant,<br />
allerdings primär die selbst genutzte, da es unklar ist, welche<br />
Repressio<strong>ne</strong>n auf Vermieter zukommen wer<strong>de</strong>n. Immobilien<br />
sind für <strong>de</strong>n Staat immer leicht als Quelle von Erträgen nutzbar.<br />
Das sehen wir gera<strong>de</strong> auch in Italien.<br />
Zum Schluss noch ei<strong>ne</strong> Frage zu Aktien: Welche Branchen sind<br />
da für Sie interessant?<br />
Bei Aktien setzen wir sehr stark auf die Qualität <strong>de</strong>s Geschäftsmo<strong>de</strong>lls,<br />
auf ei<strong>ne</strong>n niedrigen Verschuldungsgrad, ei<strong>ne</strong>n hohen<br />
Free-Cash-Flow <strong>und</strong> die Divi<strong>de</strong>n<strong>de</strong>. Auf Basis dieser Kriterien<br />
halten wir nicht-zyklische Konsumwerte für interessant, aber<br />
auch die Medizin- <strong>und</strong> Pharma-Branche. Niedrig gepreist ist<br />
<strong>de</strong>rzeit auch die IT o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r E<strong>ne</strong>rgiesektor. Weitere interessante<br />
Nischen sind die Tabakindustrie <strong>und</strong> auch das ein o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re<br />
REIT-Unter<strong>ne</strong>hmen aus Deutschland.<br />
Die Fragen stellte Nico Popp<br />
Philipp Vorndran, Jahrgang 1962, hat als unabhängiger Vermögensverwalter<br />
über viele Jahre hinweg Erfahrungen im Asset Management<br />
sammeln kön<strong>ne</strong>n. Vorndran wechselte 2009 von <strong>de</strong>r<br />
Credit Suisse-Gruppe zum Köl<strong>ne</strong>r Vermögensverwalter Flossbach<br />
von Storch. Zuvor war er bei <strong>de</strong>r CS mehr als zehn Jahre lang unter<br />
an<strong>de</strong>rem als Chefstratege <strong>de</strong>s Asset Managements in Zürich tätig<br />
gewesen. Neben sei<strong>ne</strong>r Verantwortung im Bereich Asset Allokation<br />
bei Flossbach von Storch bezieht <strong>de</strong>r hochkarätige Anlageexperte<br />
immer wie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit zur Investmentstrategie<br />
<strong>de</strong>s Hauses Stellung. Vorndran hat sich darüber hinaus als geschätzter<br />
Interviewpart<strong>ne</strong>r für die Medien ei<strong>ne</strong>n Namen gemacht.<br />
30
Gastbeitrag von Bert Flossbach<br />
Vermögensverwalter<br />
„Höhepunkt <strong>de</strong>r Skurrilität“<br />
Gastbeitrag von Bert Flossbach zur Staatschul<strong>de</strong>nkrise in <strong>de</strong>r Eurozo<strong>ne</strong> <strong>und</strong> <strong>de</strong>r schleichen<strong>de</strong>n Teilenteignung <strong>de</strong>r Sparer.<br />
Die Entwicklung <strong>de</strong>r Eurozo<strong>ne</strong> ist ei<strong>ne</strong> Tragödie, in <strong>de</strong>ren letztem<br />
Akt <strong>de</strong>r politische Wille an ökonomischen <strong>und</strong> kulturellen Gesetzmäßigkeiten<br />
scheitern wird. Wann <strong>und</strong> in welcher Form die<br />
Eurozo<strong>ne</strong> auseinan<strong>de</strong>rbrechen wird, lässt sich nicht prognostizieren<br />
<strong>und</strong> gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>shalb muss man darauf vorbereitet sein.<br />
Ei<strong>ne</strong> Währung lebt vom Vertrauen <strong>de</strong>r Bürger, nicht vom<br />
Wunsch<strong>de</strong>nken <strong>de</strong>r Politik. Ei<strong>ne</strong> Schicksalsgemeinschaft vergleichbar<br />
mit ei<strong>ne</strong>r Seilschaft am Berg kann nur funktionieren,<br />
wenn sie aus ei<strong>ne</strong>r möglichst homoge<strong>ne</strong>n Gruppe Gleichgesinnter<br />
besteht. Dies ist bei <strong>de</strong>n 17 Staaten <strong>de</strong>r Eurozo<strong>ne</strong> nicht<br />
<strong>de</strong>r Fall. Die chronisch <strong>de</strong>fizitäre Leistungsbilanz <strong>de</strong>r Sü<strong>de</strong>uro-<br />
Län<strong>de</strong>r ist nur ein Indiz für die strukturellen Unterschie<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r<br />
Eurozo<strong>ne</strong>. Die Heterogenität <strong>de</strong>r Eurozo<strong>ne</strong> spiegelt aber nicht<br />
nur die quantitativen Differenzen <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong><strong>ne</strong>n Volkswirtschaften<br />
wi<strong>de</strong>r, son<strong>de</strong>rn ist auch Ergebnis kultureller <strong>und</strong> mentaler<br />
Unterschie<strong>de</strong>. Die Län<strong>de</strong>r ei<strong>ne</strong>r Währungsunion müssen<br />
wie die Mitglie<strong>de</strong>r ei<strong>ne</strong>r Seilschaft am Berg nicht nur bestimmte<br />
Fit<strong>ne</strong>sskriterien erfüllen, son<strong>de</strong>rn auch ei<strong>ne</strong>n gemeinsamen Willen<br />
haben, wie sie ihr Ziel erreichen wollen.<br />
Die zahlreichen A<strong>ne</strong>kdoten aus Griechenland zeigen, dass die<br />
erhoffte Homogenität <strong>de</strong>r Eurozo<strong>ne</strong> durch Konvergenz volkswirtschaftlicher<br />
Daten (die bekanntlich manipuliert wer<strong>de</strong>n<br />
kön<strong>ne</strong>n) <strong>und</strong> technokratische Sanierungsanweisungen nicht<br />
erzwungen wer<strong>de</strong>n kann. Die Bonität ei<strong>ne</strong>s Lan<strong>de</strong>s ist nicht<br />
nur ei<strong>ne</strong> Frage <strong>de</strong>s Kön<strong>ne</strong>ns, son<strong>de</strong>rn auch <strong>de</strong>s Wollens. Alle<br />
Beschlüsse <strong>und</strong> Maßnahmen, so sinnvoll <strong>und</strong> wünschenswert<br />
sie auch erschei<strong>ne</strong>n, stoßen bei <strong>de</strong>r Umsetzbarkeit an Grenzen.<br />
Schul<strong>de</strong>nbremsen, Steuererhöhungen, Personalabbau, Arbeitsmarktreformen,<br />
Verbesserung <strong>de</strong>r Wettbewerbsfähigkeit etc.<br />
sind leicht formulierte Ziele. Ihre Durchsetzbarkeit hängt von <strong>de</strong>r<br />
Bereitschaft <strong>de</strong>r Bevölkerung, Gewerkschaften <strong>und</strong> Interessenverbän<strong>de</strong><br />
ab, die damit verbun<strong>de</strong><strong>ne</strong>n Bür<strong>de</strong>n zu tragen.<br />
Die extremen Renditedifferenzen von Staatsanleihen <strong>de</strong>r Eurozo<strong>ne</strong><br />
spiegeln <strong>de</strong>n Glauben <strong>de</strong>r Investoren an die Fähigkeit <strong>und</strong><br />
Willigkeit <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r, ihren Schul<strong>de</strong>ndienst aus eige<strong>ne</strong>r Kraft zu<br />
leisten, besser wi<strong>de</strong>r, als rein formale Kriterien. Die Politik <strong>ne</strong>giert<br />
die Erkenntnis <strong>de</strong>s Kapitalmarktes <strong>und</strong> die Heterogenität als ei-<br />
gentliches Problem <strong>de</strong>r Eurozo<strong>ne</strong>. Mit immer skurrileren Maßnahmen<br />
versucht sie, das Unausweichliche zu verhin<strong>de</strong>rn. Der Plan<br />
ei<strong>ne</strong>s freiwillig erzwunge<strong>ne</strong>n Schul<strong>de</strong>nschnitts von 70 Prozent<br />
für Griechenanleihen ist <strong>de</strong>r vorläufige Höhepunkt <strong>de</strong>r Skurrilität.<br />
Der Weg aus <strong>de</strong>r Staatschul<strong>de</strong>nkrise scheint vorgezeich<strong>ne</strong>t. Mit<br />
<strong>de</strong>r „Abschaffung“ <strong>de</strong>s Zinses für Staatsanleihen senken die<br />
Notenbanken die Finanzierungskosten <strong>de</strong>r Staaten <strong>und</strong> schaffen<br />
die zum Abbau <strong>de</strong>r hohen Staatsschul<strong>de</strong>nquoten erfor<strong>de</strong>rliche<br />
„unverzinste Inflation“. Diese im Fachjargon als Financial<br />
Repression bezeich<strong>ne</strong>te Strategie bewirkt ei<strong>ne</strong>n <strong>ne</strong>gativen Realzins<br />
<strong>und</strong> damit ei<strong>ne</strong> schleichen<strong>de</strong> Teilenteignung <strong>de</strong>r Sparer.<br />
Sie erhöht allerdings auch die Attraktivität an<strong>de</strong>rer Anlageformen<br />
wie Aktien, Immobilien <strong>und</strong> nicht zuletzt Gold. Selbst mit<br />
Anleihen lässt sich noch Geld verdie<strong>ne</strong>n, wenn die Renditen im<br />
Vergleich zur Bonität attraktiv genug sind.<br />
Flossbach von Storch: Das von Bert Flossbach <strong>und</strong> Kurt von<br />
Storch geführte Köl<strong>ne</strong>r Unter<strong>ne</strong>hmen ist ei<strong>ne</strong> <strong>de</strong>r führen<strong>de</strong>n<br />
unabhängigen Vermögensverwaltungen in Deutschland <strong>und</strong><br />
ei<strong>ne</strong>m betreuten Kun<strong>de</strong>nvermögen von 5 Milliar<strong>de</strong>n Euro. Das<br />
Unter<strong>ne</strong>hmen konnte zahlreiche Auszeichnungen für Fonds<br />
<strong>und</strong> Einzelmandate erringen. Dr. Bert Flossbach ist kürzlich<br />
vom Finanzen Verlag <strong>und</strong> <strong>de</strong>m Wirtschaftsmagazin „Euro“ zum<br />
„Fondsmanager <strong>de</strong>s Jahres 2012“ gekürt wor<strong>de</strong>n.<br />
31
Interview mit Rahim Taghiza<strong>de</strong>gan<br />
Wirtschaftsphilosoph<br />
„Das Fin<strong>de</strong>n ei<strong>ne</strong>r Geldordnung kann durchaus <strong>de</strong>m <strong>de</strong>zentralen<br />
Ent<strong>de</strong>ckungsprozess überlassen wer<strong>de</strong>n!<br />
Interview mit Rahim Taghiza<strong>de</strong>gan vom Institut für Wertewirtschaft, Wien: Das staatliche Geldmonopol <strong>und</strong> die staatliche Geldpolitik<br />
sind nicht alternativlos, son<strong>de</strong>rn sollten immer wie<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n Prüfstand gestellt wer<strong>de</strong>n.<br />
Die weltweite Schul<strong>de</strong>nkrise hat die Märkte seit Jahren fest im<br />
Griff. Ei<strong>ne</strong> vielleicht ironisch anmuten<strong>de</strong>, aber ernst gemeinte<br />
Frage: Verfügen wir über ein gutes Geldsystem?<br />
Verstehen wir unter ei<strong>ne</strong>m guten Geldsystem ein Geldsystem,<br />
das kei<strong>ne</strong>n politischen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Son<strong>de</strong>rinteressen<br />
auf Kosten <strong>de</strong>r Allgemeinheit dient, das die Ersparnisse <strong>de</strong>r<br />
Menschen nicht mehr <strong>und</strong> mehr min<strong>de</strong>rt, das Anreize bietet,<br />
Kapital aufzubauen <strong>und</strong> nicht, Kapital zu verbrauchen, das<br />
kei<strong>ne</strong>n Konjunkturzyklus in Gang setzt, <strong>und</strong> das kei<strong>ne</strong>r fortwähren<strong>de</strong>n<br />
Korrekturen bedarf, um ein weiteres Jahr überleben zu<br />
kön<strong>ne</strong>n – dann muss die Antwort lauten, <strong>ne</strong>in, wir haben ganz<br />
offensichtlich kein gutes Geldsystem.<br />
Inwieweit <strong>de</strong>stabilisiert unsere Geldordnung die Marktwirtschaft<br />
<strong>und</strong> vernichtet Wohlstand?<br />
Ei<strong>ne</strong>rseits gibt es ei<strong>ne</strong> indirekte Vernichtung von Wohlstand –<br />
tatsächlichem <strong>und</strong> potentiellen Wohlstand – über die von mir<br />
genannten Punkte: Verunsicherung <strong>de</strong>r Gesamtwirtschaft,<br />
Verhin<strong>de</strong>rung von Kapitalaufbau, För<strong>de</strong>rung von Investitio<strong>ne</strong>n<br />
an <strong>de</strong>n falschen Stellen. Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite steht die direkte<br />
Wohlstandsvernichtung durch Inflation, durch die Aus<strong>de</strong>hnung<br />
<strong>de</strong>r Geldmenge <strong>und</strong> die daraus resultieren<strong>de</strong> Gel<strong>de</strong>ntwertung.<br />
Man muss sich vorstellen, dass bereits bei <strong>de</strong>r gering schei<strong>ne</strong>n<strong>de</strong>n<br />
jährlichen Inflationsrate von 3% bin<strong>ne</strong>n zweier Jahrzehnte<br />
die Hälfte ei<strong>ne</strong>s Geldvermögens verlorengeht. Bei 5% dauert es<br />
nur noch ein Jahrzehnt. In einigen Bereichen haben die nomi<strong>ne</strong>llen<br />
Europreise bereits die alten D-Mark-Preise erreicht – oh<strong>ne</strong><br />
dass die Löh<strong>ne</strong> entsprechend gestiegen wären.<br />
Die gr<strong>und</strong>sätzliche Frage ist natürlich, ob ei<strong>ne</strong> Wirtschaftsordnung<br />
mit ei<strong>ne</strong>m nicht-marktwirtschaftlichen, nämlich ei<strong>ne</strong>m<br />
zentral gesteuerten Geldsystem überhaupt ei<strong>ne</strong> Marktwirtschaft<br />
sein kann. Und wenn das <strong>de</strong>rzeitige System <strong>de</strong>n Leuten<br />
als Marktwirtschaft verkauft wird, <strong>und</strong> die Krise daher ei<strong>ne</strong><br />
marktwirtschaftliche Krise sein muss, dann ist klar, wohin die<br />
Reise geht.<br />
Welche Be<strong>de</strong>utung ist alternativen Gel<strong>de</strong>xperimenten beizumessen?<br />
Zunächst befin<strong>de</strong>t sich je<strong>de</strong>s gesellschaftliche o<strong>de</strong>r wirtschaftliche<br />
Experiment in <strong>de</strong>r Gefahr, von falschen Voraussetzungen<br />
auszugehen, Lösungen für Probleme zu bieten, die kei<strong>ne</strong> sind,<br />
aus <strong>de</strong>n tatsächlichen Problemen aber die falschen Schlüsse<br />
zu ziehen, <strong>und</strong> daher über kurz o<strong>de</strong>r lang zu scheitern. Daher<br />
ist das oberste Gebot je<strong>de</strong>s Experiments das <strong>de</strong>r Freiwilligkeit:<br />
Niemand darf gezwungen wer<strong>de</strong>n, ein Geld zu verwen<strong>de</strong>n, das<br />
er nicht verwen<strong>de</strong>n will.<br />
Natürlich verletzt <strong>de</strong>r Staat dieses Gebot; auch wenn mein<br />
Einkommen vielleicht aus Krähwinkler Vierteltalern besteht,<br />
verlangt <strong>de</strong>r Staat, dass ich ihm mei<strong>ne</strong> Steuern in Euros <strong>de</strong>r Europäischen<br />
Zentralbank leiste. Der Wert alternativer Gel<strong>de</strong>xperimente<br />
ist daher unter heutigen Bedingungen wohl zum größten<br />
Teil ein aufklären<strong>de</strong>r: dass das staatliche Geldmonopol <strong>und</strong> die<br />
staatliche Geldpolitik nicht, um mit Frau Merkel zu sprechen, „alternativlos“<br />
sind, son<strong>de</strong>rn dass das Fin<strong>de</strong>n ei<strong>ne</strong>r Geldordnung<br />
durchaus <strong>de</strong>m <strong>de</strong>zentralen Ent<strong>de</strong>ckungsprozess überlassen<br />
wer<strong>de</strong>n kann, dass diese Experimente funktionieren kön<strong>ne</strong>n –<br />
wenn sie funktionieren!<br />
33
Sind angesichts globaler Probleme lokale Lösungen überhaupt<br />
ei<strong>ne</strong> Option?<br />
Sind überhaupt menschengemachte soziale <strong>und</strong> wirtschaftliche<br />
Probleme <strong>de</strong>nkbar, die nur global gelöst wer<strong>de</strong>n kön<strong>ne</strong>n?<br />
Ist <strong>de</strong>r Lösungsansatz ei<strong>ne</strong>r klei<strong>ne</strong>ren Gruppe notwendig zum<br />
Scheitern verurteilt, weil er sich nicht auf globale Verhältnisse<br />
umlegen lässt? Sicher ist ei<strong>ne</strong> gute globale Lösung besser als<br />
ei<strong>ne</strong> schlechte lokale. Und man mag auch argumentieren, dass<br />
großen Systemen <strong>und</strong> Institutio<strong>ne</strong>n ein gewisser Konservatismus<br />
anhaftet. Verrückte I<strong>de</strong>en haben es leichter, sich im Klei<strong>ne</strong>n<br />
durchzusetzen als dort, wo sie etwa <strong>de</strong>m mo<strong>de</strong>rieren<strong>de</strong>n<br />
Einfluss ei<strong>ne</strong>s behäbigen Apparates ausgesetzt sind. Für gute<br />
I<strong>de</strong>en, für gute Lösungen gilt aber das gleiche. Und wenn sich<br />
schlechte Lösungen im Großen durchsetzen, dann brennt oh<strong>ne</strong>hin<br />
<strong>de</strong>r globale Hut, <strong>und</strong> zwar für lange Zeit.<br />
Was kann/muss <strong>de</strong>r Einzel<strong>ne</strong> tun, um die Lage zu verbessern?<br />
Der Einzel<strong>ne</strong> kann nur versuchen, sei<strong>ne</strong> eige<strong>ne</strong> Lage <strong>und</strong> die sei<strong>ne</strong>s<br />
unmittelbaren Umfelds zu verbessern. Das ist mühsam <strong>und</strong><br />
<strong>de</strong>r Erfolg ist ungewiss. Am bequemsten ist es, zu glauben, sich<br />
<strong>de</strong>r Verantwortung für sich <strong>und</strong> die Sei<strong>ne</strong>n durch das Abgeben<br />
sei<strong>ne</strong>r Stimme entledigt zu haben. Mögen an<strong>de</strong>re – Politiker –<br />
sich darum kümmern, was gut für mich ist, mich vor mir selbst<br />
schützen, <strong>und</strong> mögen wie<strong>de</strong>rum an<strong>de</strong>re – die Steuerzahler –<br />
dafür aufkommen! Nein, um die Lage wirklich <strong>und</strong> langfristig<br />
zu verbessern, dazu ist <strong>de</strong>r Rückgriff, ist die Rückbesinnung auf<br />
das Eige<strong>ne</strong> nötig, auf <strong>de</strong>n Einzel<strong>ne</strong>n selbst <strong>und</strong> auf sei<strong>ne</strong> Um-<br />
gebung. Warum sich dazu nicht <strong>de</strong>r alten Kaufmannstugen<strong>de</strong>n<br />
besin<strong>ne</strong>n? Solidität, Ehrlichkeit, Vorsorge. Schul<strong>de</strong>n mei<strong>de</strong>n<br />
<strong>und</strong> Kapital aufbauen. Vertrauen schaffen <strong>und</strong>, wo berechtigt,<br />
geben. Und, um zum Geldthema zurückzukehren, das Geld, ob<br />
gutes o<strong>de</strong>r schlechtes Geld, als das sehen, was es ist: ein Mittel,<br />
zwar ein wichtiges, aber doch nur ein Mittel, das nicht zum<br />
Selbstzweck wer<strong>de</strong>n sollte.<br />
Die Fragen stellte Helge Rehbein<br />
Rahim Taghiza<strong>de</strong>gan lebt <strong>und</strong> arbeitet als austroiranischer<br />
Wirtschaftsphilosoph in Wien. In sei<strong>ne</strong>m von ihm gegrün<strong>de</strong>ten<br />
Institut für Wertewirtschaft analysiert er die Krise <strong>de</strong>r westlichen<br />
Gesellschaft <strong>und</strong> will Wege aufzeigen, wie heute wertvolles<br />
Wirtschaften <strong>und</strong> sinnvolles Leben aussehen könnten.<br />
Der studierte Technische Physiker mit Spezialisierung in Atomphysik<br />
begann sich früh für Soziologie, Wirtschaftswissenschaften<br />
<strong>und</strong> insbeson<strong>de</strong>re die Wie<strong>ne</strong>r Schule <strong>de</strong>r Ökonomie<br />
zu interessieren <strong>und</strong> setzt sich nach eige<strong>ne</strong>r Darstellung für<br />
„die Freilegung verlore<strong>ne</strong>n Wissens <strong>und</strong> die Verknüpfung <strong>de</strong>r<br />
zahllosen aufgetrennten Fä<strong>de</strong>n heutigen Denkens“ ein. Ei<strong>ne</strong>m<br />
breiteren Publikum bekannt gewor<strong>de</strong>n ist Taghiza<strong>de</strong>gan durch<br />
Buchveröffentlichungen wie „Der Anti-Steingart“: Systematisch<br />
wi<strong>de</strong>rlegt er darin die Thesen <strong>de</strong>s „Spiegel“-Journalisten Gabor<br />
Steingart. Ei<strong>ne</strong>s sei<strong>ne</strong>r jüngsten Bücher „Vom Systemtrottel zum<br />
Wutbürger“ for<strong>de</strong>rt die Bürger auf, sich entschlossen <strong>de</strong>s eige<strong>ne</strong>n<br />
Verstan<strong>de</strong>s zu bedie<strong>ne</strong>n.<br />
34
Gastbeitrag von Michael von Prollius<br />
Wirtschaftsphilosoph<br />
Free Banking – Wettbewerb ist ei<strong>ne</strong>r Behör<strong>de</strong> überlegen<br />
Michael von Prollius über die Schwierigkeiten <strong>de</strong>s Staates bei <strong>de</strong>r Kontrolle <strong>de</strong>r Geldmenge, <strong>ne</strong>ue Wege <strong>de</strong>r Bereitstellung von<br />
Geld <strong>und</strong> die Vorzüge ei<strong>ne</strong>s freien Geldwesens gegenüber mo<strong>ne</strong>tärer Planwirtschaft.<br />
Für Menschen, die es nicht besser wussten o<strong>de</strong>r kei<strong>ne</strong> Alternative<br />
erlebt haben, war es selbstverständlich: Ein Telefon musste<br />
bei <strong>de</strong>r staatlichen Post beantragt wer<strong>de</strong>n. Ruinöser Wettbewerb<br />
hätte nicht nur <strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn auch <strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n<br />
gescha<strong>de</strong>t. Die besten Produkte <strong>und</strong> ei<strong>ne</strong> gerechte, stabile Versorgung<br />
<strong>de</strong>r Verbraucher konnten nur staatliche Experten mit<br />
entsprechen<strong>de</strong>n hoheitlichen Befugnissen gewährleisten.<br />
Geld ist ein Gut wie je<strong>de</strong>s an<strong>de</strong>re auch, nur mit ei<strong>ne</strong>m Unterschied,<br />
es lässt sich beson<strong>de</strong>rs gut tauschen. Geld ist <strong>de</strong>shalb<br />
beson<strong>de</strong>rs begehrt. Staatsführungen haben früh damit begon<strong>ne</strong>n,<br />
sei<strong>ne</strong>r habhaft zu wer<strong>de</strong>n, um praktisch unbegrenzte Ausgaben<br />
finanzieren zu kön<strong>ne</strong>n, für Kriege <strong>und</strong> repräsentativen<br />
Luxus sowie die Alimentierung von Gefolgschaft.<br />
Von Beginn an war Betrug ein Mittel, d.h. ei<strong>ne</strong> Vermehrung <strong>de</strong>r<br />
Geldmenge mittels Falschmünzerei. Be<strong>de</strong>utsamer ist jedoch<br />
die Monopolisierung von För<strong>de</strong>r- <strong>und</strong> Produktionsstätten wie<br />
Silberbergwerken <strong>und</strong> bis heute vor allem ei<strong>ne</strong> Privilegierung<br />
von Kreditgebern, insbeson<strong>de</strong>re Banken. Hingegen ist die Stabilisierung<br />
ei<strong>ne</strong>r Volkswirtschaft durch ei<strong>ne</strong> angestrebte Neutralisierung<br />
<strong>de</strong>s Gel<strong>de</strong>s als Einfluss- <strong>und</strong> Störfaktor ei<strong>ne</strong> relativ<br />
späte Schutzbehauptung. Schließlich verursachte die staatliche<br />
Geldpolitik regelmäßig das Gegenteil – das zeigen (Hyper)<br />
Inflatio<strong>ne</strong>n, kontinuierliche, teils drastische Gel<strong>de</strong>ntwertung <strong>und</strong><br />
ein künstlich angefachtes Wirtschaftswachstum mit anschließen<strong>de</strong>n<br />
unausweichlichen Bereinigungskrisen als kontinuierliche<br />
Begleiterscheinung <strong>de</strong>s staatlichen Geldwesens. Zugleich<br />
ist <strong>de</strong>m Staat die Kontrolle über die Geldmenge mit <strong>de</strong>r Ausbreitung<br />
<strong>de</strong>s bargeldlosen Zahlungsverkehrs im 20. Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />
zu<strong>ne</strong>hmend entglitten.<br />
Die Ursachen für das fortwähren<strong>de</strong> Scheitern liegen auf <strong>de</strong>r<br />
Hand: Ei<strong>ne</strong> Behör<strong>de</strong> kann niemals (!) die tatsächliche Nachfrage<br />
nach Geld in Erfahrung bringen <strong>und</strong> folglich allenfalls<br />
zufällig die erfor<strong>de</strong>rliche Geldmenge bereitstellen. Das liegt an<br />
ei<strong>ne</strong>m unüberwindbaren Wissensmangel, <strong>de</strong>r allen zentralen<br />
Institutio<strong>ne</strong>n auf ökonomischem Gebiet in<strong>ne</strong>wohnt. Wenige<br />
noch so kluge Experten sind <strong>de</strong>m verstreuten Wissen von Mil-<br />
lio<strong>ne</strong>n Marktteil<strong>ne</strong>hmern unterlegen, sowohl was das Wissen<br />
insgesamt angeht als auch im Hinblick darauf, was zu ei<strong>ne</strong>m<br />
bestimmten Zeitpunkt getan wer<strong>de</strong>n muss. (Flexible) Preise<br />
bringen auf unschlagbare Weise dieses Wissen zum Ausdruck.<br />
Als Ersatz bedie<strong>ne</strong>n sich die Experten mancher Krücke,<br />
beispielsweise <strong>de</strong>m Ziel ei<strong>ne</strong>r annähern<strong>de</strong>n Preisniveaustabilität.<br />
Allerdings han<strong>de</strong>lt es sich hierbei auch um ei<strong>ne</strong> Anmaßung<br />
von Wissen. Konsequent verfolgt führt ei<strong>ne</strong> Politik <strong>de</strong>r Preisniveaustabilität<br />
von 2 Prozent dazu, dass die Kaufkraft unseres<br />
Gel<strong>de</strong>s in<strong>ne</strong>rhalb von 35 Jahren halbiert wird. Insofern war<br />
die viel gerühmte Bun<strong>de</strong>sbank lediglich o<strong>de</strong>r immerhin <strong>de</strong>r<br />
sprichwörtliche Einäugige unter <strong>de</strong>n Blin<strong>de</strong>n. Die Politisierung<br />
<strong>de</strong>r Zentralbanken, etwa um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln,<br />
verschlechtert die Situation zusätzlich. Wohlstand entsteht<br />
nicht durch mehr Geld, son<strong>de</strong>rn durch bessere Güter in<br />
größerer Vielfalt <strong>und</strong> Anzahl.<br />
Tatsächlich lebt heute ei<strong>ne</strong> große Zahl von Menschen entwe<strong>de</strong>r<br />
von an<strong>de</strong>rer Leute Geld o<strong>de</strong>r von ei<strong>ne</strong>r Vermehrung von Geld<br />
durch Geld. Letztere sind beson<strong>de</strong>rs einflussreich, weil sie für<br />
Regierungen <strong>und</strong> Volkswirtschaften (vermeintlich) u<strong>ne</strong>rsetzlich<br />
o<strong>de</strong>r systemrelevant gewor<strong>de</strong>n sind. Die Frage, wie heute Geld<br />
bereitgestellt wer<strong>de</strong>n soll, ist längst kei<strong>ne</strong> rein ökonomische,<br />
son<strong>de</strong>rn vielmehr ei<strong>ne</strong> gesellschaftlichen Frage, <strong>und</strong> damit ei<strong>ne</strong><br />
Schlüsselfrage: Wie wollen wir leben?<br />
35
Wettbewerb statt Behör<strong>de</strong>nwirtschaft<br />
„Free Banking“ be<strong>de</strong>utet, dass die Geschäftsbanken aus <strong>de</strong>r Vorm<strong>und</strong>schaft<br />
<strong>de</strong>s Zentralbanksystems entlassen wer<strong>de</strong>n <strong>und</strong> ein<br />
freies Bankwesen entstehen darf. Das Ergebnis ist „Geldfreiheit“<br />
(Hans F. Sennholz). Geld wird nicht mehr von ei<strong>ne</strong>r <strong>de</strong> facto o<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong> jure staatlichen Behör<strong>de</strong> emittiert, son<strong>de</strong>rn, wie bei an<strong>de</strong>ren<br />
Gütern auch, privat durch im Wettbewerb stehen<strong>de</strong> Unter<strong>ne</strong>hmen.<br />
Ein freies Geldwesen umfasst ein freies Bankenwesen –<br />
oh<strong>ne</strong> Son<strong>de</strong>rprivilegien <strong>und</strong> mit unbeschränkter Haftung, i<strong>de</strong>alerweise<br />
oh<strong>ne</strong> staatliche Regulierung <strong>und</strong> Bankenrettungen, aber<br />
mit ei<strong>ne</strong>r konsequenten Durchsetzung von Rechtsregeln. Historisch<br />
betrachtet waren die am wenigsten regulierten Geldwesen<br />
beson<strong>de</strong>rs erfolgreich im Hinblick auf Geldstabilität, wirtschaftliches<br />
Wachstum <strong>und</strong> die Vermeidung von Betrug, Falschmünzerei,<br />
Bankrun sowie übermäßiger Kreditvergabe. Immerhin sind<br />
<strong>de</strong>rzeit weltweit über 60 Beispiele für Geldwesen bekannt, die<br />
Free Banking nahe kommen. Der amerikanische Ökonom Kurt<br />
Schuler konstatiert: „Free Banking war gebräuchlich im Britischen<br />
Empire, <strong>de</strong>m Orient <strong>und</strong> in Amerika. Selten kam es dagegen vor in<br />
Nord- <strong>und</strong> Osteuropa, Afrika, <strong>de</strong>m Mittleren Osten <strong>und</strong> in Kolonien,<br />
außer <strong>de</strong>n britischen.“ Herausragen<strong>de</strong> Erfolgsbeispiele fin<strong>de</strong>n<br />
sich in China (bereits vor 1000 Jahren), Brasilien <strong>und</strong> Schottland<br />
sowie weiteren klei<strong>ne</strong>n Län<strong>de</strong>rn wie Schwe<strong>de</strong>n <strong>und</strong> Belgien vor<br />
allem im 18. <strong>und</strong> 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt. Selbstverständlich kön<strong>ne</strong>n die<br />
Marktteil<strong>ne</strong>hmer frei entschei<strong>de</strong>n, was sie als Geld akzeptieren.<br />
In ei<strong>ne</strong>m freien Geldwesen entfällt die heute weltweit praktizierte<br />
Politisierung <strong>de</strong>r Wirtschaft mit Hilfe <strong>de</strong>s Gel<strong>de</strong>s. Für Geldpolitik,<br />
Zinspolitik <strong>und</strong> staatliche Vorgaben wie Min<strong>de</strong>streserven<br />
besteht kein Bedarf. Len<strong>de</strong>r of last Resort („Kreditgeber <strong>de</strong>r<br />
letzten Instanz“) <strong>und</strong> Bailouts („aus <strong>de</strong>r Klemme helfen“) mit<br />
Steuergel<strong>de</strong>rn für am Markt gescheiterte Unter<strong>ne</strong>hmen sind in<br />
ei<strong>ne</strong>m freien Geldwesen nicht erfor<strong>de</strong>rlich. Das Geldmonopol<br />
<strong>de</strong>r Regierung existiert genauso wenig wie ein gesetzliches<br />
Zahlungsmittel. Hingegen sind alle wettbewerblichen Alternativen<br />
<strong>und</strong> Bestrebungen nach ei<strong>ne</strong>r Verbesserung <strong>de</strong>s Gutes –<br />
an<strong>de</strong>rs als heute – erlaubt. Der freie Markt stellt das gewünschte<br />
Geld in <strong>de</strong>r gewünschten Qualität <strong>und</strong> erfor<strong>de</strong>rlichen Menge<br />
zur Verfügung. Das Ergebnis kann sich historisch sehen lassen.<br />
Die Re<strong>de</strong> ist nicht nur von wun<strong>de</strong>rbar anzusehen<strong>de</strong>n Münzen<br />
aus Kupfer, Silber <strong>und</strong> Gold, son<strong>de</strong>rn auch von ei<strong>ne</strong>m ruhigeren<br />
Fluss <strong>de</strong>r Wirtschaft; es fehlen mo<strong>ne</strong>tär bedingte Teuerungen<br />
von Produkten, vielmehr kön<strong>ne</strong>n die Verbraucher <strong>de</strong>n Produk-<br />
tivitätsfortschritt auch an sinken<strong>de</strong>n Preisen erken<strong>ne</strong>n, <strong>und</strong> vor<br />
allem entfallen Währungszusammenbrüche, zumal in Form<br />
von Hyperinflatio<strong>ne</strong>n. Die Aufgabe <strong>de</strong>s Staates beschränkt sich<br />
in ei<strong>ne</strong>m freien Geldwesen auf die Durchsetzung von Verträgen<br />
<strong>und</strong> insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>n Schutz <strong>de</strong>s Privateigentums.<br />
Der Wettbewerb zwingt die Banken erfolgreich, ihren eigentlichen<br />
Aufgaben nachzukommen: Banken <strong>ne</strong>hmen Einlagen entgegen<br />
<strong>und</strong> vergeben Kredite an Marktteil<strong>ne</strong>hmer. Dabei wer<strong>de</strong>n<br />
sie sowohl zu ei<strong>ne</strong>r strengeren Risikokalkulation gezwungen<br />
als auch zu ei<strong>ne</strong>r marktgerechteren Solvenz- <strong>und</strong> Liquiditätsvorsorge.<br />
Erfolgreiche Banken wer<strong>de</strong>n ihre Kun<strong>de</strong>n fair beraten<br />
müssen, statt ihren Informationsvorsprung bei konstruierten<br />
Produkten für Provisio<strong>ne</strong>n auszunutzen. Anreize <strong>und</strong> Möglichkeiten<br />
für Spekulationsgeschäfte auf Aktien-, Devisen-, Renten-,<br />
Rohstoff <strong>und</strong> Interbankenmärkten wer<strong>de</strong>n schwin<strong>de</strong>n.<br />
Geldfreiheit ist kei<strong>ne</strong> Utopie, bei <strong>de</strong>r alles perfekt abläuft. Bankiers<br />
treffen Fehlentscheidungen, vergeben schlechte Kredite<br />
<strong>und</strong> tätigen Fehlinvestitio<strong>ne</strong>n. Bankinsolvenzen legen wirtschaftliches<br />
Fehlverhalten offen. Oh<strong>ne</strong> perfekte Menschen gibt<br />
es auch kein perfektes Geldwesen. Allerdings ist ein freies Geldwesen<br />
<strong>de</strong>r herrschen<strong>de</strong>n mo<strong>ne</strong>tären Planwirtschaft haushoch<br />
überlegen. Die aktuelle Schul<strong>de</strong>nkrise wäre in ei<strong>ne</strong>m freien<br />
Geldwesen genauso wenig möglich wie die voran gegange<strong>ne</strong><br />
Immobilien-, Finanz- <strong>und</strong> Weltwirtschaftskrise. Der Wechsel<br />
vom heutigen Geldsystem mit ei<strong>ne</strong>r Zentralbank zu ei<strong>ne</strong>m „Free<br />
Banking“-Geldwesen macht lediglich ei<strong>ne</strong> politische Entscheidung<br />
erfor<strong>de</strong>rlich: die Privatisierung o<strong>de</strong>r Entstaatlichung <strong>de</strong>s<br />
Gel<strong>de</strong>s. In Anlehnung an <strong>de</strong>n Nobelpreisträger Friedrich August<br />
von Hayek ist dafür ei<strong>ne</strong> Freigeld-Bewegung erfor<strong>de</strong>rlich, die mit<br />
<strong>de</strong>r Freihan<strong>de</strong>lsbewegung <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts vergleichbar<br />
ist. Bereits kurze Zeit nach <strong>de</strong>m Fall <strong>de</strong>s Geldmonopols wer<strong>de</strong>n<br />
die Menschen über die vergange<strong>ne</strong>n Anmaßungen spötteln wie<br />
über die heute Kopfschütteln auslösen<strong>de</strong> Zeit <strong>de</strong>s Postmonopols<br />
vor <strong>de</strong>r Liberalisierung <strong>de</strong>s Telekommunikationssektors.<br />
Michael von Prollius ist Publizist <strong>und</strong> Grün<strong>de</strong>r von „Forum Ordnungspolitik“<br />
(<strong>www</strong>.forum-ordnungspolitik.<strong>de</strong>), ei<strong>ne</strong> Inter<strong>ne</strong>tplattform,<br />
die für ei<strong>ne</strong> Renaissance ordnungspolitischen Denkens <strong>und</strong><br />
für ei<strong>ne</strong> freie Gesellschaft wirbt. Sein <strong>ne</strong>uestes Buch „Die Euro-Misere.<br />
Essays zur Staatsschul<strong>de</strong>nkrise“ ist im TvR-Verlag erschie<strong>ne</strong>n.<br />
36
Interview mit Raim<strong>und</strong> Dietz<br />
Wirtschaftsphilosoph<br />
„Die Geldschöpfung <strong>de</strong>r Zentralbanken ist ein Segen für die Wirtschaft“<br />
Schul<strong>de</strong>n sind an sich nicht schlecht, zeigt <strong>de</strong>r Volkswirt Raim<strong>und</strong> Dietz. Kei<strong>ne</strong> Wirtschaft komme oh<strong>ne</strong> Schul<strong>de</strong>n aus.<br />
Herr Dietz, unser Finanzsystem ist seit <strong>de</strong>r Finanzkrise 2007/<br />
2008 unter Beschuss. Dabei wird als Wurzel allen Übels häufig<br />
die Geldschöpfung <strong>de</strong>r Zentralbanken genannt, die nach<br />
Ansicht vieler Kritiker Geld aus <strong>de</strong>m Nichts erschaffen, das<br />
wie<strong>de</strong>rum Spekulationsblasen beför<strong>de</strong>rt. Ist das Finanzsystem<br />
geeig<strong>ne</strong>t, <strong>de</strong>r Krise Herr zu wer<strong>de</strong>n, auch wenn die Zentralbanken<br />
weiterhin Geld schöpfen?<br />
Die Geldschöpfung <strong>de</strong>r Zentralbanken ist ein Segen für die<br />
Wirtschaft. Erst mit <strong>de</strong>r Geldschöpfung konnten die Wirtschaften<br />
ge<strong>de</strong>ihen. In <strong>de</strong>r Tat haben wir erst seit <strong>de</strong>r Kreditgeldschöpfung<br />
seit ca. 150 Jahren ein mehr o<strong>de</strong>r min<strong>de</strong>r kontinuierliches<br />
Wachstum. Denn in ei<strong>ne</strong>r arbeitsteiligen Wirtschaft<br />
muss man zuerst Produktionsfaktoren kaufen, bevor man<br />
Produkte verkaufen kann.<br />
Die zeitliche Span<strong>ne</strong> muss also durch ei<strong>ne</strong> Finanzierung überbrückt<br />
wer<strong>de</strong>n, also durch geschöpftes Geld. Geld steht immer<br />
am Anfang ei<strong>ne</strong>s Prozesses <strong>und</strong> es muss irgendwoher<br />
kommen. Manche wer<strong>de</strong>n sagen: man muss es eben vorher<br />
sparen. Sparen heißt aber: nicht kaufen. Einkommensteile <strong>und</strong><br />
daher produzierte Produkte wür<strong>de</strong>n brach liegen. Aus diesem<br />
Grun<strong>de</strong> funktioniert ei<strong>ne</strong> rein metallische Währung nicht. Mit<br />
geschöpftem Geld kann <strong>de</strong>r Mensch in die Zukunft greifen.<br />
Das ist ein großer Fortschritt. Allerdings darf man ja nicht zu<br />
viel davon schöpfen. Wir wer<strong>de</strong>n daher nicht zu gold- o<strong>de</strong>r<br />
silberge<strong>de</strong>ckten Währungen zurückkommen kön<strong>ne</strong>n, abgesehen<br />
davon, dass es viel zu wenig Gold o<strong>de</strong>r Silber gibt.<br />
Staaten haben weltweit enorme Schul<strong>de</strong>n angehäuft. Wie<br />
sieht für Sie ein Ausweg von Japan, <strong>de</strong>n USA o<strong>de</strong>r auch<br />
Deutschland aus <strong>de</strong>r Schul<strong>de</strong>nspirale aus?<br />
Nicht nur Staaten, auch private Haushalte <strong>und</strong> Unter<strong>ne</strong>hmen<br />
sind heute hoch verschul<strong>de</strong>t. Italien hat zum Beispiel mit ca.<br />
120% <strong>de</strong>s BIP ei<strong>ne</strong> sehr hohe Staatsverschuldung, aber die<br />
Privatverschuldung ist niedrig. Schul<strong>de</strong>n stehen allerdings<br />
For<strong>de</strong>rungen gegenüber. Bei<strong>de</strong>, Schul<strong>de</strong>n <strong>und</strong> For<strong>de</strong>rungen<br />
heben sich gegenseitig zwar auf. Trotz<strong>de</strong>m „zählen“ sie. Denn<br />
die Schuld<strong>ne</strong>r kön<strong>ne</strong>n heute nicht mehr zahlen o<strong>de</strong>r nur zah-<br />
len, wenn sie weitere Schul<strong>de</strong>n machen, <strong>und</strong> die Gläubiger<br />
zittern um ihre Vermögensbestän<strong>de</strong>. Es gibt ja kaum gute<br />
Schuld<strong>ne</strong>r.<br />
Mit <strong>de</strong>n Schul<strong>de</strong>n ist es so: Schul<strong>de</strong>n machen ist leicht, aber<br />
Schul<strong>de</strong>n zurückführen ist individuell, aber nicht kollektiv möglich.<br />
Schul<strong>de</strong>n machen hilft im Moment, belastet aber später.<br />
Kei<strong>ne</strong> Wirtschaft kommt oh<strong>ne</strong> Schul<strong>de</strong>n aus. Man kann <strong>und</strong><br />
muss mit <strong>de</strong>r Last leben, aber sie darf ja nicht zu groß wer<strong>de</strong>n.<br />
Sie ist nun aber zu groß <strong>und</strong> wir kommen nur runter durch<br />
ei<strong>ne</strong>n radikalen Schul<strong>de</strong>nschnitt o<strong>de</strong>r durch Inflation, die <strong>de</strong>n<br />
Realwert <strong>de</strong>r Schul<strong>de</strong>n herabsetzen wür<strong>de</strong>. Kollektives Sparen<br />
geht nicht, das führt nur in die Depression <strong>und</strong> erst recht in<br />
die Schul<strong>de</strong>nfalle. Erst jetzt dämmert es <strong>de</strong>m Publikum, dass<br />
wir in ei<strong>ne</strong>r Überschuldungs-, d.h. auch Überfor<strong>de</strong>rungsfalle<br />
sitzen. Noch immer versucht die Politik Vermögenswerte zu<br />
sichern, in<strong>de</strong>m sie weitere Schul<strong>de</strong>n produziert. Das funktioniert<br />
bis zu ei<strong>ne</strong>m gewissen Punkt. Und je länger man das<br />
Problem nicht wirklich angeht, <strong>de</strong>sto heftiger wird´s dann<br />
knallen. Das gilt für alle drei o<strong>de</strong>r vier: für die USA, für <strong>de</strong>n Euro-<br />
Raum, für England <strong>und</strong> erst recht Japan.<br />
Das Korrektiv <strong>de</strong>s Marktes führt – zumin<strong>de</strong>st in <strong>de</strong>r Theorie –<br />
dazu, dass ei<strong>ne</strong> nachhaltige Haushaltspolitik durch niedrige<br />
Kreditkosten belohnt wird. Ei<strong>ne</strong> schlechte Haushaltsdisziplin<br />
wird dagegen vom Markt bestraft. In <strong>de</strong>r Praxis erleben wir<br />
37
aber gera<strong>de</strong>, dass Schul<strong>de</strong>nsün<strong>de</strong>r wie die USA, aber auch<br />
Deutschland am Markt zu niedrigen Zinsen Kapital auf<strong>ne</strong>hmen<br />
kön<strong>ne</strong>n. Liegt hier ein Marktversagen vor?<br />
Wer niedrigere Schul<strong>de</strong>n hat, hat ein geringeres Ausfallsrisiko<br />
<strong>und</strong> zahlt <strong>de</strong>shalb ei<strong>ne</strong> niedrigere Prämie. Das ist rei<strong>ne</strong> Marktlogik.<br />
In Zeiten <strong>de</strong>r Überschuldung sind niedrige Zinsen zwar<br />
nicht marktgerecht, aber gut für die Wirtschaft, weil bei hohen<br />
Zinsen die Schul<strong>de</strong>n erst recht explodieren wür<strong>de</strong>n. (Märkte<br />
sind nicht nur nicht immer vernünftig, son<strong>de</strong>rn manchmal<br />
sehr unvernünftig.)<br />
Die USA kön<strong>ne</strong>n Geld selbst machen <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Zins niedrig halten.<br />
Wenn die US-Treasuries (Staatspapiere) vom Publikum<br />
nicht abgenommen wer<strong>de</strong>n, kauft die Fe<strong>de</strong>ral Reserve. Damit<br />
halten sie <strong>de</strong>n Zins niedrig. So einfach ist das. Die Griechen<br />
<strong>und</strong> Italie<strong>ne</strong>r kön<strong>ne</strong>n das nicht <strong>und</strong> müssen auf die EZB war-<br />
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Der Mitglie<strong>de</strong>rbereich von Godmo<strong>de</strong>Tra<strong>de</strong>r.<strong>de</strong><br />
ten, <strong>und</strong> da re<strong>de</strong>n ja die Deutschen <strong>und</strong> an<strong>de</strong>re ein Wörtchen<br />
mit. Noch wehren sich die Deutschen. Aber um <strong>de</strong>n Euro zu<br />
retten, wer<strong>de</strong>n sie nachgeben müssen. Wenn sie nicht nachgeben,<br />
geht <strong>de</strong>r Euro kaputt. Die Absurdität <strong>de</strong>r Lage ergibt<br />
sich aus folgen<strong>de</strong>r Erkenntnis: „Man kann <strong>de</strong>n Euro nur retten,<br />
in<strong>de</strong>m man <strong>de</strong>n Wert <strong>de</strong>s Euro zerstört.<br />
Die Fragen stellte Nico Popp<br />
Raim<strong>und</strong> Dietz (geb. 1944) ist Volkswirtschaftler, Publizist <strong>und</strong><br />
Autor. Zu sei<strong>ne</strong>n Schwerpunktthemen gehören Theorie <strong>und</strong><br />
Philosophie <strong>de</strong>s Gel<strong>de</strong>s <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Wirtschaft. Dietz arbeitet als<br />
Coach <strong>und</strong> Trai<strong>ne</strong>r für Beruf, Part<strong>ne</strong>rschaft <strong>und</strong> Vermögen.<br />
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von Godmo<strong>de</strong>Tra<strong>de</strong>r.<strong>de</strong><br />
38
Gastbeitrag von Frank Schäffler<br />
FDP-Politiker<br />
Kurzer Fahrplan zu ei<strong>ne</strong>r <strong>ne</strong>uen Geldordnung<br />
Der FDP-Politiker Frank Schäffler gilt vielen als „David Cameron <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>spolitik“. In unserer Son<strong>de</strong>rpublikation äußert er sich zu<br />
Zustand <strong>und</strong> Zukunft <strong>de</strong>r marktwirtschaftlichen Geldordnung.<br />
Geldkartell als Ursprung <strong>de</strong>r Schul<strong>de</strong>nkrise<br />
Die Schul<strong>de</strong>nkrise hat ihren Ursprung im Geldwesen. Per gesetzlicher<br />
Privilegierung erzeugen die Zentralbanken <strong>de</strong>r Staaten weltweit<br />
Geld aus <strong>de</strong>m Nichts, in<strong>de</strong>m sie zinsbelastete Kredite vergeben.<br />
Zusammen mit lizenzierten Geschäftsbanken, die zusätzlich<br />
Giralgeld schöpfen, bil<strong>de</strong>n sie ein Kartell. Der Staat sichert dieses<br />
Kartell ab, in<strong>de</strong>m er an<strong>de</strong>re Geldformen verbietet. Auch garantiert<br />
<strong>de</strong>r Staat mit Steuermitteln für ei<strong>ne</strong>n möglichen Ausfall beispielsweise<br />
<strong>de</strong>s Giralgelds, das nur ei<strong>ne</strong> For<strong>de</strong>rung an Banken darstellt.<br />
EZB: Planwirtschaftlicher Kreditgeber letzter Instanz ist Investor<br />
letzter Instanz<br />
Die Zentralbanken sind Kreditgeber letzter Instanz. In Europa<br />
ist das die Europäische Zentralbank (EZB). Um Investitio<strong>ne</strong>n zu<br />
tätigen, wird immer staatliches Geld benötigt. Und dieses Geld<br />
wird in letzter Instanz immer von <strong>de</strong>r Zentralbank nach technokratisch-planwirtschaftlichen<br />
Gr<strong>und</strong>sätzen ausgereicht. Die<br />
Zentralbank ist darum auch Investor letzter Instanz <strong>und</strong> schafft<br />
so ei<strong>ne</strong> mo<strong>ne</strong>tär bedingte Planwirtschaft.<br />
Verantwortungslosigkeit: Wenn Haftung <strong>und</strong> Entscheidung<br />
nicht zusammen fallen<br />
Dabei gibt es jedoch kei<strong>ne</strong>n persönlich haften<strong>de</strong>n Eigentümer.<br />
Das Risiko dieser Investitio<strong>ne</strong>n wird über <strong>de</strong>n Geldwert, <strong>de</strong>n sie<br />
gefähr<strong>de</strong>n, auf alle Bürger sozialisiert. Entscheid <strong>und</strong> Haftung<br />
fallen nicht zusammen. Ei<strong>ne</strong> Bürokrate<strong>ne</strong>lite entschei<strong>de</strong>t <strong>und</strong><br />
alle an<strong>de</strong>ren haften. Die Verantwortlichen in ei<strong>ne</strong>r Zentralbank<br />
verfügen dabei we<strong>de</strong>r über <strong>de</strong>n Anreiz, noch über das bessere<br />
Wissen, um gute Investitio<strong>ne</strong>n zu tätigen. Anreiz <strong>und</strong> Wissen<br />
dazu kön<strong>ne</strong>n nur bei persönlich voll haften<strong>de</strong>n <strong>und</strong> <strong>de</strong>zentral<br />
agieren<strong>de</strong>n Investoren liegen.<br />
Hayek: Wirtschaftsnobelpreis für Entstaatlichung <strong>de</strong>s Gel<strong>de</strong>s<br />
Nur weil Entscheid <strong>und</strong> Haftung in <strong>de</strong>r Vergangenheit nicht zusammenfielen<br />
<strong>und</strong> die Zentralbank zum Vorteil weniger belie-<br />
bige Mengen Geld erzeugen konnte, kam es zu unverantwortlichen<br />
Investitio<strong>ne</strong>n <strong>und</strong> zur Weltwirtschafts- <strong>und</strong> Schul<strong>de</strong>nkrise.<br />
Für die in sei<strong>ne</strong>r Krisen- <strong>und</strong> Konjunkturtheorie beschriebe<strong>ne</strong><br />
scheinbar einfache Erkenntnis, dass das gesetzliche Geldmonopol<br />
Wurzel schwerer Finanz- <strong>und</strong> Wirtschaftskrisen ist, erhielt<br />
Friedrich August von Hayek 1974 <strong>de</strong>n Wirtschaftsnobelpreis.<br />
Geld entsteht immer im Marktprozess <strong>und</strong> nie allein aus <strong>de</strong>m<br />
Nichts<br />
Die Geldordnung <strong>de</strong>r Zukunft muss darum ordnungspolitisch<br />
betrachtet ein einziges simples Kriterium erfüllen: Entscheid<br />
<strong>und</strong> Haftung müssen zusammenfallen. Das be<strong>de</strong>utet, dass<br />
alles Geld sein kann, worauf dieses Kriterium zutrifft. Es mag<br />
für manche unglaublich klingen, ist jedoch wahr: „Der Markt“,<br />
also frei han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong> Menschen, bringen dieses Geld von ganz<br />
allei<strong>ne</strong> hervor. Geld muss immer ein Gut sein, das nicht nur als<br />
Tauschmittel allei<strong>ne</strong> Wertschätzung erfährt. Wie sonst könnte<br />
ein Gut zum Geld wer<strong>de</strong>n, wenn niemand vorher <strong>de</strong>ssen Marktwert<br />
im Austausch gegen an<strong>de</strong>re Güter kennt? Wer sollte <strong>de</strong>n<br />
Wert ei<strong>ne</strong>s bedruckten Papiergel<strong>de</strong>s ken<strong>ne</strong>n <strong>und</strong> in Folge als<br />
Geld nachfragen, wenn es einfach aus <strong>de</strong>m Nichts entsteht?<br />
Solches Geld kann nicht sein, wie Ludwig von Mises durch sein<br />
Regressionstheorem <strong>de</strong>s Gel<strong>de</strong>s in sei<strong>ne</strong>r Habilitationsschrift<br />
„Theorie <strong>de</strong>s Gel<strong>de</strong>s <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Umlaufsmittel“ logisch aufzeigt.<br />
39
Das System von Bretton-Woods: Reste von Marktwirtschaft<br />
Auch unser heutiges Geld baut auf ei<strong>ne</strong>m Gut auf, das sich einst<br />
durch Angebot <strong>und</strong> Nachfrage auf <strong>de</strong>m Markt als allgemeingebräuchliches<br />
Tauschmittel herauskristallisierte. Dieses Gut ist<br />
Gold. Erst 1971 entkoppelte <strong>de</strong>r amerikanische Präsi<strong>de</strong>nt Nixon<br />
<strong>de</strong>n Dollar als Umlaufsmittel vom eigentlichen Geld, <strong>de</strong>m Gold.<br />
Bis dahin waren im Bretton-Woods-System fast alle wichtigen<br />
Währungen <strong>de</strong>r Welt durch feste Wechselkurse an <strong>de</strong>n Dollar<br />
<strong>und</strong> somit ans Gold gekoppelt. Die Währungen waren nichts an<strong>de</strong>res<br />
als ei<strong>ne</strong> For<strong>de</strong>rung, bzw. Geldzertifikat o<strong>de</strong>r Geldsurrogat<br />
auf Gold. Auch dieses politische System erlaubte jedoch bereits<br />
kei<strong>ne</strong>n freien Markt mehr, da die Staaten Gold als Hinterlegung<br />
<strong>und</strong> Geld fest vorschrieben. Das System baute lediglich auf <strong>de</strong>r<br />
marktwirtschaftlichen Vergangenheit auf, aus <strong>de</strong>r sich Gold als<br />
allgemein gebräuchliches Tauschmittel herauskristallisiert hatte.<br />
Weltweites Papiergel<strong>de</strong>xperiment: Einmalig in <strong>de</strong>r Menschheitsgeschichte<br />
Seit erst r<strong>und</strong> vierzig Jahren fin<strong>de</strong>t ein einmaliges Experiment in<br />
<strong>de</strong>r Menschheitsgeschichte statt: Weltweites Papiergeld oh<strong>ne</strong><br />
direkten Bezug zu ei<strong>ne</strong>m marktwirtschaftlichem Geld. Als Nixon<br />
die Einlösepflicht <strong>de</strong>s Dollars in Gold aufhob, fand nichts an<strong>de</strong>res<br />
statt, als ei<strong>ne</strong> Enteignung aller Geldhalter. Der Dollar <strong>und</strong><br />
mit ihm alle an<strong>de</strong>ren Papierwährungen konnten entsprechend<br />
<strong>de</strong>s Regressionstheorems nur bis heute überleben, weil es für<br />
sie auf Gr<strong>und</strong> ihrer Goldvergangenheit bereits ei<strong>ne</strong>n Marktpreis<br />
gab. Natürlich hat es immer wie<strong>de</strong>r regional begrenzte Versuche<br />
mit durch Staatsgewalt abgesichertem beliebig vermehrbarem<br />
Papiergeld gegeben. Diese Versuche sind bisher immer gescheitert,<br />
weil <strong>de</strong>r Wert dieses Gel<strong>de</strong>s auf Gr<strong>und</strong> <strong>de</strong>r Bereicherungssucht<br />
<strong>de</strong>r es beherrschen<strong>de</strong>n Klasse ins Bo<strong>de</strong>nlose fiel.<br />
Profiteure billigen Gel<strong>de</strong>s: Ihre Gier zerstört Geldwert <strong>und</strong> Realwirtschaft<br />
Vom billigen Geld profitieren schließlich die Erstempfänger <strong>de</strong>s<br />
<strong>ne</strong>uen Gel<strong>de</strong>s, weil sie reale Güter noch zu alten Preisen kaufen<br />
kön<strong>ne</strong>n. Erst allmählich entwertet sich dann das Geld, wenn<br />
es voll in Umlauf kommt. Diese Umverteilung über politisches<br />
Geld von „Unten“ nach „Oben“ <strong>ne</strong>nnt man Cantillon-Effekt. Die<br />
Erstempfänger <strong>de</strong>s <strong>ne</strong>uen Gel<strong>de</strong>s sind namentlich die Verantwortlichen<br />
in <strong>de</strong>n Banken <strong>und</strong> Regierungen. Dass diese Klientel<br />
<strong>de</strong>n Geldwert <strong>und</strong> mit ihm die Realwirtschaft <strong>und</strong> Wirtschaftsmoral<br />
wie<strong>de</strong>r gänzlich zerstört, kann noch vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />
Ein evolutionärer statt revolutionärer Übergang begleitet durch<br />
Zentralbanken <strong>und</strong> Politik ist möglich.<br />
Hin zur marktwirtschaftlichen Geldordnung: Evolution statt Revolution<br />
Noch hat <strong>de</strong>r Euro trotz Vervielfachung <strong>de</strong>r Geldbasis in <strong>de</strong>n<br />
vergange<strong>ne</strong>n Jahren seit Ausbruch <strong>de</strong>r Wirtschafts-, Schul<strong>de</strong>n-<br />
<strong>und</strong> Eurokrise ei<strong>ne</strong>n Wert. Noch genießt <strong>de</strong>r Euro ei<strong>ne</strong>n Rest an<br />
Vertrauen. Dies sollte man nutzen, um parallel an<strong>de</strong>re, von <strong>de</strong>n<br />
Geldnachfragern frei gewählte Geldarten zuzulassen. Die Geldnachfrager<br />
wür<strong>de</strong>n dabei nicht schlagartig auf <strong>de</strong>n Euro verzichten<br />
<strong>und</strong> auf werthaltigere Geldarten umstellen. Ein gewisser<br />
Ken<strong>ne</strong>nlern- <strong>und</strong> Gewöhnungsprozess müsste erst einsetzen.<br />
Gleichzeitig wäre die EZB in diesem Wettbewerb gezwungen,<br />
ihr Geldangebot zu verknappen, um <strong>de</strong>n Wert <strong>de</strong>s Euros gegenüber<br />
an<strong>de</strong>ren Geldarten sicherzustellen <strong>und</strong> attraktiv zu<br />
bleiben. Auch dies wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>r schockartigen Abwan<strong>de</strong>rung in<br />
an<strong>de</strong>re Geldarten wie Gold entgegenwirken. Gleichzeitig wür<strong>de</strong><br />
es auch ei<strong>ne</strong> gewisse Zeit in Anspruch <strong>ne</strong>hmen, bis die Banken<br />
ei<strong>ne</strong> Infrastruktur aufbauen. Diese braucht man für <strong>de</strong>n bargeldlosen<br />
Zahlungsverkehr in an<strong>de</strong>ren Geldarten als Euro, etwa die<br />
Bereitstellung von auf Gold lauten<strong>de</strong>n Giralgel<strong>de</strong>rn.<br />
So sieht die Zukunft ei<strong>ne</strong>r marktwirtschaftlichen Geldordnung<br />
aus<br />
In ei<strong>ne</strong>r solchen freien <strong>und</strong> marktwirtschaftlichen Geldordnung<br />
könnte je<strong>de</strong>r sei<strong>ne</strong> Geldnachfrage selbst bestimmen. Die Nachfrage<br />
wür<strong>de</strong> sich das stabilste Geld von ganz allei<strong>ne</strong> suchen.<br />
Das Geldangebot wäre bestrebt, diese Nachfrage zu bedie<strong>ne</strong>n.<br />
Kein Chaos <strong>und</strong> Nebe<strong>ne</strong>inan<strong>de</strong>r schier endloser Geldarten<br />
wäre die Folge. Ganz im Gegenteil wür<strong>de</strong>n sich wie durch das<br />
Regressionstheorem beschrieben einige Geldarten wie Gold<br />
<strong>und</strong> Silber herauskristallisieren. Auch Geldarten wie <strong>de</strong>r Bitcoin<br />
könnten sich – wo vorteilhaft – in Nischen durchsetzen. Diese<br />
Geldarten sind naturgemäß nicht beliebig vermehrbar, was<br />
das Missbrauchspotential geringstmöglich hält. Die Menschen<br />
entschei<strong>de</strong>n frei, wie viele Geldarten sie im Austausch verwen<strong>de</strong>n<br />
möchten <strong>und</strong> inwiefern sie zusätzliche Transaktionskosten<br />
durch mehr Geldarten in Kauf <strong>ne</strong>hmen möchten o<strong>de</strong>r nicht. Der<br />
Wettbewerb stabilisiert dieses System.<br />
40
Die Argumente <strong>de</strong>r Marktgeldskeptiker laufen fehl<br />
Die Vorteile <strong>de</strong>s Wettbewerbs liegen auf <strong>de</strong>r Hand. Wer etwa<br />
wür<strong>de</strong> ernsthaft argumentieren, Computer, Autos, Industrieroboter<br />
o<strong>de</strong>r Medikamente seien zu komplex, als dass man sie<br />
im Wettbewerb <strong>de</strong>r freien Wahl <strong>de</strong>r Konsumenten überlassen<br />
dürfe <strong>und</strong> statt<strong>de</strong>ssen diese Produkte als Monopol über <strong>de</strong>n<br />
Staat anbieten muss? Wer wür<strong>de</strong> ernsthaft argumentieren, <strong>de</strong>r<br />
Vergleich verschie<strong>de</strong><strong>ne</strong>r Anbieter dieser Produkte wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>n<br />
Konsumenten überfor<strong>de</strong>rn <strong>und</strong> zu hohe Transaktionskosten einführen,<br />
weswegen man nur ein einziges staatliches Monopol<br />
zulassen dürfe <strong>und</strong> beispielsweise statt normaler Autos wie<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>n Trabbi produziert? Diese Vorstellungen sind gera<strong>de</strong>zu<br />
absurd, wer<strong>de</strong>n aber für das Produkt Geld immer wie<strong>de</strong>r aufgeführt.<br />
Dabei ist Geld viel weniger komplex <strong>und</strong> transaktionskostenintensiv<br />
als viele an<strong>de</strong>re Produkte. Selbst ein Bleistift hat<br />
ei<strong>ne</strong> höhere Komplexität. Niemand auf <strong>de</strong>r Welt kann ihn allein<br />
herstellen. Es gilt: Eben weil Geld so einfach zu verstehen <strong>und</strong> zu<br />
gebrauchen ist, entwickelt es sich ja überhaupt zum allgemeingebräuchlichen<br />
Tauschmittel.<br />
Die Rolle <strong>de</strong>s Staates in <strong>de</strong>r marktwirtschaftlichen Geldordnung<br />
Freilich muss <strong>de</strong>r Staat Regeln bereitstellen, die die Freiheit,<br />
Freiwilligkeit <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Eigentumsschutz <strong>de</strong>r Bürger auch beim<br />
Geld sicherstellen. Niemand soll auf Kosten an<strong>de</strong>rer wirtschaften,<br />
son<strong>de</strong>rn alle nur zum gemeinsamen Vorteil. So darf in ei<strong>ne</strong>r<br />
marktwirtschaftlichen Geldordnung beispielsweise kei<strong>ne</strong><br />
Bank ein Konto anbieten <strong>und</strong> vorgeben, dies zu hun<strong>de</strong>rt Prozent<br />
mit <strong>de</strong>m eingezahlten Geld zu hinterlegen, wenn sie dies<br />
gar nicht tut, son<strong>de</strong>rn das Geld weiter verleiht. Das ist Betrug,<br />
<strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong> muss klar erken<strong>ne</strong>n kön<strong>ne</strong>n, zu welchem Teil<br />
sein Kontoguthaben <strong>und</strong> Giralgeld ei<strong>ne</strong> bloße For<strong>de</strong>rung gegen<br />
die Bank darstellt <strong>und</strong> somit ei<strong>ne</strong>m Ausfallrisiko unterliegt<br />
(Geldsurrogat) <strong>und</strong> zu welchem Teil das Kontoguthaben voll<br />
durch Geld im Banktresor hinterlegt ist (Geldzertifikat). Wird<br />
zugesagt, das eingezahlte Geld voll zu hinterlegen, muss dies<br />
auch eingehalten wer<strong>de</strong>n. Freilich kann je<strong>de</strong> Bank darauf verzichten,<br />
Hinterlegungszusagen abzugeben. Dann wäre auch<br />
Giralgeldschöpfung wie heutzutage möglich. Den Weg hin<br />
zu dieser marktwirtschaftlichen Geldordnung zur Lösung <strong>de</strong>r<br />
Schul<strong>de</strong>nkrise haben Norbert Tofall <strong>und</strong> ich in unserem Paper<br />
„Währungswettbewerb als Evolutionsverfahren“ für das Liberale<br />
Institut bereits im März 2011 ausführlich dargelegt.<br />
Die Banken <strong>und</strong> Regierungen haben nur ei<strong>ne</strong> gewisse Kontrolle<br />
über das Geld, da es immer ursprünglich aus ei<strong>ne</strong>m freien<br />
Marktprozess heraus entsteht. Die ökonomischen Gesetze gelten<br />
unabhängig von Politik. Auch das staatliche Geldmonopol<br />
lässt sich nicht beliebig missbrauchen, da <strong>de</strong>r Geldwert irgendwann<br />
<strong>de</strong>rart sinkt, dass niemand mehr dieses Geld annimmt.<br />
Und das wertlose Geld lässt sich dann auch nicht mehr durch<br />
Gewalt <strong>und</strong> Zwang gegen an<strong>de</strong>re Geldarten verteidigen. Die<br />
Rückkehr zu <strong>und</strong> Fortentwicklung ei<strong>ne</strong>r marktwirtschaftlichen<br />
Geldordnung ist somit zwangsläufig. Die Frage ist nur, ob <strong>de</strong>r<br />
Weg dahin vernünftig, weil rechtzeitig <strong>und</strong> evolutionär eingeschlagen<br />
wird. Die Alternative ist <strong>de</strong>r fortgesetzte Exzess <strong>de</strong>s<br />
Geldmissbrauchs <strong>und</strong> ein logisch nachfolgen<strong>de</strong>r schockartiger<br />
Umbruch wie etwa nach <strong>de</strong>r Weltwirtschaftskrise 1929. Noch<br />
könnten wir diesen totalen Exzess stoppen. Aber auch wenn <strong>de</strong>r<br />
Geldsystemzusammenbruch schlagartig kommt, ist es wichtig,<br />
dass die Bevölkerung dann bereits die richtigen Lösungen kennt<br />
<strong>und</strong> entsprechen<strong>de</strong> Fachleute an <strong>de</strong>n richtigen Stellen sitzen,<br />
um ei<strong>ne</strong>n Neubeginn zu ermöglichen. Genau dies streben kluge<br />
Politiker <strong>und</strong> Ökonomen weltweit an, um ei<strong>ne</strong>n Rückfall in<br />
totalitäre, menschenfeindliche <strong>und</strong> sozialistische Systeme als<br />
archaische Antwort auf die Fortsetzung <strong>de</strong>r Krise zu verhin<strong>de</strong>rn.<br />
Wann hat Noah die Arche gebaut? Vor <strong>de</strong>r Sintflut!<br />
Frank Schäffler (Jahrgang 1968) plädiert als FDP-Politiker <strong>und</strong><br />
entschie<strong>de</strong><strong>ne</strong>r Wirtschaftsliberaler für ei<strong>ne</strong>n Staat, <strong>de</strong>r nur die<br />
gr<strong>und</strong>legendsten Aufgaben übernimmt <strong>und</strong> sei<strong>ne</strong>n Bürgen<br />
die höchstmögliche Freiheit lässt. Seit einigen Jahren als wirtschaftspolitischer<br />
FDP-Fraktionsrebell bekannt, hat sich Schäffler<br />
vor allem auf Angela Merkels Europa-Politik eingeschossen:<br />
Griechenland-Hilfen <strong>und</strong> europäische Stabilitätsprogramme<br />
lehnt er vehement ab. Im Frühjahr 2010 for<strong>de</strong>rte er Griechenland<br />
auf, unbewohnte Inseln zu verkaufen, um die Finanzlage<br />
zu verbessern. Im Sommer 2011 setzte sich Schäffler in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit<br />
für die Abschaffung <strong>de</strong>s staatlichen Geldmonopols<br />
ein <strong>und</strong> kritisierte scharf die Politik <strong>de</strong>r Zentralbanken.<br />
41
Jochen Stanzl<br />
E<strong>de</strong>lmetall- <strong>und</strong> Rohstoffexperte<br />
Komplementärwährungen: Regio<strong>ne</strong>n rücken näher zusammen<br />
Die Euroschul<strong>de</strong>nkrise greift um sich. Während sich alle Welt Gedanken um ei<strong>ne</strong> Lösung macht, wie es mit <strong>de</strong>m Euro weiter geht,<br />
drucken sie im Chiemgau ihr Geld einfach selbst. Und die Regierung unterstützt das. Mit Protest o<strong>de</strong>r Auflehnung gegen <strong>de</strong>n Euro<br />
hat das allerdings nichts zu tun. Im Gegenteil: Der Chiemgauer wur<strong>de</strong> jüngst vom ehemaligen Finanzminister Theo Waigel als ei<strong>ne</strong><br />
„interessante, regionale Entwicklung“ bezeich<strong>ne</strong>t, die er unterstützt. Der Chiemgauer ist kein Einzelfall. Komplementärwährungen<br />
haben Hochkonjunktur.<br />
Je<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r einmal in ei<strong>ne</strong>m Freizeitpark von Walt Dis<strong>ne</strong>y war,<br />
wur<strong>de</strong> schon damit konfrontiert: Mit <strong>de</strong>m Dis<strong>ne</strong>y-Dollar. Das<br />
Konzept <strong>de</strong>r Komplementärwährungen macht weltweit Schule.<br />
Während <strong>de</strong>r Dis<strong>ne</strong>y-Dollar wohl primär aufgr<strong>und</strong> sei<strong>ne</strong>s Unterhaltungswertes<br />
eingeführt wur<strong>de</strong>, hofft man in Japan mit ei<strong>ne</strong>r<br />
ähnlichen Komplementärwährung <strong>de</strong>n Weg aus <strong>de</strong>r jahrzehntelangen<br />
Deflation fin<strong>de</strong>n zu kön<strong>ne</strong>n. Der Weg: Stärkere lokale<br />
Kooperation. Das Ziel: Ei<strong>ne</strong> verbesserte lokale Kreditaufnahme.<br />
Auch wenn die Hoffnung, die Deflation zu überwin<strong>de</strong>n, überzogen<br />
war, zeigte gera<strong>de</strong> die Zeit nach <strong>de</strong>m Erdbeben von Kobe,<br />
dass Komplementärwährungen auf lokaler Ebe<strong>ne</strong> wirksam die<br />
Wirtschaftstätigkeit verbessern konnten. In Japan entstan<strong>de</strong>n<br />
im Jahr 1995 <strong>und</strong> danach Netzwerke, in <strong>de</strong><strong>ne</strong>n soziale Pflegedienste<br />
entwe<strong>de</strong>r in Yen abgerech<strong>ne</strong>t o<strong>de</strong>r auch auf Zeitkonten<br />
gutgeschrieben wer<strong>de</strong>n kön<strong>ne</strong>n. Diese Zeitgutschriften kön<strong>ne</strong>n<br />
auch an Familienmitglie<strong>de</strong>r übertragen wer<strong>de</strong>n, etwa an solche,<br />
die hilfsbedürftig sind.<br />
Die I<strong>de</strong>e von Komplementärwährungen ist nicht <strong>ne</strong>u. Vor gut<br />
einhun<strong>de</strong>rt Jahren gab es in Deutschland bereits das Wära-<br />
Geld. Es trug dazu bei, dass ein Braunkohlebergwerk in Schwa<strong>ne</strong>nkirchen<br />
nordöstlich von München trotz Weltwirtschaftkrise<br />
zwischen 1926 <strong>und</strong> 1931 wie<strong>de</strong>r in Betrieb genommen wer<strong>de</strong>n<br />
konnte, in<strong>de</strong>m die damals in Erfurt ansässige Wära-Tauschgesellschaft<br />
ei<strong>ne</strong>n Kredit in Wära ausstellte, <strong>de</strong>n die Banken in<br />
Schwa<strong>ne</strong>nkirchen bis dato vehement ablehnten. Das Beson<strong>de</strong>re<br />
am Wära-Geld: Es hatte ei<strong>ne</strong>n monatlichen Wert-Schw<strong>und</strong> von<br />
ei<strong>ne</strong>m Prozent – musste also möglichst bald wie<strong>de</strong>r in Umlauf<br />
gebracht wer<strong>de</strong>n. Das Ziel hier: Die Geldumlaufgeschwindigkeit<br />
soll erhöht wer<strong>de</strong>n, <strong>und</strong> damit die Wirtschaftstätigkeit. Der<br />
Schw<strong>und</strong> konnte aber auch durch <strong>de</strong>n Erwerb von Wertmarken<br />
ausgeglichen wer<strong>de</strong>n – das war aber nur unter Inkaufnahme<br />
zusätzlicher Kosten möglich. Trotz <strong>de</strong>s Erfolges – in Schwa<strong>ne</strong>nkirchen<br />
arbeiteten 1931 wie<strong>de</strong>r 60 Bergleute <strong>und</strong> das Wära-<br />
Geld brachte ei<strong>ne</strong>n wirtschaftlichen Aufschwung, <strong>de</strong>r die ganze<br />
Region erfasste – verbot das Reichsfinanzministerium im<br />
Zusammenhang mit <strong>de</strong>n Brüningschen Notverordnungen von<br />
1931 das Wära-Experiment in Schwa<strong>ne</strong>nkirchen. In Schwa<strong>ne</strong>nkirchen<br />
<strong>und</strong> Umgebung breiteten sich nach <strong>de</strong>m Wära-Verbot<br />
wie<strong>de</strong>r Arbeitslosigkeit <strong>und</strong> wirtschaftlicher Nie<strong>de</strong>rgang aus.<br />
Sie sind also effizient, die Komplementärwährungen. Vielleicht<br />
hat man sich <strong>de</strong>swegen siebzig Jahre später wie<strong>de</strong>r an sie<br />
erin<strong>ne</strong>rt. Im Oktober 2001 begann <strong>de</strong>r Trend <strong>de</strong>r Regionalwährungen<br />
in Deutschland nämlich von <strong>ne</strong>uem. Damals wur<strong>de</strong><br />
in Bremen ein regional begrenzter Gutscheinring eingeführt –<br />
zahlreiche weitere folgten in Städten wie das bereits genannte<br />
Chiemgau, Ainring, Pfaffenhofen, Göttingen, Witzenhausen,<br />
Gießen, Hagen, Schopfheim, Siegen, Berlin, Düsseldorf, Dres<strong>de</strong>n,<br />
Kamenz, Zwönitz, Hitzacker o<strong>de</strong>r Neustadt. Sie unterschei<strong>de</strong>n<br />
sich in ihrer gr<strong>und</strong>sätzlichen Ausgestaltung, sind aber nie<br />
ei<strong>ne</strong> konkurrieren<strong>de</strong> Einrichtung zum Euro, son<strong>de</strong>rn stets an ihn<br />
gebun<strong>de</strong>n <strong>und</strong> auch in <strong>de</strong>n Euro zurücktauschbar.<br />
Als erstes in ganz Deutschland bekannt wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Chiemgauer.<br />
Er war eigentlich als klei<strong>ne</strong>s Projekt ei<strong>ne</strong>r Walldorfschule ins<br />
Leben gerufen wor<strong>de</strong>n, die sich mit ei<strong>ne</strong>r eige<strong>ne</strong>n Währung finanzieren<br />
wollte, wenn Menschen in umliegen<strong>de</strong>n Geschäften<br />
42
einkaufen gehen. Die Unter<strong>ne</strong>hmen sollten dabei ei<strong>ne</strong>n Teil ihrer<br />
Umsätze, die sie mit <strong>de</strong>m Geld erwirtschaften, an die Schule<br />
spen<strong>de</strong>n. Im Gegenzug machte die Schule auf alle teil<strong>ne</strong>hmen<strong>de</strong>n<br />
Unter<strong>ne</strong>hmen aufmerksam, wodurch je<strong>de</strong>r Teil<strong>ne</strong>hmer<br />
ei<strong>ne</strong>n Vorteil hatte. Das Projekt, das im Jahr 2003 mit 70.000<br />
„Chiemgauern“ gestartet wur<strong>de</strong>, mauserte sich sch<strong>ne</strong>ll zu <strong>de</strong>m<br />
größten Regionalprojekt sei<strong>ne</strong>r Art in Deutschland. Heute wur<strong>de</strong>n<br />
bereits fünf Millio<strong>ne</strong>n „Chiemgauer“ ausgegeben <strong>und</strong> die<br />
Zahl <strong>de</strong>r teil<strong>ne</strong>hmen<strong>de</strong>n Unter<strong>ne</strong>hmen wuchs seit 2003 von 20<br />
auf 625.<br />
Der „Chiemgauer“ kann im Verhältnis eins zu eins gegen Euro<br />
an mittlerweile 42 Ausgabestellen erworben wer<strong>de</strong>n – das<br />
sind vor allem die lokalen Banken. Wer Chiemgauer zurück in<br />
Euro tauschen möchte, zahlt ei<strong>ne</strong> Gebühr. Außer<strong>de</strong>m verliert<br />
das <strong>ne</strong>ue Papiergeld an Wert. Immer zum Quartalsen<strong>de</strong> muss<br />
man <strong>de</strong>n Chiemgauer er<strong>ne</strong>uern. Mit ei<strong>ne</strong>r Marke, die für 2% <strong>de</strong>s<br />
jeweiligen Gutscheinwerts erworben wer<strong>de</strong>n muss, wird <strong>de</strong>r<br />
Chiemgauer er<strong>ne</strong>uert. Schei<strong>ne</strong>, die älter als drei Jahre sind, wer<strong>de</strong>n<br />
ungültig. Das Ziel: Die Umlaufgeschwindigkeit soll erhöht<br />
wer<strong>de</strong>n – diesen Gedanken verfolgte bereits das Wära-Geld vor<br />
siebzig Jahren. Außer<strong>de</strong>m kann <strong>de</strong>r Chiemgauer oh<strong>ne</strong> Verlust<br />
direkt bei teil<strong>ne</strong>hmen<strong>de</strong>n Unter<strong>ne</strong>hmen zum Kauf von Gütern<br />
<strong>und</strong> Dienstleistungen eingesetzt wer<strong>de</strong>n – wie normales Geld<br />
eben auch. Der Vorteil dabei ist aber, dass <strong>de</strong>r Umsatz bei <strong>de</strong>n<br />
Unter<strong>ne</strong>hmen in <strong>de</strong>r Region lan<strong>de</strong>t <strong>und</strong> nicht irgendwo an<strong>de</strong>rs.<br />
Die teil<strong>ne</strong>hmen<strong>de</strong>n Unter<strong>ne</strong>hmen zahlen beim Rücktausch <strong>de</strong>s<br />
„Chiemgauer“ ei<strong>ne</strong> Gebühr zwischen 5-10% <strong>de</strong>s Tauschwertes<br />
– davon gehen 2% an die Gesellschaft <strong>de</strong>s „Chiemgauer“<br />
– während <strong>de</strong>r Rest an ei<strong>ne</strong> Einrichtung gespen<strong>de</strong>t wird, die sich<br />
das Unter<strong>ne</strong>hmen aussuchen kann – etwa ei<strong>ne</strong> Schule o<strong>de</strong>r<br />
ei<strong>ne</strong>n Kin<strong>de</strong>rgarten. Mittlerweile stehen 234 teil<strong>ne</strong>hmen<strong>de</strong>n<br />
Verei<strong>ne</strong> <strong>und</strong> Einrichtungen zur Auswahl. Neben <strong>de</strong>m sozialen<br />
Zweck zeigt sich ein weiterer positiver Effekt: Die teil<strong>ne</strong>hmen<strong>de</strong>n<br />
Unter<strong>ne</strong>hmen berichten über wachsen<strong>de</strong> Kun<strong>de</strong>nbindung <strong>und</strong><br />
steigen<strong>de</strong> Einnahmen. Ähnliche Entwicklungen gibt es auch in<br />
an<strong>de</strong>ren Regio<strong>ne</strong>n Deutschlands, wo Komplementärwährungen<br />
eingeführt wur<strong>de</strong>n.<br />
Aber auch in an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn verbreiten sich Komplementärwährungen.<br />
In Griechenland, wo das Nicht-bezahlen von Steuern,<br />
Bustickets o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren staatlichen Abgaben mittlerweile<br />
schon zum Volkssport gewor<strong>de</strong>n ist, kommen Alternativen zum<br />
Euro gut an. Das Onli<strong>ne</strong>-Tausch-Netzwerk Ovolos.gr hat nach<br />
<strong>de</strong>m Start En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Jahres 2010 bereits über 5000 Mitglie<strong>de</strong>r.<br />
Sie kön<strong>ne</strong>n beliebige Dienstleistungen <strong>und</strong> Produkte kaufen,<br />
verkaufen o<strong>de</strong>r han<strong>de</strong>ln. Die an <strong>de</strong>r Ostküste Griechenlands beliebte<br />
virtuelle Währung TEM ist ein weiteres Beispiel. Es wird<br />
als „lokales Tausch- <strong>und</strong> Solidaritäts<strong>ne</strong>tzwerk Mag<strong>ne</strong>sia“ angepriesen<br />
<strong>und</strong> erfreut sich wachsen<strong>de</strong>r Beliebtheit, da TEMs zwar<br />
durch Euros, aber alternativ auch durch Arbeitsleistung o<strong>de</strong>r<br />
Tauschgeschäfte erworben wer<strong>de</strong>n kön<strong>ne</strong>n. Die Athe<strong>ne</strong>r Zeitbank<br />
– ein weiteres Konzept – verfolgt ei<strong>ne</strong>n an<strong>de</strong>ren Ansatz.<br />
Bei ihr kön<strong>ne</strong>n Arbeitsleistungen getauscht wer<strong>de</strong>n – also etwa<br />
Auto putzen gegen Haare sch<strong>ne</strong>i<strong>de</strong>n. Die Leistungen kön<strong>ne</strong>n<br />
aber nur erarbeitet, nicht aber mit Euros gekauft wer<strong>de</strong>n.<br />
Autor: Jochen Stanzl<br />
Fazit: Komplementärwährungen sind natürlich kei<strong>ne</strong> Lösung<br />
für die Probleme <strong>de</strong>r Euroschul<strong>de</strong>nkrise. Aber es zeigt sich,<br />
dass es ein Fehler sein kann, nur nach <strong>de</strong>r Globalisierung als<br />
Allheilmittel zu rufen, <strong>und</strong> dabei die Nachbarschaftshilfe <strong>und</strong><br />
das unmittelbare soziale Umfeld zu vergessen. Komplementärwährungen<br />
tragen dazu bei, Regio<strong>ne</strong>n näher zusammenrücken<br />
zu lassen – ei<strong>ne</strong> positive Entwicklung.<br />
Anmeldung Rohstoff-Report http://rohstoff-report.<strong>de</strong><br />
Mei<strong>ne</strong>n Blog fin<strong>de</strong>n Sie unter http://<strong>www</strong>.limitup.<strong>de</strong><br />
Jochen Stanzl ist bei BörseGo AG Chefredakteur <strong>de</strong>s wöchentlich<br />
erschei<strong>ne</strong>n<strong>de</strong>n „Rohstoff-Reports“. Stanzl ist zu<strong>de</strong>m als<br />
Referent auf Fachtagungen <strong>und</strong> als Interviewpart<strong>ne</strong>r von Wirtschaftsmedien<br />
geschätzt. Er ist außer<strong>de</strong>m Co-Autor von „Der<br />
große Rohstoff-Gui<strong>de</strong>“.<br />
43
Jochen Stanzl<br />
E<strong>de</strong>lmetall- <strong>und</strong> Rohstoffexperte<br />
Gold ist Geld? Warum?<br />
Gold ist Geld. Das ist im Bewusstsein <strong>de</strong>r Menschen tief verankert. Schon seit Jahrhun<strong>de</strong>rten wur<strong>de</strong> immer wie<strong>de</strong>r dann zum Gold<br />
gegriffen, wenn Sicherheit <strong>de</strong>r gewünschte Fluchtpunkt war. Und das ist auch heute so.<br />
Ein auswuchern<strong>de</strong>r globaler Kreditberg – er ist <strong>de</strong>r Preis, <strong>de</strong>n es<br />
zu bezahlen galt, um die Supernova <strong>de</strong>s Finanzsystems im Jahr<br />
2008 einzudämmen. Dieser Berg wird immer höher, immer<br />
niedriger wird hingegen <strong>de</strong>r intrinsische Wert <strong>de</strong>s Papiergel<strong>de</strong>s,<br />
das Vertrauen, dass es erst funktional wer<strong>de</strong>n lässt.<br />
Laut <strong>de</strong>m Berli<strong>ne</strong>r Steinbeis-Institut hat seit 2008 fast ein Viertel<br />
<strong>de</strong>r Deutschen Gold gekauft. 50% fürchten sich vor ei<strong>ne</strong>r<br />
Wä<strong>hrungsreform</strong>, ebenso viele treibt die Gefahr ei<strong>ne</strong>r höheren<br />
Inflation um, wobei sie <strong>de</strong>m Gold ei<strong>ne</strong> Schutzfunktion gegen<br />
bei<strong>de</strong>s beimessen. Gold ist Geld – das schei<strong>ne</strong>n immer mehr<br />
Menschen wie<strong>de</strong>r für sich zu ent<strong>de</strong>cken.<br />
Heute gibt es auf <strong>de</strong>r Welt kei<strong>ne</strong>n formalen Goldstandard mehr.<br />
Die Gold<strong>de</strong>ckungspflicht <strong>de</strong>r westlichen Zentralbanken wur<strong>de</strong><br />
formell am 17. März 1968 aufgehoben. Die Schweiz, die sich<br />
zunächst gegen diese aus <strong>de</strong>n USA ausgehen<strong>de</strong> Demo<strong>ne</strong>tisierung<br />
<strong>de</strong>s Gol<strong>de</strong>s wandte, gab schlussendlich im Jahr 1999 die<br />
Goldbindung <strong>de</strong>s Frankens auf. In diesem Artikel blicken wir in<br />
die Vergangenheit <strong>de</strong>s Gol<strong>de</strong>s als Währung.<br />
Der 100%-Goldstandard<br />
Es gibt gr<strong>und</strong>sätzliche Unterschie<strong>de</strong> zwischen verschie<strong>de</strong><strong>ne</strong>n<br />
Konstruktio<strong>ne</strong>n von Goldstandards. Ein hun<strong>de</strong>rtprozentiger<br />
Goldstandard existiert, wenn in ei<strong>ne</strong>m Währungssystem je<strong>de</strong>r<br />
Banknote <strong>und</strong> je<strong>de</strong>r Münze ei<strong>ne</strong> entsprechen<strong>de</strong> Menge Gold<br />
gegenübersteht <strong>und</strong> Münzen sowie Banknoten gegen Gold<br />
eingetauscht wer<strong>de</strong>n kön<strong>ne</strong>n. Ein hun<strong>de</strong>rtprozentiger Goldstandard<br />
wäre im aktuellen Umfeld nicht möglich, sagen Kritiker, da<br />
mit <strong>de</strong>m Wert <strong>de</strong>s weltweit vorhan<strong>de</strong><strong>ne</strong>n Gol<strong>de</strong>s (ca. 142.000<br />
Ton<strong>ne</strong>n) nur ein klei<strong>ne</strong>r Teil <strong>de</strong>s Welthan<strong>de</strong>ls betrieben wer<strong>de</strong>n<br />
könnte. Es müsste dann schon zu ei<strong>ne</strong>r kräftigen Aufwertung<br />
<strong>de</strong>s Gol<strong>de</strong>s kommen, heißt es.<br />
Der Schweizer Goldanalyst Egon von Greyerz berech<strong>ne</strong>te,<br />
dass <strong>de</strong>r Goldpreis bis auf ei<strong>ne</strong>n Wert von 53.000 Dollar steigen<br />
müsste, um <strong>de</strong>n gesamten weltweiten Han<strong>de</strong>l durch physisches<br />
Gold <strong>de</strong>cken zu kön<strong>ne</strong>n. Dies hätte jedoch weitere<br />
Implikatio<strong>ne</strong>n. Bei ei<strong>ne</strong>m vollständigen Goldstandard wird die<br />
Rate <strong>de</strong>r Inflation durch die Menge an <strong>de</strong>r Goldför<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />
Mi<strong>ne</strong>n bestimmt, wie <strong>de</strong>r kalifornische Universitätsprofessor<br />
Barry Eichengreen in sei<strong>ne</strong>m Werk „Der Goldstandard in <strong>de</strong>r<br />
Theorie <strong>und</strong> Vergangenheit“ anmerkt. Dies habe sich bereits in<br />
vergange<strong>ne</strong>n Goldstandards <strong>ne</strong>gativ bemerkbar gemacht: Bei<br />
ei<strong>ne</strong>m hohen Goldpreis för<strong>de</strong>rten die Goldmi<strong>ne</strong>n mehr <strong>und</strong> dies<br />
entwertete die Kaufkraft <strong>de</strong>r bestehen<strong>de</strong>n Goldmenge. Da die<br />
Goldför<strong>de</strong>rmenge <strong>de</strong>r Mi<strong>ne</strong>n ei<strong>ne</strong> Funktion <strong>de</strong>s Goldpreises ist,<br />
dürften steigen<strong>de</strong> Preise zu höheren Ausstoßmengen führen,<br />
was ei<strong>ne</strong> nicht zu vernachlässigen<strong>de</strong> Größe in ei<strong>ne</strong>m hun<strong>de</strong>rtprozentigen<br />
Goldstandard wäre. Betrachtet man die Tatsache,<br />
dass China noch vor r<strong>und</strong> fünf Jahren nur ein vernachlässigbarer<br />
Randproduzent von Gold, heute aber <strong>de</strong>r größte weltweit<br />
ist, dann weis man, dass hohe Preise am Rohstoffmarkt immer<br />
auch völlig unvorhergesehen zu kräftig steigen<strong>de</strong>n Angebotsmengen<br />
führen kön<strong>ne</strong>n. Auch Chinas Aufstieg zum weltgrößten<br />
Goldproduzenten traf viele westliche Beobachter völlig überraschend.<br />
Entsprechend hoch wäre somit auch die Gefahr ei<strong>ne</strong>r<br />
Inflation – selbst in<strong>ne</strong>rhalb ei<strong>ne</strong>s Goldstandards.<br />
Goldrausch in Kalifornien im Jahr 1850<br />
Die Befürworter ei<strong>ne</strong>s einhun<strong>de</strong>rtprozentigen Goldstandards<br />
argumentieren jedoch an<strong>de</strong>rs. So schreibt etwa <strong>de</strong>r Volkswirt<br />
Hans-Hermann Hoppe, ein Anhänger <strong>de</strong>r österreichischen<br />
Schule <strong>de</strong>r Ökonomie, dass sich in<strong>ne</strong>rhalb ei<strong>ne</strong>s <strong>ne</strong>uen Währungssystems<br />
<strong>de</strong>r Arbeits- <strong>und</strong> Gütermarkt an die <strong>ne</strong>ue Geld-<br />
44
menge anpassen wür<strong>de</strong>. Die Preise <strong>de</strong>r Güter wür<strong>de</strong>n sich laut<br />
Hoppe an die Geldmenge anpassen. So wäre es selbst bei ei<strong>ne</strong>r<br />
Halbierung <strong>de</strong>r jemals geför<strong>de</strong>rten Goldmenge von 142.000<br />
Ton<strong>ne</strong>n noch möglich, ei<strong>ne</strong>n hun<strong>de</strong>rtprozentigen Goldstandard<br />
einzuführen. Außer<strong>de</strong>m, so argumentiert Hoppe, sei <strong>de</strong>r Wert<br />
<strong>de</strong>s Gol<strong>de</strong>s unabhängig von Einheiten von Papierwährungen.<br />
„Der Goldpreis in Einheiten von Papier ist irrelevant“, schreibt er.<br />
Neben <strong>de</strong>m vollen Goldstandard (100%-Deckung) gibt es folgen<strong>de</strong><br />
Arten von Goldstandards:<br />
• Goldumlaufswährung: Goldmünzen die<strong>ne</strong>n als Zahlungsmittel.<br />
• Gold<strong>de</strong>visenwährung: Zentralbankreserven kön<strong>ne</strong>n aus <strong>de</strong>n<br />
Devisen an<strong>de</strong>rer Goldwährungslän<strong>de</strong>r bestehen. Das war vor<br />
<strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Goldkonvertibilität <strong>de</strong>s US-Dollars 1971 in <strong>de</strong>r<br />
Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland <strong>de</strong>r Fall.<br />
• Goldkernwährung: Papiergeld läuft um <strong>und</strong> Gold wird bei <strong>de</strong>r<br />
Zentralbank als Reserve gehalten. Dabei haben Private aber<br />
kei<strong>ne</strong>n Anspruch mehr auf Goldmünzen beim Einwechseln<br />
von Banknoten o<strong>de</strong>r Schei<strong>de</strong>münzen bei <strong>de</strong>r Zentralbank.<br />
Bimetallismus: Lange Zeit Standard<br />
Gold ist seit eh <strong>und</strong> je ein Zahlungsmittel. Warum gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>m<br />
Gold ei<strong>ne</strong> hohe mo<strong>ne</strong>täre Funktion beigemessen wur<strong>de</strong>, ist unklar.<br />
Die am häufigsten genannten Grün<strong>de</strong> sind, dass es dasjenige<br />
natürliche Gut ist, das es in ausreichen<strong>de</strong>r Menge gibt, <strong>und</strong><br />
vermutlich auch <strong>de</strong>shalb, da es im Vergleich zu an<strong>de</strong>ren Rohstoffen<br />
über die Zeit am wenigsten an Wert einbüßt. Das erste<br />
Gold wur<strong>de</strong> historischen Aufzeichnungen zufolge 610 Jahre<br />
vor Christus in Anatolien geschürft. Die ersten Goldmünzen<br />
tauchten zehn Jahre später in China auf. In Europa ist die erste<br />
Goldmünze – <strong>de</strong>r Solidus <strong>de</strong>r Römer – erst 900 Jahre später<br />
eingeführt wor<strong>de</strong>n. Er galt in ganz Europa als Zahlungsmittel.<br />
Doch auch die Macht <strong>de</strong>s byzantinischen Reiches ging zu En<strong>de</strong>,<br />
<strong>und</strong> damit verlor das Gold zu<strong>ne</strong>hmend an Be<strong>de</strong>utung, während<br />
Silber an Popularität gewann.<br />
Die bereits 200 Jahre vor <strong>de</strong>m Solidus eingeführten römischen<br />
Silbermünzen, die Denare, wur<strong>de</strong>n 796 nach Christus zum<br />
Vorbild für die britischen Pennies, <strong>und</strong> Nachahmerprodukte<br />
– ei<strong>ne</strong> Art Euro <strong>de</strong>s Mittelalters – gab es dann schon bald in<br />
ganz Europa. Da gab es die französischen Deniers, die spanischen<br />
Di<strong>ne</strong>ros <strong>und</strong> die italienischen Denari. Der limitieren<strong>de</strong><br />
Faktor war bis dahin immer die mengenmäßige Verfügbarkeit<br />
<strong>de</strong>s Silbers gewesen. Erst durch die Ent<strong>de</strong>ckung von großen<br />
Silbervorkommen in Bolivien <strong>und</strong> Mexiko im 16. Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />
gab es <strong>de</strong>n ersten weltweiten Silberstandard – die spanischen<br />
Dollars, die Maria-Theresa-Taler <strong>und</strong> später <strong>de</strong>r US-Tra<strong>de</strong>-Dollar<br />
waren allesamt Silbermünzen, auf die sich dann <strong>de</strong>r Welthan<strong>de</strong>l<br />
stützte.<br />
Doch dann geriet das Währungssystem, das aus Großbritannien<br />
geführt wur<strong>de</strong>, er<strong>ne</strong>ut aus <strong>de</strong>n Fugen. Gold wur<strong>de</strong> immer<br />
selte<strong>ne</strong>r, dadurch teurer <strong>und</strong> die Gui<strong>ne</strong>a-Münzen – das waren<br />
die britischen Silbermünzen, die eigentlich nur zwanzig Schilling<br />
wert sein sollten - stiegen zeitweise auf ei<strong>ne</strong>n Wert von<br />
dreißig Schilling, weil <strong>de</strong>r Silberpreis – wie das übrigens heute<br />
noch <strong>de</strong>r Fall ist – eng korreliert mit <strong>de</strong>m Goldpreis an Wert gewann.<br />
Das lag auch daran, dass an<strong>de</strong>re Län<strong>de</strong>r wie die USA<br />
Gold- <strong>und</strong> Silbermünzen in festen Mengenverhältnissen zueinan<strong>de</strong>r<br />
prägten <strong>und</strong> daher bei<strong>de</strong> Metalle in verschie<strong>de</strong><strong>ne</strong>n Verhältnissen<br />
benötigt wur<strong>de</strong>n. Im Jahr 1717 entschied sich die britische<br />
Münzprägeanstalt unter Führung von Sir Isaac Newton,<br />
<strong>de</strong>n Wert <strong>de</strong>r Gui<strong>ne</strong>a-Silbermünzen zu fixieren. Damit wur<strong>de</strong>n<br />
die Silbermünzen aus <strong>de</strong>r Zirkulation getrieben, da es sich nicht<br />
mehr lohnte, sie herzustellen. Ab diesem Zeitpunkt gewan<strong>ne</strong>n<br />
Goldmünzen in Großbritannien immer mehr an Be<strong>de</strong>utung. Es<br />
dauerte aber er<strong>ne</strong>ut fast einhun<strong>de</strong>rt Jahre, bis 1816, bis Großbritannien<br />
als erstes großes Industrieland ganz offiziell ei<strong>ne</strong>n<br />
Goldstandard einführte. Wenig später folgten 1853 Kanada,<br />
1865 Neuf<strong>und</strong>land <strong>und</strong> die USA <strong>und</strong> Deutschland im Jahr 1873<br />
<strong>de</strong>m Beispiel <strong>de</strong>r Briten. In <strong>de</strong>n USA wur<strong>de</strong>n die Eagle-Münzen<br />
in Umlauf gebracht, während Deutschland die Goldmark einführte.<br />
Kanada basierte sein Währungssystem dann auf ei<strong>ne</strong>r<br />
Mischung aus zwei Münzen – <strong>de</strong>m amerikanischen Gold Eagle<br />
<strong>und</strong> gleichzeitig auf <strong>de</strong>m britischen Gold Sovereign. Auch Australien<br />
<strong>und</strong> Neuseeland übernahmen damals <strong>de</strong>n Goldstandard,<br />
<strong>und</strong> ein großer Teil <strong>de</strong>r Goldmünzen Großbritanniens wur<strong>de</strong> in<br />
Nie<strong>de</strong>rlassungen <strong>de</strong>r britischen Münzprägeanstalt in Syd<strong>ne</strong>y,<br />
Melbour<strong>ne</strong> <strong>und</strong> Perth in Australien geprägt – einfach aus <strong>de</strong>m<br />
Gr<strong>und</strong>, weil es in Australien Gold gab, in Großbritannien aber<br />
kaum.<br />
Im späten 18. Jahrhun<strong>de</strong>rt stellte <strong>de</strong>r Han<strong>de</strong>l mit China <strong>de</strong>n etablierten<br />
Goldstandard auf die Probe. Da China ei<strong>ne</strong>n Silberstan-<br />
45
dard betrieb, wollte es auch mit Silber bezahlt wer<strong>de</strong>n. Da China<br />
– wie heute auch – zwar nach Europa exportierte, aber von dort<br />
kaum importierte, wur<strong>de</strong>n Silbermünzen in Europa knapp. Da<br />
einige Banken immer mehr unge<strong>de</strong>ckte Banknoten ausgaben,<br />
um die Importe aus China finanzieren zu kön<strong>ne</strong>n, drohte das<br />
Währungsgefüge aus <strong>de</strong>m Gleichgewicht zu geraten. Die Peelsche<br />
Bankakte <strong>de</strong>s Jahres 1844 in Großbritannien machte die<br />
Ausgabe von Banknoten dann zum alleinigen Privileg <strong>de</strong>r Bank<br />
of England, während private Banken, die auch davor schon<br />
Banknoten ausgeben durften, diese ab sofort zu 100% mit Gold<br />
<strong>de</strong>cken mussten. Darüber hinaus wur<strong>de</strong> die Ausgabe von nicht<br />
ge<strong>de</strong>ckten Banknoten streng limitiert. Dies war <strong>de</strong>r Beginn <strong>de</strong>s<br />
echten Goldstandards in Großbritannien.<br />
Ei<strong>ne</strong>n echten weltweiten Goldstandard gab es dann wenig<br />
später, aber auch in <strong>de</strong>r Summe nur ein Viertel Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />
lang – von 1880 bis 1914. Davor wur<strong>de</strong>n die Währungen nur<br />
durch Silber o<strong>de</strong>r durch ei<strong>ne</strong> Mischung aus Gold <strong>und</strong> Silber<br />
besichert, o<strong>de</strong>r sie waren nicht global. Auch in Deutschland<br />
gab es zu dieser Zeit ei<strong>ne</strong>n Goldstandard, <strong>de</strong>r sei<strong>ne</strong>n Ursprung<br />
in <strong>de</strong>r Reichsgründung von 1871 hatte. Alle Banknoten<br />
<strong>und</strong> Münzen konnten zu dieser Zeit an je<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />
Bank in Gold eingetauscht wer<strong>de</strong>n. Mit <strong>de</strong>m ersten Weltkrieg<br />
wandten sich die Staaten wie<strong>de</strong>r vom Goldstandard ab, da<br />
mehr Geld für Rüstungsinvestitio<strong>ne</strong>n benötigt wur<strong>de</strong>, als Gold<br />
im Umlauf war. Der Goldstandard wur<strong>de</strong> aufgeweicht <strong>und</strong><br />
die Währungen began<strong>ne</strong>n heftig zu schwanken. Einige Län<strong>de</strong>r,<br />
wie Großbritannien, kehrten nach <strong>de</strong>m ersten Weltkrieg<br />
wie<strong>de</strong>r zu ei<strong>ne</strong>r Abwandlung <strong>de</strong>s Goldstandards zurück, <strong>de</strong>r<br />
Goldkernwährung, die zwar die Währung mit Gold besicherte,<br />
<strong>de</strong>m Bürger aber kei<strong>ne</strong>n Zugriff mehr darauf bat.<br />
Nach <strong>de</strong>m zweiten Weltkrieg – im Jahr 1944 – wur<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>m<br />
Bretton-Woods-System ein internationales, auf ei<strong>ne</strong>m goldhinterlegten<br />
US-Dollar aufgebautes Währungssystem geschaffen.<br />
Dieses scheiterte jedoch bereits wie<strong>de</strong>r im Jahr 1973.<br />
Durch ein wachsen<strong>de</strong>s Han<strong>de</strong>lsbilanz- sowie Haushalts<strong>de</strong>fizit<br />
in <strong>de</strong>n 1950er Jahren schmolzen die Goldreserven <strong>de</strong>r USA<br />
immer weiter ab, wobei diese Entwicklungen durch die enormen<br />
Kosten <strong>de</strong>s Vietnamkrieges noch beschleunigt wur<strong>de</strong>n.<br />
Dadurch ging das Vertrauen in <strong>de</strong>n US-Dollar immer mehr<br />
verloren <strong>und</strong> die Situation wur<strong>de</strong> verschlimmert, als es sich<br />
im Jahr 1970 herumsprach, dass <strong>de</strong>r US-Dollar nicht mehr<br />
mit ei<strong>ne</strong>r ausreichen<strong>de</strong>n Menge Gold ge<strong>de</strong>ckt war. In Angst<br />
vor Verlusten for<strong>de</strong>rte Frankreich schließlich von <strong>de</strong>n USA ei<strong>ne</strong><br />
tatsächliche Lieferung <strong>de</strong>r französischen Dollarreserven in<br />
Gold – ei<strong>ne</strong> For<strong>de</strong>rung, die <strong>de</strong>n Franzosen von Nixon schlichtweg<br />
aus <strong>de</strong>r Hand geschlagen wur<strong>de</strong>, in<strong>de</strong>m er (Nixon) die<br />
Eintauschbarkeit von Dollars in Gold kurzerhand been<strong>de</strong>te.<br />
In ei<strong>ne</strong>r Ansprache im Radio am 15. August 1971 abends<br />
schloss Nixon das Gold-Fenster bei <strong>de</strong>r amerikanischen Zentralbank,<br />
<strong>und</strong> wenig später empfahl auch <strong>de</strong>r eigentlich für die<br />
Überwachung <strong>de</strong>s Bretton-Woods-Abkommens eingerichtete<br />
Internationale Währungsfonds (IWF) allen Län<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong>,<br />
die Goldkonvertibilität zu been<strong>de</strong>n. Die Entscheidung Nixons<br />
wur<strong>de</strong> auch als „Nixon-Schock“ bezeich<strong>ne</strong>t, da er oh<strong>ne</strong> Absprache<br />
mit an<strong>de</strong>ren Zentralbanken <strong>und</strong> nur durch das Weiße<br />
Haus beschlossen wur<strong>de</strong>.<br />
Seither ist es ein klassisches Streitthema unter Wirtschaftswissenschaftlern,<br />
ob die Vor- o<strong>de</strong>r die Nachteile ei<strong>ne</strong>s Goldstandards<br />
überwiegen. Die Kritiker vertreten wie einst John<br />
Maynard Key<strong>ne</strong>s die These, dass die Nachteile überwiegen,<br />
ein Goldstandard nicht mehr zeitgemäß ist <strong>und</strong> in ei<strong>ne</strong>r zu<strong>ne</strong>hmend<br />
globalisierten Welt Wirtschaftskrisen begünstigt,<br />
da er ei<strong>ne</strong> starke Kopplung von Währungen oh<strong>ne</strong> Rücksicht<br />
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auf die wirtschaftliche Verfassung einzel<strong>ne</strong>r Län<strong>de</strong>r erzwingt<br />
<strong>und</strong> wirtschaftspolitische Eingriffe zur Stabilisierung <strong>de</strong>r Wirtschaft<br />
unmöglich macht. In zu<strong>ne</strong>hmen<strong>de</strong>m Maße scheint sich<br />
aber auch die gegenteilige Meinung durchzusetzen: Interventio<strong>ne</strong>n<br />
<strong>de</strong>r Politik seien nicht die Lösung, son<strong>de</strong>rn die Ursache<br />
von Krisen, da sie ei<strong>ne</strong> Bereinigung von Ungleichgewichten<br />
durch <strong>de</strong>n Markt nicht zulassen.<br />
Ausblick: Kommt ein <strong>ne</strong>uer Goldstandard?<br />
Zentralbanken ent<strong>de</strong>cken <strong>de</strong>n Wert <strong>de</strong>s Gol<strong>de</strong>s wie<strong>de</strong>r, auch<br />
wenn das E<strong>de</strong>lmetall seit <strong>de</strong>m Scheitern von Bretton Woods<br />
im Jahr 1968 offiziell kei<strong>ne</strong> mo<strong>ne</strong>täre Funktion mehr hat. Die<br />
Schweizer Nationalbank – im Jahr 1999 die letzte, die die<br />
Goldbindung ihrer Währung aufhob – verkaufte zwischen <strong>de</strong>n<br />
Jahren 2000 bis 2005 noch insgesamt 1300 Ton<strong>ne</strong>n Gold.<br />
Der Erlös ging zu ei<strong>ne</strong>m Drittel an <strong>de</strong>n B<strong>und</strong> <strong>und</strong> zu zwei Dritteln<br />
an die Kanto<strong>ne</strong>, um dort unter an<strong>de</strong>rem soziale Ausgaben<br />
zu finanzieren. Auch an<strong>de</strong>re europäische Zentralbanken<br />
verkauften. Die Verkaufsmengen sanken jedoch im Laufe <strong>de</strong>s<br />
vergange<strong>ne</strong>n Jahrzehnts stetig, bis sie dann im ersten Quartal<br />
2009 komplett versiegten. Seither stehen die Währungshüter<br />
auf <strong>de</strong>r Käuferseite <strong>de</strong>s Marktes.<br />
Zu behaupten, dahinter stecke <strong>de</strong>r Wille, ei<strong>ne</strong>n <strong>ne</strong>uen Goldstandard<br />
einzuführen, wäre ei<strong>ne</strong> nicht haltbare Mutmaßung.<br />
In <strong>de</strong>n offiziellen Begründungen halten sich die Zentralbanken<br />
zurück. Der Gouver<strong>ne</strong>ur <strong>de</strong>r kasachischen Notenbank, Gregory<br />
Marchenko, <strong>de</strong>r im Herbst 2011 ein Vorkaufsrecht für die<br />
Goldproduktion <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s durch die Zentralbank bis zum<br />
Jahr 2014 einführte, begrün<strong>de</strong>t das Interesse an Gold mit<br />
<strong>de</strong>m Mangel an Transparenz <strong>de</strong>r Gol<strong>de</strong>xporte <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s,<br />
seit<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r nationale Goldmarkt liberalisiert wur<strong>de</strong>. Der ve<strong>ne</strong>zolanische<br />
Präsi<strong>de</strong>nt Hugo Chavez, <strong>de</strong>r im Januar 2012 sein<br />
Gold aus Europa <strong>und</strong> <strong>de</strong>n USA physisch in das eige<strong>ne</strong> Land<br />
liefern ließ, begrün<strong>de</strong>te dies mit ei<strong>ne</strong>m „Gewinn an nationaler<br />
Souveränität.“<br />
Die Bank of Korea, die im vergange<strong>ne</strong>n Jahr in<strong>ne</strong>rhalb von<br />
zwei Monaten ihre Goldbestän<strong>de</strong> für ei<strong>ne</strong> Milliar<strong>de</strong> Dollar verdoppelte,<br />
wird schon etwas konkreter <strong>und</strong> nannte als Gr<strong>und</strong><br />
<strong>de</strong>n Wunsch nach ei<strong>ne</strong>r Absicherung gegen die Folgen <strong>de</strong>r<br />
Schul<strong>de</strong>nkrise in Europa <strong>und</strong> ei<strong>ne</strong> möglicherweise steigen<strong>de</strong><br />
Inflation. Zhang Jianhua, Direktor <strong>de</strong>s Forschungsbüros<br />
<strong>de</strong>r Chi<strong>ne</strong>sischen Zentralbank, wird noch <strong>de</strong>utlicher: „Es gibt<br />
kei<strong>ne</strong> Aktiva mehr, die sicher sind. Die einzige Wahl, um Risiken<br />
abzusichern, ist es, harte Währung zu halten – Gold.“<br />
James Turk, ein Urgestein in <strong>de</strong>r Goldbranche, rät Anlegern,<br />
ihre eige<strong>ne</strong> Zentralbank zu sein – ei<strong>ne</strong>n Teil <strong>de</strong>s Bargelds also<br />
gegen Gold zu tauschen. Turk betreibt ei<strong>ne</strong> Art Onli<strong>ne</strong>-Bank –<br />
Goldmo<strong>ne</strong>y. Dort kön<strong>ne</strong>n Kun<strong>de</strong>n ihr Papiergeld gegen Gold<br />
tauschen <strong>und</strong> anschließend in ei<strong>ne</strong>r Goldwährung bezahlen<br />
– <strong>de</strong>n goldgrams. Und die Kun<strong>de</strong>n, die <strong>de</strong>m Ratschlag Turks<br />
folgten, sind zufrie<strong>de</strong>n: Wer im Februar 2001, zur Gründung<br />
von GoldMo<strong>ne</strong>y, 1000 Euro in goldgrams tauschte, hätte heute<br />
4420,60 Euro zur Verfügung – ein satter Kaufkraftgewinn,<br />
<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Worten Turks aber nichts an<strong>de</strong>res ist als ein Verlust<br />
an Kaufkraft für alle Menschen, die einfach nur auf Euros gesetzt<br />
haben.<br />
Im März 2011 wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r US-Bun<strong>de</strong>sstaat Utah zum ersten<br />
amerikanischen Staat, in <strong>de</strong>m Gold- <strong>und</strong> Silbermünzen wie<strong>de</strong>r<br />
als Währung zugelassen wur<strong>de</strong>n. Ähnliche Regelungen sind<br />
in <strong>de</strong>n US-Staaten Montana, Missouri, Colorado, Idaho <strong>und</strong><br />
Indiana im Gespräch. In <strong>de</strong>r Schweiz sorgen die bei<strong>de</strong>n Nationalräte<br />
Lukas Reimann, Luzi Stamm <strong>und</strong> Ulrich Schlüter von<br />
<strong>de</strong>r SVP-Partei mit <strong>de</strong>r Bürgeraktion „Gesun<strong>de</strong> Währung“ für<br />
Aufsehen. Im Zentrum <strong>de</strong>r Aktion steht die Wie<strong>de</strong>reinführung<br />
<strong>de</strong>s Goldfrankens – er soll aber ei<strong>ne</strong> Parallelwährung zum<br />
Franken wer<strong>de</strong>n. Auf <strong>de</strong>r ganzen Welt gibt es <strong>de</strong>rartige Initiativen,<br />
doch kei<strong>ne</strong> wird wohl oh<strong>ne</strong> die USA zu machen sein,<br />
warnt Rohstoff-Guru <strong>und</strong> Buchautor Jim Rogers. Er glaubt<br />
nicht daran, dass es ei<strong>ne</strong>n <strong>ne</strong>uen Goldstandard geben wird.<br />
Dass aber gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n USA ein Präsi<strong>de</strong>ntschaftskandidat<br />
positiv vom Gold spricht, muss hellhörig machen. So for<strong>de</strong>rt<br />
<strong>de</strong>r republikanische Kandidat Newt Gingrich ei<strong>ne</strong> „harte Währung<br />
mit ei<strong>ne</strong>r Besch<strong>ne</strong>idung <strong>de</strong>r Fe<strong>de</strong>ral Reserve“, ei<strong>ne</strong> For<strong>de</strong>rung,<br />
die sei<strong>ne</strong>m Konkurrenten Ron Paul noch als zu kurz<br />
gegriffen erscheint. Er will die Fe<strong>de</strong>ral Reserve gar ganz abschaffen<br />
<strong>und</strong> die Währung auf ei<strong>ne</strong>n Goldstandard bringen.<br />
Ob diese Entwicklungen allerdings dazu führen, dass das<br />
Weltwährungssystem wie<strong>de</strong>r auf ei<strong>ne</strong>n Goldstandard umgestellt<br />
wird, bleibt abzuwarten.<br />
Autor: Jochen Stanzl<br />
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