Timotheus Magazin #11 - Vorbilder
Inhalt Editorial Vorbilder des Glaubens (Waldemar Dirksen) – Warum geistliche Vorbilder wichtig sind. Susannah Spurgeon (Hans-Werner Deppe) – Die starke Frau hinter dem Fürsten der Prediger. John Bunyan (Nils Freerksema) – Der Kesselflicker der eines der bekanntesten Bücher der Welt schrieb. John Gresham Machen (Daniel Facius) – Ein Leben für die Glaubwürdigkeit der Schrift. Johann Gerhard Oncken (Peter Schild) – Der Vater der kontinentaleuropäischen Baptisten. Jonathan Edwards (Jonas Erne) – Zuerst kam die Ehre Gottes. Buchvorstellungen
Inhalt
Editorial
Vorbilder des Glaubens (Waldemar Dirksen) – Warum geistliche Vorbilder wichtig sind.
Susannah Spurgeon (Hans-Werner Deppe) – Die starke Frau hinter dem Fürsten der Prediger.
John Bunyan (Nils Freerksema) – Der Kesselflicker der eines der bekanntesten Bücher der Welt schrieb.
John Gresham Machen (Daniel Facius) – Ein Leben für die Glaubwürdigkeit der Schrift.
Johann Gerhard Oncken (Peter Schild) – Der Vater der kontinentaleuropäischen Baptisten.
Jonathan Edwards (Jonas Erne) – Zuerst kam die Ehre Gottes.
Buchvorstellungen
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BIBELTREUES MAGAZIN FÜR JUNGE CHRISTEN · N°11 / FRÜHLING 2013<br />
Erstaunliche Biografien<br />
und ihre biblische<br />
Bedeutung.<br />
John Gresham<br />
M ac h e n<br />
Johann Gerhard<br />
O n c k e n<br />
Susannah<br />
S p u r g e o n<br />
Jonathan<br />
E dwa r d s<br />
John<br />
B u n ya n
Editorial<br />
Aus mehreren Gründen ist diese Ausgabe „besonders“<br />
und „anders“. Zum ersten Mal seit dem Start von<br />
„<strong>Timotheus</strong>“ ist kein explizit grundlegendes und<br />
biblisches Lehrthema der Gegenstand einer Ausgabe.<br />
Bereits bei der Gründung von „<strong>Timotheus</strong>“ haben wir<br />
uns überlegt, hin und wieder „auszubrechen“ und<br />
vielleicht eher untypische Themen zu behandeln. Nach<br />
zehn Heften, in denen wir biblische Basics wie Nachfolge,<br />
Glaube, Sünde, Frieden, Gottesfurcht, Kreuz,<br />
Demut, Buße und das Gesetz betrachtet haben, ist nun<br />
der richtige Zeitpunkt, ein etwas „anderes“ Heft zu<br />
machen.<br />
Wie bereits auf dem Cover unschwer zu erkennen,<br />
handelt dieses Heft von Menschen. Menschen, die<br />
längst verstorben sind. Menschen, die im deutschsprachigen<br />
Raum auch eher unbekannt sind und erst jetzt<br />
im „reformatorischen Aufbruch“ bekannter werden.<br />
Warum Menschen? Warum Biografien? Für uns als<br />
„<strong>Timotheus</strong>“ ist der reformatorische Grundsatz „Solus<br />
Christus“ keine Floskel. Wir legen großen Wert darauf,<br />
dass Christus im Mittelpunkt unseres Lehrens,<br />
Glaubens und Lebens ist. Warum also Biografien?<br />
AUF DEM COVER<br />
Illustration von Peter Voth für <strong>Timotheus</strong><br />
In dem Bewusstsein, dass alle Menschen verlorene<br />
und unfähige Sünder sind, deren einzige Hoffnung<br />
darin besteht, von Christus gerufen und errettet zu<br />
werden, haben wir auch diese Menschen betrachtet. Es<br />
waren keine Gutmenschen. Es waren Sünder wie du und<br />
ich. Und so macht der zweite Blick deutlich, dass diese<br />
Ausgabe nicht die Stärke und Gerechtigkeit des<br />
Menschen widerspiegelt und verherrlicht, sondern die<br />
unendliche Gnade, Macht und Treue Gottes. Herausgekommen<br />
sind erstaunliche Portraits, die uns inspirieren<br />
und zeigen, wo die Prioritäten eines treuen Nachfolgers<br />
liegen sollten. Zudem ist der kirchengeschichtliche<br />
Aspekt in den Lebensbildern äußerst interessant. Er<br />
zeigt, wie aktuell das Evangelium ist, wie gleich die<br />
Probleme geblieben sind und wie leicht wir uns heute<br />
von scheinbar neuen Ansätzen blenden lassen. Außerdem<br />
haben wir uns bewusst Fragen gestellt wie: Was sagt<br />
die Bibel über Glaubensvorbilder? Sollten wir wirklich<br />
auf Menschen schauen? Sollten wir diese Menschen, die<br />
offenkundig mit Christus wandelten, in Ehren halten?<br />
Wir hoffen nun, dass du eine Ausgabe in den<br />
Händen hältst, die Jesus Christus ins Zentrum rückt<br />
und zeigt, dass der Glaube an Ihn etwas wirklich Lebendiges<br />
und Wahrhaftiges ist. Auch wird deutlich, dass<br />
Christus zu folgen nicht jeden Tag Sonnenschein bedeutet.<br />
Christus folgen heißt auch zu leiden. Wir wünschen<br />
dir eine inspirierende und bereichernde Lektüre. <br />
Peter Voth<br />
02 – ausgabe 11
Inhaltsverzeichnis<br />
Autoren<br />
der Ausgabe<br />
vorbilder Des glaubens – 6<br />
–<br />
Sollten wir menschliche <strong>Vorbilder</strong> haben? Taugen sie als<br />
geistliche Leitbilder? Der Hebräerbrief gibt Antworten.<br />
waldemar dirksen<br />
(*1982) ist derzeit Referendar in Bonn. Als Mitgründer,<br />
Mitherausgeber und Redakteur gehört er zu den<br />
regelmäßigen Autoren von <strong>Timotheus</strong>.<br />
susannah spurgeon – 8<br />
–<br />
Vielleicht war der Dienst Susannahs ebenso wichtig wie<br />
das Werk ihres bekannten Ehemannes C.H. Spurgeon.<br />
hans - werner deppe<br />
(*1968) ist Ehemann, Vater von zwei Kindern sowie<br />
Autor und Prediger. Er ist Gründer und seit über zehn<br />
Jahren Leiter des bibeltreuen Betanien Verlages.<br />
JOHN BUNYAN – 14<br />
–<br />
Die erstaunliche Geschichte des Mannes der eines der<br />
bekanntesten Bücher der Welt (Die Pilgerreise) schrieb.<br />
nils freerksema<br />
(*1986) ist Jugendprediger im Evangelischen Gemeinschaftsverband<br />
Siegerland-Wittgenstein. Nils schreibt<br />
auch auf Twitter: @nfreerksema<br />
JOHN GRESHAM MACHEN – 20<br />
–<br />
Der unbeirrbare Princeton-Professor, der für die<br />
Irrtumslosigkeit der heiligen Schrift eintrat.<br />
daniel facius<br />
(*1981) ist Ehemann, Vater von zwei Kindern und setzt<br />
sich im Ständigen Ausschuss des Bibelbundes für die<br />
Zuverlässigkeit der Schrift ein.<br />
JOHANN GERHARD ONCKEN – 26<br />
–<br />
Der deutsche Gemeindegründer war eine der wichtigsten<br />
Figuren im europäischen Baptismus.<br />
peter schild<br />
(*1985) ist Ehemann, Vater und Theologe. Er arbeitet in<br />
Partnerschaft mit HeartCry Missionary Society als<br />
Gemeindegründer in Wetzlar.<br />
JONATHAN EDWARDS – 32<br />
–<br />
Er war die prägende Figur der großen Erweckung. Seine<br />
literarisches Vermächtnis bleibt bis heute unerreicht.<br />
jonas erne<br />
(*1985) ist verheiratet und derzeit Praktikant der Volksmission<br />
Loßburg-Wälde im Nordschwarzwald. Jonas<br />
schreibt auch auf Twitter: @jonaserne<br />
ausgabe 11 – 03
Schwierige Fragen.<br />
Biblische Antworten.<br />
Das bibelorientierte & reformatorische<br />
<strong>Magazin</strong> für junge Christen.<br />
Das Wort Gottes, die Bibel, hat bis heute nichts von seiner Kraft<br />
und Relevanz verloren. Daher glauben wir, dass zuallererst biblische<br />
Lehren und Themen und weniger Anliegen des Zeitgeistes das Denken<br />
des Christen beherrschen sollten. Außerdem ist uns das<br />
kirchengeschichtliche Erbe, das uns Personen wie Calvin, Luther oder<br />
Spurgeon hinterlassen haben, ein großes Anliegen.<br />
timotheusmagazin.de • cbuch.de/timotheus • betanien.de
Das Jahresabo ist schon ab € 13,35 erhältlich!<br />
Mehr zu den Abos und den Einzelausgaben (€ 2,90 pro Heft) hier<br />
cbuch.de/timotheus<br />
Bisherige Ausgaben widmeten sich folgenden Themen:<br />
Nachfolge, Glaube, Sünde, Frieden, Gottesfurcht,<br />
Das Kreuz, Demut, Buße und Das Gesetz<br />
timotheusmagazin.de • cbuch.de/timotheus • betanien.de
VORBILDER DES GLAUBENS<br />
Geistliche <strong>Vorbilder</strong> sind Menschen, die im<br />
Wort und Wandel Wegweiser für andere sind.<br />
Diese können uns helfen, Christus treu nachzufolgen.<br />
Text<br />
Waldemar Dirksen
„Gedenkt an eure Führer, die euch das Wort Gottes<br />
gesagt haben; schaut das Ende ihres Wandels an und<br />
ahmt ihren Glauben nach!“ (Hebräer 13,7)<br />
Mit Hebräer 13,7 wurden die Hebräer aufgefordert,<br />
in dreierlei Hinsicht aktiv zu werden. Zuerst sollten sie<br />
an ihre geistlichen Führer denken. Es muss sich hierbei<br />
um verstorbene Führer der Gemeinde handeln. Diese<br />
haben am Evangelium festgehalten. Sie sind nicht zum<br />
levitischen System zurückgekehrt. Die Empfänger des<br />
Hebräerbriefes standen in der Gefahr, zum Judentum<br />
zurückzukehren. Die Erinnerungen an ihre früheren<br />
Leiter sollten zur Stärkung ihrer Treue zu Christus<br />
dienen.<br />
Weiter sollten die Hebräer ihre Erinnerungen auf<br />
das Ende dieser Führer fokussieren. Es wird nicht genau<br />
beschrieben, welches Ende diese hatten, aber es ist<br />
davon auszugehen, dass der Schreiber sowie die Empfänger<br />
des Hebräerbriefes über ein gutes Ende dieser Leiter<br />
wussten. Im Sterben haben sie Gott verherrlicht.<br />
Zuletzt werden die Hebräer aufgefordert, den<br />
Glauben ihrer geistlichen Führer nachzuahmen. Diese<br />
Männer haben das Wort Gottes verkündigt und gelebt,<br />
sodass sie anderen als Vorbild empfohlen werden konnten.<br />
»In unseren Gemeinden<br />
brauchen wir glaubwürdige<br />
Vorsteher, die mit gesunder<br />
Lehre und vorbildlichem<br />
Wandel ihre Zuhörer auf<br />
Gott ausrichten.«<br />
Prioritäten eines geistlichen Führers<br />
Nach Hebräer 13,7 bestehen die wesentlichen Aufgaben<br />
eines vorbildlichen geistlichen Führers darin, das Wort<br />
Gottes zu verkündigen und ein gutes Vorbild im<br />
Glauben zu sein, damit andere den Glauben nachahmen<br />
können. Geistliche Führung in der Gemeinde erfolgt im<br />
Grunde durch Verkündigung und Vorbild. Darüber<br />
hinaus benötigt die Gemeinde keine weiteren Instrumente<br />
zur Steuerung. Ausgetüftelte Programme, innovative<br />
Organisationsstrukturen sowie spezielle Gemeinderegeln<br />
können das geistliche Leben in der Gemeinde nur<br />
künstlich aufrechterhalten, aber nicht wirklich schaffen.<br />
Wahre Führung geschieht maßgeblich durch<br />
geistlich wirksame Verkündigung in Verbindung mit<br />
einem vorbildlichen Glaubensleben des Verkündigers.<br />
Paulus hat in seinen Unterweisungen an <strong>Timotheus</strong> die<br />
Prioritäten eines geistlichen Leiters mit Nachdruck<br />
betont: „Habe Acht auf dich selbst und auf die Lehre;<br />
bleibe beständig dabei! Denn wenn du dies tust, wirst du<br />
sowohl dich selbst retten als auch die, welche auf dich<br />
hören“ (1. Tim. 4,16). Der Fokus eines geistlichen<br />
Leiters soll auf persönliche Heiligkeit und gesunde<br />
Lehre gerichtet sein. Auf diese beiden Aspekte lassen<br />
sich letztlich alle seine Aufgaben und Charakterzüge<br />
reduzieren. Wenn die Leiter einer Gemeinde in diesen<br />
Bereichen nachlässig sind, dann droht der Gemeinde ein<br />
geistlicher Niedergang.<br />
In unseren Gemeinden brauchen wir glaubwürdige<br />
Vorsteher, die mit gesunder Lehre und vorbildlichem<br />
Wandel ihre Zuhörer auf Gott ausrichten. Denn organisatorische<br />
Abläufe in der Gemeinde mögen große<br />
Schwächen aufweisen, die Räumlichkeiten können<br />
unbefriedigend sein, der Gesang in den Versammlungen<br />
kann schleppend sein – all das ist erträglich. Unerträglich<br />
ist es, wenn die Lehre in der Gemeinde die Herzen<br />
der Zuhörer kalt und unberührt lässt, weil sie oberflächlich<br />
und kraftlos ist. Dies ist ein Übel, von dem wir<br />
offensichtlich betroffen sind. Mindestens genauso<br />
unerträglich ist es, wenn geistliche Leiter ein schludriges<br />
Leben führen und dieses mit dem Argument rechtfertigen,<br />
dass sie ja auch nur Menschen seien.<br />
Gute <strong>Vorbilder</strong> helfen<br />
Lasst uns auf geistliche Führer schauen – auch wenn sie<br />
bereits verstorben sind – die beides vereinen: Persönliche<br />
Heiligkeit und gesunde Lehre. Ihr Leben und ihre<br />
Verkündigung sollen uns ein Ansporn zum vertieften<br />
Glauben an Jesus Christus sein. Solche <strong>Vorbilder</strong> lassen<br />
sich finden. Die Wahl unserer <strong>Vorbilder</strong> soll stets nach<br />
den beiden genannten Kriterien erfolgen.<br />
Es lohnt sich, gute <strong>Vorbilder</strong> zu haben. Für C.H.<br />
Spurgeon war George Whitefield ein großes Vorbild. Er<br />
schreibt dazu: „Jedesmal, wenn ich mich mit George<br />
Whitefields Leben beschäftigt habe, habe ich eine ausgesprochene<br />
Belebung erfahren. Er lebte. Andere Männer<br />
scheinen oft nur halb zu leben. Whitefield war aber<br />
nichts als Leben, Feuer, Flügel, Kraft. Wenn ich nach<br />
meiner rechten Unterordnung unter meinen Herrn<br />
noch ein Vorbild habe, dann ist es George Whitefield.<br />
Ich vermag jedoch nur mit ungleichen Schritten seiner<br />
glänzenden Spur zu folgen.“<br />
Eine intensive Auseinandersetzung mit <strong>Vorbilder</strong>n<br />
des Glaubens kann unsere Ketten der Illusionen sprengen<br />
und uns zu einer geistlich klaren Sichtweise verhelfen.<br />
Wir müssen unsere Oberflächlichkeit überwinden<br />
und in geistlichen Dingen tiefgründig werden. So<br />
können uns <strong>Vorbilder</strong> des Glaubens helfen, unseren<br />
Sünden auf den Grund zu gehen und in wahrer Bußhaltung<br />
zu leben. Sie können uns helfen, ein einfaches<br />
Leben mit einem klaren Blick auf unsere wahre Heimat<br />
zu führen. Sie können uns helfen, uns selbst zurückzunehmen<br />
und anderen die Privilegien zu gönnen. Sie<br />
können uns helfen, entschlossen in einem zermürbenden<br />
Kampf zu stehen. Sie können uns helfen, uns als<br />
treue Diener unseres Herrn zu erweisen. <br />
ausgabe 11 – 07
SUSANNAH SPURGEON<br />
„Hinter jedem erfolgreichem Mann steht eine starke Frau.“<br />
Wie war das bei der Ehefrau des „Fürstens der Prediger“,<br />
Charles Haddon Spurgeon? Ein Einblick in Ihre Persönlichkeit<br />
ermutigt uns, wie „normal“ diese Frau eigentlich war.<br />
Mit Blick auf unsere junge Leserschaft habe ich den Schwerpunkt<br />
in dieser Kurzbiografie auf ihre erste Lebenshälfte<br />
gelegt.<br />
Text<br />
Hans-Werner Deppe
»Sein ländliches Benehmen<br />
und seine Sprache riefen<br />
mehr Bedauern als<br />
Verehrung in mir hervor.«<br />
Susannah Thompson wurde am 15. Januar 1832<br />
geboren (also zweieinhalb Jahre vor Charles Spurgeon)<br />
und wuchs in London auf – ein Großstadtmädchen, im<br />
Gegensatz zu Charles, der später als Junge vom Land in<br />
die Weltmetropole an der Themse kam und dort eine<br />
Predigerstelle antrat.<br />
Von Kindheit an war Susannah nicht nur in London<br />
zu Hause, sondern auch in der New Park Street Chapel,<br />
an die Spurgeon als junger Mann in den Predigerdienst<br />
berufen wurde. Diese geschichtsträchtige reformierte<br />
Baptistengemeinde im zentralen Londoner Stadtbezirk<br />
Southwark, an der im 18. Jahrhundert berühmte Theologen<br />
und Prediger wie John Gill und John Rippon<br />
gewirkt hatten, war die geistliche Heimat ihres Elternhauses.<br />
Von klein auf christlich erzogen, hatte Susannah als<br />
Jugendliche unter einer evangelistischen Predigt über<br />
Römer 10,8 eine „Entscheidung“ getroffen, sich dem<br />
Herrn Jesus vollkommen hinzugeben. Aber wie so oft<br />
bei solchen menschlichen Gemütsregungen war auch<br />
Susannahs Entschluss von eher kurzlebigen Emotionen<br />
geprägt, und so glitt ihr Glaubensleben danach zunächst<br />
wieder in „Zeiten der Dunkelheit, Mutlosigkeit und des<br />
Zweifels“ hinab, wie sie es beschrieb (S. 16). 1<br />
Am 18. Dezember 1853 predigte Charles Spurgeon zum<br />
ersten Mal als Gastprediger in der New Park Street<br />
Chapel. Dass da plötzlich ein junger Dorfbursche auf<br />
der historischen Kanzel großer Gottesmänner stand,<br />
gefiel Susannah überhaupt nicht. Sie schrieb später über<br />
diesen ersten Eindruck:<br />
„Sein ländliches Benehmen und seine Sprache riefen<br />
mehr Bedauern als Verehrung in mir hervor. Zum<br />
Leidwesen meines törichten und eingebildeten Herzens!<br />
Ich war nicht geistlich genug, um seine ernsthafte Darlegung<br />
des Evangeliums und sein kraftvolles Reden zu<br />
Sündern zu verstehen. Aber die große, schwarze Satin-<br />
Halsbinde, das lange, schlecht geschnittene Haar und<br />
das blaue Taschentuch mit den weißen Punkten, all das,<br />
was ihn so äußerlich prägte, hatte meine ganze Aufmerksamkeit<br />
auf sich gezogen und ich spürte Belustigung in<br />
mir aufkommen.“ (S. 18-19)<br />
Verliebt, verlobt …<br />
Kurze Zeit später wurde Charles fest als Prediger an der<br />
New Park Street Chapel angestellt. Susannah hörte seine<br />
Predigten von da an regelmäßig und diese Predigten<br />
begannen, ihre bisher weltliche Gesinnung zu „bearbeiten“<br />
und geistliches Interesse bei ihr zu wecken. Charles<br />
und Susannah begegneten sich des Öfteren auch persönlich<br />
im Hause einer Familie der Gemeinde. Am 20.<br />
April 1854 schenkte Charles ihr eine illustrierte Ausgabe<br />
von Bunyans „Pilgerreise“ mit der Widmung: „Miss<br />
Thompson, mit den besten Wünschen für ihr Wachstum<br />
im Glauben.“ Wie es weiter ging, berichtet Susannah:<br />
„Unter großem Zittern erzählte ich ihm nach und<br />
nach von meinem Zustand vor Gott, und er führte mich<br />
durch seine Predigten und Gespräche behutsam in der<br />
Kraft des Heiligen Geistes zum Kreuz Christi, nach<br />
dessen Frieden und Vergebung meine müde Seele<br />
verlangte.“ (S. 20)<br />
Offenbar begann Charles sich ernsthaft für Susannah<br />
zu interessieren. Wenige Wochen nach diesem<br />
Buchgeschenk mit Widmung besuchten sie mit einer<br />
Gruppe anderer Gläubiger aus ihrer Gemeinde die<br />
Eröffnungsfeier des Londoner Kristallpalastes (am 10.<br />
Juni 1854) und Charles saß dabei neben ihr. Auch hier<br />
war es wieder ein Buch, das zum gemeinsamen Thema<br />
wurde: Charles zeigte Susannah während der Veranstaltung<br />
eine Abhandlung über das biblische Buch der<br />
Sprüche und versuchte, darüber mit ihr ins Gespräch zu<br />
kommen. Als er eine Seite über die Ehe und deren<br />
Anbahnung – worüber die Sprüche ja einiges zu sagen<br />
haben – aufschlug, leitete er auf eine bemerkenswert<br />
originelle und doch feinfühlige Weise vom allgemeinen<br />
Thema über auf dessen ganz persönliche und konkrete<br />
Bedeutung. Susannah berichtet:<br />
„›Beten Sie für Ihren zukünftigen Ehemann?‹,<br />
flüsterte eine leise Stimme in mein Ohr, so leise, dass<br />
niemand sonst sie hören konnte. Ich kann mich nicht<br />
erinnern, auf diese Frage eine hörbare Antwort gegeben<br />
zu haben, aber mein klopfendes Herz, das meine<br />
Wangen verräterisch erröten ließ, und mein gesenkter<br />
Blick, der das plötzlich in mir aufkommende Licht<br />
ausgabe 11 – 09
preiszugeben fürchtete, mögen die Sprache der Liebe<br />
gesprochen haben. Von diesem Moment an saß eine sehr<br />
stille Frau neben dem jungen Pastor, und als der brillante<br />
Festzug den Palace erfüllte, nahm sie keine Notiz von<br />
der glanzvollen Aufführung vor ihren Augen, da in<br />
ihrem Herzen ganz neue Gefühle erwachten“ (S. 22).<br />
Nach der Veranstaltung ergab sich noch eine<br />
Gelegenheit zu einem gemeinsamen Spaziergang:<br />
„Während dieses denkwürdigen Spaziergangs,<br />
glaube ich, verband Gott unsere Herzen mit unlöslichen<br />
Banden wahrer Zuneigung und, auch wenn wir es nicht<br />
wussten, gab er uns einander für immer. Ab diesem<br />
Zeitpunkt wuchs unsere Freundschaft und reifte schnell<br />
zu tiefer Liebe heran, zu einer Liebe, die heute noch in<br />
meinem Herzen ist, sogar noch ernster und stärker als in<br />
jener ersten Zeit.“ (S. 23)<br />
Nur knapp zwei weitere Monate später, am 2.<br />
August 1854, hielt Charles offiziell um Susannahs Hand<br />
an, und Susannah –<br />
„… lobte Gott auf Knien und dankte ihm mit<br />
Freudentränen, dass er mir in seiner großen Gnade die<br />
Liebe eines so guten Mannes schenkte. Hätte ich damals<br />
schon gewusst, wie gut er war und wie groß er werden<br />
würde, wäre ich nicht so sehr von der Freude überwältigt<br />
gewesen, seine Frau zu sein, als vielmehr von der Verantwortung,<br />
die eine solche Stellung mit sich bringt.“ (S.<br />
26)<br />
Susannah war zu diesem Zeitpunkt noch nicht<br />
getauft, was sie nun nachholen wollte. Charles bat sie als<br />
ihr Pastor um ein schriftliches Glaubenszeugnis, welches<br />
leider nicht dokumentiert ist, dafür aber Charles’<br />
Reaktion darauf. Er schrieb ihr:<br />
„O, ich könnte weinen vor Freude, weil meine<br />
Geliebte ein so großes Werk der Gnade in ihrem Herzen<br />
bezeugen kann … Ich sehe, mein Meister hat tief<br />
gepflügt, und die tiefe Saat hat nun mit den Erdklumpen<br />
zu kämpfen, und dies bereitet dir Kummer. Wenn<br />
ich die geistlichen Symptome wohl verstehe, glaube ich,<br />
die richtige Therapie für dich zu kennen. Du lebst nicht<br />
in einem Umfeld des ernstlichen Dienens Christi … dir<br />
fehlt der Kontakt zu den Gläubigen und auch zu den<br />
Sündern, Kranken und Elenden, denen du dienen<br />
könntest. Aktiver Dienst erwärmt die Liebe und<br />
beseitigt Zweifel, denn so wird unsere Arbeit zum<br />
Beweis unserer Berufung und Erwählung. … Ich bin<br />
Gott überaus dankbar, sowohl in deinem als auch in<br />
meinem Interesse, dass du die Lektionen des Herzens so<br />
gründlich gelernt hast und dir deiner Verderbtheit stets<br />
bewusst bist. Es werden weitere Lektionen kommen, um<br />
dich fest zu gründen, aber, o meine Liebe, wie wichtig ist<br />
es, die erste Lektion gut zu lernen! Ich liebte dich sofort,<br />
fürchtete aber, du seiest noch keine Erbin des Himmels.<br />
In seiner Gnade zeigte mir Gott, dass du auserwählt bist.<br />
Ich dachte dann, ich könnte dir ohne Sünde meine<br />
Zuneigung offenbaren; doch bis ich deine Zeilen las,<br />
konnte ich mir nicht vorstellen, dass du so tiefe Einblicke<br />
und Seelenerkenntnis besitzt. Gott ist gütig, sehr<br />
gütig, unendlich gütig. O, wie ich dieses Geschenk<br />
schätze, weil ich mehr denn je weiß, dass der Geber das<br />
Geschenk liebt. Und so will auch ich es lieben, aber nur<br />
in Unterwürfigkeit ihm gegenüber. … Mögen die<br />
erlesensten Gnaden dein Eigentum sein, möge der Engel<br />
des Bundes dein Begleiter sein, möge dein Flehen erhört<br />
werden und möge deine Unterredung mit Jesus im<br />
Himmel sein! Sei meinem Gott anbefohlen. In reiner<br />
und heiliger Zuneigung wie auch in irdischer Liebe,<br />
dein C. H. Spurgeon.“ (S. 27-29)<br />
Während der Verlobungszeit gab es auch Prüfungen.<br />
Einmal begleitete Susannah Charles zu einem Predigttermin<br />
in einem anderen Bezirk Londons, und als sie<br />
mit der Droschke dort ankamen, herrschte dichtes<br />
Gedränge sowohl vor als auch im Gebäude. Charles<br />
bahnte sich stracks seinen Weg zum Ort seiner Aufgabe<br />
und so verloren sie sich aus den Augen. Unverzüglich<br />
trat Susannah daraufhin tief gekränkt den Heimweg an.<br />
Ihre Mutter war so weise, ihr zu verdeutlichen: „Niemals<br />
dürfte ich ihn [an seinem Dienst] hindern, indem ich<br />
versuchte, die erste Stelle in seinem Herzen einzunehmen.“<br />
(S. 30) Als Charles sie kurze Zeit später abermals<br />
einlud, ihn zu einem Predigttermin zu begleiteten, sagte<br />
er: „Vielleicht bemerke ich es wieder nicht, wenn du<br />
gehst, aber es ist für uns beide wichtig – Charles hätte<br />
Gelegenheit zur Wiedergutmachung und Susie könnte<br />
zeigen, dass sie seinen Charakter nun besser kennt,<br />
indem sie seine Verfehlungen geduldig erträgt.“ (S. 31)<br />
Bereits zu dieser Zeit wurden Charles’ Predigten in<br />
gedruckter Form veröffentlicht und Susannah lernte<br />
nicht nur, während Charles’ intensiver Arbeit an den<br />
Abschriften „still zu sein und mich mit meinen eigenen<br />
Dingen zu beschäftigen“, sondern unterstütze ihn auch<br />
bei den Korrekturen und Schreibarbeiten. Seine zunehmende<br />
Popularität und die vielen Predigten vor großen<br />
Mengen waren aber auch eine starke Belastung, und<br />
wenn Susannah unter den Zuhörern saß, „verspürte sie<br />
oft den Drang, ihm zu Hilfe zu eilen“:<br />
„Ein Glas Chiliessig stand immer unter seinem Pult,<br />
und ich wusste, was zu erwarten war, wenn er zu diesem<br />
Mittel griff. O, wie mein Herz sich nach ihm sehnte.<br />
Wie sehr musste ich mich beherrschen, um ruhig und<br />
gesammelt zu wirken und auf meinen Stuhl in der<br />
kleinen Galerie sitzen zu bleiben! Ich konnte es kaum<br />
erwarten, nach der Predigt endlich zu ihm zu gehen und<br />
ihn zu trösten und aufzumuntern!“ (S. 33)<br />
»Niemals dürfte ich ihn<br />
hindern, indem ich<br />
versuchte, die erste Stelle<br />
in seinem Herzen<br />
einzunehmen.«<br />
10 – ausgabe 11
Susannahs Ehemann Charles Spurgeon als<br />
junger Prediger (ca. 1857).<br />
Das Ehepaar.<br />
Susannah als junge Frau<br />
(Datum unbekannt).<br />
Spurgeons Bibliothek. Sie sollte später eine der größten<br />
Privat-Bibliotheken Englands werden.<br />
… verheiratet<br />
Am 8. Januar 1856 wurden Susannah und Charles in<br />
der New Park Street Chapel getraut. Susannah „war früh<br />
aufgestanden und hatte lange Zeit im Gebet verbracht.<br />
Trotz der Sorge um die vor ihr liegende Verantwortung<br />
war sie ›unbeschreiblich glücklich‹ darüber, dass der<br />
Herr sie so reich beschenkt hatte. Allein und auf ihren<br />
Knien bat sie ernstlich um Kraft, Segen und Führung<br />
für das neue Leben, das vor ihr lag.“ Die kurze Hochzeitsreise<br />
führte sie nach Paris, wo Susannah sich als<br />
bereits ortskundige Reiseführerin hervortun konnte. Als<br />
Charles viele Jahre später einmal allein in Paris war,<br />
schrieb er Susannah: „Mein Herz fliegt dir zu, wenn ich<br />
mich an meinen ersten Besuch in dieser Stadt unter<br />
deiner Führung erinnere. Ich liebe dich wie damals, nur<br />
um ein Vielfaches mehr.“ (S. 39)<br />
Ihre erste Zeit als Ehepaar war geprägt von großer<br />
Bescheidenheit und Sparsamkeit, denn das Paar wollte<br />
eine Ausbildungsstätte für junge Prediger aufbauen.<br />
Susannah „konnte hervorragend wirtschaften und durch<br />
strikte Sparsamkeit sammelte sich ein erheblicher Betrag<br />
zur Unterstützung und Ausbildung der ersten Studenten<br />
an.“ (S. 40) Als Charles schon bald das Pastors’ College<br />
gründete, hatte Susannah ein „geradezu mütterliches<br />
Interesse an dem College.“ Sie schrieb:<br />
„In finanzieller Hinsicht hatten wir zu jener Zeit<br />
stets das Problem, über die Runden zu kommen. Wir<br />
hatten nie genug übrig, um große Sprünge zu machen.<br />
Jetzt kann ich sagen, dass Gott uns auf diese Weise<br />
vorbereitete, in den Folgejahren mit armen Gemeindehirten<br />
mitzufühlen und ihnen zu helfen.“ (S. 40)<br />
Diese Großzügigkeit im Geben und der Blick dafür,<br />
die bescheidenen vorhandenen Mittel in das Reich<br />
Gottes und den Dienst der Zurüstung zu investieren,<br />
sollten sich später noch weiter ausprägen, als Susannah<br />
ihren Bücherfond gründete, mit dem sie Prediger mit<br />
hilfreicher Literatur versorgte.<br />
Wenn Charles vom Predigtdienst erschöpft war, las<br />
Susannah ihm gern christliche Gedichte oder erbauliche<br />
Bücher z.B. des Puritaners Richard Baxter vor. Oft viel<br />
es ihr schwer, seine häufige Abwesenheit zu ertragen. Als<br />
sie wieder einmal ihre Tränen beim Abschied nicht<br />
zurückhalten konnte, sagte er zu ihr:<br />
ausgabe 11 – 11
„Glaubst du, dass die Kinder Israels weinten, wenn sie<br />
ein Opferlamm zum Altar des Herrn brachten und es<br />
dort liegen sahen? … Wenn du mich gehen lässt, um<br />
armen Sündern das Evangelium zu predigen, bringst du<br />
mich als Opfer für Gott. Meinst du, er sieht es gerne,<br />
wenn du über dein Opfer weinst?“ (S. 42)<br />
Doch noch viel mehr Trost sollte erforderlich<br />
werden. Nur vier Wochen nachdem Susannah am 20.<br />
September 1856 Zwillinge zur Welt gebracht hatte –<br />
Thomas und Charles –, ereignete sich eine große Tragödie:<br />
Bei Charles’ erster Predigt in der Surrey Gardens<br />
Music Hall – der größten Festhalle Londons – kam es zu<br />
einer von Saboteuren provozierten Massenpanik, bei der<br />
sieben Menschen getötet und zahlreiche schwer verletzt<br />
wurden. Der erst 22-jährige Prediger war seitdem ein<br />
gebrochener Mann, und sein Gewissen und Gemüt<br />
waren nicht nur von dem Unglück selbst belastet,<br />
sondern auch von den unzähligen darauffolgenden<br />
Schmähungen in der Presse. Auch für Susannah waren –<br />
„diesen Verleumdungen eine schwere Last …<br />
Abwechselnd litt mein Herz mit ihm und glühte vor<br />
Entrüstung über seine Kritiker. Lange fragte ich mich,<br />
wie ich ihn anhaltend trösten könnte, bis ich endlich das<br />
Hilfsmittel fand – diese Verse in großen, altenglischen<br />
Buchstaben umgeben von einem hübschen Oxford-<br />
Rahmen: ›Glückselig seid ihr, wenn sie euch schmähen<br />
und verfolgen und alles Böse lügnerisch gegen euch<br />
reden werden um meinetwillen. Freut euch und jubelt,<br />
denn euer Lohn ist groß in den Himmeln; denn ebenso<br />
haben sie die Propheten verfolgt, die vor euch waren‹ –<br />
Matthäus 5,11.12. Wir hängten den Text in unserem<br />
Zimmer auf und mein lieber Prediger las ihn jeden<br />
Morgen. Er erfüllte seinen Zweck, da er sein Herz<br />
stärkte und ihn seine unsichtbare Waffenrüstung<br />
anlegen ließ.“ (S. 50)<br />
Krank, aber voller Frucht für Gott<br />
Susannah war aber keine Powerfrau, sondern erkrankte<br />
schon in jungen Jahren dauerhaft und bedurfte vielmehr<br />
selbst der Pflege und Hilfe von Charles’, als dass sie ihn<br />
und seinen Dienst durch ein großes Arbeitspensum<br />
unterstützen konnte. Wir wissen nicht genau, woran sie<br />
litt, doch mit nur 33 Jahren wurde sie chronisch krank,<br />
litt fast ständig unter starken Schmerzen und Fieber und<br />
wurde 1868 mit 36 quasi bettlägerig. Als das Paar 1869<br />
ein neues Haus baute, wurde Susannah vorübergehend<br />
in ein Städtchen an der Küste umquartiert und Charles<br />
kümmerte sich allein um die „krankengerechte“<br />
Einrichtung des neuen Heims. Wie liebevoll er dies tat,<br />
ist in zahlreichen Briefen dokumentiert. Als sie schließlich<br />
in den Neubau einziehen konnte, war sie begeistert:<br />
„Niemals wird sie ihr Entzücken bei der Heimkehr<br />
vergessen noch seinen freudigen Stolz, mit dem er auf all<br />
die Vorkehrungen hinwies, die ihre Gefangenschaft<br />
ausgleichen und lindern sollten … In der ganzen<br />
Einrichtung des kleinen Raumes steckte seine hingebungsvolle<br />
Liebe, so dass ihre Gefühle nicht in Worte zu<br />
fassen waren, als sie es das erste Mal sah, und auch<br />
später, als sie den großen, praktischen Nutzen und Wert<br />
genoss.“ (S. 65)<br />
Als Frucht von ihrem Leben lässt sich trotz (oder<br />
gerade wegen!) ihrer chronischen Krankheit und Schwäche<br />
einiges aufzeigen. Zuerst sind da die beständige<br />
Liebe, Freude und Ermutigungen zwischen Charles und<br />
ihr, die zu ständigem Lob Gottes führten. Ob durch<br />
wundersame Gebetserhörungen – z.B. wurde auf ganz<br />
erstaunliche Weise Susannnahs scherzhaft geäußerter<br />
Wunsch nach „einem Opalring und einem zwitschernden<br />
Kanarienvogel“ erfüllt – oder durch geduldiges<br />
Ertragen von Leid und gegenseitiges Trösten, das für<br />
beide in mannigfaltigen Kämpfen so nötig war: der Herr<br />
»Zuerst sind da die<br />
beständige Liebe, Freude<br />
und Ermutigungen zwischen<br />
Charles und ihr, die zu<br />
ständigem Lob Gottes<br />
führten.«<br />
12 – ausgabe 11
»Susannah hat darüber<br />
hinaus sogar ein eigenes<br />
Werk gegründet, dass<br />
ungemein fruchtbare und<br />
große Segenskreise zog:<br />
einen Fond, der mittellosen<br />
Pastoren und Predigern<br />
theologische Bücher zur<br />
Verfügung stellte.«<br />
wurde in allem verherrlicht. Dann sind da die Zwillinge<br />
Thomas und Charles, die von Susannah ausgiebig<br />
geistlich belehrt wurden und die bezeugten, durch das<br />
„ernste Bitten und strahlende Vorbild“ und den<br />
„Einfluss und die Belehrung“ der Mutter zur früheren<br />
Bekehrung gefunden zu haben. Einen Tag nach ihrem<br />
18. Geburtstag wurden beide von ihrem Vater im<br />
Metropolitan Tabernacle getauft. Allein diese beiden<br />
Bereiche ergeben ein äußerst fruchtreiches Leben zur<br />
Ehre Gottes. Doch Susannah hat darüber hinaus sogar<br />
ein eigenes Werk gegründet, dass ungemein fruchtbare<br />
und große Segenskreise zog: einen Fond, der mittellosen<br />
Pastoren und Predigern theologische Bücher zur Verfügung<br />
stellte. Das war ein ungemein wichtiger Dienst:<br />
jene mit geistlicher Nahrung zu versorgen, deren<br />
Berufung es ist, ihrer anvertrauten Herde geistliche<br />
Nahrung zu geben! Prediger waren damals oft so arm,<br />
dass sie sich jahrelang kein neues Buch leisten konnten.<br />
Der Fond entstand, als Charles ihr 1875 das Roh-<br />
Manuskript seines Buches Ratschläge für Prediger zum<br />
Lesen gab und sie nach ihrer Meinung fragte. Sie<br />
antwortete: „Ich wünschte, ich könnte es jedem Pastor<br />
in England in die Hand drücken.“ „Warum nicht?“,<br />
entgegnete Charles, und als Susannah ihr Erspartes<br />
zählte, reichte es für einhundert Exemplare des Buches.<br />
In Charles’ Zeitschrift Sword & Trowell veröffentlichten<br />
sie dann eine Bestellmöglichkeit für bedürftige Pastoren,<br />
das Buch unentgeltlich anzufordern. Das war der<br />
Anfang des Buchfond-Werkes, denn von da an wurden<br />
auch reichlich Spenden für diese Zwecke gegeben – in<br />
Form von Geld und Büchern, die Susannah nach<br />
äußerer und inhaltlicher Qualität aussortieren musste.<br />
Wenn man die ausführliche Dokumentation ihres<br />
Bücherfond-Dienstes in ihrer Biografie liest, staunt<br />
man, wie sie all das – u.a. den aufwändigen Versand –<br />
trotz ihrer chronischen Krankheit schaffen konnte.<br />
Dieser Dienst und die damit einhergehende Motivation<br />
scheinen sie geradezu beflügelt zu haben, doch wurde sie<br />
immer wieder zeitweise von ihrer Krankheit außer<br />
Gefecht gesetzt. Am Ende bestand ihr Buchfonds 27<br />
Jahre (1875-1902) lang und währenddessen wurden fast<br />
200.000 theologisch wertvolle Bücher an bedürftige<br />
Pastoren, Prediger und Missionare versandt. Der heute<br />
noch bestehende Banner of Truth-Buchfond geht auf<br />
Susannahs Dienst zurück.<br />
Susannah überlebte Charles, der am 31. Januar 1892<br />
starb, schließlich noch um viele Jahre und führte ihren<br />
Buchfonds noch bis kurz vor ihrem Tod im Jahre 1903<br />
fort. Nachdem sie bereits selbst Bücher über ihren Fond<br />
sowie Andachtsbücher geschrieben hatte, widmete sie<br />
sich in ihrer Witwenschaft ihrem Hauptwerk, der<br />
4-bändigen Autobiografie von Charles Spurgeon, die sie<br />
aus seinen Tagebüchern, Briefen und Aufzeichnungen<br />
zusammenstellte und förderte weiter die Verbreitung<br />
von Charles’ Predigten und Schriften. So beendet ihr<br />
Biograf Charles Ray ihr Lebensbild mit den Worten:<br />
„Auf Erden predigt Charles' Feder weiterhin zu<br />
Millionen von Menschen unserer Generation. Susannah<br />
Spurgeon hat diesen Dienst trotz aller körperlichen<br />
Einschränkungen und Schwächen in unschätzbarem<br />
Maße durch Gottes Gnade gefördert.“ <br />
ausgabe 11 – 13
JOHN BUNYAN<br />
John Bunyans Leben war geprägt von Leiden,<br />
die er als Gottes Weg annahm,<br />
um ihn zur Herrlichkeit zu bringen.<br />
Er war ein Pilger auf dem Weg zur seligen Ewigkeit.<br />
Text<br />
Nils Freerksema
»Er fragte sich, ob er wirklich<br />
erwählt sein könne und<br />
ob die Gnadenzeit für ihn<br />
nicht schon längst zu Ende<br />
sei.«<br />
Noch ist John Bunyan manchen Christen als Autor der<br />
Pilgerreise bekannt. In unserer Generation von jungen<br />
Christen ist dieses Buch allerdings schon größtenteils in<br />
Vergessenheit geraten und damit auch sein Autor. Die<br />
„Pilgerreise zur seligen Ewigkeit“ ist ein Klassiker der<br />
Weltliteratur – übersetzt in 200 Sprachen und seit dem<br />
17. Jahrhundert durchgehend aufgelegt. Es ist jedoch<br />
nur eins von etwa 60 Büchern, die Bunyan insgesamt<br />
geschrieben hat; und nicht nur sein Werk, sondern auch<br />
sein Leben ist lehrreich und bedeutsam für uns. Insbesondere<br />
sein Umgang mit den Leiden, denen er ausgesetzt<br />
war, ist herausfordernd und vorbildlich. Es ist also<br />
gut, wenn wir uns mit dem Leben John Bunyans<br />
befassen und darauf achten, was wir von ihm lernen<br />
können.<br />
Der größte aller Sünder<br />
John Bunyan wurde im November 1628 in Elstow,<br />
einem kleinen Dorf südlich von Bedford in England,<br />
geboren. Sein Vater war Kesselflicker, ein Beruf, der eine<br />
armselige finanzielle Lage und geringes Ansehen mit<br />
sich brachte. Doch obwohl seine Eltern arm waren,<br />
ermöglichten sie ihm für einige Zeit den Besuch einer<br />
Schule, in der er zumindest lesen und schreiben lernte.<br />
Trotz seiner Autobiografie („Überreiche Gnade für der<br />
Sünder Größesten“) ist kaum etwas über seine Kindheit<br />
und Jugend bekannt. Wir wissen nur, dass sein sündiges<br />
Verhalten in jener Zeit außerordentlich war. Nur wenige<br />
waren ihm ebenbürtig „im Fluchen, Schwören, Lügen<br />
und Lästern des heiligen Namens Gottes.“ 1 In dieser<br />
Zeit wurde sein Geist zwar oft von großer Angst vor der<br />
Hölle und wegen seiner Sünden gequält, dennoch lebte<br />
er weiter ein lasterhaftes und sündiges Leben.<br />
Schon im Titel seiner Autobiografie bezeichnet<br />
Bunyan sich als den „größten aller Sünder“ und tut es<br />
damit Paulus gleich, der schreibt, „dass Christus Jesus in<br />
die Welt gekommen ist, um Sünder zu retten, von denen<br />
ich der größte bin“ (1. <strong>Timotheus</strong> 1,15). Sowohl Paulus<br />
als auch John Bunyan waren sich ihrer völligen<br />
Verderbtheit und eigenen Hilflosigkeit bewusst. Sie<br />
brauchten jemand anderen, der sie aus ihren Sünden<br />
rettet. Doch so plötzlich und überwältigend die Umkehr<br />
und Rettung bei Paulus geschah, so langsam und<br />
quälend schien sie bei Bunyan vor sich gegangen zu sein.<br />
Die schwierige Wiedergeburt<br />
1648 heiratete Bunyan seine erste Frau. Über sie ist<br />
nicht viel bekannt, nicht einmal ihr Name. Sie hatte<br />
jedoch einen gottesfürchtigen Vater und brachte von<br />
ihm zwei geistliche Bücher mit in die Ehe, die auch John<br />
des Öfteren las. Mit der Zeit veränderte er sein Leben<br />
radikal, so dass seine Umgebung ihn als wirklich gottesfürchtigen<br />
und guten Mann ansah. Er selbst sagt jedoch,<br />
dass es nicht mehr als selbstgerechte Werke waren und er<br />
nur ein Heuchler.<br />
Es lag noch ein langer Weg zu einer echten Rettung,<br />
nicht durch eigene Werke, sondern das Werk Christi,<br />
vor ihm. Wann diese eigentliche Wiedergeburt geschah,<br />
lässt sich nicht klar sagen. Deutlich wird jedoch, dass der<br />
Weg dorthin für Bunyan schwer war und lange andauerte.<br />
Er studierte die Bibel eifrig und kam dabei immer<br />
wieder auf Fragen, durch die er „bis auf Äußerste<br />
angefochten“ 2 war.<br />
Er fragte sich beispielsweise ob er wirklich erwählt<br />
sein könne und ob die Gnadenzeit für ihn nicht schon<br />
längst zu Ende sei. Lange Zeit plagte ihn auch der<br />
Gedanke, er habe die unvergebbare Sünde begangen,<br />
weil er, wie er es sagt, seinen Heiland verkauft habe.<br />
Durch all das lebte Bunyan über einen langen Zeitraum<br />
in Leiden, die sowohl geistlich als auch körperlich<br />
waren. Er schreibt: „Oh, niemand weiß von den Schrecken<br />
jener Tage als ich selbst.“ 3 In dieser Phase hatte er,<br />
ähnlich wie Luther, eine klare Vorstellung von seiner<br />
eigenen Sündhaftigkeit und Gottes Gerechtigkeit,<br />
konnte jedoch nicht deutlich erkennen, wie er selbst<br />
diesem Gott gerecht werden könnte.<br />
Ein entscheidender Moment für den Frieden seiner<br />
Seele war der, als er erkannte, dass seine Gerechtigkeit<br />
im Himmel ist. Er sah und verstand, dass Jesus Christus<br />
seine Gerechtigkeit ist und wusste: „Wo immer ich auch<br />
sein mochte und was immer ich auch tat, Gott konnte<br />
von mir nicht sagen, ihm mangelt meine Gerechtigkeit,<br />
ausgabe 11 – 15
denn diese hatte er gerade vor seinen Augen.“ 4 Was für<br />
eine wunderbare Erkenntnis, die ihm versicherte, dass<br />
seine eigene Verfassung, sei sie gut oder schlecht, keine<br />
Veränderung an seiner Gerechtigkeit bewirkte, denn<br />
„Jesus Christus ist derselbe gestern und heute und auch<br />
in Ewigkeit!“ (Hebräer 13,8). Seine Gerechtigkeit vor<br />
Gott, außerhalb von ihm selbst und bei Christus zu<br />
finden, war entscheidend, um Bunyan von den Fesseln<br />
seiner Zweifel zu erlösen. Nun konnte er sich auch den<br />
Bibelversen stellen, die ihn vorher verdammt hatten und<br />
sein Gewissen quälten.<br />
Vom Kesselflicker zum Prediger<br />
Im Jahr 1653 wurde John Bunyan Mitglied einer Baptistengemeinde<br />
in Bedford. Dort begann er, nachdem er<br />
von einigen Geschwistern in Jesus dazu gedrängt<br />
worden war, auch selbst zu predigen. Recht bald wurde<br />
er als Prediger sehr beliebt und diente in vielen Gemeinden<br />
in England. John Brown schreibt in seiner Bunyan-<br />
Biografie: „Als das Land verstand, dass der Kesselflicker<br />
zu einem Prediger geworden war, kamen sie zu Hunderten,<br />
um das Wort zu hören.“ 5 Bunyan nahm seinen<br />
Dienst sehr ernst und wollte unter keinen Umständen<br />
sein „Pfund in der Erde vergraben“. Er hatte ein so<br />
großes Verlangen danach, dass durch Gottes Wort<br />
Menschen in ihren Herzen verändert würden, dass er<br />
dafür gerne Leiden und Tod in Kauf genommen hätte.<br />
„Wenn ich in diesem Augenblick vor ihren Augen<br />
gehängt würde, und dies würde dazu dienen, sie zu<br />
erwecken und sie in der Wahrheit zu befestigen, so wäre<br />
ich mit Freuden damit einverstanden.“ 6<br />
Mit Zunahme seiner Popularität wurde er jedoch<br />
auch immer wieder durch Verleumdungen und Beleidigungen<br />
angegriffen. Da es jedoch falsche Anschuldigungen<br />
waren und Bunyan deswegen ein reines Gewissen<br />
hatte, nahm er auch dies gerne hin. Er schrieb: „Darum<br />
lege ich mir diese Lügen und Verleumdungen als einen<br />
Orden an. Es gehört zu meinem christlichen Bekenntnis,<br />
erniedrigt, verleumdet, beschuldigt und beschimpft<br />
zu werden.“ 7 Mich beschämt beides: die Bereitschaft<br />
Bunyans, für das Zeugnis von Jesus zu leiden und sein<br />
liebendes Herz, das für die Menschen, die ihm anvertraut<br />
waren, litt. Ich wünsche mir einen ähnlich großen<br />
Eifer in der Verkündigung von Gottes Wahrheit und der<br />
Sorge um die Herzen meiner Mitmenschen.<br />
»Es gehört zu meinem<br />
christlichen Bekenntnis,<br />
erniedrigt, verleumdet,<br />
beschuldigt und<br />
beschimpft zu werden.«<br />
– John Bunyan<br />
Zum Leiden bestimmt<br />
Das Leben John Bunyans war aber nicht nur durch die<br />
inneren Leiden seiner Seele bestimmt, auch an äußeren<br />
Umständen hatte er viel Leid zu ertragen. Dies tat er mit<br />
großer Geduld und unerschütterlichem Vertrauen in<br />
Gottes Güte und Allmacht. Die erste Tochter, Mary, die<br />
Gott ihm und seiner Frau schenkte, wurde blind<br />
geboren und Bunyans Zuneigung zu ihr war besonders<br />
groß. 1658, nach nur zehn Jahren Ehe, starb seine Frau<br />
und hinterließ ihm neben der blinden Mary noch drei<br />
weitere Kinder. Er heiratete ein Jahr später seine zweite<br />
Frau, Elizabeth, mit der er zunächst jedoch auch nicht<br />
lange zusammen sein konnte. Denn nur ein Jahr nach<br />
der Hochzeit wurde John Bunyan inhaftiert und musste<br />
die nächsten zwölf Jahre – mit kurzer Unterbrechung –<br />
16 – ausgabe 11
im Gefängnis bleiben. Ursache dafür war, dass König<br />
Charles II. die Regierung übernommen hatte und dafür<br />
sorgte, dass das Predigen außerhalb der Staatskirche<br />
verboten wurde. Die gesamte Zeit, in der Bunyan lebte,<br />
war geprägt von großen politischen Unruhen, die stark<br />
mit den religiösen Gruppen verbunden waren. Zu seiner<br />
Kinder- und Jugendzeit wurde England von König<br />
Charles I. regiert. Dieser ging zusammen mit dem<br />
Bischof der anglikanischen Kirche stark gegen die<br />
Puritaner vor. Die Puritaner waren eine Bewegung, die<br />
das religiöse Leben teils innerhalb, teils außerhalb der<br />
anglikanischen Kirche, reformieren wollte. 1642<br />
entstand ein Bürgerkrieg zwischen den Parlamentariern<br />
unter Oliver Cromwell und den Königstruppen. Nach<br />
drei Jahren besiegten die Parlamentarier den König und<br />
regierten das Land. Cromwell sorgte für Religionsfreiheit<br />
außerhalb der anglikanischen Kirche. Nach seinem<br />
Tod 1658 brach die Regierung jedoch bald wieder<br />
auseinander. Charles II. wurde 1660 König über<br />
England und schränkte die Religionsfreiheit wieder<br />
stark ein. Sein Predigtverbot dauerte zwölf Jahre bis<br />
1672.<br />
Bunyan war über diese zwölf Jahre im Gefängnis,<br />
obwohl er schon früh aus der Gefangenschaft hätte<br />
entlassen werden können. Dazu hätte er sich verpflichten<br />
müssen, mit dem Predigen aufzuhören, was für ihn<br />
jedoch nicht in Frage kam. „Ich habe mich entschieden,<br />
mit der Hilfe und des Schutzes des allmächtigen Gottes<br />
lieber zu leiden, falls das zerbrechliche Leben so lange<br />
anhält, bis Moos auf meinen Augenbrauen wächst, als<br />
meinen Glauben und meine Prinzipien zu verletzen.“ 8<br />
Bunyan nahm diese Leiden mit Dankbarkeit aus Gottes<br />
Hand und durfte darin seinen Segen erleben. Er schreibt<br />
zum Beispiel: „Nie in meinem ganzen Leben habe ich<br />
einen so freien Zugang zum Worte Gottes gehabt wie<br />
jetzt.“ 9 Dennoch war die Zeit im Gefängnis eine wirkliche<br />
Leidenszeit. Ihn quälten Gedanken über ein mögliches<br />
Todesurteil und die Leiden seiner Familie. Insbesondere<br />
der Gedanke an seine Tochter Mary bereitete<br />
ihm viel Kummer. „Oh, der Gedanke an alles Harte, das<br />
mein blindes Kind vermutlich werde durchmachen<br />
müssen, wollte mir das Herz brechen.“ 10 Was ihn in<br />
dieser langen Leidenszeit tröstete, war das feste Vertrauen<br />
in Gottes Souveränität. John Piper zitiert ihn in<br />
Bezug auf Leiden: „Nicht, was die Feinde wollen oder<br />
was sie beschließen, sondern was Gott will und was Gott<br />
bestimmt, wird geschehen.“ 11 „Leiden für die Gerechtigkeit<br />
und um der Gerechtigkeit willen geschieht durch<br />
Gottes Willen. Gott hat bestimmt, wer leiden wird.“ 12<br />
Bunyan hielt sich die biblische Wahrheit vor Augen, die<br />
beispielsweise in 1. Thessalonicher 3,3 deutlich wird:<br />
„damit niemand wankend werde in diesen Bedrängnissen;<br />
denn ihr wisst selbst, dass wir dazu bestimmt sind.“<br />
Die Gewissheit, dass Gott über allem Leiden steht,<br />
stärkte ihn über die ganze Zeit der Gefangenschaft und<br />
darüber hinaus. Bunyan begann nach seiner Freilassung<br />
wieder seine Predigtdienste und diente Geschwistern in<br />
ganz England auf viele Weise. Er starb 1688, nachdem<br />
er sich auf einer Reise ein schweres Fieber zugezogen<br />
hatte. Sein Vermächtnis, das er vor allem in Form vieler<br />
geistlicher Bücher hinterließ, prägte unzählige Christen<br />
»Bunyan war zwölf Jahre im<br />
Gefängnis, obwohl er schon<br />
früh aus der Gefangenschaft<br />
hätte entlassen werden<br />
können.«<br />
und seine Lebensgeschichte ist ein herausforderndes und<br />
ermutigendes Zeugnis für jeden.<br />
... der nehme sein Kreuz auf sich<br />
John Bunyans Umgang mit seinen Leiden ist vielleicht<br />
das, was am deutlichsten aus seinem Leben hervorscheint.<br />
Piper schreibt: „Bunyans Leiden durchzieht alle<br />
seine Werke.“ 13 Ein Grund dafür ist sicherlich, dass er<br />
Leiden als unerlässlichen Teil des christlichen Lebens<br />
sah. „Es ist Gottes Wille, dass Menschen, die auf dem<br />
Weg zum Himmel sind, entweder gar nicht oder nur<br />
unter Schwierigkeiten dort ankommen.“ 14<br />
Wenn ich mich mit Bunyans Leben und seinen<br />
Aussagen beschäftige, frage ich mich, welche Leiden ich<br />
eigentlich für Christus auf mich nehme. Schließlich hat<br />
Jesus gesagt: „Wer nicht sein Kreuz trägt und mir<br />
nachkommt, der kann nicht mein Jünger sein“ (Lukas<br />
14,27). Paulus hat es noch deutlicher formuliert: „Wenn<br />
wir aber Kinder sind, so sind wir auch Erben, nämlich<br />
Erben Gottes und Miterben des Christus; wenn wir<br />
wirklich mit ihm leiden, damit wir auch mit ihm<br />
verherrlicht werden“ (Römer 8,17).<br />
Nun sind wir in unserem Umfeld keiner Verfolgung<br />
ausgesetzt, die jener Bunyans oder der Apostel auch nur<br />
annähernd ähnlich wäre. Für Christus zu leiden bedeutet<br />
mit Sicherheit auch keine Selbstkasteiung, um Sünde<br />
zu büßen. Das ganze Neue Testament macht aber<br />
deutlich, dass wir als Nachfolger Jesu in einem Kampf<br />
stehen. Ein Kampf nicht gegen Menschen, sondern<br />
gegen die Mächte der Finsternis und die Sünde. Wenn<br />
wir diesen Kampf mit ganzer Kraft und ganzem Willen<br />
führen, werden wir nicht um Leiden herum kommen.<br />
„Ihr habt noch nicht bis aufs Blut widerstanden im<br />
Kampf gegen die Sünde“ (Hebräer 12,4). Ich möchte<br />
bereit sein, Leiden auf mich zu nehmen, um in diesem<br />
Kampf zu bestehen und als Überwinder die Herrlichkeit<br />
zu erlangen. <br />
ausgabe 11 – 17
Keine Angst<br />
vor Theologie!<br />
Jay Adams<br />
S Y S T E M A T I S C H E T H E O L O G I E<br />
Biblische Theologie<br />
für die Gemeinde<br />
Michael Lawrence<br />
B I B L I S C H E T H E O L O G I E<br />
Die Wahrheit<br />
macht frei<br />
Erich Schmidt-Schell<br />
R O M A N<br />
Jeder Christ interessiert sich für Theologie<br />
– ob er es weiß oder nicht. Denn<br />
Theologie ist nichts anderes als die<br />
Antwort auf die Frage, was man glaubt.<br />
Theologie ordnet die Lehren der Bibel<br />
und wendet sie auf das Leben an. Um im<br />
Glauben und in der Erkenntnis Gottes<br />
zu wachsen, braucht der Christ eine<br />
gesunde schriftgemäße Theologie.<br />
Dieses Buch ist ganz anders als akademische<br />
Theologiewerke, denn es vermittelt<br />
biblische Lehre auf eine Weise, die jeder<br />
leicht verstehen kann. Kurz und bündig,<br />
teils in Essay- oder Dialogform, erklärt<br />
der Autor in flüssigem Stil und mit einer<br />
Prise Humor grundlegende Themen der<br />
christlichen Lehre: das Wesen Gottes<br />
und des Menschen, rechtes Bibelverständnis,<br />
die Errettung, Endzeitfragen<br />
usw. und korrigiert dabei auch viele<br />
falsche Vorstellungen, die sich unter<br />
Christen verbreitet haben – z.B. über<br />
Erwählung, Gottes Führung, Zeichen<br />
und Wunder, Israel u.v.m.<br />
Ein Leitfaden für die Anwendung von<br />
Gottes Offenbarung<br />
Christliches Leben resultiert aus gesundem<br />
Glauben. Und gesunder Glaube<br />
entsteht, wenn die Bibel richtig verstanden<br />
und vermittelt wird. Dieses Buch<br />
schlägt die Brücke zwischen Theorie und<br />
Praxis und ist eine Fundgrube für alle,<br />
die die Bibel als Ganzes so studieren,<br />
vermitteln und verkündigen wollen, dass<br />
das Leben der Gemeinde und jedes<br />
Einzelnen sich zur Ehre Gottes verändert.<br />
Michael Lawrence bietet eine<br />
wunderbar verständliche und nützliche<br />
Einleitung in die Biblische Theologie –<br />
in die Lehre von den roten Fäden der<br />
Bibel – und zeigt ihre praktische<br />
Anwendung.<br />
Hinweis: Das Buch richtet sich zwar<br />
direkt an Prediger und Gemeindeleiter,<br />
aber da es hauptsächlich um das rechte<br />
Verständnis und die praxisbezogene<br />
Auslegung der Bibel geht, ist es für jeden<br />
Christen äußerst nützlich!<br />
Geschichte einer<br />
Versöhnung<br />
Der sechsjährige Malte wächst ohne<br />
Mutter auf, sie starb bei seiner Geburt.<br />
Vater Ansko möchte den Jungen am<br />
liebsten nicht sehen, deshalb kümmert<br />
sich die Großmutter um Maltes Erziehung.<br />
Doch nun liegt sie nach einem<br />
Herzinfarkt auf der Intensivstation.<br />
Dunkle Wolken ziehen über Maltes<br />
Leben auf.<br />
– Was plant Ansko bezüglich der<br />
Zukunft seines Sohnes? Die Beziehung<br />
zwischen Vater und Sohn ist stark<br />
belastet. Der verbitterte Mann, der sich<br />
von Gott ungerecht behandelt fühlt, gibt<br />
Malte die Schuld am Tod seiner Frau.<br />
»Dieser Junge hat unser Leben zerstört;<br />
das kann ich ihm nicht verzeihen!«<br />
Wird Ansko an seiner Ablehnung und<br />
Bitterkeit festhalten? Wie lange soll<br />
Malte der Vaterliebe entbehren? Wird<br />
Ansko die guten Absichten Gottes für<br />
sein Leben erkennen?<br />
Paperback, 206 Seiten<br />
Betanien, 2013<br />
Art.Nr.: 175944<br />
€ 11,90<br />
Paperback, 276 Seiten<br />
Betanien, 2013<br />
Art.Nr.: 175945<br />
€ 13,90<br />
Taschenbuch, 256 Seiten<br />
Voice of Hope, 2013<br />
Art.Nr.: 875393<br />
€ 6,90<br />
A U S G E W Ä H L T E N E U H E I T E N A U S D E M<br />
B E T A N I E N - O N L I N E S H O P<br />
C B U C H . D E
Neu belebt von Ihm<br />
Nancy Leigh DeMoss<br />
Tim Grissom<br />
K U R S M A T E R I A L / S T U D I E N B U C H<br />
Kämpfe den<br />
guten Kampf<br />
Peter Lüling<br />
B I B E L S T U D I U M<br />
Der Weg der christlichen<br />
Theologie<br />
Alister McGrath<br />
K I R C H E N G E S C H I C H T E<br />
Sind Sie manchmal müde von dem<br />
Versuch, ein guter Christ zu sein? Sind<br />
Sie überlastet mit Gemeindeaktivitäten?<br />
Fühlen Sie sich geistlich leer? Dann ist<br />
dieser Kurs genau richtig für Sie!<br />
Neu belebt von Ihm ist ein praktischer<br />
12-Wochen-Kurs, in dem die Autoren<br />
Prinzipien für persönliche Erweckung<br />
vorstellen. Wenn Sie für Ihr Leben mit<br />
Gott mehr Begeisterung und Tiefe<br />
suchen, finden Sie hier den Schlüssel<br />
dazu. Entdecken Sie, wie dadurch auch<br />
Ihre Beziehung zu Mitmenschen eine<br />
neue Qualität bekommt.<br />
Dieses Buch können Sie allein, in einer<br />
Gruppe oder mit einer ganzen Gemeinde<br />
durcharbeiten.<br />
„Neu belebt von Ihm ist ein sehr persönlicher<br />
und tiefgründiger Kurs. Er führt<br />
zu einem heiligen, von oben gesegneten<br />
Leben und einem fröhlichen Herzen, das<br />
gar nicht anders kann, als für den Herrn<br />
Jesus zu brennen!“<br />
– Joni Eareckson Tada<br />
Eine Studie zum 1. <strong>Timotheus</strong>brief<br />
Bibelstudium ist wie die Goldsuche:<br />
mühsam, aber unglaublich bereichernd.<br />
Wer einmal fündig geworden ist, möchte<br />
immer mehr entdecken und zu weiteren<br />
Schätzen vordringen, aber ...<br />
• Wie bekommt man erst einmal den<br />
Zugang zu einem Bibelbuch, zu einem<br />
Kapitel oder einem Abschnitt?<br />
• Auf welche Weise soll man das Material<br />
sichten?<br />
• Welche Fragen wären gut und<br />
wichtig?<br />
• Gibt es Strukturen und Sinnzusammenhänge?<br />
• Wie haben die Empfänger damals<br />
auf die Briefe reagiert, in denen es ja<br />
weder Verse noch sonstige Einteilungen<br />
gab?<br />
Eine Einführung<br />
Dieses umfassende Werk ist eine Einführung<br />
in die faszinierende Welt der christlichen<br />
Theologie und in ihre Geschichte.<br />
Auch wenn Sie nicht theologisch vorgebildt<br />
sind, werden Sie hier einen Überblick<br />
über die geschichtliche Entwicklung<br />
der Theologie (Dogmengeschichte)<br />
und ihre wichtigsten Lehraussagen<br />
bekommen und befähigt, theologischen<br />
Diskussionen mühelos folgen zu<br />
können.<br />
Das Buch ist gleichzeitig ein umfassendes<br />
Nachschlagewerk zu einzelnen<br />
Epochen oder Themen der Theologie,<br />
das jedes Kapitel als in sich verständliche<br />
Einheit behandelt und mit unfangreichem<br />
Glossar und Register sowie Angaben<br />
zu weiterführender Literatur die<br />
nötigen Querverweise liefert und zum<br />
Weiterstudium anregt.<br />
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H I E R B E S T E L L E N<br />
0 5 2 3 7 - 8 9 9 0 9 0 • I N F O @ B E T A N I E N . D E<br />
C B U C H . D E • B E T A N I E N . D E
JOHN GRESHAM MACHEN<br />
Für jemanden, der zu Recht als die „führende konservative<br />
Stimme in der fundamentalistisch-modernistischen Kontroverse<br />
der 20er Jahre“ 1 bezeichnet werden kann, ist der presbyterianische<br />
Theologe und Princeton-Professor John Gresham<br />
Machen (1881-1937) zumindest hierzulande relativ unbekannt.<br />
Die folgende Darstellung soll diese Lücke schließen,<br />
Machens Leben und Werk kurz skizzieren – und zu einer<br />
Beschäftigung mit seinen zentralen Thesen anregen.<br />
Text<br />
Daniel Facius
»Machen gewann die<br />
Einsicht, dass er nach einer<br />
Versöhnung von Glauben<br />
und Vernunft suchte.«<br />
Wenn der Biograph Nichols Machen als „unwahrscheinlichen<br />
Helden“ bezeichnet, 2 liegt diese Einschätzung in<br />
der behüteten Kindheit Machens begründet. Eher<br />
privilegiert aufgewachsen 3 in der High-Society<br />
Baltimores als Sohn eines bekannten Anwalts (Arthur<br />
Webster Machen, dessen Vater als Geschäftsleiter des<br />
US-Senats politisch gut vernetzt war) und einer 21 Jahre<br />
jüngeren Mutter, die den vornehmsten Kreisen Georgias<br />
entstammte (Mary Gresham Machen), genoss der junge<br />
Machen eine hervorragende Erziehung, 4 die ihn zwar<br />
für höhere Aufgaben in Staat und Gesellschaft prädestinierte<br />
– nicht aber für eine entscheidende Rolle in den<br />
theologischen Auseinandersetzungen seiner Zeit. „Den<br />
geistlichen Dienst“, so schrieb er seinem Vater, „kann<br />
ich mir nicht vorstellen.“ 5 An fehlender religiöser Erziehung<br />
kann diese Abneigung nicht gelegen haben, war<br />
doch insbesondere seine Mutter immer bestrebt, John<br />
und seinen Brüdern Arthur und Thomas nicht nur die<br />
Bibel, sondern auch den Westminster-Katechismus und<br />
Bunyans Pilgerreise nahezubringen. 6 Im Alter von 15<br />
Jahren wurde er auf sein Glaubensbekenntnis hin in die<br />
Franklin Street Presbyterian Church aufgenommen, der<br />
seine Mutter angehörte.<br />
Findungsphase<br />
Bei der Auswahl des Colleges unternahm der Musterschüler<br />
Machen keine Experimente. Er entschied sich<br />
für die John-Hopkins-Universität vor Ort und studierte<br />
dort, motiviert von seiner Vorliebe für die griechischen<br />
Klassiker, Altphilologie. Nach einer Europa-Reise, ein<br />
Geschenk seiner Eltern zum Universitätsabschluss, muss<br />
er sich noch immer unschlüssig darüber gewesen sein,<br />
was er mit seinem Leben anfangen wollte. Er blieb für<br />
eine Promotion an der Universität, die ihm so erfolgreich<br />
glückte, dass er 1901 in die Phi-Betta-Kappa-<br />
Gesellschaft aufgenommen wurde, die älteste und<br />
angesehenste Studentenverbindung der Vereinigten<br />
Staaten. Auch das weitere Studium in Chicago im<br />
Sommer 1901 erwies sich als wenig zielführend:<br />
Internationales Recht und Bankwesen stand auf dem<br />
Lehrplan. Erst nach zahlreichen Diskussionen mit<br />
seinen Eltern und seinem Pastor in Baltimore entschied<br />
er sich letztlich dafür, sich in Princeton einzuschreiben,<br />
wobei er zeitgleich Theologie am Princeton Theological<br />
Seminary und Philosophie an der Princeton University<br />
studierte – und sich für Football begeisterte. Zu seinen<br />
Lehrern in Theologie gehörten Benjamin Warfield, 7<br />
Caspar Hodge, Francis Patton und William Armstrong,<br />
wobei insbesondere die letzteren einen erheblichen<br />
Einfluss auf Machen gewannen. Über Patton, den ersten<br />
Präsidenten des Princeton Theological Seminary, schrieb<br />
er nach dessen Tod 1932: „Er war ein wahrer Freund für<br />
mich. Ich wäre niemals vorangekommen ohne seine<br />
Hilfe.“ 8 Armstrong, der Neues Testament lehrte,<br />
empfahl Machens Aufsatz über die Geburtserzählungen<br />
der Evangelien für eine renommierte Auszeichnung und<br />
die Veröffentlichung in der „Princeton Theological<br />
Review“. Als Machen tatsächlich gewann, brachte ihm<br />
dies ein Forschungsstipendium in Deutschland ein.<br />
1905 studierte Machen zunächst in Marburg, dann<br />
in Göttingen. Auch wenn Machen später schrieb, dass es<br />
nicht Deutschland war, „das zuerst Zweifel in meiner<br />
Seele weckte“, 9 muss diese Episode doch als krisenhafte<br />
bezeichnet werden. 10 Insbesondere die Vorlesung von<br />
Wilhelm Herrmann 11 in Marburg wurde zur Herausforderung<br />
für Machen, der weder auf die Auswüchse<br />
liberaler Theologie, noch auf die offenbar lebendige<br />
Frömmigkeit dieses Lehrers ausreichend vorbereitet war.<br />
An seinen Vater schrieb Machen: „Ich bin völlig verwirrt<br />
worden von dem, was er sagt – seine Ergebenheit für<br />
Christus ist viel tiefer als alles, was ich während der<br />
letzten Jahre von mir selbst kenne.“ 12<br />
Unter anderem durch den Briefwechsel mit seiner<br />
Mutter gewann Machen die Einsicht, dass er nach einer<br />
Versöhnung von Glauben und Vernunft suchte. Weder<br />
ein bloßer Intellektualismus ohne Hingabe, noch ein<br />
begeisterter „Glaube“ ohne solide Basis konnten ihn<br />
zufriedenstellen. Diese Einsicht sollte sein ganzes weiteres<br />
Leben prägen. 13 Zurück in den USA nahm er 1906<br />
das Angebot Armstrongs für eine Assistentenstelle in<br />
Princeton an. Er kam dort im Studentenwohnheim „39<br />
Alexander Hall“ unter und war bei den Studenten nicht<br />
ausgabe 11 – 21
nur wegen seines fachlich hervorragenden Unterrichts,<br />
sondern auch wegen seiner Geselligkeit beliebt. Samstags<br />
öffnete er abends sein Appartement für die Studenten,<br />
wo er Früchte und Tabak anbot und bis in die<br />
Nacht diskutiert wurde. 1912 veröffentlichte er vier<br />
vielbeachtete Aufsätze, 14 die seinen Aufstieg beförderten:<br />
1914 wurde er zum Assistenz-Professor ernannt<br />
und, ganz entgegen seiner ursprünglichen Absichten,<br />
von der Presbyterian-Church ordiniert. Seine Antritts-<br />
Vorlesung „Geschichte und Glaube“ sorgte für internationale<br />
Aufmerksamkeit und legte den Grundstein für<br />
sein weiteres Wirken und die Auseinandersetzung mit<br />
der liberalen Theologie.<br />
In diese Zeit (1910-1915) fiel auch die Veröffentlichung<br />
der von Torrey herausgegebenen, ursprünglich<br />
zwölfbändigen Ausgabe der „Fundamentals“, die<br />
aufgrund großzügiger Finanzierung durch die<br />
Öl-Millionäre Lymon und Milton Stewart in Millionenauflage<br />
kostenlos verteilt wurden. 15 Obwohl auch<br />
Machens Mentor Warfield einen Artikel über die<br />
Gottheit Jesu beisteuerte, ließ sich Machen später nur<br />
zögerlich mit der entstehenden Bewegung der Fundamentalisten<br />
in Zusammenhang bringen. 16 Als der Erste<br />
Weltkrieg begann, nahm Machen nicht als Soldat,<br />
sondern als Freiwilliger im Rahmen der CVJM-Arbeit<br />
teil und unterstütze französische und amerikanische<br />
Soldaten an der Front. 17 Einige Monate nach Kriegsende<br />
kehrte er zurück in die Staaten, wo er alsbald in die<br />
Modernismus-Debatte verwickelt wurde – auch an<br />
seiner eigenen Hochschule.<br />
Die Modernismus-Debatte<br />
1921 starb Benjamin Warfield. Machen schrieb anlässlich<br />
der Beerdigung an seine Mutter: „Es scheint mir,<br />
dass das alte Princeton – eine große Institution – starb,<br />
als Dr. Warfield hinausgetragen wurde.“ 18 In der Tat<br />
verlor Princeton mit Warfield einen der einflussreichsten<br />
konservativen Theologen Amerikas – und Machen<br />
schickte sich an, in seine Fußstapfen zu treten. 1921<br />
veröffentlichte er seine erste große Monographie, „Der<br />
Ursprung der Religion des Paulus“, in der er eine Serie<br />
von Vorlesungen am Union Theological Seminary in<br />
Virginia zusammenfasste. Die Wahl des Themas war<br />
kein Zufall: „Die Abhängigkeit des Christentums von<br />
einer bestimmten Auffassung über seinen Ursprung und<br />
seinen Gründer wird neuerdings heftig attackiert. Viele<br />
sind der Meinung, das Christentum könne unabhängig<br />
von seinem Ursprung gesehen werden, so dass diese<br />
Ursprungsfrage völlig getrennt werden sollte von den<br />
anstehenden religiösen Interessen der Kirche.“ 19<br />
Für Machen dagegen war die Frage nach dem<br />
Ursprung des Christentums auch die Frage nach seiner<br />
Wahrheit – und damit die wichtigste praktische Frage<br />
unserer Existenz. 20 Mit dieser Botschaft bereiste<br />
Machen in zunehmender Intensität die Vereinigten<br />
Staaten und sprach allein 1922/23 in New York, New<br />
Jersey, Philadelphia, Chicago und Iowa über Themen<br />
wie „Was ist Christentum?“, „Die Fundamente des<br />
christlichen Glaubens“ und „Ist das Christentum<br />
wahr?“ 21 Die Beschäftigung mit dieser Frage mündete<br />
schließlich in seinem wohl bekanntesten Werk „Chris-<br />
tentum und Liberalismus“, 22 das 1923 zusammen mit<br />
einem Griechisch-Lehrbuch erschien. Unmittelbarer<br />
Anlass für die Herausgabe des Buches war die Predigt<br />
eines Baptistenpredigers an der First Presbyterian<br />
Church in New York, Harry Emerson Fosdick, der am<br />
21. Mai 1922 über das Thema „Sollen die Fundamentalisten<br />
gewinnen?“ sprach, eine Predigt, die landesweite<br />
Verbreitung fand und als „Schlachtruf für den Liberalismus“<br />
gelten kann. 23 In dieser Predigt behandelt er drei<br />
zentrale christliche Lehren: die Unfehlbarkeit der<br />
Schrift, die Jungfrauengeburt und die Wiederkunft<br />
Christi. Er stellt die konservative und die liberale Auslegung<br />
dieser Dogmen vor 24 und kommt zu dem Ergebnis,<br />
dass die Kirche für Anhänger beider Auslegungen<br />
groß genug sein müsse. Die Fundamentalisten, die das<br />
anders sehen, sind – natürlich – engherzig, intolerant<br />
und ewiggestrig. Zudem sei es eine Schande, sich über<br />
Kleinigkeiten (!) zu streiten, während die Welt<br />
zugrundegehe. 25<br />
Christentum und Liberalismus<br />
Es verwundert nicht, dass Machen diese Herausforderung<br />
annahm. „Diese Zeit“, schreibt er in seiner Einleitung<br />
zu „Christentum und Liberalismus“, „ist eine Zeit<br />
des Konflikts“ 26 – und der Hauptgegner des Christentums<br />
die liberale Theologie. 27 Machens These: Das<br />
Christentum ist primär eine Lehre, kein Lebensstil<br />
(auch wenn eine bestimmte Lebensweise aus dieser<br />
Lehre folgt). 28 Machen bezieht sich insoweit auf<br />
1. Korinther 15,3-7 und erklärt: „Was also ist der Inhalt<br />
der Lehre der Urgemeinde? Lehrte sie ein generelles<br />
Prinzip des Vaterseins Gottes oder der Brüderlichkeit<br />
der Menschen? Lehrte sie eine diffuse Bewunderung für<br />
die Persönlichkeit Jesu, wie sie in der modernen Kirche<br />
vorherrscht? Nichts könnte weiter entfernt sein von den<br />
Tatsachen. „Christus starb für unsere Sünden“, erklärten<br />
die ersten Jünger, „nach der Schrift; er ist begraben<br />
worden und er ist auferstanden am dritten Tage nach der<br />
Schrift“. Von Anfang an bestand das christliche Evangelium<br />
– wie auch der Name „Evangelium“, das heißt<br />
„Gute Nachricht“, impliziert – aus einem Bericht über<br />
etwas, das geschehen war. Und von Anfang an wurde die<br />
Bedeutung dessen, was da geschehen ist, überliefert.<br />
Und die Überlieferung dieser Bedeutung war: christliche<br />
Lehre. „Christus starb“ – das ist Geschichte. „Christus<br />
starb für unsere Sünden“ – das ist Lehre. Ohne diese<br />
beiden Elemente, verbunden in unauflöslicher Einheit,<br />
gibt es kein Christentum.“ 29<br />
Nach diesen grundlegenden Feststellungen erörtert<br />
Machen die verschiedenen Sichtweisen auf Gott und die<br />
Menschen, die Bibel, Christus, die Erlösung und die<br />
Kirche. Er wehrt sich gegen die liberale Tendenz, das<br />
Wort „Gott“ als eine Art Weltgeist zu verstehen, der<br />
nicht mehr von seiner Schöpfung zu unterscheiden ist.<br />
Bezüglich der Sicht auf den Menschen bemerkt Machen<br />
scharfsinnig, dass Grundlage der modernen liberalen<br />
Bewegung der Verlust des Bewusstseins von Sünde ist. 30<br />
Weil die Kirche aber nicht mehr von Sünde überführt,<br />
steht sie vor einer völlig unmöglichen Aufgabe: Gerechte<br />
zur Buße zu rufen. 31 Er verteidigt die Inspiration und<br />
Unfehlbarkeit der Bibel und setzt sich mit einem<br />
22 – ausgabe 11
Argument auseinander, das seiner Aktualität wegen kurz<br />
wiedergegeben werden soll: „Manchmal entsteht der<br />
Eindruck, dass der moderne Liberale die Autorität der<br />
Schrift durch die Autorität Jesu ersetzt. Er kann die aus<br />
seiner Sicht perversen moralischen Lehren des Alten<br />
Testaments oder die sophistischen paulinischen<br />
Argumente nicht akzeptieren, sagt er. Aber er betrachtet<br />
sich dennoch als echten Christen, denn indem er den<br />
Rest der Bibel verwirft, ist er alleine von Jesus abhängig.<br />
Dieser Eindruck aber ist vollkommen falsch.“ 32 Denn<br />
der liberale Theologe akzeptiert nur einen kleinen Teil<br />
der Jesus-Worte überhaupt als echt, und muss gerade<br />
dessen hohe Sicht der Bibel revidieren. Das, was er als<br />
Zweck des Lebens Jesu herausarbeitet, ist lediglich eine<br />
willkürliche Zusammenstellung der wenigen Schriftstellen,<br />
die mit der modernen Theologie noch in Einklang<br />
zu bringen sind. „Es ist“, schließt Machen, „darum kein<br />
Wunder, dass die liberale Theologie sich völlig vom<br />
Christentum unterscheidet, denn ihre Grundlage ist<br />
eine andere. Das Christentum ist gegründet auf der<br />
Bibel. Die liberale Theologie dagegen ist gegründet auf<br />
den wechselhaften Gefühlen sündiger Menschen.“ 33<br />
Machens Buch war kein Bestseller. 1923 wurden<br />
lediglich 1.000 Exemplare verkauft. Erst die Kritiken,<br />
insbesondere die negativen, erwiesen sich als absatzfördernd.<br />
Die beabsichtigte Wirkung aber blieb aus, wollte<br />
Machen mit seiner Darlegung doch gerade auf eine<br />
Trennung von Liberalen und Bibeltreuen hinwirken. 34<br />
Statt dessen erhielt er von Ross Stevenson, seit 1914<br />
Präsident des Princeton Theological Seminary und<br />
Vertreter moderater Positionen, einen Glückswunschbrief,<br />
in dem er bemerkte, man solle keinen Ärger<br />
dadurch hervorrufen, dass man die Liberalen aus der<br />
Kirche treibe, sondern vielmehr versuchen, sie zu<br />
gewinnen. 35 Dabei hatte Machen zu solchem Einheitsstreben<br />
doch geschrieben: „Die Einheit, die gemeint ist,<br />
ist oft eine Einheit mit der Welt gegen den Herrn, oder<br />
bestenfalls eine erzwungene, mechanische Einheit tyrannischer<br />
Ausschüsse.“ 36 Es blieb letztlich Machen selbst<br />
überlassen, diese Einheit zu beenden.<br />
»›Christus starb‹ – das ist<br />
Geschichte. ›Christus starb<br />
für unsere Sünden‹ – das ist<br />
Lehre. Ohne diese beiden<br />
Elemente, verbunden in<br />
unauflöslicher Einheit, gibt<br />
es kein Christentum.«<br />
Verlorene Kämpfe<br />
Princeton wurde seit seiner Gründung geleitet von<br />
einem Direktoren-Ausschuss, zuständig für die theologische<br />
Ausrichtung, und einem Kuratorium, das sich im<br />
Wesentlichen um organisatorische und finanzielle<br />
Fragen zu kümmern hatte. Als die Generalversammlung<br />
der Presbyterianischen Kirche unter dem Einfluss des<br />
Präsidenten des Seminars Stevenson erwog, dieses<br />
Leitungsmodell zugunsten eines einzigen Gremiums<br />
aufzugeben, war nicht nur Machen alarmiert – denn im<br />
Kuratorium gab es eine große liberale Mehrheit. 37<br />
Machen schreibt in einem privat gedruckten Aufsatz:<br />
„Die Leitung durch ein einziges Gremium ist eine sehr<br />
gefährliche Leitungsform für eine theologische Institution.<br />
Mit ziemlicher Sicherheit würden in diesem Gremium<br />
viele Menschen sitzen, die eher Geschäftsleute sind<br />
als Theologen – und in theologischen Fragen ist Unwissenheit<br />
in nahezu gleicher Weise dazu geeignet, eine<br />
Institution in die Hände der Feinde des Glaubens fallen<br />
zu lassen, wie offener Ungehorsam gegen Gottes<br />
Wort.“ 38 Trotz zahlreicher Proteste, an der sich auch die<br />
„Liga Evangelikaler Studenten“ beteiligte, als deren<br />
theologischer Berater Machen fungierte, wurde die<br />
geplante Umstrukturierung beschlossen. Machen, der<br />
vorab erklärt hatte, dass er das Seminar für „tot“ halte,<br />
wenn die konservative Mehrheit im Direktoren-<br />
Ausschuss verloren ginge, 39 zog die Konsequenzen.<br />
Nach über 22 Jahren Dienst kündigte er seine Stellung<br />
in Princeton. Es sollte nicht die einzige Stellung sein, die<br />
er verlor, denn auch die Presbyterianische Kirche selbst<br />
kam langsam aber sicher von ihrem traditionell<br />
bibeltreuen Kurs ab.<br />
Erstmals fassbar wurde dies im Mai 1924, als ein<br />
11-köpfiges Konferenz-Komitee die sogenannte<br />
„Auburn-Affirmation“ verabschiedete, die in der Folge<br />
von über 1200 Pastoren der Presbyterianischen Kirche<br />
unterschrieben wurde. Hierin wurde die Entscheidung<br />
der Generalversammlung kritisiert, die 1910, 1916 und<br />
noch einmal 1923 die Bejahung der Unfehlbarkeit der<br />
Schrift, der Jungfrauengeburt und Göttlichkeit Christi,<br />
der stellvertretenden Sühne, der körperlichen Auferstehung<br />
Jesu und der Authentizität seiner Wunder als<br />
Vorbedingung für eine Ordination festgelegt hatte. Ziel<br />
dieses von Auburn-Professor Robert Nichols maßgeblich<br />
mit verfassten Papiers war es, alle diese Glaubenslehren<br />
als für den pastoralen Dienst „nicht wesentlich“ (!)<br />
einzuordnen, um die Einheit und Freiheit der Kirche zu<br />
bewahren. Diese Erklärung erregte selbstredend heftigen<br />
Widerspruch von konservativer Seite. 40 Auch Machen<br />
selbst griff die Erklärung als „Attacke auf den christlichen<br />
Glauben“ scharf an: „Von Anfang an hat das<br />
Heidentum in dieser oder jener Form versucht, das Volk<br />
Gottes zu verschlingen. Immer war es darauf aus, den<br />
Unterschied zwischen Kirche und Welt zu verwischen.<br />
Immer hat es versucht, das Anstößige des christlichen<br />
Glaubens dadurch zu entfernen, indem es die Kirche<br />
dazu verführte, das zu werden, was die Auburn Affirmation<br />
eine „inklusivistische“ Kirche nennt.“ 41<br />
Er kritisierte dabei nicht nur die Unterzeichner<br />
selbst, sondern auch diejenigen, die ihnen um des<br />
Friedens der Kirche willen nicht entgegentraten:<br />
ausgabe 11 – 23
„Manchmal glaube ich, dass diejenigen, die Konflikte<br />
anprangern, sich nie mit der Geschichte beschäftigt,<br />
jedenfalls aber nie das Wort Gottes gelesen haben. (…)<br />
In der ganzen Kirchengeschichte hat es immer Pazifisten<br />
gegeben, die bestrebt waren, das eigentliche Problem zu<br />
verschleiern und den falschen Frieden des Kompromisses<br />
hervorzubringen.“ 42 Trotz all dieser Proteste besetzten<br />
die Unterzeichner dieser Erklärung mehr und mehr<br />
Positionen in der Presbyterianischen Kirche. Entscheidend<br />
für Machens Bruch mit seiner Kirche wurde<br />
jedoch ein weiteres Dokument, das 1933 von einer von<br />
William Hocking geleiteten Untersuchungskommission<br />
mit der Unterstützung der presbyterianischen und sechs<br />
anderer Kirchen herausgegeben wurde. Das Werk mit<br />
dem Titel „Mission neu denken“ gab den Exklusivitätsanspruch<br />
Jesu auf und plädierte für eine synkretistische<br />
Missionsarbeit, deren neue Aufgabe es war, so spottete<br />
Machen, Wahrheit zu suchen statt sie zu präsentieren. 43<br />
Er versuchte zunächst auch hier, innerkirchlich gegenzusteuern<br />
und legte seinem Presbyterium in New<br />
Brunswick einen Vier-Punkte-Plan vor, mit dem er<br />
sicherstellen wollte, dass der Ausschuss für Auslandsmission<br />
der Presbyterianischen Kirche nicht mit Kandidaten<br />
besetzt würde, die solche Positionen teilten. Das<br />
Presbyterium arrangierte eine Diskussion mit Robert<br />
Speer, bereits in der Princeton-Debatte ein Gegenspieler<br />
Machens, die für Machen zum Desaster geriet. Speer<br />
gelang es, Machen als kleinlichen Bedenkenträger<br />
darzustellen, während er selbst den Vertreter der christlichen<br />
Einheit gab. 44 Obwohl er zunächst unterlag,<br />
gelang es Machen, seinen Antrag mit Hilfe eines Freundes<br />
über das Presbyterium in Philadelphia der Generalversammlung<br />
vorzulegen – wo er schließlich abgelehnt<br />
wurde. Machen zog die Konsequenzen und organisierte<br />
zusammen mit einigen Unterstützern einen unabhängigen<br />
Ausschuss für Auslandsmission, insbesondere um<br />
sicherzustellen, dass die gespendeten Gelder auch nur<br />
solche Missionare erreichten, die tatsächlich das Evangelium<br />
predigten. Hiermit traf er die Kirche empfindlich,<br />
offenbar auch, da es um viel Geld ging.<br />
1934 erklärte die Generalversammlung diesen unabhängigen<br />
Ausschuss für kirchenverfassungswidrig,<br />
forderte seine sofortige Schließung und Maßnahmen<br />
der Kirchenzucht gegen alle daran Beteiligten. Dieser<br />
Schritt Machens führte dazu, dass auch einige konservative<br />
Kollegen mit ihm brachen, unter anderem Oswald<br />
Allis und Samuel Craig, 45 der Gründer von „Christianity<br />
Today“. In der Folge ging die Kirchenleitung gegen<br />
Machen und seine Unterstützer mit Disziplinarverfahren<br />
vor. Da sich Machen weiterhin weigerte, den<br />
Ausschuss wieder aufzugeben, wurde er im März 1935<br />
seines Amtes als Pastor enthoben. Der Einspruch<br />
Machens gegen diese Entscheidung wurde von der<br />
Generalversammlung 1936 endgültig verworfen.<br />
Machen selbst erklärt seine Beweggründe dafür, warum<br />
er der Anordnung der Generalversammlung nicht Folge<br />
leisten kann: „Gehorsam gegenüber dieser Anweisung<br />
bedeutet Unterstützung für einen Kurs, der gegen das<br />
Evangelium Christi gerichtet ist. Ihr zu folgen beinhaltet,<br />
die Autorität des Wortes Gottes durch menschliche<br />
Autorität zu ersetzen.“ 46<br />
»Das Christentum ist<br />
gegründet auf der Bibel.<br />
Die liberale Theologie<br />
dagegen ist gegründet auf<br />
den wechselhaften Gefühlen<br />
sündiger Menschen.«<br />
Neue Aufbrüche<br />
Bereits 1929 gründete Machen das Westminster Theological<br />
Seminary. Ihm folgten nicht nur Robert Wilson<br />
und Oswald Allis, die Altes Testament unterrichteten,<br />
sondern auch Cornelius van Til, der den Lehrstuhl für<br />
Apologetik besetzte und 1930 John Murray als Professor<br />
für Systematische Theologie. Auch Ned Stonehouse,<br />
Machens späterer Biograph, stieß aus Amsterdam hinzu,<br />
wo er gerade seine Promotion abgeschlossen hatte. 47<br />
Westminster nahm die Arbeit auf und zählte bereits früh<br />
einflussreiche Männer zu seinen Absolventen, etwa<br />
Oliver Buswell, später Präsident in Wheaton, John<br />
Ockenga, später Präsident des Fuller Seminary, Carl<br />
McIntire, den Gründer des „International Council of<br />
Christian Churches“ und den insbesondere in Europa<br />
bekannt gewordenen Francis A. Schaeffer. 48<br />
1935, kurz nach seiner Amtsenthebung als Pastor,<br />
begannen die Planungen für die Gründung einer neuen<br />
Denomination. Am 11. Juni 1936 leitete Machen die<br />
erste Generalversammlung der Presbyterianischen<br />
Kirche Amerikas, die 1939 aufgrund einer Klage in<br />
„Orthodoxe Presbyterianische Kirche“ umbenannt<br />
werden musste. Im Rückblick berichtet Machen: „Wir<br />
wurden endlich Mitglieder einer wahren Presbyterianischen<br />
Kirche. Wir hatten endlich wieder wahre christliche<br />
Gemeinschaft gefunden. Was für ein herrlicher<br />
Moment war das! Die langen Jahre des Kampfes spielten<br />
keine Rolle mehr verglichen mit der Freude und dem<br />
Frieden, der unsere Herzen füllte.“ Ein Mitstreiter<br />
Machens verteidigt die Gründung der Bibeltreuen<br />
Kirche: „Die Presbyterianische Kirche hat es Menschen,<br />
die Kernlehren des christlichen Glaubens ablehnen,<br />
gestattet, innerhalb der Kirche zu bleiben. Sie hat diese<br />
Menschen in Ehren-, Macht- und Vertrauensstellungen<br />
befördert. Sie hat Pastoren akzeptiert und ordiniert, die<br />
das Christentum ablehnen. (…) Die Kirche hat sich<br />
geweigert, falsche Lehren zu verwerfen. Stattdessen hat<br />
sie die Wahrheit verworfen.“ 49<br />
Am 1. Januar 1937 forderten die ständigen Kämpfe<br />
ihren Tribut. Während eines Aufenthaltes in North<br />
Dakota starb Machen an einer Lungenentzündung.<br />
24 – ausgabe 11
Machens Vermächtnis<br />
Nichols findet in seiner Biographie viele Ähnlichkeiten<br />
Machens mit Martin Luther, wenn er schreibt: „Beide<br />
waren nicht willkommen in den Kirchen, die sie<br />
ordiniert hatten, die sie liebten und für die sie lebten.<br />
Und beide waren unerwünscht aus demselben Grund:<br />
Sie hinterfragten den Trend zur Abkehr von theologischen<br />
Eckpfeilern und biblischen Grundlagen. Beide<br />
standen sie unter Häresie-Anklage (auch wenn Machens<br />
Leben nie in Gefahr war), und beide haben letztlich<br />
neue Glaubensgemeinschaften gegründet. Beide hinterließen<br />
ein Erbe biblischer und theologischer Gelehrsamkeit,<br />
und beide dienen als Vorbild für diejenigen, die<br />
den Wunsch hegen, den Glauben zu verteidigen.“ 50<br />
Selbst wenn dieser Vergleich etwas hoch gegriffen sein<br />
mag, so ist die Beharrlichkeit, mit der Machen für die<br />
orthodoxe christliche Lehre eintrat, sicher bewundernswert.<br />
Auch einige seiner Gegenspieler haben dies<br />
anerkannt. Pearl Buck, eine presbyterianische China-<br />
Missionarin, die öffentlich die Gottheit Christi ablehnte<br />
und von ihm nur als der „Verkörperung des größten<br />
Menschheitstraumes“ sprach, 51 erkannte an: „Er stand<br />
für etwas, und jeder wusste, was das war.“ 52 Und der<br />
kirchenkritische Journalist Henry Mencken kommentierte<br />
in seinem Nachruf „Dr. Fundamentalis“: „Es ist<br />
das eine, Religion abzulehnen, eine völlig andere Sache<br />
aber, sie dadurch zu retten zu versuchen, indem man sie<br />
ihrer gesamten Substanz beraubt. (…) Machen ist<br />
gescheitert – aber er hatte unzweifelhaft Recht.“ 53<br />
Neben Machens Verteidigung der Rechtgläubigkeit<br />
ist sein Insistieren auf klaren Definitionen und vernünftigen<br />
Aussagen gerade auch in Glaubensdingen in der<br />
Postmoderne nicht überholt, sondern mindestens<br />
ebenso aktuell wie in den zwanziger Jahren des letzten<br />
Jahrhunderts. Und auch folgender Satz gehört zu dem<br />
Vermächtnis eines Mannes, dessen Leben geprägt war<br />
von Kontroversen: „In sehr vielen Fällen haben<br />
Menschen, die jedem Konflikt ausweichen, die großen<br />
Wahrheiten des Glaubens entweder schon verloren oder<br />
sind im Begriff, dies zu tun.“ 54<br />
Zum Weiterlesen:<br />
Hervorragend als Einstieg in Leben und Werk geeignet<br />
ist Stephen J. Nichols „J. Gresham Machen – A Guided<br />
Tour of his Life and Thought“, Philippsburg 2004. Das<br />
umfangreichere Standardwerk über Machen ist die von<br />
seinem ehemaligen Schüler und späteren Dozenten in<br />
Westminster Ned Stonehouse verfasste Biographie „J.<br />
Gresham Machen: A Biographical Memoir“, Edinburgh<br />
1987. Machens Auseinandersetzungen mit der Bibelkritik<br />
fasst Terry Chrisope in seinem Buch „Toward a sure<br />
faith“, Rossshire 2000, zusammen. Die gesamte<br />
Modernismus-Debatte wird aufgearbeitet von D.G.<br />
Hart, „Defending the Faith: J. Gresham Machen and<br />
the Crisis of Conservative Protestantism in Modern<br />
America“, Grand Rapids 1995. Von Machen selbst ist<br />
der Klassiker „Christianity and Liberalism“ unbedingt<br />
empfehlenswert (erscheint 2013 auf Deutsch). Umfangreicher<br />
ist der Nachfolger „What is faith?“ sowie seine<br />
Werke „The virgin birth of Christ“ und „The Origin auf<br />
Paul’s Religion“. Wer einen Überblick über das gesamte<br />
Schaffen benötigt, dem kann „J. Gresham Machen:<br />
Selected Shorter Writings“, herausgegeben von D.G.<br />
Hart, empfohlen werden. <br />
Dieser Artikel ist ursprünglich unter dem Titel „Geprägt<br />
von Kontroversen. Leben und Werk von John Gresham<br />
Machen“ in der Zeitschrift „Bibel und Gemeinde“<br />
(04/2012) erschienen.<br />
»In sehr vielen Fällen haben<br />
Menschen, die jedem<br />
Konflikt ausweichen, die<br />
großen Wahrheiten des<br />
Glaubens entweder schon<br />
verloren oder sind im<br />
Begriff, dies zu tun.«<br />
ausgabe 11 – 25
JOHANN GERHARD ONCKEN<br />
Der deutsche Missionar und Gemeindegründer<br />
Johann Gerhard Oncken (1800-1884)<br />
gilt als Vater des kontinentaleuropäischen Baptismus.<br />
Im Laufe seines Lebens gründete der „Apostel Deutschlands“,<br />
wie Charles Haddon Spurgeon ihn zu nennen pflegte, hunderte<br />
Gemeinden in zahlreichen Ländern Europas.<br />
Text<br />
Peter Schild
»Es gibt keine großen<br />
Männer Gottes. Es gibt nur<br />
erbärmliche, schwache und<br />
sündige Männer eines<br />
großen und barmherzigen<br />
Gottes.«<br />
Gott teilt seine Ehre mit niemand anderem (Jes. 42,8).<br />
Gedenken wir darum an Glaubenshelden, wie Johann<br />
Gerhard Oncken, so tun wir dies nicht, um Menschen<br />
zu rühmen, sondern um Gott allein die Ehre zu geben.<br />
Der Baptistenprediger Paul Washer bringt es auf den<br />
Punkt: „Es gibt keine großen Männer Gottes. Es gibt<br />
nur erbärmliche, schwache und sündige Männer eines<br />
großen und barmherzigen Gottes.“<br />
Vor einigen Monaten besuchte ich die Ruhestätte<br />
des umstrittenen Methodistenpredigers John Wesley in<br />
London. Was immer man von Wesley auch halten mag,<br />
sein Grab ziert ein wichtiger Ausspruch, den es zu verinnerlichen<br />
gilt, sooft wir die Biographien von Männern<br />
und Frauen Gottes studieren: „Fühlst du dich gedrängt,<br />
das Instrument zu preisen, so gib Gott die Ehre.“<br />
Wer rühmt schon bei einem klassischen Konzert die<br />
Geige? Man rühmt den Geiger. So wollen auch wir<br />
allein Gott die Ehre und den Dank geben, wenn wir<br />
lauschen, was Gott zu seinem eigenen Lobpreis auf<br />
seinem Instrument Oncken spielte.<br />
Das Törichte der Welt hat Gott erwählt<br />
Es ist nicht entscheidend, wo wir herkommen. Entscheidend<br />
ist vielmehr, was Gott mit uns vorhat. Oncken<br />
wurde am 26. Januar 1800 als uneheliches Kind von<br />
einer alleinerziehenden Mutter in Varel an der Nordsee<br />
geboren. Ein schottischer Kaufmann erbarmte sich über<br />
den ärmlichen und perspektivlosen Vierzehnjährigen<br />
und nahm ihn in seine Lehre.<br />
In Schottland erlebte Oncken zum ersten Mal, was<br />
wahre Gottesfurcht bedeutet. Er besuchte regelmäßig<br />
den Gottesdienst der Reformierten Kirche und begann,<br />
geistliche Literatur zu lesen. Im Jahre 1820 nahm<br />
Oncken an einem privaten Familiengottesdienst in<br />
England teil. Völlig überrascht und zutiefst bewegt<br />
wurde er hier von dem Gebet des knienden Familienvaters,<br />
der für Onckens Bekehrung flehte. Auch eine<br />
Predigt, die er in London hörte, traf ihn mitten ins<br />
Herz, so dass Oncken schließlich durch Gottes Gnade<br />
zur rettenden Erkenntnis von Christus als seinem<br />
Erlöser durchdrang.<br />
Gerettetsein gibt Rettersinn<br />
In London geschah, was das Leben hunderttausender<br />
Menschen verändern sollte: In Oncken entbrannte die<br />
unauslöschliche Leidenschaft für die Verlorenen. In<br />
großer Freude über Christus, seinen Retter, begann<br />
Oncken, das Evangelium vor den Menschen zu bezeugen.<br />
Sein Taschengeld, welches er für seine täglichen<br />
Mahlzeiten erhielt, gab er nun fast ausschließlich für<br />
Traktate aus. Oncken ging von Haus zu Haus, verbreitete<br />
Bibeln und ließ keine Gelegenheit ungenutzt, um<br />
Christus bekannt zu machen.<br />
Nach einiger Zeit des erwartungsvollen Betens<br />
schenkte Gott, dass die ersten Menschen zum rettenden<br />
Glauben kamen. In dem Vertrauen auch weiterhin von<br />
Gott gebraucht zu werden, entschloss sich Oncken<br />
1823, den Kaufmann zu verlassen und von nun an allein<br />
für das Reich Gottes zu arbeiten. Oncken schloss sich<br />
der Evangelisch-Reformierten Gemeinde in Hamburg<br />
an und verkündigte die frohe Botschaft in privaten<br />
Versammlungen. Es gefiel Gott, die Predigt seines<br />
Wortes zu gebrauchen: Menschenmassen strömten<br />
herbei und zahlreiche Sünder taten unter Tränen Buße.<br />
Im Jahre 1828 gründete Oncken eine christliche<br />
Buchhandlung und heiratete die Engländerin Sarah<br />
Mann. Schon bald darauf wurde Oncken Vater und<br />
entschloss sich, entgegen der damals allgemeinen Praxis,<br />
seinen Nachwuchs nicht mit Wasser besprengen zu<br />
lassen.<br />
Durch das Studium der Heiligen Schrift gelangte<br />
Oncken zu der Überzeugung, dass allein Gläubige - und<br />
zwar durch vollständiges Untertauchen im Wasser -<br />
getauft werden sollten. Oncken sehnte sich auch selbst<br />
danach, die Gläubigentaufe durch Untertauchen zu<br />
empfangen.<br />
Er wartete geduldig, bis eines Tages der baptistische<br />
Theologieprofessor Dr. Barnas Sears nach Deutschland<br />
reiste. Im Jahre 1834 taufte Prof. Sears Oncken, dessen<br />
Frau und fünf weitere Gläubige im Auftrag der Bostoner<br />
Baptistengemeinde und setze Oncken als Ältesten ein.<br />
Dies war die Geburtsstunde der ersten Baptistengemeinde<br />
Deutschlands.<br />
ausgabe 11 – 27
Im Feuer der Verfolgung<br />
Der Herr segnete Onckens Missionsarbeit, so dass<br />
immer mehr Menschen gläubig wurden und sich taufen<br />
ließen. Diese Entwicklung blieb auch vor den Augen der<br />
Hamburger Polizei nicht verborgen, welche dem jungen<br />
Baptisten kurzerhand ein Versammlungsverbot erteilte.<br />
Auch das von Oncken im Jahre 1837 schriftlich eingereichte<br />
Glaubensbekenntnis konnte die Ordnungshüter<br />
nicht überzeugen, die Baptisten zu dulden. 1 Fand<br />
dieses Bekenntnis auch keine Anerkennung vonseiten<br />
der Hansestadt, so ist es doch das bedeutendste Dokument,<br />
welches uns die Glaubensansichten der ersten<br />
Baptisten Deutschlands bezeugt. Die Artikel des<br />
Bekenntnisses belegen u.a., dass Oncken und die frühen<br />
Baptisten die biblischen Gnadenlehren (alias „Fünf<br />
Punkte des Calvinismus“) glaubten und lehrten. Ist es<br />
auch aus dem Gedächtnis vieler heutiger Baptisten<br />
gelöscht oder verdrängt, so steht dennoch ohne Zweifel<br />
fest, dass Oncken, genauso wie sein Freund Spurgeon,<br />
überzeugter Calvinist war. 2<br />
Ungeachtet der staatlichen Androhungen predigte<br />
und taufte Oncken unerschrocken weiter. Die<br />
Versammlungen wurden nun polizeilich aufgelöst und<br />
Oncken wurde immer wieder auf das Polizeirevier<br />
gerufen und verhört. Aber nicht nur die Polizei, sondern<br />
auch einige Bürger störten die Gottesdienste und warfen<br />
Steine und Unrat auf die Gemeindemitglieder. Es dauerte<br />
nicht lange, bis man Oncken festnahm und für einen<br />
Monat im Stadtgefängnis festhielt. Das Tagebuch<br />
Onckens teilt uns mit, wie es ihm dabei erging: „Nachdem<br />
der Gefängniswärter sich entfernt hatte, warf ich<br />
mich auf meine Knie, preisend und lobend meinen<br />
Heiland, der mich würdigte, um seines Namens willen<br />
Bande zu erleiden. Ich fühle mich wohl und selig,<br />
empfahl meine teure Gemeinde dem Herrn und flehte<br />
für die Bekehrung meiner Verfolger.“ 3<br />
In Gefangenschaft studierte Oncken die Bibel,<br />
betete, sang und evangelisierte seine Mitgefangenen.<br />
Auch die Gemeinde flehte innig, dass der Herr ihnen<br />
Recht verschaffen möge. Der Herr antwortete auf die<br />
Gebete seiner Gemeinde in unerwarteter Weise: Gott<br />
sandte Feuer. Vom 5. bis 8. Mai 1842 brannte ein<br />
Drittel der Stadt Hamburg nieder. 20 000 Menschen<br />
wurden obdachlos. Wie reagierten Oncken und die<br />
junge Gemeinde auf diese Katastrophe?<br />
Oncken machte sich auf und stellte seinen Verfolgern<br />
das Versammlungshaus der Baptistengemeinde zur<br />
Verfügung, um obdachlose Menschen zu beherbergen,<br />
zu pflegen und mit Speise zu versorgen. Die junge<br />
Gemeinde nahm rund 80 Bürger für etwa acht Monate<br />
auf und selbst Oncken war sich nicht zu schade, um für<br />
die Gäste zu kochen.<br />
Diese barmherzige Fürsorge der Baptisten änderte<br />
die Sicht des Polizeichefs. Unmöglich konnte der Senat,<br />
der das baptistische Versammlungshaus als Zufluchtsstätte<br />
für Obdachlose genehmigt hatte, einen Gottesdienst<br />
in demselben Gebäude verbieten. Die Verfolgung<br />
endete schon bald.<br />
Die Katastrophe brachte neben allem Unglück noch<br />
einen weiteren Segen mit sich: Unzählige Handwerker<br />
strömten aus ganz Europa herbei, um die Hansestadt<br />
wieder aufzubauen. Die Gemeinde nutzte die Gunst der<br />
Stunde und brachte den Gastarbeitern das Evangelium<br />
und sandte diese dann ausgestattet mit Literatur als<br />
Handwerker-Missionare zurück in ihre Heimat. Überall<br />
in Europa wurden nun, trotz zum Teil heftiger Verfolgung,<br />
Baptistengemeinden gegründet.<br />
Unterwegs im Auftrag des Herrn<br />
Oncken wirkte nicht allein in Hamburg, sondern reiste<br />
auch umher, um an vielen Orten Deutschlands und<br />
Europas zu taufen und Gemeinden zu gründen. Seine<br />
längste Zeit im Ausland verbrachte Oncken in Amerika<br />
(1853 bis 1854), wo er die deutsche Missionsarbeit<br />
bekannt machte. Auf einer Zugfahrt von New York nach<br />
Boston wurde Oncken in einen gefährlichen Unfall<br />
verwickelt.<br />
Sein Zug stürzte infolge einer offenen Zugbrücke in<br />
den Fluss und zerschmetterte. Viele Menschen starben,<br />
doch Oncken überlebte und trug dank der Bewahrung<br />
Gottes keine ernsten Schäden davon. Es ist wahr, was<br />
der Erweckungsprediger George Whitefield zu sagen<br />
pflegte: „Wir sind unsterblich, bis unsere Arbeit getan<br />
ist.“<br />
Onckens Arbeit war die Mission. Und um diese<br />
Arbeit zu finanzieren, reiste Oncken 1856 auch nach<br />
England, um den damals 22-jährigen Charles Haddon<br />
Spurgeon zu treffen. Hoch erfreut über Onckens Arbeit<br />
veranlasste Spurgeon einen Missionsgottesdienst, in<br />
dem Oncken predigen durfte. Spurgeons Gemeinde<br />
begann nun, die Arbeit in Deutschland durch Gebet<br />
und finanzielle Hilfe zu unterstützen.<br />
Etwa zehn Jahre später besuchte Spurgeon seinen<br />
Freund Oncken, um im Rahmen der Einweihungsfeier<br />
des neuen Gemeindehauses in Hamburg zu predigen.<br />
Spurgeon, der Oncken in einem persönlichen Brief<br />
einmal den unbeweglichen Polarstern nannte, um den<br />
die Missionare Europas kreisen, beschrieb Oncken und<br />
seine Arbeit auch mit folgenden Worten:<br />
„Wir sahen den Raum, in dem die erste Baptistengemeinde<br />
gegründet wurde ... Noch interessanter jedoch<br />
war der geweihte Ort auf dem Wall, von dem aus man<br />
die ganze Stadt sehen kann. Es war die Angewohnheit<br />
des jungen Apostels [Oncken] hier in einsamer Abgeschiedenheit,<br />
in den frühen Morgenstunden, zu Gott<br />
für die Menschen zu flehen. Wir verstanden das<br />
Geheimnis von Herrn Onckens Erfolg, als wir die<br />
Quelle seiner Kraft erkannten: Das geheime Ringen mit<br />
dem Engel des Bundes. Die Stadt Hamburg wusste nur<br />
wenig davon, dass ein Mann von den Wällen auf sie<br />
herabblickte und mit vielen Tränen die Gnade Gottes<br />
auf die tausenden Gottlosen herabrief (…) Kein noch so<br />
starker Schmerz kann uns den höchsten Genuss vergessen<br />
lassen, den wir in der Gemeinschaft mit unseren<br />
deutschen Freunden erlebt haben. Gott hat ein großes<br />
Werk in diesem Land getan und hat für Deutschland<br />
noch viele weitere Werke auf Lager. Jeder Christ in<br />
England, vor allem jeder Baptist, sollte diese Arbeit bis<br />
zum Äußersten unterstützen. (...) Wir preisen Gott bei<br />
jeder Erinnerung an unseren verehrten Bruder Oncken<br />
und beten, dass ein langes Leben und wachsender Erfolg<br />
mit ihm seien." 4<br />
28 – ausgabe 11
Leid und Streit<br />
Oncken war bereit, für die Sache des Herrn zu leiden, ja<br />
sogar sein Leben zu opfern. Im Alter von 70 Jahren<br />
unternahm er die gefährlichste und beschwerlichste<br />
Reise seines Lebens. Er erduldete Hunger, Schlaflosigkeit<br />
und viel Mühe, um auch in Südrussland, in der<br />
Türkei, Rumänien und Ungarn Gemeinden zu gründen<br />
und zu stärken. Aber auch Onckens Privatleben war<br />
vom Leid gezeichnet. Im Laufe der Jahre starben drei<br />
seiner Kinder sowie seine erste und seine zweite Ehefrau.<br />
Dank Gottes Bewahrung blieb Oncken dem Herrn auch<br />
angesichts dieser schmerzlichen Erfahrungen treu, doch<br />
bereitete Oncken sich auch unnötigen Kummer. Der<br />
Heilige Geist deckt in der Bibel schonungslos die<br />
Sünden der größten Glaubenshelden auf, um uns<br />
deutlich zu machen: Gott allein ist vollkommen, und<br />
darum gebührt auch ihm allein alle Ehre. Auch Oncken<br />
war keineswegs perfekt. Im Jahre 1871 geriet Oncken in<br />
einen Streit (der sog. „Hamburger Streit“) mit seinen<br />
engsten Vertrauten. Oncken wollte nicht zulassen, dass<br />
sich die Tochtergemeinden von der Hamburger Muttergemeinde<br />
abnabeln und selbstständig werden. Zu groß<br />
war die Befürchtung Onckens, die Unabhängigkeit der<br />
Ortsgemeinden könne dem Werk des Herrn schaden.<br />
Erst gegen Ende seines Lebens versöhnte sich Oncken<br />
mit den Brüdern.<br />
Und gefällt es dem Herrn, uns zu gebrauchen, so<br />
mögen wir nie vergessen, dass Gott das Törichte der<br />
Welt erwählt hat, auf dass sich kein Mensch rühme:<br />
„Es gibt keine großen Männer Gottes. Es gibt nur<br />
erbärmliche, schwache und sündige Männer eines<br />
großen und barmherzigen Gottes.“ <br />
»Oncken war bereit, für die<br />
Sache des Herrn zu leiden, ja<br />
sogar sein Leben zu opfern.<br />
Im Alter von 70 Jahren<br />
unternahm er die gefährlichste<br />
und beschwerlichste<br />
Reise seines Lebens.«<br />
Am Ziel<br />
Oncken heiratete im Jahre 1874 noch ein drittes Mal.<br />
Seine letzte Ehefrau war ein Mitglied von Spurgeons<br />
Gemeinde und pflegte Oncken bis zum Schluss in<br />
aufopferungsvoller Treue. Oncken verstarb am 2. Januar<br />
1884 in Zürich und wurde auf dem reformierten Friedhof<br />
in Hamburg beigesetzt.<br />
In einer Traueransprache hieß es über Oncken: „Er<br />
hat viel gethan und viel erreicht. Seine Eroberungen<br />
sind nicht mit Stahl und Eisen gemacht worden,<br />
sondern durch sein packendes, zündendes Wort, durch<br />
das Schwert des Geistes, das er allezeit zu ziehen bereit<br />
war. Wir wollen ihm keine ehernen und steinernen<br />
Monumente errichten, aber in jeder Gemeinde und in<br />
jedem Gliede sehen wir lebendige Denkmäler für den<br />
teuern Entschlafenen.“ 5<br />
Bis zu Onckens Tod waren aus den sieben Mitgliedern<br />
der ersten Baptistengemeinde hunderttausende<br />
Baptisten geworden, die sich europaweit und darüber<br />
hinaus in Gemeinden versammelten.<br />
Zur Nachahmung empfohlen<br />
Wir alle lieben es, die spannenden Geschichten von<br />
Männern und Frauen Gottes zu lesen, doch nur wenige<br />
von uns wollen auch so leben wie sie. Möge Gott uns die<br />
Gnade schenken, dass auch wir unser Leben ganz für das<br />
Werk des Herrn einsetzen, das Evangelium mutig und<br />
unermüdlich bekennen, die Heilige Schrift studieren<br />
und keine Konsequenzen scheuen, das Erkannte auch<br />
umzusetzen. Möge der Herr uns dazu bringen, ein<br />
ernsteres und intensiveres Gebetsleben zu führen und<br />
uns auch die Bereitschaft verleihen, für Christus zu<br />
leiden. Möge der Herr all dies schenken, nicht um<br />
unseretwillen, sondern um seiner Ehre willen.<br />
ausgabe 11 – 29
Impressum<br />
# 1 1 V O R B I L D E R • 0 2 / 2 0 1 3<br />
H E R A U S G E B E R<br />
Die Redaktion<br />
R E D A K T I O N<br />
Waldemar Dirksen<br />
Viktor Sudermann<br />
Andreas Kuhlmann<br />
Peter Voth<br />
Hans-Werner Deppe<br />
Hans-Jürgen Holzmann<br />
A R T D I R E C T O R<br />
Peter Voth<br />
L E K T O R A T<br />
Tanja Mirau<br />
A B O - S E R V I C E<br />
Michael Töws<br />
S H O P<br />
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E R S C H E I N U N G S W E I S E<br />
<strong>Timotheus</strong> ist ein Quartalsmagazin und<br />
erscheint somit alle drei Monate:<br />
· Januar (Winterausgabe)<br />
· April (Frühlingsausgabe)<br />
· Juli (Sommerausgabe)<br />
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A L L G E M E I N E R H I N W E I S<br />
Die Erstausgabe „#1 Nachfolge“ ist am 1.<br />
Oktober 2010 erschienen. Seit der<br />
Winterausgabe 2011 „#2 Glaube“ wird das<br />
„<strong>Timotheus</strong> <strong>Magazin</strong>“ vom Betanien Verlag<br />
herausgegeben, gedruckt und vertrieben<br />
(€ 2,90 pro Ausgabe; zzgl. Versandkosten).<br />
Das „<strong>Timotheus</strong> <strong>Magazin</strong>“ ist kein Verein,<br />
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Lehre.<br />
"Bibeltreu" bedeutet für die Herausgeber,<br />
dass sie von der absoluten Zuverlässigkeit der<br />
Bibel als inspiriertes und irrtumsloses Wort<br />
Gottes überzeugt sind. Die theologische<br />
Ausrichtung lässt sich daher am besten mit<br />
den 5 Soli der Reformation beschreiben:<br />
Allein Christus, allein die Gnade, allein der<br />
Glaube, allein die Schrift, allein Gott die<br />
Ehre.<br />
Q U E L L E N<br />
Susannah Spurgeon (S. 8-13)<br />
1 Alle Seitenangaben in diesem Artikel beziehen sich auf<br />
die Kurzbiografie von Charles Ray, Susannah Spurgeon<br />
– die Frau an der Seite des Predigerfürsten.<br />
Oerlinghausen: Betanien Verlag 2009.<br />
John Bunyan (S. 14-17)<br />
1 John Bunyan, Überreiche Gnade, 3L Verlag, 2011, S. 9<br />
2 ebd., Überreiche Gnade, S. 23<br />
3 ebd., Überreiche Gnade, S. 46<br />
4 ebd., Überreiche Gnade, S. 69<br />
5 John Brown, John Bunyan - His Life Times and Work,<br />
Boston, Houghton Mifflin and Company, 1888 S. 111<br />
6 John Bunyan, Überreiche Gnade, 3L Verlag,2011, S.84<br />
7 ebd., Überreiche Gnade, S. 91<br />
8 John Bunyan - His Life Times and Work, S. 240<br />
9 John Bunyan, Überreiche Gnade, 3L Verlag,2011, S.93<br />
10 ebd., Überreiche Gnade, S. 95<br />
11 John Piper, Standhaft im Leiden, Bielefeld, CLV, 2006,<br />
S. 86<br />
12 ebd., Standhaft im Leiden, S. 87<br />
13 ebd., Standhaft im Leiden, S. 79<br />
14 ebd., Standhaft im Leiden, S. 83<br />
John Gresham Machen (S. 20-25)<br />
1 Wallace, in: RGG4/5, Sp. 638.<br />
2 Stephen J. Nichols, “J. Gresham Machen - A guided<br />
tour of his life and thought“, Phillipsburg 2004, S. 14.<br />
3 Zeit seines Lebens war Machen aufgrund größerer<br />
Erbschaften finanziell unabhängig, vgl. Ned. B.<br />
Stonehouse, „J. Gresham Machen – A Biographical<br />
Memoir“, Edinburgh 1987, S. 393.<br />
4 Seine Biographen deuten eine etwas schwierige<br />
Persönlichkeit an, vgl. etwa George Marsden,<br />
“Understanding J. Gresham Machen“, in:<br />
Understanding Fundamentalism and Evangelicalism,<br />
Grand Rapids 1991, S. 186 u. 200; Nichols, S. 14;<br />
Stonehouse, S. 389; Chrisope, S. 67.<br />
5 Nichols, S. 28 (Übersetzung hier und im Folgenden<br />
5 durch den Autor).<br />
6 Machen schreibt in einem Brief an seinen Vater vom<br />
26.01.1926: „Ohne die Dinge, die ich von dir und<br />
Mutter gelernt habe, hätte ich jeden Gedanken an<br />
Religion aufgegeben“, Stonehouse, S. 116. In seinem<br />
autobiographischen Aufsatz „Christianity in Conflict“<br />
erklärt er, die Ursache für sein Beharren auf dem<br />
biblischen Christentum sei deutlich mehr als an jedem<br />
anderen Ort in seinem Elternhaus zu finden, in: D. G.<br />
Hart, “J. Gresham Machen: Selected Shorter Writings”,<br />
Phillipsburg 2004, S. 548.<br />
7 Auch „der Löwe von Princeton“ genannt, bekannt etwa<br />
durch seine Auseinandersetzung mit der charismati<br />
schen Bewegung („Counterfeit Miracles“) und seine<br />
Verteidigung der Inspiration („The Inspiration and<br />
Authority of the Bible“).<br />
8 Nichols, S. 31.<br />
9 Nichols, S. 32.<br />
10 Machen selbst bezeichnet sie als „Zeit des Kampfes und<br />
der Seelenangst. Ich lebte in einer Umwelt, in der die<br />
christliche Religion, wie ich sie kannte und liebte, vor<br />
langer Zeit aufgegeben worden war“, Christianity and<br />
Culture, in: Selected Shorter Writings, S. 560.<br />
11 Wilhelm Herrmann, 1846-1922, war ein Schüler<br />
Ritschls und einer der einflussreichsten liberalen<br />
Theologen seiner Zeit. Das Beharren auf biblischen<br />
Glaubensinhalten galt ihm als „katholisierende<br />
Lehrgesetzlichkeit“, Weinhardt, in: RGG4/3, Sp. 1687.<br />
Zu seinen bekanntesten Schülern gehörten Barth und<br />
Bultmann.<br />
12 Stonehouse, S. 106: „Herrmanns theologisch liberale<br />
Einstellungen wirkten beeindruckend attraktiv und<br />
herzlich. Dies lag weniger an der Plausibilität seiner<br />
Argumente als an der beinahe magnetischen,<br />
überwältigenden Anziehungskraft seines glühenden<br />
religiösen Lebens“, S. 105. Machen selbst schrieb über<br />
Herrmann an seine Mutter: „Er mag zwar unlogisch<br />
und einseitig sein, aber ich sage dir, er ist lebendig“,<br />
zitiert bei Chrisope, S. 79.<br />
13 Terry Chrisope bezeichnet Machen zu Recht als einen<br />
Mann von „großer intellektueller Ehrlichkeit“, „Toward<br />
a sure faith“, Rossshire 2000, S. 18: „Er hätte einer<br />
Behauptung nicht geglaubt, von der er der<br />
Überzeugung war, dass sie nicht auch historisch wahr<br />
sei“.<br />
14 Zusammenfassung und Analyse bei Chrisope, S. 155ff.<br />
15 Reuben Archer Torrey, der Theologie in Yale studierte,<br />
war zunächst Anhänger der liberalen, bibelkritischen<br />
Theologie, bevor er sich auf für die Orthodoxie<br />
entschied und Zeit seines Lebens verteidigte.<br />
16 Stonehouse bemerkt, Machen habe sich nie selbst als<br />
„Fundamentalist“ bezeichnet, S. 337. Offenbar gefiel<br />
Machen der Begriff nicht. So schreibt er, er verstehe<br />
nicht, weshalb die christliche Religion auf einmal zu<br />
einem „-ism“ werden müsse (Christianity in Conflict,<br />
in: Selected Shorter Writings, S. 566); vgl. zum Thema<br />
auch Machens Aufsatz „What Fundamentalism stands<br />
for now“, in: Selected Shorter Writings, S. 116-122.<br />
17 Machen war grundsätzlich sehr kriegskritisch<br />
eingestellt, obwohl Präsident Woodrow Wilson ein alter<br />
Freund der Familie und bis 1910 Rektor in Princeton<br />
war, vgl. Nichols, S. 13; 31.<br />
18 Nichols, S. 43.<br />
19 J. Gresham Machen, „The Origin of Paul’s Religion“,<br />
New Edition, Birmingham 2006, S. 3.<br />
20 Machen, The Origin of Paul’s Religion, S. 4.<br />
21 Nichols, S. 45 und 49.<br />
30 – ausgabe 11
Quellen<br />
# 1 1 V O R B I L D E R • 0 2 / 2 0 1 3<br />
John Gresham Machen (S. 20-25)<br />
22 „Christianity and Liberalism“, Michigan 1923;<br />
thematisiert wird nicht der politische, sondern der<br />
theologische Liberalismus, dessen zentrale These im<br />
Ablehnen alles Übernatürlichen bestand. Das Buch<br />
basiert auf einem zuvor in der „Princeton Theological<br />
Review“, Vol. XX, 1922, erschienenen Aufsatz<br />
„Liberalsim or Christianity“. Machen widmete das<br />
Buch seiner Mutter.<br />
23 Nichols, S. 50; Fosdick selbst bezeichnete die Predigt in<br />
seiner Autobiographie als Misserfolg.<br />
24 Bezüglich der Jungfrauengeburt heißt das etwa: “An<br />
eine Jungfrauengeburt als Erklärung für eine<br />
außergewöhnliche Persönlichkeit zu glauben ist eine der<br />
geläufigen Wege, mit dem die antike Welt<br />
ungewöhnliche Überlegenheit betrachtet hat“.<br />
25 Harry Emerson Fosdick, „Shall the Fundamentalists<br />
Win?“, in: Michael Warner, “American Sermons: The<br />
Pilgrims to Martin Luther King, Jr.”, New York 1999,<br />
S. 775-786.<br />
26 J. Gresham Machen, Christianity and Liberalism, S. 2.<br />
27 Machen, Christianity and Liberalism, S. 53.<br />
28 Machen, Christianity and Liberalism, S. 23; ebenso<br />
Machen, The Origin of Paul’s Religion, S. 168:<br />
“Logically, the doctrine comes first”.<br />
29 Machen, Christianity and Liberalism, S. 27.<br />
30 Machen, Christianity and Liberalism, S. 64.<br />
31 Machen, Christianity and Liberalism, S. 68.<br />
32 Machen, Christianity and Liberalism, S. 76.<br />
33 Machen, Christianity and Liberalism, S. 79.<br />
34 Nichols, S. 95.<br />
35 Nichols, S. 96.<br />
36 Machen, Christianity and Liberalism, S. 179.<br />
37 Stonehouse, S. 441.<br />
38 J. Gresham Machen, „The Attack upon Princeton<br />
Seminary: A plea for fair play“, in: Selected Shorter<br />
Writings, S. 319.<br />
39 Stonehouse, S. 427.<br />
40 Vgl. etwa David Kennedy, „Liberty Within Evangelical<br />
Bounds“, in: The Presbyterian, 05.03.1925, Vol. 95,<br />
Nr. 10; Hall McAllister Griffiths, The Heretical<br />
“Auburn Affirmation”: A Menace to the True Peace<br />
and Purity of the Presbyterian Church, Philadelphia<br />
1932; Gordon Clark, The Auburn Heresy, 1935,<br />
veröffentlicht in: The Southern Presbyterian Journal,<br />
15.07.1946.<br />
41 J. Gresham Machen, “Shall the General Assembly<br />
Represent the Church?”, in: The Presbyterian,<br />
05.03.1925, Vol. 95, Nr. 10, S. 6-8.<br />
42 J. Gresham Machen, „The Mission of the Church“, in:<br />
The Presbyterian, 08.04.1926, Vol. 96, Nr. 14, S. 10f.<br />
43 Nichols, S. 65; Machens Haltung zur Mission ist kurz<br />
dargestellt in „The Christian View of Missions“, in: J.<br />
Gresham Machen, „What is Christianity?“,<br />
herausgegeben von Ned Stonehouse, Grand Rapids<br />
1951.<br />
44 Nichols, S. 67. Von seinem Kollegen Charles Erdmann<br />
wurde Machen öffentlich bezichtigt, voller<br />
„Lieblosigkeit, Argwohn, Bitterkeit und Intoleranz“ zu<br />
sein, Stonehouse, S. 375.<br />
45 Nichols, S. 70, bezeichnet auch darum diesen Schritt<br />
Machens als eines der am schwersten interpretierbaren<br />
Ereignisse seines Lebens.<br />
46 Machen, „Statement to the Presbytery of New<br />
Brunswick“, in: Selected Shorter Writings, S. 332 u.<br />
335.<br />
47 Nichols, S. 61.<br />
48 Zum Einfluss Machens auf Schaeffer vgl. Colin Duriez,<br />
„Francis Schaeffer: An authentic Life“, Wheaton 2008,<br />
dort insbesondere Kapitel 2, S. 33-43. Schaeffer selbst<br />
geht auf die Modernismus-Debatte um Machen in<br />
seinem Buch „Die große Anpassung – Der Zeitgeist<br />
und die Evangelikalen“, 3. Aufl., Bielefeld 2008, S. 40f.<br />
ein.<br />
49 John Galbraith, „Why the Orthodox Presbyterian<br />
Church?“, veröffentlicht vom “Committee on Christian<br />
Education of the OPC” , 1939. Der Aufsatz ging auf<br />
die Kritik der Christen ein, die in der alten Kirche<br />
geblieben waren und geht so weit, dies als Sünde zu<br />
bezeichnen.<br />
50 Nichols, S. 15.<br />
51 Nichols, S. 65.<br />
52 Pearl Buck, „Tribute to Dr. Machen“, The New<br />
Republic, 20.01.1937.<br />
53 Henry Mencken, „Dr. Fundamentalis“, Baltimore<br />
Evening Sun, January 18, 1937, 2nd Section, p. 15. In<br />
ebendiesem Artikel erklärt er, Machens calvinistischer<br />
Glaube stünde in seinem „privaten Horrorkabinett<br />
nicht weit entfernt vom Kannibalismus“.<br />
54 J. Gresham Machen, „What is the gospel?“, Union<br />
Seminary Review 38 (1927), S. 160.<br />
Johann Gerhard Oncken (S. 26-29)<br />
1 Nachdruck: Glaubensbekenntnis der evangelischtaufgesinnten<br />
Gemeinde in Hamburg (Waldems:<br />
3L-Verlag, 2012).<br />
2 Passend hierzu mein Vortrag: „Die vergessene Theologie<br />
von Johann Gerhard Oncken“. Zu finden auf:<br />
www.erb-wetzlar.de .<br />
3 Günther Balders, Theurer Bruder Oncken, S. 62<br />
4 Eigene Übersetzung von: Charles Haddon Spurgeon,<br />
The Sword and the Trowel - August 1867<br />
5 Theodor Duprée, J. G. Oncken, Leben und Wirken,<br />
S. 141<br />
Jonathan Edwards (S. 32-35)<br />
1 Jonathan Edwards, Personal Narrative in: Murray, Iain<br />
H., Jonathan Edwards – ein Lehrer der Gnade und die<br />
große Erweckung, Christliche Literaturverbreitung,<br />
Bielefeld, 2011, S. 71.<br />
2 Jonathan Edwards, Resolutions, eigene Übersetzung.<br />
3 Jonathan Edwards, The Works of Jonathan Edwards<br />
Volume Two, Sinners in the Hands of an Angry God,<br />
eigene Übersetzung.<br />
4 Jonathan Edwards, Religious Affections, in: Murray,<br />
Iain H., Jonathan Edwards – ein Lehrer der Gnade und<br />
die große Erweckung, Christliche Literaturverbreitung,<br />
Bielefeld, 2011, S. 331.<br />
5 Lawson, Steven J., The Unwavering Resolve of<br />
Jonathan Edwards, Reformation Trust Publishing,<br />
Orlando, Florida, 2008, S. 13, eigene Übersetzung.<br />
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ausgabe 11 – 31
JONATHAN EDWARDS<br />
Als Christen, die wir dem Herrn Jesus Christus nachfolgen,<br />
wünschen wir uns doch alle, ein Leben zur Ehre Gottes zu<br />
führen. Wenn wir dabei nach einem Vorbild suchen, werden<br />
wir in Jonathan Edwards ganz bestimmt fündig. Er war<br />
keinesfalls perfekt, aber sein ganzes Leben war von dem<br />
Wunsch durchdrungen, dass alles, was er tat, zur Ehre Gottes<br />
geschehen möge.<br />
Text<br />
Jonas Erne
»Ich verpflichte mich, niemals<br />
einen Moment Zeit zu<br />
verlieren, sondern Zeit, so<br />
gut ich das kann, in günstigster<br />
Weise zu nutzen.«<br />
Kindheit und Jugend<br />
Jonathan Edwards kam am 5. Oktober 1703 als fünftes<br />
Kind und einziger Sohn – ihm folgten noch sechs weitere<br />
Schwestern – von Timothy und Esther Edwards,<br />
geborene Stoddard, in East Windsor (Connecticut) zur<br />
Welt. Sein Großvater mütterlicherseits war Solomon<br />
Stoddard, der Pastor von Northampton<br />
(Massachusetts), dessen Nachfolger Jonathan eines<br />
Tages werden sollte. Timothy Edwards, Jonathans<br />
Vater, war Prediger in East Windsor.<br />
Zu Beginn hatte ihn sein Vater in vielen Dingen<br />
unterrichtet. 1716 begann seine Zeit am College, was<br />
durch verschiedene Umstände eine recht chaotische Zeit<br />
war. Timothy wollte, dass sein Sohn im reformierten<br />
Glauben erzogen wurde. In Harvard, wo der Vater auch<br />
studierte hatte, wurden die Lehrer, die noch recht glaubten,<br />
durch andere ersetzt, die den reformierten Glauben<br />
ablehnten und den Menschen mit seinem freien Willen<br />
in den Mittelpunkt stellten. Aus diesem Grund wurde<br />
ein neues College gegründet, aus welchem später die<br />
Yale-University wurde. Jonathan war vielseitig interessiert,<br />
ein wacher Beobachter mit einer alles durchdringenden<br />
Logik. So schrieb er schon in der Zeit am<br />
College Abhandlungen über bestimmte Naturphänomene.<br />
In diese Zeit am College fällt auch seine Bekehrung.<br />
Diese muss im März 1721 stattgefunden haben und<br />
veränderte sein Leben recht stark . Er schreibt dazu:<br />
„Das erste Mal erinnerte ich mich dieser Art von inwendiger,<br />
lieblicher Freude an Gott und an göttlichen<br />
Dingen, die ich seither vielfach genossen habe, beim<br />
Lesen folgender Worte (1. <strong>Timotheus</strong> 1,17): „Dem<br />
König der Zeitalter aber, dem unvergänglichen, unsichtbaren,<br />
alleinigen Gott, sei Ehre und Herrlichkeit von<br />
Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.“ Als ich diese Worte las, da<br />
kam in meine Seele ein Empfinden für die Herrlichkeit<br />
des göttlichen Wesens, und es war, als sei sie ganz davon<br />
erfüllt. Es war ein neues Empfinden, völlig anders als<br />
alles, was ich bisher erlebt hatte. Nie kamen mir irgendwelche<br />
Schriftstellen so vor, wie es bei diesen Worten der<br />
Fall war. Ich dachte bei mir, welch wunderbares Wesen<br />
dies sei und wie glücklich ich doch sein müsste, wenn<br />
ich mich dieses Gottes erfreuen könnte und zu ihm in<br />
den Himmel entrückt würde und gleichsam ewig in ihm<br />
aufginge! […] Ich ging zu Gott, um ihn zu bitten, dass<br />
ich mich seiner freuen möge, und betete auf eine Weise,<br />
die sich völlig von allem unterschied, was ich zu tun<br />
gewohnt war; eine ganz neue Art der Herzensregung<br />
und Liebe war aufgebrochen.“ 1<br />
Entschieden für Gott<br />
In den Jahren nach seiner Bekehrung wuchs in Jonathan<br />
das Verlangen, ein immer heiligeres Leben führen zu<br />
können – ein Leben, das Gott gefällt. Er wollte seinem<br />
Herrn dienen und das möglichst schnell. So wartete er<br />
gar nicht erst, bis er den Master-Titel bekommen hatte,<br />
sondern ging bereits im Alter von 19 Jahren nach New<br />
York, wo er die Arbeit eines stellvertretenden Predigers<br />
der dortigen Presbyterianischen Kirche bis 1723 ausübte.<br />
Er begann im Sommer 1722 seine Entschlüsse<br />
(„Resolutions“) zu Papier zu bringen. Innerhalb von<br />
einem Jahr wuchs das Werk auf 70 Entschlüsse, zu<br />
denen er sich verpflichtete. Die ersten sind schon sehr<br />
deutlich: „1. Ich verpflichte mich, dass ich alles tun<br />
werde, was immer zu Gottes Verherrlichung dient, und<br />
zu meiner Freude, solange ich lebe, ungeachtet des<br />
Zeitaufwands, sei es jetzt oder nie, unzählige Zeitalter<br />
von jetzt an. Ich verpflichte mich, zu tun, was ich<br />
glaube, was meine Pflicht ist, und was am meisten dem<br />
Allgemeinwohl dient. Ich verpflichte mich dazu, unabhängig<br />
davon, auf welche Weise, und auf wie viele oder<br />
wie große Schwierigkeiten ich stoße. 2. Ich verpflichte<br />
mich, mich fortwährend zu bemühen, neue Hilfsmittel<br />
oder Vorrichtungen zu suchen, um die vorigen Dinge zu<br />
fördern. 3. Ich verpflichte mich, dass, wenn ich je fallen<br />
sollte oder lau werde, d.h. wenn ich eines dieser Dinge<br />
vernachlässigen sollte, dass ich Buße tun werde für alles<br />
woran ich mich erinnere, sobald ich wieder zu mir<br />
komme. 4. Ich verpflichte mich, nichts zu tun, weder im<br />
Geist noch mit meinem Körper, außer dem, was Gott<br />
verherrlicht; noch werde ich so sein, wie es Gott<br />
missfällt, noch so etwas zu dulden, wenn ich es vermei-<br />
ausgabe 11 – 33
den kann. 5. Ich verpflichte mich, niemals einen<br />
Moment Zeit zu verlieren, sondern Zeit, so gut ich das<br />
kann, in günstigster Weise zu nutzen.“ 2 Auf diese Art<br />
und Weise geht es weiter. Jonathan Edwards wünschte<br />
sich nichts sehnlicher, als sein ganzes Leben unter die<br />
Herrschaft Gottes zu stellen. Die Deutlichkeit dieser<br />
Entschlüsse ist erstaunlich. Wir leben in einer Zeit, in<br />
der nichts mehr gebraucht wird, als entschiedene,<br />
entschlossene Nachfolger Christi. Deshalb wäre es von<br />
riesigem Gewinn, wenn wir wieder beginnen würden,<br />
Edwards zu lesen, von ihm zu lernen und uns mit seiner<br />
Entschiedenheit der Nachfolge Jesu hinzugeben.<br />
Die große Erweckung<br />
Nach seinem stellvertretenden Predigtdienst in New<br />
York ging er zurück nach Yale, wo er als Tutor arbeitete.<br />
Dort konnte er in seiner Freizeit weiter seinen Studien<br />
nachgehen. 1727 wurde er als Helfer und Nachfolger für<br />
seinen Großvater Solomon Stoddard nach Northampton<br />
berufen. In diesem Jahr heiratete er Sarah Pierrepont,<br />
die aus einer bekannten Predigerfamilie stammte.<br />
Als sein Großvater 1729 starb, war er allein für die<br />
Gemeinde in Northampton verantwortlich. Zwei Jahre<br />
später begann eine Bewegung im Ort: Die Menschen<br />
begannen vermehrt, nach dem Glauben zu fragen. Die<br />
Kneipe wurde kaum noch besucht, dafür wurde an allen<br />
Orten von Gott und seinem Wirken gesprochen.<br />
Interessant ist, dass in jener Zeit in vielen Orten Amerikas<br />
eine ähnliche Bewegung begann, die ihren gemeinsamen<br />
Höhepunkt in den Jahren 1741 und 1742 hatte.<br />
Diese Zeit nennt man „The Great Awakening“ (die<br />
große Erweckung).<br />
In jener Zeit hielt Edwards seine berühmteste<br />
Predigt, nämlich „Sinners in the Hands of an Angry<br />
God“ (Sünder in den Händen eines zornigen Gottes).<br />
Eine der größten Herausforderungen für Edwards war<br />
die Frage, wie man Gottes Wort verständlich erklärt.<br />
Die Bibel lehrt den Zorn Gottes über Sünder, die nicht<br />
bereit sind, Buße zu tun. Deshalb muss man den<br />
Menschen dies so klar machen, dass sie es verstehen und<br />
es sich zu Herzen nehmen. So predigte er über 5. Mose<br />
32,35: „Der Gott, der dich über dem Abgrund der Hölle<br />
festhält, so, wie man eine Spinne oder ein widerliches<br />
Insekt über das Feuer hält, ist furchtbar provoziert: Sein<br />
Zorn gegen dich brennt wie ein Feuer; er sieht, dass du<br />
nichts anderes verdienst, als ins Feuer geworfen zu<br />
werden; […] Du hast ihn unendlich mehr beleidigt, als<br />
ein Rebell jemals seinen Fürsten beleidigen könnte; und<br />
es gibt nichts außer Seiner Hand, was dich halten<br />
könnte, sodass du nicht jeden Moment ins Feuer fallen<br />
könntest.“ 3<br />
Die Auswirkungen dieser Predigten waren groß.<br />
Viele Menschen wurden sich plötzlich schlagartig der<br />
Heiligkeit Gottes bewusst, ebenso aber auch, dass sie<br />
selbst Sünder waren und welch eine große Kluft sich<br />
zwischen ihnen und dem herrlichen Gott befand.<br />
Manche begannen zu weinen, andere schrien in ihrer<br />
Erkenntnis auf, wieder andere lachten und freuten sich,<br />
dass sie die Erlösung annehmen durften. Das führte aber<br />
auch zu Problemen, denn es tauchte die Frage auf,<br />
inwieweit diese Gefühle tatsächlich die Echtheit des<br />
»Die Kneipe wurde kaum<br />
noch besucht, dafür wurde<br />
an allen Orten von Gott und<br />
seinem Wirken gesprochen.«<br />
34 – ausgabe 11
Glaubens bezeugten. In der Auseinandersetzung mit<br />
dieser Frage entstand eines seiner wichtigsten Werke:<br />
„Religious Affections“ (Religiöse Gefühle). Hierzu muss<br />
man vorausschicken, dass Edwards wohl der Letzte<br />
gewesen wäre, der die Gefühle als solche grundsätzlich<br />
verdammt hätte. Dies wird auch in seinen Resolutions<br />
deutlich. Gefühle führen zu Handlungen, deshalb<br />
müssen die richtigen Gefühle gefördert werden. Ein<br />
Glaube, der nur aus den richtigen Gedanken und<br />
Bekenntnissen besteht, ist für Edwards gar kein Glaube.<br />
So schreibt er zu der Haltung, die alle Gefühle verwirft:<br />
„Statt glaubensmäßige Regungen ohne Prüfung zu<br />
schätzen und zu bewundern, verwirft und verachtet man<br />
sie ohne Prüfung. Hierin erkennt man die List Satans …<br />
Er weiß genau, dass er auf diese Weise alle Frömmigkeit<br />
zu einem rein äußerlichen Formalismus ohne jedes<br />
geistliche Leben machen und die Kraft der Gottseligkeit<br />
samt allen geistlichen Sachverhalten ausschließen kann.<br />
So wird allem wahren Christentum die Tür<br />
verschlossen.“ 4<br />
Man kann aber auch auf der anderen Seite vom<br />
Pferd fallen. In der Zeit der großen Erweckung gab es<br />
zahlreiche Menschen, die Predigten vor allem um der<br />
Gefühle willen hörten. Manche haben gar nicht mehr<br />
richtig gearbeitet, weil sie so verrückt nach diesen<br />
Gefühlen waren, die manche Predigten hervorriefen. So<br />
geriet die Erweckung als Ganzes ins Kreuzfeuer der<br />
Kritik. Edwards hielt deshalb auch einmal eine Predigt,<br />
in der er die Kennzeichen der echten Erweckung<br />
nannte: „1. stärkt sie in den Menschen die Hochachtung<br />
vor Jesus als Sohn Gottes und Retter der Welt. 2. führt<br />
sie dazu, dass sie sich von ihren Verderben und Begierden<br />
weg der Gerechtigkeit Gottes zuwenden. 3.<br />
verstärkt sie ihre Achtung vor der Heiligen Schrift. 4.<br />
erbaut sie ihren Verstand in den objektiven Wahrheiten<br />
des offenbarten Glaubens. 5. erweckt sie echte Liebe zu<br />
Gott und den Mitmenschen.“ 5 Auch hier können wir<br />
von Edwards lernen, wenn wir uns Erweckung<br />
wünschen.<br />
Ein Streit und seine Folgen<br />
Als Jonathan Edwards die Gemeinde in Northampton<br />
übernahm, war es unter seinem Großvater üblich, dass<br />
jeder am Abendmahl teilnehmen konnte, der nicht<br />
gerade in offensichtlichen Sünden lebte. Dazu muss<br />
man natürlich wissen, dass in jener Zeit das Abendmahl<br />
nicht ein Teil des Gottesdienstes war, sondern eine<br />
gesonderte Veranstaltung, die alle acht Wochen<br />
stattfand. Zu dieser wurden nur die Personen hereingelassen,<br />
die für sich eine Zulassung erbeten hatten. Nun<br />
ging es um die Frage, wer diese Zulassung bekommen<br />
sollte. Solomon Stoddard hatte die Gemeinde aufgefordert,<br />
dass möglichst viele zu dieser Veranstaltung<br />
kommen mögen. Er verstand das Abendmahl als etwas,<br />
was auch zur Bekehrung hinführen kann. Die einzige<br />
Bedingung, die er festlegte, war ein gottgemäßes Leben.<br />
Im Laufe seines Dienstes und seiner zunehmenden<br />
Erkenntnis von Gottes Wort kam Jonathan Edwards zu<br />
einer anderen Einsicht. Er erkannte, dass das Abendmahl<br />
für die vorbehalten ist, die bereits gläubig sind.<br />
Seinen Grundsätzen folgend, wollte er möglichst keine<br />
Zeit verlieren und eine neue Ordnung für die Zulassung<br />
erstellen. Mit diesem Wunsch kam eine Kontroverse<br />
zum Vorschein, die untergründig schon länger geführt<br />
wurde. Es gab einige, die mit Edwards unzufrieden<br />
waren, und diese Frage als Anlass nahmen, nun offen<br />
gegen ihn zu arbeiten. Ein Gemeindeausschuss konnte<br />
sich nicht einmal einigen, ob Edwards zu dem Thema<br />
eine öffentliche Veranstaltung einberufen durfte oder<br />
nicht. So sah er als einzigen Ausweg die Möglichkeit,<br />
seine Sicht der Dinge schriftlich festzuhalten. Was<br />
entstand, war ein Buch, von dem er verlangte, dass alle,<br />
die abstimmen wollten, wie es mit der Gemeinde weitergehen<br />
sollte, dieses zuerst lesen müssten. Kurze Zeit<br />
darauf wurde er in Northampton abgewählt und trat im<br />
Juli 1750 von seinem Amt zurück.<br />
Hier sehen wir einen der Charakterzüge, der es ihm<br />
in seinem Beruf wohl oft nicht leicht machte. Er war<br />
sehr hilfsbereit und hatte auch oft und viele Gäste bei<br />
sich, aber in erster Linie brannte er für Gott und für die<br />
Heiligung seiner Gemeinde. Wo er etwas Neues erkannt<br />
hatte, musste es möglichst schnell umgesetzt werden. Da<br />
kam wohl seine Gemeinde nicht mehr hinterher, was zu<br />
Konflikten führte. Auch hier können wir von ihm<br />
lernen. Es braucht Geduld, um eine ganze Gemeinde<br />
dorthin zu führen, dass sie mit solch gravierenden Neuerungen<br />
einverstanden ist. Vergleichbar ist dieser<br />
Konflikt zum Beispiel mit unseren heutigen Fragen nach<br />
dem Musikstil in der Gemeinde.<br />
Das Ende und Erbe eines Gottesmannes<br />
Nachdem er von seinem Amt in Northampton zurückgetreten<br />
war, zog er nach Stockbridge um. Dies war ein<br />
kleiner Ort, der am Rande der Wildnis lag. Hier<br />
übernahm er eine kleine Gemeinde von Siedlern und<br />
half in der Indianermission. Die Zeit dort war recht<br />
schwierig, denn er litt an finanziellen und auch gesundheitlichen<br />
Nöten. Außerdem hatte er auch dort Gegner.<br />
Theologisch gesehen war die Zeit nach dem Rücktritt in<br />
Northampton die erfolgreichste, denn in dieser Zeit<br />
fand er Gelegenheit, um verschiedene Werke fertigzustellen<br />
und zu schreiben. Im Alter von 55 Jahren starb er<br />
am 22. März 1758.<br />
Die Yale-Universität hat die ganzen Werke Jonathan<br />
Edwards in 73 Bänden herausgegeben. Das ist ein<br />
immenses Erbe, das wir dankbar annehmen dürfen.<br />
Seine Biographie des Indianermissionars David Brainerd<br />
hat in vielen Generationen dazu geführt, dass sich junge<br />
Menschen für die Mission begeistern ließen. Seine<br />
Schriften zur Erweckung können uns auch heute helfen,<br />
wenn wir uns Erweckung wünschen. Seine Auseinandersetzung<br />
mit dem freien Willen zeigt uns, wo die<br />
Möglichkeiten und Grenzen des menschlichen Willens<br />
liegen. Und dass uns seine „Resolutions“ zu einem<br />
hingegebenen, christuszentrierten und dienstbereiten<br />
Leben anspornen mögen, das ist mein Gebet.<br />
Soli Deo Gloria – Gott allein die Ehre! <br />
ausgabe 11 – 35
T I M O T H E U S M A G A Z I N . D E<br />
F A C E B O O K . C O M / T I M O T H E U S M A G A Z I N<br />
T W I T T E R . C O M / T I M O T H E U S M A G<br />
G P L U S . T O / T I M O T H E U S M A G