18.04.2018 Aufrufe

Timotheus Magazin #11 - Vorbilder

Inhalt Editorial Vorbilder des Glaubens (Waldemar Dirksen) – Warum geistliche Vorbilder wichtig sind. Susannah Spurgeon (Hans-Werner Deppe) – Die starke Frau hinter dem Fürsten der Prediger. John Bunyan (Nils Freerksema) – Der Kesselflicker der eines der bekanntesten Bücher der Welt schrieb. John Gresham Machen (Daniel Facius) – Ein Leben für die Glaubwürdigkeit der Schrift. Johann Gerhard Oncken (Peter Schild) – Der Vater der kontinentaleuropäischen Baptisten. Jonathan Edwards (Jonas Erne) – Zuerst kam die Ehre Gottes. Buchvorstellungen

Inhalt
Editorial
Vorbilder des Glaubens (Waldemar Dirksen) – Warum geistliche Vorbilder wichtig sind.
Susannah Spurgeon (Hans-Werner Deppe) – Die starke Frau hinter dem Fürsten der Prediger.
John Bunyan (Nils Freerksema) – Der Kesselflicker der eines der bekanntesten Bücher der Welt schrieb.
John Gresham Machen (Daniel Facius) – Ein Leben für die Glaubwürdigkeit der Schrift.
Johann Gerhard Oncken (Peter Schild) – Der Vater der kontinentaleuropäischen Baptisten.
Jonathan Edwards (Jonas Erne) – Zuerst kam die Ehre Gottes.
Buchvorstellungen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

BIBELTREUES MAGAZIN FÜR JUNGE CHRISTEN · N°11 / FRÜHLING 2013<br />

Erstaunliche Biografien<br />

und ihre biblische<br />

Bedeutung.<br />

John Gresham<br />

M ac h e n<br />

Johann Gerhard<br />

O n c k e n<br />

Susannah<br />

S p u r g e o n<br />

Jonathan<br />

E dwa r d s<br />

John<br />

B u n ya n


Editorial<br />

Aus mehreren Gründen ist diese Ausgabe „besonders“<br />

und „anders“. Zum ersten Mal seit dem Start von<br />

„<strong>Timotheus</strong>“ ist kein explizit grundlegendes und<br />

biblisches Lehrthema der Gegenstand einer Ausgabe.<br />

Bereits bei der Gründung von „<strong>Timotheus</strong>“ haben wir<br />

uns überlegt, hin und wieder „auszubrechen“ und<br />

vielleicht eher untypische Themen zu behandeln. Nach<br />

zehn Heften, in denen wir biblische Basics wie Nachfolge,<br />

Glaube, Sünde, Frieden, Gottesfurcht, Kreuz,<br />

Demut, Buße und das Gesetz betrachtet haben, ist nun<br />

der richtige Zeitpunkt, ein etwas „anderes“ Heft zu<br />

machen.<br />

Wie bereits auf dem Cover unschwer zu erkennen,<br />

handelt dieses Heft von Menschen. Menschen, die<br />

längst verstorben sind. Menschen, die im deutschsprachigen<br />

Raum auch eher unbekannt sind und erst jetzt<br />

im „reformatorischen Aufbruch“ bekannter werden.<br />

Warum Menschen? Warum Biografien? Für uns als<br />

„<strong>Timotheus</strong>“ ist der reformatorische Grundsatz „Solus<br />

Christus“ keine Floskel. Wir legen großen Wert darauf,<br />

dass Christus im Mittelpunkt unseres Lehrens,<br />

Glaubens und Lebens ist. Warum also Biografien?<br />

AUF DEM COVER<br />

Illustration von Peter Voth für <strong>Timotheus</strong><br />

In dem Bewusstsein, dass alle Menschen verlorene<br />

und unfähige Sünder sind, deren einzige Hoffnung<br />

darin besteht, von Christus gerufen und errettet zu<br />

werden, haben wir auch diese Menschen betrachtet. Es<br />

waren keine Gutmenschen. Es waren Sünder wie du und<br />

ich. Und so macht der zweite Blick deutlich, dass diese<br />

Ausgabe nicht die Stärke und Gerechtigkeit des<br />

Menschen widerspiegelt und verherrlicht, sondern die<br />

unendliche Gnade, Macht und Treue Gottes. Herausgekommen<br />

sind erstaunliche Portraits, die uns inspirieren<br />

und zeigen, wo die Prioritäten eines treuen Nachfolgers<br />

liegen sollten. Zudem ist der kirchengeschichtliche<br />

Aspekt in den Lebensbildern äußerst interessant. Er<br />

zeigt, wie aktuell das Evangelium ist, wie gleich die<br />

Probleme geblieben sind und wie leicht wir uns heute<br />

von scheinbar neuen Ansätzen blenden lassen. Außerdem<br />

haben wir uns bewusst Fragen gestellt wie: Was sagt<br />

die Bibel über Glaubensvorbilder? Sollten wir wirklich<br />

auf Menschen schauen? Sollten wir diese Menschen, die<br />

offenkundig mit Christus wandelten, in Ehren halten?<br />

Wir hoffen nun, dass du eine Ausgabe in den<br />

Händen hältst, die Jesus Christus ins Zentrum rückt<br />

und zeigt, dass der Glaube an Ihn etwas wirklich Lebendiges<br />

und Wahrhaftiges ist. Auch wird deutlich, dass<br />

Christus zu folgen nicht jeden Tag Sonnenschein bedeutet.<br />

Christus folgen heißt auch zu leiden. Wir wünschen<br />

dir eine inspirierende und bereichernde Lektüre. <br />

Peter Voth<br />

02 – ausgabe 11


Inhaltsverzeichnis<br />

Autoren<br />

der Ausgabe<br />

vorbilder Des glaubens – 6<br />

–<br />

Sollten wir menschliche <strong>Vorbilder</strong> haben? Taugen sie als<br />

geistliche Leitbilder? Der Hebräerbrief gibt Antworten.<br />

waldemar dirksen<br />

(*1982) ist derzeit Referendar in Bonn. Als Mitgründer,<br />

Mitherausgeber und Redakteur gehört er zu den<br />

regelmäßigen Autoren von <strong>Timotheus</strong>.<br />

susannah spurgeon – 8<br />

–<br />

Vielleicht war der Dienst Susannahs ebenso wichtig wie<br />

das Werk ihres bekannten Ehemannes C.H. Spurgeon.<br />

hans - werner deppe<br />

(*1968) ist Ehemann, Vater von zwei Kindern sowie<br />

Autor und Prediger. Er ist Gründer und seit über zehn<br />

Jahren Leiter des bibeltreuen Betanien Verlages.<br />

JOHN BUNYAN – 14<br />

–<br />

Die erstaunliche Geschichte des Mannes der eines der<br />

bekanntesten Bücher der Welt (Die Pilgerreise) schrieb.<br />

nils freerksema<br />

(*1986) ist Jugendprediger im Evangelischen Gemeinschaftsverband<br />

Siegerland-Wittgenstein. Nils schreibt<br />

auch auf Twitter: @nfreerksema<br />

JOHN GRESHAM MACHEN – 20<br />

–<br />

Der unbeirrbare Princeton-Professor, der für die<br />

Irrtumslosigkeit der heiligen Schrift eintrat.<br />

daniel facius<br />

(*1981) ist Ehemann, Vater von zwei Kindern und setzt<br />

sich im Ständigen Ausschuss des Bibelbundes für die<br />

Zuverlässigkeit der Schrift ein.<br />

JOHANN GERHARD ONCKEN – 26<br />

–<br />

Der deutsche Gemeindegründer war eine der wichtigsten<br />

Figuren im europäischen Baptismus.<br />

peter schild<br />

(*1985) ist Ehemann, Vater und Theologe. Er arbeitet in<br />

Partnerschaft mit HeartCry Missionary Society als<br />

Gemeindegründer in Wetzlar.<br />

JONATHAN EDWARDS – 32<br />

–<br />

Er war die prägende Figur der großen Erweckung. Seine<br />

literarisches Vermächtnis bleibt bis heute unerreicht.<br />

jonas erne<br />

(*1985) ist verheiratet und derzeit Praktikant der Volksmission<br />

Loßburg-Wälde im Nordschwarzwald. Jonas<br />

schreibt auch auf Twitter: @jonaserne<br />

ausgabe 11 – 03


Schwierige Fragen.<br />

Biblische Antworten.<br />

Das bibelorientierte & reformatorische<br />

<strong>Magazin</strong> für junge Christen.<br />

Das Wort Gottes, die Bibel, hat bis heute nichts von seiner Kraft<br />

und Relevanz verloren. Daher glauben wir, dass zuallererst biblische<br />

Lehren und Themen und weniger Anliegen des Zeitgeistes das Denken<br />

des Christen beherrschen sollten. Außerdem ist uns das<br />

kirchengeschichtliche Erbe, das uns Personen wie Calvin, Luther oder<br />

Spurgeon hinterlassen haben, ein großes Anliegen.<br />

timotheusmagazin.de • cbuch.de/timotheus • betanien.de


Das Jahresabo ist schon ab € 13,35 erhältlich!<br />

Mehr zu den Abos und den Einzelausgaben (€ 2,90 pro Heft) hier<br />

cbuch.de/timotheus<br />

Bisherige Ausgaben widmeten sich folgenden Themen:<br />

Nachfolge, Glaube, Sünde, Frieden, Gottesfurcht,<br />

Das Kreuz, Demut, Buße und Das Gesetz<br />

timotheusmagazin.de • cbuch.de/timotheus • betanien.de


VORBILDER DES GLAUBENS<br />

Geistliche <strong>Vorbilder</strong> sind Menschen, die im<br />

Wort und Wandel Wegweiser für andere sind.<br />

Diese können uns helfen, Christus treu nachzufolgen.<br />

Text<br />

Waldemar Dirksen


„Gedenkt an eure Führer, die euch das Wort Gottes<br />

gesagt haben; schaut das Ende ihres Wandels an und<br />

ahmt ihren Glauben nach!“ (Hebräer 13,7)<br />

Mit Hebräer 13,7 wurden die Hebräer aufgefordert,<br />

in dreierlei Hinsicht aktiv zu werden. Zuerst sollten sie<br />

an ihre geistlichen Führer denken. Es muss sich hierbei<br />

um verstorbene Führer der Gemeinde handeln. Diese<br />

haben am Evangelium festgehalten. Sie sind nicht zum<br />

levitischen System zurückgekehrt. Die Empfänger des<br />

Hebräerbriefes standen in der Gefahr, zum Judentum<br />

zurückzukehren. Die Erinnerungen an ihre früheren<br />

Leiter sollten zur Stärkung ihrer Treue zu Christus<br />

dienen.<br />

Weiter sollten die Hebräer ihre Erinnerungen auf<br />

das Ende dieser Führer fokussieren. Es wird nicht genau<br />

beschrieben, welches Ende diese hatten, aber es ist<br />

davon auszugehen, dass der Schreiber sowie die Empfänger<br />

des Hebräerbriefes über ein gutes Ende dieser Leiter<br />

wussten. Im Sterben haben sie Gott verherrlicht.<br />

Zuletzt werden die Hebräer aufgefordert, den<br />

Glauben ihrer geistlichen Führer nachzuahmen. Diese<br />

Männer haben das Wort Gottes verkündigt und gelebt,<br />

sodass sie anderen als Vorbild empfohlen werden konnten.<br />

»In unseren Gemeinden<br />

brauchen wir glaubwürdige<br />

Vorsteher, die mit gesunder<br />

Lehre und vorbildlichem<br />

Wandel ihre Zuhörer auf<br />

Gott ausrichten.«<br />

Prioritäten eines geistlichen Führers<br />

Nach Hebräer 13,7 bestehen die wesentlichen Aufgaben<br />

eines vorbildlichen geistlichen Führers darin, das Wort<br />

Gottes zu verkündigen und ein gutes Vorbild im<br />

Glauben zu sein, damit andere den Glauben nachahmen<br />

können. Geistliche Führung in der Gemeinde erfolgt im<br />

Grunde durch Verkündigung und Vorbild. Darüber<br />

hinaus benötigt die Gemeinde keine weiteren Instrumente<br />

zur Steuerung. Ausgetüftelte Programme, innovative<br />

Organisationsstrukturen sowie spezielle Gemeinderegeln<br />

können das geistliche Leben in der Gemeinde nur<br />

künstlich aufrechterhalten, aber nicht wirklich schaffen.<br />

Wahre Führung geschieht maßgeblich durch<br />

geistlich wirksame Verkündigung in Verbindung mit<br />

einem vorbildlichen Glaubensleben des Verkündigers.<br />

Paulus hat in seinen Unterweisungen an <strong>Timotheus</strong> die<br />

Prioritäten eines geistlichen Leiters mit Nachdruck<br />

betont: „Habe Acht auf dich selbst und auf die Lehre;<br />

bleibe beständig dabei! Denn wenn du dies tust, wirst du<br />

sowohl dich selbst retten als auch die, welche auf dich<br />

hören“ (1. Tim. 4,16). Der Fokus eines geistlichen<br />

Leiters soll auf persönliche Heiligkeit und gesunde<br />

Lehre gerichtet sein. Auf diese beiden Aspekte lassen<br />

sich letztlich alle seine Aufgaben und Charakterzüge<br />

reduzieren. Wenn die Leiter einer Gemeinde in diesen<br />

Bereichen nachlässig sind, dann droht der Gemeinde ein<br />

geistlicher Niedergang.<br />

In unseren Gemeinden brauchen wir glaubwürdige<br />

Vorsteher, die mit gesunder Lehre und vorbildlichem<br />

Wandel ihre Zuhörer auf Gott ausrichten. Denn organisatorische<br />

Abläufe in der Gemeinde mögen große<br />

Schwächen aufweisen, die Räumlichkeiten können<br />

unbefriedigend sein, der Gesang in den Versammlungen<br />

kann schleppend sein – all das ist erträglich. Unerträglich<br />

ist es, wenn die Lehre in der Gemeinde die Herzen<br />

der Zuhörer kalt und unberührt lässt, weil sie oberflächlich<br />

und kraftlos ist. Dies ist ein Übel, von dem wir<br />

offensichtlich betroffen sind. Mindestens genauso<br />

unerträglich ist es, wenn geistliche Leiter ein schludriges<br />

Leben führen und dieses mit dem Argument rechtfertigen,<br />

dass sie ja auch nur Menschen seien.<br />

Gute <strong>Vorbilder</strong> helfen<br />

Lasst uns auf geistliche Führer schauen – auch wenn sie<br />

bereits verstorben sind – die beides vereinen: Persönliche<br />

Heiligkeit und gesunde Lehre. Ihr Leben und ihre<br />

Verkündigung sollen uns ein Ansporn zum vertieften<br />

Glauben an Jesus Christus sein. Solche <strong>Vorbilder</strong> lassen<br />

sich finden. Die Wahl unserer <strong>Vorbilder</strong> soll stets nach<br />

den beiden genannten Kriterien erfolgen.<br />

Es lohnt sich, gute <strong>Vorbilder</strong> zu haben. Für C.H.<br />

Spurgeon war George Whitefield ein großes Vorbild. Er<br />

schreibt dazu: „Jedesmal, wenn ich mich mit George<br />

Whitefields Leben beschäftigt habe, habe ich eine ausgesprochene<br />

Belebung erfahren. Er lebte. Andere Männer<br />

scheinen oft nur halb zu leben. Whitefield war aber<br />

nichts als Leben, Feuer, Flügel, Kraft. Wenn ich nach<br />

meiner rechten Unterordnung unter meinen Herrn<br />

noch ein Vorbild habe, dann ist es George Whitefield.<br />

Ich vermag jedoch nur mit ungleichen Schritten seiner<br />

glänzenden Spur zu folgen.“<br />

Eine intensive Auseinandersetzung mit <strong>Vorbilder</strong>n<br />

des Glaubens kann unsere Ketten der Illusionen sprengen<br />

und uns zu einer geistlich klaren Sichtweise verhelfen.<br />

Wir müssen unsere Oberflächlichkeit überwinden<br />

und in geistlichen Dingen tiefgründig werden. So<br />

können uns <strong>Vorbilder</strong> des Glaubens helfen, unseren<br />

Sünden auf den Grund zu gehen und in wahrer Bußhaltung<br />

zu leben. Sie können uns helfen, ein einfaches<br />

Leben mit einem klaren Blick auf unsere wahre Heimat<br />

zu führen. Sie können uns helfen, uns selbst zurückzunehmen<br />

und anderen die Privilegien zu gönnen. Sie<br />

können uns helfen, entschlossen in einem zermürbenden<br />

Kampf zu stehen. Sie können uns helfen, uns als<br />

treue Diener unseres Herrn zu erweisen. <br />

ausgabe 11 – 07


SUSANNAH SPURGEON<br />

„Hinter jedem erfolgreichem Mann steht eine starke Frau.“<br />

Wie war das bei der Ehefrau des „Fürstens der Prediger“,<br />

Charles Haddon Spurgeon? Ein Einblick in Ihre Persönlichkeit<br />

ermutigt uns, wie „normal“ diese Frau eigentlich war.<br />

Mit Blick auf unsere junge Leserschaft habe ich den Schwerpunkt<br />

in dieser Kurzbiografie auf ihre erste Lebenshälfte<br />

gelegt.<br />

Text<br />

Hans-Werner Deppe


»Sein ländliches Benehmen<br />

und seine Sprache riefen<br />

mehr Bedauern als<br />

Verehrung in mir hervor.«<br />

Susannah Thompson wurde am 15. Januar 1832<br />

geboren (also zweieinhalb Jahre vor Charles Spurgeon)<br />

und wuchs in London auf – ein Großstadtmädchen, im<br />

Gegensatz zu Charles, der später als Junge vom Land in<br />

die Weltmetropole an der Themse kam und dort eine<br />

Predigerstelle antrat.<br />

Von Kindheit an war Susannah nicht nur in London<br />

zu Hause, sondern auch in der New Park Street Chapel,<br />

an die Spurgeon als junger Mann in den Predigerdienst<br />

berufen wurde. Diese geschichtsträchtige reformierte<br />

Baptistengemeinde im zentralen Londoner Stadtbezirk<br />

Southwark, an der im 18. Jahrhundert berühmte Theologen<br />

und Prediger wie John Gill und John Rippon<br />

gewirkt hatten, war die geistliche Heimat ihres Elternhauses.<br />

Von klein auf christlich erzogen, hatte Susannah als<br />

Jugendliche unter einer evangelistischen Predigt über<br />

Römer 10,8 eine „Entscheidung“ getroffen, sich dem<br />

Herrn Jesus vollkommen hinzugeben. Aber wie so oft<br />

bei solchen menschlichen Gemütsregungen war auch<br />

Susannahs Entschluss von eher kurzlebigen Emotionen<br />

geprägt, und so glitt ihr Glaubensleben danach zunächst<br />

wieder in „Zeiten der Dunkelheit, Mutlosigkeit und des<br />

Zweifels“ hinab, wie sie es beschrieb (S. 16). 1<br />

Am 18. Dezember 1853 predigte Charles Spurgeon zum<br />

ersten Mal als Gastprediger in der New Park Street<br />

Chapel. Dass da plötzlich ein junger Dorfbursche auf<br />

der historischen Kanzel großer Gottesmänner stand,<br />

gefiel Susannah überhaupt nicht. Sie schrieb später über<br />

diesen ersten Eindruck:<br />

„Sein ländliches Benehmen und seine Sprache riefen<br />

mehr Bedauern als Verehrung in mir hervor. Zum<br />

Leidwesen meines törichten und eingebildeten Herzens!<br />

Ich war nicht geistlich genug, um seine ernsthafte Darlegung<br />

des Evangeliums und sein kraftvolles Reden zu<br />

Sündern zu verstehen. Aber die große, schwarze Satin-<br />

Halsbinde, das lange, schlecht geschnittene Haar und<br />

das blaue Taschentuch mit den weißen Punkten, all das,<br />

was ihn so äußerlich prägte, hatte meine ganze Aufmerksamkeit<br />

auf sich gezogen und ich spürte Belustigung in<br />

mir aufkommen.“ (S. 18-19)<br />

Verliebt, verlobt …<br />

Kurze Zeit später wurde Charles fest als Prediger an der<br />

New Park Street Chapel angestellt. Susannah hörte seine<br />

Predigten von da an regelmäßig und diese Predigten<br />

begannen, ihre bisher weltliche Gesinnung zu „bearbeiten“<br />

und geistliches Interesse bei ihr zu wecken. Charles<br />

und Susannah begegneten sich des Öfteren auch persönlich<br />

im Hause einer Familie der Gemeinde. Am 20.<br />

April 1854 schenkte Charles ihr eine illustrierte Ausgabe<br />

von Bunyans „Pilgerreise“ mit der Widmung: „Miss<br />

Thompson, mit den besten Wünschen für ihr Wachstum<br />

im Glauben.“ Wie es weiter ging, berichtet Susannah:<br />

„Unter großem Zittern erzählte ich ihm nach und<br />

nach von meinem Zustand vor Gott, und er führte mich<br />

durch seine Predigten und Gespräche behutsam in der<br />

Kraft des Heiligen Geistes zum Kreuz Christi, nach<br />

dessen Frieden und Vergebung meine müde Seele<br />

verlangte.“ (S. 20)<br />

Offenbar begann Charles sich ernsthaft für Susannah<br />

zu interessieren. Wenige Wochen nach diesem<br />

Buchgeschenk mit Widmung besuchten sie mit einer<br />

Gruppe anderer Gläubiger aus ihrer Gemeinde die<br />

Eröffnungsfeier des Londoner Kristallpalastes (am 10.<br />

Juni 1854) und Charles saß dabei neben ihr. Auch hier<br />

war es wieder ein Buch, das zum gemeinsamen Thema<br />

wurde: Charles zeigte Susannah während der Veranstaltung<br />

eine Abhandlung über das biblische Buch der<br />

Sprüche und versuchte, darüber mit ihr ins Gespräch zu<br />

kommen. Als er eine Seite über die Ehe und deren<br />

Anbahnung – worüber die Sprüche ja einiges zu sagen<br />

haben – aufschlug, leitete er auf eine bemerkenswert<br />

originelle und doch feinfühlige Weise vom allgemeinen<br />

Thema über auf dessen ganz persönliche und konkrete<br />

Bedeutung. Susannah berichtet:<br />

„›Beten Sie für Ihren zukünftigen Ehemann?‹,<br />

flüsterte eine leise Stimme in mein Ohr, so leise, dass<br />

niemand sonst sie hören konnte. Ich kann mich nicht<br />

erinnern, auf diese Frage eine hörbare Antwort gegeben<br />

zu haben, aber mein klopfendes Herz, das meine<br />

Wangen verräterisch erröten ließ, und mein gesenkter<br />

Blick, der das plötzlich in mir aufkommende Licht<br />

ausgabe 11 – 09


preiszugeben fürchtete, mögen die Sprache der Liebe<br />

gesprochen haben. Von diesem Moment an saß eine sehr<br />

stille Frau neben dem jungen Pastor, und als der brillante<br />

Festzug den Palace erfüllte, nahm sie keine Notiz von<br />

der glanzvollen Aufführung vor ihren Augen, da in<br />

ihrem Herzen ganz neue Gefühle erwachten“ (S. 22).<br />

Nach der Veranstaltung ergab sich noch eine<br />

Gelegenheit zu einem gemeinsamen Spaziergang:<br />

„Während dieses denkwürdigen Spaziergangs,<br />

glaube ich, verband Gott unsere Herzen mit unlöslichen<br />

Banden wahrer Zuneigung und, auch wenn wir es nicht<br />

wussten, gab er uns einander für immer. Ab diesem<br />

Zeitpunkt wuchs unsere Freundschaft und reifte schnell<br />

zu tiefer Liebe heran, zu einer Liebe, die heute noch in<br />

meinem Herzen ist, sogar noch ernster und stärker als in<br />

jener ersten Zeit.“ (S. 23)<br />

Nur knapp zwei weitere Monate später, am 2.<br />

August 1854, hielt Charles offiziell um Susannahs Hand<br />

an, und Susannah –<br />

„… lobte Gott auf Knien und dankte ihm mit<br />

Freudentränen, dass er mir in seiner großen Gnade die<br />

Liebe eines so guten Mannes schenkte. Hätte ich damals<br />

schon gewusst, wie gut er war und wie groß er werden<br />

würde, wäre ich nicht so sehr von der Freude überwältigt<br />

gewesen, seine Frau zu sein, als vielmehr von der Verantwortung,<br />

die eine solche Stellung mit sich bringt.“ (S.<br />

26)<br />

Susannah war zu diesem Zeitpunkt noch nicht<br />

getauft, was sie nun nachholen wollte. Charles bat sie als<br />

ihr Pastor um ein schriftliches Glaubenszeugnis, welches<br />

leider nicht dokumentiert ist, dafür aber Charles’<br />

Reaktion darauf. Er schrieb ihr:<br />

„O, ich könnte weinen vor Freude, weil meine<br />

Geliebte ein so großes Werk der Gnade in ihrem Herzen<br />

bezeugen kann … Ich sehe, mein Meister hat tief<br />

gepflügt, und die tiefe Saat hat nun mit den Erdklumpen<br />

zu kämpfen, und dies bereitet dir Kummer. Wenn<br />

ich die geistlichen Symptome wohl verstehe, glaube ich,<br />

die richtige Therapie für dich zu kennen. Du lebst nicht<br />

in einem Umfeld des ernstlichen Dienens Christi … dir<br />

fehlt der Kontakt zu den Gläubigen und auch zu den<br />

Sündern, Kranken und Elenden, denen du dienen<br />

könntest. Aktiver Dienst erwärmt die Liebe und<br />

beseitigt Zweifel, denn so wird unsere Arbeit zum<br />

Beweis unserer Berufung und Erwählung. … Ich bin<br />

Gott überaus dankbar, sowohl in deinem als auch in<br />

meinem Interesse, dass du die Lektionen des Herzens so<br />

gründlich gelernt hast und dir deiner Verderbtheit stets<br />

bewusst bist. Es werden weitere Lektionen kommen, um<br />

dich fest zu gründen, aber, o meine Liebe, wie wichtig ist<br />

es, die erste Lektion gut zu lernen! Ich liebte dich sofort,<br />

fürchtete aber, du seiest noch keine Erbin des Himmels.<br />

In seiner Gnade zeigte mir Gott, dass du auserwählt bist.<br />

Ich dachte dann, ich könnte dir ohne Sünde meine<br />

Zuneigung offenbaren; doch bis ich deine Zeilen las,<br />

konnte ich mir nicht vorstellen, dass du so tiefe Einblicke<br />

und Seelenerkenntnis besitzt. Gott ist gütig, sehr<br />

gütig, unendlich gütig. O, wie ich dieses Geschenk<br />

schätze, weil ich mehr denn je weiß, dass der Geber das<br />

Geschenk liebt. Und so will auch ich es lieben, aber nur<br />

in Unterwürfigkeit ihm gegenüber. … Mögen die<br />

erlesensten Gnaden dein Eigentum sein, möge der Engel<br />

des Bundes dein Begleiter sein, möge dein Flehen erhört<br />

werden und möge deine Unterredung mit Jesus im<br />

Himmel sein! Sei meinem Gott anbefohlen. In reiner<br />

und heiliger Zuneigung wie auch in irdischer Liebe,<br />

dein C. H. Spurgeon.“ (S. 27-29)<br />

Während der Verlobungszeit gab es auch Prüfungen.<br />

Einmal begleitete Susannah Charles zu einem Predigttermin<br />

in einem anderen Bezirk Londons, und als sie<br />

mit der Droschke dort ankamen, herrschte dichtes<br />

Gedränge sowohl vor als auch im Gebäude. Charles<br />

bahnte sich stracks seinen Weg zum Ort seiner Aufgabe<br />

und so verloren sie sich aus den Augen. Unverzüglich<br />

trat Susannah daraufhin tief gekränkt den Heimweg an.<br />

Ihre Mutter war so weise, ihr zu verdeutlichen: „Niemals<br />

dürfte ich ihn [an seinem Dienst] hindern, indem ich<br />

versuchte, die erste Stelle in seinem Herzen einzunehmen.“<br />

(S. 30) Als Charles sie kurze Zeit später abermals<br />

einlud, ihn zu einem Predigttermin zu begleiteten, sagte<br />

er: „Vielleicht bemerke ich es wieder nicht, wenn du<br />

gehst, aber es ist für uns beide wichtig – Charles hätte<br />

Gelegenheit zur Wiedergutmachung und Susie könnte<br />

zeigen, dass sie seinen Charakter nun besser kennt,<br />

indem sie seine Verfehlungen geduldig erträgt.“ (S. 31)<br />

Bereits zu dieser Zeit wurden Charles’ Predigten in<br />

gedruckter Form veröffentlicht und Susannah lernte<br />

nicht nur, während Charles’ intensiver Arbeit an den<br />

Abschriften „still zu sein und mich mit meinen eigenen<br />

Dingen zu beschäftigen“, sondern unterstütze ihn auch<br />

bei den Korrekturen und Schreibarbeiten. Seine zunehmende<br />

Popularität und die vielen Predigten vor großen<br />

Mengen waren aber auch eine starke Belastung, und<br />

wenn Susannah unter den Zuhörern saß, „verspürte sie<br />

oft den Drang, ihm zu Hilfe zu eilen“:<br />

„Ein Glas Chiliessig stand immer unter seinem Pult,<br />

und ich wusste, was zu erwarten war, wenn er zu diesem<br />

Mittel griff. O, wie mein Herz sich nach ihm sehnte.<br />

Wie sehr musste ich mich beherrschen, um ruhig und<br />

gesammelt zu wirken und auf meinen Stuhl in der<br />

kleinen Galerie sitzen zu bleiben! Ich konnte es kaum<br />

erwarten, nach der Predigt endlich zu ihm zu gehen und<br />

ihn zu trösten und aufzumuntern!“ (S. 33)<br />

»Niemals dürfte ich ihn<br />

hindern, indem ich<br />

versuchte, die erste Stelle<br />

in seinem Herzen<br />

einzunehmen.«<br />

10 – ausgabe 11


Susannahs Ehemann Charles Spurgeon als<br />

junger Prediger (ca. 1857).<br />

Das Ehepaar.<br />

Susannah als junge Frau<br />

(Datum unbekannt).<br />

Spurgeons Bibliothek. Sie sollte später eine der größten<br />

Privat-Bibliotheken Englands werden.<br />

… verheiratet<br />

Am 8. Januar 1856 wurden Susannah und Charles in<br />

der New Park Street Chapel getraut. Susannah „war früh<br />

aufgestanden und hatte lange Zeit im Gebet verbracht.<br />

Trotz der Sorge um die vor ihr liegende Verantwortung<br />

war sie ›unbeschreiblich glücklich‹ darüber, dass der<br />

Herr sie so reich beschenkt hatte. Allein und auf ihren<br />

Knien bat sie ernstlich um Kraft, Segen und Führung<br />

für das neue Leben, das vor ihr lag.“ Die kurze Hochzeitsreise<br />

führte sie nach Paris, wo Susannah sich als<br />

bereits ortskundige Reiseführerin hervortun konnte. Als<br />

Charles viele Jahre später einmal allein in Paris war,<br />

schrieb er Susannah: „Mein Herz fliegt dir zu, wenn ich<br />

mich an meinen ersten Besuch in dieser Stadt unter<br />

deiner Führung erinnere. Ich liebe dich wie damals, nur<br />

um ein Vielfaches mehr.“ (S. 39)<br />

Ihre erste Zeit als Ehepaar war geprägt von großer<br />

Bescheidenheit und Sparsamkeit, denn das Paar wollte<br />

eine Ausbildungsstätte für junge Prediger aufbauen.<br />

Susannah „konnte hervorragend wirtschaften und durch<br />

strikte Sparsamkeit sammelte sich ein erheblicher Betrag<br />

zur Unterstützung und Ausbildung der ersten Studenten<br />

an.“ (S. 40) Als Charles schon bald das Pastors’ College<br />

gründete, hatte Susannah ein „geradezu mütterliches<br />

Interesse an dem College.“ Sie schrieb:<br />

„In finanzieller Hinsicht hatten wir zu jener Zeit<br />

stets das Problem, über die Runden zu kommen. Wir<br />

hatten nie genug übrig, um große Sprünge zu machen.<br />

Jetzt kann ich sagen, dass Gott uns auf diese Weise<br />

vorbereitete, in den Folgejahren mit armen Gemeindehirten<br />

mitzufühlen und ihnen zu helfen.“ (S. 40)<br />

Diese Großzügigkeit im Geben und der Blick dafür,<br />

die bescheidenen vorhandenen Mittel in das Reich<br />

Gottes und den Dienst der Zurüstung zu investieren,<br />

sollten sich später noch weiter ausprägen, als Susannah<br />

ihren Bücherfond gründete, mit dem sie Prediger mit<br />

hilfreicher Literatur versorgte.<br />

Wenn Charles vom Predigtdienst erschöpft war, las<br />

Susannah ihm gern christliche Gedichte oder erbauliche<br />

Bücher z.B. des Puritaners Richard Baxter vor. Oft viel<br />

es ihr schwer, seine häufige Abwesenheit zu ertragen. Als<br />

sie wieder einmal ihre Tränen beim Abschied nicht<br />

zurückhalten konnte, sagte er zu ihr:<br />

ausgabe 11 – 11


„Glaubst du, dass die Kinder Israels weinten, wenn sie<br />

ein Opferlamm zum Altar des Herrn brachten und es<br />

dort liegen sahen? … Wenn du mich gehen lässt, um<br />

armen Sündern das Evangelium zu predigen, bringst du<br />

mich als Opfer für Gott. Meinst du, er sieht es gerne,<br />

wenn du über dein Opfer weinst?“ (S. 42)<br />

Doch noch viel mehr Trost sollte erforderlich<br />

werden. Nur vier Wochen nachdem Susannah am 20.<br />

September 1856 Zwillinge zur Welt gebracht hatte –<br />

Thomas und Charles –, ereignete sich eine große Tragödie:<br />

Bei Charles’ erster Predigt in der Surrey Gardens<br />

Music Hall – der größten Festhalle Londons – kam es zu<br />

einer von Saboteuren provozierten Massenpanik, bei der<br />

sieben Menschen getötet und zahlreiche schwer verletzt<br />

wurden. Der erst 22-jährige Prediger war seitdem ein<br />

gebrochener Mann, und sein Gewissen und Gemüt<br />

waren nicht nur von dem Unglück selbst belastet,<br />

sondern auch von den unzähligen darauffolgenden<br />

Schmähungen in der Presse. Auch für Susannah waren –<br />

„diesen Verleumdungen eine schwere Last …<br />

Abwechselnd litt mein Herz mit ihm und glühte vor<br />

Entrüstung über seine Kritiker. Lange fragte ich mich,<br />

wie ich ihn anhaltend trösten könnte, bis ich endlich das<br />

Hilfsmittel fand – diese Verse in großen, altenglischen<br />

Buchstaben umgeben von einem hübschen Oxford-<br />

Rahmen: ›Glückselig seid ihr, wenn sie euch schmähen<br />

und verfolgen und alles Böse lügnerisch gegen euch<br />

reden werden um meinetwillen. Freut euch und jubelt,<br />

denn euer Lohn ist groß in den Himmeln; denn ebenso<br />

haben sie die Propheten verfolgt, die vor euch waren‹ –<br />

Matthäus 5,11.12. Wir hängten den Text in unserem<br />

Zimmer auf und mein lieber Prediger las ihn jeden<br />

Morgen. Er erfüllte seinen Zweck, da er sein Herz<br />

stärkte und ihn seine unsichtbare Waffenrüstung<br />

anlegen ließ.“ (S. 50)<br />

Krank, aber voller Frucht für Gott<br />

Susannah war aber keine Powerfrau, sondern erkrankte<br />

schon in jungen Jahren dauerhaft und bedurfte vielmehr<br />

selbst der Pflege und Hilfe von Charles’, als dass sie ihn<br />

und seinen Dienst durch ein großes Arbeitspensum<br />

unterstützen konnte. Wir wissen nicht genau, woran sie<br />

litt, doch mit nur 33 Jahren wurde sie chronisch krank,<br />

litt fast ständig unter starken Schmerzen und Fieber und<br />

wurde 1868 mit 36 quasi bettlägerig. Als das Paar 1869<br />

ein neues Haus baute, wurde Susannah vorübergehend<br />

in ein Städtchen an der Küste umquartiert und Charles<br />

kümmerte sich allein um die „krankengerechte“<br />

Einrichtung des neuen Heims. Wie liebevoll er dies tat,<br />

ist in zahlreichen Briefen dokumentiert. Als sie schließlich<br />

in den Neubau einziehen konnte, war sie begeistert:<br />

„Niemals wird sie ihr Entzücken bei der Heimkehr<br />

vergessen noch seinen freudigen Stolz, mit dem er auf all<br />

die Vorkehrungen hinwies, die ihre Gefangenschaft<br />

ausgleichen und lindern sollten … In der ganzen<br />

Einrichtung des kleinen Raumes steckte seine hingebungsvolle<br />

Liebe, so dass ihre Gefühle nicht in Worte zu<br />

fassen waren, als sie es das erste Mal sah, und auch<br />

später, als sie den großen, praktischen Nutzen und Wert<br />

genoss.“ (S. 65)<br />

Als Frucht von ihrem Leben lässt sich trotz (oder<br />

gerade wegen!) ihrer chronischen Krankheit und Schwäche<br />

einiges aufzeigen. Zuerst sind da die beständige<br />

Liebe, Freude und Ermutigungen zwischen Charles und<br />

ihr, die zu ständigem Lob Gottes führten. Ob durch<br />

wundersame Gebetserhörungen – z.B. wurde auf ganz<br />

erstaunliche Weise Susannnahs scherzhaft geäußerter<br />

Wunsch nach „einem Opalring und einem zwitschernden<br />

Kanarienvogel“ erfüllt – oder durch geduldiges<br />

Ertragen von Leid und gegenseitiges Trösten, das für<br />

beide in mannigfaltigen Kämpfen so nötig war: der Herr<br />

»Zuerst sind da die<br />

beständige Liebe, Freude<br />

und Ermutigungen zwischen<br />

Charles und ihr, die zu<br />

ständigem Lob Gottes<br />

führten.«<br />

12 – ausgabe 11


»Susannah hat darüber<br />

hinaus sogar ein eigenes<br />

Werk gegründet, dass<br />

ungemein fruchtbare und<br />

große Segenskreise zog:<br />

einen Fond, der mittellosen<br />

Pastoren und Predigern<br />

theologische Bücher zur<br />

Verfügung stellte.«<br />

wurde in allem verherrlicht. Dann sind da die Zwillinge<br />

Thomas und Charles, die von Susannah ausgiebig<br />

geistlich belehrt wurden und die bezeugten, durch das<br />

„ernste Bitten und strahlende Vorbild“ und den<br />

„Einfluss und die Belehrung“ der Mutter zur früheren<br />

Bekehrung gefunden zu haben. Einen Tag nach ihrem<br />

18. Geburtstag wurden beide von ihrem Vater im<br />

Metropolitan Tabernacle getauft. Allein diese beiden<br />

Bereiche ergeben ein äußerst fruchtreiches Leben zur<br />

Ehre Gottes. Doch Susannah hat darüber hinaus sogar<br />

ein eigenes Werk gegründet, dass ungemein fruchtbare<br />

und große Segenskreise zog: einen Fond, der mittellosen<br />

Pastoren und Predigern theologische Bücher zur Verfügung<br />

stellte. Das war ein ungemein wichtiger Dienst:<br />

jene mit geistlicher Nahrung zu versorgen, deren<br />

Berufung es ist, ihrer anvertrauten Herde geistliche<br />

Nahrung zu geben! Prediger waren damals oft so arm,<br />

dass sie sich jahrelang kein neues Buch leisten konnten.<br />

Der Fond entstand, als Charles ihr 1875 das Roh-<br />

Manuskript seines Buches Ratschläge für Prediger zum<br />

Lesen gab und sie nach ihrer Meinung fragte. Sie<br />

antwortete: „Ich wünschte, ich könnte es jedem Pastor<br />

in England in die Hand drücken.“ „Warum nicht?“,<br />

entgegnete Charles, und als Susannah ihr Erspartes<br />

zählte, reichte es für einhundert Exemplare des Buches.<br />

In Charles’ Zeitschrift Sword & Trowell veröffentlichten<br />

sie dann eine Bestellmöglichkeit für bedürftige Pastoren,<br />

das Buch unentgeltlich anzufordern. Das war der<br />

Anfang des Buchfond-Werkes, denn von da an wurden<br />

auch reichlich Spenden für diese Zwecke gegeben – in<br />

Form von Geld und Büchern, die Susannah nach<br />

äußerer und inhaltlicher Qualität aussortieren musste.<br />

Wenn man die ausführliche Dokumentation ihres<br />

Bücherfond-Dienstes in ihrer Biografie liest, staunt<br />

man, wie sie all das – u.a. den aufwändigen Versand –<br />

trotz ihrer chronischen Krankheit schaffen konnte.<br />

Dieser Dienst und die damit einhergehende Motivation<br />

scheinen sie geradezu beflügelt zu haben, doch wurde sie<br />

immer wieder zeitweise von ihrer Krankheit außer<br />

Gefecht gesetzt. Am Ende bestand ihr Buchfonds 27<br />

Jahre (1875-1902) lang und währenddessen wurden fast<br />

200.000 theologisch wertvolle Bücher an bedürftige<br />

Pastoren, Prediger und Missionare versandt. Der heute<br />

noch bestehende Banner of Truth-Buchfond geht auf<br />

Susannahs Dienst zurück.<br />

Susannah überlebte Charles, der am 31. Januar 1892<br />

starb, schließlich noch um viele Jahre und führte ihren<br />

Buchfonds noch bis kurz vor ihrem Tod im Jahre 1903<br />

fort. Nachdem sie bereits selbst Bücher über ihren Fond<br />

sowie Andachtsbücher geschrieben hatte, widmete sie<br />

sich in ihrer Witwenschaft ihrem Hauptwerk, der<br />

4-bändigen Autobiografie von Charles Spurgeon, die sie<br />

aus seinen Tagebüchern, Briefen und Aufzeichnungen<br />

zusammenstellte und förderte weiter die Verbreitung<br />

von Charles’ Predigten und Schriften. So beendet ihr<br />

Biograf Charles Ray ihr Lebensbild mit den Worten:<br />

„Auf Erden predigt Charles' Feder weiterhin zu<br />

Millionen von Menschen unserer Generation. Susannah<br />

Spurgeon hat diesen Dienst trotz aller körperlichen<br />

Einschränkungen und Schwächen in unschätzbarem<br />

Maße durch Gottes Gnade gefördert.“ <br />

ausgabe 11 – 13


JOHN BUNYAN<br />

John Bunyans Leben war geprägt von Leiden,<br />

die er als Gottes Weg annahm,<br />

um ihn zur Herrlichkeit zu bringen.<br />

Er war ein Pilger auf dem Weg zur seligen Ewigkeit.<br />

Text<br />

Nils Freerksema


»Er fragte sich, ob er wirklich<br />

erwählt sein könne und<br />

ob die Gnadenzeit für ihn<br />

nicht schon längst zu Ende<br />

sei.«<br />

Noch ist John Bunyan manchen Christen als Autor der<br />

Pilgerreise bekannt. In unserer Generation von jungen<br />

Christen ist dieses Buch allerdings schon größtenteils in<br />

Vergessenheit geraten und damit auch sein Autor. Die<br />

„Pilgerreise zur seligen Ewigkeit“ ist ein Klassiker der<br />

Weltliteratur – übersetzt in 200 Sprachen und seit dem<br />

17. Jahrhundert durchgehend aufgelegt. Es ist jedoch<br />

nur eins von etwa 60 Büchern, die Bunyan insgesamt<br />

geschrieben hat; und nicht nur sein Werk, sondern auch<br />

sein Leben ist lehrreich und bedeutsam für uns. Insbesondere<br />

sein Umgang mit den Leiden, denen er ausgesetzt<br />

war, ist herausfordernd und vorbildlich. Es ist also<br />

gut, wenn wir uns mit dem Leben John Bunyans<br />

befassen und darauf achten, was wir von ihm lernen<br />

können.<br />

Der größte aller Sünder<br />

John Bunyan wurde im November 1628 in Elstow,<br />

einem kleinen Dorf südlich von Bedford in England,<br />

geboren. Sein Vater war Kesselflicker, ein Beruf, der eine<br />

armselige finanzielle Lage und geringes Ansehen mit<br />

sich brachte. Doch obwohl seine Eltern arm waren,<br />

ermöglichten sie ihm für einige Zeit den Besuch einer<br />

Schule, in der er zumindest lesen und schreiben lernte.<br />

Trotz seiner Autobiografie („Überreiche Gnade für der<br />

Sünder Größesten“) ist kaum etwas über seine Kindheit<br />

und Jugend bekannt. Wir wissen nur, dass sein sündiges<br />

Verhalten in jener Zeit außerordentlich war. Nur wenige<br />

waren ihm ebenbürtig „im Fluchen, Schwören, Lügen<br />

und Lästern des heiligen Namens Gottes.“ 1 In dieser<br />

Zeit wurde sein Geist zwar oft von großer Angst vor der<br />

Hölle und wegen seiner Sünden gequält, dennoch lebte<br />

er weiter ein lasterhaftes und sündiges Leben.<br />

Schon im Titel seiner Autobiografie bezeichnet<br />

Bunyan sich als den „größten aller Sünder“ und tut es<br />

damit Paulus gleich, der schreibt, „dass Christus Jesus in<br />

die Welt gekommen ist, um Sünder zu retten, von denen<br />

ich der größte bin“ (1. <strong>Timotheus</strong> 1,15). Sowohl Paulus<br />

als auch John Bunyan waren sich ihrer völligen<br />

Verderbtheit und eigenen Hilflosigkeit bewusst. Sie<br />

brauchten jemand anderen, der sie aus ihren Sünden<br />

rettet. Doch so plötzlich und überwältigend die Umkehr<br />

und Rettung bei Paulus geschah, so langsam und<br />

quälend schien sie bei Bunyan vor sich gegangen zu sein.<br />

Die schwierige Wiedergeburt<br />

1648 heiratete Bunyan seine erste Frau. Über sie ist<br />

nicht viel bekannt, nicht einmal ihr Name. Sie hatte<br />

jedoch einen gottesfürchtigen Vater und brachte von<br />

ihm zwei geistliche Bücher mit in die Ehe, die auch John<br />

des Öfteren las. Mit der Zeit veränderte er sein Leben<br />

radikal, so dass seine Umgebung ihn als wirklich gottesfürchtigen<br />

und guten Mann ansah. Er selbst sagt jedoch,<br />

dass es nicht mehr als selbstgerechte Werke waren und er<br />

nur ein Heuchler.<br />

Es lag noch ein langer Weg zu einer echten Rettung,<br />

nicht durch eigene Werke, sondern das Werk Christi,<br />

vor ihm. Wann diese eigentliche Wiedergeburt geschah,<br />

lässt sich nicht klar sagen. Deutlich wird jedoch, dass der<br />

Weg dorthin für Bunyan schwer war und lange andauerte.<br />

Er studierte die Bibel eifrig und kam dabei immer<br />

wieder auf Fragen, durch die er „bis auf Äußerste<br />

angefochten“ 2 war.<br />

Er fragte sich beispielsweise ob er wirklich erwählt<br />

sein könne und ob die Gnadenzeit für ihn nicht schon<br />

längst zu Ende sei. Lange Zeit plagte ihn auch der<br />

Gedanke, er habe die unvergebbare Sünde begangen,<br />

weil er, wie er es sagt, seinen Heiland verkauft habe.<br />

Durch all das lebte Bunyan über einen langen Zeitraum<br />

in Leiden, die sowohl geistlich als auch körperlich<br />

waren. Er schreibt: „Oh, niemand weiß von den Schrecken<br />

jener Tage als ich selbst.“ 3 In dieser Phase hatte er,<br />

ähnlich wie Luther, eine klare Vorstellung von seiner<br />

eigenen Sündhaftigkeit und Gottes Gerechtigkeit,<br />

konnte jedoch nicht deutlich erkennen, wie er selbst<br />

diesem Gott gerecht werden könnte.<br />

Ein entscheidender Moment für den Frieden seiner<br />

Seele war der, als er erkannte, dass seine Gerechtigkeit<br />

im Himmel ist. Er sah und verstand, dass Jesus Christus<br />

seine Gerechtigkeit ist und wusste: „Wo immer ich auch<br />

sein mochte und was immer ich auch tat, Gott konnte<br />

von mir nicht sagen, ihm mangelt meine Gerechtigkeit,<br />

ausgabe 11 – 15


denn diese hatte er gerade vor seinen Augen.“ 4 Was für<br />

eine wunderbare Erkenntnis, die ihm versicherte, dass<br />

seine eigene Verfassung, sei sie gut oder schlecht, keine<br />

Veränderung an seiner Gerechtigkeit bewirkte, denn<br />

„Jesus Christus ist derselbe gestern und heute und auch<br />

in Ewigkeit!“ (Hebräer 13,8). Seine Gerechtigkeit vor<br />

Gott, außerhalb von ihm selbst und bei Christus zu<br />

finden, war entscheidend, um Bunyan von den Fesseln<br />

seiner Zweifel zu erlösen. Nun konnte er sich auch den<br />

Bibelversen stellen, die ihn vorher verdammt hatten und<br />

sein Gewissen quälten.<br />

Vom Kesselflicker zum Prediger<br />

Im Jahr 1653 wurde John Bunyan Mitglied einer Baptistengemeinde<br />

in Bedford. Dort begann er, nachdem er<br />

von einigen Geschwistern in Jesus dazu gedrängt<br />

worden war, auch selbst zu predigen. Recht bald wurde<br />

er als Prediger sehr beliebt und diente in vielen Gemeinden<br />

in England. John Brown schreibt in seiner Bunyan-<br />

Biografie: „Als das Land verstand, dass der Kesselflicker<br />

zu einem Prediger geworden war, kamen sie zu Hunderten,<br />

um das Wort zu hören.“ 5 Bunyan nahm seinen<br />

Dienst sehr ernst und wollte unter keinen Umständen<br />

sein „Pfund in der Erde vergraben“. Er hatte ein so<br />

großes Verlangen danach, dass durch Gottes Wort<br />

Menschen in ihren Herzen verändert würden, dass er<br />

dafür gerne Leiden und Tod in Kauf genommen hätte.<br />

„Wenn ich in diesem Augenblick vor ihren Augen<br />

gehängt würde, und dies würde dazu dienen, sie zu<br />

erwecken und sie in der Wahrheit zu befestigen, so wäre<br />

ich mit Freuden damit einverstanden.“ 6<br />

Mit Zunahme seiner Popularität wurde er jedoch<br />

auch immer wieder durch Verleumdungen und Beleidigungen<br />

angegriffen. Da es jedoch falsche Anschuldigungen<br />

waren und Bunyan deswegen ein reines Gewissen<br />

hatte, nahm er auch dies gerne hin. Er schrieb: „Darum<br />

lege ich mir diese Lügen und Verleumdungen als einen<br />

Orden an. Es gehört zu meinem christlichen Bekenntnis,<br />

erniedrigt, verleumdet, beschuldigt und beschimpft<br />

zu werden.“ 7 Mich beschämt beides: die Bereitschaft<br />

Bunyans, für das Zeugnis von Jesus zu leiden und sein<br />

liebendes Herz, das für die Menschen, die ihm anvertraut<br />

waren, litt. Ich wünsche mir einen ähnlich großen<br />

Eifer in der Verkündigung von Gottes Wahrheit und der<br />

Sorge um die Herzen meiner Mitmenschen.<br />

»Es gehört zu meinem<br />

christlichen Bekenntnis,<br />

erniedrigt, verleumdet,<br />

beschuldigt und<br />

beschimpft zu werden.«<br />

– John Bunyan<br />

Zum Leiden bestimmt<br />

Das Leben John Bunyans war aber nicht nur durch die<br />

inneren Leiden seiner Seele bestimmt, auch an äußeren<br />

Umständen hatte er viel Leid zu ertragen. Dies tat er mit<br />

großer Geduld und unerschütterlichem Vertrauen in<br />

Gottes Güte und Allmacht. Die erste Tochter, Mary, die<br />

Gott ihm und seiner Frau schenkte, wurde blind<br />

geboren und Bunyans Zuneigung zu ihr war besonders<br />

groß. 1658, nach nur zehn Jahren Ehe, starb seine Frau<br />

und hinterließ ihm neben der blinden Mary noch drei<br />

weitere Kinder. Er heiratete ein Jahr später seine zweite<br />

Frau, Elizabeth, mit der er zunächst jedoch auch nicht<br />

lange zusammen sein konnte. Denn nur ein Jahr nach<br />

der Hochzeit wurde John Bunyan inhaftiert und musste<br />

die nächsten zwölf Jahre – mit kurzer Unterbrechung –<br />

16 – ausgabe 11


im Gefängnis bleiben. Ursache dafür war, dass König<br />

Charles II. die Regierung übernommen hatte und dafür<br />

sorgte, dass das Predigen außerhalb der Staatskirche<br />

verboten wurde. Die gesamte Zeit, in der Bunyan lebte,<br />

war geprägt von großen politischen Unruhen, die stark<br />

mit den religiösen Gruppen verbunden waren. Zu seiner<br />

Kinder- und Jugendzeit wurde England von König<br />

Charles I. regiert. Dieser ging zusammen mit dem<br />

Bischof der anglikanischen Kirche stark gegen die<br />

Puritaner vor. Die Puritaner waren eine Bewegung, die<br />

das religiöse Leben teils innerhalb, teils außerhalb der<br />

anglikanischen Kirche, reformieren wollte. 1642<br />

entstand ein Bürgerkrieg zwischen den Parlamentariern<br />

unter Oliver Cromwell und den Königstruppen. Nach<br />

drei Jahren besiegten die Parlamentarier den König und<br />

regierten das Land. Cromwell sorgte für Religionsfreiheit<br />

außerhalb der anglikanischen Kirche. Nach seinem<br />

Tod 1658 brach die Regierung jedoch bald wieder<br />

auseinander. Charles II. wurde 1660 König über<br />

England und schränkte die Religionsfreiheit wieder<br />

stark ein. Sein Predigtverbot dauerte zwölf Jahre bis<br />

1672.<br />

Bunyan war über diese zwölf Jahre im Gefängnis,<br />

obwohl er schon früh aus der Gefangenschaft hätte<br />

entlassen werden können. Dazu hätte er sich verpflichten<br />

müssen, mit dem Predigen aufzuhören, was für ihn<br />

jedoch nicht in Frage kam. „Ich habe mich entschieden,<br />

mit der Hilfe und des Schutzes des allmächtigen Gottes<br />

lieber zu leiden, falls das zerbrechliche Leben so lange<br />

anhält, bis Moos auf meinen Augenbrauen wächst, als<br />

meinen Glauben und meine Prinzipien zu verletzen.“ 8<br />

Bunyan nahm diese Leiden mit Dankbarkeit aus Gottes<br />

Hand und durfte darin seinen Segen erleben. Er schreibt<br />

zum Beispiel: „Nie in meinem ganzen Leben habe ich<br />

einen so freien Zugang zum Worte Gottes gehabt wie<br />

jetzt.“ 9 Dennoch war die Zeit im Gefängnis eine wirkliche<br />

Leidenszeit. Ihn quälten Gedanken über ein mögliches<br />

Todesurteil und die Leiden seiner Familie. Insbesondere<br />

der Gedanke an seine Tochter Mary bereitete<br />

ihm viel Kummer. „Oh, der Gedanke an alles Harte, das<br />

mein blindes Kind vermutlich werde durchmachen<br />

müssen, wollte mir das Herz brechen.“ 10 Was ihn in<br />

dieser langen Leidenszeit tröstete, war das feste Vertrauen<br />

in Gottes Souveränität. John Piper zitiert ihn in<br />

Bezug auf Leiden: „Nicht, was die Feinde wollen oder<br />

was sie beschließen, sondern was Gott will und was Gott<br />

bestimmt, wird geschehen.“ 11 „Leiden für die Gerechtigkeit<br />

und um der Gerechtigkeit willen geschieht durch<br />

Gottes Willen. Gott hat bestimmt, wer leiden wird.“ 12<br />

Bunyan hielt sich die biblische Wahrheit vor Augen, die<br />

beispielsweise in 1. Thessalonicher 3,3 deutlich wird:<br />

„damit niemand wankend werde in diesen Bedrängnissen;<br />

denn ihr wisst selbst, dass wir dazu bestimmt sind.“<br />

Die Gewissheit, dass Gott über allem Leiden steht,<br />

stärkte ihn über die ganze Zeit der Gefangenschaft und<br />

darüber hinaus. Bunyan begann nach seiner Freilassung<br />

wieder seine Predigtdienste und diente Geschwistern in<br />

ganz England auf viele Weise. Er starb 1688, nachdem<br />

er sich auf einer Reise ein schweres Fieber zugezogen<br />

hatte. Sein Vermächtnis, das er vor allem in Form vieler<br />

geistlicher Bücher hinterließ, prägte unzählige Christen<br />

»Bunyan war zwölf Jahre im<br />

Gefängnis, obwohl er schon<br />

früh aus der Gefangenschaft<br />

hätte entlassen werden<br />

können.«<br />

und seine Lebensgeschichte ist ein herausforderndes und<br />

ermutigendes Zeugnis für jeden.<br />

... der nehme sein Kreuz auf sich<br />

John Bunyans Umgang mit seinen Leiden ist vielleicht<br />

das, was am deutlichsten aus seinem Leben hervorscheint.<br />

Piper schreibt: „Bunyans Leiden durchzieht alle<br />

seine Werke.“ 13 Ein Grund dafür ist sicherlich, dass er<br />

Leiden als unerlässlichen Teil des christlichen Lebens<br />

sah. „Es ist Gottes Wille, dass Menschen, die auf dem<br />

Weg zum Himmel sind, entweder gar nicht oder nur<br />

unter Schwierigkeiten dort ankommen.“ 14<br />

Wenn ich mich mit Bunyans Leben und seinen<br />

Aussagen beschäftige, frage ich mich, welche Leiden ich<br />

eigentlich für Christus auf mich nehme. Schließlich hat<br />

Jesus gesagt: „Wer nicht sein Kreuz trägt und mir<br />

nachkommt, der kann nicht mein Jünger sein“ (Lukas<br />

14,27). Paulus hat es noch deutlicher formuliert: „Wenn<br />

wir aber Kinder sind, so sind wir auch Erben, nämlich<br />

Erben Gottes und Miterben des Christus; wenn wir<br />

wirklich mit ihm leiden, damit wir auch mit ihm<br />

verherrlicht werden“ (Römer 8,17).<br />

Nun sind wir in unserem Umfeld keiner Verfolgung<br />

ausgesetzt, die jener Bunyans oder der Apostel auch nur<br />

annähernd ähnlich wäre. Für Christus zu leiden bedeutet<br />

mit Sicherheit auch keine Selbstkasteiung, um Sünde<br />

zu büßen. Das ganze Neue Testament macht aber<br />

deutlich, dass wir als Nachfolger Jesu in einem Kampf<br />

stehen. Ein Kampf nicht gegen Menschen, sondern<br />

gegen die Mächte der Finsternis und die Sünde. Wenn<br />

wir diesen Kampf mit ganzer Kraft und ganzem Willen<br />

führen, werden wir nicht um Leiden herum kommen.<br />

„Ihr habt noch nicht bis aufs Blut widerstanden im<br />

Kampf gegen die Sünde“ (Hebräer 12,4). Ich möchte<br />

bereit sein, Leiden auf mich zu nehmen, um in diesem<br />

Kampf zu bestehen und als Überwinder die Herrlichkeit<br />

zu erlangen. <br />

ausgabe 11 – 17


Keine Angst<br />

vor Theologie!<br />

Jay Adams<br />

S Y S T E M A T I S C H E T H E O L O G I E<br />

Biblische Theologie<br />

für die Gemeinde<br />

Michael Lawrence<br />

B I B L I S C H E T H E O L O G I E<br />

Die Wahrheit<br />

macht frei<br />

Erich Schmidt-Schell<br />

R O M A N<br />

Jeder Christ interessiert sich für Theologie<br />

– ob er es weiß oder nicht. Denn<br />

Theologie ist nichts anderes als die<br />

Antwort auf die Frage, was man glaubt.<br />

Theologie ordnet die Lehren der Bibel<br />

und wendet sie auf das Leben an. Um im<br />

Glauben und in der Erkenntnis Gottes<br />

zu wachsen, braucht der Christ eine<br />

gesunde schriftgemäße Theologie.<br />

Dieses Buch ist ganz anders als akademische<br />

Theologiewerke, denn es vermittelt<br />

biblische Lehre auf eine Weise, die jeder<br />

leicht verstehen kann. Kurz und bündig,<br />

teils in Essay- oder Dialogform, erklärt<br />

der Autor in flüssigem Stil und mit einer<br />

Prise Humor grundlegende Themen der<br />

christlichen Lehre: das Wesen Gottes<br />

und des Menschen, rechtes Bibelverständnis,<br />

die Errettung, Endzeitfragen<br />

usw. und korrigiert dabei auch viele<br />

falsche Vorstellungen, die sich unter<br />

Christen verbreitet haben – z.B. über<br />

Erwählung, Gottes Führung, Zeichen<br />

und Wunder, Israel u.v.m.<br />

Ein Leitfaden für die Anwendung von<br />

Gottes Offenbarung<br />

Christliches Leben resultiert aus gesundem<br />

Glauben. Und gesunder Glaube<br />

entsteht, wenn die Bibel richtig verstanden<br />

und vermittelt wird. Dieses Buch<br />

schlägt die Brücke zwischen Theorie und<br />

Praxis und ist eine Fundgrube für alle,<br />

die die Bibel als Ganzes so studieren,<br />

vermitteln und verkündigen wollen, dass<br />

das Leben der Gemeinde und jedes<br />

Einzelnen sich zur Ehre Gottes verändert.<br />

Michael Lawrence bietet eine<br />

wunderbar verständliche und nützliche<br />

Einleitung in die Biblische Theologie –<br />

in die Lehre von den roten Fäden der<br />

Bibel – und zeigt ihre praktische<br />

Anwendung.<br />

Hinweis: Das Buch richtet sich zwar<br />

direkt an Prediger und Gemeindeleiter,<br />

aber da es hauptsächlich um das rechte<br />

Verständnis und die praxisbezogene<br />

Auslegung der Bibel geht, ist es für jeden<br />

Christen äußerst nützlich!<br />

Geschichte einer<br />

Versöhnung<br />

Der sechsjährige Malte wächst ohne<br />

Mutter auf, sie starb bei seiner Geburt.<br />

Vater Ansko möchte den Jungen am<br />

liebsten nicht sehen, deshalb kümmert<br />

sich die Großmutter um Maltes Erziehung.<br />

Doch nun liegt sie nach einem<br />

Herzinfarkt auf der Intensivstation.<br />

Dunkle Wolken ziehen über Maltes<br />

Leben auf.<br />

– Was plant Ansko bezüglich der<br />

Zukunft seines Sohnes? Die Beziehung<br />

zwischen Vater und Sohn ist stark<br />

belastet. Der verbitterte Mann, der sich<br />

von Gott ungerecht behandelt fühlt, gibt<br />

Malte die Schuld am Tod seiner Frau.<br />

»Dieser Junge hat unser Leben zerstört;<br />

das kann ich ihm nicht verzeihen!«<br />

Wird Ansko an seiner Ablehnung und<br />

Bitterkeit festhalten? Wie lange soll<br />

Malte der Vaterliebe entbehren? Wird<br />

Ansko die guten Absichten Gottes für<br />

sein Leben erkennen?<br />

Paperback, 206 Seiten<br />

Betanien, 2013<br />

Art.Nr.: 175944<br />

€ 11,90<br />

Paperback, 276 Seiten<br />

Betanien, 2013<br />

Art.Nr.: 175945<br />

€ 13,90<br />

Taschenbuch, 256 Seiten<br />

Voice of Hope, 2013<br />

Art.Nr.: 875393<br />

€ 6,90<br />

A U S G E W Ä H L T E N E U H E I T E N A U S D E M<br />

B E T A N I E N - O N L I N E S H O P<br />

C B U C H . D E


Neu belebt von Ihm<br />

Nancy Leigh DeMoss<br />

Tim Grissom<br />

K U R S M A T E R I A L / S T U D I E N B U C H<br />

Kämpfe den<br />

guten Kampf<br />

Peter Lüling<br />

B I B E L S T U D I U M<br />

Der Weg der christlichen<br />

Theologie<br />

Alister McGrath<br />

K I R C H E N G E S C H I C H T E<br />

Sind Sie manchmal müde von dem<br />

Versuch, ein guter Christ zu sein? Sind<br />

Sie überlastet mit Gemeindeaktivitäten?<br />

Fühlen Sie sich geistlich leer? Dann ist<br />

dieser Kurs genau richtig für Sie!<br />

Neu belebt von Ihm ist ein praktischer<br />

12-Wochen-Kurs, in dem die Autoren<br />

Prinzipien für persönliche Erweckung<br />

vorstellen. Wenn Sie für Ihr Leben mit<br />

Gott mehr Begeisterung und Tiefe<br />

suchen, finden Sie hier den Schlüssel<br />

dazu. Entdecken Sie, wie dadurch auch<br />

Ihre Beziehung zu Mitmenschen eine<br />

neue Qualität bekommt.<br />

Dieses Buch können Sie allein, in einer<br />

Gruppe oder mit einer ganzen Gemeinde<br />

durcharbeiten.<br />

„Neu belebt von Ihm ist ein sehr persönlicher<br />

und tiefgründiger Kurs. Er führt<br />

zu einem heiligen, von oben gesegneten<br />

Leben und einem fröhlichen Herzen, das<br />

gar nicht anders kann, als für den Herrn<br />

Jesus zu brennen!“<br />

– Joni Eareckson Tada<br />

Eine Studie zum 1. <strong>Timotheus</strong>brief<br />

Bibelstudium ist wie die Goldsuche:<br />

mühsam, aber unglaublich bereichernd.<br />

Wer einmal fündig geworden ist, möchte<br />

immer mehr entdecken und zu weiteren<br />

Schätzen vordringen, aber ...<br />

• Wie bekommt man erst einmal den<br />

Zugang zu einem Bibelbuch, zu einem<br />

Kapitel oder einem Abschnitt?<br />

• Auf welche Weise soll man das Material<br />

sichten?<br />

• Welche Fragen wären gut und<br />

wichtig?<br />

• Gibt es Strukturen und Sinnzusammenhänge?<br />

• Wie haben die Empfänger damals<br />

auf die Briefe reagiert, in denen es ja<br />

weder Verse noch sonstige Einteilungen<br />

gab?<br />

Eine Einführung<br />

Dieses umfassende Werk ist eine Einführung<br />

in die faszinierende Welt der christlichen<br />

Theologie und in ihre Geschichte.<br />

Auch wenn Sie nicht theologisch vorgebildt<br />

sind, werden Sie hier einen Überblick<br />

über die geschichtliche Entwicklung<br />

der Theologie (Dogmengeschichte)<br />

und ihre wichtigsten Lehraussagen<br />

bekommen und befähigt, theologischen<br />

Diskussionen mühelos folgen zu<br />

können.<br />

Das Buch ist gleichzeitig ein umfassendes<br />

Nachschlagewerk zu einzelnen<br />

Epochen oder Themen der Theologie,<br />

das jedes Kapitel als in sich verständliche<br />

Einheit behandelt und mit unfangreichem<br />

Glossar und Register sowie Angaben<br />

zu weiterführender Literatur die<br />

nötigen Querverweise liefert und zum<br />

Weiterstudium anregt.<br />

In Kürze wieder lieferbar!<br />

Paperback, 272 Seiten<br />

Rigatio, 2013<br />

Art.Nr.: 682003<br />

€ 19,95<br />

Paperback, 176 Seiten<br />

CLV 2013<br />

Art.Nr.: 256248<br />

€ 6,90<br />

Hardcover, 622 Seiten<br />

Brunnen, Mai 2013<br />

Art.Nr.: 229539<br />

€ 49,00<br />

H I E R B E S T E L L E N<br />

0 5 2 3 7 - 8 9 9 0 9 0 • I N F O @ B E T A N I E N . D E<br />

C B U C H . D E • B E T A N I E N . D E


JOHN GRESHAM MACHEN<br />

Für jemanden, der zu Recht als die „führende konservative<br />

Stimme in der fundamentalistisch-modernistischen Kontroverse<br />

der 20er Jahre“ 1 bezeichnet werden kann, ist der presbyterianische<br />

Theologe und Princeton-Professor John Gresham<br />

Machen (1881-1937) zumindest hierzulande relativ unbekannt.<br />

Die folgende Darstellung soll diese Lücke schließen,<br />

Machens Leben und Werk kurz skizzieren – und zu einer<br />

Beschäftigung mit seinen zentralen Thesen anregen.<br />

Text<br />

Daniel Facius


»Machen gewann die<br />

Einsicht, dass er nach einer<br />

Versöhnung von Glauben<br />

und Vernunft suchte.«<br />

Wenn der Biograph Nichols Machen als „unwahrscheinlichen<br />

Helden“ bezeichnet, 2 liegt diese Einschätzung in<br />

der behüteten Kindheit Machens begründet. Eher<br />

privilegiert aufgewachsen 3 in der High-Society<br />

Baltimores als Sohn eines bekannten Anwalts (Arthur<br />

Webster Machen, dessen Vater als Geschäftsleiter des<br />

US-Senats politisch gut vernetzt war) und einer 21 Jahre<br />

jüngeren Mutter, die den vornehmsten Kreisen Georgias<br />

entstammte (Mary Gresham Machen), genoss der junge<br />

Machen eine hervorragende Erziehung, 4 die ihn zwar<br />

für höhere Aufgaben in Staat und Gesellschaft prädestinierte<br />

– nicht aber für eine entscheidende Rolle in den<br />

theologischen Auseinandersetzungen seiner Zeit. „Den<br />

geistlichen Dienst“, so schrieb er seinem Vater, „kann<br />

ich mir nicht vorstellen.“ 5 An fehlender religiöser Erziehung<br />

kann diese Abneigung nicht gelegen haben, war<br />

doch insbesondere seine Mutter immer bestrebt, John<br />

und seinen Brüdern Arthur und Thomas nicht nur die<br />

Bibel, sondern auch den Westminster-Katechismus und<br />

Bunyans Pilgerreise nahezubringen. 6 Im Alter von 15<br />

Jahren wurde er auf sein Glaubensbekenntnis hin in die<br />

Franklin Street Presbyterian Church aufgenommen, der<br />

seine Mutter angehörte.<br />

Findungsphase<br />

Bei der Auswahl des Colleges unternahm der Musterschüler<br />

Machen keine Experimente. Er entschied sich<br />

für die John-Hopkins-Universität vor Ort und studierte<br />

dort, motiviert von seiner Vorliebe für die griechischen<br />

Klassiker, Altphilologie. Nach einer Europa-Reise, ein<br />

Geschenk seiner Eltern zum Universitätsabschluss, muss<br />

er sich noch immer unschlüssig darüber gewesen sein,<br />

was er mit seinem Leben anfangen wollte. Er blieb für<br />

eine Promotion an der Universität, die ihm so erfolgreich<br />

glückte, dass er 1901 in die Phi-Betta-Kappa-<br />

Gesellschaft aufgenommen wurde, die älteste und<br />

angesehenste Studentenverbindung der Vereinigten<br />

Staaten. Auch das weitere Studium in Chicago im<br />

Sommer 1901 erwies sich als wenig zielführend:<br />

Internationales Recht und Bankwesen stand auf dem<br />

Lehrplan. Erst nach zahlreichen Diskussionen mit<br />

seinen Eltern und seinem Pastor in Baltimore entschied<br />

er sich letztlich dafür, sich in Princeton einzuschreiben,<br />

wobei er zeitgleich Theologie am Princeton Theological<br />

Seminary und Philosophie an der Princeton University<br />

studierte – und sich für Football begeisterte. Zu seinen<br />

Lehrern in Theologie gehörten Benjamin Warfield, 7<br />

Caspar Hodge, Francis Patton und William Armstrong,<br />

wobei insbesondere die letzteren einen erheblichen<br />

Einfluss auf Machen gewannen. Über Patton, den ersten<br />

Präsidenten des Princeton Theological Seminary, schrieb<br />

er nach dessen Tod 1932: „Er war ein wahrer Freund für<br />

mich. Ich wäre niemals vorangekommen ohne seine<br />

Hilfe.“ 8 Armstrong, der Neues Testament lehrte,<br />

empfahl Machens Aufsatz über die Geburtserzählungen<br />

der Evangelien für eine renommierte Auszeichnung und<br />

die Veröffentlichung in der „Princeton Theological<br />

Review“. Als Machen tatsächlich gewann, brachte ihm<br />

dies ein Forschungsstipendium in Deutschland ein.<br />

1905 studierte Machen zunächst in Marburg, dann<br />

in Göttingen. Auch wenn Machen später schrieb, dass es<br />

nicht Deutschland war, „das zuerst Zweifel in meiner<br />

Seele weckte“, 9 muss diese Episode doch als krisenhafte<br />

bezeichnet werden. 10 Insbesondere die Vorlesung von<br />

Wilhelm Herrmann 11 in Marburg wurde zur Herausforderung<br />

für Machen, der weder auf die Auswüchse<br />

liberaler Theologie, noch auf die offenbar lebendige<br />

Frömmigkeit dieses Lehrers ausreichend vorbereitet war.<br />

An seinen Vater schrieb Machen: „Ich bin völlig verwirrt<br />

worden von dem, was er sagt – seine Ergebenheit für<br />

Christus ist viel tiefer als alles, was ich während der<br />

letzten Jahre von mir selbst kenne.“ 12<br />

Unter anderem durch den Briefwechsel mit seiner<br />

Mutter gewann Machen die Einsicht, dass er nach einer<br />

Versöhnung von Glauben und Vernunft suchte. Weder<br />

ein bloßer Intellektualismus ohne Hingabe, noch ein<br />

begeisterter „Glaube“ ohne solide Basis konnten ihn<br />

zufriedenstellen. Diese Einsicht sollte sein ganzes weiteres<br />

Leben prägen. 13 Zurück in den USA nahm er 1906<br />

das Angebot Armstrongs für eine Assistentenstelle in<br />

Princeton an. Er kam dort im Studentenwohnheim „39<br />

Alexander Hall“ unter und war bei den Studenten nicht<br />

ausgabe 11 – 21


nur wegen seines fachlich hervorragenden Unterrichts,<br />

sondern auch wegen seiner Geselligkeit beliebt. Samstags<br />

öffnete er abends sein Appartement für die Studenten,<br />

wo er Früchte und Tabak anbot und bis in die<br />

Nacht diskutiert wurde. 1912 veröffentlichte er vier<br />

vielbeachtete Aufsätze, 14 die seinen Aufstieg beförderten:<br />

1914 wurde er zum Assistenz-Professor ernannt<br />

und, ganz entgegen seiner ursprünglichen Absichten,<br />

von der Presbyterian-Church ordiniert. Seine Antritts-<br />

Vorlesung „Geschichte und Glaube“ sorgte für internationale<br />

Aufmerksamkeit und legte den Grundstein für<br />

sein weiteres Wirken und die Auseinandersetzung mit<br />

der liberalen Theologie.<br />

In diese Zeit (1910-1915) fiel auch die Veröffentlichung<br />

der von Torrey herausgegebenen, ursprünglich<br />

zwölfbändigen Ausgabe der „Fundamentals“, die<br />

aufgrund großzügiger Finanzierung durch die<br />

Öl-Millionäre Lymon und Milton Stewart in Millionenauflage<br />

kostenlos verteilt wurden. 15 Obwohl auch<br />

Machens Mentor Warfield einen Artikel über die<br />

Gottheit Jesu beisteuerte, ließ sich Machen später nur<br />

zögerlich mit der entstehenden Bewegung der Fundamentalisten<br />

in Zusammenhang bringen. 16 Als der Erste<br />

Weltkrieg begann, nahm Machen nicht als Soldat,<br />

sondern als Freiwilliger im Rahmen der CVJM-Arbeit<br />

teil und unterstütze französische und amerikanische<br />

Soldaten an der Front. 17 Einige Monate nach Kriegsende<br />

kehrte er zurück in die Staaten, wo er alsbald in die<br />

Modernismus-Debatte verwickelt wurde – auch an<br />

seiner eigenen Hochschule.<br />

Die Modernismus-Debatte<br />

1921 starb Benjamin Warfield. Machen schrieb anlässlich<br />

der Beerdigung an seine Mutter: „Es scheint mir,<br />

dass das alte Princeton – eine große Institution – starb,<br />

als Dr. Warfield hinausgetragen wurde.“ 18 In der Tat<br />

verlor Princeton mit Warfield einen der einflussreichsten<br />

konservativen Theologen Amerikas – und Machen<br />

schickte sich an, in seine Fußstapfen zu treten. 1921<br />

veröffentlichte er seine erste große Monographie, „Der<br />

Ursprung der Religion des Paulus“, in der er eine Serie<br />

von Vorlesungen am Union Theological Seminary in<br />

Virginia zusammenfasste. Die Wahl des Themas war<br />

kein Zufall: „Die Abhängigkeit des Christentums von<br />

einer bestimmten Auffassung über seinen Ursprung und<br />

seinen Gründer wird neuerdings heftig attackiert. Viele<br />

sind der Meinung, das Christentum könne unabhängig<br />

von seinem Ursprung gesehen werden, so dass diese<br />

Ursprungsfrage völlig getrennt werden sollte von den<br />

anstehenden religiösen Interessen der Kirche.“ 19<br />

Für Machen dagegen war die Frage nach dem<br />

Ursprung des Christentums auch die Frage nach seiner<br />

Wahrheit – und damit die wichtigste praktische Frage<br />

unserer Existenz. 20 Mit dieser Botschaft bereiste<br />

Machen in zunehmender Intensität die Vereinigten<br />

Staaten und sprach allein 1922/23 in New York, New<br />

Jersey, Philadelphia, Chicago und Iowa über Themen<br />

wie „Was ist Christentum?“, „Die Fundamente des<br />

christlichen Glaubens“ und „Ist das Christentum<br />

wahr?“ 21 Die Beschäftigung mit dieser Frage mündete<br />

schließlich in seinem wohl bekanntesten Werk „Chris-<br />

tentum und Liberalismus“, 22 das 1923 zusammen mit<br />

einem Griechisch-Lehrbuch erschien. Unmittelbarer<br />

Anlass für die Herausgabe des Buches war die Predigt<br />

eines Baptistenpredigers an der First Presbyterian<br />

Church in New York, Harry Emerson Fosdick, der am<br />

21. Mai 1922 über das Thema „Sollen die Fundamentalisten<br />

gewinnen?“ sprach, eine Predigt, die landesweite<br />

Verbreitung fand und als „Schlachtruf für den Liberalismus“<br />

gelten kann. 23 In dieser Predigt behandelt er drei<br />

zentrale christliche Lehren: die Unfehlbarkeit der<br />

Schrift, die Jungfrauengeburt und die Wiederkunft<br />

Christi. Er stellt die konservative und die liberale Auslegung<br />

dieser Dogmen vor 24 und kommt zu dem Ergebnis,<br />

dass die Kirche für Anhänger beider Auslegungen<br />

groß genug sein müsse. Die Fundamentalisten, die das<br />

anders sehen, sind – natürlich – engherzig, intolerant<br />

und ewiggestrig. Zudem sei es eine Schande, sich über<br />

Kleinigkeiten (!) zu streiten, während die Welt<br />

zugrundegehe. 25<br />

Christentum und Liberalismus<br />

Es verwundert nicht, dass Machen diese Herausforderung<br />

annahm. „Diese Zeit“, schreibt er in seiner Einleitung<br />

zu „Christentum und Liberalismus“, „ist eine Zeit<br />

des Konflikts“ 26 – und der Hauptgegner des Christentums<br />

die liberale Theologie. 27 Machens These: Das<br />

Christentum ist primär eine Lehre, kein Lebensstil<br />

(auch wenn eine bestimmte Lebensweise aus dieser<br />

Lehre folgt). 28 Machen bezieht sich insoweit auf<br />

1. Korinther 15,3-7 und erklärt: „Was also ist der Inhalt<br />

der Lehre der Urgemeinde? Lehrte sie ein generelles<br />

Prinzip des Vaterseins Gottes oder der Brüderlichkeit<br />

der Menschen? Lehrte sie eine diffuse Bewunderung für<br />

die Persönlichkeit Jesu, wie sie in der modernen Kirche<br />

vorherrscht? Nichts könnte weiter entfernt sein von den<br />

Tatsachen. „Christus starb für unsere Sünden“, erklärten<br />

die ersten Jünger, „nach der Schrift; er ist begraben<br />

worden und er ist auferstanden am dritten Tage nach der<br />

Schrift“. Von Anfang an bestand das christliche Evangelium<br />

– wie auch der Name „Evangelium“, das heißt<br />

„Gute Nachricht“, impliziert – aus einem Bericht über<br />

etwas, das geschehen war. Und von Anfang an wurde die<br />

Bedeutung dessen, was da geschehen ist, überliefert.<br />

Und die Überlieferung dieser Bedeutung war: christliche<br />

Lehre. „Christus starb“ – das ist Geschichte. „Christus<br />

starb für unsere Sünden“ – das ist Lehre. Ohne diese<br />

beiden Elemente, verbunden in unauflöslicher Einheit,<br />

gibt es kein Christentum.“ 29<br />

Nach diesen grundlegenden Feststellungen erörtert<br />

Machen die verschiedenen Sichtweisen auf Gott und die<br />

Menschen, die Bibel, Christus, die Erlösung und die<br />

Kirche. Er wehrt sich gegen die liberale Tendenz, das<br />

Wort „Gott“ als eine Art Weltgeist zu verstehen, der<br />

nicht mehr von seiner Schöpfung zu unterscheiden ist.<br />

Bezüglich der Sicht auf den Menschen bemerkt Machen<br />

scharfsinnig, dass Grundlage der modernen liberalen<br />

Bewegung der Verlust des Bewusstseins von Sünde ist. 30<br />

Weil die Kirche aber nicht mehr von Sünde überführt,<br />

steht sie vor einer völlig unmöglichen Aufgabe: Gerechte<br />

zur Buße zu rufen. 31 Er verteidigt die Inspiration und<br />

Unfehlbarkeit der Bibel und setzt sich mit einem<br />

22 – ausgabe 11


Argument auseinander, das seiner Aktualität wegen kurz<br />

wiedergegeben werden soll: „Manchmal entsteht der<br />

Eindruck, dass der moderne Liberale die Autorität der<br />

Schrift durch die Autorität Jesu ersetzt. Er kann die aus<br />

seiner Sicht perversen moralischen Lehren des Alten<br />

Testaments oder die sophistischen paulinischen<br />

Argumente nicht akzeptieren, sagt er. Aber er betrachtet<br />

sich dennoch als echten Christen, denn indem er den<br />

Rest der Bibel verwirft, ist er alleine von Jesus abhängig.<br />

Dieser Eindruck aber ist vollkommen falsch.“ 32 Denn<br />

der liberale Theologe akzeptiert nur einen kleinen Teil<br />

der Jesus-Worte überhaupt als echt, und muss gerade<br />

dessen hohe Sicht der Bibel revidieren. Das, was er als<br />

Zweck des Lebens Jesu herausarbeitet, ist lediglich eine<br />

willkürliche Zusammenstellung der wenigen Schriftstellen,<br />

die mit der modernen Theologie noch in Einklang<br />

zu bringen sind. „Es ist“, schließt Machen, „darum kein<br />

Wunder, dass die liberale Theologie sich völlig vom<br />

Christentum unterscheidet, denn ihre Grundlage ist<br />

eine andere. Das Christentum ist gegründet auf der<br />

Bibel. Die liberale Theologie dagegen ist gegründet auf<br />

den wechselhaften Gefühlen sündiger Menschen.“ 33<br />

Machens Buch war kein Bestseller. 1923 wurden<br />

lediglich 1.000 Exemplare verkauft. Erst die Kritiken,<br />

insbesondere die negativen, erwiesen sich als absatzfördernd.<br />

Die beabsichtigte Wirkung aber blieb aus, wollte<br />

Machen mit seiner Darlegung doch gerade auf eine<br />

Trennung von Liberalen und Bibeltreuen hinwirken. 34<br />

Statt dessen erhielt er von Ross Stevenson, seit 1914<br />

Präsident des Princeton Theological Seminary und<br />

Vertreter moderater Positionen, einen Glückswunschbrief,<br />

in dem er bemerkte, man solle keinen Ärger<br />

dadurch hervorrufen, dass man die Liberalen aus der<br />

Kirche treibe, sondern vielmehr versuchen, sie zu<br />

gewinnen. 35 Dabei hatte Machen zu solchem Einheitsstreben<br />

doch geschrieben: „Die Einheit, die gemeint ist,<br />

ist oft eine Einheit mit der Welt gegen den Herrn, oder<br />

bestenfalls eine erzwungene, mechanische Einheit tyrannischer<br />

Ausschüsse.“ 36 Es blieb letztlich Machen selbst<br />

überlassen, diese Einheit zu beenden.<br />

»›Christus starb‹ – das ist<br />

Geschichte. ›Christus starb<br />

für unsere Sünden‹ – das ist<br />

Lehre. Ohne diese beiden<br />

Elemente, verbunden in<br />

unauflöslicher Einheit, gibt<br />

es kein Christentum.«<br />

Verlorene Kämpfe<br />

Princeton wurde seit seiner Gründung geleitet von<br />

einem Direktoren-Ausschuss, zuständig für die theologische<br />

Ausrichtung, und einem Kuratorium, das sich im<br />

Wesentlichen um organisatorische und finanzielle<br />

Fragen zu kümmern hatte. Als die Generalversammlung<br />

der Presbyterianischen Kirche unter dem Einfluss des<br />

Präsidenten des Seminars Stevenson erwog, dieses<br />

Leitungsmodell zugunsten eines einzigen Gremiums<br />

aufzugeben, war nicht nur Machen alarmiert – denn im<br />

Kuratorium gab es eine große liberale Mehrheit. 37<br />

Machen schreibt in einem privat gedruckten Aufsatz:<br />

„Die Leitung durch ein einziges Gremium ist eine sehr<br />

gefährliche Leitungsform für eine theologische Institution.<br />

Mit ziemlicher Sicherheit würden in diesem Gremium<br />

viele Menschen sitzen, die eher Geschäftsleute sind<br />

als Theologen – und in theologischen Fragen ist Unwissenheit<br />

in nahezu gleicher Weise dazu geeignet, eine<br />

Institution in die Hände der Feinde des Glaubens fallen<br />

zu lassen, wie offener Ungehorsam gegen Gottes<br />

Wort.“ 38 Trotz zahlreicher Proteste, an der sich auch die<br />

„Liga Evangelikaler Studenten“ beteiligte, als deren<br />

theologischer Berater Machen fungierte, wurde die<br />

geplante Umstrukturierung beschlossen. Machen, der<br />

vorab erklärt hatte, dass er das Seminar für „tot“ halte,<br />

wenn die konservative Mehrheit im Direktoren-<br />

Ausschuss verloren ginge, 39 zog die Konsequenzen.<br />

Nach über 22 Jahren Dienst kündigte er seine Stellung<br />

in Princeton. Es sollte nicht die einzige Stellung sein, die<br />

er verlor, denn auch die Presbyterianische Kirche selbst<br />

kam langsam aber sicher von ihrem traditionell<br />

bibeltreuen Kurs ab.<br />

Erstmals fassbar wurde dies im Mai 1924, als ein<br />

11-köpfiges Konferenz-Komitee die sogenannte<br />

„Auburn-Affirmation“ verabschiedete, die in der Folge<br />

von über 1200 Pastoren der Presbyterianischen Kirche<br />

unterschrieben wurde. Hierin wurde die Entscheidung<br />

der Generalversammlung kritisiert, die 1910, 1916 und<br />

noch einmal 1923 die Bejahung der Unfehlbarkeit der<br />

Schrift, der Jungfrauengeburt und Göttlichkeit Christi,<br />

der stellvertretenden Sühne, der körperlichen Auferstehung<br />

Jesu und der Authentizität seiner Wunder als<br />

Vorbedingung für eine Ordination festgelegt hatte. Ziel<br />

dieses von Auburn-Professor Robert Nichols maßgeblich<br />

mit verfassten Papiers war es, alle diese Glaubenslehren<br />

als für den pastoralen Dienst „nicht wesentlich“ (!)<br />

einzuordnen, um die Einheit und Freiheit der Kirche zu<br />

bewahren. Diese Erklärung erregte selbstredend heftigen<br />

Widerspruch von konservativer Seite. 40 Auch Machen<br />

selbst griff die Erklärung als „Attacke auf den christlichen<br />

Glauben“ scharf an: „Von Anfang an hat das<br />

Heidentum in dieser oder jener Form versucht, das Volk<br />

Gottes zu verschlingen. Immer war es darauf aus, den<br />

Unterschied zwischen Kirche und Welt zu verwischen.<br />

Immer hat es versucht, das Anstößige des christlichen<br />

Glaubens dadurch zu entfernen, indem es die Kirche<br />

dazu verführte, das zu werden, was die Auburn Affirmation<br />

eine „inklusivistische“ Kirche nennt.“ 41<br />

Er kritisierte dabei nicht nur die Unterzeichner<br />

selbst, sondern auch diejenigen, die ihnen um des<br />

Friedens der Kirche willen nicht entgegentraten:<br />

ausgabe 11 – 23


„Manchmal glaube ich, dass diejenigen, die Konflikte<br />

anprangern, sich nie mit der Geschichte beschäftigt,<br />

jedenfalls aber nie das Wort Gottes gelesen haben. (…)<br />

In der ganzen Kirchengeschichte hat es immer Pazifisten<br />

gegeben, die bestrebt waren, das eigentliche Problem zu<br />

verschleiern und den falschen Frieden des Kompromisses<br />

hervorzubringen.“ 42 Trotz all dieser Proteste besetzten<br />

die Unterzeichner dieser Erklärung mehr und mehr<br />

Positionen in der Presbyterianischen Kirche. Entscheidend<br />

für Machens Bruch mit seiner Kirche wurde<br />

jedoch ein weiteres Dokument, das 1933 von einer von<br />

William Hocking geleiteten Untersuchungskommission<br />

mit der Unterstützung der presbyterianischen und sechs<br />

anderer Kirchen herausgegeben wurde. Das Werk mit<br />

dem Titel „Mission neu denken“ gab den Exklusivitätsanspruch<br />

Jesu auf und plädierte für eine synkretistische<br />

Missionsarbeit, deren neue Aufgabe es war, so spottete<br />

Machen, Wahrheit zu suchen statt sie zu präsentieren. 43<br />

Er versuchte zunächst auch hier, innerkirchlich gegenzusteuern<br />

und legte seinem Presbyterium in New<br />

Brunswick einen Vier-Punkte-Plan vor, mit dem er<br />

sicherstellen wollte, dass der Ausschuss für Auslandsmission<br />

der Presbyterianischen Kirche nicht mit Kandidaten<br />

besetzt würde, die solche Positionen teilten. Das<br />

Presbyterium arrangierte eine Diskussion mit Robert<br />

Speer, bereits in der Princeton-Debatte ein Gegenspieler<br />

Machens, die für Machen zum Desaster geriet. Speer<br />

gelang es, Machen als kleinlichen Bedenkenträger<br />

darzustellen, während er selbst den Vertreter der christlichen<br />

Einheit gab. 44 Obwohl er zunächst unterlag,<br />

gelang es Machen, seinen Antrag mit Hilfe eines Freundes<br />

über das Presbyterium in Philadelphia der Generalversammlung<br />

vorzulegen – wo er schließlich abgelehnt<br />

wurde. Machen zog die Konsequenzen und organisierte<br />

zusammen mit einigen Unterstützern einen unabhängigen<br />

Ausschuss für Auslandsmission, insbesondere um<br />

sicherzustellen, dass die gespendeten Gelder auch nur<br />

solche Missionare erreichten, die tatsächlich das Evangelium<br />

predigten. Hiermit traf er die Kirche empfindlich,<br />

offenbar auch, da es um viel Geld ging.<br />

1934 erklärte die Generalversammlung diesen unabhängigen<br />

Ausschuss für kirchenverfassungswidrig,<br />

forderte seine sofortige Schließung und Maßnahmen<br />

der Kirchenzucht gegen alle daran Beteiligten. Dieser<br />

Schritt Machens führte dazu, dass auch einige konservative<br />

Kollegen mit ihm brachen, unter anderem Oswald<br />

Allis und Samuel Craig, 45 der Gründer von „Christianity<br />

Today“. In der Folge ging die Kirchenleitung gegen<br />

Machen und seine Unterstützer mit Disziplinarverfahren<br />

vor. Da sich Machen weiterhin weigerte, den<br />

Ausschuss wieder aufzugeben, wurde er im März 1935<br />

seines Amtes als Pastor enthoben. Der Einspruch<br />

Machens gegen diese Entscheidung wurde von der<br />

Generalversammlung 1936 endgültig verworfen.<br />

Machen selbst erklärt seine Beweggründe dafür, warum<br />

er der Anordnung der Generalversammlung nicht Folge<br />

leisten kann: „Gehorsam gegenüber dieser Anweisung<br />

bedeutet Unterstützung für einen Kurs, der gegen das<br />

Evangelium Christi gerichtet ist. Ihr zu folgen beinhaltet,<br />

die Autorität des Wortes Gottes durch menschliche<br />

Autorität zu ersetzen.“ 46<br />

»Das Christentum ist<br />

gegründet auf der Bibel.<br />

Die liberale Theologie<br />

dagegen ist gegründet auf<br />

den wechselhaften Gefühlen<br />

sündiger Menschen.«<br />

Neue Aufbrüche<br />

Bereits 1929 gründete Machen das Westminster Theological<br />

Seminary. Ihm folgten nicht nur Robert Wilson<br />

und Oswald Allis, die Altes Testament unterrichteten,<br />

sondern auch Cornelius van Til, der den Lehrstuhl für<br />

Apologetik besetzte und 1930 John Murray als Professor<br />

für Systematische Theologie. Auch Ned Stonehouse,<br />

Machens späterer Biograph, stieß aus Amsterdam hinzu,<br />

wo er gerade seine Promotion abgeschlossen hatte. 47<br />

Westminster nahm die Arbeit auf und zählte bereits früh<br />

einflussreiche Männer zu seinen Absolventen, etwa<br />

Oliver Buswell, später Präsident in Wheaton, John<br />

Ockenga, später Präsident des Fuller Seminary, Carl<br />

McIntire, den Gründer des „International Council of<br />

Christian Churches“ und den insbesondere in Europa<br />

bekannt gewordenen Francis A. Schaeffer. 48<br />

1935, kurz nach seiner Amtsenthebung als Pastor,<br />

begannen die Planungen für die Gründung einer neuen<br />

Denomination. Am 11. Juni 1936 leitete Machen die<br />

erste Generalversammlung der Presbyterianischen<br />

Kirche Amerikas, die 1939 aufgrund einer Klage in<br />

„Orthodoxe Presbyterianische Kirche“ umbenannt<br />

werden musste. Im Rückblick berichtet Machen: „Wir<br />

wurden endlich Mitglieder einer wahren Presbyterianischen<br />

Kirche. Wir hatten endlich wieder wahre christliche<br />

Gemeinschaft gefunden. Was für ein herrlicher<br />

Moment war das! Die langen Jahre des Kampfes spielten<br />

keine Rolle mehr verglichen mit der Freude und dem<br />

Frieden, der unsere Herzen füllte.“ Ein Mitstreiter<br />

Machens verteidigt die Gründung der Bibeltreuen<br />

Kirche: „Die Presbyterianische Kirche hat es Menschen,<br />

die Kernlehren des christlichen Glaubens ablehnen,<br />

gestattet, innerhalb der Kirche zu bleiben. Sie hat diese<br />

Menschen in Ehren-, Macht- und Vertrauensstellungen<br />

befördert. Sie hat Pastoren akzeptiert und ordiniert, die<br />

das Christentum ablehnen. (…) Die Kirche hat sich<br />

geweigert, falsche Lehren zu verwerfen. Stattdessen hat<br />

sie die Wahrheit verworfen.“ 49<br />

Am 1. Januar 1937 forderten die ständigen Kämpfe<br />

ihren Tribut. Während eines Aufenthaltes in North<br />

Dakota starb Machen an einer Lungenentzündung.<br />

24 – ausgabe 11


Machens Vermächtnis<br />

Nichols findet in seiner Biographie viele Ähnlichkeiten<br />

Machens mit Martin Luther, wenn er schreibt: „Beide<br />

waren nicht willkommen in den Kirchen, die sie<br />

ordiniert hatten, die sie liebten und für die sie lebten.<br />

Und beide waren unerwünscht aus demselben Grund:<br />

Sie hinterfragten den Trend zur Abkehr von theologischen<br />

Eckpfeilern und biblischen Grundlagen. Beide<br />

standen sie unter Häresie-Anklage (auch wenn Machens<br />

Leben nie in Gefahr war), und beide haben letztlich<br />

neue Glaubensgemeinschaften gegründet. Beide hinterließen<br />

ein Erbe biblischer und theologischer Gelehrsamkeit,<br />

und beide dienen als Vorbild für diejenigen, die<br />

den Wunsch hegen, den Glauben zu verteidigen.“ 50<br />

Selbst wenn dieser Vergleich etwas hoch gegriffen sein<br />

mag, so ist die Beharrlichkeit, mit der Machen für die<br />

orthodoxe christliche Lehre eintrat, sicher bewundernswert.<br />

Auch einige seiner Gegenspieler haben dies<br />

anerkannt. Pearl Buck, eine presbyterianische China-<br />

Missionarin, die öffentlich die Gottheit Christi ablehnte<br />

und von ihm nur als der „Verkörperung des größten<br />

Menschheitstraumes“ sprach, 51 erkannte an: „Er stand<br />

für etwas, und jeder wusste, was das war.“ 52 Und der<br />

kirchenkritische Journalist Henry Mencken kommentierte<br />

in seinem Nachruf „Dr. Fundamentalis“: „Es ist<br />

das eine, Religion abzulehnen, eine völlig andere Sache<br />

aber, sie dadurch zu retten zu versuchen, indem man sie<br />

ihrer gesamten Substanz beraubt. (…) Machen ist<br />

gescheitert – aber er hatte unzweifelhaft Recht.“ 53<br />

Neben Machens Verteidigung der Rechtgläubigkeit<br />

ist sein Insistieren auf klaren Definitionen und vernünftigen<br />

Aussagen gerade auch in Glaubensdingen in der<br />

Postmoderne nicht überholt, sondern mindestens<br />

ebenso aktuell wie in den zwanziger Jahren des letzten<br />

Jahrhunderts. Und auch folgender Satz gehört zu dem<br />

Vermächtnis eines Mannes, dessen Leben geprägt war<br />

von Kontroversen: „In sehr vielen Fällen haben<br />

Menschen, die jedem Konflikt ausweichen, die großen<br />

Wahrheiten des Glaubens entweder schon verloren oder<br />

sind im Begriff, dies zu tun.“ 54<br />

Zum Weiterlesen:<br />

Hervorragend als Einstieg in Leben und Werk geeignet<br />

ist Stephen J. Nichols „J. Gresham Machen – A Guided<br />

Tour of his Life and Thought“, Philippsburg 2004. Das<br />

umfangreichere Standardwerk über Machen ist die von<br />

seinem ehemaligen Schüler und späteren Dozenten in<br />

Westminster Ned Stonehouse verfasste Biographie „J.<br />

Gresham Machen: A Biographical Memoir“, Edinburgh<br />

1987. Machens Auseinandersetzungen mit der Bibelkritik<br />

fasst Terry Chrisope in seinem Buch „Toward a sure<br />

faith“, Rossshire 2000, zusammen. Die gesamte<br />

Modernismus-Debatte wird aufgearbeitet von D.G.<br />

Hart, „Defending the Faith: J. Gresham Machen and<br />

the Crisis of Conservative Protestantism in Modern<br />

America“, Grand Rapids 1995. Von Machen selbst ist<br />

der Klassiker „Christianity and Liberalism“ unbedingt<br />

empfehlenswert (erscheint 2013 auf Deutsch). Umfangreicher<br />

ist der Nachfolger „What is faith?“ sowie seine<br />

Werke „The virgin birth of Christ“ und „The Origin auf<br />

Paul’s Religion“. Wer einen Überblick über das gesamte<br />

Schaffen benötigt, dem kann „J. Gresham Machen:<br />

Selected Shorter Writings“, herausgegeben von D.G.<br />

Hart, empfohlen werden. <br />

Dieser Artikel ist ursprünglich unter dem Titel „Geprägt<br />

von Kontroversen. Leben und Werk von John Gresham<br />

Machen“ in der Zeitschrift „Bibel und Gemeinde“<br />

(04/2012) erschienen.<br />

»In sehr vielen Fällen haben<br />

Menschen, die jedem<br />

Konflikt ausweichen, die<br />

großen Wahrheiten des<br />

Glaubens entweder schon<br />

verloren oder sind im<br />

Begriff, dies zu tun.«<br />

ausgabe 11 – 25


JOHANN GERHARD ONCKEN<br />

Der deutsche Missionar und Gemeindegründer<br />

Johann Gerhard Oncken (1800-1884)<br />

gilt als Vater des kontinentaleuropäischen Baptismus.<br />

Im Laufe seines Lebens gründete der „Apostel Deutschlands“,<br />

wie Charles Haddon Spurgeon ihn zu nennen pflegte, hunderte<br />

Gemeinden in zahlreichen Ländern Europas.<br />

Text<br />

Peter Schild


»Es gibt keine großen<br />

Männer Gottes. Es gibt nur<br />

erbärmliche, schwache und<br />

sündige Männer eines<br />

großen und barmherzigen<br />

Gottes.«<br />

Gott teilt seine Ehre mit niemand anderem (Jes. 42,8).<br />

Gedenken wir darum an Glaubenshelden, wie Johann<br />

Gerhard Oncken, so tun wir dies nicht, um Menschen<br />

zu rühmen, sondern um Gott allein die Ehre zu geben.<br />

Der Baptistenprediger Paul Washer bringt es auf den<br />

Punkt: „Es gibt keine großen Männer Gottes. Es gibt<br />

nur erbärmliche, schwache und sündige Männer eines<br />

großen und barmherzigen Gottes.“<br />

Vor einigen Monaten besuchte ich die Ruhestätte<br />

des umstrittenen Methodistenpredigers John Wesley in<br />

London. Was immer man von Wesley auch halten mag,<br />

sein Grab ziert ein wichtiger Ausspruch, den es zu verinnerlichen<br />

gilt, sooft wir die Biographien von Männern<br />

und Frauen Gottes studieren: „Fühlst du dich gedrängt,<br />

das Instrument zu preisen, so gib Gott die Ehre.“<br />

Wer rühmt schon bei einem klassischen Konzert die<br />

Geige? Man rühmt den Geiger. So wollen auch wir<br />

allein Gott die Ehre und den Dank geben, wenn wir<br />

lauschen, was Gott zu seinem eigenen Lobpreis auf<br />

seinem Instrument Oncken spielte.<br />

Das Törichte der Welt hat Gott erwählt<br />

Es ist nicht entscheidend, wo wir herkommen. Entscheidend<br />

ist vielmehr, was Gott mit uns vorhat. Oncken<br />

wurde am 26. Januar 1800 als uneheliches Kind von<br />

einer alleinerziehenden Mutter in Varel an der Nordsee<br />

geboren. Ein schottischer Kaufmann erbarmte sich über<br />

den ärmlichen und perspektivlosen Vierzehnjährigen<br />

und nahm ihn in seine Lehre.<br />

In Schottland erlebte Oncken zum ersten Mal, was<br />

wahre Gottesfurcht bedeutet. Er besuchte regelmäßig<br />

den Gottesdienst der Reformierten Kirche und begann,<br />

geistliche Literatur zu lesen. Im Jahre 1820 nahm<br />

Oncken an einem privaten Familiengottesdienst in<br />

England teil. Völlig überrascht und zutiefst bewegt<br />

wurde er hier von dem Gebet des knienden Familienvaters,<br />

der für Onckens Bekehrung flehte. Auch eine<br />

Predigt, die er in London hörte, traf ihn mitten ins<br />

Herz, so dass Oncken schließlich durch Gottes Gnade<br />

zur rettenden Erkenntnis von Christus als seinem<br />

Erlöser durchdrang.<br />

Gerettetsein gibt Rettersinn<br />

In London geschah, was das Leben hunderttausender<br />

Menschen verändern sollte: In Oncken entbrannte die<br />

unauslöschliche Leidenschaft für die Verlorenen. In<br />

großer Freude über Christus, seinen Retter, begann<br />

Oncken, das Evangelium vor den Menschen zu bezeugen.<br />

Sein Taschengeld, welches er für seine täglichen<br />

Mahlzeiten erhielt, gab er nun fast ausschließlich für<br />

Traktate aus. Oncken ging von Haus zu Haus, verbreitete<br />

Bibeln und ließ keine Gelegenheit ungenutzt, um<br />

Christus bekannt zu machen.<br />

Nach einiger Zeit des erwartungsvollen Betens<br />

schenkte Gott, dass die ersten Menschen zum rettenden<br />

Glauben kamen. In dem Vertrauen auch weiterhin von<br />

Gott gebraucht zu werden, entschloss sich Oncken<br />

1823, den Kaufmann zu verlassen und von nun an allein<br />

für das Reich Gottes zu arbeiten. Oncken schloss sich<br />

der Evangelisch-Reformierten Gemeinde in Hamburg<br />

an und verkündigte die frohe Botschaft in privaten<br />

Versammlungen. Es gefiel Gott, die Predigt seines<br />

Wortes zu gebrauchen: Menschenmassen strömten<br />

herbei und zahlreiche Sünder taten unter Tränen Buße.<br />

Im Jahre 1828 gründete Oncken eine christliche<br />

Buchhandlung und heiratete die Engländerin Sarah<br />

Mann. Schon bald darauf wurde Oncken Vater und<br />

entschloss sich, entgegen der damals allgemeinen Praxis,<br />

seinen Nachwuchs nicht mit Wasser besprengen zu<br />

lassen.<br />

Durch das Studium der Heiligen Schrift gelangte<br />

Oncken zu der Überzeugung, dass allein Gläubige - und<br />

zwar durch vollständiges Untertauchen im Wasser -<br />

getauft werden sollten. Oncken sehnte sich auch selbst<br />

danach, die Gläubigentaufe durch Untertauchen zu<br />

empfangen.<br />

Er wartete geduldig, bis eines Tages der baptistische<br />

Theologieprofessor Dr. Barnas Sears nach Deutschland<br />

reiste. Im Jahre 1834 taufte Prof. Sears Oncken, dessen<br />

Frau und fünf weitere Gläubige im Auftrag der Bostoner<br />

Baptistengemeinde und setze Oncken als Ältesten ein.<br />

Dies war die Geburtsstunde der ersten Baptistengemeinde<br />

Deutschlands.<br />

ausgabe 11 – 27


Im Feuer der Verfolgung<br />

Der Herr segnete Onckens Missionsarbeit, so dass<br />

immer mehr Menschen gläubig wurden und sich taufen<br />

ließen. Diese Entwicklung blieb auch vor den Augen der<br />

Hamburger Polizei nicht verborgen, welche dem jungen<br />

Baptisten kurzerhand ein Versammlungsverbot erteilte.<br />

Auch das von Oncken im Jahre 1837 schriftlich eingereichte<br />

Glaubensbekenntnis konnte die Ordnungshüter<br />

nicht überzeugen, die Baptisten zu dulden. 1 Fand<br />

dieses Bekenntnis auch keine Anerkennung vonseiten<br />

der Hansestadt, so ist es doch das bedeutendste Dokument,<br />

welches uns die Glaubensansichten der ersten<br />

Baptisten Deutschlands bezeugt. Die Artikel des<br />

Bekenntnisses belegen u.a., dass Oncken und die frühen<br />

Baptisten die biblischen Gnadenlehren (alias „Fünf<br />

Punkte des Calvinismus“) glaubten und lehrten. Ist es<br />

auch aus dem Gedächtnis vieler heutiger Baptisten<br />

gelöscht oder verdrängt, so steht dennoch ohne Zweifel<br />

fest, dass Oncken, genauso wie sein Freund Spurgeon,<br />

überzeugter Calvinist war. 2<br />

Ungeachtet der staatlichen Androhungen predigte<br />

und taufte Oncken unerschrocken weiter. Die<br />

Versammlungen wurden nun polizeilich aufgelöst und<br />

Oncken wurde immer wieder auf das Polizeirevier<br />

gerufen und verhört. Aber nicht nur die Polizei, sondern<br />

auch einige Bürger störten die Gottesdienste und warfen<br />

Steine und Unrat auf die Gemeindemitglieder. Es dauerte<br />

nicht lange, bis man Oncken festnahm und für einen<br />

Monat im Stadtgefängnis festhielt. Das Tagebuch<br />

Onckens teilt uns mit, wie es ihm dabei erging: „Nachdem<br />

der Gefängniswärter sich entfernt hatte, warf ich<br />

mich auf meine Knie, preisend und lobend meinen<br />

Heiland, der mich würdigte, um seines Namens willen<br />

Bande zu erleiden. Ich fühle mich wohl und selig,<br />

empfahl meine teure Gemeinde dem Herrn und flehte<br />

für die Bekehrung meiner Verfolger.“ 3<br />

In Gefangenschaft studierte Oncken die Bibel,<br />

betete, sang und evangelisierte seine Mitgefangenen.<br />

Auch die Gemeinde flehte innig, dass der Herr ihnen<br />

Recht verschaffen möge. Der Herr antwortete auf die<br />

Gebete seiner Gemeinde in unerwarteter Weise: Gott<br />

sandte Feuer. Vom 5. bis 8. Mai 1842 brannte ein<br />

Drittel der Stadt Hamburg nieder. 20 000 Menschen<br />

wurden obdachlos. Wie reagierten Oncken und die<br />

junge Gemeinde auf diese Katastrophe?<br />

Oncken machte sich auf und stellte seinen Verfolgern<br />

das Versammlungshaus der Baptistengemeinde zur<br />

Verfügung, um obdachlose Menschen zu beherbergen,<br />

zu pflegen und mit Speise zu versorgen. Die junge<br />

Gemeinde nahm rund 80 Bürger für etwa acht Monate<br />

auf und selbst Oncken war sich nicht zu schade, um für<br />

die Gäste zu kochen.<br />

Diese barmherzige Fürsorge der Baptisten änderte<br />

die Sicht des Polizeichefs. Unmöglich konnte der Senat,<br />

der das baptistische Versammlungshaus als Zufluchtsstätte<br />

für Obdachlose genehmigt hatte, einen Gottesdienst<br />

in demselben Gebäude verbieten. Die Verfolgung<br />

endete schon bald.<br />

Die Katastrophe brachte neben allem Unglück noch<br />

einen weiteren Segen mit sich: Unzählige Handwerker<br />

strömten aus ganz Europa herbei, um die Hansestadt<br />

wieder aufzubauen. Die Gemeinde nutzte die Gunst der<br />

Stunde und brachte den Gastarbeitern das Evangelium<br />

und sandte diese dann ausgestattet mit Literatur als<br />

Handwerker-Missionare zurück in ihre Heimat. Überall<br />

in Europa wurden nun, trotz zum Teil heftiger Verfolgung,<br />

Baptistengemeinden gegründet.<br />

Unterwegs im Auftrag des Herrn<br />

Oncken wirkte nicht allein in Hamburg, sondern reiste<br />

auch umher, um an vielen Orten Deutschlands und<br />

Europas zu taufen und Gemeinden zu gründen. Seine<br />

längste Zeit im Ausland verbrachte Oncken in Amerika<br />

(1853 bis 1854), wo er die deutsche Missionsarbeit<br />

bekannt machte. Auf einer Zugfahrt von New York nach<br />

Boston wurde Oncken in einen gefährlichen Unfall<br />

verwickelt.<br />

Sein Zug stürzte infolge einer offenen Zugbrücke in<br />

den Fluss und zerschmetterte. Viele Menschen starben,<br />

doch Oncken überlebte und trug dank der Bewahrung<br />

Gottes keine ernsten Schäden davon. Es ist wahr, was<br />

der Erweckungsprediger George Whitefield zu sagen<br />

pflegte: „Wir sind unsterblich, bis unsere Arbeit getan<br />

ist.“<br />

Onckens Arbeit war die Mission. Und um diese<br />

Arbeit zu finanzieren, reiste Oncken 1856 auch nach<br />

England, um den damals 22-jährigen Charles Haddon<br />

Spurgeon zu treffen. Hoch erfreut über Onckens Arbeit<br />

veranlasste Spurgeon einen Missionsgottesdienst, in<br />

dem Oncken predigen durfte. Spurgeons Gemeinde<br />

begann nun, die Arbeit in Deutschland durch Gebet<br />

und finanzielle Hilfe zu unterstützen.<br />

Etwa zehn Jahre später besuchte Spurgeon seinen<br />

Freund Oncken, um im Rahmen der Einweihungsfeier<br />

des neuen Gemeindehauses in Hamburg zu predigen.<br />

Spurgeon, der Oncken in einem persönlichen Brief<br />

einmal den unbeweglichen Polarstern nannte, um den<br />

die Missionare Europas kreisen, beschrieb Oncken und<br />

seine Arbeit auch mit folgenden Worten:<br />

„Wir sahen den Raum, in dem die erste Baptistengemeinde<br />

gegründet wurde ... Noch interessanter jedoch<br />

war der geweihte Ort auf dem Wall, von dem aus man<br />

die ganze Stadt sehen kann. Es war die Angewohnheit<br />

des jungen Apostels [Oncken] hier in einsamer Abgeschiedenheit,<br />

in den frühen Morgenstunden, zu Gott<br />

für die Menschen zu flehen. Wir verstanden das<br />

Geheimnis von Herrn Onckens Erfolg, als wir die<br />

Quelle seiner Kraft erkannten: Das geheime Ringen mit<br />

dem Engel des Bundes. Die Stadt Hamburg wusste nur<br />

wenig davon, dass ein Mann von den Wällen auf sie<br />

herabblickte und mit vielen Tränen die Gnade Gottes<br />

auf die tausenden Gottlosen herabrief (…) Kein noch so<br />

starker Schmerz kann uns den höchsten Genuss vergessen<br />

lassen, den wir in der Gemeinschaft mit unseren<br />

deutschen Freunden erlebt haben. Gott hat ein großes<br />

Werk in diesem Land getan und hat für Deutschland<br />

noch viele weitere Werke auf Lager. Jeder Christ in<br />

England, vor allem jeder Baptist, sollte diese Arbeit bis<br />

zum Äußersten unterstützen. (...) Wir preisen Gott bei<br />

jeder Erinnerung an unseren verehrten Bruder Oncken<br />

und beten, dass ein langes Leben und wachsender Erfolg<br />

mit ihm seien." 4<br />

28 – ausgabe 11


Leid und Streit<br />

Oncken war bereit, für die Sache des Herrn zu leiden, ja<br />

sogar sein Leben zu opfern. Im Alter von 70 Jahren<br />

unternahm er die gefährlichste und beschwerlichste<br />

Reise seines Lebens. Er erduldete Hunger, Schlaflosigkeit<br />

und viel Mühe, um auch in Südrussland, in der<br />

Türkei, Rumänien und Ungarn Gemeinden zu gründen<br />

und zu stärken. Aber auch Onckens Privatleben war<br />

vom Leid gezeichnet. Im Laufe der Jahre starben drei<br />

seiner Kinder sowie seine erste und seine zweite Ehefrau.<br />

Dank Gottes Bewahrung blieb Oncken dem Herrn auch<br />

angesichts dieser schmerzlichen Erfahrungen treu, doch<br />

bereitete Oncken sich auch unnötigen Kummer. Der<br />

Heilige Geist deckt in der Bibel schonungslos die<br />

Sünden der größten Glaubenshelden auf, um uns<br />

deutlich zu machen: Gott allein ist vollkommen, und<br />

darum gebührt auch ihm allein alle Ehre. Auch Oncken<br />

war keineswegs perfekt. Im Jahre 1871 geriet Oncken in<br />

einen Streit (der sog. „Hamburger Streit“) mit seinen<br />

engsten Vertrauten. Oncken wollte nicht zulassen, dass<br />

sich die Tochtergemeinden von der Hamburger Muttergemeinde<br />

abnabeln und selbstständig werden. Zu groß<br />

war die Befürchtung Onckens, die Unabhängigkeit der<br />

Ortsgemeinden könne dem Werk des Herrn schaden.<br />

Erst gegen Ende seines Lebens versöhnte sich Oncken<br />

mit den Brüdern.<br />

Und gefällt es dem Herrn, uns zu gebrauchen, so<br />

mögen wir nie vergessen, dass Gott das Törichte der<br />

Welt erwählt hat, auf dass sich kein Mensch rühme:<br />

„Es gibt keine großen Männer Gottes. Es gibt nur<br />

erbärmliche, schwache und sündige Männer eines<br />

großen und barmherzigen Gottes.“ <br />

»Oncken war bereit, für die<br />

Sache des Herrn zu leiden, ja<br />

sogar sein Leben zu opfern.<br />

Im Alter von 70 Jahren<br />

unternahm er die gefährlichste<br />

und beschwerlichste<br />

Reise seines Lebens.«<br />

Am Ziel<br />

Oncken heiratete im Jahre 1874 noch ein drittes Mal.<br />

Seine letzte Ehefrau war ein Mitglied von Spurgeons<br />

Gemeinde und pflegte Oncken bis zum Schluss in<br />

aufopferungsvoller Treue. Oncken verstarb am 2. Januar<br />

1884 in Zürich und wurde auf dem reformierten Friedhof<br />

in Hamburg beigesetzt.<br />

In einer Traueransprache hieß es über Oncken: „Er<br />

hat viel gethan und viel erreicht. Seine Eroberungen<br />

sind nicht mit Stahl und Eisen gemacht worden,<br />

sondern durch sein packendes, zündendes Wort, durch<br />

das Schwert des Geistes, das er allezeit zu ziehen bereit<br />

war. Wir wollen ihm keine ehernen und steinernen<br />

Monumente errichten, aber in jeder Gemeinde und in<br />

jedem Gliede sehen wir lebendige Denkmäler für den<br />

teuern Entschlafenen.“ 5<br />

Bis zu Onckens Tod waren aus den sieben Mitgliedern<br />

der ersten Baptistengemeinde hunderttausende<br />

Baptisten geworden, die sich europaweit und darüber<br />

hinaus in Gemeinden versammelten.<br />

Zur Nachahmung empfohlen<br />

Wir alle lieben es, die spannenden Geschichten von<br />

Männern und Frauen Gottes zu lesen, doch nur wenige<br />

von uns wollen auch so leben wie sie. Möge Gott uns die<br />

Gnade schenken, dass auch wir unser Leben ganz für das<br />

Werk des Herrn einsetzen, das Evangelium mutig und<br />

unermüdlich bekennen, die Heilige Schrift studieren<br />

und keine Konsequenzen scheuen, das Erkannte auch<br />

umzusetzen. Möge der Herr uns dazu bringen, ein<br />

ernsteres und intensiveres Gebetsleben zu führen und<br />

uns auch die Bereitschaft verleihen, für Christus zu<br />

leiden. Möge der Herr all dies schenken, nicht um<br />

unseretwillen, sondern um seiner Ehre willen.<br />

ausgabe 11 – 29


Impressum<br />

# 1 1 V O R B I L D E R • 0 2 / 2 0 1 3<br />

H E R A U S G E B E R<br />

Die Redaktion<br />

R E D A K T I O N<br />

Waldemar Dirksen<br />

Viktor Sudermann<br />

Andreas Kuhlmann<br />

Peter Voth<br />

Hans-Werner Deppe<br />

Hans-Jürgen Holzmann<br />

A R T D I R E C T O R<br />

Peter Voth<br />

L E K T O R A T<br />

Tanja Mirau<br />

A B O - S E R V I C E<br />

Michael Töws<br />

S H O P<br />

cbuch.de/timotheus<br />

I N T E R N E T<br />

timotheusmagazin.de<br />

cbuch.de/timotheus<br />

betanien.de<br />

K O N T A K T<br />

timotheusmag@yahoo.de<br />

mtoews@betanien.de<br />

V E R T R I E B & V E R L A G<br />

Betanien Verlag<br />

W E I T E R E I N F O S<br />

web · cbuch.de<br />

email · info@betanien.de<br />

tel · 05237-899090<br />

E R S C H E I N U N G S W E I S E<br />

<strong>Timotheus</strong> ist ein Quartalsmagazin und<br />

erscheint somit alle drei Monate:<br />

· Januar (Winterausgabe)<br />

· April (Frühlingsausgabe)<br />

· Juli (Sommerausgabe)<br />

· Oktober (Herbstausgabe)<br />

A L L G E M E I N E R H I N W E I S<br />

Die Erstausgabe „#1 Nachfolge“ ist am 1.<br />

Oktober 2010 erschienen. Seit der<br />

Winterausgabe 2011 „#2 Glaube“ wird das<br />

„<strong>Timotheus</strong> <strong>Magazin</strong>“ vom Betanien Verlag<br />

herausgegeben, gedruckt und vertrieben<br />

(€ 2,90 pro Ausgabe; zzgl. Versandkosten).<br />

Das „<strong>Timotheus</strong> <strong>Magazin</strong>“ ist kein Verein,<br />

sondern ein freies Produkt der Initiatoren.<br />

© der Artikel bei den jeweiligen Autoren.<br />

Vervielfältigung nur mit Quellenangabe.<br />

© der Bilder und Fotos bei den jeweiligen<br />

Rechteinhabern (siehe Bildnachweis).<br />

B I L D N A C H W E I S<br />

S. 1,6,8,14,20,26,32,36 © Illustration Peter<br />

Voth. S. 11 © Wikimedia Commons und<br />

andere lizenzfreie Quellen.<br />

V E R W E N D E T E<br />

S C H R I F T A R T E N<br />

Adobe Garamond Pro © by Adobe Systems<br />

Incorporated<br />

Edmond Sans © by James T. Edmondson<br />

Mission Gothic © by James T. Edmondson<br />

Lost Type (www.losttype.com)<br />

M I S S I O N S T A T E M E N T<br />

<strong>Timotheus</strong> ist ein bibeltreues, reformatorisches<br />

und überkonfessionelles <strong>Magazin</strong>,<br />

herausgegeben von freikirchlichen<br />

evangelischen Christen. Das Ziel ist die<br />

verständliche, biblisch fundierte, interessante<br />

und herausfordernde Vermittlung biblischer<br />

Lehre.<br />

"Bibeltreu" bedeutet für die Herausgeber,<br />

dass sie von der absoluten Zuverlässigkeit der<br />

Bibel als inspiriertes und irrtumsloses Wort<br />

Gottes überzeugt sind. Die theologische<br />

Ausrichtung lässt sich daher am besten mit<br />

den 5 Soli der Reformation beschreiben:<br />

Allein Christus, allein die Gnade, allein der<br />

Glaube, allein die Schrift, allein Gott die<br />

Ehre.<br />

Q U E L L E N<br />

Susannah Spurgeon (S. 8-13)<br />

1 Alle Seitenangaben in diesem Artikel beziehen sich auf<br />

die Kurzbiografie von Charles Ray, Susannah Spurgeon<br />

– die Frau an der Seite des Predigerfürsten.<br />

Oerlinghausen: Betanien Verlag 2009.<br />

John Bunyan (S. 14-17)<br />

1 John Bunyan, Überreiche Gnade, 3L Verlag, 2011, S. 9<br />

2 ebd., Überreiche Gnade, S. 23<br />

3 ebd., Überreiche Gnade, S. 46<br />

4 ebd., Überreiche Gnade, S. 69<br />

5 John Brown, John Bunyan - His Life Times and Work,<br />

Boston, Houghton Mifflin and Company, 1888 S. 111<br />

6 John Bunyan, Überreiche Gnade, 3L Verlag,2011, S.84<br />

7 ebd., Überreiche Gnade, S. 91<br />

8 John Bunyan - His Life Times and Work, S. 240<br />

9 John Bunyan, Überreiche Gnade, 3L Verlag,2011, S.93<br />

10 ebd., Überreiche Gnade, S. 95<br />

11 John Piper, Standhaft im Leiden, Bielefeld, CLV, 2006,<br />

S. 86<br />

12 ebd., Standhaft im Leiden, S. 87<br />

13 ebd., Standhaft im Leiden, S. 79<br />

14 ebd., Standhaft im Leiden, S. 83<br />

John Gresham Machen (S. 20-25)<br />

1 Wallace, in: RGG4/5, Sp. 638.<br />

2 Stephen J. Nichols, “J. Gresham Machen - A guided<br />

tour of his life and thought“, Phillipsburg 2004, S. 14.<br />

3 Zeit seines Lebens war Machen aufgrund größerer<br />

Erbschaften finanziell unabhängig, vgl. Ned. B.<br />

Stonehouse, „J. Gresham Machen – A Biographical<br />

Memoir“, Edinburgh 1987, S. 393.<br />

4 Seine Biographen deuten eine etwas schwierige<br />

Persönlichkeit an, vgl. etwa George Marsden,<br />

“Understanding J. Gresham Machen“, in:<br />

Understanding Fundamentalism and Evangelicalism,<br />

Grand Rapids 1991, S. 186 u. 200; Nichols, S. 14;<br />

Stonehouse, S. 389; Chrisope, S. 67.<br />

5 Nichols, S. 28 (Übersetzung hier und im Folgenden<br />

5 durch den Autor).<br />

6 Machen schreibt in einem Brief an seinen Vater vom<br />

26.01.1926: „Ohne die Dinge, die ich von dir und<br />

Mutter gelernt habe, hätte ich jeden Gedanken an<br />

Religion aufgegeben“, Stonehouse, S. 116. In seinem<br />

autobiographischen Aufsatz „Christianity in Conflict“<br />

erklärt er, die Ursache für sein Beharren auf dem<br />

biblischen Christentum sei deutlich mehr als an jedem<br />

anderen Ort in seinem Elternhaus zu finden, in: D. G.<br />

Hart, “J. Gresham Machen: Selected Shorter Writings”,<br />

Phillipsburg 2004, S. 548.<br />

7 Auch „der Löwe von Princeton“ genannt, bekannt etwa<br />

durch seine Auseinandersetzung mit der charismati<br />

schen Bewegung („Counterfeit Miracles“) und seine<br />

Verteidigung der Inspiration („The Inspiration and<br />

Authority of the Bible“).<br />

8 Nichols, S. 31.<br />

9 Nichols, S. 32.<br />

10 Machen selbst bezeichnet sie als „Zeit des Kampfes und<br />

der Seelenangst. Ich lebte in einer Umwelt, in der die<br />

christliche Religion, wie ich sie kannte und liebte, vor<br />

langer Zeit aufgegeben worden war“, Christianity and<br />

Culture, in: Selected Shorter Writings, S. 560.<br />

11 Wilhelm Herrmann, 1846-1922, war ein Schüler<br />

Ritschls und einer der einflussreichsten liberalen<br />

Theologen seiner Zeit. Das Beharren auf biblischen<br />

Glaubensinhalten galt ihm als „katholisierende<br />

Lehrgesetzlichkeit“, Weinhardt, in: RGG4/3, Sp. 1687.<br />

Zu seinen bekanntesten Schülern gehörten Barth und<br />

Bultmann.<br />

12 Stonehouse, S. 106: „Herrmanns theologisch liberale<br />

Einstellungen wirkten beeindruckend attraktiv und<br />

herzlich. Dies lag weniger an der Plausibilität seiner<br />

Argumente als an der beinahe magnetischen,<br />

überwältigenden Anziehungskraft seines glühenden<br />

religiösen Lebens“, S. 105. Machen selbst schrieb über<br />

Herrmann an seine Mutter: „Er mag zwar unlogisch<br />

und einseitig sein, aber ich sage dir, er ist lebendig“,<br />

zitiert bei Chrisope, S. 79.<br />

13 Terry Chrisope bezeichnet Machen zu Recht als einen<br />

Mann von „großer intellektueller Ehrlichkeit“, „Toward<br />

a sure faith“, Rossshire 2000, S. 18: „Er hätte einer<br />

Behauptung nicht geglaubt, von der er der<br />

Überzeugung war, dass sie nicht auch historisch wahr<br />

sei“.<br />

14 Zusammenfassung und Analyse bei Chrisope, S. 155ff.<br />

15 Reuben Archer Torrey, der Theologie in Yale studierte,<br />

war zunächst Anhänger der liberalen, bibelkritischen<br />

Theologie, bevor er sich auf für die Orthodoxie<br />

entschied und Zeit seines Lebens verteidigte.<br />

16 Stonehouse bemerkt, Machen habe sich nie selbst als<br />

„Fundamentalist“ bezeichnet, S. 337. Offenbar gefiel<br />

Machen der Begriff nicht. So schreibt er, er verstehe<br />

nicht, weshalb die christliche Religion auf einmal zu<br />

einem „-ism“ werden müsse (Christianity in Conflict,<br />

in: Selected Shorter Writings, S. 566); vgl. zum Thema<br />

auch Machens Aufsatz „What Fundamentalism stands<br />

for now“, in: Selected Shorter Writings, S. 116-122.<br />

17 Machen war grundsätzlich sehr kriegskritisch<br />

eingestellt, obwohl Präsident Woodrow Wilson ein alter<br />

Freund der Familie und bis 1910 Rektor in Princeton<br />

war, vgl. Nichols, S. 13; 31.<br />

18 Nichols, S. 43.<br />

19 J. Gresham Machen, „The Origin of Paul’s Religion“,<br />

New Edition, Birmingham 2006, S. 3.<br />

20 Machen, The Origin of Paul’s Religion, S. 4.<br />

21 Nichols, S. 45 und 49.<br />

30 – ausgabe 11


Quellen<br />

# 1 1 V O R B I L D E R • 0 2 / 2 0 1 3<br />

John Gresham Machen (S. 20-25)<br />

22 „Christianity and Liberalism“, Michigan 1923;<br />

thematisiert wird nicht der politische, sondern der<br />

theologische Liberalismus, dessen zentrale These im<br />

Ablehnen alles Übernatürlichen bestand. Das Buch<br />

basiert auf einem zuvor in der „Princeton Theological<br />

Review“, Vol. XX, 1922, erschienenen Aufsatz<br />

„Liberalsim or Christianity“. Machen widmete das<br />

Buch seiner Mutter.<br />

23 Nichols, S. 50; Fosdick selbst bezeichnete die Predigt in<br />

seiner Autobiographie als Misserfolg.<br />

24 Bezüglich der Jungfrauengeburt heißt das etwa: “An<br />

eine Jungfrauengeburt als Erklärung für eine<br />

außergewöhnliche Persönlichkeit zu glauben ist eine der<br />

geläufigen Wege, mit dem die antike Welt<br />

ungewöhnliche Überlegenheit betrachtet hat“.<br />

25 Harry Emerson Fosdick, „Shall the Fundamentalists<br />

Win?“, in: Michael Warner, “American Sermons: The<br />

Pilgrims to Martin Luther King, Jr.”, New York 1999,<br />

S. 775-786.<br />

26 J. Gresham Machen, Christianity and Liberalism, S. 2.<br />

27 Machen, Christianity and Liberalism, S. 53.<br />

28 Machen, Christianity and Liberalism, S. 23; ebenso<br />

Machen, The Origin of Paul’s Religion, S. 168:<br />

“Logically, the doctrine comes first”.<br />

29 Machen, Christianity and Liberalism, S. 27.<br />

30 Machen, Christianity and Liberalism, S. 64.<br />

31 Machen, Christianity and Liberalism, S. 68.<br />

32 Machen, Christianity and Liberalism, S. 76.<br />

33 Machen, Christianity and Liberalism, S. 79.<br />

34 Nichols, S. 95.<br />

35 Nichols, S. 96.<br />

36 Machen, Christianity and Liberalism, S. 179.<br />

37 Stonehouse, S. 441.<br />

38 J. Gresham Machen, „The Attack upon Princeton<br />

Seminary: A plea for fair play“, in: Selected Shorter<br />

Writings, S. 319.<br />

39 Stonehouse, S. 427.<br />

40 Vgl. etwa David Kennedy, „Liberty Within Evangelical<br />

Bounds“, in: The Presbyterian, 05.03.1925, Vol. 95,<br />

Nr. 10; Hall McAllister Griffiths, The Heretical<br />

“Auburn Affirmation”: A Menace to the True Peace<br />

and Purity of the Presbyterian Church, Philadelphia<br />

1932; Gordon Clark, The Auburn Heresy, 1935,<br />

veröffentlicht in: The Southern Presbyterian Journal,<br />

15.07.1946.<br />

41 J. Gresham Machen, “Shall the General Assembly<br />

Represent the Church?”, in: The Presbyterian,<br />

05.03.1925, Vol. 95, Nr. 10, S. 6-8.<br />

42 J. Gresham Machen, „The Mission of the Church“, in:<br />

The Presbyterian, 08.04.1926, Vol. 96, Nr. 14, S. 10f.<br />

43 Nichols, S. 65; Machens Haltung zur Mission ist kurz<br />

dargestellt in „The Christian View of Missions“, in: J.<br />

Gresham Machen, „What is Christianity?“,<br />

herausgegeben von Ned Stonehouse, Grand Rapids<br />

1951.<br />

44 Nichols, S. 67. Von seinem Kollegen Charles Erdmann<br />

wurde Machen öffentlich bezichtigt, voller<br />

„Lieblosigkeit, Argwohn, Bitterkeit und Intoleranz“ zu<br />

sein, Stonehouse, S. 375.<br />

45 Nichols, S. 70, bezeichnet auch darum diesen Schritt<br />

Machens als eines der am schwersten interpretierbaren<br />

Ereignisse seines Lebens.<br />

46 Machen, „Statement to the Presbytery of New<br />

Brunswick“, in: Selected Shorter Writings, S. 332 u.<br />

335.<br />

47 Nichols, S. 61.<br />

48 Zum Einfluss Machens auf Schaeffer vgl. Colin Duriez,<br />

„Francis Schaeffer: An authentic Life“, Wheaton 2008,<br />

dort insbesondere Kapitel 2, S. 33-43. Schaeffer selbst<br />

geht auf die Modernismus-Debatte um Machen in<br />

seinem Buch „Die große Anpassung – Der Zeitgeist<br />

und die Evangelikalen“, 3. Aufl., Bielefeld 2008, S. 40f.<br />

ein.<br />

49 John Galbraith, „Why the Orthodox Presbyterian<br />

Church?“, veröffentlicht vom “Committee on Christian<br />

Education of the OPC” , 1939. Der Aufsatz ging auf<br />

die Kritik der Christen ein, die in der alten Kirche<br />

geblieben waren und geht so weit, dies als Sünde zu<br />

bezeichnen.<br />

50 Nichols, S. 15.<br />

51 Nichols, S. 65.<br />

52 Pearl Buck, „Tribute to Dr. Machen“, The New<br />

Republic, 20.01.1937.<br />

53 Henry Mencken, „Dr. Fundamentalis“, Baltimore<br />

Evening Sun, January 18, 1937, 2nd Section, p. 15. In<br />

ebendiesem Artikel erklärt er, Machens calvinistischer<br />

Glaube stünde in seinem „privaten Horrorkabinett<br />

nicht weit entfernt vom Kannibalismus“.<br />

54 J. Gresham Machen, „What is the gospel?“, Union<br />

Seminary Review 38 (1927), S. 160.<br />

Johann Gerhard Oncken (S. 26-29)<br />

1 Nachdruck: Glaubensbekenntnis der evangelischtaufgesinnten<br />

Gemeinde in Hamburg (Waldems:<br />

3L-Verlag, 2012).<br />

2 Passend hierzu mein Vortrag: „Die vergessene Theologie<br />

von Johann Gerhard Oncken“. Zu finden auf:<br />

www.erb-wetzlar.de .<br />

3 Günther Balders, Theurer Bruder Oncken, S. 62<br />

4 Eigene Übersetzung von: Charles Haddon Spurgeon,<br />

The Sword and the Trowel - August 1867<br />

5 Theodor Duprée, J. G. Oncken, Leben und Wirken,<br />

S. 141<br />

Jonathan Edwards (S. 32-35)<br />

1 Jonathan Edwards, Personal Narrative in: Murray, Iain<br />

H., Jonathan Edwards – ein Lehrer der Gnade und die<br />

große Erweckung, Christliche Literaturverbreitung,<br />

Bielefeld, 2011, S. 71.<br />

2 Jonathan Edwards, Resolutions, eigene Übersetzung.<br />

3 Jonathan Edwards, The Works of Jonathan Edwards<br />

Volume Two, Sinners in the Hands of an Angry God,<br />

eigene Übersetzung.<br />

4 Jonathan Edwards, Religious Affections, in: Murray,<br />

Iain H., Jonathan Edwards – ein Lehrer der Gnade und<br />

die große Erweckung, Christliche Literaturverbreitung,<br />

Bielefeld, 2011, S. 331.<br />

5 Lawson, Steven J., The Unwavering Resolve of<br />

Jonathan Edwards, Reformation Trust Publishing,<br />

Orlando, Florida, 2008, S. 13, eigene Übersetzung.<br />

A N Z E I G E<br />

DER<br />

NEUE SHOP<br />

FÜR CHRISTLICHE<br />

EBOOKS!<br />

TAG DER<br />

OFFENEN TÜR<br />

REFORMATORISCH-<br />

THEOLOGISCHES<br />

PREDIGERSEMINAR<br />

Am 15. Mai 2013 haben<br />

wir einen Tag der<br />

offenen Tür am RTS in<br />

den neuen Räumen.<br />

Unter anderen wird es<br />

einen Vortrag von<br />

Dr. Martin Erdmann<br />

zur Apologetik geben.<br />

Weitere Auskunft zum<br />

Programm werden wir<br />

auf unsere Website<br />

stellen. Fühlen Sie<br />

sich aber auch frei,<br />

sich telefonisch bei<br />

uns zu erkundigen<br />

bzw. ein Programm<br />

anzufragen<br />

(Tel. 0511 / 35 73 61 75).<br />

Adresse: RTS<br />

Vahrenwalder Str. 261<br />

30179 Hannover<br />

www.rtsonline.de<br />

ausgabe 11 – 31


JONATHAN EDWARDS<br />

Als Christen, die wir dem Herrn Jesus Christus nachfolgen,<br />

wünschen wir uns doch alle, ein Leben zur Ehre Gottes zu<br />

führen. Wenn wir dabei nach einem Vorbild suchen, werden<br />

wir in Jonathan Edwards ganz bestimmt fündig. Er war<br />

keinesfalls perfekt, aber sein ganzes Leben war von dem<br />

Wunsch durchdrungen, dass alles, was er tat, zur Ehre Gottes<br />

geschehen möge.<br />

Text<br />

Jonas Erne


»Ich verpflichte mich, niemals<br />

einen Moment Zeit zu<br />

verlieren, sondern Zeit, so<br />

gut ich das kann, in günstigster<br />

Weise zu nutzen.«<br />

Kindheit und Jugend<br />

Jonathan Edwards kam am 5. Oktober 1703 als fünftes<br />

Kind und einziger Sohn – ihm folgten noch sechs weitere<br />

Schwestern – von Timothy und Esther Edwards,<br />

geborene Stoddard, in East Windsor (Connecticut) zur<br />

Welt. Sein Großvater mütterlicherseits war Solomon<br />

Stoddard, der Pastor von Northampton<br />

(Massachusetts), dessen Nachfolger Jonathan eines<br />

Tages werden sollte. Timothy Edwards, Jonathans<br />

Vater, war Prediger in East Windsor.<br />

Zu Beginn hatte ihn sein Vater in vielen Dingen<br />

unterrichtet. 1716 begann seine Zeit am College, was<br />

durch verschiedene Umstände eine recht chaotische Zeit<br />

war. Timothy wollte, dass sein Sohn im reformierten<br />

Glauben erzogen wurde. In Harvard, wo der Vater auch<br />

studierte hatte, wurden die Lehrer, die noch recht glaubten,<br />

durch andere ersetzt, die den reformierten Glauben<br />

ablehnten und den Menschen mit seinem freien Willen<br />

in den Mittelpunkt stellten. Aus diesem Grund wurde<br />

ein neues College gegründet, aus welchem später die<br />

Yale-University wurde. Jonathan war vielseitig interessiert,<br />

ein wacher Beobachter mit einer alles durchdringenden<br />

Logik. So schrieb er schon in der Zeit am<br />

College Abhandlungen über bestimmte Naturphänomene.<br />

In diese Zeit am College fällt auch seine Bekehrung.<br />

Diese muss im März 1721 stattgefunden haben und<br />

veränderte sein Leben recht stark . Er schreibt dazu:<br />

„Das erste Mal erinnerte ich mich dieser Art von inwendiger,<br />

lieblicher Freude an Gott und an göttlichen<br />

Dingen, die ich seither vielfach genossen habe, beim<br />

Lesen folgender Worte (1. <strong>Timotheus</strong> 1,17): „Dem<br />

König der Zeitalter aber, dem unvergänglichen, unsichtbaren,<br />

alleinigen Gott, sei Ehre und Herrlichkeit von<br />

Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.“ Als ich diese Worte las, da<br />

kam in meine Seele ein Empfinden für die Herrlichkeit<br />

des göttlichen Wesens, und es war, als sei sie ganz davon<br />

erfüllt. Es war ein neues Empfinden, völlig anders als<br />

alles, was ich bisher erlebt hatte. Nie kamen mir irgendwelche<br />

Schriftstellen so vor, wie es bei diesen Worten der<br />

Fall war. Ich dachte bei mir, welch wunderbares Wesen<br />

dies sei und wie glücklich ich doch sein müsste, wenn<br />

ich mich dieses Gottes erfreuen könnte und zu ihm in<br />

den Himmel entrückt würde und gleichsam ewig in ihm<br />

aufginge! […] Ich ging zu Gott, um ihn zu bitten, dass<br />

ich mich seiner freuen möge, und betete auf eine Weise,<br />

die sich völlig von allem unterschied, was ich zu tun<br />

gewohnt war; eine ganz neue Art der Herzensregung<br />

und Liebe war aufgebrochen.“ 1<br />

Entschieden für Gott<br />

In den Jahren nach seiner Bekehrung wuchs in Jonathan<br />

das Verlangen, ein immer heiligeres Leben führen zu<br />

können – ein Leben, das Gott gefällt. Er wollte seinem<br />

Herrn dienen und das möglichst schnell. So wartete er<br />

gar nicht erst, bis er den Master-Titel bekommen hatte,<br />

sondern ging bereits im Alter von 19 Jahren nach New<br />

York, wo er die Arbeit eines stellvertretenden Predigers<br />

der dortigen Presbyterianischen Kirche bis 1723 ausübte.<br />

Er begann im Sommer 1722 seine Entschlüsse<br />

(„Resolutions“) zu Papier zu bringen. Innerhalb von<br />

einem Jahr wuchs das Werk auf 70 Entschlüsse, zu<br />

denen er sich verpflichtete. Die ersten sind schon sehr<br />

deutlich: „1. Ich verpflichte mich, dass ich alles tun<br />

werde, was immer zu Gottes Verherrlichung dient, und<br />

zu meiner Freude, solange ich lebe, ungeachtet des<br />

Zeitaufwands, sei es jetzt oder nie, unzählige Zeitalter<br />

von jetzt an. Ich verpflichte mich, zu tun, was ich<br />

glaube, was meine Pflicht ist, und was am meisten dem<br />

Allgemeinwohl dient. Ich verpflichte mich dazu, unabhängig<br />

davon, auf welche Weise, und auf wie viele oder<br />

wie große Schwierigkeiten ich stoße. 2. Ich verpflichte<br />

mich, mich fortwährend zu bemühen, neue Hilfsmittel<br />

oder Vorrichtungen zu suchen, um die vorigen Dinge zu<br />

fördern. 3. Ich verpflichte mich, dass, wenn ich je fallen<br />

sollte oder lau werde, d.h. wenn ich eines dieser Dinge<br />

vernachlässigen sollte, dass ich Buße tun werde für alles<br />

woran ich mich erinnere, sobald ich wieder zu mir<br />

komme. 4. Ich verpflichte mich, nichts zu tun, weder im<br />

Geist noch mit meinem Körper, außer dem, was Gott<br />

verherrlicht; noch werde ich so sein, wie es Gott<br />

missfällt, noch so etwas zu dulden, wenn ich es vermei-<br />

ausgabe 11 – 33


den kann. 5. Ich verpflichte mich, niemals einen<br />

Moment Zeit zu verlieren, sondern Zeit, so gut ich das<br />

kann, in günstigster Weise zu nutzen.“ 2 Auf diese Art<br />

und Weise geht es weiter. Jonathan Edwards wünschte<br />

sich nichts sehnlicher, als sein ganzes Leben unter die<br />

Herrschaft Gottes zu stellen. Die Deutlichkeit dieser<br />

Entschlüsse ist erstaunlich. Wir leben in einer Zeit, in<br />

der nichts mehr gebraucht wird, als entschiedene,<br />

entschlossene Nachfolger Christi. Deshalb wäre es von<br />

riesigem Gewinn, wenn wir wieder beginnen würden,<br />

Edwards zu lesen, von ihm zu lernen und uns mit seiner<br />

Entschiedenheit der Nachfolge Jesu hinzugeben.<br />

Die große Erweckung<br />

Nach seinem stellvertretenden Predigtdienst in New<br />

York ging er zurück nach Yale, wo er als Tutor arbeitete.<br />

Dort konnte er in seiner Freizeit weiter seinen Studien<br />

nachgehen. 1727 wurde er als Helfer und Nachfolger für<br />

seinen Großvater Solomon Stoddard nach Northampton<br />

berufen. In diesem Jahr heiratete er Sarah Pierrepont,<br />

die aus einer bekannten Predigerfamilie stammte.<br />

Als sein Großvater 1729 starb, war er allein für die<br />

Gemeinde in Northampton verantwortlich. Zwei Jahre<br />

später begann eine Bewegung im Ort: Die Menschen<br />

begannen vermehrt, nach dem Glauben zu fragen. Die<br />

Kneipe wurde kaum noch besucht, dafür wurde an allen<br />

Orten von Gott und seinem Wirken gesprochen.<br />

Interessant ist, dass in jener Zeit in vielen Orten Amerikas<br />

eine ähnliche Bewegung begann, die ihren gemeinsamen<br />

Höhepunkt in den Jahren 1741 und 1742 hatte.<br />

Diese Zeit nennt man „The Great Awakening“ (die<br />

große Erweckung).<br />

In jener Zeit hielt Edwards seine berühmteste<br />

Predigt, nämlich „Sinners in the Hands of an Angry<br />

God“ (Sünder in den Händen eines zornigen Gottes).<br />

Eine der größten Herausforderungen für Edwards war<br />

die Frage, wie man Gottes Wort verständlich erklärt.<br />

Die Bibel lehrt den Zorn Gottes über Sünder, die nicht<br />

bereit sind, Buße zu tun. Deshalb muss man den<br />

Menschen dies so klar machen, dass sie es verstehen und<br />

es sich zu Herzen nehmen. So predigte er über 5. Mose<br />

32,35: „Der Gott, der dich über dem Abgrund der Hölle<br />

festhält, so, wie man eine Spinne oder ein widerliches<br />

Insekt über das Feuer hält, ist furchtbar provoziert: Sein<br />

Zorn gegen dich brennt wie ein Feuer; er sieht, dass du<br />

nichts anderes verdienst, als ins Feuer geworfen zu<br />

werden; […] Du hast ihn unendlich mehr beleidigt, als<br />

ein Rebell jemals seinen Fürsten beleidigen könnte; und<br />

es gibt nichts außer Seiner Hand, was dich halten<br />

könnte, sodass du nicht jeden Moment ins Feuer fallen<br />

könntest.“ 3<br />

Die Auswirkungen dieser Predigten waren groß.<br />

Viele Menschen wurden sich plötzlich schlagartig der<br />

Heiligkeit Gottes bewusst, ebenso aber auch, dass sie<br />

selbst Sünder waren und welch eine große Kluft sich<br />

zwischen ihnen und dem herrlichen Gott befand.<br />

Manche begannen zu weinen, andere schrien in ihrer<br />

Erkenntnis auf, wieder andere lachten und freuten sich,<br />

dass sie die Erlösung annehmen durften. Das führte aber<br />

auch zu Problemen, denn es tauchte die Frage auf,<br />

inwieweit diese Gefühle tatsächlich die Echtheit des<br />

»Die Kneipe wurde kaum<br />

noch besucht, dafür wurde<br />

an allen Orten von Gott und<br />

seinem Wirken gesprochen.«<br />

34 – ausgabe 11


Glaubens bezeugten. In der Auseinandersetzung mit<br />

dieser Frage entstand eines seiner wichtigsten Werke:<br />

„Religious Affections“ (Religiöse Gefühle). Hierzu muss<br />

man vorausschicken, dass Edwards wohl der Letzte<br />

gewesen wäre, der die Gefühle als solche grundsätzlich<br />

verdammt hätte. Dies wird auch in seinen Resolutions<br />

deutlich. Gefühle führen zu Handlungen, deshalb<br />

müssen die richtigen Gefühle gefördert werden. Ein<br />

Glaube, der nur aus den richtigen Gedanken und<br />

Bekenntnissen besteht, ist für Edwards gar kein Glaube.<br />

So schreibt er zu der Haltung, die alle Gefühle verwirft:<br />

„Statt glaubensmäßige Regungen ohne Prüfung zu<br />

schätzen und zu bewundern, verwirft und verachtet man<br />

sie ohne Prüfung. Hierin erkennt man die List Satans …<br />

Er weiß genau, dass er auf diese Weise alle Frömmigkeit<br />

zu einem rein äußerlichen Formalismus ohne jedes<br />

geistliche Leben machen und die Kraft der Gottseligkeit<br />

samt allen geistlichen Sachverhalten ausschließen kann.<br />

So wird allem wahren Christentum die Tür<br />

verschlossen.“ 4<br />

Man kann aber auch auf der anderen Seite vom<br />

Pferd fallen. In der Zeit der großen Erweckung gab es<br />

zahlreiche Menschen, die Predigten vor allem um der<br />

Gefühle willen hörten. Manche haben gar nicht mehr<br />

richtig gearbeitet, weil sie so verrückt nach diesen<br />

Gefühlen waren, die manche Predigten hervorriefen. So<br />

geriet die Erweckung als Ganzes ins Kreuzfeuer der<br />

Kritik. Edwards hielt deshalb auch einmal eine Predigt,<br />

in der er die Kennzeichen der echten Erweckung<br />

nannte: „1. stärkt sie in den Menschen die Hochachtung<br />

vor Jesus als Sohn Gottes und Retter der Welt. 2. führt<br />

sie dazu, dass sie sich von ihren Verderben und Begierden<br />

weg der Gerechtigkeit Gottes zuwenden. 3.<br />

verstärkt sie ihre Achtung vor der Heiligen Schrift. 4.<br />

erbaut sie ihren Verstand in den objektiven Wahrheiten<br />

des offenbarten Glaubens. 5. erweckt sie echte Liebe zu<br />

Gott und den Mitmenschen.“ 5 Auch hier können wir<br />

von Edwards lernen, wenn wir uns Erweckung<br />

wünschen.<br />

Ein Streit und seine Folgen<br />

Als Jonathan Edwards die Gemeinde in Northampton<br />

übernahm, war es unter seinem Großvater üblich, dass<br />

jeder am Abendmahl teilnehmen konnte, der nicht<br />

gerade in offensichtlichen Sünden lebte. Dazu muss<br />

man natürlich wissen, dass in jener Zeit das Abendmahl<br />

nicht ein Teil des Gottesdienstes war, sondern eine<br />

gesonderte Veranstaltung, die alle acht Wochen<br />

stattfand. Zu dieser wurden nur die Personen hereingelassen,<br />

die für sich eine Zulassung erbeten hatten. Nun<br />

ging es um die Frage, wer diese Zulassung bekommen<br />

sollte. Solomon Stoddard hatte die Gemeinde aufgefordert,<br />

dass möglichst viele zu dieser Veranstaltung<br />

kommen mögen. Er verstand das Abendmahl als etwas,<br />

was auch zur Bekehrung hinführen kann. Die einzige<br />

Bedingung, die er festlegte, war ein gottgemäßes Leben.<br />

Im Laufe seines Dienstes und seiner zunehmenden<br />

Erkenntnis von Gottes Wort kam Jonathan Edwards zu<br />

einer anderen Einsicht. Er erkannte, dass das Abendmahl<br />

für die vorbehalten ist, die bereits gläubig sind.<br />

Seinen Grundsätzen folgend, wollte er möglichst keine<br />

Zeit verlieren und eine neue Ordnung für die Zulassung<br />

erstellen. Mit diesem Wunsch kam eine Kontroverse<br />

zum Vorschein, die untergründig schon länger geführt<br />

wurde. Es gab einige, die mit Edwards unzufrieden<br />

waren, und diese Frage als Anlass nahmen, nun offen<br />

gegen ihn zu arbeiten. Ein Gemeindeausschuss konnte<br />

sich nicht einmal einigen, ob Edwards zu dem Thema<br />

eine öffentliche Veranstaltung einberufen durfte oder<br />

nicht. So sah er als einzigen Ausweg die Möglichkeit,<br />

seine Sicht der Dinge schriftlich festzuhalten. Was<br />

entstand, war ein Buch, von dem er verlangte, dass alle,<br />

die abstimmen wollten, wie es mit der Gemeinde weitergehen<br />

sollte, dieses zuerst lesen müssten. Kurze Zeit<br />

darauf wurde er in Northampton abgewählt und trat im<br />

Juli 1750 von seinem Amt zurück.<br />

Hier sehen wir einen der Charakterzüge, der es ihm<br />

in seinem Beruf wohl oft nicht leicht machte. Er war<br />

sehr hilfsbereit und hatte auch oft und viele Gäste bei<br />

sich, aber in erster Linie brannte er für Gott und für die<br />

Heiligung seiner Gemeinde. Wo er etwas Neues erkannt<br />

hatte, musste es möglichst schnell umgesetzt werden. Da<br />

kam wohl seine Gemeinde nicht mehr hinterher, was zu<br />

Konflikten führte. Auch hier können wir von ihm<br />

lernen. Es braucht Geduld, um eine ganze Gemeinde<br />

dorthin zu führen, dass sie mit solch gravierenden Neuerungen<br />

einverstanden ist. Vergleichbar ist dieser<br />

Konflikt zum Beispiel mit unseren heutigen Fragen nach<br />

dem Musikstil in der Gemeinde.<br />

Das Ende und Erbe eines Gottesmannes<br />

Nachdem er von seinem Amt in Northampton zurückgetreten<br />

war, zog er nach Stockbridge um. Dies war ein<br />

kleiner Ort, der am Rande der Wildnis lag. Hier<br />

übernahm er eine kleine Gemeinde von Siedlern und<br />

half in der Indianermission. Die Zeit dort war recht<br />

schwierig, denn er litt an finanziellen und auch gesundheitlichen<br />

Nöten. Außerdem hatte er auch dort Gegner.<br />

Theologisch gesehen war die Zeit nach dem Rücktritt in<br />

Northampton die erfolgreichste, denn in dieser Zeit<br />

fand er Gelegenheit, um verschiedene Werke fertigzustellen<br />

und zu schreiben. Im Alter von 55 Jahren starb er<br />

am 22. März 1758.<br />

Die Yale-Universität hat die ganzen Werke Jonathan<br />

Edwards in 73 Bänden herausgegeben. Das ist ein<br />

immenses Erbe, das wir dankbar annehmen dürfen.<br />

Seine Biographie des Indianermissionars David Brainerd<br />

hat in vielen Generationen dazu geführt, dass sich junge<br />

Menschen für die Mission begeistern ließen. Seine<br />

Schriften zur Erweckung können uns auch heute helfen,<br />

wenn wir uns Erweckung wünschen. Seine Auseinandersetzung<br />

mit dem freien Willen zeigt uns, wo die<br />

Möglichkeiten und Grenzen des menschlichen Willens<br />

liegen. Und dass uns seine „Resolutions“ zu einem<br />

hingegebenen, christuszentrierten und dienstbereiten<br />

Leben anspornen mögen, das ist mein Gebet.<br />

Soli Deo Gloria – Gott allein die Ehre! <br />

ausgabe 11 – 35


T I M O T H E U S M A G A Z I N . D E<br />

F A C E B O O K . C O M / T I M O T H E U S M A G A Z I N<br />

T W I T T E R . C O M / T I M O T H E U S M A G<br />

G P L U S . T O / T I M O T H E U S M A G

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!