Regiearbeiten 1998 – 2007 Jens Dierkes-Kuper - Gräfin Tamara
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Sehnsucht nach einem Lebenssinn eine späte Ehe aus-<br />
gerechnet mit Krogstad mühevoll errang. Diesen Geset-<br />
zesbrecher aus Not spielte Klaus Peter Lefmann in ausge-<br />
zeichnet prägnanter Artikulation und sehr glaubwürdiger<br />
Fahrigkeit, da es ihm bewundernswert gelang, einseitige<br />
Schurkenhaftigkeit zu vermeiden und das zerrüttete Getrie-<br />
bensein dieses „Schiffbrüchigen“ auch in seiner Körper-<br />
sprache zu vermitteln. Dem langjährigen Hausfreund der<br />
Helmers wusste Udo Eickelmann in der Rolle des Dr. Rank<br />
glaubwürdige Züge, besonders als Zyniker, zu verleihen,<br />
wobei sein durch Syphilis-Erbschaden bedingtes Sterben<br />
eher seinen Worten als seinem (vielleicht doch zu gesun-<br />
dem) Auftreten zu entnehmen war. Die anspruchsvollste,<br />
weil für ein junges Amateur-Ensemble heikelste Rolle hat-<br />
te Michael Kneisel als Noras perfi d-gesellschaftskonformer<br />
Gatte zu füllen, der sich sein Luxusweibchen als durch<br />
Heirat legitimierten Besitz (dumm) zu halten sucht: „Jetzt<br />
spricht das Rotkehlchen, als ob es ein Mensch wäre.“ Die-<br />
sen bornierten Übervater von Beginn an völlig negativ zu<br />
überzeichnen, das ist sicherlich eine diskutierbare Inter-<br />
pretation. Angesichts vieler guter Akzentuierungen, etwa<br />
in den Momenten eitler Selbstgefälligkeit, mochte das<br />
Lampenfi eber wesentlich dazu beigetragen haben, dass<br />
sich sein Wechselbad der Gefühle manchesmal zu sehr<br />
lediglich in überproportionaler Lautstärke spiegelte. Die<br />
weiteren Ensemblemitglieder, darunter drei liebliche Kin-<br />
der, wussten durch überzeugende Auftritte zu gefallen.<br />
Sehr ansprechend war auch die zeitgenössische Kostümie-<br />
rung (Ute Stöttner, Imke Strothmann) mit stilsicher nuan-<br />
cierten Accessoires. Die Frage, an der sich möglicherweise<br />
bei dieser Aufführung die Geister scheiden, resultiert aus<br />
dem Faktum, dass 120 Jahre Fortschritt gottlob auch das<br />
Bewusstsein des Publikums hinsichtlich bourgeoischer<br />
Ehestrukturen verändert haben, so dass dem dramati-<br />
schen Stoff das zuzeiten Ibsens provozierend Neue heute<br />
fehlt. Trägt sich dann aber eine bloß historisch verpfl ichte-<br />
te Inszenierung ohne eigene entschiedene Akzentuierung<br />
(etwa in absurder oder parodistischer Schärfung)? Reichen<br />
schauspielerische Leistungen, die zu Recht den freneti-<br />
schen Schlussapplaus des bis zum Schluss gefesselten<br />
Premierenpublikums einheimsten? Gelegenheit, dies für<br />
sich selbst zu entscheiden, bietet sich noch heute, morgen<br />
und übermorgen (Alte Sparkasse) sowie vom 27. bis 29.<br />
November (Kepler-Gymnasium) jeweils um 20 Uhr.