Download: Ein Chemiestandort im Wandel (PDF) - Bayer
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Vorwort<br />
Die seit dem 01.08.1999 geltenden Richtlinien und Lehrpläne für den Fachunterricht<br />
in der gymnasialen Oberstufe betonen besonders das ganzheitliche und fächerverbindende<br />
Lernen. Die Zusammenarbeit des Integrationsfaches Erdkunde mit anderen<br />
Fächern des gesellschaftswissenschaftlichen Aufgabenfeldes oder mit Fächern<br />
des mathematisch-naturwissenschaftlichen Aufgabenfeldes wie Chemie oder Biologie<br />
bietet sich zu verschiedenen Themen an. Insbesondere die Themenaspekte<br />
Strukturwandel - Altlasten sind nur dann angemessen zu analysieren, wenn naturwissenschaftliches<br />
und geisteswissenschaftliches Wissen und Denken miteinander<br />
verbunden werden. Alle <strong>im</strong> Folgenden aufgearbeiteten Teilthemen können <strong>im</strong> jeweiligen<br />
Fachunterricht, also in Erdkunde oder Chemie, mit spezifischen Schwerpunkten<br />
erarbeitet werden. Vorausgehende und anschließende Erörterungsphasen dienen<br />
der Problemfindung, der Sammlung der fachspezifischen Ergebnisse, ihrer Integration<br />
und Diskussion und der Planung des weiteren Vorgehens ebenso wie der Bewusstmachung<br />
des jeweils fachspezifischen Zugriffs.<br />
Die Idee, das Raumbeispiel Bitterfeld stellvertretend für altindustrialisierte Regionen<br />
aufzuarbeiten, entstand <strong>im</strong> Anschluss an Exkursionenfür Fachlehrkräften verschiedener<br />
Disziplinen nach Wolfen-Bitterfeld seitens der Kurt-Hansen-Stiftung in Verbindung<br />
mit der <strong>Bayer</strong> AG. Die raumwirksamen Prozesse und Innovationen <strong>im</strong> Produktionsablauf,<br />
die sich in dieser Region <strong>im</strong> vergangenen Jahrzehnt vollzogen haben, besitzen<br />
exemplarischen Charakter.<br />
Um die Leistungen angemessen beurteilen zu können, die sich hinter der lstsituation<br />
verbergen, ist es notwendig, die jeweilige Ausgangssituation nicht aus den Augen zu<br />
verlieren. Dies gilt sowohl für den Start der industriellen Entwicklung Ende des<br />
19.Jahrhunderts als auch für die Zeit um 1989. Die Situation zur Zeit der Wende<br />
wurde als so negativ eingestuft, dass eine Weiterführung der chemischen Produktion<br />
fraglich erschien. Weil für die aktuellen Gegebenheiten und für die Zukunftsplanungen<br />
vielfältige wissenschaftliche und regionale Veröffentlichungen erstellt wurden,<br />
legt diese Materialsammlung den Schwerpunkt auf die erste Phase des Tranformationsprozesses.<br />
Sie wurde in Zusammenarbeit der Bezirksregierungen Arnsberg und<br />
Köln mit freundlicher Unterstützung der <strong>Bayer</strong> AG erstellt.<br />
Es ist nicht daran gedacht, dass die Gesamtheit der Materialien unterrichtsbest<strong>im</strong>mend<br />
ist. <strong>Ein</strong>e individuelle Nutzung entsprechend der Schwerpunktsetzung der Reihe<br />
oder des Projektes oder <strong>im</strong> Rahmen von Facharbeiten bietet sich an.<br />
Die Materialsammlung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit; Themenergänzungen,<br />
wie z.B. bei <strong>Ein</strong>bezug des Faches Biologie um den Aspekt der Stoffwech-<br />
selwirkung von Aspirin, und Fortschreibungen der Daten, z. B. durch Recherchen <strong>im</strong><br />
Internet, sind schon aus Aktualitätsgründen notwendig (s. Kap. 6).<br />
Wir danken den Kolleginnen und Kollegen, die durch intensive Literaturstudien und<br />
Vor-Ort-Recherchen diese Zusammenstellung ermöglicht haben: Die erdkundlichen<br />
Schwerpunkte wurden von Herrn OStD Dr. Mensing, Gymnasium St. Antonius Lüding<br />
hausen, und Herrn StD Dr. Maurmann, Geschwister-Scholl-Gymnasium Wetter<br />
bearbeitet. Die Unterlagen für die chemischen Schwerpunkte stellten Frau StD' Dr.<br />
Kirsch, Gesamtschule Soest, Herr StD Köntges, Ruhrgymnasium Witten, Frau StD'<br />
Sauer und Frau OStR' Hildebrandt, beide Erftgymnasium Berghe<strong>im</strong>, zur Verfügung.<br />
Die Fachdezernentinnen und Fachdezernenten der Bezirksregierungen hoffen, durch<br />
diese Handreichung das fächerverbindende Lernen zu erleichtern.<br />
Für die Bezirksregierung Arnsberg<br />
LRSD' Noll, LRSD Salomon<br />
Für die Bezirksregierung Köln<br />
LRSD' Rauch, LRSD Prof. Dr. Wambach
Inhalt<br />
Vorwort<br />
1<br />
1.1<br />
1.2<br />
1.3<br />
1.4<br />
2<br />
2.1<br />
2.2<br />
2.3<br />
2.4<br />
3<br />
3.1<br />
3.2<br />
3.3<br />
4<br />
5<br />
5.1<br />
5.2<br />
6.<br />
Die Entwicklung der (Industrie-)Region<br />
Didaktisch-methodischeHinweise<br />
Die Entwicklungsgeschichte der Industrie<br />
Die Bitterfelder Zelle, ein Innovationsschub<br />
Bevölkerungs-und siedlungsgeographische Folgen<br />
der Industrialisierung<br />
Strukturwandelals Folge des politischen Umbruchs<br />
Didaktisch-methodische Hinweise<br />
Die Umbruchsituation<br />
Der Chemie Park - ein richtungsweisendesKonzept?<br />
Stoff- und Firmenverbund <strong>im</strong> Chemiepark am Beispiel<br />
der Quarzglasproduktion<br />
Altlasten, ein komplexes Erbe<br />
Der <strong>Chemiestandort</strong> und seine Umweltprobleme<br />
Phosphorproduktionund ihre Folgen - ein Beispiel für die erfolgreiche<br />
Sanierung belasteter Industrieflächen<br />
Beispiele für Altlasten<br />
Die Entwicklungder Region <strong>im</strong> Kartenbild<br />
Literaturverzeichnis<br />
Schwerpunkt Chemie<br />
Schwerpunkt Erdkunde<br />
Adressen<br />
S. 1<br />
S. 1<br />
S. 2<br />
S. 14<br />
S. 20<br />
S. 29<br />
S. 29<br />
S. 30<br />
S. 45<br />
S. 55<br />
S. 63<br />
S. 64<br />
S. 77<br />
S. 89<br />
S. 112<br />
S. 132<br />
S. 132<br />
S.133<br />
S. 134
1.<br />
Die Entwicklungder (Industrie-)Region<br />
1.1 Didaktisch-methodische Hinweise<br />
Die Materialien der Kapitel 1 - 3 sind bewusst nach fächerverbindenden Oberthemen<br />
und nicht fachorientiert zusammengestellt, denn nur so ergibt sich eine ganzheitliche<br />
Betrachtung des Sachverhaltes. Aus den drei Oberthemen: "Entwicklung der Region",<br />
"Strukturwandel"und "Altlasten" lassen sich jeweils vertiefende fachspezifische<br />
Problemstellungen formulieren, die die folgende Arbeit strukturieren. Sie sind von<br />
allen Lernenden gemeinsam zu entwickeln. Die Aufarbeitung kann entweder getrennt,<br />
.u. z.w. <strong>im</strong> Fachunterricht oder gemeinsam <strong>im</strong> Verlauf eines Projektes erfolgen.<br />
Die Organisation solcher fächerverbindenden Vorhaben könnte sich wie folgt gestalten:<br />
Wichtig ist, dass durch die gemeinsamen Problemfindungs und Planungsphasen alle<br />
Lernenden sich <strong>im</strong>mer wieder auf den gleichen Sachstand bringen und das von zwei<br />
Fächern beleuchtete Oberthema ganzheitlich erörtern, um (Zwischen-) Ergebnisse<br />
oder Folgeprobleme zu formulieren.<br />
1
1.2 Die Entwicklungsgeschichte der Industrie<br />
aus: ChemiePark Bitterfeld (Hg.): 100 Jahre Chemie in Bitterfeld<br />
2
Chronik<br />
zur lndustriegeschichte der Bitterfelder Region<br />
(aus: Beiträge zur Bitterfelder Industriegeschichte, Heft 1, Seite 4-22, gekürzt)<br />
1795<br />
1800<br />
1804<br />
1820<br />
1823<br />
1830<br />
1834<br />
1838<br />
1839<br />
1846<br />
1848<br />
1850<br />
1855<br />
1857<br />
1859<br />
1861<br />
1863<br />
In seiner"Erdebeschreibung von Chursachsen" berichtet D.J. MERKEL, dass man zwischen<br />
Bitterfeldund Roitzsch in einem Bergwerk mit dem Graben von Braunkohlen, "... . Die recht<br />
gut die Stelle des Holzes vertreten, und aus Holz entstanden sein müssen, da man ihre<br />
Ähnlichkeit mit demselben noch deutlich sieht ...", begonnen hat.<br />
Bitterfeld hat ca. 2.000 <strong>Ein</strong>wohner, 64 Wollspinner, 55 Tuchmacher, 3 Tuchscherer, 9 Töpfer,<br />
4 Tabakpfeifenmacher.<br />
Die Chronik von Sandersdorf vermerkt: "... Erster Kohlenabbauauf der wüsten Mark<br />
Gräfendorf (Pomselmark), 190 Morgen groß..... In einem zum Rittergute (Ramsin, d.A.)<br />
gehörigen Gehölze, die Pomsel genannt, hat der damalige Besitzer die hier liegenden<br />
Braunkohlelagerzu benutzen angefangen; aber die Grabung blieb stecken."<br />
Justizrat VOGEL, Besitzer des Rittergutes Ramsin, macht Versuche, auf dem Pomselberg<br />
einen Kohlenschacht zu betreiben. Steigendes Grundwasser lässt das Unternehmen<br />
scheitern. Im gleichen Jahr werden <strong>im</strong> bedeutendsten Torfstich der Fuhne-Niederungbei<br />
Löberitz 2 Millionen Torfsteine als traditionelles Brennmaterial gestochen.<br />
Das Landstädtchen Bitterfeld hat 2.500 <strong>Ein</strong>wohner.<br />
Die Fernverkehrsstraße Wittenberg-Halle,die heutige B 100, wird befestigt und ausgebaut.<br />
Die Chronik zu Sandersdorf teilt mit, dass die "Versuche des mittellosen Unternehmers<br />
HÖBOLD, den Betrieb wieder aufzunehmen und gleichzeitig aus dem über der Kohle<br />
liegendenTon Bausteine zu fabrizieren, missglückten."<br />
In der Dübener Heide erzeugen 3 Pechhütten durch trockene Holzdestillation Terpentinöl,<br />
Kienteer, Holzessig und Holzkohle.<br />
Die erste Dampfmaschine Bitterfelds n<strong>im</strong>mt der Tuchmachermeister Karl OELSCHIG in<br />
Betrieb.<br />
Der Bitterfelder Tuchfabrikant Johann DavidSCHMIDT kauft am 8. Juli das Rittergut Ramsin<br />
und betreibt fortan die bergmännische Kohleförderung in der (nach seiner Frau) "Auguste"<br />
genannten Braunkohlengrube auf dem Pomselberg.<br />
Aufschluss der Braunkohlengrube Johannes in Wolfen.<br />
Aufschluss der Grube Adelheid.<br />
Gründung der ersten Zuckerfabrik des Kreises Bitterfeld in Quetz b. Zörbig.<br />
Erschließung der Grube Richard bei Sandersdorf und der Grube Greppin Nr. 79, östl. von<br />
Grube Johannes gelegen.<br />
Am Jösigk bei Gräfenheinichen werden jährlich 5 Mio. Torfsteine gestochen, das Gewerbe<br />
kommt erst um 1880zum Erliegen.<br />
In Bitterfeldentsteht als erster chemischer Gewerbezweig eine "Photogenfabrik". Diese<br />
BAURMEISTER & Co. genannte Firma fertigt bis 1877 aus Webauer Braunkohlen<br />
Schwelteer-Raffinatezu Beleuchtungszwecken.<br />
Erschließung der Grube Lutherlinde bei Muldenstein.<br />
Inbetriebnahmeder Bahnlinie Dessau-Bitterfeld(17.8.)<br />
Bitterfeldwird Eisenbahn-Kreuzungspunkt der Linien Dessau-Leipzig und Wittenberg-Halle,<br />
wodurch sich die industrielle Tätigkeit erheblich intensiviert.<br />
Der bereits auf Grube Johannes tätige Dessauer HofbuchhändlerCarl August STANGE<br />
übern<strong>im</strong>mt auch die Kohlengrube Greppin und richtet mit Sachsenberger Pressen eine<br />
Dampfziegelei ein.<br />
Heinrich Polko initiiert die Gründung der Steinzeugfabrik Fa. SCHIRMER, MEYE & Co.,<br />
woraus sich 1862 die Fa. Heinrich POLKO als Steinzeug-, Mosaik- und Wandplattenfabrik<br />
gründet.<br />
Gründungsjahr der Bitterfelder Steinzeugindustrie. Die Fa. KELSCH, später<br />
Steinzeugwarenfabrik THOMAS beschäftigt sich mit der Tonrohrfabrikation.<br />
3
1865 Gründung der Maschinenfabrik und Eisengießerei MARTIN (Weltruf bei Schälmaschinen für<br />
Hülsenfrüchte).<br />
1870 Aufschluss der Grube Antonie.<br />
1872 Aufschluss der Grube Louise.<br />
Die erste Brikettfabrik errichtet die Deutsche Grube, bald danach folgt die "Bitterfelder<br />
Braunkohlenbriquettes-Fabrikvon Adolph ACKERMANN & Co."<br />
1876 Zahlreiche Neugründungenverbreitern das Spektrum der Bitterfelder Industrien:<br />
DachpappenfabrikW. REICHARDT<br />
Essig- und Senffabrik REGINA<br />
Sägewerke der Firmen LEDERER, KOTZSCH & Co., RATHMANN, Richard HAMMER<br />
Farbenfabrik HOCHSTETTER & BANSE<br />
Fabrikfür Drainagenröhren und BlumentöpfeA. PAASCH<br />
Die Eichen in den Bitterfelder Binnengärten beginnen zu vertrocknen, "woran nach aller<br />
Meinung die Entwässerung des Erdbodens Schuld sein mag", so die Stadtchronik.<br />
<strong>Ein</strong>hundertabsterbende Bäume werden abgeschlagen.<br />
1877 Im Jahr werden 6.000 t Briketts produziert, <strong>im</strong> Jahre 1883 sind es bereits 73.000 t.<br />
1879 Auf der Deutschen Grube wird die 2. Brikettfabrikerrichtet und 1882 durch eine dritte<br />
ergänzt.<br />
1870-<br />
1880<br />
1880<br />
1883<br />
1884<br />
1886<br />
1888<br />
1893<br />
1894<br />
1895<br />
1896<br />
1897<br />
In den Greppiner Werken entstehen erstklassige baukeramische Erzeugnisse (Verblender<br />
und Terrakotten), woraus zahlreiche größere Bauwerke, insbesondere Bahnhöfe errichtet<br />
werden: z.B. in Hannover, Magdeburg, Wittenberg und Hanau, in Berlin die besonders<br />
prächtigen Bauten des Potsdamerund des Anhalter Bahnhofs sowie in Leipzig der<br />
Eilenburger Bahnhof.<br />
Als Teil der Greppiner Werke entsteht in Wolfen eine Brikettfabrik, die mit zunächst zwei<br />
Pressen "täglich 1.200 Ctr. Briquettes, welche größtenteils in Berlin Absatz finden, herstellt.<br />
Der Maschinenbauexpandiert in Bitterfeld, es entstehen:<br />
Maschinenfabrikenfür Turbinen und Anlagen<br />
Dampfkessel DREIER & REICHSTEIN<br />
Maschinenfabrik E. O. DIETRICH AG, Apparate u. Rohrleitungen<br />
Bei Bitterfeld entsteht an der "Großen Mühle" die Pappenfabrik und Holzschleiferei Geb.<br />
BIERMANN an der Mulde.<br />
Die Stadt Bitterfeldzählt 7.500 <strong>Ein</strong>wohner, und es werden 152 Dampfmaschinen, 262<br />
keramische Brennöfen, 69 Brikettpressen sowie 180 Industrieschornsteinebetrieben.<br />
Das älteste Bergwerk der Bitterfelder Region (gegründet 1560), das Alaunwerk "Gott meine<br />
Hoffnung", südlich von Schwemsal gelegen, wird nach über 3 Jahrhunderte währende<br />
Betrieb geschlossen; 1871 wurden noch 150.000Zentner Alaunerde gefördert.<br />
E. OBST beklagt das Verschwinden pflanzenreicher Torfwiesen und Moorbrüche bei<br />
Sandersdorf.<br />
Am 28. Juni bringt Walther RATHENAU durch Gründung der "Elektrochemischen Werke<br />
Berlin GmbH" die chemische Industrie nach Bitterfeld.<br />
DerAufsichtsrat der "Chemische Fabrik ElektronAG" (hervorgegangenaus "Chemische<br />
Fabrik Grieshe<strong>im</strong>") fasst am 21.11. den Entschluss,in Bitterfeld eine Nebenanlagezu<br />
errichten.<br />
Die Chemische Fabrik Grieshe<strong>im</strong> n<strong>im</strong>mt eine Anlage zur Chloralkali-Elektrolysein Betrieb<br />
(16.10.), für eine tägliche Produktion von 8 t KOH und 14 t Chlorkalk.<br />
Grundsteinlegung der "Actiengesellschaftfür Anilinfabrikation - Greppiner Fabrik'' (später<br />
Agfa Farbenfabrik Wolfen).<br />
Inbetriebnahmedes Bitterfelder Wasserwerks.<br />
In Rathenaus Elektrochemischen Werken produziert man erfolgreich Magnesium und bald<br />
auch Oxalsäure, nachdem <strong>im</strong> Jahr zuvor die Herstellung von Natrium und Karbid begonnen<br />
hatte.<br />
Für den schnellen Abtransport der Kalisalze nach Bitterfeldentsteht die Strecke Bitterfeld-<br />
Zörbig-Stumsdorf.<br />
4
1898 Gründung der ELG - "Erste Elektrizitäts Liefergesellschaft"- durch die von Walther<br />
RATHENAU geführten Elektrochemischen Werke GmbH; sie sichern Stromlieferungen nach<br />
Bitterfeld, Wolfen und Jeßnitz.<br />
1899 Errichten eines elektrothermischen Phosphorofens in Bitterfeld.<br />
Im Mai geht in Bitterfeld eine Pottasche-Fabrik in Betrieb<br />
Die "Chemische Fabrik Salzbergwerk Neustaßfurt und Teilnehmer"entsteht bei Zscherndorf.<br />
1901 Ab April produziert ein Kaliumpermanganatbetrieb.<br />
Die Grube Hermine geht in den Besitz der AGFA über.<br />
1903 Im Oktober und November verlagern die Maintal-Werke ihre auf die Herstellung organischer<br />
Produkte orientierte Fabrikation nach Bitterfeld (Chlorbenzol bzw. Monochloressigsäure).<br />
1904 In Zscherndorf entsteht das kleine Unternehmen "Chemische Werke HERZ (ab 1909<br />
Chemische Werke Zschemdorf GmbH).<br />
1905 Die Bitterfelder Chemie produziert die Chloride, Chlorate und Bichromate des Kaliums sowie<br />
Sauerstoff.<br />
1907 In Muldenstein geht eine der größten Papierfabriken Deutschlands in Betrieb; sie erzeugt<br />
täglich 150 Tonnen Druckpapier und Tapeten aus finnischen Hölzern.<br />
<strong>Ein</strong>e Chlorverbundleitung wird zwischen den beiden Chemiewerken Bitterfelds errichtet.<br />
1909 Amtsvorsteher Schuster erteilt am 23. Juli der "Actiengesellschaft für Anilinfabrikation" die<br />
Erlaubnis, eine Filmfabrikzu errichten.<br />
1910 Ab 19. Juli erfolgt die erste Kinofilmproduktion in der neuen AGFA-Filmfabrik in Wolfen.<br />
1911 In Muldenstein entsteht ein Bahnkraftwerk, und auf der Strecke Bitterfeld-Dessauwird der<br />
erste reguläre elektrische Vollbahn-Zugbetrieb Deutschlands eingeführt.<br />
In Bitterfeld stellt die chemische Industrie verflüssigtes Chlor, Salzsäure, Ameisensäure und<br />
Salpetersäure her.<br />
1913 Die <strong>im</strong> Verein Bitterfelder Industrieller zusammengeschlossenen Ziegeleien liefern 53 Mio.<br />
Stück Klinker und andere Ziegeleierzeugnisse.<br />
<strong>Ein</strong>e Anlage zur Herstellung von Calciumhypochlorit geht am 18. Dezember in Betrieb.<br />
1914 Die Filmfabrik Wolfen stellt bereits ein breites Sort<strong>im</strong>ent von Pack-, Roll-, Spezial- und<br />
Klarscheibenfilmen her.<br />
1916 Die Chemische Fabrik Grieshe<strong>im</strong> Elektron und die AGFA vereinigen sich mit anderen<br />
führenden deutschen Chemie-Unternehmen zur "Interessengemeinschaft der deutschen<br />
Teerfarbenfabriken".<br />
Die Produktion der Filmfabrik beträgt bereits 25 Mio. Meter Film.<br />
In Bitterfeld geht das Aluminiumwerk I mit 4.000 t Jahresproduktion in Betrieb.<br />
1917/<br />
1921 Die Bitterfelder chemischen Werke erwerben große Kohlenfelder: Südlich und südwestlich<br />
von Bitterfeld ca. 400 ha und bei Muldenstein 310 ha, damit besitzt die Großchemie 90 % der<br />
Bitterfelder Lagerstätten.<br />
1918 Am 21. Juni wird vom damals weltgrößten Wärmekraftwerk in Zschornewitz bei Bitterfeld<br />
der erste Strom nach Berlin abgegeben.<br />
1921 Abschluss der 2. Ausbaustufe der Filmfabrik mitAngebotserweiterung durch Röntgenfilm<br />
(1 922), Phototechnischen Film (1925), Negativ-sowie Positiv-Ton-Film.<br />
Errichten eines "Rauchgas-Labors", mit meteorologischer Station zur<br />
Luftschadstoffüberwachung durch die Fa. Chemische Fabrik Grieshe<strong>im</strong> Elektron.<br />
1922 Kunstseideund Stapelfaser werden in einer neuen Wolfener Anlage erstmals hergestellt.<br />
1923 In Bitterfeld wird die Chloralkalielektrolyse auf Quecksilberzellen umgestellt.<br />
1924 Im Werk Nord von Bitterfeld beginnt die Molybdän- und Wolfram-Metall-Produktion.<br />
1925 Zwei 2.000 kW-Phosphoröfengehen in Bitterfeld ans Netz.<br />
Am 2. Dezember erfolgt die Gründung der IG FARBEN INDUSTRIE AG, Frankfurt (Main);<br />
Bitterfeldwird Sitz der Betriebsgemeinschaft Mitteldeutschland.<br />
1926 Die Braunkohleförderung<strong>im</strong> Bitterfelder Revier n<strong>im</strong>mt in Deutschland eine Spitzenposition<br />
ein. Mit 8 Mio. Tonnen beträgt sie 7 % der deutschen und 5 % der Welterzeugung. Die<br />
Kraftwerke verbrauchen 53 % der Rohbraunkohle und 20 % werden brikettiert.<br />
Die Produktionvon Triphenylphosphatwird in Bitterfeld aufgenommen.<br />
5
<strong>Ein</strong> Großauftrag zur Herstellungvon "Elektron"-Gussteilen bringt der Bitterfelder<br />
Leichtmetallherstellunggroßen Aufschwung; in Gestalt der Luftschiffe "Bremen" und "Graf<br />
Zeppelin" überquert Leichtmetallaus Bitterfeld 1928 den Atlantik.<br />
1928 Am 17. Januar findet unter Leitung von Dr. GRÜTZNER,Reg.-Präsident Merseburg, in<br />
Bitterfeldeine Versammlung statt, die den Erhalt der 3.000 Morgengroßen Waldbestände in<br />
der Goitzsche und das Aufforsten ausgekohlter Ländereienzum Ziel hat; ein bis zwei Jahre<br />
später beginnen umfangreicheAnpflanzungen auf den Abraumhalden der Grube Johannes.<br />
Beginn der Hochpolymer-Faserforschungin der Filmfabrik.<br />
In Bitterfeldwerden die ersten Versuche zur fabrikmäßigen Herstellung von PVC gemacht.<br />
1929 Aufnahme der Vistra- und Stapelfaserproduktionin Wolfen.<br />
1930 Die Filmfabrikwird Hauptwerk innerhalb der IG-Farben-SparteIll (Photografica, Kunstseide,<br />
Vistra und Riechstoffe).<br />
1931 Beginn erster Arbeiten zur Polyacrylnitrilfaser,die bis 1943 zu ersten brauchbaren<br />
Labormustern reifen.<br />
Die einst weltbekannten Greppiner Werke beenden eine 60jährige Produktionsgeschichte<br />
nach dem Erschöpfender Kohlenfeldervon Grube Johannes und Grube Greppin.<br />
1932 In Bitterfeldwerden erstmals Ferrovanadin, Ferromolybdänund Vanadinsäure hergestellt.<br />
1934 Die Erzeugung der PeCe-Faser als erste vollsynthetische Faser der Welt gelingt in der<br />
Filmfabrik. Im gleichen Jahr wird der ISOPAN-Film produziert.<br />
1936 Prof. Dr. John EGGERT stellt <strong>im</strong> Haus der Deutschen Presse in Berlin den "Agfacolor Neu",<br />
den ersten Mehrschichtenfarbfilmmit chromogener Entwicklung der Weltöffentlichkeit vor.<br />
Die erste Ofenstraße der Wolfener Gipsschwefelsäurefabrik (MÜLLERIKÜHNE-Verfahren)<br />
geht in Betrieb, <strong>im</strong> Jahr darauf folgt die zweite.<br />
1938 Beginn der Arbeiten an der Polyamidfaser(Perlon) in Wolfen.<br />
In Bitterfeldund Wolfen wird PVC erstmals großtechnisch hergestellt.<br />
Prof. Dr. GRIESSBACH führt den Kunstharz-IonenaustauscherWOFATIT zur<br />
Produktionsreife.<br />
1943 Die Filmfabrik Wolfen ist der größe Film- und Chemiefaserproduzent Europas.<br />
Nach der Zerstörung der Anlagen in Leverkusen beginnt die FilmfabrikWolfen mit der<br />
Magnetband-Fertigung.<br />
1944 Im Werk Süd von Grieshe<strong>im</strong> Elektronwird eine 30.000 t Schmiedepresse als größte<br />
<strong>Ein</strong>richtung dieser Art in Europa gebaut; sie fertigt Halbzeugefür den Flugzeugbau. Nach<br />
Kriegsendegeht die Anlage als Reparationsobjektin die Sowjetunion.<br />
1945 Am 19/20.4. befreien amerikanischeTruppen Bitterfeld. In den Bitterfelder Chemieanlagen<br />
hat der Krieg nur geringfügige Schäden hinterlassen. In Wolfen sind 14 % derAnlagen total<br />
zerstört; Know how und Maschinen werden amerikanische Kriegsbeute. Zahlreiche<br />
Wissenschaftler der Filmfabrikverlassen das Werk.<br />
Nach <strong>Ein</strong>zug der Sowjets, Anfang Juli, wird die Filmfabrik militäradminstrativgeleitet und<br />
dient als materielleund personelle Quelle von Reparationen.<br />
1946 Am 22.7. werden Film- und Farbenfabrik SAG-Betriebe,woraus in Folge die Trennung der<br />
Agfa-Betriebe entsteht.<br />
Wissenschaftliche Belebung führt zu Produkt-Premierenbei Viskosedarm, Polyamidseide,draht<br />
und -borsten (Perlon), S/W- und Color- sowie Pigment- und Lichtpauspapieren.<br />
Erstmals werden in Bitterfeld AI/Ni/Co-Gußmagnetengefertigt.<br />
1947 Produktionsbeginnvon DEDERON-Seide,Zellwatte und Ernte-Bindegarnin der Filmfabrik.<br />
1948 Im Januar wird die Erzeugung synthetischer Edelsteinein Bitterfeldwieder aufgenommen.<br />
Beginn der Aufschlussarbeiten in der Grube Goitzsche.<br />
1949 DEDERON-Angelschnurund Hygienezellstofferweiterndie Produktpaletteder Filmfabrik.<br />
1950 In Bitterfeld werden 15.000 Jahrestonnen Hüttenaluminiumerzeugt.<br />
1951 Die Bitterfelderchemische Industriewird zum Versuchsfeld sowjetischer<br />
Wettbewerbsmethoden; Namenwie Kowaljow, Nina Naserowa und Lossinskiwerden zu<br />
Schlagwörtern. Der Produktionsstanddes Jahres 1944 wird erreicht.<br />
Aufschlussbeginn <strong>im</strong> Tagebau Muldenstein.<br />
6
1952 Zum Jahresbeginn fabriziert in Bitterfeld eine Versuchsanlage das Lösungsmittel<br />
Methylenchlorid.<br />
Im Februar produziert eine Neuanlage über 1 Mio. m² Fußbodenbelag, gleichzeitig fertigt<br />
man die ersten VINIDUR-Dachrinnen.<br />
Am 1. Mai sind unter den 66 in DDR-Besitz überführten SAG-Betrieben auch derVEB<br />
FarbenfabrikWolfen und der VEB Elektrochemisches Kombinat Bitterfeld(EKB).<br />
Nach 4 Jahre währenden Aufschlussarbeitenwird am 22. September die erste<br />
Rohbraunkohleaus dem Tagebau Goitzsche gefördert.<br />
1953 Die Filmfabrik bringt die PAN-Faser WOLCRYLON auf den Markt.<br />
1954 Ab Jahresbeginn wird die Filmfabrik DDR-Staatsbetrieb.<br />
1956 Im Tagebau Muldenstein beginnt die Kohleförderung<br />
In der Filmfabrik wird die PAN-Faserpalettedurch WOLPRYLA erweitert.<br />
1958 In Bitterfeld beginnt die Verfahrensentwicklung zur Herstellung der Phosphorsäureester-<br />
Verbindung Bi 58. Am 1961wird das Produkt auch kristallingewonnen und als "D<strong>im</strong>ethoat"<br />
bezeichnet.<br />
1959 Das DDR-Chemieprogramm schränkt die Wolfener Faserproduktion ein und verstärkt die<br />
Investitionen <strong>im</strong> Fotobereich.<br />
1960 Am 15.7. erfolgt in Wolfen die Grundsteinlegungfür den Stadtteil Nord, woraus sich die<br />
größte Wohnsiedlung der Region entwickelt.<br />
1962 Die Fernverkehrsstraße 100 zwischen Bitterfeld und Schlaitz und die Bahnlinie zwischen<br />
Bitterfeld und Delitzsch werden verlegt.<br />
Bau eines neuen PVC-Betriebes <strong>im</strong> Werk Nord des EKB.<br />
Die Vielzahl unkontrollierter, Sulfat-und nährstoffreicher Abwassereinleitungen löst in Wolfen<br />
eine Umweltkatastropheaus. Nach Schätzungen gast die Grube Johannes zu dieser Zeit<br />
mehrere Tonnen Schwefelwasserstoff pro Tag aus. Dadurch entstehen in der Filmfabrik<br />
verheerende Produktionsverlustedurch sogenannte "Gelbschleier"auf den Fotomaterialien.<br />
1963 Die FilmfabrikWolfen kündigt unter Druck der DDR-Regierung einseitig das Warenzeichen-<br />
Abkommen mit dem Agfa-Werk in Leverkusen.<br />
1964 Auf der Leipziger-Frühjahrsmesse wird das neue Warenzeichen ORWO ("Original Wolfen")<br />
international eingeführt, einige Erzeugnisse erhalten "Messegold".<br />
1967 Ab Januar ist das EKB an eine aus Leuna kommende Methan-Pipeline angeschlossen. Zum<br />
Jahresende erfolgt ein weiterer Stoffverbund mit Kohlendioxid und Ammoniak. Zukünftig<br />
sollenjährlich 200.000 t Ammoniak aus Leune in Bitterfeld und Wolfen umgesetzt werden.<br />
Die DEDERON-Feinseide-Produktionwird in der Filmfabrikeingestellt.<br />
1968 <strong>Ein</strong>führung des Diapositiv-Films UT 18 - der erste ORWOCHROM-Film.<br />
Am 11. Juli zerstört eine schwere Explosion den PVC-Betrieb des EKB.<br />
1969 Das Elektrochemische Kombinat Bitterfeld (EKB) und der VEB Farbenfabrik Wolfen<br />
vereinigen sich zum VEB Chemiekombinat Bitterfeld (CKB).<br />
In der Filmfabrik wird die Fertigung der DEDERON-Erzeugnisse Cordseide, Draht und<br />
Borsten eingestellt.<br />
1970 Bildung des Fotochemischen Kombinats(FCK) mit dem Stammbetrieb in Wolfen.<br />
1975 Am 1. Mai beginnt die sieben Monate währende Flutung des 600 ha großen Muldestausee,<br />
der aus dem 1974 stillgelegten Tagebau Muldenstein durch Auskohlung von 126 Mio.<br />
Tonnen entstand. Die Muldewasserqualität verbessert sich dadurch erheblich.<br />
Die Filmfabrik Wolfen führt umfangreiche Rationalisierungen zur Produktionssteigerung von<br />
Positiv-Colormaterialdurch.<br />
1976 Die Inbetriebnahme eines neuen Erdgaskraftwerks trägt maßgeblich zur Minderung des<br />
Staubniederschlags in Bitterfeld und Umgebung bei. (s. Daten in 3.2)<br />
1980 Die Ortschaft Niemegkwird ein Opfer der "Überbaggerung".<br />
Inbetriebnahme der Glaubersalz-Rückgewinnungaus dem Spinnbad der Wolfener<br />
Zellwolleherstellung.<br />
1981 Inbetriebnahme des BetriebesChlor IV bei Greppin.<br />
Nach sensationellen, kilogrammschweren Bernsteinfunden bei Bitterfeldteilt die DDR-<br />
Presse mit, dass dieser Rohstoff künftig zu den speziellen Naturreichtümern des Landes<br />
7
zählt und auch über die Jahrtausendwende abgebaut werde. Die bis zuletzt<br />
gehe<strong>im</strong>nisumwitterte lokale Förderung betrug 40-50 t/a bei einem geschätzten Vorrat von<br />
1.000t. Im 22 Mio. Jahre alten Bernstein findet man bis zu 5 % Inklusen.<br />
1984 Das Dorf Döbern wird "überbaggert".<br />
1985 Mit dem Produkt ORWOANALYT versucht die Filmfabrikden <strong>Ein</strong>stieg in eine neue Branche.<br />
1986 Im August geht eine neue Filmaufarbeitung in Betrieb.<br />
1988 Im Chemiekombinat Bitterfeld wird das Aluminiumwerk I stillgelegt.<br />
Inbetriebnahme der modernsten Chloratfabrik Europas (stillgelegt 1993).<br />
1989 Im Juli n<strong>im</strong>mt <strong>im</strong> Chemiekombinat Bitterfeldeine Pilotanlagezur Herstellung von<br />
Gluconsäure nach einem modernen mikrobiologischen Verfahren die Fabrikation auf.<br />
Am 1. November verlassen die Chefs der betrieblichen SED- und Gewerkschaftsführungen<br />
unter dem Druck der Arbeitnehmer ihre Posten. Wenig später nehmen auch die<br />
Generaldirektoren"den Hut".<br />
1989-<br />
1990 In den Altanlagen des Filmfabrik-Fasersektors und des Fotobereichs sowie in der Chemie<br />
AG Bitterfeld/Wolfenerfolgen aus Umweltschutz- und Absatzgründen flächenhafte<br />
Stillegungen.<br />
1990 Zum Jahresbeginn rückt eine Publikation <strong>im</strong> deutschen NachrichtenmagazinDER SPIEGEL<br />
die BitterfelderRegion in die Nähe von Seveso und Tschernobyl; Reportagen gehen in alle<br />
Welt und tausende Besucher beteiligensich am "Katastrophen-Tourismus". Millionenbeträge<br />
für Umweltsanierung fließen in die Region.<br />
Am 1. Juni gründetsich die ChemieAG Bitterfeld/Wolfen.<br />
1991ff.<br />
1991<br />
1992<br />
1993<br />
Privatisierung sowie Beschäftigungs-, Qualifizierungs- und Sanierungsgesellschaften<br />
versuchen, bis zur Neuansiedlung von Firmen, die Arbeitslosigkeit zu mildern.<br />
Die Firma HERAEUS GmbH Hanau beginnt Mitte Dezember mit dem Errichten einer<br />
modernen Anlage zur Herstellung von synthetischem Quarzglas in Bitterfeld(Investvolumen<br />
91 Mio. DM) .<br />
Im Frühjahr findet die 1. Bitterfelder-Umwelt-Konferenzstatt; sie verdeutlicht, dass die<br />
Umwelt dieser Region zu den bestuntersuchtesten Deutschlands zählt.<br />
Das Sprengen eines 90 Meter hohen Kraftwerkschornsteins auf dem Gelände der Filmfabrik<br />
ist der ,,Startschuss" für den forcierten Rückbau veralteter Industrieanlagen, um die<br />
Grundlagen für das Entstehen eines modernen Gewerbe- und Industrieparks (GIP<br />
Wolfen/Thalhe<strong>im</strong>) zu schaffen.<br />
Am 12. Oktober ist Grundsteinlegung für die BAYER Bitterfeld GmbH, die auf 53 ha in<br />
Greppin 750 Mio. DM investiert.<br />
Am 26. Januar ist Richtfest bei der BAYER Bitterfeld GmbH. Ab 1994 will das<br />
Unternehmen 5.000 t/a Methylcellulose, 50.000 Tonnen Lackharze und 150 Mio. Packg.<br />
Schmerztablettenfertigen. Bis zum 1.Januar 1999 werden über 900 Mio. DM investiert<br />
und mehr als 650 Arbeitsplätze geschaffen. Als vierter Fertigungsbereichwird ein<br />
lonenaustauscherbetrieb errichtet.<br />
Die Wolfener Schwefelsäure und Zement GmbH (WSZ) modernisiert mit einer 5 Mio.<br />
DM-Investition die alte zwischen 1936 und 1938gebaute Gipsschwefelsäurefabrikzu<br />
einem Recycling-Unternehmen.<br />
Im Februar wird in der für 75 Mio. DM neu errichteten HERAEUS-Quarzglas GmbH<br />
Bitterfeld das erste Quarzglas hergestellt.<br />
Am 31. März wird die 1909 gegründete Bitterfelder Brikettfabrik der ehemaligen<br />
Braunkohlengrube,,Leopold" geschlossen.<br />
Die Mitteldeutsche BraunkohleAG (MIBRAG) stellt die Bernstein-Förderungein.<br />
Bei Anwesenheit von Bundes-Umweltminister Töpfer wird am 15. Juli Richtfest am<br />
Großklärwerk Bitterfeld/Wolfen gefeiert und durch Sprengung der restlichen vier Schlote<br />
die charakteristische Bitterfelder Schornstein-Kulisse <strong>im</strong> Süden der Chemie AG<br />
beseitigt.<br />
Im September werden am 1975 gebauten Abluftschornstein der Wolfener Zellwolleund<br />
Viskosefaserherstellung, dem einst mit 165 m höchsten Schornstein der Region,<br />
nach einjährigen und rein mechanisch geführten Rückbauarbeiten die letzten<br />
Kubikmeter Stahlbeton abgetragen.<br />
8
1893 - ein historisches Datum für Bitterfeld<br />
"Die Chemie kommt zur Kohle"<br />
Karl KRETSCHMER, Sandersdorf<br />
(aus: Beiträge zur Bitterfelder Industriegeschichte, Heft 1, Seite 37-39)<br />
Schon lange bevor das Ausmaß der Industrialisierungals Maßstab wirtschaftlicher<br />
Verhältnisse galt, hob sich Bitterfeld aus dem bäuerlichen Gepräge des Landes heraus<br />
und gewann als Tuchmacherstadt überregionale Bedeutung.<br />
Mit der bergmännischen Braunkohlegewinnung ab 1839 war die Grundlage geschaffen<br />
für eine neue Wirtschaftsstruktur, die mit Brikettfabriken,Ziegeleien, Steinzeug- und<br />
Tonröhrenindustrie, Maschinenfabriken und chemischer Großindustrie Konturen<br />
annahm und damit Bitterfeld weit über Deutschland hinaus bekannt machte.<br />
Entscheidend war dabei vor allem die günstige Verkehrslage, denn Bitterfeld wurde<br />
zwischen 1857 bis 1860 ein bedeutender Eisenbahnknotenpunkt.<br />
Damit waren die entscheidenden Vorbedingungen für die Entwicklung der Bitterfelder<br />
Industrie gegeben; es wurden neue Absatzgebiete gefunden, und es entstanden neue<br />
Indust r iezweige.<br />
Aus der alten Tuchmacherstadt Bitterfeldwar eine Stadt der Keramikindustrie und der<br />
Braunkohle geworden, auch der Maschinenbau hatte sich rasch als Folgeindustrie<br />
entwickelt sowie Papier- und Dachpappenfabriken.<br />
Etwa nach 1890 hatte der Bitterfelder Bergbau mit enormen Absatzschwierigkeiten zu<br />
kämpfen, andere hier ansässige Industrien hatten ähnliche Probleme. Nach<br />
schwierigenAnfängen und einer verheißungsvollen Entwicklung erlebte die<br />
Industrialisierungdes Bitterfelder Raumes einen jähen Rückgang.<br />
In dieser Situation vollzog sich ein wesentlicher, aber auch folgenreicher Schritt für die<br />
Weiterentwicklung unserer Region - das Interesse der chemischen Großindustrie für<br />
dieses Gebiet. Damit begann ab 1893 ein neuer Abschnitt in der industriellen<br />
Entwicklung, der nicht zufällig war.<br />
In den sogenannten "Gründerjahren"war nämlich die Nachfrage der Industrie und der<br />
Bevölkerung nach chemisch-technischenund pharmazeutischen Erzeugnissen, nach<br />
Seifen, Papier, Farben und Textilien enorm gewachsen. Demzufolge mußten neue<br />
Produktionseinrichtungen geschaffen und moderne Technologien entwickelt werden,<br />
um rapide steigenden Bedarf, auch <strong>im</strong> Ergebnis der damaligen<br />
"Bevölkerungsexplosion", abdecken zu können.<br />
Der Aufbau einer leistungsfähigen chemischen Großindustriewar damit zwingend<br />
notwendig. Chemischer Ausgangsstoff für viele Bedarfs- und Industriegüterwar das<br />
Kalisalz, das in umfangreichen Lagerstätten<strong>im</strong> mitteldeutschen Raum vorhanden war.<br />
Durch die Chlor-Alkali-Elektrolysekönnen daraus Grundchemikalien gewonnen<br />
werden, die in vielen Industriezweigenzum <strong>Ein</strong>satz kommen.<br />
9
Da aber die Elektrochemienur in technischen Großanlagen rentabel ist, begann die<br />
deutsche chemische Industrie nach günstigen Standorten zu suchen, die opt<strong>im</strong>ale<br />
Bedingungen, vor allem eine billige Energiebasisfür diesen neuen energieintensiven<br />
Industriezweig, garantieren.<br />
Diese Bedingungen bot das Bitterfelder Gebiet.<br />
Das waren z.B. die natürlichen Bedingungen,wie<br />
- die reichen Braunkohlevorkommenfür die Energieerzeugung,<br />
- die Nähe und die guten Abbaumöglichkeiten der Kalisalze <strong>im</strong> Bernburger und<br />
Staßfurter Revier als chemischen Ausgangsstoff,<br />
- die umfangreichen Wasserreserven der Mulde, die Pumpwasser der Tagebaue<br />
sowie die günstigen Möglichkeitenzur Abwasserrückleitung bis hin zur Nutzung der<br />
Tagebau-Restlöcherals Deponien,<br />
- die reichhaltigen Ton- und Lehmvorkommen <strong>im</strong> Abraum für die Baustoffindustrie.<br />
Zum anderen waren das die vorhandenen wirtschaftlichen Bedingungen, wie<br />
- der Billigpreis der Bitterfelder Kohle<br />
(1895: 1 Jahres PS Bitterfelder Kohle = 20,00 Mark; 1 Jahres PS Steinkohle<br />
dagegen = 47,00 Mark)<br />
- der Niedriglohnder Bitterfelder Bergleute,<br />
- die äußerst niedrigen Bodenpreise,<br />
- die guten Verkehrsbedingungen (Eisenbahnknotenpunkt),<br />
- die hochproduktiv arbeitende Baustoffindustrie (Ziegeleien, Tonröhrenfabriken),<br />
- die Möglichkeit, aus dem Umland Handwerker abzuziehen und sich an die<br />
städtischen Versorgungs-und Dienstleistungseinrichtungen anzuschließen.<br />
Der ausschlaggebende Standortvorteilfür diesen energieintensiven Industriezweig<br />
waren aber die reichhaltigen Braunkohlelagerstätten <strong>im</strong> Bitterfelder Revier und die<br />
niedrigen Förderkosten. Da es zur damaligen Zeit um 1893/94 in Mitteldeutschland<br />
noch kein Energieverbundnetzgab, war es nicht möglich, die Energieerzeugung und<br />
die Chemotechnik (Elektrolysen) räumlich zu trennen.<br />
Die Chemie mußte also zur Kohle kommen.<br />
<strong>Ein</strong>er der ersten, der diese Standortvorteile erkannte, war Dr. Walther Rathenau, der<br />
spätere deutsche Außenminister. Anfang 1893 unternahm Walther Rathenau eine<br />
Studienreise in das mitteldeutsche Braunkohlerevier, auf der er auch in Bitterfelds<br />
UmgebungTerrain und Kohlegruben besichtigte. Er schlug seinem Vater Emil<br />
Rathenau, Vorsitzender der AEG, vor, die neuen Chemieanlagen in Bitterfeld zu<br />
errichten. Dazu wurden am 28.6.1893 die Elektrochemischen Werke Berlin gegründet,<br />
mit Dr. Walther Rathenau als Geschäftsführer. Die Verhandlungen <strong>im</strong> Bitterfelder<br />
Raum konzentrierten sich auf die Grube "Hermine". Am 3.8.1893 kam es dann mit Frau<br />
Kommerzienrat Benndorf, Leipzig, der Grubenbesitzerin, zum Abschluß eines<br />
Vertrages über Kohlelieferungen.<br />
Gleichzeitigwurden für das künftige Fabrikgelände 50 Morgen Land in der Nähe der<br />
Grube "Hermine" erworben.<br />
10
85 Jahre Filmfabrik Wolfen<br />
Manfred GILL, Wolfen<br />
aus: Beiträgezur Bitterfelder lndustriegeschichte (Heft 1)<br />
Wenige Monate später, nachdem Walther Rathenau die überaus günstigen<br />
Bedingungenfüreine Industrieansiedlung <strong>im</strong> Raum Bitterfeld/Wolfen erkannt und in<br />
Bitterfeld die Elektrochemischen Werke GmbH aufgebaut hatte, folgte seinem Vorbild<br />
ein weiteres bedeutendes Berliner Chemieunternehmen.<br />
Am 28. Juni 1894 erwarb die Berliner Aktiengesellschaft für Anilinfabrikation, kurz<br />
Agfa, zu besonders günstigen Konditionen von den Gemeinden Greppin, Wolfen und<br />
Thalhe<strong>im</strong> 249 Morgen und 113 Quadratruthen Land zur Errichtung neuer Fabriken.<br />
Für eine Quadratruthe Bauland zahlte das Unternehmen 2,96 RM den einhe<strong>im</strong>ischen<br />
Bauern, in Berlin kostete zum gleichen Zeitpunkt eine Quadratruthe Bauland 361 RM!<br />
Am 2. Februar 1895 erhielt die Agfa die Generalkonzession zur Errichtung einer<br />
Farbenfabrik und für die Produktion von Salpetersäure, Nitrobenzol, Anilin, Naphtol,<br />
Naphtylaminsulfonsäuren, Benzidin, Azo- und Anilinfarben.<br />
Am 20. Mai 1895 erfolgte der erste Spatenstich für den Aufbau der neuen Farbenfabrik<br />
in einer bis dahin noch nicht gekannten D<strong>im</strong>ension. An die Stelle der 4,71 Hektar<br />
großen Farbenfabrik in Berlin-Treptow trat in den nächsten Jahren ein modernes Werk<br />
in Wolfen, das eine Fläche von 103 Hektar einnahm. Bereits zehn Monate nach dem<br />
ersten Spatenstich nahm die Benzidinfabrik als erste Produktionsstätte in der neuen<br />
Farbenfabrik die Arbeit auf. Am 27. April 1896 begann die Rubinfabrik mit der<br />
Herstellung der ersten Farben in Wolfen. 216 Arbeitskräfte produzierten in diesem<br />
ersten Jahr 63.767 Kilo Farbstoffe. Bereits 1897 war das Werk in allen Teilen<br />
fertiggestellt und produzierte so erfolgreich und gewinnbringend, dass die<br />
Unternehmensleitung Überlegungen anstellte, die in Berlin räumlich stark<br />
eingeschränkte und durch die Rauchfahnen der Berlin-Görlitzer Bahn ständig belastete<br />
Filmproduktion durch den Neubau einer Filmfabrik <strong>im</strong> Raum Wolfen-Greppin zu<br />
ersetzen. Gefördert wurden diese Überlegungen noch durch das <strong>im</strong> Dreieck Halle-<br />
Leipzig-Dessau vorhandene billige und große Arbeitskräftepotential und vor allem<br />
durch den geringen Energiepreis. In Bitterfeld kostete 1 t Förderkohle 1,90 RM, <strong>im</strong><br />
benachbarten Bornaer Revier dagegen schon 2,85 RM.<br />
Die schlechte wirtschaftliche Lage der Braunkohlenindustrie <strong>im</strong> Raum Bitterfeld<br />
ermöglichte es der Agfa praktisch zu Schleuderpreisen neben dem nötigen Bauland<br />
auch noch nicht erschlossene Kohlengruben zu erwerben und ganz nebenbei<br />
unliebsame Konkurrenz, wie die Briketffabrik der Greppiner Werke auszuschalten. So<br />
erwarb die Agfa 1900 die Grube Hermine und einige Jahre später die "Deutsche<br />
Grube".<br />
Trotz der Dringlichkeit, eine neue, bedeutend größere Filmfabrik in sauberer<br />
Umgebung zu errichten, dauerte es noch mehrere Jahre, bedingt durch einen ständig<br />
schwankenden Rohfi<strong>im</strong>absatz, bis sich die Unternehmensleitung endlich doch<br />
entschloss, eine neue Filmfabrik zu errichten. Letzter Anstoß zu dieser Entscheidung<br />
war ein größerer Lieferauftrag, den das Unternehmen 1907 von einer Pariser Firma<br />
erhielt.<br />
Wörtlich stellte der Vorstand des Unternehmens fest:<br />
11
"Von verschiedenen Seiten wurden wiraufgefordert, eine Fabrik zu errichten, um den<br />
ganzen Bedarf (an Kinefilm - Anmerkung d.A.) der einzelnen Firmen zu decken. Nur<br />
dann hätten sich diese Firmen von Eastman, der ein Monopol für Kinefilm hat,<br />
losmachen können. Wir waren jedoch der Ansicht, dass wir mit der Errichtung einer<br />
Fabrik zur Herstellung von Kinefilm nicht eher vorgehen könnten, als bis es uns<br />
gelungenwäre, einen unentflammbaren Film aus Acetylcellulose herzustellen. Seit<br />
Ende 1906 arbeiten wir ununterbrochen an der Herstellung einer für Kinefilm<br />
geeigneten Acetylcellulose. Im Herbst des vergangenen Jahres gelang es uns, diese<br />
Versuche zum Abschluss zu bringen und eine Acetylcellulose herzustellen, welche<br />
einen brauchbaren Kinefilm ergab.<br />
...<br />
Wir würden in Paris jedes Quantum dieses Kinefilms verkaufen können, wenn wir es<br />
herstellten könnten.<br />
...<br />
Um nicht zu viel Zeit zu verlieren, soll jedoch <strong>im</strong> laufendenJahr möglichst bald eine<br />
Kinefilmfabrikin Greppin errichtet werden.<br />
...<br />
Wir fassen vorläufig ins Auge, eine Fabrik zu errichten, die, wenn sie ausgebaut ist, 20<br />
MillionenMeter Kinefilmherstellen kann. Anfangen wollen wir mit einer Produktionvon<br />
10 Millionen Meter. Die Fabrikation kann nur allmählich gesteigert werden in dem<br />
Maße, als das Personal sich einarbeitet. Unsere Ansicht ist, <strong>im</strong> Anfange des Sommers<br />
mit dem Bau in Greppin zu beginnen und die Gebäude bis zum Winter unter Dach zu<br />
bringen, damit während des Winters die Apparate aufgestellt werden können. Wenn<br />
nichts dazwischen kommt, müsste die Fabrikation<strong>im</strong> Anfang des Sommers <strong>im</strong> nächsten<br />
Jahre (1910 - Anmerkung d.A.) beginnen können."<br />
Als Standort wurde bereits 1894 erworbenes Bauland an der Gemarkungsgrenze<br />
Greppin-Thalhe<strong>im</strong>-Wolfen ausgewählt, das die Farbenfabrik bis dahin zur Verrieselung<br />
der Rückstände ihrer Produktion genutzt hatte.<br />
Im März 1909 begannen die Entwurfsarbeitenfür die neu zu errichtende Filmfabrik.<br />
Von Ende Mai bis zum 15. Juni 1909wurden vom alten Wolfener Bahnhof, wo die Agfa<br />
für die Farbenfabrik bereits einen Gleisanschluss an die Staatsbahn besaß, ein<br />
Bahngleis in das Gelände der zukünftigen Filmfabrik verlegt und mit dem Antransport<br />
der Baumaterialien begonnen.<br />
Am 23. Juli 1909 erteilte der Amtsvorsteher Schuster die Bauerlaubnis "eine Filmfabrik<br />
zu errichten".<br />
Innerhalb eines Jahres vermauerten 13 Poliere und 500 Maurer 6,5 Millionen Steine<br />
und erstellten industrie-architektonisch sehr schöne Gebäude, die heute unter<br />
Denkmalschutzstehen. 2 Meister und 45 Arbeiter der Agfa installierten die Anlagen<br />
und Maschinenfür die Kinefilmproduktion - eine für die damalige Zeit einzigartige<br />
ingenieurtechnische Leistung!<br />
Bereits am 19. Juli 1910 erfolgte durch den zuständigen Baumeister die<br />
Gebrauchsabnahme, und damit konnte die Filmfabrik die Produktion aufnehmen.<br />
Innerhalb eines Jahres war auf "grüner Wiese" die größte Filmfabrik Europas entstanden.<br />
12
aus: BitterfelderChronik S. 112<br />
aus: Bitterfelder Chronik S. 191<br />
13
1.3 Die Bitterfelder Zelle 1 - <strong>Ein</strong> lnnovationsschub<br />
Die Chloralkalielektrolyse zählt zu den grundlegenden chemisch-technischen Verfahren, mit<br />
denen ein in der Natur nicht elementar vefügbarer Grundstoff für den industriellen Bedarf<br />
gewonnen wird. Die Produktion erfolgte zunächst in Diaphragmazellen - heute überwiegend in<br />
Quecksilberzelien. Die unterschiedlichen Betriebsdaten sind vergleichend aufgeführt:<br />
Die Bitterfelder Zelle 2 wurde neben einer Vielzahl anderer Zelltypen (u.a. auch die in<br />
Bitterfeld/Wolfen entwickelte WOFA-Zelle) zu Produktions-und Versuchszwecken <strong>im</strong> Werk<br />
Nordbis 1980 betrieben. WeitereVerbesserungen der Zelle wurden zwar entwickelt, insgesamt<br />
blieb die Produktionsanlage auf dem Stand von 1970 stehen. Im Vergleich zu amerikanischen<br />
1 zusammengestellt nach Literaturangaben [1]-S176ff, [2] - [5]<br />
2 Herrn Dr. Dötzel (Wolfen) ist für seine Unterstützung und vielen Hinweise besonders zu danken.<br />
Unterstützung wurde auch gefunden bei der Bitterfelder Chlor-Alkali GmbH, der Entwicklungs-u.<br />
Wirtschaftsförderungsges. Bitterfeld-Wolfen mbH und vielen Menschen in Sachsen-Anhalt, die in vielen<br />
Telefongesprächen stets freundlich mit Rat und Tat geholfen haben.<br />
14
Entwicklungen (z.B. titanisierte Graphitelektroden) konnte die Zelle nicht konkurrenzfähig<br />
bleiben. Zur Weiterarbeit fehlten insbesondere finanzielle Ressourcen. Politische Entscheidungen<br />
führten schließlich zum Aufbau einer neuen Produktionsanlage (Chlor IV)mit amerikanischer<br />
Technologie.<br />
Literaturhinweise:<br />
[1] W. Schade: <strong>Ein</strong>führung in die chemische Technologie, VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften,<br />
Berlin 1980<br />
[2] F. Welsch: Geschichte der chemischen Industrie, VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften,<br />
Berlin 1981<br />
[3] Vorstand der Chemie AG Bitterfeld Wolfen (Hrsg.): Bitterfelder Chronik -100 Jahre<br />
<strong>Chemiestandort</strong> Bitterfeld-Wolfen, Chemie AG Bitterfeld Wolfen 1993<br />
[4] E. Fischer: 100 Jahre industrielle Alkalichloridelektrolyse in der Chemieregion Bitterfeld-<br />
Wolfen, in Chemische Technik 48 (1996), 43-52<br />
[5] Autorenkollektiv der Abteilung Agitation/Propaganda und der Geschichtskommission der<br />
Kreisleitung der SED <strong>im</strong> Chemiekombinat Bitterfeld (Hrsg.): Großbaustelle Chlor IV -<br />
Feld der Bewährung, Heft 5 der Reihe »... aus der Geschichte des VEB Chemiekombinat<br />
Bitterfeld«<br />
[6] H. Ebert: Elektrochemie, Vogel-Verlag, Würzburg 1972<br />
[7] Folienserie des Fonds der Chemischen Industrie 24 »Die Chemie des Chlors und seiner<br />
Verbindungen«, Fonds der Chemischen Industrie, Frankfurt 1992<br />
[8] E. Heitz und G. Kreysa: Grundlagen der technischen Elektrochemie: erw. Fassung eines<br />
Dechema-Exper<strong>im</strong>entalkurses, Verlag Chemie, Weinhe<strong>im</strong> 1977<br />
[9] Ullmann's Encyclopedia of Industrial Chemistry -Band 9, VCH, Weinhe<strong>im</strong> 1986,<br />
S.399ff<br />
[10] G. Grünzig u.a.: Entwicklung neuer Diaphragmazellen zur Chloralkalielektrolyse, in<br />
Chem. Techn. 21 (1969), 604-610<br />
[11] W. Heyder und W. Springemann: Wirtschaftliche Überlegungen zum Problem Quecksilber-<br />
oder Diaphragma-Verfahren bei der Chloralkalielektrolyse, in Chem. Techn. 8<br />
(1956), 702-704<br />
[11] W. Heyder: 60 Jahre Chloralkalielektrolyse, in Chem. Techn. 6 (1954), 702-704<br />
[12] W.Scholtyseck: Salz ist nicht allein zum Salzen da, in Neuer Freih. Bilderbog. (1982), 9<br />
15
aus: ChemiePark Bitterfeld (Hg.): 100 Jahre Chemie in Bitterfeld<br />
16
Abb. 67<br />
Aufbau einer Siemens-Billiter-Zclle<br />
1 Solezuleitung<br />
2 Entnahme der Bäderlauge (= Natronlauge)<br />
4 Chlorabzug<br />
5 Abnahme des iiberschüssigen<br />
3 Wasserstoffentnahme Anolyts<br />
Abb. 68<br />
DDR-Standardzelle (Vertikaldiaphragmazelle)<br />
a) Gesamtansicht b) Katodenblock<br />
1 Solezufluß c) Anodenblock<br />
2 Entnahme der Bäderlauge<br />
3 Chlorabzug<br />
4 Wasserstoffabnahme<br />
18
Aus einem Brief von Dr.Dötzel aus Wolfen<br />
(ehemaliger Mitarbeiter VEB Bitterfeld, Werk Nord)<br />
... meine Tätigkeit ab etwa 1970 galt der lnvestitionsvorbereitung einer neuen<br />
Chloranlage nach dem Diaphragmaverfahren (Chlor IV, betrieben von 1981-1996,<br />
wird z.Z. umgerüstet auf das Membranverfahren). Zunächst sollte aber für diese<br />
Anlage die in Bitterfeld entwickelte DA60-Zelle verwendet werden. Somit bestand<br />
die interessante Situation in der Altdiaphragmaanlage Werk Nord, daß neben den<br />
Billiter-Zellen vom Typ Planrost2 und Wellrost auch die Vertikalzellen "Bitterfelder<br />
Vertikal-Diaphragma-Zelle und die für die Neuanlage vorgesehene DA60 in einer<br />
Anlage getestet werden konnten (über Jahre). In der Wolfener Elektrolyse wurden<br />
zeitgleich die WOFA-Zellenund die DV40-Zellengetestet. Schwerpunkte waren:<br />
Zellenspannung, Spannungsbilanz, Stromausbeute (Verlustreaktionen)<br />
Laugekonzentration und Auswirkungen auf <strong>Ein</strong>dampfkosten und Strom-<br />
ausbeute (gegenläufig)<br />
Laufzeitverhalten u.a.<br />
Das ist natürlich ein weites Feld und soll hier nur angedeutet werden.<br />
Zu einer großen Anlage gehört natürlich noch viel mehr als die Zelle und deren Leistungsfähigkeit,<br />
z.B.:<br />
Solebereitstellung, Soleaufbereitung, Solereinheit (Ca 2+ - und Mg 2+ - Anteile der<br />
Reinsole "verstopfen" das Diaphragma bzw. die Poren und verändern die<br />
Durchströmbarkeit des Diaphragma). Deshalb große Rolle derSolestation!<br />
Anlagen zur Cl2 - und H2-Kühlung,Trocknung und Verdichtung<br />
<strong>Ein</strong>dampfanlage (12%ige NaOH –> 50%ige NaOH), Siedesalzabtrennung<br />
Vorbereitungswerkstatt zum Demontieren und Wiedermontieren derZellen einschließlich<br />
Altdiaphragma entfernen, <strong>im</strong> Falle von DSA(d<strong>im</strong>ensionsstabilen)-<br />
Elektroden: Untersuchung der Anoden auf A ktivschicht / kritische Spannungsabfälle<br />
Die Investition Chlor IV wurde dann letztlich mit modernen MDC55-Zellen realisiert.<br />
RuO2 beschichtete Titan-Streckmetall-Anoden,expandierbar, und das sog. modifizierte<br />
Asbestdiaphragma (80% kurz- und langfasriger Asbest, 20% PTFE-Fasern)<br />
entsprechen auch jetzt noch dem Höchststand be<strong>im</strong> Diaphragmaverfahren:<br />
hohe Stromdichte<br />
günstiger spez. Energiebedarf<br />
gute Stromausbeuten<br />
gleichzeitig gute Produktionsqualitäten bei O2<strong>im</strong> Cl2und NaClO3 in der Zellenlauge<br />
Die reduzierte Fahrweise nach der Wende und letztlich die Stillsetzung haften vor<br />
allem 2 Gründe:<br />
Absatz (Ostmärkte fürz.B. Methylenchlorid verschwanden)<br />
Energiepreis, wir hatten pro kWh Gleichstromenergie 12 Pfg zu zahlen, da ist<br />
man gegenüber 5-6 Pfg/kWh trotz guter Kennziffern zum spez. Bedarf auf verlorenem<br />
Posten<br />
Der Umbau auf das moderne Membranverfahren wird aber in Kürze eine neue<br />
80 kt/a-Cl 2-Anlage entstehen lassen.<br />
Der Anteil der Diaphragma-Anlagen an der Welt-Cl 2-Produktion ist aber noch sehr<br />
hoch (Japan, USA) - aufgrund des hohen Anlagewertes und Kapitalinvestitionen<br />
'Umrüsten' erfolgt zumeist kein Umrüsten auf das Membranverfahmn.<br />
Auf Grund der kanzerogenen Eigenschaffen der Asbesffasern ist aber weltweit<br />
(auch in Bitterfeld) die Umstellung auf asbestfreie Diaphragmen in der Erprobungsphase<br />
(Fasern aus PTFE und RuO 2 das Thema ist aber sehr schwierig:<br />
Asbest hat einzigartige Eigenschaften als Diaphragmamaterial! ...<br />
19<br />
1August 1998<br />
2 siehe E. Fischer, Chem. Technik 48 (1996), 46ff
1.4 Bevölkerungs- und<br />
siedlungsgeographische Folgen der<br />
Industrialisierung<br />
(aus Bitterfelder Chronik, Seite 97)<br />
20
1895:<br />
1897:<br />
1898:<br />
1899:<br />
1901:<br />
1903:<br />
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1950:<br />
1951:<br />
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1962:<br />
88<br />
229<br />
265<br />
300<br />
400<br />
650<br />
800<br />
970<br />
1061<br />
1237<br />
1292<br />
1306<br />
2983<br />
5894<br />
3896<br />
4494<br />
5309<br />
4114<br />
4661<br />
4474<br />
3881<br />
3920<br />
5489<br />
6567<br />
7185<br />
7979<br />
9937<br />
11369<br />
13574<br />
15902<br />
16477<br />
7034<br />
9420<br />
10804<br />
11103<br />
11309<br />
12346<br />
12558<br />
12700<br />
Beschäftigtenzahlen (aus: Heß 1965)<br />
Elektrochemisches Kombinat Bitterfeld<br />
(nur Stammwerk CFGE)<br />
“ “ “<br />
“ “ “<br />
“ “<br />
“ “<br />
“ “<br />
“ “<br />
“ “ “ mit Nebenanlagen u. Pachtbetrieb<br />
“ “ “<br />
“ “ “<br />
“ “ “<br />
“ “ “<br />
“ “ “<br />
1929Arbeiter<br />
Gesamtanlage: CFGE, Elektrochem. Werke, Nebenanl.<br />
“ “ “ “ “<br />
“ “ “ “ “<br />
“ “ “ “ “<br />
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“ “<br />
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“ “ “ “ “<br />
“ “ “ “ “<br />
“ “ “ “ “<br />
“ “ “ “ “<br />
“ “ “<br />
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EKB “<br />
EKB einschl. Aluminiumwerke<br />
“ “ “ “ “<br />
“ “<br />
“ “<br />
“ “<br />
“ “<br />
“ “ “<br />
“ “ “<br />
“ “ “<br />
“ “ “<br />
“ “ “ “ “<br />
21
Farbenfabri k Wolfen<br />
IG Farben-Werke in Mitteldeutschland1928<br />
22
Siedlungstypen 1905<br />
aus: Heß 1965<br />
23
Siedlungstypen 1937<br />
aus: Heß 1965<br />
24
Pendlersituation <strong>im</strong> Bitterfelder Raum (1925)<br />
Im Stadt- und Vorstadtbereich Bitterfeld wohnen (1925)<br />
3569 Arbeiter der CFGE<br />
3104 Arbeiter der Film- und Farbenfabrik<br />
1880 Arbeiter des Braunkohlenbergbaus<br />
<strong>Ein</strong>zugsrichtungen u. <strong>Ein</strong>zugsbereiche d. <strong>Ein</strong>pendler<br />
Arbeitsstätten in<br />
Wohnorte CFGE Film- Berg- Städt. ges.<br />
Farb. bau Industrie<br />
Dessau-Roßlau-Jeßnitz-Raguhn-<br />
Reuden 162 2830 69 18 3182<br />
Zörbig-Löberitz-Ramsin-<br />
Renneritz 181 84 105 32 449<br />
Brehna-Landsberg-Halle 295 190 480 70 1077<br />
Delitzsch-Paupitzsch-Zschortau-<br />
Leipzig 442 597 88 65 1236<br />
Muldenstein-Mühlbeck-<br />
Gräfenhainichen-Brugkemnitz 111 62 34 172 936<br />
Düben-Eilenburg 63 33 3 14 120<br />
aus: Heß 1965<br />
27
2. Strukturwandel als Folge des politischen Umbruchs<br />
2.1 Didaktisch-methodische Hinweise<br />
Strukturwandel wird <strong>im</strong> Sinne einer ganzheitlichen Betrachtung nicht nur als<br />
geographisches Phänomen verstanden, sondern bezieht sich auch auf die<br />
Veränderung der umweltpolitischen und ökonomischen Strukturen. Wie an<br />
zahlreichen Materialien zu erkennen ist, hatte das weitreichende Konsequenzen z.B.<br />
für die chemische Industrie, die von den Lernenden am konkreten Beispiel<br />
nachvollzogen und anschließend auch bewertet werden können. <strong>Ein</strong>e zeitgemäße<br />
Bewertungwird jedoch nur durch Fortschreibung der hier vorgelegten Daten möglich<br />
sein. Insofern bieten sich Recherchenotwendigkeitenunter <strong>Ein</strong>beziehung der neuen<br />
Medien durch die Schülerinnen und Schüler an.<br />
Das ChemiePark-Konzept hatte Vorbildfunktion für die Gestaltung der unter dem<br />
Druck der Globalisierung und wirtschaftlich enger werdenden Rahmenbedingungen<br />
notwendigen ,,schlanken" Produktion. Das ChemiePark-Konzept basiert auf einer<br />
industriell-stofflichen Vernetzung, die ihre auch zukünftigen Folgen in<br />
gesellschaftlicher Hinsicht zeitigt. Exemplarisch lässt sich dieses an der ,,integrierten"<br />
Quarzglasproduktionzeigen, die es bisher in dieser Form nur in Bitterfeld gibt. Damit<br />
einher geht ein so umfassender Grad an Umstrukturierungen, der die Lernenden zu<br />
einer mehrperspektivischen Betrachtung und einer breit angelegten Reflexion der<br />
Ursachen und Folgen zwingt. Die an den fächerverbindenden Oberthemen orientierte<br />
Gliederung erscheint dabei als eine sinnvolle Basis für die multiperspektivische<br />
Betrachtung dieser lndustrieregion mit besonderer Geschichte.<br />
Die Materialien können sowohl <strong>im</strong> Fachunterricht -z.B. als Folie oder Arbeitspapier -<br />
die Grundlage zur Erarbeitung fachspezifischer Inhalte und Methoden ( z.B. Chlor-<br />
Alkali-Elektrolyse) sein, als auch in gemeinsamen Planungs-, Problemfindungs-,<br />
Erörterungsphasen eine breit angelegte, selbständige Auseinandersetzung mit den<br />
gebotenen Inhalten ermöglichen.<br />
Entsprechendes gilt für die historische Betrachtung z.B. der Produktionsverfahren in<br />
Bitterfeld vor der Wende, die aufgrund spezifischer Bedingungen andere Wege als<br />
die der westlichen Systeme einschlug. Dadurch wurde den nachfolgenden<br />
Generationen ein nur äußerst schwer in den Griff zu bekommendes Altlastenproblem<br />
hinterlassen. Letzteres wird in seinen Ursachen und landschaftsökologischen,<br />
biologischen und chemischen Folgen vorgestellt. Somit lassen sich in den<br />
Chemieunterricht modernste Analysenmethoden "<strong>im</strong> Kontext" behandeln. <strong>Ein</strong><br />
beeindruckendes Beispiel der Problematik und der möglichen, z.T. erfolgreichen<br />
Sanierungsmaßnahmen liefern die Unterlagen zum Silbersee. In Zusammenhang mit<br />
Luft- und Bodenanalysemethoden können technischer und wissenschaftlicher<br />
Fortschritt und deren Grenzen deutlich gemacht werden.<br />
29
2.2 Die Umbruchsituation<br />
IndustriegebietBitterfeld-Wolfen<br />
Siedlungen und Industriestandorte<br />
aus: Kohlmann S. 28<br />
30
inMillionen DM<br />
Struktur der<br />
industriellen (aus: Kohlmann, R. in:Praxis<br />
Warenproduktion<br />
(1985, wertmäßige Anteile) Geographie, H. 12, 1990)<br />
Umsatz und Ergebnis der Chemie AG Bitterfeld-Wolfen<br />
(aus: Bitterfelder Chronik, 1993, Seite 99)<br />
1990 1991 1992 1993 (vorauss.)<br />
Umsatz 914 500 375 300<br />
davon Inland 469 307 263 250<br />
UdSSR-Nachfolgestaaten 183 106 24 1,2<br />
sonstige europ. Staaten 152 15 11 5<br />
Ergebnis -397 -275 -210<br />
31
Beschäftigte anden Hauptstandorten<br />
Erster Arbeitsmarkt<br />
Von der MIBRAG/LMBV waren in den Jahren 1994 und 1995 keine Daten verfügbar.<br />
aus: Landkreis Bitterfeld 1998, S. 14<br />
Diese Entwicklung schlägt sich natürlich in der Arbeitslosenquote <strong>im</strong> Landkreis nieder:<br />
Ab April 1993 erfolgte erstmals die Berechnung der Arbeitslosenquote auf der Basis des Wohnortprinzips und ist damit direkt mit der der alten<br />
Bundesländer vergleichbar. Die letzten Daten beziehen sich auf den Juni 1998.<br />
Quelle: Dienststelle Bitterfeld des Arbeitsamtes Halle<br />
Der Anteil der Frauen betrug <strong>im</strong> Juni 1998 57,0 %, der Anteil der Langzeitarbeitslosen lag bei<br />
% <strong>im</strong> Landkreis.<br />
32<br />
aus: Landkreis Bitterfeld 1998, S. 14
Erwerbstätige <strong>im</strong> Landkreis Bitterfeld<br />
Anmerkung: Die Empfänger von Altersübergangsgeld wurden<br />
nicht mit erfaßt.<br />
Die Arbeitslosen des Landkreises teilen sich mit Stand vom<br />
31.03.93 in folgende Berufsgruppen auf:<br />
Land-, Forst- und Jagdwirtschaft<br />
Berg- und Steinbau<br />
Chemie-, Gas-, Keramikverarbeitung<br />
Metallverarbeitung u. Maschinenbau<br />
Elektriker, Tischler, Maler<br />
Textil und Bekleidung<br />
Bauberufe<br />
Ernährungsberufe<br />
Ingenieure, Techniker, Sonderkräfte<br />
Dienstleistungen, Kaufleute, Lagerund<br />
Transportarbeiter<br />
Verwaltungs- und Büroberufe<br />
Verkehrsberufe<br />
430<br />
30<br />
590<br />
910<br />
270<br />
95<br />
195<br />
570<br />
440<br />
1.150<br />
1.090<br />
280<br />
aus: Landkreis Bitterfeld 1994, S. 12<br />
33
Entwicklung der Arbeitslosigkeit<br />
34
Quelle: Unterlagen des Landesarbeitsamtes Sachsen-Anhalt<br />
36
Sanierungsgesellschaften und Arbeitsmarktsituation<br />
Der ökonomische bzw. ökologische Zusammenbruch vor allem der ehemaligen<br />
Großbetriebe, die Notwendigkeit des Rückbaues verschlissener und nicht mehr benötigter<br />
Gebäude und Anlagen bzw. deren Sanierung und die sozial notwendige<br />
Abfederung der freigesetzten Arbeitskräfte führten nicht nur in der Chemieregion zur<br />
Bildung von Sanierungsgesellschaften. Hier war besonders das Tätigkeitsfeld dieser<br />
Gesellschaften in weiten Bereichen mit ökologischer Sanierung bzw. Renaturierung<br />
verknüpft .<br />
Durch das Auslaufen von arbeitskräfteintensiven Maßnahmen insbesondere <strong>im</strong><br />
Rückbau der Großbetriebe und die verschärften Bedingungen des Arbeitsförderungsreformgesetzes<br />
nahm das Arbeitskräftepotential in den Sanierungsgesellschaften<br />
rapide - hier von 1996 zu 1998 auf etwa die Hälfte - ab. Diese Entwicklung<br />
machte sich auch in einer Zunahme der Arbeitslosenquote bemerkbar. Für die Region<br />
zeichnet sich ab, dass nach einer gewissen Konsolidierung der ökologischen<br />
Probleme ökonomisch-soziale Fragestellungen in den Vordergrund treten und wie in<br />
ganz Sachsen-Anhalt auf eine Lösung drängen.<br />
Anzahl der Beschäftigen jeweils <strong>im</strong> Januar in den Sanierungsgesellschaften<br />
der Chemieregion<br />
Gesellschaft Anzahl der beschäftigenArbeitnehmer jeweils <strong>im</strong> Januar<br />
1996 1997 1998<br />
Gesamt darunter in Gesamt darunter in Gesamt darunter in<br />
ABM §249 h ABM §249 h ABM §249 h/SAM<br />
BQP Bitterfeld 838 691 147 1244 909 655 86 60<br />
Öseg Bitterfeld 1579 14 1 343 473 0 250 58 0 47<br />
GÖS Wolfen/ 1 226 162 1 062 316 128 183 237 8<br />
Thalhe<strong>im</strong><br />
149<br />
Quelle: Unterlagen des Ministeriums für Raumordnung, Landwirtschaft und Umwelt des Landes<br />
Sachsen-An halt<br />
37
Gemeinschaftsaufgabe<br />
Aufwendungen und Dauerarbeitsplätze 1991 bis 1995<br />
Wirtschaftsnahe Infrastruktur<br />
Landkreis lnvestitionsvolumen lnvestitionszuschuss<br />
Land<br />
in Mio. DM in % in Mio. DM in %<br />
Bitterfeld 209,7 5,0 131,8 5,0<br />
Sachsen-Anhalt 4.201,5 100 2.633,6 100<br />
GewerbIiche Wirtschaft<br />
Landkreis lnvestitionsvolumen lnvestitionszuschuss<br />
Land<br />
in Mio. DM in % in Mio. DM in %<br />
Bitterfeld 2.309,2 7,1 509,9 8,2<br />
Sachsen-Anhalt 32.752,8 100 6.214,7 100<br />
Geschaffene bzw. gesicherte Dauerarbeitsplätze<br />
Landkreis Dauerarbeitsplätze Bevölkerung am<br />
Land 31.12.1994<br />
absolut in % absolut in %<br />
Bitterfeld 6.618 3,6 118.394 4,3<br />
Sachsen-Anhalt 183.572 100 2.759.213 100<br />
(aus: Ministeriumfür Raumordnung, Landwirtschaft und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt:<br />
Landesentwicklungsbericht 1996, S. 262 bis 264)<br />
38<br />
Dauerarbeits<br />
plätze<br />
je 1.000 E<br />
55,9<br />
66,5
aus: Landkreis Bitterfeld 1998, S.12<br />
aus: Landkreis Bitterfeld 1998, S. 13<br />
41
Gemeinde<br />
Altjeßnitz<br />
B i tterfe I d<br />
Bobbau<br />
Brehna<br />
Burgkemnitz<br />
Friedersdorf<br />
Glebitzsch<br />
Göttnitz<br />
Gossa<br />
Greppin<br />
Gröbern<br />
Großzöberitz<br />
Heideloh<br />
Holmeißig<br />
Jeßnitz<br />
Krina<br />
Löberitz<br />
Marke<br />
Mühlbeck<br />
Muldenstein<br />
Petersroda<br />
Plodda<br />
Pouch<br />
QuetzdöIsdorf<br />
Raguhn<br />
Ramsin<br />
Renneritz<br />
Retzau<br />
Rödgen<br />
Roitzsch<br />
Rösa<br />
SaIzfurtkapeI I e<br />
Sandersdorf<br />
Schierau<br />
Schlaitz<br />
Schrenz<br />
Schwemsal<br />
Spören<br />
Stumsdorf<br />
Thalhe<strong>im</strong><br />
Thurland<br />
Tornau v.d. Heide<br />
Wolfen<br />
Zörbig<br />
Zscherndorf<br />
Bevölkerungsentwicklung 1990 - 1997<br />
Bevölkerungsstand am<br />
31.12.90<br />
473<br />
17.988<br />
1.353<br />
2.691<br />
691<br />
1.813<br />
699<br />
414<br />
979<br />
3.481<br />
714<br />
550<br />
234<br />
3.534<br />
4.067<br />
821<br />
1.163<br />
246<br />
926<br />
2.466<br />
485<br />
362<br />
1.859<br />
498<br />
4.014<br />
1.063<br />
391<br />
275<br />
345<br />
2.900<br />
936<br />
894<br />
7.474<br />
873<br />
842<br />
664<br />
657<br />
620<br />
788<br />
1.041<br />
379<br />
419<br />
44.174<br />
4.122<br />
1.774<br />
31.12.91<br />
462<br />
17.470<br />
1.305<br />
2.635<br />
678<br />
1.830<br />
689<br />
407<br />
975<br />
3.384<br />
673<br />
539<br />
226<br />
3.455<br />
3.941<br />
811<br />
1.150<br />
403<br />
913<br />
2.405<br />
490<br />
361<br />
1.798<br />
488<br />
3.843<br />
1.046<br />
393<br />
272<br />
338<br />
2.813<br />
914<br />
884<br />
7.343<br />
854<br />
819<br />
652<br />
644<br />
620<br />
776<br />
1.010<br />
377<br />
403<br />
43.434<br />
4.031<br />
1.742<br />
42<br />
31.12.92<br />
464<br />
17.228<br />
1.283<br />
2.635<br />
680<br />
1.984<br />
689<br />
413<br />
969<br />
3.349<br />
672<br />
540<br />
221<br />
3.441<br />
3.866<br />
787<br />
1.165<br />
436<br />
917<br />
2.389<br />
495<br />
371<br />
1.769<br />
476<br />
3.805<br />
1.041<br />
383<br />
277<br />
342<br />
2.767<br />
922<br />
890<br />
7.227<br />
849<br />
836<br />
634<br />
646<br />
605<br />
762<br />
966<br />
377<br />
390<br />
43.330<br />
3.918<br />
1.716<br />
31.12.93<br />
458<br />
17.027<br />
1.291<br />
2.623<br />
690<br />
2.007<br />
681<br />
426<br />
963<br />
3.402<br />
749<br />
531<br />
225<br />
3.428<br />
3.857<br />
790<br />
1.154<br />
422<br />
893<br />
2.336<br />
501<br />
371<br />
1.769<br />
476<br />
3.773<br />
1.046<br />
393<br />
276<br />
342<br />
2.777<br />
930<br />
882<br />
7.178<br />
845<br />
834<br />
620<br />
631<br />
599<br />
764<br />
1.026<br />
379<br />
389<br />
42.756<br />
3.983<br />
1.690
Gemeinde<br />
Altjeßnitz<br />
B i tte rfel d<br />
Bobbau<br />
Brehna<br />
Burgkemnitz<br />
Friedersdorf<br />
Glebitzsch<br />
Göttnitz<br />
Gossa<br />
Greppin<br />
Gröbern<br />
Großzöberitz<br />
Heideloh<br />
Holzweißig<br />
Jeßnitz<br />
Krina<br />
Löberi tz<br />
Marke<br />
Mühlbeck<br />
Muldenstein<br />
Petersroda<br />
Plodda<br />
Pouch<br />
Quetzdölsdorf<br />
Raguhn<br />
Ramsin<br />
Renneritz<br />
Retzau<br />
Rödgen<br />
Roitzsch<br />
Rösa<br />
SaIzfurtkapeI I e<br />
Sandersdorf<br />
Schierau<br />
Schlaitz<br />
Schrenz<br />
Schwemsal<br />
Spören<br />
Stumsdorf<br />
Thalhe<strong>im</strong><br />
Thurland<br />
Tornau v.d. Heide<br />
Wolfen<br />
Zörbig<br />
Zscherndorf<br />
Bevölkerungsentwicklung 1990 - 1997<br />
Bevölkerungsstand am<br />
31.12.94<br />
475<br />
16.833<br />
1.303<br />
2.668<br />
714<br />
2.01 3<br />
680<br />
960<br />
434<br />
3.367<br />
787<br />
535<br />
215<br />
3.441<br />
3.830<br />
783<br />
1.165<br />
414<br />
893<br />
2.302<br />
530<br />
407<br />
1.795<br />
466<br />
3.766<br />
1.051<br />
393<br />
308<br />
335<br />
2.771<br />
944<br />
877<br />
7.210<br />
835<br />
884<br />
607<br />
638<br />
590<br />
746<br />
1.022<br />
395<br />
410<br />
41.886<br />
3.978<br />
1.738<br />
31.12.95<br />
488<br />
16.868<br />
1.338<br />
2.742<br />
705<br />
2.030<br />
667<br />
942<br />
444<br />
3.303<br />
680<br />
529<br />
209<br />
3.516<br />
3.875<br />
780<br />
1.176<br />
489<br />
884<br />
2.338<br />
545<br />
408<br />
1.782<br />
475<br />
3.784<br />
1.035<br />
417<br />
323<br />
342<br />
2.785<br />
936<br />
876<br />
7.255<br />
819<br />
881<br />
608<br />
635<br />
589<br />
769<br />
1.146<br />
386<br />
431<br />
40.547<br />
4.002<br />
1.804<br />
43<br />
31.12.96<br />
506<br />
16.948<br />
2.827<br />
728<br />
2.145<br />
679<br />
955<br />
431<br />
3.347<br />
705<br />
545<br />
202<br />
3.57%<br />
3.898<br />
782<br />
1.176<br />
531<br />
894<br />
2.335<br />
533<br />
41 1<br />
1.734<br />
474<br />
3.822<br />
1.040<br />
435<br />
335<br />
340<br />
2.764<br />
964<br />
875<br />
7.277<br />
822<br />
908<br />
589<br />
639<br />
650<br />
767<br />
1.365<br />
397<br />
450<br />
38.688<br />
4.033<br />
1.815<br />
1.483<br />
31.12.97<br />
511<br />
1 6.803<br />
1.61 8<br />
2.915<br />
732<br />
2.085<br />
686<br />
947<br />
437<br />
3.295<br />
715<br />
549<br />
206<br />
3.682<br />
3.899<br />
788<br />
1.160<br />
516<br />
887<br />
2.313<br />
561<br />
415<br />
1.774<br />
489<br />
3.899<br />
1.038<br />
464<br />
367<br />
351<br />
2.823<br />
1.007<br />
865<br />
7.309<br />
851<br />
937<br />
638<br />
641<br />
671<br />
754<br />
1.522<br />
391<br />
489<br />
36.664<br />
4.093<br />
1.836
2.3 Der ChemiePark-<br />
<strong>Ein</strong> richtungsweisendes Konzept?<br />
aus: Sachsen-Anhalt, Das Jahrbuch, 1994, Seite 91<br />
45
Frank Z<strong>im</strong>nol Erfolgreich - Chemiepark Bitterfeld<br />
Chemie und Park als Wortpaar? Assoziiert<br />
das nicht staubspeiende Schlote neben<br />
sauerstoffspendenden Bäumen? Ätzende<br />
Dämpfe über duftenden Blumenrabatten?<br />
Tropfende Rohrbrücken in Nachbarschaft<br />
rosenumrankter Pergolas? Oder<br />
ganz allgemein den schreienden Kontrast<br />
zwischen geschundener Umwelt und Oasen<br />
der Erholung? Zugegeben - wer Bitterfeld<br />
aus DDR-Zeiten kennt, hier gar<br />
gearbeitet und gelebt hat, dem dürfte die<br />
Wortverbindung »Chemie-Park« nicht so<br />
leicht über die Lippen gehen. Hier regneten<br />
täglich sage und schreibe 251 Tonnen<br />
Staub, vermischt mit schädlichen Substanzen,<br />
auf Mensch und Natur herab.<br />
Kinder erblickten in dieser Region bereits<br />
mit Bronchitis das Licht der Welt. Lungenspezialisten<br />
aus Bitterfeld und Umgebung<br />
dürften der Spätfolgen wegen noch<br />
auf Jahre hinaus Hochkonjunktur haben.<br />
Doch mit dieser hochgradigen Belastung<br />
durch eine vier Jahrzehnte gnadenlos auf<br />
Verschleiß gefahrene Industrie ist es gottlob<br />
vorbei. Seit nach der Wende die größten<br />
industriellen Dreckschleudern stillgelegt<br />
worden sind, haben sich die<br />
Schmutz- und Schadstoffwerte auf weniger<br />
als ein Sechstel, einige sogar noch unter<br />
dieses Maß, verringert. Doch die Anstrengungen<br />
gehen weiter. Die Bitterfelder<br />
sollen in absehbarer Zeit noch bessere<br />
Luft schnappen können. Dr. Karl Enders,<br />
Chef-Umweltexperte der Chemie AG Bitterfeld-Wolfen,<br />
ist felsenfest davon überzeugt,<br />
daß die jetzt vorhandene Belastung<br />
bis 1995 auf die Hälfte zurückgehen wird.<br />
Er verweist auf Alt-Anlagen, die mit kostspieligen<br />
Filtersystemen nachgerüstet<br />
wurden, oder emporwachsende neue Fabriken,<br />
bestückt mit hochsensibler Umwelttechnik,<br />
die bereits auf die gestrengen<br />
Normen der Zukunft geeicht sind.<br />
Parallel dazu entsteht bis 1994 eine Großkläranlage<br />
fur 310 Millionen Mark, entscheidende<br />
Voraussetzung fur die unglaublich<br />
scheinende Metamorphose der<br />
Mulde von der Industriekloake zum<br />
fischreichen Badegewässer. Bis 1996 soll<br />
fur weitere 300 Millionen Mark ein Zentrum<br />
zum umweltschonenden Entsorgen<br />
von chemischen Restsubstanzen, die<br />
nicht deponiefahig sind, gebaut werden.<br />
46<br />
In ihm können dann sowohl verseuchtes<br />
Erdreich und Rückstände chemischer<br />
Produktion als auch überlagerte Arzne<strong>im</strong>ittel<br />
aus der Hausapotheke oder Verdünnungsreste<br />
vom letzten Malern bedenkenlos<br />
beseitigt werden. All diese<br />
Maßnahmen sind ganz entscheidend fur<br />
das Gelingen des Neubeginns. Dabei plädierten<br />
nach der Wende nicht wenige dafur,<br />
mit der Chemie hier ein fur allemal<br />
Schluß zu machen. »<strong>Ein</strong> Fall furs Sprengkommando«,<br />
nannte 1991 ein großes<br />
deutsches Nachrichtenmagazin die Bitterfelder<br />
Region. »Die Manager der meisten<br />
Westkonzerne winkten angewidert<br />
ab. Der Industriestandort zwischen der<br />
Autobahn Leipzig-Berlin und der Dübener<br />
Heide ist ausgepowert wie kein zweiter<br />
in Europa«, hieß es in dem Bericht.<br />
Doch diese düstere Zustandsbeschreibung<br />
erwies sich als stark übertrieben.<br />
Zum Glück gab es Politiker, Fachleute<br />
und Unternehmer, die nicht so voreilig<br />
den Stab über das belastete Gebiet brachen,<br />
stattdessen an die Vorzüge des<br />
Standortes glaubten. Er liegt, auch mit<br />
Blick auf den Zukunftsmarkt Osteuropa,<br />
strategisch und verkehrsmäßig günstig<br />
wie kaum ein anderer in Deutschland.<br />
Potentielle Investoren finden chemische<br />
Ausgangsstoffe wie Chlor oder Natronlauge<br />
quasi gleich nebenan preisgünstig<br />
vor. Hinzu kommt ein schier unerschöpfliches<br />
Potential gut augebildeter Facharbeiter<br />
und Ingenieure. Und noch etwas<br />
spricht für Bitterfeld: Bei der Bevölkerung<br />
gibt es eine ausgeprägte Akzeptanz<br />
für die Chemie. So reifte bei Managern<br />
der Treuhand und <strong>im</strong> Vorstand der Chemie<br />
AG die Idee, dem traditionsreichen<br />
Standort ein neues Gesicht und damit<br />
eine Zukunftschance zu geben. Von vornherein<br />
war klar, daß kein Konzern der<br />
Welt bereit sein würde, die »Apotheke<br />
der Chemie«, wie das einstige Kombinat<br />
seines Produkten-Sammelsuriums wegen<br />
genannt wurde, <strong>im</strong> Paket zu kaufen. Das<br />
Konzept sah stattdessen vor, rings um erhaltens-<br />
und wettbewerbsfahige Kern-Geschäftsfelder<br />
der Chemie AG, wie jene fur<br />
Phosphorverbindungen oder für Farbstoffe,<br />
kleinere, zukunftsorientierte Produktlinien<br />
aufzubauen. Der Schachzug
läuft darauf hinaus, fur möglichst viele<br />
Anlagen und Bereiche des angeschlagenen<br />
Chemie-Giganten finanzkräftige private<br />
Investoren mit günstiger Marktposition<br />
und erforderlichem Know-how ‘zu<br />
finden. Auch die letzten Bestandteile der<br />
Chemie AG will die Treuhand auf diese<br />
Weise in neue Hände geben. Mit der<br />
Konsequenz, daß es den Konzern Chemie<br />
AG eines Tages gar nicht mehr geben<br />
wird. Aber soweit ist es noch nicht. Nachdem<br />
umfangreiche Bodenanalysen bestätigt<br />
hatten, daß das 600 Hektar große Gelände<br />
zwischen Bitterfeld und Wolfen<br />
längs nicht so stark mit Schadstoffen belastet<br />
war, wie ursprünglich befürchtet,<br />
ließen die ersten Neuansiedler nicht<br />
lange auf sich warten. Für das zweifellos<br />
spektakulärste Investitionsvorhaben sorgt<br />
die <strong>Bayer</strong> AG. Der renommierte Leverkusener<br />
Konzern errichtet an seinem neuen<br />
Standort fur 600 Millionen Mark drei<br />
Produktionsstätten. In ihnen sollen Lackharze,<br />
Medikamente und Methylcellulose,<br />
ein Ausgangsstoff z. B. für Tapetenle<strong>im</strong>,<br />
erzeugt werden. Der <strong>Ein</strong>stieg des<br />
Chemie-Riesen <strong>Bayer</strong> hatte Signalwirkung,<br />
inspirierte weitere Unternehmen,<br />
auf die Zukunftskarte Bitterfeld zu setzen.<br />
So hat die Hanauer Firma Heraeus<br />
auf früherem Gelände der Chemie AG<br />
das weltweit erste Werk zur Produktion<br />
von synthetischem Quarzglas, das vor allem<br />
für Glasfaserkabel in Netzen der Telekommunikation<br />
benötigt wird, in Betrieb<br />
genommen.<br />
Doch es sind nicht nur die großen Investoren,<br />
die dem Chemie-Park zunehmend<br />
Kontur verleihen. Für sein künftiges vielschichtiges<br />
Flair sorgen genausogut kleinere<br />
Unternehmen artverwandter Sparten<br />
oder ganz anderer Zweige. Die Omniplast<br />
GmbH beispielsweise wurde mit hessischem<br />
Kapital in der früheren Rohrpresserei<br />
der Chemie AG gegründet. Die<br />
neuen Eigentümer übernahmen alle<br />
57 Mitarbeiter und den kompletten Maschinenpark.<br />
17 Millionen Mark sollen<br />
für Baumaßnahmen und neue Technik<br />
ausgegeben werden. Das Geschäft mit<br />
den Abwasserrohren floriert.<br />
Der Ausstoß habe sich <strong>im</strong> Vergleich zu<br />
DDR-Zeiten nahezu verdoppelt, berichtet<br />
Siegfried Reinholz, ein Bitterfelder Ingenieur,<br />
der bei Omniplast als Technik-<br />
Chef tätig ist.<br />
47<br />
Auch die Dienstleistungsbranche findet<br />
<strong>im</strong> Chemie-Park ein ideales Betätigungsfeld<br />
vor. Viele der kleinen Existenzen haben<br />
ihre Wurzeln in der Chemie AG.<br />
<strong>Ein</strong>e der 40 Mittelstandsfirmen, die aus<br />
dem Konzern - der sich von Ballast trennen<br />
mußte, um sich Spezialstrecken widmen<br />
zu können - hervorgegangen sind,<br />
ist die Schönknecht Gartenbau GmbH.<br />
Zu Zeiten der Mangelwirtschaft als grüne<br />
Brigade darauf getr<strong>im</strong>mt, Werkskantinen<br />
mit Obst und Gemüse sowie »gesellschaftliche<br />
Bedarfsträger des Kombina-<br />
tes mit Blumen zu versorgen, begannen<br />
die Existenzchancen nach Gründung der<br />
Chemie AG zu welken. Dieter Schönknecht<br />
machte aus der Situation das Beste<br />
und sich selbständig. Inzwischen hat<br />
sich sein 20-Mann-Betrieb am Markt etabliert.<br />
Mit Aufträgen, auch von Firmen<br />
aus der Nachbarschaft, darf weiterhin gerechnet<br />
werden. Bietet es sich doch formlich<br />
an, jene Grüngürtel, Rasenflächen<br />
oder Rosenbeete, die mal rings um die<br />
einzelnen Produktionsänlagen das Auge<br />
erfreuen sollen - so wie es sich halt fur<br />
einen Park gehört -, dem Fachmann von<br />
nebenan zu übertragen. So haben sich am<br />
gewandelten Standort mittlerweile 154 eigenständige<br />
Unternehmen angesiedelt.<br />
»5 500 Arbeitsplätze, noch <strong>im</strong> Bau befindliche<br />
Anlagen eingerechnet, sind damit<br />
bereits gesichert«, zog Dr. Dieter Ambros,<br />
Vorstandsvorsitzender der Chemie<br />
AG, eine Zwischenbilanz. Monatlich kämen<br />
durch neue Firmen oder Erweiterungen<br />
bereits ansässiger Betriebe 20 bis<br />
30 Stellen hinzu. Das Konzept, alte, verschlissene<br />
Anlagen abzureißen und so gewonnene<br />
Areale fur den Neubau von Produktionsstätten<br />
bereitzustellen, scheint<br />
aufzugehen. So verschwand z. B. das<br />
Kraftwerk Süd inzwischen fast vollständig<br />
von der Bildfläche. Wo zu Kombinatszeiten<br />
mit veralteter Technologie und auf<br />
umweltschädigende Weise Strom, Wärme<br />
und Dampf erzeugt wurden, will die Stadt<br />
Bitterfeld einen Gewerbepark aufbauen.<br />
<strong>Ein</strong>en Teil des industriellen Methusalems<br />
aus den 20er Jahren verschonten Abrißbirnen<br />
und Bagger allerdings. Das<br />
500 Meter lange Maschinenhaus, ein<br />
noch- <strong>im</strong>mer schöner Backsteinbau, der<br />
durch seine eigenwillige Architektur besticht,<br />
soll als Technisches Museum aus-
gebaut werden. Die ersten Exponate,<br />
noch funktionstüchtige Turbinen aus der<br />
Ära »Siemens & Schuckert«, sind vorhanden,<br />
brauchen mit etwas Maschinenöl<br />
und Liebe zu alter Technik nur noch auf<br />
Hochglanz gebracht zu. werden. Ebenso<br />
die verschmutzten Kachelwände, die ahnen<br />
lassen, wie es <strong>im</strong> Maschinensaal einmal<br />
geblitzt haben muß. Ansonsten aber<br />
wartet auf die Abrißkolonnen - viele davon<br />
rekrutieren sich aus entlassenen Chemiearbeitern,<br />
die von der Bitterfelder<br />
ABM-Sanierungsgesellschaft aufgefangen<br />
wurden - noch reichlich Arbeit. Erst <strong>im</strong><br />
Jahr 2000, so schätzt Klaus Hedel, bei<br />
dem die Fäden fur den Chemiepark zusammenlaufen,<br />
werde wohl auch die<br />
letzte Altfläche in bauwürdigem Zustand<br />
sein. In drei Jahren aber schon, hoffe<br />
man, aus dem Gröbsten heraus zu sein.<br />
Rund zwei Milliarden Mark an Investitionen<br />
fließen nach jetzigem Stand in den<br />
Chemiepark.<br />
»Der über hundert Jahre alte Industriestandort<br />
Bitterfeld ist damit, allen Unkenrufen<br />
zum Trotz, gerettet«, konstatierte<br />
Vorstandschef Ambros.<br />
(aus: Sachsen-Anhalt, Das Jahrbuch, Seite 74/76<br />
48<br />
<strong>Bayer</strong> Bitterfeld GmbH
Umwandlung des Chemiekombinats<br />
Konzept für den Chemie Park Bitterfeld<br />
(Auszüge aus Prospekten)<br />
Das ehemalige Chemiekombinat Bitterfeldwar vor der Wiedervereinigung<br />
Deutschlands ein autarkes Multiunternehmen, das sich - üblich für eine östliche<br />
Planwirtschaft - zu seinem Unterhalt eine große Anzahl von chemiefremden Gewerken<br />
mit versierten Ingenieurenund Handwerkernhielt. Darunter eine eigene Gärtnerei, ein<br />
eigener Apparatebau und eine eigene chemische Reinigung.<br />
...<br />
Der ChemiePark Bitterfeld ist ein ehrgeiziges Industrieansiedlungsprojekt an einem<br />
<strong>Chemiestandort</strong> mit großer Tradition. In einem bisher in Deutschlandeinmaligen<br />
Vorhaben wird aus einem 100 Jahre alten Industriegelände ein moderner ChemiePark<br />
von ca. 600 ha Fläche mit einer ausgebauten Infrastruktur in bester Lage. Das alte<br />
Firmengeländewird dazu völlig neu strukturiert. Zunächst war die Frage Altlasten <strong>im</strong><br />
Boden noch offen. In einem der bislang aufwendigsten Messprojekte, das vom<br />
Bundesministerium für Umwelt gefördert wurde, stellte sich heraus, dass 50 % des<br />
Geländes mit vertretbarem Aufwand nutzungsorientiertzu sanieren sind. 25 % der<br />
Fläche sind sofort ohne Sanierung bebaubar. Im Kernbereich des Parks wird die<br />
Chemie weiter produzieren. Sie stellt branchenvewandten Firmen vor allem<br />
organische und anorganische Chemikalienwie z.B. Chlor, Natronlauge, Wasserstoff,<br />
Phosphorverbindungen und Farbstoffe zur Verfügung. Aber nicht nur die Chemiefirmen<br />
sind in Bitterfeld hoch willkommen. 80 % des Geländes stehen ansiedlungswilligen<br />
Firmen aus allen Branchen von Produktion und Dienstleistung zu interessanten<br />
Konditionen zur Verfügung.<br />
..<br />
ChemiePark Bitterfeld: Es zahlt sich aus zu investieren<br />
Die Wettbewerbsfähigkeit des Chemieparks Bitterfeld wird <strong>im</strong> Wesentlichen best<strong>im</strong>mt<br />
durch:<br />
die opt<strong>im</strong>ale geographische Lage in Deutschland<br />
die zentrale Lage in Europa<br />
die günstige Lage zu osteuropäischenAbsatzmärkten<br />
die Förderprogramme<br />
die hohe Akzeptanz der Chemie in der Bevölkerung<br />
vorhandene Dienstleistungen<br />
gut e Infrastruktur<br />
<strong>Ein</strong>ige Investoren <strong>im</strong> ChemiePark Bitterfeld:<br />
Alphacan Omniplast BitterfeldGmbH<br />
Produktion und Vertrieb von PVC-Druckrohren, PVC-, Kabelschutzrohren,PVC-,<br />
Kanalrohren, Polyethylen-und Polypropylenrohren sowie zugehöriger Formteile (66<br />
Arbeitnehmer).<br />
49
AKZO ChemicalsWuppertal GmbH<br />
Produktionvon Phosphorchemikalien, Übernahme der bestehenden Chemieanlage<br />
Phosphortrichlorid. Weiterführung der Produktion und Errichtung neuer Anlagen<br />
(46 Arbeitnehmer).<br />
Aus<strong>im</strong>ont (Deutschland) GmbH<br />
Errichtungeiner Anlage zur Erzeugung von Wasserstoffperoxidfür die Papierbleiche<br />
und zur Behandlung von industriellen und städtischen Abwässern.<br />
Produktionsaufnahme<strong>im</strong> Jahr 1995 (93 Arbeitnehmer - Endphase).<br />
<strong>Bayer</strong> Bitterfeld GmbH<br />
Mit einer Gesamtinvestitionvon über 900 Mio. DM entstehen vier große Projekte für die<br />
Herstellung von Methylcellulose, Lackharzen, freiverkäuflichen Medikamenten und<br />
Ionenaustauschern(über 650 Arbeitnehmer).<br />
Heraeus Quarzglas GmbH<br />
Erstes Werk zur Erzeugung von synthetischem Quarzglas dieser Art weltweit für die<br />
optische Telekommunikation. Produktionsbeginn<strong>im</strong> Februar 1993 (1 00 Arbeitnehmer).<br />
Organotin Chemie GmbH<br />
Herstellungund Vertrieb von Zinntetrachlorid und Zinnorganischen Verbindungen<br />
(32 Arbeitnehmer).<br />
SlDRA Wasserchemie GmbH<br />
Herstellungvon Eisen-Ill-Chemikalienzur Wasseraufbereitung und<br />
Abwasserreinigung. Seit 15.09.1992 in Produktion (23 Arbeitnehmer).<br />
Hüls AG Marl (aus Internet vom 02. Sept. 1997)<br />
Im Raum Bitterfeldwerden rund 50 neue Arbeitsplätze entstehen: Wir werden die<br />
Anlage als Betriebsstätte unseres Standortes Rheinfelden mit 20 Mitarbeiternfahren.<br />
Hinzu kommen 30 Arbeiter aus dem Dienstleistungsbereich.<br />
Wir wollen <strong>im</strong> ersten Quartal 1999 mit der Produktion starten. Rd. 50 Mio. DM werden<br />
investiert, um die Kapazität um 20.000 Jahrestonnen zu erhöhen. Bereits heute ist<br />
HÜLS mit 90.000 Jahrestonnen weltweit größter Anbieter bei Chlorsilanen.<br />
Hochreines Siliciumtetrachlorid ist Ausgangsstoff unter anderem für synthetisches<br />
Quarzglas, aus dem Lichtwellenleiter gezogen werden, die vorwiegend in der<br />
Kommunikationstechnik eingesetzt werden. Darüber hinaus wird es für pyrogene<br />
Kieselsäure benötigt - ein Füllstoff sowohl für Zahnpasta und Dichtmassen als auch für<br />
Farben und Lacke.<br />
Ver- und Entsorgungsstruktur<br />
Der <strong>Chemiestandort</strong> Bitterfeldweist gegenüber einer Industrieansiedlung"auf der<br />
grünen Wiese" einen erheblichenVorteil vor. Alle notwendigen Gewerbe- und<br />
Serviceeinrichtungen befinden sich in unmittelbarer Nachbarschaft.<br />
Zur Strategie des Erhalts des traditionsreichen <strong>Chemiestandort</strong>es gehörte es, die<br />
standortnotwendigen Dienstleistungen, wie beispielsweise Energieerzeugung,<br />
Instandhaltung und Anlagenbau, Telekommunikation, Rechentechnik u.a. zu<br />
privatisieren und zu wettbewerbsfähigen Konditionenam Standort anzubieten. Ebenso<br />
wurden die allgemeinen Serviceleistungen, darunter die Wäscherei, die chemische<br />
Reinigung und das ehemalige Gästehaus privatisiert und sind heute für alle nutzbar.<br />
50
Die Unternehmen können sich auf ihre Kernaktivitäten konzentrieren, um mit der rasanten<br />
Entwicklung schritthalten zu können. Produktionen und Dienste, die nicht unmittel<br />
bar zur Produktion gehören, werden an Fremdfirmen mit versierten Mitarbeitern<br />
vergeben. Diese bewährte "schlanke Produktion"hat sich <strong>im</strong> Bitterfelder ChemiePark<br />
durchgesetzt. Unternehmen können sich zentral mit den unterschiedlichsten Dienstleistungenversorgen<br />
lassen. In der Abspaltung der Produktion von den Versorgungsund<br />
Dienstleistungen liegt die Chance bei der Neustrukturierung des Bitterfelder<br />
ChemieParks. Die innovationsfördernde Spezialisierung der Chemiebetriebe wird<br />
durch die <strong>Ein</strong>bettung in ein Netz von kostengünstigen und leistungsfähigen Diensten,<br />
die an dem Standort vorgehalten werden, unterstützt. Zwischen den Unternehmen<br />
und Gewerbetreibenden kann gewissermaßen in Rufweite gearbeitet werden, wodurch<br />
nicht nur aufwendige Abst<strong>im</strong>mungen, sondern auch Transport- und Reisekosten<br />
eingespart werden.<br />
Über zentrale Netze können nicht nur Strom, Dampf und Wasser, sondern auch<br />
technische Gase und Grundchemikalien auf dem gesamten Gelände bereitgestellt<br />
werden. <strong>Ein</strong> besonderer Standortvorteil ist die Verfügbarkeit von Wasserstoff und<br />
Chlor.<br />
Die Bereitstellung von Grund- und Hilfsstoffen ist unabdingbare Voraussetzung für<br />
die chemische Produktion. Weitere Notwendigkeiten sind die Inanspruchnahme der<br />
<strong>im</strong> Chemiepark vorhandenen Dienstleistungen,wie die Versorgung mit Wasser und<br />
Energien, die Entsorgung von Abfall, Sondermüll und Abwässer.<br />
Ebenso zählen dazu schnelle Transportmöglichkeiten wie Eisenbahnnetze, Straßen<br />
oder Rohrbrückensysteme.<br />
Entsorgungseinrichtungen,nach dem neuesten Entwicklungsstand konzipiert, werden<br />
<strong>im</strong> Chemiepark gebaut. <strong>Ein</strong> Gemeinschaftsklärwerk zur Entsorgungder industriellen<br />
und kommunalen Abwässer ging 1994 in Betrieb. In der Planungsphase befindet<br />
sich ein umfassendes Entsorgungs- und Verwertungszentrum.<br />
Dazu gehören Anlagen zur Wertstoffrückgewinnungund zur Entsorgung von Siedlungs-,<br />
Gewerbe- und Sonderabfällen.<br />
Serviceleistungen des ChemieParks und Technischer Service<br />
Apparate- und Behälterbau<br />
Sonderanlagenbau<br />
Blech- und Kupferschlosserarbeiten<br />
Thermo- und Duroplastikarbeiten<br />
Schweißarbeiten aller Art<br />
Zerspannungsverfa hren<br />
lndustriesattlerarbeiten<br />
Instandhaltung von Verdichtern, Pumpen<br />
und Sicherheitsventilen<br />
Errichtungvon Anlagen der Elektro-,<br />
Mess-, Steuer- und Regeltechnik<br />
51<br />
Analyse technologischer Prozesse<br />
Analyse Messtechnik<br />
Elektromaschinenservice<br />
Wartung, Instandsetzung, Montage,<br />
Demontage und Änderung von Betriebsmitteln<br />
in den Produktions- und<br />
Nebenanlagen,Hebezeugen, Aufzügen,<br />
mobilen Kranen, technischen<br />
Transporten und Waagen<br />
Service von Büro- und Nachrichtentechnik<br />
Werkstoffprüfung/Technische QualitätskontrolIe
lngenieurtechnischer Service / Anlagenplanung<br />
Projekt-und Durchführbarkeitsstudien<br />
Technische Bearbeitung von<br />
Basic- und Detail-Engineering<br />
Projektmanagement<br />
lnvestitionsentscheidungen Standortplanung<br />
Bauleistungen<br />
Hoch-, Säure-, Feuerungs-und Sanitärinstallation<br />
Gerüstbau Bereitschaftsdienste<br />
Sta h Ibau Isolierungen<br />
Tischlerei, Z<strong>im</strong>merei, Dacheindeckung<br />
Umweltschutz und Arbeitssicherheit<br />
Umweltinformation Altlasten- und Abfallberatung<br />
Gefahrstoff-und Standortdatei Deklarationsanalysen<br />
Lärmmessungen und -prognosen Umweltanalytik Wasser, Luft, Boden<br />
Kl<strong>im</strong>adaten Technische Überwachung von Anlagen<br />
Abwicklung von Genehmigungsverfahren<br />
Verlade- und Rangierarbeiten<br />
Bahndienst<br />
Lagerwesen<br />
Logistik<br />
Versand<br />
Spedition<br />
Information und Bildung<br />
Wissenschaftliche Bibliothek, Online-Recherchen<br />
Wirtschafts- und Fachinformationen Berufs- und Weiterbildung<br />
Produkt- und Stoffinformation<br />
(DIN-Sicherheitsblätter)<br />
Umschulung<br />
Ärztlicher Dienst<br />
Hotel, Pension<br />
Büro- und Gebäudereinigung<br />
Textilreinigung und -wäscherei<br />
Restaurant, Catering, Imbiss<br />
Allgemeine Dienstleistungen<br />
Förderprogrammeund lnvestitionshilfen<br />
Reisebürofür Geschäftsreisen<br />
Geldinstitut<br />
Versicherung<br />
Telefonservice<br />
Feuerwehr<br />
Weitere Anreize für Neuansiedlersind neben den chemiespezifischen Angeboten an<br />
Dienstleistungenvor allem auch die an dem Standort verfügbaren lnvestitionshilfen,<br />
die von der europäischen Gemeinschaft, der deutschen Bundesregierung und dem<br />
Land Sachsen-Anhalt zur Verfügung gestellt werden. Bis zu 42 Prozent der Investi-<br />
52
tions- und bis zu 90 Prozent der Erschließungskostenwerden je nach Entscheidungslage<br />
subventioniert. Auch besondere steuerliche Regelungen, wie Sonderab-<br />
Schreibungen, machen den ChemiePark Bitterfeldzu einem attraktiven Standort für<br />
expansionsbereite Unternehmen:<br />
Förderprogramme durch den Bund zur Verbesserung der regionalenWirtschaftsstrukturfür<br />
private Unternehmen ( I5-23%) und Kommunen (zzt. 50%).<br />
lnvestitionszulagen und steuerliche Regelungen, z.B. Sonderabschreibungen.<br />
EG-Zuschüsse zur Förderung der wirtschaftlichen Infrastruktur und Unterstützung<br />
produktiver Investitionen.<br />
Möglichkeiten günstiger Kreditaufnahmen:<br />
- Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW)für die Errichtung, Sicherung und Erweiterung<br />
von Unternehmen,<br />
- ERP-Kreditprogramm für Existenzgründer, Modemisierungund Umweltschutz,<br />
- Bürgschaften/Garantien für Sicherheiten bei Kreditaufnahmen<br />
- SonderfördergebietWolfen - Greppin - Thalhe<strong>im</strong>.<br />
Jeder Investor hat in den neuen Bundesländernden Vorteil, dass durch Investitionsförderung<br />
und Steuerbegünstigung rund 42 % seiner gesamten lnvestitionssumme<br />
vom Bund bzw. Land getragen werden, nur 68 % braucht er selbst zu tragen.<br />
Förderung 1992-97<br />
lnvestitionszulage<br />
für bewegliche, neue Wirtschaftsgüter<br />
des Anlagevermögens<br />
lnves ti ti onszuschuss<br />
nur für private Unternehmen<br />
- bei Errichtung/Übemahme eines von<br />
Stillegung betrohten Betriebes<br />
- bei Erweiterung<br />
- bei Umstellung/grundlegender<br />
Rationalisierung<br />
Sonderabschreibungen<br />
50% der Anschaffungs- und Herstellungskostenfür<br />
Betriebsgebäude und<br />
Ausrüstungen können <strong>im</strong> Jahr der Anschaffung<br />
und in den 4 folgenden Jahren<br />
als Sonderabschreibung geltend gemacht<br />
werden<br />
1992<br />
8%<br />
23%<br />
20%<br />
5%<br />
50%<br />
53<br />
1993<br />
8%<br />
23%<br />
20%<br />
10%<br />
50%<br />
1994 1995 1996<br />
8%<br />
23%<br />
20%<br />
15%<br />
50%<br />
5%<br />
23%<br />
20%<br />
15%<br />
50%<br />
5%<br />
23%<br />
20%<br />
15%<br />
50%<br />
1997<br />
5%<br />
23%<br />
20%<br />
15%<br />
50%
Anschaffungskosten= lnvestitionskosten<br />
davon 1) Ausrüstungen<br />
2) Gebäude<br />
3) Grund und Boden<br />
angenommene Nutzungsdauer<br />
1) Ausrüstungen<br />
2) Gebäude<br />
lnvestitionsbeginnund Abschluss<br />
bezogen auf die lnvestitionssumme<br />
- lnvestitionszulage für Ausrüstungen<br />
- lnvestitionszuschuss für Ausrüstg. u. Gebäude<br />
Modellrechnungfür lnvestitionshilfen:<br />
10 Jahre<br />
25 Jahre<br />
1995<br />
Betrag in DM Vorteil in DM Entlastung in %<br />
1.000.000<br />
700.000<br />
200.000<br />
100.000<br />
Steuereffekt aus Abschreibung errechnet sich:<br />
Gewerbeertragssteuer (Gew.Ertr.St.)<br />
Sonderabschreibung für Ausrüstungen 50 % x 700.000 350.000<br />
Sonderabschreibung für Gebäude 50 % x 200.000 100.000<br />
lineare Afa für Ausrüstungen 10 % x 700.000 70.000<br />
lineare Afa für Gebäude 4 % x 200.000 8.000<br />
Gesamtabschreibung<br />
->abzügl. Steuerpflicht. lnvestitionszuschuss<br />
528.000<br />
-> 207.000<br />
321 .000<br />
ergibt eine<br />
Gewerbesteuerentlastung bei einem<br />
Steuersatz in Bitterfeld<br />
Körperschaftssteuerentlastung(KSt)<br />
13,04 % x 321.000 41.850<br />
Abschreibung<br />
->abzügl. des steuerpfl. Zuschusses<br />
->undGew.Ertr.St.<br />
-><br />
-><br />
528.000<br />
207.000<br />
41.850<br />
279.150<br />
ergibt eine Körperschaftssteuerentlastung 50 % x 279.150 139.600<br />
35.000<br />
207.000<br />
Gesamtentlastungaus Abschreibung,<br />
lnvestitionszulage und -zuschuss 423.450<br />
Vom Investor zu tragende lnvestitionslast 576.550 57,7<br />
54<br />
5<br />
23<br />
50<br />
50<br />
42,3
2.4 Stoff- und Firmenverbund <strong>im</strong> Chemiepark Bitterfeld am Beispiel der<br />
Quarzglasproduktion<br />
In diesem Beitrag wird in exemplarischer Weise ein moderner Stoffverbund in der<br />
chemischen Industrie dargestellt. <strong>Ein</strong> solcher Verbund versucht Produkte,<br />
Produktionsweisen und Standorte verschiedener Chemiebetriebe so aufeinander<br />
abzust<strong>im</strong>men, dass das Netz gegenseitiger Abhängigkeiten - <strong>im</strong> Idealfall - einen<br />
geschlossenen Stoffkreislauf ergibt. Auf diese Weise ergeben sich durch<br />
Synergieeffekte nicht nur ökonomische Vorteile, durch den Verbund werden auch<br />
chemische Abfälle drastisch reduziert und - zum Teil gefährliche - Transportwege<br />
min<strong>im</strong>iert und so eine mögliche Gefährdungder Umwelt erheblich vermindert.<br />
Planung und Durchführung eines solchen Verbundsystems stellt ein typisches<br />
Beispiel vernetzten Denkens dar, das nicht nur das Netzwerk der beteiligten<br />
Konzerne und Produktionsstätten umfasst, sondern auch das umfassende<br />
ökologischeNetz mit einbeziehen muss.<br />
Bei dem hier vorgestellten Beispiel handelt es sich um den Verbund "Glasfaserherstellung",<br />
der zur Zeit <strong>im</strong> Raum Bitterfeld entsteht. Die Herstellung von<br />
hochreinen Siliziumprodukten ist aus ökologischer Sicht nicht unproblematisch,<br />
weil für den erforderlichen Reinheitsgrad des Siliziums oder Siliziumdioxids(Glas)<br />
der Umweg über Siliziumtetrachlorid und damit über die Chlorchemie erforderlich<br />
ist. In dem Bitterfelder Chemieverbund geht das benötigte Chlorgas <strong>im</strong><br />
Gesamtprozess praktisch nicht verloren, die entstehende Salzsäure wird dem<br />
Produktionsprozess wieder zugeführt. Dieser industrielle Stoffkreislauf ist wohl<br />
weltweit einmalig.<br />
Die chemischen Grundlagen des Bitterfelder Stoffverbundes werden <strong>im</strong> folgenden<br />
schematisch dargestellt. Für genauere Angaben zu chemisch/technologischen Daten<br />
und zu den Verfahren verweisen wir auf das Literaturverzeichnis. In einigen Fällen<br />
werden Details der Produktionsverfahren allerdings als Betriebsgehe<strong>im</strong>nisse<br />
behandelt; sie sind daher nicht öffentlich bekannt.<br />
Der Raum Bitterfeld ist bereits seit mehr als hundert Jahren ein wichtiger Industrie-<br />
Standort. Ganz besonderes Gewicht hatte Bitterfeld als einer der wichtigsten<br />
Industriestandorte der DDR. Die gesamte Region war - nicht nur in ökonomischer<br />
Hinsicht - durch die Chemieindustrie geprägt. Nach der Wende machte Bitterfeld<br />
einerseits durch massive Stillegungen von Chemiebetrieben und die damit<br />
verbundene extrem hohe Arbeitslosigkeit von sich reden. Auf der anderen Seite<br />
machten schwerwiegende Umweltprobleme der Chemieregion Bitterfeld<br />
Schlagzeilen, eine bis dahin totgeschwiegene Kehrseite der starken Konzentration<br />
von Chemieuntemehmen.<br />
Der hier vorgestellte Industrieverbund versucht nicht nur "Umweltsünde" der<br />
Vergangenheit zu vermeiden, er schafft auch in einer wirtschaftlichen<br />
Problemregion neue Arbeitsplätze. Allerdings soll nicht verschwiegen werden, dass<br />
in einer solchen “Verbundproduktion” weniger Menschen Arbeit finden als bei<br />
klassischer Produktionsweise.Insbesondere können die neu entstandenen Betriebe<br />
den Verlust von Arbeitsplätzen nach der Wende bei weitem nicht kompensieren.<br />
55
Heraeus-Werk für synthetisches Quarzglas expandiert erneut<br />
Bitterfeld, 7. Oktober 1997. In Gegenwart zahlreicher Gäste aus Politik und<br />
Wirtschaft hat Bundeskanzler Dr.Helmut Kohl heute den dritten Bauabschnitt des<br />
Heraeus-Quarzglaswerkes Bitterfeld seiner Best<strong>im</strong>mung übergeben. Seit Anfang<br />
1993 produziert der Hanauer Technologiekonzern Heraeus in Bitterfeld hochreines,<br />
synthetisches Quarzglas für die optische Nachrichtenübertragung, die<br />
Mikrolithographie und die Halbleiterindustrie. Auf die seitdem stürmisch<br />
wachsende Nachfrage nach der neuen Quarzglas-Sorte wird der Konzern bis Ende<br />
1998 mit Investitionen in Höhe von 600 Millionen DM reagieren. Das Werk ist das<br />
einzige seiner Art weltweit.<br />
Die jetzt in Betrieb genommene dritte Ausbaustufe hat gegenüber der Startphase die<br />
vierfache Kapazität und etwa 300 Mitarbeiter. Bis auf das Achtfache soll die Kapazität<br />
nach jetziger Planung bis Ende 1998 aufgestockt sein.<br />
Im Werk Bitterfeld stellt Heraeus seit 1993 Quarzglas aus synthetischem Vormaterial her,<br />
dessen Reinheit die von Quarzglas aus natürlichen Rohstoffen - Bergkristall und reinen<br />
Quarzsanden - um Größenordnungen übertrifft. Quarzglas ist unverzichtbarer Werkstoff<br />
für innovative Technologien mit hohem Wachstumspotential, zum Beispiel für die<br />
Halbleiterindustrieund die Telekommunikation.<br />
Bitterfeld :<strong>Ein</strong>zigartige Standortvorteile<br />
Nach weltweiter Suche entschied sich Heraeus für den Standort Bitterfeld, weil hier ein<br />
einzigartiger symbiotischer Verbund mit der Chlorproduktion der heutigen Bitterfelder<br />
Chlor-Alkali GmbH (BCA) realisiert werden konnte. Im engen Pipeline-Verbund<br />
tauschen Chlor- und Quarzglaswerk <strong>Ein</strong>satz- und Nebenprodukte aus. So fallt<br />
Wasserstoff bei der Chlorgewinnung in großer Menge als Nebenprodukt an; bei der<br />
Quarzglasgewinnung wird das Gas in großer Menge gebraucht. Umgekehrt ist<br />
Natriumchlorid (,,Kochsalz") Ausgangsstoff für die Chlorgewinnung und Nebenprodukt<br />
bei der Quarzglasgewinnung.<br />
Weitere Standortvorteile waren und sind eine funktionierende Infrastruktur für chemische<br />
Produktionsverfahren, die heute <strong>im</strong> ChemiePark Bitterfeld organisiert ist, und eine<br />
hervorragend ausgebildete Facharbeiterschaft. Alle Mitarbeiter des Quarzglaswerkes sind<br />
aus der Region Bitterfed/Wolfen. In der Startphase hat Heraeus die neuen Bitterfelder<br />
Mitarbeiter in den Werken Hanau (Hessen) und Kleinosthe<strong>im</strong> (<strong>Bayer</strong>n) intensiv auf die<br />
neuen Technologien vorbereitet.<br />
Heraeus sieht am Standort Bitterfeld weitere Ansiedlungspotentiale. Derzeit vefügt das<br />
Unternehmen in Bitterfeld über 175.000 qm Werksgelände.<br />
Heraeus, 1851 aus einer Apotheke gegründet und bis heute in Familienhand, hat mit<br />
Edelmetallen, Quarzglas, Sensoren, Dentalprodukten, Labor- und Medizintechnik 1996<br />
einen Umsatz von 6,8 Mrd. DM gemacht, 68 % davon <strong>im</strong> Ausland. Für das laufende Jahr<br />
wird ein Umsatz <strong>im</strong> Bereich von 8 Mrd. DM erwartet. In mehr als 100 Gesellschaften<br />
weltweit sind 10.500Mitarbeiter tätig, 45 % davon <strong>im</strong> Ausland. Das Geschäft ist zu etwa<br />
gleichen Teilen auf die High-Tech-Regionen Nordamerika, Westeuropa und Asien-<br />
Pazifik konzentriert.<br />
56<br />
(Internetauszug)
Siliciumtetrachlorid-Anlage in Bitterfeld<br />
MARL/BITTERFELD. Wenn die Hüls AG, Marl, ab Januar 1998 <strong>im</strong> Zuge eines<br />
Global-Fitness-Programms als strategische Holding zu neuen Ufern aufbricht,<br />
zählt der heutige Geschäftsführungsbereich (GFB) Silicone/Silane zu den zwölf<br />
weltweit operierenden Gesellschaften. Neben den bisherigen Produktionsstätten in<br />
Mobile/Alabama, Nünchritz (Hüls Silicone GmbH) und Rheinfelden existiert<br />
dann bereits eine vierte: Am 2. September wurde <strong>im</strong> Chemiepark Bitterfeld der<br />
Grundstein für den Bau einer Siliciumtetrachlorid-Anlage gelegt. Die Standorte<br />
werden weiterhin einheitlich operativ und marktgesteuert von Düsseldorf aus<br />
geführt.<br />
Im Raum Bitterfeld werden rund 50 neue Arbeitsplätze entstehen:<br />
"Wir werden die Anlage als Betriebsstätte unseres Standortes Rheinfelden mit 20<br />
Mitarbeitern fahren. Hinzu kommen 30 Arbeiter aus dem Dienstleistungsbereich."<br />
(GFB-Leiter Dr. J. Olbrich)<br />
,,Wir wollen <strong>im</strong> ersten Quartal 1999 mit der Produktion starten." Rund 50<br />
Millionen DM werden investiert, um die Kapazität um 20.000 Jahrestonnen zu<br />
erhöhen. Bis heute ist Hüls mit 90.000 Jahrestonnen weltweit größter Anbieter bei<br />
Chlorsilanen.<br />
Die Ausbaupläne sind Teil des ,,Global-Fitness-Programms" der Hüls AG zur<br />
nachhaltigen Steigerung der internationalen Wettbewerbsfahigkeit. Der<br />
Chemiezweig der VEBA strebt damit in allen bearbeiteten Geschäftsfeldern die<br />
weitere Konzentration auf Kernkompetenzen und den Ausbau bzw. die<br />
Absicherung führender Marktpositionen an.<br />
Hochreines Siliciumtetrachlorid ist Ausgangsstoff unter anderem für synthetisches<br />
Quarzglas, aus dem Lichtwellenleiter gezogen werden, die vorwiegend in der<br />
Kommunikationstechnik eingesetzt werden. Darüber hinaus wird es für pyrogene<br />
Kieselsäure benötigt - ein Füllstoff sowohl fur Zahnpasta und Dichtmassen als<br />
auch für Farben und Lacke.<br />
2.September 1997<br />
57<br />
(Internetauszug)
Abbildung 1
Stoffkreislauf <strong>im</strong> ChemiePark Bitterfeld<br />
59
Firmenverbund in Bitterfeld<br />
60
3. Altlasten, ein komplexes Erbe<br />
Die Altlasten sind nach Enders und Peklo (1) das dominierende Problem<br />
des Umweltschutzes in Bitterfeld. Von den Werksflächen sind etwa 25%<br />
unbelastet, 20% hingegen stark belastet. Die übrigen 55% können ohne<br />
nennenswerte Sanierungsmaßnahmen <strong>im</strong> Rahmen der Neubebauung<br />
genutzt werden.<br />
Über das Arbeitsförderungsgesetz werden unabhängig vom Altlasten-<br />
Großprojekt Mittel bereitgestellt, um die Werksflächen zu sanieren und für<br />
Neuansiedler attraktiver zu gestalten. Im Zeitraum 1992 - 1995 sind für<br />
den Rückbau ca. 700 Mio. DM bereitgestelltworden.<br />
Im November 1993 erhielt die Chemie AG den Bescheid über die<br />
Altlastenfreistellung. Auf dieser Grundlage wurde durch das<br />
"Verwaltungsabkommen über die Regelung der Finanzierung der<br />
ökologischen Altlasten" das Altlasten-Großprojekt Bitterfeld/Wolfen<br />
festgestellt. Schwerpunkte sind darin die Gefahrenbeurteilung spezieller<br />
Altstandorte und Altablagerungen (siehe auch Lageskizze), die Sicherung<br />
von Altlasten und insbesondere die Sicherung und Sanierung der<br />
Grundwasserbelastung unter dem Aspekt der <strong>Ein</strong>stellung des<br />
Braun kohleberg baus.<br />
Für 1996 sind Maßnahmezust<strong>im</strong>mungsbescheide für 14 Objekte mit einem<br />
Kostenaufwand von 11 Mio. DM ausgereicht worden. Dazu zählt u. a. die<br />
Sicherung/Sanierung eines phosphorkontaminierten Altstandortes als<br />
Beispielfür die erfolgreiche Sanierung belasteter Industrieflächen.<br />
Im nachfolgenden Artikel soll ein historischer Überblick über die<br />
Entwicklung der Phosphorchemie und ihrer Produkte vermittelt werden, um<br />
die hohe Belastung des Geländes zu verdeutlichen. (2)<br />
Im Unterschied dazu stellt die Sicherung der Chemiedeponie des<br />
"Silbersees" ein bisher unbewältigtes Problem für diesen Raum dar.<br />
(1) Enders, Kari-Ludwig und Peklo, Peter: Umweltschutz <strong>im</strong> Raum Bitterfeld/Wolfen,<br />
Bitterfeld 1996<br />
(2) Bitterfelder Chronik 100 Jahre <strong>Chemiestandort</strong> BitterfeldWolfen,<br />
Hrsg.: Vorstand der Chemie AG, BitterfeldWolfen, 1993<br />
63
3.1 Der <strong>Chemiestandort</strong> und seine<br />
Umweltprobleme<br />
Am 3./4. November 1958 beschloß die<br />
Zentrale Chemiekonferenz des ZK der SED<br />
und der Staatlichen Plankommission ihr erstes<br />
Prestigeprogramm, das «Chemieprogramm<br />
der DDR«. Unter der Losung »Chemie<br />
gibt Brot, Wohlstand und Schönheit«<br />
begründete man darin die Notwendigkeit<br />
der vorrangigen Entwicklung der chemischen<br />
Industrie. Auf diesem Wege sollten<br />
die Voraussetzungen für das erforderliche<br />
Tempo der gesamten Wirtschaft und Landwirtschaft<br />
sowie zur Erhöhung des Lebensstandards<br />
der Bevölkerung geschaffen<br />
werden. In Abst<strong>im</strong>mung mit der<br />
Sowjetunion wurden -jeglicher ökologischer<br />
Vernunft entgegen - gigantische<br />
Größenordnungen für den chemischen Industriezweig<br />
best<strong>im</strong>mt. Investitionen für<br />
neue Anlagen konzentrierten sich jedoch<br />
vor allem auf die Petrolchemische Industrie.<br />
Bitterfeld als Produzent des gesamten<br />
»Sammelsuriums«chemischer Grundstoffe<br />
erhielt neben volkswirtschaftlich<br />
gesehen relativ kleinen Finanzspritzen für<br />
die PVC-, Salpetersäure-und Düngemittel-<br />
Produktion vor allem höhere Planauflagen.<br />
Die Katastrophe<br />
erreicht ihren Höhepunkt<br />
Im Verlauf der weiteren Entwicklung entstand<br />
<strong>im</strong> Raum Bitterfeld und Wolfen ein<br />
Industriegebiet von gewaltigem Ausmaß.<br />
Vier Großkombinate der DDR-das Chemiekombinat<br />
Bitterfeld, das Fotochemische<br />
Kombinat ORWO Wolfen, das<br />
Braunkohlenkombinat Bitterfeld und der<br />
Großbetrieb Industrie- und Kraftwerksrohrleitungen<br />
- produzierten Anfang der 70er<br />
Jahre mit über 50 000 Arbeitskräften voll<br />
<strong>im</strong> Schichtbetrieb. Alle ohne dringend erforderliche,<br />
international bereits bewährte<br />
Entsorgungstechnologien.Zur damaligen<br />
Zeit gab es bis auf die traditionelle Wassergesetzgebung<br />
kein geschlossenes Gesetzeswerk<br />
zum Umweltschutz. Boden, Luft<br />
und Wasser wurden auf unerträgliche Weise<br />
weiter verschmutzt.<br />
Die Umweltkatastrophe erreichte während<br />
dieser Periode ihren Höhepunkt. Aus<br />
den Schloten von Bitterfeld und Wolfen<br />
qualmten jährlich 58 000 Tonnen Staub<br />
und über 120 000 Tonnen Schwefeldioxid.<br />
64<br />
Hinzu kamen 11 000 Tonnen Chlor, 3 000<br />
Tonnen Chlorwasserstoffe und 7 800 Tonnen<br />
Stickoxide aus den Chemieanlagen. Es<br />
gab, außer zwei wenig wirksamen Vorbehandlungsanlagen,<br />
keine zentrale Abwasserbehandlungsanlage.<br />
Aller Entsorgungs-<br />
Unrat wurde wie bei den Vorvätern in die<br />
Tagebaurestlöcher gekippt.<br />
Die Grube Johannes zum Beispiel, seit<br />
1921 Auffangbecken für chemische Restschlämme<br />
der Filmfabrik, erhielt in dieser<br />
Zeit aus Wolfen den letzten Anschub zur<br />
Giftdeponie. Durch völlig unbehandelte Abwässer<br />
entstand hier aus Ligninschlamm<br />
durch chemische Reaktionen eine gelartige<br />
toxische Flüssigkeit, die der Grube <strong>im</strong><br />
Volksmund den Namen »Silbersee« einbrachte.<br />
Untersuchungen der etwa zwei<br />
Millionen Kubikmeter Schlamm <strong>im</strong> Jahre<br />
1992 werden Schwermetalle wie Blei und<br />
Zink, anorganische Schwefelverbindungen<br />
wie Sulfate, Sulfide und Schwefelkohlenstoff,<br />
Lösungsmittel wie Methanol und<br />
Toluol, Phenole und organisch gebundene<br />
Halogenverbindungen nachweisen. <strong>Ein</strong>e<br />
vollständige Sicherung und Sanierung der<br />
Grube ist unerläßlich.<br />
Äußerlich sichtbarstes Symbol der Vergewaltigung<br />
der Umwelt aber wurden die<br />
»gelben Fahnen«aus den Schornsteinen<br />
der drei Salpetersäureanlagen des Chemiekombinates<br />
Bitterfeld mit einer Gesamtkapazität<br />
von 300 000 Tonnen Salpetersäure<br />
pro Jahr. Ihre Absorptionsanlagen stammten<br />
in wesentlichen Bestandteilen aus den<br />
Jahren 1917 und 1927. Und so war es kein<br />
Wunder, daß ernsthafte Beschwerden von<br />
Bürgern der ganzen Region laut wurden.<br />
Sie fühlten sich durch Atembeschwerden,<br />
Haut- und Augenreizungen in ihrer Gesundheit<br />
gefährdet, mußten doppelt so oft<br />
wie Leute anderer Gebiete ihre Häuser<br />
und Wohnungen renovieren und brauchten<br />
mindestens das dreifache an Reinigungsmitteln<br />
für Körper und Kleidung. Ganz zu<br />
schweigen von den Schädigungen in Forstund<br />
Landwirtschaft, in den Gärten der Umgebung.<br />
Damit sollte Schluß sein!<br />
<strong>Ein</strong> Umweltgesetz und<br />
der Umgang mit der Wahrheit<br />
Auch international, insbesondere in den<br />
westeuropäischen Ländern, brachen sich<br />
Umweltideen <strong>im</strong>mer stärker Bahn. Die
DDR, inzwischen von vielen Staaten anerkannt,<br />
wollte sich weltweit mit ihrer Produktion<br />
als geachteter Handelspartner präsentieren.<br />
Sie konnte deshalb offiziell nicht<br />
umhin, sich den Fragen der Umwelt zu<br />
stellen. Am 14. Mai 1970 verabschiedete<br />
die Volkskammer das Landeskulturgesetz,<br />
in dem Umweltschutzfragen - zumindest<br />
auf dem Papier - umfassend geregelt wurden.<br />
Diese neue Herangehensweise fand<br />
sogleich zwischen Fichtelberg und Kap Arkona<br />
ihre engagierten Anhänger. Sie nahmen<br />
die Gesetzgebung - trotz ihrer wenig<br />
weitsichtigen Inhalte - wortwörtlich und<br />
setzten sich überall <strong>im</strong> Land dafür ein. Im<br />
Verlauf der nächsten zwei Jahrzehnte<br />
mußten sie erfahren, wie einer ruinösen<br />
Wirtschaftspolitik und der gewaltigen Last<br />
der sozialen Prestigemaßnahmen des<br />
SED-Reg<strong>im</strong>es zufolge, wichtige Umweltvorhaben<br />
unterlaufen und letztlich zunichte<br />
gemacht wurden. Die Schere zwischen gesetzlichen<br />
Anforderungen und Realität<br />
klaffte <strong>im</strong>mer weiter auseinander.<br />
Im ehemaligen Chemiekombinat, wo<br />
wegen wachsender Bürgerproteste bereits<br />
seit 1965 ein Emissionsbeauftragter benannt<br />
war, entstand während besagter<br />
Zeit die Struktureinheit Umweltschutz unter<br />
Leitung von Dr. Karl Enders. Jedes<br />
auch heute vorgegebene Ressort, u. a. mit<br />
den Beauftragten für Immissionsschutz,<br />
Wasser und Abfall war vorhanden.<br />
Die in dieser Abteilung beschäftigten<br />
Mitarbeiter gingen mit großem Engagement<br />
und fachlicher Solidität an die Arbeit<br />
und konzentrierten sich vor allem auf Immissionsmessungen<br />
und Emissionskontrollen.<br />
Ihre Jahresberichte für Umweltschutz<br />
beispielsweise beinhalteten die<br />
richtigen Schlußfolgerungen zur Begrenzung<br />
der Schadstoffauswürfe, für Produktionsdrosselungen<br />
oder Stillegungen. Aber<br />
richtige Schlüsse wurden letztlich nicht<br />
daraus gezogen. Der Plan ging vor. Die<br />
staatliche Leitung beugte sich nur dem<br />
allergrößten Druck auf dem Gebiet des<br />
Umweltschutzes, aber das war natürlich<br />
nicht ausreichend.<br />
1975 promovierten Karl Enders und Peter<br />
Peklo, Beauftragter für Immissionsschutz<br />
des Kombinates, mit ihrer Arbeit<br />
»Analyse der Verunreinigungen der Luft <strong>im</strong><br />
65<br />
Raum Bitterfeld/Wolfen - Istzustand, Auswirkungen,<br />
Sanierungsmaßnahmen« an<br />
der Bergakademie Freiberg. Ausgehend<br />
von einer gründlichen Analyse an verschiedenen<br />
Standorten wiesen sie die gewaltigen<br />
Schadstoffauswürfe seit den 60er Jahren<br />
wissenschaftlich nach, machten auf<br />
gesundheitliche Gefahren für Mensch, Tier<br />
und Pflanze aufmerksam und errechneten<br />
enorme finanzielle Mehraufwendungen in<br />
Medizin, Bauwirtschaft, Forst und Landwirtschaft<br />
der Region. Zugleich zeigten sie<br />
ökonomisch durchaus auch zu DDR-Zeiten<br />
vertretbare Sanierungsvarianten auf.<br />
Statt mit diesen fundierten und durch<br />
die Praxis bestätigten Erkenntnissen zu arbeiten<br />
-wie es offiziell in Parteidokumenten<br />
lauthals gefordert wurde - erhielten<br />
solcherart Arbeiten den Stempel der gehe<strong>im</strong>en<br />
Dienst- oder gar Verschlußsache.<br />
Fakt war: Die <strong>im</strong>mer bedrohlicheren<br />
Umweltdaten verdeutlichten vor allem die<br />
Uneffektivität der Wirtschaft, das Fehlen<br />
materieller Möglichkeiten für Investitionen.<br />
Noch nicht einmal die einfache Reproduktion<br />
konnte gesichert werden. Der Zustand<br />
der Anlagen wurde <strong>im</strong>mer schlechter. Dieses<br />
Bild paßte so gar nicht in die Erfolgspropaganda<br />
eines »dem Kapitalismus überlegenen<br />
Gesellschaftssystems«, das das<br />
Wohl des Menschen in den Mittelpunkt aller<br />
Politik gestellt haben wollte. Es konnte<br />
nicht sein, was nicht sein durfte.<br />
Auf diese Art und Weise des Umgangs<br />
mit der Wahrheit - ab 1982 regelte gar<br />
eine Ministerratsweisung die Gehe<strong>im</strong>haltung<br />
von Umweltdaten - konnten auch andere<br />
aus der realsozialistischen Wirklichkeit<br />
abgeleitete Vorhaben nie umfänglich<br />
vollendet werden. Volkswirtschaftliche<br />
Zwänge setzten auch dem besten Willen<br />
für eine effizientere Wirtschaft oder verantwortungsbewußten<br />
Umgang mit der<br />
Umwelt starre Grenzen.<br />
Letzte wirkliche Erfolge vor 1989<br />
wurden um 1975 insbesondere bei der<br />
Luftverbesserung erreicht. Das neue Erdgaskraftwerk<br />
senkte die Schwefeldioxidemission<br />
von 120 kt auf 45 kt und die<br />
Staubwerte von 58 kt auf 15 kt pro Jahr.<br />
Außerdem wurde der Chlorausstoß durch<br />
den Neubau eines Betriebes von 11,4 kt<br />
auf 2,6 kt jährlich vermindert.
<strong>Ein</strong> umfassendes Konzept zur Rationalisierung,<br />
Stabilisierung und Modernisierung<br />
der Grundfonds, kurz RSM-Programm genannt,<br />
sollte jedoch nach diesen kleinen<br />
Lichtblicken - schon kurz nach der Bestätigung<br />
durch höchste Partei- und Regierungsinstanzen<br />
- an den leeren Taschen<br />
des Ministers für Chemische Industrie<br />
scheitern. Die Konzentration auf international<br />
gut verkäufliche moderne Chemieprodukte<br />
wie Molekularsiebe, umweltfreundliche<br />
Pflanzenschutzmittel und<br />
Ionenaustauscher unterblieb. Und es gab<br />
auch keine Investitionen für die bereits<br />
damals aus eigenen Kräften begonnene<br />
Rekonstruktion des Abwassernetzes und<br />
mehrerer Anlagen. Alle guten Gedanken,<br />
die man sich hier in Bitterfeld ohne Zweifel<br />
machte, blieben Papier. Die Chemie stand<br />
schon lange nicht mehr <strong>im</strong> Zentrum der<br />
Wirtschaftspolitik. Was der VIII. Parteitag<br />
nicht beschlossen hatte, konnte auch nicht<br />
sein -so spotteten die Kabarettisten ...<br />
Der wirtschaft lic he Niedergang<br />
setzt seine Zeichen<br />
Mit überd<strong>im</strong>ensionalem Aufwand wurde in<br />
den 80er Jahren der Schlüssel zum Erfolg<br />
<strong>im</strong> Aufbau einer eigenen Mikroelektronischen<br />
Industrie gesucht, aber letzten Endes<br />
nicht gefunden. Die technische und<br />
technologische Entwicklung in anderen Industriezweigen<br />
blieb <strong>im</strong>mer mehr, in der<br />
Chemie praktisch bis zum Stillstand, auf<br />
der Strecke. Sichtbares Zeichen dafür war,<br />
daß das Gelb der Bitterfelder Abgasfahnen<br />
inzwischen einen gefährlichen Braunton<br />
angenommen hatte. Unter dem Namen<br />
)sozialistische Intensivierung« verlangte<br />
man den Salpetersäureanlagen einen ständigen<br />
Leistungsanstieg ab, ohne die technischen<br />
Bedingungen dementsprechend<br />
zu verändern. Demzufolge traten sowohl<br />
an den Absorptionstürmen als auch an den<br />
Kühlern solche Verschleißerscheinungen<br />
auf, daß der Anstieg der Produktion 1984<br />
nur mit einem überproportionalen Anstieg<br />
der Emissionen erkauft werden konnte.<br />
Selbst als 1985 die Produktion dank des<br />
gestiegenen Umweltbewußtseins und des<br />
Protestverhaltens der - .. Bürger gesenkt wur-<br />
66<br />
de, ließ sich der Schadstoffausstoß an<br />
Stickoxiden nicht mehr rückgängig machen<br />
und stieg bis zum Ende der DDR-Zeit an.<br />
Nur für die Salpetersäureanlage Süd, deren<br />
Abgasschlot am Schnittpunkt der Fernverkehrsstraßen<br />
F 183 und F 184 schon<br />
überregionale „Berühmtheit“ erlangt hatte<br />
und damit ein Politikum war, kam Mitte<br />
der 80er Jahre die Investitionsentscheidung<br />
für acht neue Kühler, deren Bestellung<br />
schon zehn Jahre zurücklag. Hier wurde<br />
bis 1989 eine drastische Senkung der<br />
Emissionen erreicht.<br />
Insgesamt aber blieb die Umweltsituation<br />
sowohl in Bitterfeld als auch in Wolfen<br />
dadurch gekennzeichnet, daß man lieber<br />
die gesetzlich festgelegten, relativ geringen<br />
Staub- und Abgasgelder zahlte, als Abstriche<br />
an den Planaufgaben zuzulassen.<br />
Diese Abgaben -1986 zum Beispiel<br />
1,4 Mio Mark der DDR -hatten bestenfalls<br />
moralische Wirkung, waren aber aus betriebswirtschaftlicher<br />
Sicht kein bedeutender<br />
Faktor.<br />
Fast zur Selbstverständlichkeit gehörte<br />
es auch, daß bis zu 20 Anlagen ohne, und<br />
über zehn Anlagen mit einer gerade<br />
nochmal erteilten Ausnahmegenehmigung<br />
des Ministeriums für Gesundheitswesen<br />
in Betrieb gehalten wurden. Absurde Ursache<br />
für das hohe Risiko war: Die Plankenn-<br />
Ziffern der Warenproduktion mußten auch<br />
für diese maroden Wracks erbracht werden.<br />
Der Teufelskreis um die Planerfüllung,<br />
koste sie was sie wolle, wurde nicht<br />
durchbrochen.<br />
"Und trotz der guten medizinischen und<br />
sozialen Betreuung der Beschäftigten mit<br />
eigener Betriebspoliklinik, einem ganzen<br />
Arzteteam, regelmäßigen Kuren, den erforderlichen<br />
arbeitshygienischen Messungen,<br />
finanziellem Ausgleich für Geschädigte<br />
und anderen Maßnahmen blieb alles nur<br />
eine Behandlung von Symptomen. An den<br />
wirklichen Ursachen einer vom Plan diktierten<br />
extensiven Produktionsweise und<br />
ihren negativen Auswirkungen für die Umwelt<br />
wurde nichts geändert. Der wirtschaftliche<br />
und politische Niedergang der<br />
DDR setzte seine unmißverständlichen<br />
Zeichen.<br />
(aus: Bitterfelder Chronik, Seite 207-210)
Entwurf Neumeister, H. 1990, nachAngaben von Pelko, P. 1985<br />
Emission von SO2 und Staub <strong>im</strong> Raum Bitterfeld von 1894 bis 1984<br />
(in Millionen Tonnen)<br />
Entwurf Neumeister,H. 1990, nachAngaben von Pelko, P. 1985<br />
Emission von SO2 und Staub <strong>im</strong> Raum Bitterfeld von 1894 bis 1984<br />
(in Millionen Tonnen)<br />
Quelle: Neumeister u.a., S. 7 und 9<br />
67
Sed<strong>im</strong>entation von Flugstaub (cm) lndus trieg e biet Bitterfeld-Grä fen hainich en,<br />
850<br />
Entwurf Neumeister, H. 1990, nach Angaben von Pelko, P. 1985<br />
Deposition Raum Bitterfeld.<br />
-<br />
68<br />
Quelle: Neumeister u.a., S. 10 und 9
Tendenzen der Umweltbelastungen<br />
(Chemiekombinat Bitterfeld bzw. ChemiePark Bitterfeld-Wolfen)<br />
1)Emissionenfür den Standort ohne <strong>Bayer</strong> Bitterfeld GmbH<br />
2) Angaben für das Reinwassernetz<br />
3) Sonderabfälle aus der Produktion der B W , BCG, CP und CBW<br />
4) ohne Gewässervorbelastung<br />
Quelle:<br />
Angaben der ChemiePark Bitterfeld-Wolfen, Abt. Umweltschutz<br />
71
aus: Umweltbericht 1995 des Landes Sachsen-Anhalt, S. 95<br />
72
Landkreis Bitterfeld Untersuchte Deponien undAltablagerungen<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
6<br />
7<br />
8<br />
9<br />
10<br />
11<br />
12<br />
13<br />
14<br />
15<br />
16<br />
17<br />
18<br />
19<br />
20<br />
21<br />
Grube Antonie<br />
Kippe Grube Greppin<br />
Kippe Johannes<br />
Tongrube Mühlbeck<br />
Deponie Heideloh<br />
Freiheit Ill<br />
Freiheit IV/1<br />
Freiheit IV/2<br />
Titanteich<br />
Althalde Bf.<br />
Sonderdeponie Holzweißig<br />
Grube Johannes Silbersee<br />
Sonderdeponie<br />
Chromteiche<br />
Rieselfelder<br />
,Bergische Kiesgrube<br />
Verspüldeponie Bitterfeld<br />
Tagebaurand Goitsche am Sportplatz<br />
Verfüllung Bitterfeld<br />
Brifa/Bitterfeld<br />
Deponie Reuden<br />
73<br />
22<br />
23<br />
24<br />
25<br />
26<br />
27<br />
28<br />
29<br />
30<br />
31<br />
32<br />
33<br />
34<br />
35<br />
36<br />
37<br />
38<br />
39<br />
40<br />
Kippe Feuerweg-Ost<br />
Deponie Thalhe<strong>im</strong><br />
Alttagebau Herrn.-Vahke-N.<br />
(Motocross-Strecke)<br />
Ehemalige Mülldeponie Bitterfeld<br />
Deponie Siebenhausen<br />
Wolfen-Nord<br />
Tagebaurand Goitsche Große Mühle<br />
Deponie Bobbau<br />
Grube Marie<br />
Klärteich Süd<br />
Zscherndorf-Ost<br />
Deponie Zscherndorf-NE<br />
Zscherndorf-Süd<br />
Ehemalige Grube Schlangengraben<br />
Deponie Sandersdorf<br />
Verspüldeponie Hermine<br />
Grube Auguste-Ost<br />
Deponie Holzweißig<br />
Freiheit II<br />
aus: Nationales Sonderprogramm, S. 42
Wesentliche Altablagerungen und Deponien <strong>im</strong> Kreis Bitterfeld<br />
PrioritätsstufeI:kurzfristiger<br />
PrioritätsstufeII:mittelfristiger Prioritätsstufe III: langfristiger<br />
Handlungsbedarf Handlungsbedarf<br />
Handlungsbedarf<br />
CKW - Chlorkohlenwasserstoffe<br />
PAK-Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe<br />
74<br />
PCDD-Polychlorierte Dibenzodioxine (Dioxine)<br />
HCH - Hexachlorcyclohexan<br />
aus: Nationales Sonderprogramm, S. 35
Kontaminationen<strong>im</strong> Raum Bitterfeld<br />
aus: Umweltbericht 1993 des Landes Sachsen-Anhalt, S. 154<br />
75
Fördermittelfür die ökologische Sanierung<br />
Für die ökologische Sanierung der Chemieregionwurden seit 1991 bis Ende 1995<br />
durch den Haushalt des Ministeriumsfür Raumordnung, Landwirtschaft und Umwelt<br />
707 MillionenDM <strong>im</strong> Rahmen einer Sonderförderung zur Verfügung gestellt. Ab<br />
1996 konnten diese Maßnahmen wegen der bis dahin erreichten Verbesserungen<br />
auf eine normale Landesunterstützung zurückgeführt werden. 1996 und 1997 wurden<br />
<strong>im</strong>merhin noch 78 Millionen DM bereitgestellt. Im <strong>Ein</strong>zelnen ergeben sich folgende<br />
sachlich bzw.territorial bezogene Zuordnungen zu den Fördermaßnahmen:<br />
Fördermaßnahmenin der Chemieregion -sachlich -<br />
Sachgebiete<br />
Trinkwasser<br />
Abwasser<br />
AbfalI/Altlasten<br />
Immission<br />
Naturschutz<br />
Kinderkuren<br />
Wirtschaft<br />
Sonstiges<br />
Forschung<br />
Energie<br />
Gesamt<br />
* Differenzensind durch Rundungen bedingt<br />
Zuwendungen in TDM*<br />
1991 - 1997<br />
43 077<br />
335 266<br />
200 311<br />
54 586<br />
29 190<br />
68 610<br />
21 807<br />
- 24 937<br />
2 877<br />
4 279<br />
784 940<br />
Fördermaßnahmen in der Chemieregion - territorial -<br />
Landkreis/Stadt<br />
BitterfeId<br />
Merseburg-Querfurt<br />
Halle<br />
Saalkreis<br />
Gesamt<br />
* Diferenzen sind durch Rundungen bedingt<br />
Zuwendungen in TDM*<br />
1991 -1997<br />
447 325<br />
118 733<br />
87 990<br />
130 891<br />
784 939<br />
Quelle: Unterlagen des Ministeriums für Raumordnung, Landwirtschaft und Umwelt<br />
des Landes Sachsen-Anhalt<br />
76
3.2 Phosphorproduktion und ihre Folgen ein Beispiel für<br />
erfolgreiche Sanierung belasteter Industrieflächen<br />
Am traditionsreichen <strong>Chemiestandort</strong> Bitterfeldwurden bereits einige große<br />
Industrieflächen <strong>im</strong> Rahmen der Gefahrenabwehr und in Vorbereitung für<br />
Neuansiedlungen saniert. <strong>Ein</strong>er der folgenden Beiträge berichtet über die<br />
Vorgehensweise und Probleme der unter der Leitung der Bitterfelder<br />
Vermögensverwaltung Chemie GmbH erstmals durchgeführten<br />
Komplettsanierung eines Geländes, auf dem Produktionsanlagen für<br />
Phosphor standen, die über einen Zeitraum von 1900 bis 1992<br />
elementaren weißen und roten Phosphor produzierten. (1)<br />
Bei der Sanierung des Geländes wurden in Abhängigkeit der<br />
Kontamination mit weißem Phosphor verschiedene Separierungs- und<br />
Sanierungstechnologien angewandt. Dabei kam der von der BSB<br />
Bodensanierung Bitterfeld neu entwickelten und patentierten<br />
chemisch-physikalischen Behandlung der mit weißem Phosphor<br />
kontaminierten Aushubmaterialien eine besondere Bedeutung zu.<br />
Nach erfolgreichem Abschluß der Sanierungsmaßnahmen konnte der<br />
ehemals phosphorkontaminierte Bereich komplett für eine Neubebauung<br />
freigegeben werden.<br />
(1) Neef, Bergmann, Böhme, Düresch und Kotte: Erstmalige Sanierung einer mit<br />
weißem Phosphor belasteten Industrieflächein Bitterfeld, in:<br />
BrachFlächenRecycling-Recycling DerelichtLand 1/1998<br />
77
Historischer Abriß der Phosphorproduktion<br />
sowie ihre gegenwärtige Bedeutung<br />
Phosphor und seine Verbindungen sind<br />
Ausgangsstoffe für eine Vielzahl von Produkten<br />
<strong>im</strong> zivilen und militärischen Bereich<br />
wie: Düngemittel, Pflanzenschutz- und<br />
Schädlingsbekämpfungsmittel [PSM],<br />
Kunststoffe und Halbleiterwerkstoffe,<br />
Wasch- und Textilhilfsmittel, Schmier- und<br />
Treibstoffzusätze, Pharmazeutische Produkte,<br />
Zündmittel, Brandbomben, Zündmittel<br />
in Sprengstoffen und in Munition,<br />
Nebel- und Rauchmittel sowie chemische<br />
Kampfstoffe.<br />
Die Herstellung von Phosphor aus Roh-<br />
Phosphaten bei Temperaturen >1300°C<br />
erfordert einen hohen Energieaufwand und<br />
verläuft nach folgender Summengleichung:<br />
Ca3(PO4)2 + 3 SIO2 + 5 C -›<br />
3CaSIO3 + 5 CO + 2 P<br />
Die <strong>im</strong> Bitterfelder Raum auf Braunkohlenbasis<br />
zur Verfügung stehende billige<br />
Energie führte daher 1899 zu der Entscheidung<br />
der Chemischen Fabrik Grieshe<strong>im</strong>-<br />
Elektron, in Bitterfeld auf Basis der Entwicklungsarbeiten<br />
von Gustav Pistor und<br />
Julius Lang die Herstellung von Phosphor<br />
nach dem elektrothermischen Verfahren<br />
aufzubauen und die Phosphorproduktion<br />
in Grieshe<strong>im</strong> nach dem alten Retortenverfahren<br />
stillzulegen. Als erste Anlage in<br />
Deutschland wurde am 25. 10. 1900 in Bitterfeld<br />
ein Phosphorgleichstromofen mit<br />
einer Leistung von 250 kW und einer Jahresproduktion<br />
von 150 Tonnen in Betrieb<br />
genommen. Zur Sicherung der Stromversorgung<br />
für diesen ersten Phosphorofen<br />
wurde eine separate Energieerzeugung<br />
[Dampfkessel, Dampfmaschine und Dynamomaschine]<br />
installiert. Gleichzeitig erfolgte<br />
die Produktionsaufnahme von rotem<br />
Phosphor durch Erhitzen von gelbem<br />
Phosphor in Autoklaven unter Luftabschluß<br />
und anschließender Aufarbeitung<br />
[125 kg pro Tag]. Die starke Nachfrage<br />
führte bereits 1901 zur Errichtung eines<br />
zweiten Phosphorofens.<br />
Damit ergab sich in Bitterfeld eine Jahresproduktion<br />
von 300 Tonnen Phosphor<br />
gelb und 100 Tonnen Phosphor rot, was<br />
27 Prozent der damaligen Weltproduktion<br />
entsprach. Die folgenden Jahre brachten<br />
<strong>im</strong> Zusammenhang mit der Rüstungsproduktion<br />
und Aufträgen aus dem Ausland,<br />
besonders aus Rußland und Japan infolge<br />
des russisch-japanischen Krieges [1905]<br />
eine weitere Produktionssteigerung. 1909<br />
kam der erste Drehstromofen zum <strong>Ein</strong>satz<br />
und damit eine Steigerung der Phospohr-<br />
Produktion auf 500 Jahrestonnen. Das <strong>im</strong><br />
Phosphorofen anfallende Kohlenmonoxid<br />
wurde ab 1911 per Rohrleitung von Werk<br />
Süd nach Werk Nord transportiert und zur<br />
Herstellung von Calciumformiat eingesetzt.<br />
Zu Beginn des Ersten Weltkrieges bestand<br />
die Produktionsanlage für gelben.<br />
Phosphor aus einem System von vier Ofen<br />
zu je 250 kW Leistungsaufnahme, die auf<br />
Grund des hohen Militärbedarfes auf 500<br />
kW-Öfen umgerüstet wurden. 1918 existierten<br />
dann bereits fünf Systeme mit ins.<br />
gesamt 20 Öfen mit einer Leistung von je<br />
600 kW. Damit war die Leistungsgrenze<br />
für diesen Ofentyp erreicht. Die Konkurrenzsituation<br />
bei Phosphor führte Gustav<br />
Pistor 1923 zu dem Entschluß, das thermische<br />
Verfahren grundlegend überarbeiten<br />
zu lassen mit dem Ziel, eine Großproduktion<br />
in Öfen mit wesentlich höherer Leistung<br />
zu errichten. Die in den Jahren 1924<br />
bis 1927 von Robert Suchy, Hermann<br />
Lang, Friedbert Ritter, Georg Bartels, Wilhelm<br />
Müller und Jakob Dion unter Leitung<br />
von Gustav Pistor und Unterstützung<br />
durch Ernst Borsbach in Bitterfeld, dem<br />
damals in Deutschland führenden Unternenmen<br />
auf dem Gebiet der Phosphorchem<br />
ie, vorg e no m m men e n En tw ic k I u ngsa rbeiten<br />
führten zu einem neuen Prototyp eines<br />
Phosphorofens mit einer Leistung von<br />
2 500 kW. Dieser 1925 in Bitterfeld errichtete<br />
Ofen war Grundlage für die Entwicklung<br />
von Phosphoröfen mit 10 MW, die<br />
1927 in Piesteritz, dem neuen Standort für<br />
den Ausbau der Phosphorchemie der I.G.<br />
Farbenindustrie, installiert wurden<br />
[4 Öfen]. Aus diesen Forschungsarbeiten<br />
resultierten mehrere bedeutende Patentanmeldungen,<br />
z. B. zur Reinigung der dem<br />
Phosphorofen entströmenden Rohgase<br />
durch eine geheizte Cottrell-Anlage, dem<br />
<strong>Ein</strong>satz von Söderberg-Elektroden mit einer<br />
»Kohlentieffassung« und zur Ofenkonstruktion.<br />
Bis zu diesem Zeitpunkt wurden<br />
von Bitterfelder Fachleuten die entscheidenden<br />
Pionierarbeiten zur Technologie<br />
der Herstellung und den Umgang mit dem<br />
gefährlichen Element Phosphor geleistet.<br />
1938 wurde der USA-Firma Monsanto<br />
gegen Zahlung von einer Million Dollar die<br />
Lizenz für das Bitterfelder Phosphorverfahren<br />
erteilt.<br />
Die Weiterentwicklung der elektrothermischen<br />
Phosphorherstellung machte danach<br />
auch in den USA, in Frankreich und<br />
England Fortschritte. Heute sind Ofenein-<br />
Aus: Bitterfelder Chronik: 100 Jahre <strong>Chemiestandort</strong> Bitterfeld Wolfen,<br />
Hrsg.: Vorstand der Chemie AG, Bitterfeld Wolfen, 1993<br />
78
heiten mit Leistungen bis 70 MW bei einem<br />
Energieaufwand bis 13 000 kWh/t<br />
Phosphor üblich. Das in Piesteritzangewandte<br />
Verfahren zur Herstellungvon<br />
Phosphorsäure durch Verbrennung des<br />
durch Düsen in einen hohen Turm eingespritzten<br />
gelben Phosphorsist ebenfalls<br />
eine Entwicklung aus Bitterfeld [Gustav<br />
Pistor, Robert Suchy, Hermann Lang].<br />
Als erste Phosphorverbindung wurde<br />
1907 die Herstellung von Phosphorsesquisulfid<br />
[P4S3]für die Zündholzfabrikation<br />
durch Umsetzung von gelbem Phosphor<br />
und Schwefel in Bitterfeld aufgenommen.<br />
Im November 1919 folgte eine Anlage zur<br />
Herstellung von Phosphortrichlorid [PCI3]<br />
Mit einer Anfangskapazität von 9 Tonnen<br />
<strong>im</strong> Jahr. Das benötigte Chlor stand aus einer<br />
Produktionaus den Elektrolysen zur<br />
Verfügung. Phosphortrichlorid diente als<br />
Ausgangsstofffür weitere anorganische<br />
[Phosphoroxidchlorid, Phosphorpentachlorid,<br />
phosphirige Säure ] und organische<br />
Phosphorverbindungen sowieals Katalysator<br />
und Chlorierungsmittel. Nach Phosphortrichloridwurde<br />
die Herstellung<br />
weiterer Phosphorverbindungen in unterschiedlichen<br />
Mengenfür kürzere oder Iängere<br />
Zeiträume aufgenommen. 1920<br />
begann die Produktionvon Phosphoroxidchlorid<br />
[POCL3]auf dessen Basis ab 1921<br />
Trikresylphosphat [C6H4-CH3]3PO4 einem<br />
Weichmacher für PVC-Kunststoffe,erzeugt<br />
wurde. Als weitere Produkte kamen<br />
1926 Triphenylphosphat und 1929 Phosphorpentachlorid<br />
[PCI5]hinzu. Obwohl als<br />
Standort für den Ausbau der Phosphorchemie<br />
<strong>im</strong> Rahmen der I.G.Farbenindustrie<br />
Piesteritz gewählt wurde, wurde<br />
auch in Bitterfeld auf Grund des steigenden<br />
Bedarfes an Phosphor für die Herstellung<br />
von Weichmachernfür die aufkommenden<br />
Kunststoffindustrie und für<br />
militärischeZwecke [Vorbereitungdes<br />
Zweiten Weltkrieges] die Phosphorproduktion<br />
bis 1939 weiterbetrieben. Danach<br />
erfolgte die Phosphorversorgung Bitterfelds<br />
aus Piesteritzmittels Kesselwagen.<br />
Die Produktion zur Herstellung von Phosphor<br />
gelb/gereinigt wurde in Bitterfeld<br />
aber weitergeführt. Für die Herstellung<br />
von Phosphor rot wurde in Bitterfeld 1936<br />
bis 1938 das veraltete Autoklavenverfahren<br />
durch eine moderne Technologie der<br />
Umwandlung von gelbem Phosphor durch<br />
Erwärmung in geschlossenen Kugelmühlen<br />
ersetzt.<br />
Die Phosphortrichlorid-Anlagewurde<br />
laufend erweitert und 1938 auf eine teilkontinuierliche<br />
Verfahrensweise umgestellt.<br />
Nach Kriegsende wurden die<br />
Anlagen für die Herstellung von Phosphortrichlorid<br />
und Phosphoroxidchlorid sowie<br />
anderer Phosphorverbindungen als Reparationsleistungen<br />
für die Sowjetunion teilweise<br />
demontiert. <strong>Ein</strong>ige Anlagen wurden<br />
wieder aufgebaut. Die Wiederaufnahme<br />
der 1939 stillgelegten Anlage für die Phosphorproduktion<br />
erfolgte <strong>im</strong> April 1948 in einem<br />
3 MW-Ofen. 1971 wurde die Anlage<br />
Modernisiert [Zentralisierung der Meßwarte<br />
und Rationalisierung des Rohstoffteiles]<br />
und auf 5 MW erweitert. Aus wirtschaftlichen<br />
Gründen mußte jedoch die Phosphor-<br />
Produktion in Bitterfeld [3 kt <strong>im</strong> Jahr] <strong>im</strong><br />
Februar 1990 eingestelltwerden. Der<br />
Phosphorbedarfdes Unternehmens wird<br />
seit diesem Zeitpunkt ausschließlich durch<br />
Importegedeckt.<br />
DieWiederaufnahme der Produktion<br />
von Phosphor rot nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
erfolgte <strong>im</strong> Oktober 1952, wurde<br />
aber auf Grund des technischen Zustandes<br />
der Anlage und aus ökonomischen Gründen<br />
1975 endgültig stillgelegt.<br />
Wegen der ständig steigenden Nachfra-<br />
ge nach Phosphortrichlorid erfolgte 1971<br />
eine Rekonstruktion dieser Anlage unter<br />
<strong>Ein</strong>satz eines in Bitterfeld entwickelten leistungsfähigenTurmreaktors.<br />
Heute stehen<br />
zwei Turmchlorierer mit einer Kapazität von<br />
insgesamt40 kt, die nach einem umweltfreundlichen<br />
Verfahren arbeiten,zur Verfügung.<br />
Das ist die größte Anlage in Europa.<br />
Ausschlaggebendfür die Produktionssteigerung<br />
waren vor allem der Bedarffür<br />
Weichmacherfür Kunststoffeauf PVC-Basis<br />
und für PSM-Wirkstoffe. Mit dem Auf-<br />
Bau der Methylparathionproduktion zur<br />
Herstellung der Wofatoxpräparate wurde in<br />
der Farbenfabrik Wolfen 1950 die Erzeugung<br />
von Phosphorsulfochlorid [PSCL3]<br />
durch Umsetzung von Phosphortrichlorid<br />
mit Schwefel aufgenommen. Mit dem Auslaufen<br />
der Wofatox-Produktion 1992 mußte<br />
diese Anlage stillgelegt werden.<br />
Für die Produktion von Schädlingsbekämpfungsmitteln<br />
wurde in den 50er<br />
Jahren eine Anlage für die Herstellung von<br />
Phosphorpentasulfid [P4S10]errichtet. Nach<br />
der Explosion dieser diskontinuierlichen<br />
Anlage 1958 wurde in Bitterfeld ein neues<br />
kontinuierlichesVerfahren entwickelt, das<br />
1962 in Betrieb ging. 1973 wurde die Anlage<br />
auf eine Kapazität von 10 kt erweitert.<br />
<strong>Ein</strong>e Voraussetzung fürdie Produktion von<br />
Phosphorpentasulfid war die Reinigung<br />
des Phosphors.Auch hier wurde ein eige-<br />
nes, hochleistungsfähigesVerfahren entwickelt,<br />
das 1965 in die Produktion überführt<br />
und ständig verfahrenstechnisch<br />
verbessert wurde. Der gereinigte Phosphorwird<br />
auch an andere Verbraucher verkauft.<br />
Heute werden in Bitterfeld anorganische<br />
Phosphorproduktemit folgenden Kapazitäten<br />
in modernenAnlagen mit rechnergestützten<br />
Prozeßleitsystemen hergestellt:<br />
Phosphortrichlorid40 kt/Jahr,<br />
Phosphoroxidchlorid 4 kt/Jahr,<br />
Phosphorpentasulfid10 kt/Jahr,<br />
Phosphorige Säure 3 kt/Jahr,<br />
Reinigungsanlage für Phosphor 6 kt/Jahr.<br />
Aus: Bitterfelder Chronik: 100 Jahre<strong>Chemiestandort</strong> Bitterfeld Wolfen,<br />
Hrsg.: Vorstand der Chemie AG, Bitterfeld Wolfen, 1993<br />
79
<strong>Ein</strong>en zusammenfassenden Überblick der in Bitterfeld-Wolfen produzierten<br />
Phosphorverbindungen [außer Schädlingsbekämpfungsmitteln] zeigt<br />
folgende Übersicht:<br />
aus: Bitterfelder Chronik: 100 Jahre <strong>Chemiestandort</strong> Bitterfeld Wolfen,<br />
Hrsg.: Vorstand der Chemie AG, Bitterfeld Wolfen, 1993<br />
80
Erstmalige Sanierung einer mit elementaremweißem Phosphor belasteten<br />
Industriefläche in Bitterfeld<br />
ie Gewährleistung der industriellen Wieder-<br />
und Weiternutzung von Altstandorten<br />
fordert von uns, den Umgang mit Kontaminationen<br />
zu lernen. in Bild 1 sind die wichtigsten<br />
altlastenrelevanten Probleme zusammengefaßt, die<br />
bei der Revitalisierung einer alten Industrieansiedlung<br />
gelöst werden müssen.<br />
Für den traditionsreichen <strong>Chemiestandort</strong> Bitterfeld<br />
geht es dabei um<br />
Gefahrenabwehr und Gefahrenvorbeugung für<br />
die geplante Nutzung bei <strong>Ein</strong>haltung und Berücksichtigung<br />
der weiteren relevanten Richtlinien und<br />
gesetzlichen Erfordernisse und um<br />
Schaffung der Voraussetzungen für die Durchführung<br />
von Investitionen, das heißt Beseitigung<br />
von Investitionshemmnissen, Errichtung von neuen<br />
Industrieanlagen und damit Sicherung beziehungsweise<br />
Schaffung neuer Arbeitsplätze.<br />
Bisher wurden beziehungsweise werden unter der<br />
Leitung der Chemiepark Bitterfeld Wolfen GmbH<br />
die folgenden großen Flächen saniert:<br />
Geländezur Vorbereitung der Ansiedlung <strong>Bayer</strong>-<br />
Bitterfeld GmbH;<br />
Gelände zur Vorbereitung der Ansiedlung der<br />
Firma Aus<strong>im</strong>ont;<br />
Gelände Bitterfeld Werk-Nord, Südbereich Ansiedlung<br />
der Firma Hüls AG:<br />
GeländeBitterfeld-Süd,Organische Chlorierungsund<br />
Phosphorchemie (Baufeld A, B und C) Ansiedlung<br />
der Firma Akzo Nobel.<br />
Darüber hinaus wurden für weitere Ansiedlungen<br />
entsprechende Flächen revitalisiert.<br />
Die für den vorliegendenBeitrag relevante Fläche<br />
ist ein Teil der oben genannten Baufelder A bis C <strong>im</strong><br />
Rahmen der Ansiedlung von Akzo Nobel. Auf dieser<br />
Fläche wurde unter anderem fast 80 Jahre lang organische<br />
Chlorierungschemie inklusive ihrer Probleme<br />
hinsichtlich von Gebäude- und Bodenkontaminationen<br />
betrieben. Insbesondere wurden chlorierte Aliphaten<br />
und Aromaten, HCH und DDT sowie weißer<br />
Phosphor und Phosphorsäureester produziert.<br />
Die Grundlagen für die Auswahl dieses Geländes<br />
und die auszuführenden Arbeiten bildeten<br />
der Kaufvertrag mit Akzo Nobel,<br />
das Sanierungsrahmenkonzept Bitterfeld-Wolfen<br />
und<br />
die mit den Behörden abgest<strong>im</strong>mten Sanierungszielsteliungen.<br />
Nach der erfolgreich durchgeführten Sanierung<br />
werden mittlerweile ca. 50 % der oben genannten<br />
Gesamtfläche (ca.6 ha) von einer Neuanlage für die<br />
Herstellung von chemischen Produkten (Phosphor-<br />
Verbindungen) genutzt.<br />
Der vorliegende Beitragberichtet über die Vorbereitung<br />
und Ausführung einer am 15. April 1997<br />
abgeschlossenen, sehr komplizierten. jedoch interessanten<br />
Sanierung einerTeilfläche des Baufelds C,<br />
auf der von 1900 bis 1992 elementarer weißer und<br />
roter Phosphor produziert wurden. Bei dieser Sanierungsmaßnahme<br />
ging es um die umweltgerechte und<br />
sicherheitstechnisch schwierige Entfernung eines<br />
Gefahrenherds. Hierbei handelte es sich um Erdreich,<br />
das mit elementarem weißem/gelbem Phosphor<br />
und zum Teilmit rotem Phosphor kontaminiert<br />
war und in Tiefen von 0,2 bis ca. 5 m unter Geländeoberkante<br />
(GOK) vorlag. Die potentiell kontaminierte<br />
Aushubmenge umfaßte ca. 4 800 t mit einem<br />
Gehalt an elementarem Phosphor von durchschnittlich<br />
1,5 %, mit einem Schwankungsbereich von ca.<br />
0,1 bis 75 % Phosphor.<br />
Obwohl der Phosphor nicht unmittelbar an der<br />
Bodenoberflächeanstand,wardielatenteGefahr der<br />
Entzündung und bei Trockenheit sogar die akute<br />
Gefahr der Selbstentzündung gegeben. Deshalb<br />
wurdedie Sanierung dieser Fläche auch als Bestandteil<br />
des Rahmensanierungskonzepts zur Gefahrenabwehr<br />
eingestuft. Diese Maßnahme stellt die erstmalige<br />
Komplettsanierung eines Geländes, das in<br />
der Vergangenheit für die Produktion elementaren<br />
weißen Phosphors genutzt wurde, dar.<br />
Sanierungsuntersuchung<br />
Weißer Phosphor ist chemisch äußerst reaktionsfähig.<br />
Im feinverteilten Zustand entzündet er sich an<br />
der Luft schon bei Z<strong>im</strong>mertemperatur und in kompakterFormwenigoberhalb<br />
50 oC von seIbst. Andere<br />
äußere Energieeinwirkungen können diese Schwelle<br />
beträchtlich herabsetzen. Die Verbrennung erfolgt<br />
dabei mit intensiver Leuchtkraft und Wärmeentwicklung<br />
und kann auf der Haut tiefgehende<br />
gefährliche Brandwunden erzeugen. Bei der Verbrennung<br />
entstehen starke Nebel von Phosphorpentoxid<br />
beziehungsweise Phosphorsäure. Weißer Phosphor<br />
ist sehr giftig. <strong>Ein</strong>e orale Aufnahme kann be<strong>im</strong><br />
MenschenunterUmständenzu Atemlähmung,übelkeit,<br />
Durchfall und Nierenschäden führen.<br />
Anhand einer historischen Recherche wurde das<br />
mögliche Schadstoffpotential des Gefahrenherds<br />
ermittelt und daraus ableitend versucht, nähere Hinweise<br />
auf kontaminierte Bereiche zu erhalten. Es<br />
konnte eingeschätzt werden,daß für eineBewertung<br />
nur der Gehalt an weißem Phosphor von Bedeutung<br />
ist, roter Phosphor und andere Modifikationen nur<br />
<strong>im</strong> Gemisch mit weißem Phosphor relevant sind.<br />
ImRahmen der Gefährdungsabschstzung undder<br />
Sanierungsuntersuchung des Geländes des ehemaligen<br />
Phosphorbeuiebserfolgte mit Hilfe von Rammkernsondierungen,<br />
die bis in ca. 5 m, teilweise sogar<br />
bis in 7 m Tiefe reichten, eine detaillierte Untersu-<br />
chung des Untergrunds auf das Vorhandensein von<br />
weißem Phosphor. Äußerlich erkennbare verschlossene,<br />
mit Phosphorresten gefüllte Schlammgruben<br />
und Teile der Gebäudesubstanz wurden ebenfalls<br />
diesbezüglich untersucht.<br />
Neef, Bergmann, Böhme, Miresch, Kotte: Erstmalige Sanierung einer mit elementaremweißem<br />
Phosphor belasteten Industriefläche in Bitterfeld,<br />
in :Recycling Derelictland 1/1998<br />
81
Trotz des früher sehr hohen Bebauungsgrads mit<br />
den entsprechenden zum Teil unbekannten Fundamenten<br />
gelang es weitgehend, die mit weißem Phosphor<br />
kontaminierten Bereiche in ihrer flächenmäßigen<br />
Ausdehnung zu lokalisieren und einzugrenzen.<br />
Die in relativ dichten Abständen durchgeführten<br />
qualitativen beziehungsweise halbqualitativen Best<strong>im</strong>mungendesweißenPhosphors<br />
waren durch den<br />
<strong>Ein</strong>satz einer empirisch entwickeltenSchnellmethode,<br />
der sogenannten Brennprobe, möglich. Anhand<br />
dieser Ergebnisse wurden Belastungskarten erstellt,<br />
welche die horizontale und vertikale Ausdehnung<br />
der Kontaminationen zeigten.<br />
Die Hauptbelastungsbereiche konzentrierten sich<br />
auf das Sed<strong>im</strong>ent eines Abwasserkanals (Teilfläche<br />
A) sowie zwei Bereiche nördlich des ehemaligen<br />
Phosphorbetriebs. Die festgestellten Belastungen in<br />
diesen Bereichen mußten als hoch bis sehr hoch<br />
eingestuft werden. Zum Teil wurden Linsen mit<br />
reinem Phosphor gefunden.<br />
Später stellte sich <strong>im</strong> Verlauf der Sanierung heraus,<br />
daß bei den Sanierungsuntersuchungen aus objektiven<br />
Gründen nicht alle Kontaminationen in ihrer<br />
horizontalen und insbesondere vertikalen Ausdehnung<br />
erfaßt werden konnten (Bild 2). Das lag<br />
unter anderem an folgenden Problemen:<br />
Die <strong>im</strong> Rahmen der Erkundung durchgeführten<br />
Rammkemsondierungenmußten be<strong>im</strong> Erreichenvon<br />
Fundamenten, die bis zu ca. 1 m mächtig waren,<br />
abgebrochen werden;<br />
Innerhalb und unterhalb eines Teils dieser Fundamente<br />
wurden während der Sanierungsarbeitenhohe<br />
Phosphorkontaminationen nachgewiesen;<br />
Revitalisierung<br />
Cebäude/Außenanlagen Boden<br />
- Gefahrenabwehr<br />
- Arbeitshygienische Probleme<br />
- Rückbau<br />
- Gefahrenabwehr<br />
- Arbeitshygienische Probleme<br />
- Wiederbebaubarkeit<br />
Reststofie in Lägern Kontaminationen<br />
[Akzeptanzwerte]<br />
0 Reststoffe in Ausrüstungen Bauphysikalische Probleme<br />
Kontaminationen<br />
-der Ausrüstungen Bild 1. Die wichtig-<br />
[AusmauerunglAuskleidung]<br />
oberflächennahe(Staubablagerungen)<br />
-der Baumaterialien<br />
-der Gebäude<br />
-der Fundamente<br />
sten altlastenrelevanten<br />
Probleme,<br />
die bei der Revitalisierung<br />
einer alten<br />
-desanliegenden Erdstoffs lndustrieansiedlung<br />
-der Kanäle<br />
gelöst werden<br />
müssen.<br />
Grundwasser<br />
- Gefahrenabwehr<br />
- Wiederbebaubarkeit<br />
- Grundwasserstand<br />
Kontaminationen<br />
Probleme<br />
- bauchemisch<br />
- bauphysikalisch<br />
- arbeitshygienisch<br />
Neef, Bergmann, Böhme, Düresch, Kotte: Erstmalige Sanierung einer mit elementarem weißem<br />
Phosphor belasteten Industriefläche in Bitterfeld,<br />
in :Recycling Derelictland 1/1998<br />
82
<strong>Ein</strong>e hohe Anzahl von in Bauzeichnungen nicht<br />
dokumentierten alten Gruben waren mit Phosphorschlamm<br />
beziehungsweise Phosphorabfallen verfüllt,<br />
teilweise erdverschüttet beziehungsweise befanden<br />
sich unter alten Fundamenten, die zum Teil<br />
später überbaut wurden;<br />
Während der Produktionsphase wurden zahlreiche<br />
Rohrleitungen, nachdem sie mit Phosphorschlamm<br />
zugesetzt waren, einfach <strong>im</strong> Boden belassen<br />
und durch neue ersetzt. Die alten Rohre waren<br />
zudem häufig defekt, so daß phosphorbelastete<br />
Schlammsuspensionen in das umgebende Erdreich<br />
eindringen konnten.<br />
<strong>Ein</strong>e Erklärung für die ungewöhnliche Ausbreitung<br />
der Kontaminationen durch weißen Phosphor<br />
ergibt sich unter anderem daraus, daß<br />
Phosphorschlämme in der Vergangenheit direkt<br />
in gemauerten Grubensystemen und erdverschütteten<br />
Gruben abgelagert (entsorgt) wurden.<br />
Bild 2. Übersicht<br />
der Teil- und Zusatzflächen<br />
des Sanierungsprojekts<br />
(Stand 15. April 1997)<br />
Abwässer früher warm beziehungsweise sogar<br />
heiß abgeführt wurden,<br />
Phosphorpartikel <strong>im</strong> Rahmen des Produktions-<br />
Prozesses durch Produktionswasser in das Abwassersystem<br />
gelangen konnten und<br />
geschmolzener weißer Phosphor eine sehr niedrige<br />
Viskosität und Oberflächenspannung besitzt,<br />
wodurch er selbst Mauerwerk und feinste Haarrisse<br />
diffundieren kann.<br />
Sanierungszielstellung<br />
In einschläsigenVeröffentlichungen zur Bewertung<br />
von Bodenkontaminationen ist der weiße Phosphor<br />
ais Schadstoff nicht enthalten. Es gibt somit keine<br />
Grenz- oder Richtwerte, die ais Anhaltspunkte für<br />
eine Festlegung der Sanierungsnotwendigkeit dienen<br />
könnten. Im Rahmen der Sanierungsuntersuchung<br />
wurde in enger Zusammenarbeit mit dem<br />
Neef, Bergmann, Böhme, Düresch, Kotte: Erstmalige Sanierung einer mit elementaremweißem<br />
Phosphor belasteten Industriefläche in Bitterfeld,<br />
in :Recycling Derelictland 1/1998<br />
83
Ingenieurbüro für Systemtechnik, Quedlinburg, der<br />
Versuch unternommen, eine Grenze festzulegen, die<br />
Gefährdungen, insbesondere auch bei der Verbringung<br />
von Aushubmaterialien, ausschließt, aberauch<br />
eine praktische Umsetzung zuläßt. Als Ergebnis<br />
dieser Arbeiten wurde auf der Basis der bereits<br />
erwähnten Brennprobe als Schwellenwert für den<br />
erforderlichen Aushub von phosphorkontaminiertem<br />
Material ein noch zu akzeptierender Gehalt von<br />
max<strong>im</strong>al ca. 0,l % Phosphorwciß <strong>im</strong> Boden vorgeschlagen.<br />
Des weiteren wurde in Übereinst<strong>im</strong>mung<br />
mit dem Sanierungsrahmenkonzept hinsichtlich der<br />
großräumigen Situation Grundwasser in Bitterfeld<br />
und Umgebung und seiner Entwicklung zurVermeidung<br />
von Gefährdungen vorgeschlagen, potentiell<br />
phosphorkontaminierten Aushub bis zu einer Tiefe<br />
von 0,5 m unterGrundwasseroberkante zu entfernen<br />
und zu entsorgen.<br />
Diese Zielstellungen wurden von der Gefahrenabwehrbehörde<br />
bestätigt und bildeten die Basis für<br />
das Sanierungskonzept.<br />
Sanierungsdurchführung<br />
Neef, Bergmann, Böhme, Wresch, Kotte: Erstmalige Sanierung einer mit elementarem weißem<br />
Phosphorbelasteten IndustrieflächeinBitterfeld,<br />
in :Recycling Derelictland 1/1998<br />
84
Neef, Bergmann, Böhme, Duresch, Kotte: Erstmalige Sanierung einer mit elementarem weißem<br />
Phosphor belasteten Industriefläche in Bitterfeld,<br />
in :Recycling Derelictland 1/1998<br />
85
sätzlich kam es darauf an, die anfallenden Aushubmassen<br />
so zu selektieren, daß der phosphorkontaminierte<br />
Anteil - der wesentliche Kostenfaktor-unter<br />
Beachtung der Sanierungszielstellung min<strong>im</strong>iert<br />
wurde. Diesem Ziel dienten die laufenden Kontrollen<br />
der anstehenden und geborgenen Aushubmateriaiien<br />
mittels Brennprobe. Bereits in dieser Phase<br />
erfolgte eine Trennung von<br />
nicht belastetem Material (< 0.1% Phosphor),<br />
schwächer belastetem Material (0,l bis 10%<br />
Phosphor) und<br />
stark belastetem Material (> 10 % Phosphor).<br />
Das nicht kontaminierte Material wurde umgehend,<br />
entsprechend dem gültigen Entsorgungsnachweis,<br />
auf einer zugelassenen Deponie abgelagert.<br />
Der schwächer belastete Aushub wurde in 15t-fassende,<br />
zum Teil mit Wasser gefüllte Transportcontainer<br />
gefüllt, die zur chemisch-physikalischen<br />
Behandlungsanlage transportiert wurden. Stark<br />
belastetes Gut wurde in wassergefüllte 60-1-Plastikfasser<br />
mit Überfaß und UN-Codierung überführt und<br />
zur Entsorgung in eine Sonderabfallverbrennungsanlage<br />
(SAV) gebracht.<br />
Bei diesem Handling hat sich die in den Bildern 4<br />
bis 7 dargestellte Vorgehensweise, die in ihrer endgültigen<br />
Form auf der Basis der gewonnenen Erfahrungen<br />
festgelegt wurde. insgesamt sehr gut bewährt.<br />
Zur Verhinderung von Entstehungsbränden und<br />
zur Vermeidung von Phosphorpentoxid-Nebel-Be-<br />
Iästigungen stellten Wasser als Sprühstrahl und das<br />
Abdecken mit feuchtem Sand die wichtigsten Hilfsmittel<br />
dar.<br />
Sanierungsdurchführung<br />
Sicherheitskonzeption<br />
Vor Beginn der Arbeiten wurde dem Auftragnehmer<br />
eine vom Auftraggeber erarbeitete Sicherheitskonzeption<br />
I für die ,.Sicherung/Sanierung der Phosphorablagerungen<br />
Werksteil Süd", die unter anderem<br />
mit dem Gewerbeaufsichtsamt abgest<strong>im</strong>mt worden<br />
war und welche die wesentlichen sicherheitsrelevanten<br />
Aufgabenstellungen enthielt, ausgehändigt.<br />
Daraufhin erarbeitete der Auftragnehmer eine Sicherheitskonzeption<br />
II ,,Arbeitsschutzkonzeption<br />
zum Bergen, Verpacken, Behandeln und Entsorgen<br />
phosphorbelasteter Aushubmassen", die Sicherheitstechnische<br />
Festlegungen für seine Arbeitnehmer<br />
enthielt und in der die Hinweise der Sicherheitskonzeption<br />
I umgesetzt waren (Bild 3).<br />
Aushub und Handling<br />
Aufgrund der Besonderheiten der Kontaminationen<br />
durch elementaren Phosphor war es oberstes Prinzip,<br />
Brände zu verhindern und Belästigungen durch<br />
P2O5-Nebel weitgehend zu vermeiden, insbesondere<br />
<strong>im</strong> Hinblick auf die <strong>im</strong> Umfeld bereits angesiedelten<br />
Betriebe. Es war zu berücksichtigen, daß während<br />
der Aushubarbeiten mit lokalen Kontaminationen,<br />
die <strong>im</strong> Rahmen der Sanierungsuntersuchungen nicht<br />
erkannt wurden beziehungsweise nicht erkannt werden<br />
konnten. zu rechnen war.<br />
Das Gelände war viele Jahrzehnte lang für verschiedene<br />
Produktionen industriell genutzt worden.<br />
Unterschiedliche Herstellungstechnologien wurden<br />
zurProduktion vonPhosphor angewendet, weshalb<br />
mit einer Vielzahl von unbekannten Fundamenten<br />
Gruben und Rohrleitungen gerechnet werden mußte.<br />
Aus diesen Gründen waren verschiedene spezifische<br />
Vorgehensweisen bei der Bergung der phosphorkontaminierten<br />
Materialien erforderlich.<br />
Chemisch-physikalische Behandlung<br />
der schwächer belasteten Aushubmaterialien<br />
(bis ca. 10 % Phosphor)<br />
Bei der angewandten Technologie der Phosphorbodensanierung<br />
(Bilder 8 und 9) handelt es sich um ein<br />
patentrechtlich geschütztes Verfahren. Diese Entwicklung<br />
der Bodensanierung Bitterfeld GmbH basiert<br />
auf der möglichen Steuerung der Oxidation von<br />
elementarem weißem Phosphor mittels Wasserstoffperoxid<br />
(H 2O 2) <strong>im</strong> wässrigen Medium unter Zugabe<br />
von speziellen Zusätzen (Bild 10). Zur Steuerung<br />
und Opt<strong>im</strong>ierung des Verfahrens wird bei jeder<br />
Charge der Phosphorgehalt best<strong>im</strong>mt. Die bei der<br />
Reaktion entstehende Phosphorsäure wird nach Beendigung<br />
der Gesamtreaktion (Zielstellung 0,l %<br />
Phosphor. erreicht werden ca. 0,001 % Phosphor)<br />
durch Zugabe von Ca (OH) 2 neutralisiert. Der Feststoffanteil<br />
der Gesamtsuspension wird danach von<br />
der Flüssiskeit getrennt und der Feststoff ordnungsgemäß<br />
entsorgt (Deponierung). DieFlüssigkeit wird<br />
zum Teil <strong>im</strong> Kreislauf zum Anmischen neuer Reaktionsansätze<br />
eingesetzt beziehungsweise zur Vemngerung<br />
des Neutralsalzgehalts ausgekreist.<br />
Die mögliche Bildung von Emissionen durch die<br />
Wasserdampfflüchtigkeit des Phosphors wird durch<br />
die angewandten Reaktionsbedingungen und den<br />
hohen Sauerstoffüberschuß verhindert. Das Gleiche<br />
gilt für die weitestgehende Vermeidung der Phosphonvasserstoffbildung.<br />
Darüber hinaus erfolgt eine<br />
Behandlung der Abgase über Aktivkohle.<br />
Entsorgung der stark belasteten Aushubmaterialien<br />
(> 10 % Phosphor)<br />
Die Entsorgung des Aushubs mit Phosphorgehalten<br />
> 10 % erfolgte in einer thermischen Entsorgungsanlage<br />
eines großen Chemieuntemehmens.<br />
Neef, Bergmann, Böhme, Miresch, Kotte: Erstmalige Sanierung einer mit elementarem weißem<br />
Phosphor belasteten Industriefläche in Bitterfeld,<br />
in :Recycling Derelictland 1/1998
Bild 9. Mengenflußdiagramm<br />
der<br />
Phosphorboden-<br />
Sanierung.<br />
Neef, Bergmann, Böhme, Düresch, Kotte: Erstmalige Sanierung einer mit elementarem weißem<br />
Phosphor belasteten Industriefläche in Bitterfeld,<br />
in :Recycling Derelictland 1/1998 87
Chemisch -physikalische BehandlungI<br />
mitweißem Phosphor<br />
kontaminierterFeststoffe<br />
Bild 1O. Chemischphysikalische<br />
Behandlungder mit<br />
weißem Phosphor<br />
kontaminierten<br />
Feststoffe.<br />
Bild 11. Aufgaben<br />
des Gutachters <strong>im</strong><br />
Rahmen der Sanierungsdurchführung.<br />
Ergebnis<br />
Im Rahmen der Sanierungsaufgabe wurde das Gelände<br />
bis ca. 0,5 m unter dem Grundwasserschwankungsbereich<br />
und bis ca. 33 m unter GOK von<br />
Phosphordekontaminiert. Nach der Separierung von<br />
unbelastetem Material wurden 4725 t phosphorkontaminiertes<br />
Erdreich und Bauschutt mit einem<br />
Gehalt > 0.1 % Phosphor geborgen und in der chemisch-physikalischen<br />
Anlage dekontaminiert beziehungsweise<br />
in der SAV entsorgt. Der Gehalt der<br />
belasteten beziehungsweise entsorgten Aushubmaterialien<br />
an elementarem Phosphorweiß betrug insgesamt<br />
ca. 125 t.<br />
Die Gesamfläche des Baufelds C, einschließlich<br />
der ehemals phosphorkontarninierten Bereiche, ist<br />
komplett fur eine Neubebauung vorbereitet.<br />
Zur Gewährleismng der Qualität der Sanierung,<br />
ais Voraussetzung für die Abnahme des Geländes<br />
durch den Käufer gemäß Kaufvertrag, wurde der<br />
TÜV Rheinland Berlin-Brandenburg mit dem Unterauftragnehmer<br />
WOSAB Sanierungsberatung<br />
Wolfen GmbH als Gutachter eingesetzt. Die Aufgaben<br />
des Gutachters <strong>im</strong> Rahmen der Sanierungsdurchführung<br />
sind in Bild 11 zusammengefaßt.<br />
Die Kontrolle des Regierungspräsidiums Dessau<br />
nahm ein Supponer (BGI Ingenieurgesellschaft mbH,<br />
Bergwitz) wahr.<br />
Die spezielle Analytik, insbesondere die quantitative<br />
Phosphorbesummung, übernahm die Firma<br />
Wolfener Umweltanalytik GmbH.<br />
Den Aushub des nichtkontaminierten Materials<br />
führten die beiden Firmen Erd- und Tiefbau Bitterfeld<br />
GmbH und Bodensanierung Bitterfeld GmbH in<br />
enger Zusammenarbeit durch.<br />
Die Firma Akzo Nobel unterstützte die Arbeiten<br />
durch viele wertvolle Hinweise zum Umgang mit<br />
elementarem Phosphor und durch ihr Verständnis<br />
für die bei den Arbeiten auftretenden Probleme.<br />
Die zuständigen Behörden, insbesondere die Bundesanstalt<br />
für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben,<br />
das Regierungspräsidium Dessau, das Staatliche Amt<br />
für Umwelt Dessau-Wittenberg und das Landratsamt<br />
Bitterfeld als Gefahrenabwehrbehörde, machten<br />
das Vorhaben erst durch die in Vorbereitung<br />
getroffenen und während der Durchführung der Arbeiter.<br />
notwendigen weiteren Entscheidungen möglich.<br />
Neef, Bergmann, Böhme, Düresch, Kotte: Erstmalige Sanierung einer mit elementarem weißem<br />
Phosphor belasteten Industriefläche in Bitterfeld,<br />
in :Recycling Derelictland 1/1998<br />
88
3.3 Beispiele für Altlasten, Grube Antonie<br />
Schnellstmöglich muss bei der Grube Antonie gehandelt werden, da der Boden dort<br />
bis in 60 Meter Tiefe mit chlororganischen Verbindungen belastet ist. Die wohl<br />
schl<strong>im</strong>mste Altlast Sachsen-Anhalts liegt westlich des Werksteils Bitterfeld-Mitte der<br />
Chemie GmbH und ist eine ehemalige Braunkohlengrube. Sie umschließt zusammen<br />
mit der angrenzenden Fäkalgrube Marie eine Fläche von 31 Hektar. Die Grube ist<br />
sei 1914 ausgekohlt. Bis 1965 wurden Chemieabfälle und Bauschutt abgelagert,<br />
später Abfälle aus der Lindanproduktion. Hier lagern davon ca. 70.000 Tonnen.<br />
Die ausgekohlte Grube Antonie (1927 Tagebaubetrieb) an der Bitterfelder Stadtgrenze,<br />
unmittelbar westlich des Werksteils Bitterfeld-Mitte der Chemie GmbH, wurde<br />
beginnend vor dem 2. Weltkrieg mit Abraum und insbesondere nach 1950 mit<br />
Abfällen aus der chemischen Industrie verfüllt. <strong>Ein</strong>e genaue Kenntnis des Deponieinhalts<br />
liegt nicht vor, erst ab 1975 wurden Dokumentationen geführt.<br />
Die Grube lässt sich in verschiedene Teilbereiche untergliedern. Im Nordosten befinden<br />
sich mehrere Absatzbecken, <strong>im</strong> südlich angrenzenden Bereich wurden Manganschlämme<br />
deponiert. Im nordwestlichen Teilbereich befinden sich konzentrierte<br />
Hexachlorcyclohexan (HCH)-Rückstände, südlich davon liegen HCH-Rückstände<br />
vermengt mit Bauschutt und festen Industrieabfällen. In der südlichen Teilfläche befinden<br />
sich eine Fäkaliengrube und der Fäkalienteich Grube Marie.<br />
Als Hauptinhaltsstoff und auch Hauptgefährdungspotential der Deponie sind die zirka<br />
70.000 Tonnen Hexachlorcyclohexan-Rückstände zu beachten, die seit 1950 in<br />
das Tagebaurestloch eingebracht worden sind. Doch die Grube weist weitere 30<br />
lnhaltsstoffe auf, unter anderem:<br />
75.000 t Schlämme aus der Neutraanlage Nord<br />
21 .000 t Entfallschwefelsäure mit chlorierten Toluolen<br />
1.500 t teerartige Rückstände<br />
1.000 t Destillationsrückstände<br />
4.800 t Hexachloräthanabfälle<br />
975 t Benzychloridrückstände.<br />
Die Deponate und der teilweise eingelagerte Abraum haben eine Mächtigkeit von 15<br />
bis 20 Meter. Darunter befindet sich eine Gl<strong>im</strong>mersandschicht von etwa 40 Meter<br />
Mächtigkeit und der 10 bis 20 Meter starke Rupelton. Der Deponiefuß befindet sich<br />
<strong>im</strong> Grundwasser, das in zirka 12 Meter unter Gelände ansteht.<br />
Es ist bisher noch nicht möglich, die Grube Antonie von benachbarten Altablagerungen<br />
<strong>im</strong> Werksgelände (Halte Verladebahnhof, Titanteich, Klärteiche Süd) und<br />
Grundwasserbelastungen durch kontaminierte Betriebsflächen abzugrenzen. Bohrungen<br />
haben ergeben, dass die Kontaminationen bis zur Basis der tertiären Gl<strong>im</strong>mersande<br />
reichen, wobei die feinsandigen Tertiärschichten offenbar stärker belastet<br />
sind als die sandig-kiesigen Quartär-Ablagerungen. Bis zu einer Tiefe von 58 Metern<br />
reichen die Hexachlorcyclohexan-Isomere.<br />
89
Der Abstrombereich <strong>im</strong> Quartärschotter weist starke Belastungen durch Zink, Nickel,<br />
organische Halogenide und Chloride auf. Außerdem wurden hohe Konzentrationen<br />
für Stickstoff, Quecksilber und HCH nachgewiesen.<br />
Der Tertiär-Äquifer ist vor allem durch organische Halogenide, Monochlorphenol,<br />
Chemischen Sauerstoffbedarf, Phenole, Arsen, Blei, Chlor, Fluor, Stickstoffdioxid<br />
und Chloral belastet.<br />
Durch Ausgasungen an die Atmosphäre und Belastungen des Grundwassers liegt<br />
ein sehr hohes Gefahrenpotentialvor. Die Untersuchungen des Bitterfelder Projektes<br />
,,Ökologische Iststandsanalyse"haben die Grube Antonie deshalb an die Spitze<br />
aller Altablagerungen <strong>im</strong> Landkreis Bitterfeld gestellt. Die Grube best<strong>im</strong>mt maßgeblich<br />
die Schadstoffbelastungdes Grundwassers, das in Richtung Nord-Ost (Greppin,<br />
Naturschutzgebiet Salegaster Forst) strömt. Die <strong>Ein</strong>stellung des Braunkohlentagebaus<br />
und damit die Sümpfungsmaßnahmen <strong>im</strong> Westen (Köckern) der Altablagerung<br />
kann den Schadstoffaustrag wesentlich verstärken. Sicherungs- und Sanierungsmaßnahmen<br />
sind zwingend erforderlich.<br />
Zunächst benötigt die Grube Antonie eine Oberflächenabdeckung. Aufgrund der<br />
unterschiedlichen Deponiebereiche (Klärteiche, HCH-Ablagerungen, Fäkalienteiche)<br />
muss mit unterschiedlichen Setzungsverhalten gerechnet werden. Daher ist eine<br />
flächenhaft differenzierte Abdeckung vorzusehen. Sie soll auf der Basis von<br />
Montanwachs und speziellen Polymersilicatenerreicht werden. Es handelt sich dabei<br />
um neuartige Dichtmaterialien.Weiterhin muss der Deponiekörper <strong>im</strong> Grundwasseranstrombereich<br />
ebenfalls durch diese Dichtstoffe abgeschottet werden.<br />
Vorgesehen ist dann die biologische Behandlung des aus dem Deponiekörper geförderten<br />
Grundwassers außerhalb der Deponie in einem Bioreaktor und eine anschließende<br />
Abführung in den Vorfluter nach einer Zusatzbehandlung.<br />
<strong>Ein</strong>e Sanierung der Grube ist aus ökonomischen Gründen in absehbarer Zeit kaum<br />
durchführbar. <strong>Ein</strong>e Ausnahme bildet die HCH-Monodeponie (etwa 20.000 Kubikmeter),<br />
die eventuell ausgehoben und durch Verbrennung direkt entsorgt werden kann.<br />
Auf jeden Fall soll außerdem durch die gezielte Auslaugung des Altlastkörpers eine<br />
schrittweise Reduzierung des Schadstoff inventars vorgenommen werden.<br />
Ziel ist es, dass von der Altablagerung mit der größten Schadstofflast <strong>im</strong> Raum Bitterfeld/Wolfen<br />
keinerlei Gefährdungen für den Menschen ausgehen.<br />
(aus: Ministeriumfür Umwelt, Naturschutz und Raumordnung des Landes Sachsen-<br />
Anhalt: Nationales Sonderprogramm, S. 35, 37, 38)<br />
90
Sanierungs- und Sicherungsschritte Grube Antonie<br />
Die Sanierungs- und Sicherungsschritte der Grube Antonie. Aus ökonomischen Gründen ist eine Sanierung in absehbarer Zeit nicht<br />
möglich. Gegenwärtig vollziehen sich Maßnahmen zur <strong>Ein</strong>kapselung des Deponieinhalts.<br />
aus: Min. f. Umwelt, Naturschutz und<br />
Raumordnung des Landes Sachsen-Anhalt:<br />
Nationales Sonderprogramm,
Die Deponie Johannes, der Silbersee, ein<br />
Beispiel für Sanierungsprobleme<br />
Der Schlammteich Grube Johannes ist als "Silbersee" zu überregionaler<br />
Bekanntheit gelangt und wurde dadurch zum Symbol der jahrzehntelang<br />
verfehlten Umweltpolitik in der lndustrieregion Bitterfeld-Wolfen.<br />
Vor mehr als 150 Jahren entstand die Grube Johannes infolge der<br />
Gewinnung von Braunkohle <strong>im</strong> Tagebau. In den Jahren von 1921 bis 1990<br />
diente sie zur Verspülung von völlig unbehandelten Abwässern aus der<br />
Filmfabrik. Dabei entstand aus Ligninschlamm durch chemische<br />
Reaktionen eine gelartige toxische Flüssigkeit, die<br />
Volksmund den Namen "Silbersee" einbrachte.<br />
der Grube <strong>im</strong><br />
Der See n<strong>im</strong>mt heute eine Fläche von ca. 27 ha ein und enthält ca. 2,1<br />
Mio. m Schlamm in Schichten bis zu m.<br />
3<br />
12<br />
Seit Anfang der 60iger Jahre führten mikrobielle Prozesse zur Freisetzung<br />
von Schwefelwasserstoff aus dem Schlammträger und damit zur<br />
erheblichen Belästigung der Anwohner. Nach Stillegung der<br />
Produktionsanlagen <strong>im</strong> Jahre 1987 wurden kurzfristig erste Maßnahmen<br />
zur Sicherung der Deponie eingeleitet, um die Emission geruchsintensiver<br />
Gase zu verhindern.<br />
Ab 1990 -nach der Wende - führte man zahlreiche Untersuchungen zur<br />
Gefährdungsabschätzungder Grube Johannes durch.<br />
Die Erstbewertung des Gefährdungspotentials der Grube kam zu der<br />
Aussage, dass der Schlammkörper als deutlich bis stark kontaminiert<br />
angesprochen werden kann, während die dortigen Schadstoffe jedoch<br />
nachgewiesenermaßen bisher fixiert zu sein scheinen. Im<br />
Grundwasserabstrom ist bislang noch keine Anreicherung mit den aufgrund<br />
des Schadstoffinventars des Schlammteiches zu erwartenden Stoffgruppen<br />
festgestellt worden, die wesentlich über das Maß der erheblichen<br />
Hintergrundbelastung hinausgehen.<br />
Wenn auch zur Zeit keine akute Gefährdung durch die Schadstoffe <strong>im</strong><br />
Schlamm besteht, sollte die Sanierung mittel- bis langfristig angestrebt<br />
werden. Nur Proben der oberen Schlammzonen konnten bisher untersucht<br />
werden, wobei innerhalb weniger Zent<strong>im</strong>eter enorme<br />
Konzentrationsunterschiede auftraten. Die Übertragbarkeit chemischer und<br />
biologischer Prozesse auf den gesamten Schlammkörper scheint nicht<br />
möglich zu sein. Langfristig ist eine Abschätzung des Gefahrenpotentials<br />
nur schwer möglich.<br />
92
Das anzustrebende Ziel der Sanierung muß also die Dekontamination des<br />
Ligninschlammes sein.<br />
Die Totalsanierung durch thermische Verfahren ist aufgrund der riesigen<br />
Schlammenge und der fehlenden Infrastruktur -in Form von geeigneten<br />
Verbrennungsanlagen- kurzfristig nicht realisierbar. Andere technische<br />
Verfahren benötigen aufwendige Anlagenkonstruktionen und kommen<br />
daher nicht in Frage. Zur Zeit ermöglichen neben<br />
Dammsicherungsmaßnahmen nur biologische Konzepte eine<br />
Sofortsicherung der Deponie. Dazu sind die technische Belüftung des<br />
vorhandenen Wassersaumes sowie die Bereitstellung von geeigneten<br />
Aufwuchsflächen für die Mikrobiologieerforderlich.<br />
Während der Durchführung der Sicherungsmaßnahmen ist eine ständige<br />
meßtechnische Überwachung notwendig und wird durch "Vor-Ort-Analytik"<br />
geleistet.<br />
Die Sanierung dieses Gebietes ist unbedingt erforderlich, wenn man die<br />
Lebensqualität zukünftiger Generationen erhalten will.<br />
Um Umweltsünden vergangener Zeiten in Zukunft zu vermeiden, wird <strong>im</strong><br />
ChemiePark Bitterfeld zur Zeit ein Verbundsystem aufgebaut, das<br />
Chemieabfälle stark reduziert - ein hoffnungsvolles Konzept für die Zukunft.<br />
93
Organische Belastung<br />
Analysenergebnisse aus der "Grube Johannes"<br />
Folgende Stichprobe wurde <strong>im</strong> März/April 1990 <strong>im</strong> "Silbersee" entnommen:<br />
AOX (Adsorbierbare organisch gebundene Halogene)<br />
50 - 200µg/l<br />
4189 mg/l<br />
4,3 mg/l<br />
Chemische und mikrobielle Prozesse <strong>im</strong> Schlamm<br />
der Grube Johannes<br />
Vor mehr als 160 Jahren entstand die Nutzung als Abwasserabsetzbecken wurde<br />
Grube Johannes infolge der Gehnung<br />
von Braunkohle <strong>im</strong> Tagebau,<br />
später wurden über viele Jahre Produktionsabwässer<br />
in die Grube eingeleitet,<br />
die heute Sicherungs- und<br />
janierungsmaßnahmen zwingend erfordern.<br />
Im Rahmen der meßtechnischen<br />
Überwachung von derzeitig laufenden<br />
Maßnahmen zur Sicherung<br />
der Grube Johannes kommt den chemischen<br />
und mikrobiellen Prozessen<br />
<strong>im</strong> Schlamm eine bedeutsame Rolle<br />
zu. Nachfolgend werden die spezifischen<br />
Besonderheiten des Schlamms<br />
herausgestellt, Ergebnisse zur Erfassung<br />
der obersten Schlammzone<br />
präsentiert sowie die Hauptabban-<br />
Prozesse in den verschiedenen Tiefenzonen<br />
charakterisiert. 1 )<br />
Das Braunkohletagebaurestloch Grube Johannes<br />
(auch als „Silbersee” bekannt)<br />
diente mehr ais 70 Jahre der Verspülung<br />
von Industrierückständen der Filmfabrik<br />
Wolfen. Ais Folge haben sich Asche-, Kalkund<br />
Ligninzellulosesed<strong>im</strong>ente abgelagert<br />
[2]. in der Grube Johannes befinden sich<br />
nun unter einer Fläche von ca. 27 ha ca.<br />
2,1 Mio. m 3 Schlamm in Schichten von bis<br />
zu 12 m. Der Schlamm ist mit durchschnittlich<br />
einem Meter Wasser überstaut, seine<br />
Hauptbestandteile sind Zellulose- und unter<br />
schwefelsauren Bedingungen geflockte<br />
Ligninderivate des Sulfatzellstoffaufschlusses.<br />
Wie aus umfangreichen Untersuchungen<br />
zum Inhaltsstoffspektrum und zum<br />
Schadstoffgehalt bekannt ist [2, 5, 6], sind<br />
noch eine Vielzahl anderer Stoffe wie u. a.<br />
Metalle (z. B. Zink) und Schwefelverbindungen<br />
(z. B. Sulfide) in beträchtlichen Mengen<br />
enthalten, die aus der <strong>Ein</strong>spüiung von Abwässern<br />
der Sulfitzellstoff-, Viskosefaserund<br />
-seide und aus der Filmherstellung<br />
stammen. Seit Anfang der 60iger Jahre<br />
führte insbesondere die mikrobielle Freisetzung<br />
von Schwefelwasserstoff aus dem<br />
Schlammkörper zu erheblichen Belästigungen<br />
der Anwohner.<br />
eingestellt).<br />
Ab1990 wurde die ifUA-institut für Umwelt-Analyse<br />
GmbH mit der Gefährdungsabschätzung<br />
der Grube Johannes beauftragt.<br />
in den folgenden Jahren wurden<br />
diese Arbeiten sowie Untersuchungen zur<br />
Sicherung / Sanierung der Grube <strong>im</strong> Rahmen<br />
einer Projektgmppe, zuletzt unter Leitung<br />
der WVV AG i.L, weitergeführt.<br />
<strong>im</strong> Rahmen von Sicherungsmaßnahmen<br />
wurde dann der wasserüberstaute<br />
Schlamm zum Schutz vor Verwirblung, Verlängerung<br />
der Verweilzeit von aufsteigenden<br />
Gasblasen und als Aufwuchsträger für<br />
Bakterien mit einem Krallgewebe bedeckt<br />
(P 4312891.2 [12]). Diese mit einer belüfteten<br />
Stauwasserlamelle überschichtete Fläche<br />
stellt mit ca. 20 ha den größten Flächenanteil<br />
dar. Der hier bei pH-Werten von 4-5<br />
eingespülte und abgelagerte Schlamm<br />
wurde durch den Stauwasser-<strong>Ein</strong>fluß an<br />
der Oberfläche zunehmend neutralisiert.<br />
Auf einer Restfläche von ca. 2,7ha hatte<br />
die Verdrängungsschüttung zur Böschungsstabilisierung<br />
den Schlamm bis auf die<br />
Höhe der Wasserlamelle gedrückt. Hier<br />
konnte durch Aufbringung eines schw<strong>im</strong>menden<br />
Oberflächen-Biofilters eine wirksameReduzierungderSulfid-undGeruchsstoff-Freisetzung<br />
erreicht werden [11]. Das<br />
Gas enthielt teilweise recht hohe Konzentrationen<br />
an Schwefelwasserstoff, so daß<br />
<strong>im</strong> unmittelbaren (bewohnten) Umfeld die<br />
Immissions-Spitzenwerte über 500 µm 3<br />
lagen, derWHO-Leitwert von 7µg/m 3 also<br />
dauerhaft überschritten wurde und zu erheblichen<br />
Belästigungen der Anwohner<br />
führte. Den mikrobiellen Abbauprozessen<br />
<strong>im</strong> Schlamm kommt daher eine besondere<br />
Bedeutung zu, und es ist zu vermuten, daß<br />
deroberste Schlammhorizont die Hauptreaktionszone<br />
dermikrobiellen Umsetzungs-<br />
Prozesse in der Grube darstellt.<br />
Sicherungsmaßnahmen<br />
Bereits 1987wurdenersteMaßnahmenzur<br />
SicherungderDeponie eingeleitet,und mit<br />
Stillegung der Produktionsanlagen und EistellungderAbwassereinleitungwurde<br />
die<br />
zum Überstau der Schlammfläche notwendige<br />
Wasserlamelle<strong>im</strong> Wesentlichen durch<br />
die<strong>Ein</strong>leitungsulfathaltiger,schwach basischer<br />
Spülaschenwässer gesichert und<br />
durch Oberflächenbelüfter mit Sauerstoff<br />
angereichert. Ab 1991 konnte die östliche.<br />
setzungsfließgefährdete Steilböschung<br />
durch einen Damm stabilisiert und der Ablauf<br />
der Grube geschlossen werden (die<br />
Aus: Gunther Otto, Reino Rieseler: Neue Erkenntnisse über chemische und mikrobielle Prozesse<br />
Seite 25-29 <strong>im</strong> Schlamm der Grube Johannes in Wolfen, TemTech 5/1996<br />
98
Meßtechnische Überwachung<br />
<strong>Ein</strong> Hauptaugenmerk bei der Sicherung<br />
und meßtechnischen Überwachung der<br />
Grube,die seit 1996von der IfUA- Institut<br />
für Umwelt-Analyse GmbH durchgeführt<br />
wird, ist daher auf die chemischen und mikrobiellen<br />
Prozesse <strong>im</strong>SchlammderGrube<br />
Johannes zu richten. Nachfolgend werden<br />
die Ergebnisse einer Diplomarbeit, die <strong>im</strong><br />
Rahmen der meßtechnischen Überwachung<br />
erarbeitet wurden, zusammengefaßt.<br />
Bisher durchgeführte mikrobiologische<br />
Untersuchungen[4,9] bezogen sichauf die<br />
Schlammschicht von 0 bis 0,75 m. Um eine<br />
möglichst genaue Differenzierung der Inhaltsstoffe<br />
und der Abbauprozesse in den<br />
oberen Schlammbereichen zu erhalten,<br />
war ein Ziel der hier beschriebenenArbeit,<br />
die Feinzonierung der obersten Schlammzone<br />
zu erfassen und die Hauptabbauprozesse<br />
in den verschiedenen Tiefenbereichen<br />
zu charakterisieren; gleichzeitig<br />
wurde der Untersuchungsbereichauf eine<br />
Schlammtiefe von1,70 m ausgedehnt.<br />
Spezifitätdes Schlammes<br />
Seit der Stillegung der Neutralisationsanlage<br />
der Filmfabrik Wolfen 1963 wurde<br />
Abwasser mit pH 3-4 direkt in die Grube<br />
eingeleitet.Infolgedessen flockten die enthaltenen<br />
Alkalilignine der Sulfatzellstoffablaugeausund<br />
führtenzu einerSchlammablagerung<br />
von 20-50 t pro Tag Dabei wurden<br />
Schadstoffkonzentrationenund Mikroorganismenke<strong>im</strong>e<br />
punktuell in der Matrix<br />
eingeschlossen und festgelegt. Diespezifische<br />
Gelstruktur verhinderte zudem eine<br />
Vermischung <strong>im</strong> Laufe der Jahre nahezu<br />
vollständig. So können bereits innerhalb<br />
weniger Zent<strong>im</strong>eter Sed<strong>im</strong>entenorme Konzentrationsunterschiede<br />
auftreten.<br />
Diese spezielle Eigenschaft des Schlammes<br />
der Grube Johannes erschwerte die<br />
Untersuchungen erheblich. Durch große<br />
Konzentrationsunterschiede best<strong>im</strong>mter<br />
Inhaltsstoffe bei der Gelbildung sind Verall-<br />
1: Luftbild der Grube<br />
Johannes mit eingezeichnetenProbenahmestellen<br />
Aus: Gunther Otto, Reino Rieseler: Neue Erkenntnisse über chemische undmikrobielle Prozesse<br />
<strong>im</strong>Schlammder Grube Johannes in Wolfen, TerraTech 5/1996<br />
Seite 25-29<br />
99
gemeinerungen von Analysenergebnissen.<br />
selbstbei Angabe derProbenstelleund Entnahmetiefe,<br />
schwierig. Desweiteren mußten<br />
einige Analysenmethoden modifiziert<br />
werden,um <strong>Ein</strong>flüssevon <strong>im</strong> Schlammenthaltenen<br />
Stoffen auszuschließen.<br />
Noch größere Schwierigkeitenbestehen<br />
bei mikrobiologischenUntersuchungen.Es<br />
kann angenommen werden, daß die Lebensräume<br />
der Mikroorganismen in gewisser<br />
Weise als viele kleine<strong>Ein</strong>zelbiotopezu<br />
verstehen sind. Dafür sprechen folgende<br />
Fakten:<br />
1. Methanogene, sulfatreduzierende und<br />
acetogene Mikroorganismen können in<br />
diesem Milieu nur in syntropen Beziehungen<br />
überleben (Methanogene und<br />
Sulfatreduzierersind auf Zellulosespaltprodukte<br />
als einzigverfügbares Substrat<br />
angewiesen, und die acetogenen Bakterien<br />
benötigen wasserstoffverbrauchende<br />
Mikroorganismenin Symbiose, um<br />
den niedrigen, zum Überlebennotwendigen,Partialdruck<br />
aufrechtzuerhalten).<br />
2. <strong>Ein</strong> <strong>Ein</strong>trag von Mikroorganismen kann<br />
nur durch den Wasserkörper in die<br />
Schlammoberfläche erfolgen.<br />
3. Nurdurch dievon aufsteigendenGasblasen<br />
erzeugten Turbulenzen ist eine geringe<br />
und langsame Vermischung übereinanderliegender<br />
Schlammschichten<br />
zu erwarten.<br />
4. Die Inhaltsstoffe, also auch die Substrate,<br />
Nährstoffe und Toxine,liegen in unterschiedlichenKonzentrationen<br />
an nebeneinnnder<br />
liegenden Stellen vor.<br />
5. Viele Stoffe, wie z.B.Phosphat. sind in<br />
der Gelstruktur festgelegt und werden<br />
erst bei Homogenisierung freigesetzt [3].<br />
6.Im Gel ist eine Fortbewegung der Mikroorganismen<br />
so gut wie unmöglich.<br />
Alle diesePunktesprechen dafür.daß die<br />
Mikroorganismen in Mikronischen mit einem<br />
verbesserten Milieu in Gesellschaften<br />
zusammenleben. Diese Milieuverbesserungen<br />
können auch erst durch die Mikroorganismen<br />
entstanden sein.<br />
Schink [8]beschreibteine solche natürliche<br />
Situation folgendermaßen:<br />
“Im Gegensatz zu einer gut gemischten Laborkultur<br />
sind weder Partnerorganismen<br />
noch Substrate <strong>im</strong> Sed<strong>im</strong>ent gleichmäßig.<br />
verteilt, kooperierende Partner wachsen zusammeninMischkolonien,während<br />
andere<br />
Partner trotz mögiicher besserer kinetischer<br />
Eignung aufgrund anderer Substratspezifitäten<br />
“vor der Tür" bleiben."<br />
Das bringt zwangsläufig Schwierigkeiten<br />
bei der Untersuchung derProzesse mit sich,<br />
da diese Mikronischen nicht beprobt werden<br />
können. Selbst eine Beprobung der<br />
Umgebungsbereiche würde den Versuch<br />
dermaßen beeinflussen, daß die weiteren<br />
mikrobiellen Stoffwechselvorgänge nicht<br />
mehr 100%igden natürlichen entsprechen.<br />
Material und Methoden<br />
Die Beprobung der Grube Johannes wurde<br />
an den in Bild 1eingezeichneten Stellen<br />
durchgeführt. Oberflächenproben des<br />
Schlammes (bis 30 cm Schlamntiefe)wurden<br />
mittelsverschließbarem Glasstechrohr<br />
gewonnen,tiefer liegende Sed<strong>im</strong>ente wurden<br />
aus der Grube mit einem kastenförmigen<br />
Probengreifer entnommen und <strong>im</strong> Labor<br />
untersucht. Für die Untersuchung der<br />
Stoffgehalte der verschiedenen Schlammproben<br />
wurden größtenteilsherkömmliche<br />
Untersuchungstechniken aus der Wasserund<br />
Abwasseranalytik angewandt.Sie sind<br />
in Tabelle 1aufgeführt.<br />
Tab. 1: Best<strong>im</strong>mungsmethoden<br />
Der Gehalt an alkalilöslichen Ligninverbindungen<br />
wurde nach einer <strong>im</strong> "Institut<br />
für Zellstoff und Papier Heidenau" entwikkelten<br />
Verfahren über die phenolischen<br />
Hydroxydgruppenbest<strong>im</strong>mt. Zur Best<strong>im</strong>mung<br />
des Zellulosegehaltes wurde die Methode<br />
mit Anthron speziell auf die Besonderheiten<br />
des Schlammes angepaßt. Die<br />
Zellzahlender sulfatreduzierenden und der<br />
zellulosezersetzenden Mikroorganismen<br />
wurden nach MPN-Methode und die Rate<br />
der Sulfatreduktion nach der "slurry-<br />
Methode' am “Institut für Gewässerökologie<br />
und Binnenfischerei Neuglobsow"<br />
best<strong>im</strong>mt. Der anaerobe mikrobiologische<br />
Abbau wurde über einen Zeitraumvon vier<br />
Monaten in Laborsrandversuchen in der<br />
IfUA -Institut für Umwelt-Analyse GmbH<br />
untersucht.<br />
Die Verteilung ausgewählter Stoffe<br />
<strong>im</strong> Schlammkörper<br />
Bei der Untersuchung der Feinzonierung<br />
des Schlammkörpers konnte neben einer<br />
flächenmäßigen eine deutliche tiefenabhängige<br />
Verteilung einiger Parameter festgestellt<br />
werden. So war der oberflächennahe<br />
Schlamm (Schlammoberfläche bis ca.<br />
Aus: Gunther Otto, Reino Rieseler: Neue Erkenntnisse über chemische und mikrobielle Prozesse<br />
<strong>im</strong> Schlamm der Grube Johannes in Wolfen<br />
TerraTech 5/1996 Seite 25-29<br />
100
25 - 30 cm Schlammtiefe) durchgehend von<br />
Eisensulfid schwarz gefärbt, während in tieferen<br />
Schichten (50 cm unter der Schlammoberfläche)<br />
eine gelb bis gelbbraune<br />
Farbe vorherrschte,die typisch für die <strong>im</strong><br />
sauren Milieu geflockten Ligninkomplexe<br />
der Sulfatzellstoffablauge ist.<br />
Es wurde bei jedem untersuchten Prozess<br />
deutlich, daß die Übertragbarkeit<br />
höchstens für den Horizont, aus dem sie<br />
entnommen wurde, charakteristisch ist,<br />
eine. Übertragbarkeit auf den gesamten<br />
Schlammkörper jedoch nicht gegeben<br />
scheint. Beispielsweise sinkt der in der<br />
Oberflächenschicht nahezu neutrale pH-<br />
Wert schon in einemMeter Tiefe deutlichin<br />
den sauren Bereichab(Bild2)während die<br />
grundnahe Schicht aufgrund ihres hohen<br />
Kalk-bzw. Aschegehalteswieder pH-Werte<br />
von 8,1 - 8,3 aufweist [1, 7]. Allgemein können<br />
jedoch die Oberflächenschlammschicht<br />
als nahezu neutral, der Mittelbereich<br />
ais sauerund dieüber dem Grundbefindliche<br />
Schicht als alkalisch eingestuft<br />
werden.<br />
<strong>im</strong> Schlamm der Grube Johannes in Wolfen,<br />
TerraTech 5/1996 Seite 25-29<br />
101
Die deutlichsten tiefenabhängigen Verteilungenwiesen<br />
die Parameter Sulfat und<br />
Zellulose auf (Bilder3 und 4).Diese Komponenten<br />
können als Hauptsubstrate der<br />
Mikroorganismenangesehenwerden.Esist<br />
deutlich sichtbar,daß in den oberen,mikroorganismenreichenRegionendieSubstrate<br />
in deutiich geringeren Konzentrationen<br />
vorliegen, also bereits stark abgebaut wur-<br />
den.<br />
Die tiefergelegenen Regionen sind aufgrund<br />
der schlechteren Umgebungsbedingungen(z.B.stark<br />
saurer pH)unddergeringen<br />
Mikroorganismenzahl noch wesentlich<br />
nährstoffreicher.<br />
Die Untersuchung des Gehaltesder wasserdampfflüchtigen<br />
organischen Säuren er-<br />
gab, daß in den tieferen Schichten- unter<br />
diesen Bedingungen -vermutlich bereits<br />
hemmende Konzentrationen von ca 1500<br />
mg/l Feuchtschlamm vorlagen, während in<br />
denHauptabbaubereichen nur ca.850mg/l<br />
zu finden waren.<br />
Der mikrobiologischeAbbau<br />
Als Hauptbereiche des mikrobiellen Abbaus<br />
können die Oberflächenschicht (Bild<br />
5) und-unterVorbehalten-dieüber dem<br />
Grund befindliche Schicht angegeben werden,sobald<br />
hier durch Ascheeinspülungen<br />
(überwiegend aus dem Zeitraum 1936-<br />
1965) lokal alkalische bis neutrale Bedingungen<br />
vorherrschen. Zur Bestätigungder<br />
Erkenntnisse über die Verhältnisse in diesen<br />
grundnahen Zonen sind weiterführende<br />
Untersuchungen notwendig.<br />
Besonders aus Bild 5 wird deutlich,welchen<br />
geringenAnteil die Zone mit den für<br />
die Mikroorganismen opt<strong>im</strong>alen Milieubedingungen<br />
an Gesamthöhe des abgelagerten<br />
Schlammes hat (Im Bild 5 sind nur 2 m<br />
der bis zu 12 m mächtigen Schicht aufgetragen!).<br />
Die Oberflachenschichtder Probenstelle<br />
A (<strong>im</strong> Mittelbereich der Grube gelegen) ist<br />
mit einem Glührückstand von 37% von allen<br />
untersuchtenProben am weitestenausgefault,<br />
da die Hauptkohlenstoffquelle für<br />
den mikrobiellen Abbau fast vollständig<br />
aufgebrauchtist. Somit kommt es zu einer<br />
Abnahme der Zahl der zellulosezersetzenden<br />
Bakterien, was insbesondere durch die<br />
zweite Beprobung <strong>im</strong> Juni (Bild 6) deutlich<br />
wird.in dieser Schicht könnte der Ligninabbau<br />
mit sehr niedrigen Abbauraten einsetzen<br />
[6].<br />
Durch die aus der Tiefe aufsteigenden<br />
Gasblasen und damit verbundener Turbulenz<br />
kommt es zu einem langsamen <strong>Ein</strong>dringen<br />
der Mikroorganismen in tiefere<br />
Schlammschichten.Aufgrund des allgemein<br />
besseren Substratangebotes (Zellulose)<br />
in diesen Schichten kommt es zu einer<br />
Vermehrung der Mikroorganismen, wiedie<br />
zweite Beprobung des Schlammes in Juni<br />
zeigte (Bild 6). 6: Zellkonzentrationen bei der zweiten Beprobung <strong>im</strong> Juni (Stelle A)<br />
Aus: Gunther Otto, Reino Rieseler: Neue Erkenntnisse über chemische und mikrobielle Prozesse<br />
<strong>im</strong> Schlamm der Grube Johannes in Wolfen,<br />
TerraTech 5/1996 Seite 25-29
Der Substratmangel in der Oberflächenschicht<br />
und das rasche Wachstum der Population<br />
der Zellulosezersetzer in der 0,5 m-<br />
Schicht deuten auf eine Wanderung der<br />
Hauptabbauschicht in tiefere Schlammbereiche<br />
hin.<br />
Mit zunehmender Wanderung der Hauptabbauschicht<br />
in die Tiefe wird auch der<br />
Temperatureinfiuß des Wasserkörpers auf<br />
die mikrobiellen Prozesse geringer. Somit<br />
haben die Mikroorganismen weniger Anpassungsprozesse<br />
<strong>im</strong> Jahr an die verschiedenen<br />
Temperaturen zu durchlaufen, was<br />
eine gleichmäßigere Gasbildung übers Jahr<br />
mit sich bringt. Das bedeutet unter Umständen<br />
eine geringere Gasbildung als bisher in<br />
den Sommermonaten und eine stärkere<br />
Gasbildung als bisher in der kalten Jahreszeit.<br />
<strong>Ein</strong>er möglichen verstärkten Gasbildung<br />
bei geschlossener Eisdecke und damit verbundenenstärkerenSauerstoffzeh-<br />
rung bis zur Sulfid-<br />
bildung könnte nur<br />
durch Frischwasserzufuhr<br />
bei<br />
gleichzeitiger Stauwasserableitung<br />
begegnet werden.<br />
Be<strong>im</strong> weitergehenden<br />
Abbau u.a.<br />
der gebildeten organischen<br />
Säuren<br />
kommt es bei Anwesenheit<br />
von methanogenen<br />
Mikro-<br />
Organismen und<br />
Sulfatreduzierern<br />
zu einem Konkurrenzkampf<br />
um die<br />
Substrate Acetat<br />
und Wasserstoff.<br />
Wurde das Sulfat<br />
von den Sulfatre-<br />
duzierern bereits<br />
vollständig aufgebraucht,<br />
steilen sie<br />
ihren Stoffwechsel<br />
auf die Acetatbil-<br />
dung um und leben<br />
in syntroper Beziehung<br />
mit den Methanogenen.<br />
Da Beeinflussungen der ablaufenden<br />
Prozesse meist eine Zerstörung der Gelstrukturund<br />
somit eine Freisetzung der eingeschlossenen<br />
Substrate und Nährstoffe<br />
mit sich bringen, sind sie meistmit einer intensiveren<br />
Faulung und Gasbildung verbunden.<br />
Das zeigten u.a. die mit homogenisierten<br />
Schlammproben durchgeführten<br />
Versuche und die <strong>im</strong> nördlichen Grubenbereich<br />
ablaufenden Prozesse. Dort kam es<br />
durch die Dammschüttung an der Steiiböschung<br />
zu starken Verwerfungen <strong>im</strong><br />
Schlammkörper, was inin den darauffolgenden<br />
Monaten eine. verstärkte Gasbiidung<br />
hervorrief und durch Aufbringung eines<br />
schw<strong>im</strong>menden Biofilters weitestgehend<br />
unterbundenwerden konnte [11].<br />
Da die Mikrooganismen vermutlich in<br />
Mikronischen in Gesellschaften zusammenleben<br />
und sich in der Gelmatrix kaum fortbewegen<br />
können, brauchen sie das Substrat<br />
in ihrer Umgebung auf und verlieren<br />
dann an Aktivität.<br />
Ausblick<br />
Sollten die Turbulenzen, die durch aufsteigende<br />
Gasblasen entstehen, ausreichen,<br />
um die Mikroorganismen weiter mit Substratzuversorgen.wirddie<br />
Gasbildung erst<br />
nach vollständigem Zelluloseabbau nachlassen.<br />
Dies istjedoch aufgrund der vorliegenden<br />
Versuchsergebnisse vorerst nicht<br />
zu erwarten. Nach Abbau des „in Reich-<br />
weite“ der Bakterien liegenden Substrates<br />
wird es zu einer Verringerung der Gasbildung<br />
kommen, da das <strong>im</strong> Gel eingeschlossene<br />
Substrat für die Mikroorganismen<br />
nicht erreichbar ist. Mit gleicher Wahrscheinlichkeitistbei<br />
fehlendenAustausch-<br />
Prozessen ein zunehmendesAnsäuern und<br />
eine damit verbundene Selbsthemmung<br />
durch Stoffwechselprodukte des Zelluloseabbaus<br />
und der Desulfurikation zu erwarten.<br />
Nur wenn durch methanbildende Bakterien<br />
insbesondere Acetat verbraucht<br />
wird, kann der Prozeß insgesamt bis zum<br />
völligen Sulfatverbrauch und Zelluloseabbau<br />
führen.<br />
Aus: Gunther Otto, Reino Rieseler: Neue Erkenntnisse über chemische und mikrobielle Prozesse<br />
<strong>im</strong> Schlamm der Grube Johannes in Wolfen,<br />
TerraTech 5/1996 Seite 25-29<br />
103
Sicherungsmaßnahmendes Schlammteiches ,,Grube Johannes"<br />
Die Sanierung des Schlammteiches Grube Johannes bei Wolfen, Kreis Bitterfeld, befindet sich z. Zt. <strong>im</strong><br />
Planungsstadium. Kurzfristighat sich die Notwendigkeit ergeben, über Sofortmaßnahmen die Emission<br />
geruchsintensiver Gase zu verhindern, um die angrenzenden Wohngebiete vor Belästigungen zu schützen.<br />
Zur Realisierung dieser Sofortmaßnahmen wurde ein Konzept entwickelt, das auf dem Prinzip des<br />
mikrobiellen Abbaus der Schadgase beruht. Technische Maßnahmen sind erforderlich, um den zum<br />
aeroben Abbau erforderlichen Sauerstoff bereitzustellen und um geeignete Aufwuchsflächen für die aktiven<br />
Mikroorganismen zu schaffen.<br />
1 Situation<br />
Der Schlammteich Grube Johannes ist als “Silbersee" zu überregionaler Bekanntheit gelangt und wurde<br />
dadurch zum Symbol der jahrzehntelang verfehlten Umweltpolitik in der Industrieregion Bitterfeld - Wolfen.<br />
Seite Ende der achtziger Jahre wird unter Leitung des Auftraggebers Filmfabnk Wolfen AG bzw. der<br />
Bitterfelder Projektierungs- und Qualifizierungsgesellschaft mbH an der Entwicklung eines Sanierungskonzeptes<br />
für die Grube Johannes gearbeitet. Beteiligt sind hierbei zahlreiche Fachfirmen, Fachbüros<br />
sowie Sachverständige aus den Bereichen Chemische/Biologische Analytik, Verfahrenstechnik, Maschinenbau<br />
und Bauingenieurwesen. Im Zuge dieser Erarbeitung werden unterschiedliche Sanierungstechnologien,<br />
wie z. B. thermische und mikrobielle Verfahren sowie Sicherungsverfahren (<strong>Ein</strong>kapselung) detailliert<br />
hinsichtlich ihrerAnwendbarkeit und Realisierbarkeit untersucht.<br />
Ausführliche Beschreibungen der Charakteristikades Schlammteiches Grube Johannes liegen z.<br />
B. bei Scheffler et al. (1991) sowie bei Barkowski und Watzke (1992) vor. Daher soll <strong>im</strong> folgenden nur<br />
kurz auf die Gesamtproblematik der Grube Johannes eingegangen werden. Bild 1 zeigt hierzu die<br />
Standortsituation <strong>im</strong> Lageplan und Bild 2 in der Schnittführung.<br />
Bild 1: ÜbersichtsplanderGrube Johannes (Scheffleret al., 1991)<br />
Aus: H. Scheffler, R. Scherbeck, G. Otto, A. König, R. Sonnenberger:<br />
Sofortsicherung des Schlammteiches Grube Johannes der Filmfabrik Wolfen,<br />
Berichte vom 9. Bochwner Altlastenseminar 1993:Sicherungvon Altlasten,<br />
Hrsg.: H. L. Jessberger, Sonderdruck, A. A: Balkema/Rotterdam/Brockfield 1993<br />
104
Die Erstbewertung des Gefährdungspotentials der Grube Johannes durch Jessberger + Partner<br />
(1992) kam zu der Aussage, daß der Schlammkörper als deutlich bis stark kontaminiert angesprochen<br />
werden kann, während die dortigen Schadstoffe jedoch noch nachgewiesenermaßen fixiert sind. Im<br />
Grundwasserabstromist bislang noch keine Anreicherung mit den aufgrund des Schadstoffinventars des<br />
Schlammteiches zu erwartenden Stoffgruppen wie z. B. Sulfate, Sulfide, AOX, Toluole, etc. festgestellt<br />
worden, die wesentlich über das Maß der erheblichen Hintergrundbelastung hinausgehen. Die Hauptgefährdung<br />
der Umwelt findet z. Zt. pr<strong>im</strong>är über den Gas- bzw. Luftpfad statt, da der Schlamm unter A b<br />
gabe von geruchsintensiven Stoffen an die Atmosphäre insbesondere in der wärmeren Jahreszeit ausgast.<br />
Stellenweise sind eruptionsartige Gasausbrüche festgestellt worden, die mit besonders unange-<br />
nehmen Geruchsbelästigungen verbunden sind. Mit dem Methan als wesentlicher Komponente des Faul-<br />
gases werden eine Vielzahl geruchsintensiver Stoffe, insbesondere Schwefelwasserstoff, aber auch<br />
Schwefelkohlenstoff und Toluol freigesetzt. Seit 1990 die Beschickung des Schlammteiches verändert<br />
wurde - es werden seit dieser Zeit keine Abwässer der inzwischen stillgelegten Zellstoff-Fabriken und der<br />
Viskosefabrik mehr eingeleitet- sind die Gasemissionen nahezu ausschließlich auf mikrobielle Prozesse<br />
<strong>im</strong> Schlammkörperzurückzuführen, die unteranaeroben Bedingungen ablaufen.<br />
Aufgrund der besonders starken Geruchsemissionen <strong>im</strong> Frühherbst 1992 wurden zur Belüftung<br />
des Wasserkörpers bereits 3 Belüftungswalzen installiert, die jedoch nicht ausreichten, den Wasserkörper<br />
aerob zu halten. Aufgrund der weiterhin vorhandenen Geruchsbelästigungen der in unmittelbarer Nähe<br />
zur Grube Johannes befindlichenWohnsiedlungen wurde umgehend mit der Erarbeitung eines Konzepts<br />
zur Sofortsicherung begonnen. Ziele, Inhalte und Konsequenzen aus diesem Konzept werden nachfolgend<br />
<strong>im</strong> Detailvorgestellt und erläutert.<br />
Die erforderlichen Arbeiten zur Umsetzung des Sofortsicherungskonzeptes sind zum Zeitpunkt<br />
der Drucklegung dieses Aufsatzes in der Anfangsphase begriffen. Ergebnisse und Erkenntnisse liegen<br />
zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht in ausreichendem Maße vor. Es ist daher vorgesehen, über bis dahin<br />
vorliegende Teilergebnisse <strong>im</strong> Rahmen des Seminawortrages zu berichten.<br />
2 Projektziele und Vorauswahl geeigneter Verfahrensgruppen<br />
Maßnahmen zur Sofortsicherung sollen pr<strong>im</strong>är dazu führen, daß Emissionen geruchsintensiver Gase<br />
weitgehend ausgeschlossen bzw. min<strong>im</strong>iert werden. Darüberhinaus sind diese Maßnahmen derart zu<br />
konzipieren, daß eine möglichst zügige technische Realisierung machbar ist und nach Möglichkeit bereits<br />
in 1993 eine Verbesserung der lmmissionslage in der angrenzenden Wohnbebauung eintreten kann.<br />
In zweiter Linie ist bei der Maßnahmenkonzeption zu berücksichtigen, da eine spätere Sanierung<br />
der Grube Johannes - also die Dekontaminationder Ligninschlämme - durch die Sofortsicherungsmaßnahmen<br />
nicht nachhaltig behindert bzw. verhindert werden darf.<br />
Wirtschaftliche Erwägungen sind bei diesem Sanierungsprojekt natürlich ebenfalls zu beachten,<br />
da aufgrund der besonderen Konstellation in Ostdeutschland (Beteiligung der Treuhand) eine freie Verfügbarkeit<br />
von Investitionsmitteln nicht gegeben ist. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen,<br />
daß die Sofortsicherungsmaßnahme ihre Wirksamkeit lediglich kurz- bis mittelfristig unter Beweis stellen<br />
braucht, da mittel- bis langfristig die Sanierung des Schlammteiches Grube Johannes angestrebtwird.<br />
Aus: H. Scheffler, R. Scherbeck, G. Otto, A. König, R. Sonnenberger:<br />
Sofortsicherung des Schlammteiches Grube Johannes der Filmfabrik Wolfen,<br />
Berichte vom 9. Bochumer Altlastenseminar 1993: Sicherung von Altlasten,<br />
Hrsg : H. L. Jessberger, Sonderdruck, A. A. Balkema/Rotterdam/Brockfield 1993<br />
105
Vor dem Hintergrund dieser wesentlichen Zielvorgaben lasen sich bereits verschiedene technische<br />
Maßnahmen- die in Zusammenhang mit der später zu realisierenden Sanierung der Grube Johannes<br />
als mögliche Maßnahmen bzw. Verfahren erkannt wurden -für die Sofortsicherung ausschließen:<br />
<strong>Ein</strong>kapselungsverfahren erscheinen grundsätzlich möglich, da z. B. unter dem Schutz einer die<br />
Oberfiäche der Grube Johannes abdichtenden Dachkonstruktion die anfallenden Gase kontrolliert gefaßt<br />
und einer Aufbereitung zugeführt werden können. In Anbetracht der abzudeckenden Größe der Oberfläche<br />
von etwa 30 ha und den anspruchsvollen technischen Anforderungen an die Gründung der Dachkonstruktion<br />
<strong>im</strong> Schlammkörper (Schw<strong>im</strong>mgründung, gerammte Spundwände, etc.) sind für eine <strong>Ein</strong>kapselung<br />
der Oberfläche hohe lnvestitionskosten erforderlich, die die 100 Mio DM- Grenze bei weitem überschreiten.<br />
<strong>Ein</strong>e <strong>Ein</strong>kapselung ist daher zur Sofortsicherung nicht tauglich.<br />
Thermische Verfahren beruhen darauf, den Emissionsherd zu entfernen, so daß mit einer Sofortsicherung<br />
unmittelbar eine Totalsanierung der Grube Johannes verbunden wäre. Kurzfristig sind thermische<br />
Verfahren jedoch nicht realisierbar, da sie eine entsprechende Infrastruktur- in Form von geeigneten<br />
Verbrennungsanlagen- benötigen, die zwar grundsätzlich <strong>im</strong> Raum Bitterfeld/Leipzigverfügbar sind,<br />
aber z. Zt. noch technisch umgerüstet werden. Zudem ist mit einem erheblichen Zeitbedarf für die<br />
Schlammentnahme sowie für die erforderlichen Genehmigungsverfahren zu rechnen, saß eine kurzfristige<br />
Realisierbarkeit nicht möglich erscheint.<br />
Andere technische Verfahren wie z. B. Naßoxidation unter Druck, Elektrokinese, etc. benötigen<br />
i.d.R. aufwendige Anlagenkonstruktionen, die kurzfristig nicht beizubringen sind und kommen daher<br />
ebenfalls als Sofortsicherungsmaßnahmen nicht in Frage.<br />
Chemische Verfahren zur Inaktivierung von geruchsintensiven Gasen würden für die Verhältnisse<br />
<strong>im</strong> Schlammteich Grube Johannes darauf beruhen, die für die Produktion von Schwefelwasserstoff - als<br />
maßgebendenGeruchsträger-verantwortlichen Enzyme innerhalb eines anaeroben Milieus mittels Inhibitoren<br />
zu blockieren. Hierzu sind z. B. toxisch wirkende Substanzen, Schwermetalle u. ä. geeignet. Aufgrund<br />
dieser unter Umweltgesichtspunkten nicht unbedenklichen lnhibitoren erscheint eine Sofortsicherung<br />
auf Basis chemischer Reaktionen unangebracht, zumal der Wasserhaushalt des Schlammteiches<br />
über Direkteinleitungin die Vorflut geregelt wird.<br />
Maßnahmen, die kurzfristig zu einem Sicherungserfolg führen können, sind demgegenüber nicht<br />
sehr zahlreich vorzufinden:<br />
Biologische Verfahren stellen als einzige Verfahrensgruppe prinzipiell keine aufwendigen Anforderungen<br />
an Anlagentechnik und Investitionsumfangund sind daher bei der Konzeption einer Sofortsicherung<br />
für die Grube Johannes weiter <strong>im</strong> Detail zu betrachten.<br />
3 Konzept zu Verhinderung von Gasemissionen<br />
3.1 Grundlagen<br />
Mikrobielle Verfahren zur Inaktivierung von geruchsintensiven Abbauprodukten des anaeroben Stoffwechsels<br />
<strong>im</strong> Schlammkörper beruhen darauf, diese Produkte während ihres Aufenthalts <strong>im</strong> aufgestauten<br />
Wassersaum zu oxidieren. Hierzu ist es erforderlich, <strong>im</strong> Reaktionsraum aerobe Milieubedingungen einzustellen.<br />
Dieses Prinzip bietet den Vorteil, daß auf bereits in der Natur vorhandene Prozeßvermittlerzurückgegriffen<br />
werden kann, deren Verbreitung durch gezielte <strong>Ein</strong>flußnahme auf die Milieubedingungen<br />
gefördertwerden kann.<br />
Bautechnische Maßnahmen, die aufgrund ihres Umfanges zu einer Verzögerungder <strong>Ein</strong>satzbereitschaft<br />
führen könnten, sind zur Realisierung nicht erforderlich, <strong>im</strong> so daß eine Inbetriebnahme der<br />
Sicherungsmaßnahme mit dem erwarteten Beginn der Gasemissionen <strong>im</strong> Sommer 1993 erfolgen könnte.<br />
Desweiteren ist festzuhalten, daß bei dieser Art der Sofortsicherung nur äußerst geringe <strong>Ein</strong>griffe in das<br />
Landschaftsbildvorgenommen werden müssen und das derzeitige äußere Erscheinungsbild der Grube<br />
Johannes als in der Landschaft integriertes Gewässer dauerhaft während der Sicherung erhalten bleibt.<br />
<strong>Ein</strong>e Sofortsicherung, die auf einem mikrobiellen Abbau von geruchsintensiven Gasen beruht, ist demnach<br />
grundsätzlich geeignet, die unter Abschnitt 2 aufgeführten Projektzielezu erreichen.<br />
Nachfolgend werden verschiedene Anforderungen an die Ausführung der Sicherungsmaßnahme<br />
"biologische Inaktivierung" aufgeführt, die bei der verfahrenstechnischen Umsetzung zu beachten sind.<br />
Aus: H. Scheffler, R. Scherbeck, G. Otto, A. König, R. Sonnenberger:<br />
Sofortsicherung des Schlammteiches Grube Johannes der Filmfabrik Wolfen,<br />
Berichte vom 9. Bochumer Altlastenseminar 1993: Sicherung von Altlasten,<br />
Hrsg.: H. L. Jessberger, Sonderdruck, AA:Balkema/Rotterdam/Brockfield 1993<br />
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Ziel dieser Maßnahmen ist es, möglichst günstige Milieubedingungen zur Verbesserung des aeroben<br />
mikrobiellenAbbaus einzustellen sowie die speziellen Standortbedingungenzu berücksichtigen.<br />
a) Schaffung eines ausreichenden Sauerstoffangebotes<br />
Zur aeroben Aktivierung der Wasserzone ist eine technische Anreicherung mit Luftsauerstoff bzw. reinem<br />
Sauerstoff erforderlich. Da als Reaktionsmedium nur der eingestaute, sehr flache Wassersaum zu Verfügung<br />
steht, muß das <strong>Ein</strong>tragsystem speziell auf diese Bedingungen abgest<strong>im</strong>mt werden. Hierzu ist es<br />
erforderlich, daß eine - bezogen auf die Oberfläche des Schlammteiches - flächendeckende<br />
Sauerstoffanreicherung stattfindet. Zu realisieren ist diese Anforderung, indem durch Erzeugung einer<br />
aufgrund der vorliegenden Tiefenverhältnisse bevorzugt horizontalen Wasserströmung für die möglichst<br />
gleichmäßige Verteilung des gelösten Sauerstoffs gesorgt und dabei die Verwirbelung des Schlammes<br />
min<strong>im</strong>iert wird. Ferner ist der Wasserspiegel auf das - unter Beachtung der erforderlichen Standsicherheiten<br />
der Uferböschungen- max<strong>im</strong>al mögliche Maß anzuheben, die Strömungsbedingungen <strong>im</strong> Flachwasser<br />
zu verbessern. Der Sauerstoffeintrag kann, <strong>im</strong> Gegensatz zum zuvor beschriebenen Vorgehen,<br />
auch auf die mikrobiell reaktiven Wassermengen beschränkt werden, wenn dies verfahrenstechnisch<br />
sinnvoll erscheint (hierzu siehe unter b).<br />
Die Quantifizierung des erforderlichen Sauerstoffangebotes ergibt, daß in den Sommermonaten eine<br />
tägliche Sauerstoffmenge von 3.000 kg zuzüglich einer gewissen Leistungsreserve zur vollständigen<br />
Oxidation der anaeroben Abbauprodukte erforderlich sein wird. Der Sauerstoffgehalt <strong>im</strong> freien Wassersaum<br />
muß dazu durch den Sauerstoffeintrag auf etwa 6 bis 8 mgO2 je l Wasser gesteigert werden und<br />
liegt damit <strong>im</strong> Bereich des Sättigungsgehaltes.<br />
b) Schaffung von aünstiaen Aufwuchsflächen<br />
Als Hauptmerkmal der konzipierten Verfahrensführung ist die Lokalisierung des aeroben Abbaus auf<br />
Aufwuchsflächen oberhalb der Schlammzone anzusehen. Günstige Aufwuchsflächen für biologisch aktive<br />
Mikroben sind dadurch charakterisiert, daß ihnen eine große, lockere und gut anströmbare Oberfläche<br />
zur Ansiedlung von Mikroorganismen zur Verfügung steht. Die D<strong>im</strong>ensionierung einer solchen Fläche ist<br />
zusätzlich vor dem Hintergrund durchzuführen, daß eine genügend lange Verweilzeit zur Oxidation der<br />
gelösten Endprodukte des anaeroben mikrobiellen Stoffwechsels einschließlich dabei gebildeter Faulgase<br />
dargeboten wird und damit die Reinigungsleistung den Anforderungen entspricht.<br />
Die Gestaltung der Aufwuchsflächen kann unter Berücksichtigung des zur Verfügung stehenden<br />
Reaktionsraumes nach zwei unterschiedlichen Prinzipien erfolgen. <strong>Ein</strong>e Möglichkeit besteht darin, die<br />
gesamte überstaute Schlammfläche der Grube Johannes mit einer für den Aufwuchs geeigneten Abdekkung<br />
zu versehen, wodurch eine flächenhaft lückenlose Wirkung des mikrobiellen Abbaus sichergestellt<br />
ist. Als Reaktionsraum steht in diesem Fall der gesamte aufgestaute Wassersaum zur Verfügung. Alternativ<br />
hierzu ist ein Vorgehen denkbar, bei dem zunächst nur ein Teil des aufgestauten Wassers Kontakt<br />
mit der Aufwuchsfläche, die entsprechend flächenmäßig verkleinert werden kann, aufweist. Die Aufwuchsfläche<br />
kann in diesem Fall z. B., nach Art eines schw<strong>im</strong>menden Tauchtropfkörpers ausgebildet<br />
werden, der mit belüftetem Wasser beschickt wird. Über einen entsprechend hohen Durchsatz ist mit<br />
diesem Prinzip ebenfalls sicherzustellen, daß der mikrobielle Abbau die gesamten anaeroben Abbauprodukte<br />
erfassen kann. Für beide vorgestellten Alternativen ist darauf zu achten, daß die Wirkungsweise<br />
der Aufwuchsfläche durch verwirbelten Ligninschlamm nicht beeinträchtigt wird. Darüberhinaus darf<br />
durch die Gestaltung der Aufwuchsfläche die Ausführbarkeit einer eventuell später stattfindenden Sanierung<br />
nicht weiter beeinträchtigtwerden.<br />
Die grundsätzliche Wirksamkeit der vorgestellten Maßnahmen ist gegeben, jedoch ist zu berücksichtigen,<br />
daß unvorhersehbare standortspezifische <strong>Ein</strong>flüsse auftreten können. Dies gilt insbesondere<br />
für die sensibel auf die vorliegenden Milieubedingungen reagierenden mikrobiologischen Prozesse. Es ist<br />
daher unbedingt notwendig, parallel zur weiteren Ausführungs- und Genehmigungsplanung ein<br />
Versuchsprogramm zu verfolgen, das einen präzisen Aufschluß Über die standortbezogene Eignung der<br />
hier vorgeschlagenen Sicherungsmaßnahmengibt. Dazu gehören Laborversuche <strong>im</strong> Modellmaßstab, die<br />
<strong>im</strong> Institut für Umweltanalyse (IFUA) bereits angelaufen sind und an die großmaßstäbliche in situ-Versuche<br />
anschließen müssen, in denen Erkenntnisse z. B. zur Opt<strong>im</strong>ierung von Steuerparametem sowie zur<br />
Festlegungder Ausführungsd<strong>im</strong>ensionen gewonnen werden können. Weiterhin ist das Zusammenwirken<br />
verschiedener Maßnahmeelemente zu überprüfen.<br />
Da die vorgeschlagenen Maßnahmen <strong>im</strong> wesentlichen den Aufbau eines stabilen aquatischen Ökosystems<br />
bewirken sollen, ist davon auszugehen, daß sich bis zum <strong>Ein</strong>stellen gleichgewichtiger Systembe-<br />
Aus: H. Scheffler, R. Scherbeck, G. Otto, A. König, R Sonnenberger:<br />
Sofortsicherung des Schlammteiches Grube Johannes der Filmfabrik Wolfen,<br />
Berichte vom 9. Bochumer Altlastenseminar 1993:Sicherungvon Altlasten,<br />
Hrsg.: H. L. Jessberger, Sonderdruck A. A:Balkema/Rotterdam/Brockfield 1993<br />
107
dingungen noch keine opt<strong>im</strong>alen Wirkungsgrade einstellen werden. Erfahrungsgemäß ist hierzu ein Zeitraum<br />
von mehreren Wochen erforderlich, so daß in der ersten Betriebsphase noch geringe Geruchsbelästigungen<br />
auftreten können.<br />
3.2 Maßnahmenkonzept zur biologischen Inaktivierung<br />
Das hier vorgeschlagene Konzept zur biologischen Inaktivierung anaerob gebildeter<br />
Stoffwechselendprodukte basiert auf den zuvor erläuterten Grundlagen und berücksichtigt die besonderen<br />
Verhältnisse des Standortes Schlammteich Grube Johannes. Der Umfang der vorgeschlagenen<br />
Maßnahmen ist aus nachstehender Tabelle stichwortartig <strong>im</strong> Überblick zu entnehmen. In den daran anschließendenErläuterungen<br />
werden die vorgeschlagenen Maßnahmen <strong>im</strong> Detailvorgestellt.<br />
Tabelle 1: Vorgeschlagene Sicherungsmaßnahmen<br />
Anforderung<br />
1. Erhöhung Sauerstoffangebot<br />
2. Bereitstellen von Aufwuchsflächen<br />
3. Begleitende Maßnahmen<br />
4. Kontrollen<br />
zu 1 : Erhöhung Sauerstoffangebot<br />
Maßnahme<br />
Belüftung des Überstauwassers mit Hilfe von<br />
AQUALIFE-Anlagen<br />
Aufwuchsflächen in AQUALIFE-Anlagen sowie in<br />
der Abdeckung der überstauten Schlammoberfläche<br />
(BIOMATTE) vorhalten<br />
-Anlegenvon Probeflächen<br />
-max<strong>im</strong>aler Wasseraufstau<br />
-Böschungsstandsicherheit gewährleisten<br />
-Sicherung der Randbereiche<br />
Meßprogramm zur Dokumentation des Sicherungserfolges<br />
Die Erhöhung des Sauerstoffangebotes <strong>im</strong> aufgestauten Wassersaum muß zum Ziel haben, dort eine<br />
Sauerstoffkonzentration von ca. 6 bis 8 mg O2 je l sicherzustellen. Derartige Konzentrationen liegen unterhalb<br />
des Sättigungsgehaltes von Sauerstoff <strong>im</strong> Wasser, so daß ein <strong>Ein</strong>trag mit Luftsauerstoff grundsätzlich<br />
ausreichen dürfte. Das Anlagenkonzept für den Sauerstoffeintrag muß zusätzlich berücksichtigen,<br />
daß eine vermehrte Aerosolbildung be<strong>im</strong> <strong>Ein</strong>trag unbedingt zu vermeidenist, da diese mit weiteren<br />
Emissionen geruchsintensiver Gase verbunden ist. Darüberhinaus sind nur Anlagen als geeignet anzusehen,<br />
die unter den besonderen Flachwasserbedingungen des Schlammteiches Grube Johannes einsetzbar<br />
sind. In Verbindung mit der ebenfalls erforderlichen Bereitstellung von Aufwuchsflächen (s. u. )<br />
bietet sich an das AQUALIFE-Anlagensystem der Fa. SAMAG, Sangerhausen, zum <strong>Ein</strong>trag von Sauerstoff<br />
in den Stauwassersaum einzusetzen. Das Anlagenprinzip wird nachfolgend zur Verdeutlichung der Funktionsweise<br />
kurz erläutert.<br />
Das AQUALIFE-Anlagensystemist in einer standardmäßigen Ausführung in Bild 3 dargestellt; die<br />
wesentlichen Anlagenteile sind dort vermerkt. Die Anlage (Gesamtgewicht ca. 5,5 t) besteht aus einem<br />
mit Schw<strong>im</strong>mkörpern versehenen Stahlrahmen, auf dem die festen Anlagenelemente fixiert sind, sowie<br />
einer Tauchpumpeneinheit, die frei beweglich und flexibel über eine PE-Rohrleitung mit dem Anlagenkörper<br />
verbunden ist. Durch diese Anordnung können die Randbedingungenfür die Entnahme wirksam an<br />
die lokalen Verhältnisse bezüglich Min<strong>im</strong>ierung von Verwirbelungenbzw. Ausrichtung der Sogwirkung<br />
angepaßt werden. Das geförderte Wasser tritt in die Anlage über einen Venturikanal ein, in dem der<br />
Luftsauerstoffeintrag erfolgt. Die Dort vorhandenen turbulenten Strömungsverhältnisse sorgen für den<br />
gleichmäßigen Luftsauerstoffeintrag in das Wasser. Die Strömungsstrecke verläuft anschließend innerhalb<br />
des biologisch aktiven Reaktors, in dem eine aerobe Mikrobiologieden Schadstoff- bzw. Schadgasabbau<br />
bewerkstelligt. Die Anlage ist für einen stündlichen Durchsatz von 25 ausgelegt. Der Auslauf<br />
aus der Anlage ist derart konzipiert, daß - gemeinsam mit der Wirkung der Ansaugepumpe - ein vornehmlich<br />
horizontal ausgerichtetes Strömungsfeld in einer radialen Reichweite von mehr als 50 -70 m<br />
ausgebildet werden kann. Für die Anwendung auf dem Schlammteich Grube Johannes ist gegenüber der<br />
in Bild 3 dargestellten Ausführung eine Modifizierung der Schw<strong>im</strong>mkörper vorgesehen, um eine opt<strong>im</strong>ale<br />
Anpassung an die vorhandenen Flachwacserbedingungen hinsichtlichdes Tiefganges der Gesamtanlage<br />
zu garantieren. Zur Abdeckung des Sauerstoffbedarfs werden voraussichtlich ein Duzend AQUALIFE-<br />
Anlagen benötigt.<br />
Aus: H. Scheffler, R. Scherbeck, G. Otto, A König, R. Sonnenberger:<br />
Sofortsicherung des SchlammteichesGrube Johannes der Filmfabrik Wolfen,<br />
Berichte vom 9. Bochumer Altlastenseminar 1993: Sicherungvon Altlasten,<br />
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Bild 3: AQUALIFE-Anlage der Fa. Maschinenfabrik Sangerhausen<br />
Zu 2: Bereitstellen von Aufwuchsflächen<br />
Unter Abschnitt 3.1 b wurden zwei Alternativen bei der Anordnung der Aufwuchsflächen vorgestellt: Die<br />
flächenhafte Abdeckung der nahezu ebenen Schlammoberfläche sowie die Bereitstellung von Aufwuchsflächen<br />
in schw<strong>im</strong>menden Reaktionskörpern (z. B. nach Art eines Tauchtropfkörpers). Im vorgeschlagenen<br />
Maßnahmenkonzept sollen beide Gestaltungsarten vertreten sein und sich gegenseitig ergänzen, um<br />
die Vorteile beider Prinzipien zu vereinen. Vorteilhaft wirkt in diesem Zusammenhang die flächenhafte<br />
Abdeckung der Oberfläche sowie die Vorgabe einer intakten Biologie <strong>im</strong> Tauchtropfkörper der AQUA-<br />
LIFE-Anlage.<br />
a) Flächenhafte Aufwuchsfläche<br />
<strong>Ein</strong>e flächenhaft angeordnete Aufwuchsfläche kann z. B. aus einem oder mehreren Geokunststoffen mit<br />
oder ohne <strong>Ein</strong>lagerung von inerten Materialien bestehen, die aufgrund ihrer Struktur eine ausreichende<br />
Durchlässigkeit für den Gasaustausch und gleichzeitig eine große Oberfiäche für die Ansiedelung der<br />
Mikroorganismen aufweisen. Im folgenden wird zur begrifflichen Vereinfachung für die Aufwuchsfläche<br />
aus Geokunststoffen der Ausdruck BIOMATTE eingeführt. Um eine angemessene Reaktionszeit zur Oxidation<br />
der unter anaeroben Bedingungen gebildeten mikrobiellen Stoffwechselprodukten einschließlich<br />
Faulgasen einzuhalten, ist die Dichte der gesamten BIOMATTE <strong>im</strong> cm-Bereich anzulegen. Die Funktionsfähigkeit<br />
der Aufwuchsflächen darf durch aufgewirbelten Schlamm nicht beeinträchtigt werden, so daß<br />
die Schlammoberfiäche durch die BIOMATTE wirkungsvoll - aber auf keinen Fall gasundurchlässig abgedeckt<br />
werden sollte. Dies ist besonders wichtig, da in der Aufwuchsfläche nicht nur der Abbau der anaeroben<br />
Reaktionsprodukte aus dem Schlammkörper stattfindet, sondern zusätzlich die überschüssige<br />
Biomasse der aeroben Zone verarbeitet werden muß. Die Auftriebskomponente durch die Ausgasung ist<br />
von der BIOMATTE durch ein ausreichendes Eigengewicht zu kompensieren. Bei eruptiven Gasausbrüchen<br />
ist ebenfalls durch die Gewichtskraft sowie durch die räumliche Wirkung ein Widerstand aufzubringen.<br />
Insgesamt Iäßt sich festhalten, daß die BIOMATTE aus verschiedenen <strong>Ein</strong>zelkomponenten aufgebaut<br />
sein muß, um den skizzierten Anforderungen zu genügen. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen<br />
den Aufgaben der Schlammabdeckung, der Bereitstellung von Aufwuchsvolumen und der Beschwerung.<br />
Darüberhinaus ist zu beachten, daß die Verlegung des BIOMATTE-Systems mit vertretbarem technischen<br />
Aufwand durchzuführen sein muß (z. B. denkbar Verlegung von einem Ponton aus).<br />
Das hier stichpunktartig charakterisierte Produkt BIOMATTE ist in der beschriebenen Konfiguration<br />
nicht <strong>im</strong> Handel erhältlich und muß daher für die besondere Anwendung konfektioniert werden. Entsprechend<br />
ausgerichtete Voruntersuchungen werden zur Zeit unter tatkräftiger Mithilfe einiger namhafter<br />
deutscher Firmen der Geokunststoffbranche durchgeführt. Die Materialfindung wird voraussichtlich bis<br />
Mitte Frühjahr 1993 abgeschlossen sein.<br />
Aus: H. Scheffler, R Scherbeck, G. Otto, A. König, R. Sonnenberger:<br />
Sofortsicherung des Schlammteiches Grube Johannes der Filmfabrik Wolfen,<br />
Berichte vom 9. Bochumer Altlastenseminar 1993 : Sicherung von Altlasten,<br />
Hrsg : H. L. Jessberger, Sonderdruck A. A: Balkema/Rotterdam/Brockfield 1993<br />
109
) Konzentrierte Aufwuchsfläche<br />
Die Reaktoreinheit, bei der die Aufwuchsflächen konzentriert einer begrenzten Wassermenge dargeboten<br />
werden, arbeitet nach dem Tauchtropfkörperprinzip und muß die Anforderungen hinsichtlich Volumendurchsatz,<br />
Schw<strong>im</strong>mfähigkeit, etc. erfüllen. Als technische Umsetzung dieses Prinzips kommt das bereits<br />
unter Punkt 1 ausführlich beschriebene AQUALIFE-Anlagensystem der Fa. Samag in Betracht, in dem<br />
zusätzlich der Sauerstoffeintrag in das reaktive Wasser stattfindet.<br />
Die Kombination beider Maßnahmen - AQUALIFE-Anlagen und BIOMATTE - verspricht eine opt<strong>im</strong>ale<br />
Anpassung an die vorliegenden Standortbedingungen. Insbesondere kann hiermit eine flächendeckende<br />
Inaktivierung der geruchsintensiven Gase vorgenommen werden. Die Bereitstellung von zwei biologisch<br />
aktiven Systemen zum Aufwuchs von Mikroorganismen erbringt eine Verbesserung der Effizienz und der<br />
Sicherheit, da die Belastung des einzelnen Systems verringert wird. Da eine derartige Maßnahmenkombination<br />
bisher unseres Wissens nach noch nicht <strong>im</strong> technischen Maßstab durchgeführt wurde, sind<br />
hierzu noch begleitende Untersuchungen notwendig, s. zu 4.<br />
Zu 3: Begleitende Maßnahmen<br />
Parallel zu den vorgeschlagenen und erläuterten Maßnahmen zur kurzfristigen Sicherung sind begleitende<br />
Maßnahmen auszuführen, um den Erfolg des gesamten Sicherungskonzeptes zu garantieren:<br />
a) Anheben des Stauwasserspiegels<br />
Der Wasserspiegel des Schlammteiches Grube Johannes ist dauerhaft auf das max<strong>im</strong>al mögliche Maß<br />
einzustellen. Hierzu ist ein automatisierter Betrieb des Schützes am Auslaß erforderlich, um Spiegel-<br />
Schwankungen schnell und sicher ausgleichen zu können (bei Niederschlagsereignissen bzw. in Verdunstungsperioden).<br />
Die Wasserspiegelhöhe des Schlammteiches wird durch diese Maßnahme bei etwa<br />
79,3 müNN einzustellen sein, so daß sich durchschnittliche Überstauhöhen der Schlammoberfiäche von<br />
etwa 0,5 bis 1 ,0 m ergeben werden.<br />
b) Sicherung der Böschungen<br />
Die mit Anhebung des Wasserspiegels verbundene Reduktion der Böschungsstandsicherheiten, insbesondere<br />
am östlichen Ufer der Grube Johannes, ist durch bautechnische Maßnahmen auszugleichen.<br />
Hierzu ist z. B. eine wasserseitige Aufschüttung am Böschungsfuß mit tragfähigen Materialien wie Bauschutt<br />
geeignet. Die <strong>Ein</strong>bringtechniken sind auf die Besonderheiten des Standortes mit einer technisch<br />
nicht tragfähigen Schlammschicht abzust<strong>im</strong>men.<br />
c) Randbereiche<br />
<strong>Ein</strong> Teil der Schlammoberfläche der Grube Johannes - etwa 10% der Gesamtfläche - kann aufgrund der<br />
Höhenlage von <strong>Ein</strong>- und Auslaß nicht oder nur sehr flach überstaut werden. Diese Randbereiche befinden<br />
sich vorwiegend <strong>im</strong> Süden und Südwesten des Schlammteiches. Bedingt durch den geringen oder<br />
fehlenden Wasserüberstau ist eine Verfahrensdurchführung mit BIOMATTE <strong>im</strong> bisherigen Verständnis<br />
hier nicht ohne Vorarbeiten anwendbar. Es wird daher z. Zt. geprüft, mit welchen Maßnahmen die Sofortsicherung<br />
der Randbereich bewerkstelligt werden kann. In Frage kommen hierfür Lösungen wie z. B. das<br />
<strong>Ein</strong>hausen und Abdichten der Flächen oder das Aufbringen einer Abdichtungsschicht mit integrierter<br />
Gasfassung. Die Anwendbarkeit der Materialeigenschaft des Ligninschlammes, nach dem Gefrieren das<br />
sonst gelartig gebundene Wasser zumindestens teilweise abzugeben, ist noch nicht abschließend bewertet.<br />
In der Diskussion befindet sich auch ein Vorschlag, der die Verwendung einer modifizierten BIO-<br />
MATTE für die Randzonen vorsieht. So könnte z. B. ein Geogitter mit fixierten Rhizomen von Schilf, Binsen<br />
o. ä. schlammbesiedelnden Pflanzen angeordnet werden. Praxisnahe Erfahrungen mit derartigen<br />
Pflanzmethoden liegen seit einiger Zeit vor.<br />
d) <strong>Ein</strong>richten eines Probefeldes<br />
Die derzeitige Situation verlangt, daß die hier konzipierten kurzfristigen Sicherungsmaßnahmen ab etwa<br />
Mai 1993 wirksam sein müssen. Um die Verfahrenssicherheit zu dokumentieren und um ggf. Änderungen<br />
und Verbesserungen an den Ausführungen vornehmen zu können, ist es unbedingt erforderiich, die in<br />
Tabelle 1 vorgeschlagenen Maßnahmen bereits zu Beginn des Jahres vorzutesten. Hierzu ist die Anlage<br />
eines Probefeldes <strong>im</strong> Bereich der Grube Johannes notwendig, auf dem die Wirksamkeit der biologischen<br />
Inaktivierung (Sauerstoffeintrag über AQUALIFE-Anlagen, Aufwuchsflächen in BIOMATTE) erprobt wer-<br />
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110
den kann. Die endgültige Auswahl der Sicherungsmaßnahme für die Randbereiche kann nur durch entsprechende<br />
Voruntersuchungen in einem Versuchsfeld erfolgen.<br />
Zu 4: Kontrollen<br />
Während der Durchführung der Sicherungsmaßnahmen ist zur Dokumentation des Sicherungserfolges,<br />
zur Steuerung der verschiedenartigen Systemsprozesse sowie zur Kontrolle ein umfangreiches Meßprogramm<br />
abzuarbeiten. Die biologischen Prozesse <strong>im</strong> freien Wassersaum können pr<strong>im</strong>är durch den Sauerstoff-<br />
und Nährstoffgehalt, durch den pH-Wert sowie durch den Bakteriengehalt beeinflußt werden. Zusätzlich<br />
ist die Variation dieser Steuergrößen Über die Seefläche von Bedeutung, so daß die Strömungs-<br />
Verhältnisse ebenfalls <strong>Ein</strong>fluß auf den Ablauf der biologischen Prozesse nehmen. <strong>Ein</strong>e Kontrolle des biologischen<br />
Gesamtprozesses muß sich somit mindestens auf folgende Parameter bzw. Maßnahmengrup<br />
pen erstrecken:<br />
-Sauerstoffzehrung in der obersten Schlammzone, Sauerstoffgehalt <strong>im</strong> freien Wassersaum<br />
-Kontrolle des Biopotentials<br />
-Kontrolle des H2S-Gehaltes <strong>im</strong> freien Wassersaum<br />
-Nitrifizierung der Ammoniumverbindungen<br />
-CSB- bzw. BSB5-Best<strong>im</strong>mung <strong>im</strong> freien Wassersaum<br />
-Temperatur- und pH-Wert<br />
-Emissions- und Immissionsüberwachung anhand von Leitparametem<br />
Das Kontrollprogramm für die Sicherungsmaßnahme <strong>im</strong> Randbereich ist bei Festlegung der endgültigen<br />
Ausführungvariante zu best<strong>im</strong>men.<br />
4 Zusammenfassung und Ausblick<br />
Zur <strong>Ein</strong>dämmung einer überwiegend saisonal auftretenden starken Geruchsbelästigung durch anaerob<br />
gebildete Faulgase u. a. Begleitstoffe dieses mikrobiellen Abbaus, soll am Standort Grube Johannes umgehend<br />
eine Sicherung ausgeführt werden. Hierzu wurde ein Konzept erarbeitet, daß als wesentlichen<br />
Bestandteil die Anwendung des Prinzips des mikrobiellen Abbaus geruchsintensiver Stoffe einschließlich<br />
Gase vorsieht. Zur Umsetzung des Konzeptes sind die technische Belüftung des vorhandenen Wassersaumes<br />
sowie die Bereitstellung von geeigneten Aufwuchsflächen für die Mikrobiologie erforderlich.<br />
Es ist vorgesehen, den Sauerstoffgehalt <strong>im</strong> überstauten Wassersaum durch Belüftung mit dem AQUA-<br />
LIFE-Aggregat der Fa. Maschinenfabrik Sangerhausen durchzuführen, da diese Gerätschaften insbesondere<br />
zur Anwendung in ausgesprochenen Flachwasserbereichen geeignet sind und vorwiegend horizontal<br />
ausgerichtete Strömungen erzeugen können.<br />
Aufwuchsflächen für schadgasoxidierende Mikroorganismen sollen an der Schlammoberfläche in Form<br />
der sog. BIOMATTE vorgehalten werden. Hierbei handelt es sich um ein speziell für die Anforderungen<br />
der Grube Johannes entworfenes Geokunststoffprodukt. Als Hauptanforderungen sind hierbei zu erfüllen:<br />
Gasdurchlässigkeit, Widerstand gegen Schlammeindringung, geeignete und ausreichende Oberflächen<br />
zur Ansiedlung der Mikroorganismen, Auftriebssicherheit und chemische Stabilität. Voruntersuchungen<br />
zur prinzipiellen Machbarkeit und zur Materialfindung finden z. Zt. unter Beteiligung der bekannten Anbieterfirmen<br />
von Geokunststoffen be<strong>im</strong> Institut fur Umweltanalyse GmbH in Bitterfeld statt. Die Festlegung<br />
des geeigneten BIOMATTEN-Produktes wird nach Abschluß der Untersuchungen <strong>im</strong> Feldversuch<br />
<strong>im</strong> Frühsommer erfolgen.<br />
Die Umsetzung des gesamten Sofortsicherungskonzeptes soll bis zum Sommer 1993 abgeschlossen<br />
werden, daß <strong>im</strong> Rahmen des Seminarvortrages der aktuelle Bearbeitungsstand erläutert werden kann.<br />
Aus: H. Scheffler, R. Scherbeck, G. Otto, A. König, R. Sonnenberger:<br />
Sofortsicherung des Schlammteiches Grube Johannes der Filmfabrik Wolfen,<br />
Berichte vom 9. Bochumer Altlastenseminar 1993: Sicherung von Altlasten,<br />
Hrsg.: H. L. Jessberger, Sonderdruck, A. A: Balkema/Rotterdam/Brockfield 1993<br />
111
4. Die Entwicklung der Region <strong>im</strong> Kartenbild<br />
(1872 - 1994)<br />
Um die Veränderung des Raumes durch Industrie, Bergbau, Siedlung und Verkehr<br />
zu dokumentieren, werden auf den folgenden Seiten Ausschnitte aus den Blättern<br />
des Topographischen Kartenwerks <strong>im</strong> Maßstab 1 : 25.000 für ausgewählte<br />
Zeitpunkte wiedergegeben.<br />
Die aus der DDR-Zeit verfügbaren Karten aus den Jahren 1984185 sind inhaltlich<br />
weitgehend identisch mit den Kartenausgaben von 1994 und werden deshalb<br />
und wegen des abweichenden Blattschnitts nicht abgedruckt.<br />
Informationen zu dem Stand (Fortführungsstand / letzte Nachträge) der<br />
abgedruckten Karten:<br />
4339<br />
Bitterfeld-West<br />
1872<br />
1904<br />
1938<br />
1994<br />
Ausschnitt aus Blatt<br />
4340<br />
BitterfeId-Ost<br />
1874<br />
1904<br />
[ 1938]<br />
1994<br />
Die Karten auf den folgenden Seiten sind verkleinerte Ausschnitte aus diesen<br />
Blättern der Topographischen Karte 1 : 25.000.<br />
Für alle abgebildeten Karten wurde dankenswerterweise die<br />
Vervielfältigungsgenehmigung erteilt.<br />
Quellen:<br />
Ausgaben 1872 - 1904:<br />
Staatsbibliothek zu Berlin. Preußischer Kulturbesitz. Kartenabteilung .<br />
Ausgaben 1938 - 1994:<br />
Landesamtfür Landesvermessung und Datenverarbeitung Sachsen-Anhalt.<br />
Vervielfältigungserlaubniserteilt durch das Landesamt<br />
für Landesvermessungund Datenverarbeitung<br />
Sachsen-Anhalt<br />
Genehmigungsnummer:LVermD/V/0049/98<br />
112
121
122
123
124
1. <strong>Bayer</strong> Bitterfeld GmbH<br />
2. Aus<strong>im</strong>ont (Deutschland) GmbH<br />
3. SIDRA Wasserchemie GmbH<br />
Bitterfeld<br />
4. Heraeus Quarzglas GmbH<br />
5. dreco Werke Wasch- und<br />
Körperpflegemittel<br />
6. Alphacan Omniplast Bitterfeld<br />
GmbH<br />
7. Regiobahn Bitterfeld GmbH<br />
8. VPZ Verpackungszentrum Bitterfeld<br />
GmbH<br />
9. mb guss alutechnik GmbH<br />
Bitterfeld<br />
10. REMA - Hotel Ambassador<br />
11. A & F Hygiene GmbH & Co KG<br />
12. Fertigbeton GmbH & Co KG<br />
13. Stadion Greppin<br />
14. SIS System-Instandsetzung und<br />
Service GmbH<br />
15. IMMOBIT Grundbesitz GmbH<br />
16. Fa. Sabisch<br />
17. Amt für Brand-,<br />
Katastrophenschutz und<br />
Rettungswesen<br />
18.ehem. Lehrlingswohnhe<strong>im</strong><br />
19.Schülerwohnhe<strong>im</strong> Wolfen<br />
20.Technische Berufsschule<br />
Bitterfeld<br />
21.Kulturpalast/Schw<strong>im</strong>mhalle/<br />
Sporthalle<br />
22.Schönknecht’s Gartenbau GmbH<br />
23.Polytechnik<br />
24.Fechthalle Greppin<br />
25.Kindereinrichtungen<br />
26.Reprotechnik Bitterfeld GmbH<br />
27.Bildungseinrichtungen<br />
28. TMG Spedition GmbH<br />
29.Bleul Transporte GbR<br />
30.Methylat GmbH<br />
31.M.G. Markt Manfred Gronemeier<br />
GmbH<br />
32.Magnetbetrieb<br />
33.TDA Technische Dienste und<br />
Anlagenbau GmbH<br />
34.LM-Schrott<br />
35.BIG Bildungs- und<br />
Ingenieurgesellschaft mbH<br />
Bitterfeld<br />
36.KWB Kraftwerk Bitterfeld GmbH<br />
37.BUCK Umwelttechnik GmbH<br />
38.Salzsäure<br />
39.Kaliumpermanganat<br />
40.BQP/ÖSEG<br />
4l.Oxalsäure<br />
42.DIABON Prozeßtechnik GmbH<br />
43.Chlor III<br />
44.Akzo Nobel Chemicals GmbH<br />
45.Bi 58<br />
Unternehmen <strong>im</strong> ChemiePark Bitterfeld<br />
125<br />
46.SIGNA FARBEN GmbH & Co. KG<br />
47.Verwaltung Deponie<br />
48.G. Braun Pharmadruck Bitterfeld<br />
GmbH & Co. KG<br />
49.Isotopentechnik<br />
50.EVIP Energieversorgung<br />
Industriepark Bft/Wlf GmbH<br />
51.Teutloff Bildungszentrum GmbH<br />
52.CLEAN-Großwäscherei GmbH<br />
53.Aniline<br />
54.UPE Industrie Prozeß Anlagen GmbH<br />
55.ZABAU Zaunanlagen GmbH<br />
56.Comparex Informationssysteme GmbH<br />
57.Büteführ & Sohn GmbH & Co. KG<br />
58.H&B Herkommer & Bangerter<br />
59.Mokri & Losch GmbH<br />
60.Hoogovens Aluminium Profiltechnik<br />
Bitterfeld GmbH<br />
61.Linde AG Technische Gase<br />
62.Heraeus Elektrochemie Bitterfeld<br />
GmbH<br />
63.SINA - Industrie Service GmbH<br />
64.HC Abbruch und Recycling GmbH<br />
65.ABR Abfallbeseitigung & Recycling<br />
GmbH<br />
66.Lagerwirtschaft Chemie GmbH<br />
67.ORGANOTIN Chemie GmbH<br />
68.Bodensanierungsgesellschaft<br />
Bitterfeld<br />
69.Indulor<br />
70 .TLG<br />
71.BHG Handel mit Baustoffen<br />
72.STARO Gerüstbau GmbH<br />
73.ICR Industrie-Chemikalien<br />
Rückgewinnung GmbH<br />
74.FIS Fördertechnik Service GmbH<br />
75.Peter Hahn<br />
76.Chemische Reinigung<br />
77.KESLA Chemie GmbH<br />
78. MEAG<br />
79.Fa. Helfmeier<br />
80.Korrosionsschutz<br />
81.Kegelsportverein<br />
82.Voigtlander Getränkegroßhandel<br />
83.Rohrbrückenbetreuung<br />
84.Nitrierung / Reko Zwipro<br />
85.WSZ Wolfener Schwefelsäure- und<br />
Zement GmbH<br />
86.SINA Industrieservice GmbH<br />
87.Silbernitrat<br />
88.MVS Vertrieb-Vermietung-Service<br />
GmbH & Co.<br />
89.IAB Ionenaustauscher Bitterfeld<br />
90.GKW Gemeinschaftsklärwerk<br />
Bitterfeld / Wolfen GmbH<br />
91.Miltitz Aromatics<br />
92.Dr. Fechter GmbH<br />
93.IWT Ingenieurgesellschaft Wasser<br />
und Tiefbau mbH
94.Tierhe<strong>im</strong><br />
95.Fa. Hünnebeck Gerüstbau<br />
96.BCA Bitterfelder Chlor-Alkali<br />
GmbH<br />
97.Camposan<br />
98.Muldewasserwerk<br />
99.AZO Ost<br />
100.BAREC GmbH Gesellschaft für<br />
Autorecycling<br />
101. SYNBIT<br />
102.Industriechemikalien<br />
Schwefelnatrium<br />
103.Klechowitz & Partner GmbH<br />
104.Transportunternehmen G. Müller<br />
105.Haase Werbung<br />
106.Kofasil<br />
107.Fa. Wegewitz<br />
108.BISANTECH Anlagenbau und<br />
Sanierungstechnik GmbH<br />
109.CM-Chemiemetall GmbH Bitterfeld<br />
110.J.J. Ohrem Spedition<br />
111.FSB Fernmeldeanlagen-Service<br />
GmbH<br />
112.div. <strong>Ein</strong>richtungen (IMO,<br />
Klöpper, Brandt . . . )<br />
113.Ingenieurbau Bitterfeld<br />
114.Keramchemie GmbH<br />
115.Fa. Halverscheid, Cremer<br />
116.Fa. Krause (Sanitär)<br />
117.div. <strong>Ein</strong>richtungen<br />
118.Werkschutz ChemiePark<br />
119.WIH - Wohnungsinstandhaltung<br />
GmbH<br />
120.ZENTEC Bürosysteme GmbH<br />
121.Elektro Dietrich<br />
122.Dental-Labor B+B GmbH<br />
123.Impuls Personalleasing<br />
124.Fa. Munte<br />
125.Gr<strong>im</strong>m Kundenzentrum<br />
126.Breitfelder u. Co. GmbH<br />
127.Pockrandt GmbH<br />
128.Fa. Schopf/Apfel<br />
129.Autohaus TOYOTA<br />
130.Shell-Tankstelle<br />
131.Klärteiche Süd<br />
132.Autohaus HYUNDAI H.-J- ELZE GmbH<br />
133.Autohaus Lehmann<br />
134.Kultur- und<br />
Kommunikationszentrum<br />
135.WOLA chemisch-technische<br />
Erzeugnisse GmbH<br />
136.Wiegand/Stavemann<br />
137.Fa. Brandt<br />
138.Eich GmbH<br />
139.SIAC Gesellschaft u. Co. KG<br />
Neunkirchen<br />
140.Eich und Schnur<br />
141.Spedition Richter<br />
142.Dr. Paul<br />
143.Kreideweiß/Münch<br />
126<br />
144. Mende<br />
145.Wofatit-Technika, Labor<br />
146.Weißtöner II / Coloristik u.a.<br />
147.Zentrallabor<br />
148.Versuchsfabrik<br />
149.Verwaltungsgebäude Chemie GmbH<br />
151.HPD Ingenieurbaugesellschaft mbH<br />
152.Bodenwaschanlage<br />
153.Fa. Drake<br />
154.Unit- Handels- und<br />
Servicegesellschaft mbH<br />
155.BITT Industriemontage GmbH<br />
156.Fuhrbetrieb Lohmann<br />
157.Böhme Bau<br />
158.Granulat<br />
159.Fa. Münch<br />
160.Reinholz / Uhde<br />
161.EBG mbH i.G.<br />
162.Zentrale Sozialanlagen<br />
163.TML (Materialprüfstelle)<br />
164.Plasttechnikum<br />
165.Anlagen Wasserver- und<br />
Entsorgung<br />
166.GEDA Gesellschaft für<br />
Datenverwaltung GmbH<br />
167.Abs Lieder<br />
168.Detecon Deutsche Telepost<br />
Consulting GmbH<br />
169. Fa. Fiedler<br />
171.<strong>Ein</strong>kauf/Lagerwirtschaft<br />
172.Feuerwehr Chemiepark<br />
173.Deponiezwischenlager Schüttgut<br />
174.aqua control Umwelttechnik GmbH<br />
175.Tr<strong>im</strong>etall (Deutschland) GmbH<br />
177.BBI Bildungs- und<br />
Beratungsinstitut<br />
178.BÜROPROFI Bents GmbH<br />
179.ODB Bürotechnik / Hacker Imbiss<br />
180.Ingenieurbüro Behler<br />
181.TEXCO Farben<br />
Produktionsgesellschaft mbH<br />
182.Straßenmeisterei Landkreis<br />
183.Miltitz Aromatics Wolfen GmbH<br />
184.Reko Reducta GmbH<br />
185.Deponiezwischenlager Gebinde<br />
186.SBF Wasser und Umwelt<br />
187.Fa. Hagedorn<br />
188.Tricat GmbH<br />
189.Finanzen / Rechnungswesen<br />
190.Medizinharze<br />
191.Miltitz Aromatics<br />
192.ISB Umweltschutz<br />
193.Zentralküche<br />
194.Bildung<br />
195.Wohnstätten GmbH<br />
196.HMC Hydrometallurgie<br />
197.Deponie Grube Greppin<br />
198.Kommune Greppin<br />
199.VITEC Verfahrens- und<br />
Industrietechnik GmbH Bitterfeld
200.GERTEC GmbH, Beratende<br />
Ingenieure<br />
201.Durynek und Krannich Laborglas<br />
Wolfen GbR<br />
202.Euroschulen Bitterfeld-Wolfen<br />
203.Autohaus Pfuhl<br />
204.HCL-Wolfen<br />
205.Medienversorgung <strong>Bayer</strong><br />
206.Fuhrbetrieb Roland Liebke<br />
207.Schießverein Wolfen<br />
127<br />
208.Isolier- u. Dämmstoffcenter<br />
209.Ballonplatz Bitterfeld<br />
210.Dienstleistungen<br />
211.Zelsberg (Freizeiteinrichtungen)<br />
212.Fa. Schleifer<br />
213.Ingenieurbüro Rothe<br />
214.Pharmabau<br />
215.Nitrierung/Destillation<br />
216.pedus service<br />
217.Fa. Berg-Chemie Lüdenscheid
128
130
131
5. Literaturverzeichnis<br />
5.1 Schwerpunkt Chemie<br />
1. Autorenkollektiv der Abteilung Agitation/Propaganda und der Geschichtskommission<br />
der Kreisleitung der SED <strong>im</strong> Chemiekombinat Bitterfeld (Hrsg.):<br />
Großbaustelle Chlor IV - Feld der Bewährung, Heft 5 der Reise ,,... aus der<br />
Geschichte des VEB Chemiekombinat Bitterfeld"<br />
2. Demuth: Chemie und Umweltbelastung, Moritz Diesterweg Verlag<br />
3. H. Ebert: Elektrochemie, Vogel-Verlag, Würzburg 1972<br />
4. E. Fischer: 100 Jahre industrielle Alkalichloridelektrolyse in der Chemieregion<br />
Bitterfeld-Wolfen, in Chemische Technik 48 (1 996), 43-52<br />
5. Fonds der Chemischen Industrie, Foliensatz Nr. 24 „Die Chemie des Chlors<br />
und seiner Verbindungen", Fonds der Chemischen Industrie, Frankfurt 1992<br />
6. G. Grünzig u.a.: Entwicklung neuer Diaphragmazellen zur Chloralkalielektrolyse,<br />
in Chem. Techn. 21 (1969), 604-610<br />
7. W. Heyder: 60 Jahre Chloralkalielektrolyse, in Chem. Techn. 6 (1954), 702-<br />
704<br />
8. W. Heyder und W. Springemann: Wirtschaftliche Überlegungen zum Problem<br />
Quecksilber- oder Diaphragma-Verfahren bei der Chloralkalielektroly-<br />
Se, in Chem. Techn. 8 (1956), 702-704<br />
9. E. Heitz und G. Kreysa: Grundlagen der technischen Elektrochemie: erw.<br />
Fassung eines Dechema-Exper<strong>im</strong>entalkurses, Verlag Chemie, Weinhe<strong>im</strong><br />
1977<br />
10. N. Neuroth: Glas für optische Anwendungen, PdN - Ch. 1/46. Jg. 1997, Aulis<br />
Verlag<br />
11. Peters A., O. Lindig: Glas und seine Eigenschaften <strong>im</strong> Exper<strong>im</strong>ent,<br />
Chem.Exp. Technol. 3 (1977), Georg Thieme Verlag<br />
12. W. Schade: <strong>Ein</strong>führung in die chemische Technologie, VEB Deutscher Verlag<br />
der Wissenschaften, Berlin 1980<br />
13. W. Scholtyseck: Salz ist nicht allein zum Salzen da, in Neuer Freiheit Bilderbogen<br />
(1982), 9<br />
14. H. Schröder: Spezialgläser für die Technik, Chem. Exp. Technol. 3 (1977),<br />
Georg Thieme Verlag<br />
15. Ullmann's Encyclopedia of Industrial Chemistry - Band 9, VCH, Weinhe<strong>im</strong><br />
1986, S. 399 ff<br />
16. Vorstand der Chemie AG Bitterfeld-Wolfen (Hrsg.): Bitterfelder Chronik -<br />
100 Jahre <strong>Chemiestandort</strong> Bitterfeld-Wolfen, Chemie AG Bitterfeld-Wolfen<br />
1993<br />
17. F. Welsch: Geschichte der chemischen Industrie, VEB Deutscher Verlag der<br />
Wissenschaften, Berlin 1981<br />
132
5.2 Schwerpunkt Erdkunde<br />
Beiträge zur Bitterfelder Industriegeschichte. Heft 1 - 6. Hg. v. Verein der Freunde<br />
und Förderer des Kreismuseums Bitterfeld. Bitterfeld 1993 - 1996.<br />
Bitterfelder Chronik. I00 Jahre <strong>Chemiestandort</strong> Bitterfeld-Wolfen.<br />
Hg. v. Vorstand der Chemie AG. Bitterfeld-Wolfen 1993.<br />
ChemiePark Bitterfeld (Hg.): 100 Jahre Chemie in Bitterfeld. Bitterfeld-Wolfen 1993:<br />
ein Standort mit Tradition und Zukunft. Bitterfeld 1993.<br />
ChemiePark Bitterfeld (Hg.): Alles da für Sie. Ja alles. Im ChemiePark Bitterfeld.<br />
(Prospekte) 1993 und 1995.<br />
ChemiePark Bitterfeld (Hg.): Umweltschutz <strong>im</strong> Raum Bitterfeld. <strong>Ein</strong>e Information des<br />
Bereiches Umweltschutz.<br />
Entwicklungs- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft Bitterfeld-Wolfen (Hg.):<br />
P I a n u n g s we r ks t a tt B i tte rfe Id -Wo I fe n . M aste r p I an . B i tte rfe Id 1 9 96.<br />
Heß, G.: Die Funktion und Struktur des Industriegebietes Bitterfeld. 1965.<br />
Hille, Josef, Ralf Rucke, Roland W. Scholz U. Fred Walkow (Hg.): Bitterfeld.<br />
Modellhafte ökologische Bestandsaufnahme einer kontaminierten<br />
lndustrieregion - Beiträge der 1. Bitterfelder Umweltkonferenz. Reihe:<br />
Schadstoffe und Umwelt, Band 10. Berlin 1992.<br />
Kohlmann, Reinhard: Das Industriegebiet Bitterfeld-Wolfen. Zustandsanalyse einer<br />
Problemregion. In: Praxis Geographie, Jg. 20, 1990, Heft 12. S. 26 - 32.<br />
Landkreis Bitterfeld (Hg.): Regionalatlas Landkreis Bitterfeld. Bitterfeld 1996.<br />
Landkreis Bitterfeld (Hg.): Umweltreport Bitterfeld 96. Bitterfeld 1996.<br />
Landkreis Bitterfeld (Hg.): Ziele der Raumordnung und regionaler Entwicklung<br />
(Kreisentwicklungsprogramm). Bitterfeld 1994 .<br />
Landkreis Bitterfeld (Hg.): Ziele der Raumordnung und regionaler Entwicklung<br />
(Kreisentwicklungsprogramm). Bitterfeld 1998.<br />
Landkreis Bitterfeld u.a. (Hg.): Bergbaufolgelandschaft Bitterfeld. Natur aus zweiter<br />
Hand. Bitterfeld 1995.<br />
Ministerium für Raumordnung, Landwirtschaft und Umwelt des Landes Sachsen-<br />
Anhalt (Hg.): Landesentwicklungsbericht des Landes Sachsen-Anhalt 1996.<br />
Magdeburg 1996.<br />
Ministerium für Umwelt und Naturschutz des Landes Sachsen-Anhalt (Hg.):<br />
Umweltbericht 1993 des Landes Sachsen-Anhalt. Magdeburg 1994.<br />
Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung des Landes Sachsen-Anhalt<br />
(Hg.): Information des Landes Sachsen-Anhalt zum Nationalen<br />
Sonderprogramm Bitterfeld - Halle - Merseburg. Magdeburg 2. Auflage 1994.<br />
Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung des Landes Sachsen-Anhalt<br />
(Hg.1:<br />
Umweltbericht 1995 des Landes Sachsen-Anhalt. Magdeburg 1996.<br />
Neumeister, Hans u.a.: Immissionsbedingte Stoffeinträge aus der Luft als<br />
geomorphologischer Faktor. 100 Jahre atmosphärische Deposition <strong>im</strong> Raum<br />
Bitterfeld (Sachsen-Anhalt). In: Geoökodynamik, Band 12, 1991. S. 1 - 40.<br />
Unglaube, Manfred: Bitterfeld-Wolfen. Strukturveränderungen in einer<br />
Problemregion. In: Praxis Geographie, Jg. 26, 1996, Heft 6. S. 18 - 21.<br />
Z<strong>im</strong>nol, Frank: Erfolgreich - Chemiepark Bitterfeld. In: Sachsen-Anhalt 1994. Das<br />
Jahrbuch. Halle 1994. S. 74 - 75.<br />
133
6. Adressen<br />
Schwerpunkt Chemie<br />
<strong>Bayer</strong> Bitterfeld GnibH<br />
Salegaster Chausee 1<br />
06803 Greppin<br />
ChemiePark Bitterfeld Wolfen<br />
Parsevalstraße 6<br />
06749 Bitterfeld<br />
Heraeus Quarzglas GmbH<br />
Heraeusstraße<br />
06803 Greppin<br />
Umwelt-Forschungszentrum<br />
Glück auf 8<br />
06749 Bitterfeld<br />
Unicepta - Gesellschaft für Marktkommunikation mbH<br />
Zörbigerstraße<br />
06749 Bitterfeld<br />
Schwerpunkt Erdkunde<br />
Arbeitsamt Halle, Nebenstelle Bitterfeld<br />
Bismarckstraße 20-22<br />
06749 Bitterfeld<br />
Entwicklungs- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft Bitterfeld-Wolfen mbH<br />
Mittelstraße 20<br />
06749 Bitterfeld<br />
Erneuerungsgesellscliaft Wolfen Nord<br />
Grünstr. 19-21<br />
06766 Wolfen<br />
134
Industrie- und Filmmuseum e.V.<br />
Chemiepark Thalhe<strong>im</strong> Areal A<br />
Bunsenstr. 4<br />
06766 Wolfen<br />
Industrie- und Hande1skammer<br />
Niemegker Straße 1d<br />
06749 Bitterfeld<br />
Initiativkreis Bitterfeld- Wolfen e.V<br />
Röhrenstraße 17 a<br />
06749 Bitterfeld<br />
Kreishandwerkerschaft Bitterfeld<br />
Bismarckstraße 26<br />
06749 Bitterfeld<br />
Kommunaler Zweckverband<br />
Bergbaufolgelandschaft Goitzsche<br />
Am Tannenweg 13<br />
06774 Pouch<br />
Expo 2000 Sachsen Anhalt GmbH<br />
Bitterfelder Informationszentrum<br />
Schloß Pouch<br />
Kreismuseum Bitterfeld<br />
Kirchplatz 3<br />
06749 Bitterfeld<br />
Landesamt für Landesvermessung und Datenverarbeitung Sachsen-Anhalt<br />
Barbarastraße 2<br />
06 110 Halle / Saale<br />
Landratsamt Bitterfeld<br />
Mittelstraße 20<br />
06749 Bitterfeld<br />
Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbauund<br />
Verwaltungsgesellscliaft mbH (LBMV)<br />
Brehnauer Straße 43<br />
06749 Bitterfeld<br />
Ministerium für Raumordnung und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt<br />
Olvenstedter Straße 4<br />
39108 Magdeburg<br />
Stadtverwaltung Bitterfeld<br />
Ain Markt 7<br />
06749 Bitterfeld<br />
135
Stadtverwaltung Wolfen<br />
Postfach 12 5 1<br />
06766 Wolfen<br />
Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt<br />
Merseburger Straße 2<br />
06122 Halle / Saale<br />
Internetadressen<br />
http ://www. bay e r . d e/publikationen<br />
Unter dieser Adresse werden die vorliegenden Materialien sowie Bildmaterial vom<br />
Chemiepark eingestellt . Die wichtigsten Kenndaten sollen regelmäßig aktualisiert werden.<br />
http://www.das-parlament.de/archiv/pdf-archiv/22-23-2000/bartikel4.pdf<br />
Christian Nieters / Tobias Faupel / Holger Derlien<br />
Revitalisierung eines Industriestandortes<br />
Das Expo-Projekt Chemiepark Bitterfeld- Wolfen<br />
http://skylla/wz.berlin.de/pdf/1999/iv99-16.pdf<br />
Holger Derlien / Tobias Faupel / Christian Nieters<br />
Industriestandorte mit Vorbildfunktion<br />
Das ostdeutsche Chemiedreieck<br />
http://www.Kfw.de/DE/Research/<strong>PDF</strong>/beitrag_19.pdf<br />
KfW - Beiträge zur Mittelstands- und Strukturpolitik Band 19<br />
Sonderband<br />
Die neuen Bundesländer 10 Jahre nach der Wiedervereinigung:<br />
Gesamtwirtschaftliche Erfolge - KfW-Förderbilanz - Perspektiven<br />
http://www.ltfw.de/DE/Research/<strong>PDF</strong>/b19_04_16.pdf<br />
KfW-Beiträge zur Mittelstands- und Strukturpolitik<br />
Zwischen eigenständiger Wirtschaftskraft und öffentlichen Transferleistungen:<br />
Wo steht der Osten nach 10 Jahren Wiedervereinigung?<br />
http://www.arbeit-umwelt.de/schwerp/ostenga/ostenga.htm<br />
Engagement in Ostdeutschland:<br />
Der besondere Umbau: Chemie folgt auf Chemie<br />
http://webdoc.gwdg.de/edoc/le/sofi/l994_21/kern.pdf<br />
Horst Kern, Ulrich Voskamp<br />
Bocksprungstrategie - Überholende Modernisierung zur Sicherung ostdeutscher<br />
Industriestandorte<br />
136
Impressum<br />
Herausgeber:<br />
Bezirksregierungen Arnsberg und Köln<br />
Arnsberg 2001