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Download: Ein Chemiestandort im Wandel (PDF) - Bayer

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Vorwort<br />

Die seit dem 01.08.1999 geltenden Richtlinien und Lehrpläne für den Fachunterricht<br />

in der gymnasialen Oberstufe betonen besonders das ganzheitliche und fächerverbindende<br />

Lernen. Die Zusammenarbeit des Integrationsfaches Erdkunde mit anderen<br />

Fächern des gesellschaftswissenschaftlichen Aufgabenfeldes oder mit Fächern<br />

des mathematisch-naturwissenschaftlichen Aufgabenfeldes wie Chemie oder Biologie<br />

bietet sich zu verschiedenen Themen an. Insbesondere die Themenaspekte<br />

Strukturwandel - Altlasten sind nur dann angemessen zu analysieren, wenn naturwissenschaftliches<br />

und geisteswissenschaftliches Wissen und Denken miteinander<br />

verbunden werden. Alle <strong>im</strong> Folgenden aufgearbeiteten Teilthemen können <strong>im</strong> jeweiligen<br />

Fachunterricht, also in Erdkunde oder Chemie, mit spezifischen Schwerpunkten<br />

erarbeitet werden. Vorausgehende und anschließende Erörterungsphasen dienen<br />

der Problemfindung, der Sammlung der fachspezifischen Ergebnisse, ihrer Integration<br />

und Diskussion und der Planung des weiteren Vorgehens ebenso wie der Bewusstmachung<br />

des jeweils fachspezifischen Zugriffs.<br />

Die Idee, das Raumbeispiel Bitterfeld stellvertretend für altindustrialisierte Regionen<br />

aufzuarbeiten, entstand <strong>im</strong> Anschluss an Exkursionenfür Fachlehrkräften verschiedener<br />

Disziplinen nach Wolfen-Bitterfeld seitens der Kurt-Hansen-Stiftung in Verbindung<br />

mit der <strong>Bayer</strong> AG. Die raumwirksamen Prozesse und Innovationen <strong>im</strong> Produktionsablauf,<br />

die sich in dieser Region <strong>im</strong> vergangenen Jahrzehnt vollzogen haben, besitzen<br />

exemplarischen Charakter.<br />

Um die Leistungen angemessen beurteilen zu können, die sich hinter der lstsituation<br />

verbergen, ist es notwendig, die jeweilige Ausgangssituation nicht aus den Augen zu<br />

verlieren. Dies gilt sowohl für den Start der industriellen Entwicklung Ende des<br />

19.Jahrhunderts als auch für die Zeit um 1989. Die Situation zur Zeit der Wende<br />

wurde als so negativ eingestuft, dass eine Weiterführung der chemischen Produktion<br />

fraglich erschien. Weil für die aktuellen Gegebenheiten und für die Zukunftsplanungen<br />

vielfältige wissenschaftliche und regionale Veröffentlichungen erstellt wurden,<br />

legt diese Materialsammlung den Schwerpunkt auf die erste Phase des Tranformationsprozesses.<br />

Sie wurde in Zusammenarbeit der Bezirksregierungen Arnsberg und<br />

Köln mit freundlicher Unterstützung der <strong>Bayer</strong> AG erstellt.<br />

Es ist nicht daran gedacht, dass die Gesamtheit der Materialien unterrichtsbest<strong>im</strong>mend<br />

ist. <strong>Ein</strong>e individuelle Nutzung entsprechend der Schwerpunktsetzung der Reihe<br />

oder des Projektes oder <strong>im</strong> Rahmen von Facharbeiten bietet sich an.<br />

Die Materialsammlung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit; Themenergänzungen,<br />

wie z.B. bei <strong>Ein</strong>bezug des Faches Biologie um den Aspekt der Stoffwech-<br />

selwirkung von Aspirin, und Fortschreibungen der Daten, z. B. durch Recherchen <strong>im</strong><br />

Internet, sind schon aus Aktualitätsgründen notwendig (s. Kap. 6).<br />

Wir danken den Kolleginnen und Kollegen, die durch intensive Literaturstudien und<br />

Vor-Ort-Recherchen diese Zusammenstellung ermöglicht haben: Die erdkundlichen<br />

Schwerpunkte wurden von Herrn OStD Dr. Mensing, Gymnasium St. Antonius Lüding<br />

hausen, und Herrn StD Dr. Maurmann, Geschwister-Scholl-Gymnasium Wetter<br />

bearbeitet. Die Unterlagen für die chemischen Schwerpunkte stellten Frau StD' Dr.<br />

Kirsch, Gesamtschule Soest, Herr StD Köntges, Ruhrgymnasium Witten, Frau StD'<br />

Sauer und Frau OStR' Hildebrandt, beide Erftgymnasium Berghe<strong>im</strong>, zur Verfügung.<br />

Die Fachdezernentinnen und Fachdezernenten der Bezirksregierungen hoffen, durch<br />

diese Handreichung das fächerverbindende Lernen zu erleichtern.<br />

Für die Bezirksregierung Arnsberg<br />

LRSD' Noll, LRSD Salomon<br />

Für die Bezirksregierung Köln<br />

LRSD' Rauch, LRSD Prof. Dr. Wambach


Inhalt<br />

Vorwort<br />

1<br />

1.1<br />

1.2<br />

1.3<br />

1.4<br />

2<br />

2.1<br />

2.2<br />

2.3<br />

2.4<br />

3<br />

3.1<br />

3.2<br />

3.3<br />

4<br />

5<br />

5.1<br />

5.2<br />

6.<br />

Die Entwicklung der (Industrie-)Region<br />

Didaktisch-methodischeHinweise<br />

Die Entwicklungsgeschichte der Industrie<br />

Die Bitterfelder Zelle, ein Innovationsschub<br />

Bevölkerungs-und siedlungsgeographische Folgen<br />

der Industrialisierung<br />

Strukturwandelals Folge des politischen Umbruchs<br />

Didaktisch-methodische Hinweise<br />

Die Umbruchsituation<br />

Der Chemie Park - ein richtungsweisendesKonzept?<br />

Stoff- und Firmenverbund <strong>im</strong> Chemiepark am Beispiel<br />

der Quarzglasproduktion<br />

Altlasten, ein komplexes Erbe<br />

Der <strong>Chemiestandort</strong> und seine Umweltprobleme<br />

Phosphorproduktionund ihre Folgen - ein Beispiel für die erfolgreiche<br />

Sanierung belasteter Industrieflächen<br />

Beispiele für Altlasten<br />

Die Entwicklungder Region <strong>im</strong> Kartenbild<br />

Literaturverzeichnis<br />

Schwerpunkt Chemie<br />

Schwerpunkt Erdkunde<br />

Adressen<br />

S. 1<br />

S. 1<br />

S. 2<br />

S. 14<br />

S. 20<br />

S. 29<br />

S. 29<br />

S. 30<br />

S. 45<br />

S. 55<br />

S. 63<br />

S. 64<br />

S. 77<br />

S. 89<br />

S. 112<br />

S. 132<br />

S. 132<br />

S.133<br />

S. 134


1.<br />

Die Entwicklungder (Industrie-)Region<br />

1.1 Didaktisch-methodische Hinweise<br />

Die Materialien der Kapitel 1 - 3 sind bewusst nach fächerverbindenden Oberthemen<br />

und nicht fachorientiert zusammengestellt, denn nur so ergibt sich eine ganzheitliche<br />

Betrachtung des Sachverhaltes. Aus den drei Oberthemen: "Entwicklung der Region",<br />

"Strukturwandel"und "Altlasten" lassen sich jeweils vertiefende fachspezifische<br />

Problemstellungen formulieren, die die folgende Arbeit strukturieren. Sie sind von<br />

allen Lernenden gemeinsam zu entwickeln. Die Aufarbeitung kann entweder getrennt,<br />

.u. z.w. <strong>im</strong> Fachunterricht oder gemeinsam <strong>im</strong> Verlauf eines Projektes erfolgen.<br />

Die Organisation solcher fächerverbindenden Vorhaben könnte sich wie folgt gestalten:<br />

Wichtig ist, dass durch die gemeinsamen Problemfindungs und Planungsphasen alle<br />

Lernenden sich <strong>im</strong>mer wieder auf den gleichen Sachstand bringen und das von zwei<br />

Fächern beleuchtete Oberthema ganzheitlich erörtern, um (Zwischen-) Ergebnisse<br />

oder Folgeprobleme zu formulieren.<br />

1


1.2 Die Entwicklungsgeschichte der Industrie<br />

aus: ChemiePark Bitterfeld (Hg.): 100 Jahre Chemie in Bitterfeld<br />

2


Chronik<br />

zur lndustriegeschichte der Bitterfelder Region<br />

(aus: Beiträge zur Bitterfelder Industriegeschichte, Heft 1, Seite 4-22, gekürzt)<br />

1795<br />

1800<br />

1804<br />

1820<br />

1823<br />

1830<br />

1834<br />

1838<br />

1839<br />

1846<br />

1848<br />

1850<br />

1855<br />

1857<br />

1859<br />

1861<br />

1863<br />

In seiner"Erdebeschreibung von Chursachsen" berichtet D.J. MERKEL, dass man zwischen<br />

Bitterfeldund Roitzsch in einem Bergwerk mit dem Graben von Braunkohlen, "... . Die recht<br />

gut die Stelle des Holzes vertreten, und aus Holz entstanden sein müssen, da man ihre<br />

Ähnlichkeit mit demselben noch deutlich sieht ...", begonnen hat.<br />

Bitterfeld hat ca. 2.000 <strong>Ein</strong>wohner, 64 Wollspinner, 55 Tuchmacher, 3 Tuchscherer, 9 Töpfer,<br />

4 Tabakpfeifenmacher.<br />

Die Chronik von Sandersdorf vermerkt: "... Erster Kohlenabbauauf der wüsten Mark<br />

Gräfendorf (Pomselmark), 190 Morgen groß..... In einem zum Rittergute (Ramsin, d.A.)<br />

gehörigen Gehölze, die Pomsel genannt, hat der damalige Besitzer die hier liegenden<br />

Braunkohlelagerzu benutzen angefangen; aber die Grabung blieb stecken."<br />

Justizrat VOGEL, Besitzer des Rittergutes Ramsin, macht Versuche, auf dem Pomselberg<br />

einen Kohlenschacht zu betreiben. Steigendes Grundwasser lässt das Unternehmen<br />

scheitern. Im gleichen Jahr werden <strong>im</strong> bedeutendsten Torfstich der Fuhne-Niederungbei<br />

Löberitz 2 Millionen Torfsteine als traditionelles Brennmaterial gestochen.<br />

Das Landstädtchen Bitterfeld hat 2.500 <strong>Ein</strong>wohner.<br />

Die Fernverkehrsstraße Wittenberg-Halle,die heutige B 100, wird befestigt und ausgebaut.<br />

Die Chronik zu Sandersdorf teilt mit, dass die "Versuche des mittellosen Unternehmers<br />

HÖBOLD, den Betrieb wieder aufzunehmen und gleichzeitig aus dem über der Kohle<br />

liegendenTon Bausteine zu fabrizieren, missglückten."<br />

In der Dübener Heide erzeugen 3 Pechhütten durch trockene Holzdestillation Terpentinöl,<br />

Kienteer, Holzessig und Holzkohle.<br />

Die erste Dampfmaschine Bitterfelds n<strong>im</strong>mt der Tuchmachermeister Karl OELSCHIG in<br />

Betrieb.<br />

Der Bitterfelder Tuchfabrikant Johann DavidSCHMIDT kauft am 8. Juli das Rittergut Ramsin<br />

und betreibt fortan die bergmännische Kohleförderung in der (nach seiner Frau) "Auguste"<br />

genannten Braunkohlengrube auf dem Pomselberg.<br />

Aufschluss der Braunkohlengrube Johannes in Wolfen.<br />

Aufschluss der Grube Adelheid.<br />

Gründung der ersten Zuckerfabrik des Kreises Bitterfeld in Quetz b. Zörbig.<br />

Erschließung der Grube Richard bei Sandersdorf und der Grube Greppin Nr. 79, östl. von<br />

Grube Johannes gelegen.<br />

Am Jösigk bei Gräfenheinichen werden jährlich 5 Mio. Torfsteine gestochen, das Gewerbe<br />

kommt erst um 1880zum Erliegen.<br />

In Bitterfeldentsteht als erster chemischer Gewerbezweig eine "Photogenfabrik". Diese<br />

BAURMEISTER & Co. genannte Firma fertigt bis 1877 aus Webauer Braunkohlen<br />

Schwelteer-Raffinatezu Beleuchtungszwecken.<br />

Erschließung der Grube Lutherlinde bei Muldenstein.<br />

Inbetriebnahmeder Bahnlinie Dessau-Bitterfeld(17.8.)<br />

Bitterfeldwird Eisenbahn-Kreuzungspunkt der Linien Dessau-Leipzig und Wittenberg-Halle,<br />

wodurch sich die industrielle Tätigkeit erheblich intensiviert.<br />

Der bereits auf Grube Johannes tätige Dessauer HofbuchhändlerCarl August STANGE<br />

übern<strong>im</strong>mt auch die Kohlengrube Greppin und richtet mit Sachsenberger Pressen eine<br />

Dampfziegelei ein.<br />

Heinrich Polko initiiert die Gründung der Steinzeugfabrik Fa. SCHIRMER, MEYE & Co.,<br />

woraus sich 1862 die Fa. Heinrich POLKO als Steinzeug-, Mosaik- und Wandplattenfabrik<br />

gründet.<br />

Gründungsjahr der Bitterfelder Steinzeugindustrie. Die Fa. KELSCH, später<br />

Steinzeugwarenfabrik THOMAS beschäftigt sich mit der Tonrohrfabrikation.<br />

3


1865 Gründung der Maschinenfabrik und Eisengießerei MARTIN (Weltruf bei Schälmaschinen für<br />

Hülsenfrüchte).<br />

1870 Aufschluss der Grube Antonie.<br />

1872 Aufschluss der Grube Louise.<br />

Die erste Brikettfabrik errichtet die Deutsche Grube, bald danach folgt die "Bitterfelder<br />

Braunkohlenbriquettes-Fabrikvon Adolph ACKERMANN & Co."<br />

1876 Zahlreiche Neugründungenverbreitern das Spektrum der Bitterfelder Industrien:<br />

DachpappenfabrikW. REICHARDT<br />

Essig- und Senffabrik REGINA<br />

Sägewerke der Firmen LEDERER, KOTZSCH & Co., RATHMANN, Richard HAMMER<br />

Farbenfabrik HOCHSTETTER & BANSE<br />

Fabrikfür Drainagenröhren und BlumentöpfeA. PAASCH<br />

Die Eichen in den Bitterfelder Binnengärten beginnen zu vertrocknen, "woran nach aller<br />

Meinung die Entwässerung des Erdbodens Schuld sein mag", so die Stadtchronik.<br />

<strong>Ein</strong>hundertabsterbende Bäume werden abgeschlagen.<br />

1877 Im Jahr werden 6.000 t Briketts produziert, <strong>im</strong> Jahre 1883 sind es bereits 73.000 t.<br />

1879 Auf der Deutschen Grube wird die 2. Brikettfabrikerrichtet und 1882 durch eine dritte<br />

ergänzt.<br />

1870-<br />

1880<br />

1880<br />

1883<br />

1884<br />

1886<br />

1888<br />

1893<br />

1894<br />

1895<br />

1896<br />

1897<br />

In den Greppiner Werken entstehen erstklassige baukeramische Erzeugnisse (Verblender<br />

und Terrakotten), woraus zahlreiche größere Bauwerke, insbesondere Bahnhöfe errichtet<br />

werden: z.B. in Hannover, Magdeburg, Wittenberg und Hanau, in Berlin die besonders<br />

prächtigen Bauten des Potsdamerund des Anhalter Bahnhofs sowie in Leipzig der<br />

Eilenburger Bahnhof.<br />

Als Teil der Greppiner Werke entsteht in Wolfen eine Brikettfabrik, die mit zunächst zwei<br />

Pressen "täglich 1.200 Ctr. Briquettes, welche größtenteils in Berlin Absatz finden, herstellt.<br />

Der Maschinenbauexpandiert in Bitterfeld, es entstehen:<br />

Maschinenfabrikenfür Turbinen und Anlagen<br />

Dampfkessel DREIER & REICHSTEIN<br />

Maschinenfabrik E. O. DIETRICH AG, Apparate u. Rohrleitungen<br />

Bei Bitterfeld entsteht an der "Großen Mühle" die Pappenfabrik und Holzschleiferei Geb.<br />

BIERMANN an der Mulde.<br />

Die Stadt Bitterfeldzählt 7.500 <strong>Ein</strong>wohner, und es werden 152 Dampfmaschinen, 262<br />

keramische Brennöfen, 69 Brikettpressen sowie 180 Industrieschornsteinebetrieben.<br />

Das älteste Bergwerk der Bitterfelder Region (gegründet 1560), das Alaunwerk "Gott meine<br />

Hoffnung", südlich von Schwemsal gelegen, wird nach über 3 Jahrhunderte währende<br />

Betrieb geschlossen; 1871 wurden noch 150.000Zentner Alaunerde gefördert.<br />

E. OBST beklagt das Verschwinden pflanzenreicher Torfwiesen und Moorbrüche bei<br />

Sandersdorf.<br />

Am 28. Juni bringt Walther RATHENAU durch Gründung der "Elektrochemischen Werke<br />

Berlin GmbH" die chemische Industrie nach Bitterfeld.<br />

DerAufsichtsrat der "Chemische Fabrik ElektronAG" (hervorgegangenaus "Chemische<br />

Fabrik Grieshe<strong>im</strong>") fasst am 21.11. den Entschluss,in Bitterfeld eine Nebenanlagezu<br />

errichten.<br />

Die Chemische Fabrik Grieshe<strong>im</strong> n<strong>im</strong>mt eine Anlage zur Chloralkali-Elektrolysein Betrieb<br />

(16.10.), für eine tägliche Produktion von 8 t KOH und 14 t Chlorkalk.<br />

Grundsteinlegung der "Actiengesellschaftfür Anilinfabrikation - Greppiner Fabrik'' (später<br />

Agfa Farbenfabrik Wolfen).<br />

Inbetriebnahmedes Bitterfelder Wasserwerks.<br />

In Rathenaus Elektrochemischen Werken produziert man erfolgreich Magnesium und bald<br />

auch Oxalsäure, nachdem <strong>im</strong> Jahr zuvor die Herstellung von Natrium und Karbid begonnen<br />

hatte.<br />

Für den schnellen Abtransport der Kalisalze nach Bitterfeldentsteht die Strecke Bitterfeld-<br />

Zörbig-Stumsdorf.<br />

4


1898 Gründung der ELG - "Erste Elektrizitäts Liefergesellschaft"- durch die von Walther<br />

RATHENAU geführten Elektrochemischen Werke GmbH; sie sichern Stromlieferungen nach<br />

Bitterfeld, Wolfen und Jeßnitz.<br />

1899 Errichten eines elektrothermischen Phosphorofens in Bitterfeld.<br />

Im Mai geht in Bitterfeld eine Pottasche-Fabrik in Betrieb<br />

Die "Chemische Fabrik Salzbergwerk Neustaßfurt und Teilnehmer"entsteht bei Zscherndorf.<br />

1901 Ab April produziert ein Kaliumpermanganatbetrieb.<br />

Die Grube Hermine geht in den Besitz der AGFA über.<br />

1903 Im Oktober und November verlagern die Maintal-Werke ihre auf die Herstellung organischer<br />

Produkte orientierte Fabrikation nach Bitterfeld (Chlorbenzol bzw. Monochloressigsäure).<br />

1904 In Zscherndorf entsteht das kleine Unternehmen "Chemische Werke HERZ (ab 1909<br />

Chemische Werke Zschemdorf GmbH).<br />

1905 Die Bitterfelder Chemie produziert die Chloride, Chlorate und Bichromate des Kaliums sowie<br />

Sauerstoff.<br />

1907 In Muldenstein geht eine der größten Papierfabriken Deutschlands in Betrieb; sie erzeugt<br />

täglich 150 Tonnen Druckpapier und Tapeten aus finnischen Hölzern.<br />

<strong>Ein</strong>e Chlorverbundleitung wird zwischen den beiden Chemiewerken Bitterfelds errichtet.<br />

1909 Amtsvorsteher Schuster erteilt am 23. Juli der "Actiengesellschaft für Anilinfabrikation" die<br />

Erlaubnis, eine Filmfabrikzu errichten.<br />

1910 Ab 19. Juli erfolgt die erste Kinofilmproduktion in der neuen AGFA-Filmfabrik in Wolfen.<br />

1911 In Muldenstein entsteht ein Bahnkraftwerk, und auf der Strecke Bitterfeld-Dessauwird der<br />

erste reguläre elektrische Vollbahn-Zugbetrieb Deutschlands eingeführt.<br />

In Bitterfeld stellt die chemische Industrie verflüssigtes Chlor, Salzsäure, Ameisensäure und<br />

Salpetersäure her.<br />

1913 Die <strong>im</strong> Verein Bitterfelder Industrieller zusammengeschlossenen Ziegeleien liefern 53 Mio.<br />

Stück Klinker und andere Ziegeleierzeugnisse.<br />

<strong>Ein</strong>e Anlage zur Herstellung von Calciumhypochlorit geht am 18. Dezember in Betrieb.<br />

1914 Die Filmfabrik Wolfen stellt bereits ein breites Sort<strong>im</strong>ent von Pack-, Roll-, Spezial- und<br />

Klarscheibenfilmen her.<br />

1916 Die Chemische Fabrik Grieshe<strong>im</strong> Elektron und die AGFA vereinigen sich mit anderen<br />

führenden deutschen Chemie-Unternehmen zur "Interessengemeinschaft der deutschen<br />

Teerfarbenfabriken".<br />

Die Produktion der Filmfabrik beträgt bereits 25 Mio. Meter Film.<br />

In Bitterfeld geht das Aluminiumwerk I mit 4.000 t Jahresproduktion in Betrieb.<br />

1917/<br />

1921 Die Bitterfelder chemischen Werke erwerben große Kohlenfelder: Südlich und südwestlich<br />

von Bitterfeld ca. 400 ha und bei Muldenstein 310 ha, damit besitzt die Großchemie 90 % der<br />

Bitterfelder Lagerstätten.<br />

1918 Am 21. Juni wird vom damals weltgrößten Wärmekraftwerk in Zschornewitz bei Bitterfeld<br />

der erste Strom nach Berlin abgegeben.<br />

1921 Abschluss der 2. Ausbaustufe der Filmfabrik mitAngebotserweiterung durch Röntgenfilm<br />

(1 922), Phototechnischen Film (1925), Negativ-sowie Positiv-Ton-Film.<br />

Errichten eines "Rauchgas-Labors", mit meteorologischer Station zur<br />

Luftschadstoffüberwachung durch die Fa. Chemische Fabrik Grieshe<strong>im</strong> Elektron.<br />

1922 Kunstseideund Stapelfaser werden in einer neuen Wolfener Anlage erstmals hergestellt.<br />

1923 In Bitterfeld wird die Chloralkalielektrolyse auf Quecksilberzellen umgestellt.<br />

1924 Im Werk Nord von Bitterfeld beginnt die Molybdän- und Wolfram-Metall-Produktion.<br />

1925 Zwei 2.000 kW-Phosphoröfengehen in Bitterfeld ans Netz.<br />

Am 2. Dezember erfolgt die Gründung der IG FARBEN INDUSTRIE AG, Frankfurt (Main);<br />

Bitterfeldwird Sitz der Betriebsgemeinschaft Mitteldeutschland.<br />

1926 Die Braunkohleförderung<strong>im</strong> Bitterfelder Revier n<strong>im</strong>mt in Deutschland eine Spitzenposition<br />

ein. Mit 8 Mio. Tonnen beträgt sie 7 % der deutschen und 5 % der Welterzeugung. Die<br />

Kraftwerke verbrauchen 53 % der Rohbraunkohle und 20 % werden brikettiert.<br />

Die Produktionvon Triphenylphosphatwird in Bitterfeld aufgenommen.<br />

5


<strong>Ein</strong> Großauftrag zur Herstellungvon "Elektron"-Gussteilen bringt der Bitterfelder<br />

Leichtmetallherstellunggroßen Aufschwung; in Gestalt der Luftschiffe "Bremen" und "Graf<br />

Zeppelin" überquert Leichtmetallaus Bitterfeld 1928 den Atlantik.<br />

1928 Am 17. Januar findet unter Leitung von Dr. GRÜTZNER,Reg.-Präsident Merseburg, in<br />

Bitterfeldeine Versammlung statt, die den Erhalt der 3.000 Morgengroßen Waldbestände in<br />

der Goitzsche und das Aufforsten ausgekohlter Ländereienzum Ziel hat; ein bis zwei Jahre<br />

später beginnen umfangreicheAnpflanzungen auf den Abraumhalden der Grube Johannes.<br />

Beginn der Hochpolymer-Faserforschungin der Filmfabrik.<br />

In Bitterfeldwerden die ersten Versuche zur fabrikmäßigen Herstellung von PVC gemacht.<br />

1929 Aufnahme der Vistra- und Stapelfaserproduktionin Wolfen.<br />

1930 Die Filmfabrikwird Hauptwerk innerhalb der IG-Farben-SparteIll (Photografica, Kunstseide,<br />

Vistra und Riechstoffe).<br />

1931 Beginn erster Arbeiten zur Polyacrylnitrilfaser,die bis 1943 zu ersten brauchbaren<br />

Labormustern reifen.<br />

Die einst weltbekannten Greppiner Werke beenden eine 60jährige Produktionsgeschichte<br />

nach dem Erschöpfender Kohlenfeldervon Grube Johannes und Grube Greppin.<br />

1932 In Bitterfeldwerden erstmals Ferrovanadin, Ferromolybdänund Vanadinsäure hergestellt.<br />

1934 Die Erzeugung der PeCe-Faser als erste vollsynthetische Faser der Welt gelingt in der<br />

Filmfabrik. Im gleichen Jahr wird der ISOPAN-Film produziert.<br />

1936 Prof. Dr. John EGGERT stellt <strong>im</strong> Haus der Deutschen Presse in Berlin den "Agfacolor Neu",<br />

den ersten Mehrschichtenfarbfilmmit chromogener Entwicklung der Weltöffentlichkeit vor.<br />

Die erste Ofenstraße der Wolfener Gipsschwefelsäurefabrik (MÜLLERIKÜHNE-Verfahren)<br />

geht in Betrieb, <strong>im</strong> Jahr darauf folgt die zweite.<br />

1938 Beginn der Arbeiten an der Polyamidfaser(Perlon) in Wolfen.<br />

In Bitterfeldund Wolfen wird PVC erstmals großtechnisch hergestellt.<br />

Prof. Dr. GRIESSBACH führt den Kunstharz-IonenaustauscherWOFATIT zur<br />

Produktionsreife.<br />

1943 Die Filmfabrik Wolfen ist der größe Film- und Chemiefaserproduzent Europas.<br />

Nach der Zerstörung der Anlagen in Leverkusen beginnt die FilmfabrikWolfen mit der<br />

Magnetband-Fertigung.<br />

1944 Im Werk Süd von Grieshe<strong>im</strong> Elektronwird eine 30.000 t Schmiedepresse als größte<br />

<strong>Ein</strong>richtung dieser Art in Europa gebaut; sie fertigt Halbzeugefür den Flugzeugbau. Nach<br />

Kriegsendegeht die Anlage als Reparationsobjektin die Sowjetunion.<br />

1945 Am 19/20.4. befreien amerikanischeTruppen Bitterfeld. In den Bitterfelder Chemieanlagen<br />

hat der Krieg nur geringfügige Schäden hinterlassen. In Wolfen sind 14 % derAnlagen total<br />

zerstört; Know how und Maschinen werden amerikanische Kriegsbeute. Zahlreiche<br />

Wissenschaftler der Filmfabrikverlassen das Werk.<br />

Nach <strong>Ein</strong>zug der Sowjets, Anfang Juli, wird die Filmfabrik militäradminstrativgeleitet und<br />

dient als materielleund personelle Quelle von Reparationen.<br />

1946 Am 22.7. werden Film- und Farbenfabrik SAG-Betriebe,woraus in Folge die Trennung der<br />

Agfa-Betriebe entsteht.<br />

Wissenschaftliche Belebung führt zu Produkt-Premierenbei Viskosedarm, Polyamidseide,draht<br />

und -borsten (Perlon), S/W- und Color- sowie Pigment- und Lichtpauspapieren.<br />

Erstmals werden in Bitterfeld AI/Ni/Co-Gußmagnetengefertigt.<br />

1947 Produktionsbeginnvon DEDERON-Seide,Zellwatte und Ernte-Bindegarnin der Filmfabrik.<br />

1948 Im Januar wird die Erzeugung synthetischer Edelsteinein Bitterfeldwieder aufgenommen.<br />

Beginn der Aufschlussarbeiten in der Grube Goitzsche.<br />

1949 DEDERON-Angelschnurund Hygienezellstofferweiterndie Produktpaletteder Filmfabrik.<br />

1950 In Bitterfeld werden 15.000 Jahrestonnen Hüttenaluminiumerzeugt.<br />

1951 Die Bitterfelderchemische Industriewird zum Versuchsfeld sowjetischer<br />

Wettbewerbsmethoden; Namenwie Kowaljow, Nina Naserowa und Lossinskiwerden zu<br />

Schlagwörtern. Der Produktionsstanddes Jahres 1944 wird erreicht.<br />

Aufschlussbeginn <strong>im</strong> Tagebau Muldenstein.<br />

6


1952 Zum Jahresbeginn fabriziert in Bitterfeld eine Versuchsanlage das Lösungsmittel<br />

Methylenchlorid.<br />

Im Februar produziert eine Neuanlage über 1 Mio. m² Fußbodenbelag, gleichzeitig fertigt<br />

man die ersten VINIDUR-Dachrinnen.<br />

Am 1. Mai sind unter den 66 in DDR-Besitz überführten SAG-Betrieben auch derVEB<br />

FarbenfabrikWolfen und der VEB Elektrochemisches Kombinat Bitterfeld(EKB).<br />

Nach 4 Jahre währenden Aufschlussarbeitenwird am 22. September die erste<br />

Rohbraunkohleaus dem Tagebau Goitzsche gefördert.<br />

1953 Die Filmfabrik bringt die PAN-Faser WOLCRYLON auf den Markt.<br />

1954 Ab Jahresbeginn wird die Filmfabrik DDR-Staatsbetrieb.<br />

1956 Im Tagebau Muldenstein beginnt die Kohleförderung<br />

In der Filmfabrik wird die PAN-Faserpalettedurch WOLPRYLA erweitert.<br />

1958 In Bitterfeld beginnt die Verfahrensentwicklung zur Herstellung der Phosphorsäureester-<br />

Verbindung Bi 58. Am 1961wird das Produkt auch kristallingewonnen und als "D<strong>im</strong>ethoat"<br />

bezeichnet.<br />

1959 Das DDR-Chemieprogramm schränkt die Wolfener Faserproduktion ein und verstärkt die<br />

Investitionen <strong>im</strong> Fotobereich.<br />

1960 Am 15.7. erfolgt in Wolfen die Grundsteinlegungfür den Stadtteil Nord, woraus sich die<br />

größte Wohnsiedlung der Region entwickelt.<br />

1962 Die Fernverkehrsstraße 100 zwischen Bitterfeld und Schlaitz und die Bahnlinie zwischen<br />

Bitterfeld und Delitzsch werden verlegt.<br />

Bau eines neuen PVC-Betriebes <strong>im</strong> Werk Nord des EKB.<br />

Die Vielzahl unkontrollierter, Sulfat-und nährstoffreicher Abwassereinleitungen löst in Wolfen<br />

eine Umweltkatastropheaus. Nach Schätzungen gast die Grube Johannes zu dieser Zeit<br />

mehrere Tonnen Schwefelwasserstoff pro Tag aus. Dadurch entstehen in der Filmfabrik<br />

verheerende Produktionsverlustedurch sogenannte "Gelbschleier"auf den Fotomaterialien.<br />

1963 Die FilmfabrikWolfen kündigt unter Druck der DDR-Regierung einseitig das Warenzeichen-<br />

Abkommen mit dem Agfa-Werk in Leverkusen.<br />

1964 Auf der Leipziger-Frühjahrsmesse wird das neue Warenzeichen ORWO ("Original Wolfen")<br />

international eingeführt, einige Erzeugnisse erhalten "Messegold".<br />

1967 Ab Januar ist das EKB an eine aus Leuna kommende Methan-Pipeline angeschlossen. Zum<br />

Jahresende erfolgt ein weiterer Stoffverbund mit Kohlendioxid und Ammoniak. Zukünftig<br />

sollenjährlich 200.000 t Ammoniak aus Leune in Bitterfeld und Wolfen umgesetzt werden.<br />

Die DEDERON-Feinseide-Produktionwird in der Filmfabrikeingestellt.<br />

1968 <strong>Ein</strong>führung des Diapositiv-Films UT 18 - der erste ORWOCHROM-Film.<br />

Am 11. Juli zerstört eine schwere Explosion den PVC-Betrieb des EKB.<br />

1969 Das Elektrochemische Kombinat Bitterfeld (EKB) und der VEB Farbenfabrik Wolfen<br />

vereinigen sich zum VEB Chemiekombinat Bitterfeld (CKB).<br />

In der Filmfabrik wird die Fertigung der DEDERON-Erzeugnisse Cordseide, Draht und<br />

Borsten eingestellt.<br />

1970 Bildung des Fotochemischen Kombinats(FCK) mit dem Stammbetrieb in Wolfen.<br />

1975 Am 1. Mai beginnt die sieben Monate währende Flutung des 600 ha großen Muldestausee,<br />

der aus dem 1974 stillgelegten Tagebau Muldenstein durch Auskohlung von 126 Mio.<br />

Tonnen entstand. Die Muldewasserqualität verbessert sich dadurch erheblich.<br />

Die Filmfabrik Wolfen führt umfangreiche Rationalisierungen zur Produktionssteigerung von<br />

Positiv-Colormaterialdurch.<br />

1976 Die Inbetriebnahme eines neuen Erdgaskraftwerks trägt maßgeblich zur Minderung des<br />

Staubniederschlags in Bitterfeld und Umgebung bei. (s. Daten in 3.2)<br />

1980 Die Ortschaft Niemegkwird ein Opfer der "Überbaggerung".<br />

Inbetriebnahme der Glaubersalz-Rückgewinnungaus dem Spinnbad der Wolfener<br />

Zellwolleherstellung.<br />

1981 Inbetriebnahme des BetriebesChlor IV bei Greppin.<br />

Nach sensationellen, kilogrammschweren Bernsteinfunden bei Bitterfeldteilt die DDR-<br />

Presse mit, dass dieser Rohstoff künftig zu den speziellen Naturreichtümern des Landes<br />

7


zählt und auch über die Jahrtausendwende abgebaut werde. Die bis zuletzt<br />

gehe<strong>im</strong>nisumwitterte lokale Förderung betrug 40-50 t/a bei einem geschätzten Vorrat von<br />

1.000t. Im 22 Mio. Jahre alten Bernstein findet man bis zu 5 % Inklusen.<br />

1984 Das Dorf Döbern wird "überbaggert".<br />

1985 Mit dem Produkt ORWOANALYT versucht die Filmfabrikden <strong>Ein</strong>stieg in eine neue Branche.<br />

1986 Im August geht eine neue Filmaufarbeitung in Betrieb.<br />

1988 Im Chemiekombinat Bitterfeld wird das Aluminiumwerk I stillgelegt.<br />

Inbetriebnahme der modernsten Chloratfabrik Europas (stillgelegt 1993).<br />

1989 Im Juli n<strong>im</strong>mt <strong>im</strong> Chemiekombinat Bitterfeldeine Pilotanlagezur Herstellung von<br />

Gluconsäure nach einem modernen mikrobiologischen Verfahren die Fabrikation auf.<br />

Am 1. November verlassen die Chefs der betrieblichen SED- und Gewerkschaftsführungen<br />

unter dem Druck der Arbeitnehmer ihre Posten. Wenig später nehmen auch die<br />

Generaldirektoren"den Hut".<br />

1989-<br />

1990 In den Altanlagen des Filmfabrik-Fasersektors und des Fotobereichs sowie in der Chemie<br />

AG Bitterfeld/Wolfenerfolgen aus Umweltschutz- und Absatzgründen flächenhafte<br />

Stillegungen.<br />

1990 Zum Jahresbeginn rückt eine Publikation <strong>im</strong> deutschen NachrichtenmagazinDER SPIEGEL<br />

die BitterfelderRegion in die Nähe von Seveso und Tschernobyl; Reportagen gehen in alle<br />

Welt und tausende Besucher beteiligensich am "Katastrophen-Tourismus". Millionenbeträge<br />

für Umweltsanierung fließen in die Region.<br />

Am 1. Juni gründetsich die ChemieAG Bitterfeld/Wolfen.<br />

1991ff.<br />

1991<br />

1992<br />

1993<br />

Privatisierung sowie Beschäftigungs-, Qualifizierungs- und Sanierungsgesellschaften<br />

versuchen, bis zur Neuansiedlung von Firmen, die Arbeitslosigkeit zu mildern.<br />

Die Firma HERAEUS GmbH Hanau beginnt Mitte Dezember mit dem Errichten einer<br />

modernen Anlage zur Herstellung von synthetischem Quarzglas in Bitterfeld(Investvolumen<br />

91 Mio. DM) .<br />

Im Frühjahr findet die 1. Bitterfelder-Umwelt-Konferenzstatt; sie verdeutlicht, dass die<br />

Umwelt dieser Region zu den bestuntersuchtesten Deutschlands zählt.<br />

Das Sprengen eines 90 Meter hohen Kraftwerkschornsteins auf dem Gelände der Filmfabrik<br />

ist der ,,Startschuss" für den forcierten Rückbau veralteter Industrieanlagen, um die<br />

Grundlagen für das Entstehen eines modernen Gewerbe- und Industrieparks (GIP<br />

Wolfen/Thalhe<strong>im</strong>) zu schaffen.<br />

Am 12. Oktober ist Grundsteinlegung für die BAYER Bitterfeld GmbH, die auf 53 ha in<br />

Greppin 750 Mio. DM investiert.<br />

Am 26. Januar ist Richtfest bei der BAYER Bitterfeld GmbH. Ab 1994 will das<br />

Unternehmen 5.000 t/a Methylcellulose, 50.000 Tonnen Lackharze und 150 Mio. Packg.<br />

Schmerztablettenfertigen. Bis zum 1.Januar 1999 werden über 900 Mio. DM investiert<br />

und mehr als 650 Arbeitsplätze geschaffen. Als vierter Fertigungsbereichwird ein<br />

lonenaustauscherbetrieb errichtet.<br />

Die Wolfener Schwefelsäure und Zement GmbH (WSZ) modernisiert mit einer 5 Mio.<br />

DM-Investition die alte zwischen 1936 und 1938gebaute Gipsschwefelsäurefabrikzu<br />

einem Recycling-Unternehmen.<br />

Im Februar wird in der für 75 Mio. DM neu errichteten HERAEUS-Quarzglas GmbH<br />

Bitterfeld das erste Quarzglas hergestellt.<br />

Am 31. März wird die 1909 gegründete Bitterfelder Brikettfabrik der ehemaligen<br />

Braunkohlengrube,,Leopold" geschlossen.<br />

Die Mitteldeutsche BraunkohleAG (MIBRAG) stellt die Bernstein-Förderungein.<br />

Bei Anwesenheit von Bundes-Umweltminister Töpfer wird am 15. Juli Richtfest am<br />

Großklärwerk Bitterfeld/Wolfen gefeiert und durch Sprengung der restlichen vier Schlote<br />

die charakteristische Bitterfelder Schornstein-Kulisse <strong>im</strong> Süden der Chemie AG<br />

beseitigt.<br />

Im September werden am 1975 gebauten Abluftschornstein der Wolfener Zellwolleund<br />

Viskosefaserherstellung, dem einst mit 165 m höchsten Schornstein der Region,<br />

nach einjährigen und rein mechanisch geführten Rückbauarbeiten die letzten<br />

Kubikmeter Stahlbeton abgetragen.<br />

8


1893 - ein historisches Datum für Bitterfeld<br />

"Die Chemie kommt zur Kohle"<br />

Karl KRETSCHMER, Sandersdorf<br />

(aus: Beiträge zur Bitterfelder Industriegeschichte, Heft 1, Seite 37-39)<br />

Schon lange bevor das Ausmaß der Industrialisierungals Maßstab wirtschaftlicher<br />

Verhältnisse galt, hob sich Bitterfeld aus dem bäuerlichen Gepräge des Landes heraus<br />

und gewann als Tuchmacherstadt überregionale Bedeutung.<br />

Mit der bergmännischen Braunkohlegewinnung ab 1839 war die Grundlage geschaffen<br />

für eine neue Wirtschaftsstruktur, die mit Brikettfabriken,Ziegeleien, Steinzeug- und<br />

Tonröhrenindustrie, Maschinenfabriken und chemischer Großindustrie Konturen<br />

annahm und damit Bitterfeld weit über Deutschland hinaus bekannt machte.<br />

Entscheidend war dabei vor allem die günstige Verkehrslage, denn Bitterfeld wurde<br />

zwischen 1857 bis 1860 ein bedeutender Eisenbahnknotenpunkt.<br />

Damit waren die entscheidenden Vorbedingungen für die Entwicklung der Bitterfelder<br />

Industrie gegeben; es wurden neue Absatzgebiete gefunden, und es entstanden neue<br />

Indust r iezweige.<br />

Aus der alten Tuchmacherstadt Bitterfeldwar eine Stadt der Keramikindustrie und der<br />

Braunkohle geworden, auch der Maschinenbau hatte sich rasch als Folgeindustrie<br />

entwickelt sowie Papier- und Dachpappenfabriken.<br />

Etwa nach 1890 hatte der Bitterfelder Bergbau mit enormen Absatzschwierigkeiten zu<br />

kämpfen, andere hier ansässige Industrien hatten ähnliche Probleme. Nach<br />

schwierigenAnfängen und einer verheißungsvollen Entwicklung erlebte die<br />

Industrialisierungdes Bitterfelder Raumes einen jähen Rückgang.<br />

In dieser Situation vollzog sich ein wesentlicher, aber auch folgenreicher Schritt für die<br />

Weiterentwicklung unserer Region - das Interesse der chemischen Großindustrie für<br />

dieses Gebiet. Damit begann ab 1893 ein neuer Abschnitt in der industriellen<br />

Entwicklung, der nicht zufällig war.<br />

In den sogenannten "Gründerjahren"war nämlich die Nachfrage der Industrie und der<br />

Bevölkerung nach chemisch-technischenund pharmazeutischen Erzeugnissen, nach<br />

Seifen, Papier, Farben und Textilien enorm gewachsen. Demzufolge mußten neue<br />

Produktionseinrichtungen geschaffen und moderne Technologien entwickelt werden,<br />

um rapide steigenden Bedarf, auch <strong>im</strong> Ergebnis der damaligen<br />

"Bevölkerungsexplosion", abdecken zu können.<br />

Der Aufbau einer leistungsfähigen chemischen Großindustriewar damit zwingend<br />

notwendig. Chemischer Ausgangsstoff für viele Bedarfs- und Industriegüterwar das<br />

Kalisalz, das in umfangreichen Lagerstätten<strong>im</strong> mitteldeutschen Raum vorhanden war.<br />

Durch die Chlor-Alkali-Elektrolysekönnen daraus Grundchemikalien gewonnen<br />

werden, die in vielen Industriezweigenzum <strong>Ein</strong>satz kommen.<br />

9


Da aber die Elektrochemienur in technischen Großanlagen rentabel ist, begann die<br />

deutsche chemische Industrie nach günstigen Standorten zu suchen, die opt<strong>im</strong>ale<br />

Bedingungen, vor allem eine billige Energiebasisfür diesen neuen energieintensiven<br />

Industriezweig, garantieren.<br />

Diese Bedingungen bot das Bitterfelder Gebiet.<br />

Das waren z.B. die natürlichen Bedingungen,wie<br />

- die reichen Braunkohlevorkommenfür die Energieerzeugung,<br />

- die Nähe und die guten Abbaumöglichkeiten der Kalisalze <strong>im</strong> Bernburger und<br />

Staßfurter Revier als chemischen Ausgangsstoff,<br />

- die umfangreichen Wasserreserven der Mulde, die Pumpwasser der Tagebaue<br />

sowie die günstigen Möglichkeitenzur Abwasserrückleitung bis hin zur Nutzung der<br />

Tagebau-Restlöcherals Deponien,<br />

- die reichhaltigen Ton- und Lehmvorkommen <strong>im</strong> Abraum für die Baustoffindustrie.<br />

Zum anderen waren das die vorhandenen wirtschaftlichen Bedingungen, wie<br />

- der Billigpreis der Bitterfelder Kohle<br />

(1895: 1 Jahres PS Bitterfelder Kohle = 20,00 Mark; 1 Jahres PS Steinkohle<br />

dagegen = 47,00 Mark)<br />

- der Niedriglohnder Bitterfelder Bergleute,<br />

- die äußerst niedrigen Bodenpreise,<br />

- die guten Verkehrsbedingungen (Eisenbahnknotenpunkt),<br />

- die hochproduktiv arbeitende Baustoffindustrie (Ziegeleien, Tonröhrenfabriken),<br />

- die Möglichkeit, aus dem Umland Handwerker abzuziehen und sich an die<br />

städtischen Versorgungs-und Dienstleistungseinrichtungen anzuschließen.<br />

Der ausschlaggebende Standortvorteilfür diesen energieintensiven Industriezweig<br />

waren aber die reichhaltigen Braunkohlelagerstätten <strong>im</strong> Bitterfelder Revier und die<br />

niedrigen Förderkosten. Da es zur damaligen Zeit um 1893/94 in Mitteldeutschland<br />

noch kein Energieverbundnetzgab, war es nicht möglich, die Energieerzeugung und<br />

die Chemotechnik (Elektrolysen) räumlich zu trennen.<br />

Die Chemie mußte also zur Kohle kommen.<br />

<strong>Ein</strong>er der ersten, der diese Standortvorteile erkannte, war Dr. Walther Rathenau, der<br />

spätere deutsche Außenminister. Anfang 1893 unternahm Walther Rathenau eine<br />

Studienreise in das mitteldeutsche Braunkohlerevier, auf der er auch in Bitterfelds<br />

UmgebungTerrain und Kohlegruben besichtigte. Er schlug seinem Vater Emil<br />

Rathenau, Vorsitzender der AEG, vor, die neuen Chemieanlagen in Bitterfeld zu<br />

errichten. Dazu wurden am 28.6.1893 die Elektrochemischen Werke Berlin gegründet,<br />

mit Dr. Walther Rathenau als Geschäftsführer. Die Verhandlungen <strong>im</strong> Bitterfelder<br />

Raum konzentrierten sich auf die Grube "Hermine". Am 3.8.1893 kam es dann mit Frau<br />

Kommerzienrat Benndorf, Leipzig, der Grubenbesitzerin, zum Abschluß eines<br />

Vertrages über Kohlelieferungen.<br />

Gleichzeitigwurden für das künftige Fabrikgelände 50 Morgen Land in der Nähe der<br />

Grube "Hermine" erworben.<br />

10


85 Jahre Filmfabrik Wolfen<br />

Manfred GILL, Wolfen<br />

aus: Beiträgezur Bitterfelder lndustriegeschichte (Heft 1)<br />

Wenige Monate später, nachdem Walther Rathenau die überaus günstigen<br />

Bedingungenfüreine Industrieansiedlung <strong>im</strong> Raum Bitterfeld/Wolfen erkannt und in<br />

Bitterfeld die Elektrochemischen Werke GmbH aufgebaut hatte, folgte seinem Vorbild<br />

ein weiteres bedeutendes Berliner Chemieunternehmen.<br />

Am 28. Juni 1894 erwarb die Berliner Aktiengesellschaft für Anilinfabrikation, kurz<br />

Agfa, zu besonders günstigen Konditionen von den Gemeinden Greppin, Wolfen und<br />

Thalhe<strong>im</strong> 249 Morgen und 113 Quadratruthen Land zur Errichtung neuer Fabriken.<br />

Für eine Quadratruthe Bauland zahlte das Unternehmen 2,96 RM den einhe<strong>im</strong>ischen<br />

Bauern, in Berlin kostete zum gleichen Zeitpunkt eine Quadratruthe Bauland 361 RM!<br />

Am 2. Februar 1895 erhielt die Agfa die Generalkonzession zur Errichtung einer<br />

Farbenfabrik und für die Produktion von Salpetersäure, Nitrobenzol, Anilin, Naphtol,<br />

Naphtylaminsulfonsäuren, Benzidin, Azo- und Anilinfarben.<br />

Am 20. Mai 1895 erfolgte der erste Spatenstich für den Aufbau der neuen Farbenfabrik<br />

in einer bis dahin noch nicht gekannten D<strong>im</strong>ension. An die Stelle der 4,71 Hektar<br />

großen Farbenfabrik in Berlin-Treptow trat in den nächsten Jahren ein modernes Werk<br />

in Wolfen, das eine Fläche von 103 Hektar einnahm. Bereits zehn Monate nach dem<br />

ersten Spatenstich nahm die Benzidinfabrik als erste Produktionsstätte in der neuen<br />

Farbenfabrik die Arbeit auf. Am 27. April 1896 begann die Rubinfabrik mit der<br />

Herstellung der ersten Farben in Wolfen. 216 Arbeitskräfte produzierten in diesem<br />

ersten Jahr 63.767 Kilo Farbstoffe. Bereits 1897 war das Werk in allen Teilen<br />

fertiggestellt und produzierte so erfolgreich und gewinnbringend, dass die<br />

Unternehmensleitung Überlegungen anstellte, die in Berlin räumlich stark<br />

eingeschränkte und durch die Rauchfahnen der Berlin-Görlitzer Bahn ständig belastete<br />

Filmproduktion durch den Neubau einer Filmfabrik <strong>im</strong> Raum Wolfen-Greppin zu<br />

ersetzen. Gefördert wurden diese Überlegungen noch durch das <strong>im</strong> Dreieck Halle-<br />

Leipzig-Dessau vorhandene billige und große Arbeitskräftepotential und vor allem<br />

durch den geringen Energiepreis. In Bitterfeld kostete 1 t Förderkohle 1,90 RM, <strong>im</strong><br />

benachbarten Bornaer Revier dagegen schon 2,85 RM.<br />

Die schlechte wirtschaftliche Lage der Braunkohlenindustrie <strong>im</strong> Raum Bitterfeld<br />

ermöglichte es der Agfa praktisch zu Schleuderpreisen neben dem nötigen Bauland<br />

auch noch nicht erschlossene Kohlengruben zu erwerben und ganz nebenbei<br />

unliebsame Konkurrenz, wie die Briketffabrik der Greppiner Werke auszuschalten. So<br />

erwarb die Agfa 1900 die Grube Hermine und einige Jahre später die "Deutsche<br />

Grube".<br />

Trotz der Dringlichkeit, eine neue, bedeutend größere Filmfabrik in sauberer<br />

Umgebung zu errichten, dauerte es noch mehrere Jahre, bedingt durch einen ständig<br />

schwankenden Rohfi<strong>im</strong>absatz, bis sich die Unternehmensleitung endlich doch<br />

entschloss, eine neue Filmfabrik zu errichten. Letzter Anstoß zu dieser Entscheidung<br />

war ein größerer Lieferauftrag, den das Unternehmen 1907 von einer Pariser Firma<br />

erhielt.<br />

Wörtlich stellte der Vorstand des Unternehmens fest:<br />

11


"Von verschiedenen Seiten wurden wiraufgefordert, eine Fabrik zu errichten, um den<br />

ganzen Bedarf (an Kinefilm - Anmerkung d.A.) der einzelnen Firmen zu decken. Nur<br />

dann hätten sich diese Firmen von Eastman, der ein Monopol für Kinefilm hat,<br />

losmachen können. Wir waren jedoch der Ansicht, dass wir mit der Errichtung einer<br />

Fabrik zur Herstellung von Kinefilm nicht eher vorgehen könnten, als bis es uns<br />

gelungenwäre, einen unentflammbaren Film aus Acetylcellulose herzustellen. Seit<br />

Ende 1906 arbeiten wir ununterbrochen an der Herstellung einer für Kinefilm<br />

geeigneten Acetylcellulose. Im Herbst des vergangenen Jahres gelang es uns, diese<br />

Versuche zum Abschluss zu bringen und eine Acetylcellulose herzustellen, welche<br />

einen brauchbaren Kinefilm ergab.<br />

...<br />

Wir würden in Paris jedes Quantum dieses Kinefilms verkaufen können, wenn wir es<br />

herstellten könnten.<br />

...<br />

Um nicht zu viel Zeit zu verlieren, soll jedoch <strong>im</strong> laufendenJahr möglichst bald eine<br />

Kinefilmfabrikin Greppin errichtet werden.<br />

...<br />

Wir fassen vorläufig ins Auge, eine Fabrik zu errichten, die, wenn sie ausgebaut ist, 20<br />

MillionenMeter Kinefilmherstellen kann. Anfangen wollen wir mit einer Produktionvon<br />

10 Millionen Meter. Die Fabrikation kann nur allmählich gesteigert werden in dem<br />

Maße, als das Personal sich einarbeitet. Unsere Ansicht ist, <strong>im</strong> Anfange des Sommers<br />

mit dem Bau in Greppin zu beginnen und die Gebäude bis zum Winter unter Dach zu<br />

bringen, damit während des Winters die Apparate aufgestellt werden können. Wenn<br />

nichts dazwischen kommt, müsste die Fabrikation<strong>im</strong> Anfang des Sommers <strong>im</strong> nächsten<br />

Jahre (1910 - Anmerkung d.A.) beginnen können."<br />

Als Standort wurde bereits 1894 erworbenes Bauland an der Gemarkungsgrenze<br />

Greppin-Thalhe<strong>im</strong>-Wolfen ausgewählt, das die Farbenfabrik bis dahin zur Verrieselung<br />

der Rückstände ihrer Produktion genutzt hatte.<br />

Im März 1909 begannen die Entwurfsarbeitenfür die neu zu errichtende Filmfabrik.<br />

Von Ende Mai bis zum 15. Juni 1909wurden vom alten Wolfener Bahnhof, wo die Agfa<br />

für die Farbenfabrik bereits einen Gleisanschluss an die Staatsbahn besaß, ein<br />

Bahngleis in das Gelände der zukünftigen Filmfabrik verlegt und mit dem Antransport<br />

der Baumaterialien begonnen.<br />

Am 23. Juli 1909 erteilte der Amtsvorsteher Schuster die Bauerlaubnis "eine Filmfabrik<br />

zu errichten".<br />

Innerhalb eines Jahres vermauerten 13 Poliere und 500 Maurer 6,5 Millionen Steine<br />

und erstellten industrie-architektonisch sehr schöne Gebäude, die heute unter<br />

Denkmalschutzstehen. 2 Meister und 45 Arbeiter der Agfa installierten die Anlagen<br />

und Maschinenfür die Kinefilmproduktion - eine für die damalige Zeit einzigartige<br />

ingenieurtechnische Leistung!<br />

Bereits am 19. Juli 1910 erfolgte durch den zuständigen Baumeister die<br />

Gebrauchsabnahme, und damit konnte die Filmfabrik die Produktion aufnehmen.<br />

Innerhalb eines Jahres war auf "grüner Wiese" die größte Filmfabrik Europas entstanden.<br />

12


aus: BitterfelderChronik S. 112<br />

aus: Bitterfelder Chronik S. 191<br />

13


1.3 Die Bitterfelder Zelle 1 - <strong>Ein</strong> lnnovationsschub<br />

Die Chloralkalielektrolyse zählt zu den grundlegenden chemisch-technischen Verfahren, mit<br />

denen ein in der Natur nicht elementar vefügbarer Grundstoff für den industriellen Bedarf<br />

gewonnen wird. Die Produktion erfolgte zunächst in Diaphragmazellen - heute überwiegend in<br />

Quecksilberzelien. Die unterschiedlichen Betriebsdaten sind vergleichend aufgeführt:<br />

Die Bitterfelder Zelle 2 wurde neben einer Vielzahl anderer Zelltypen (u.a. auch die in<br />

Bitterfeld/Wolfen entwickelte WOFA-Zelle) zu Produktions-und Versuchszwecken <strong>im</strong> Werk<br />

Nordbis 1980 betrieben. WeitereVerbesserungen der Zelle wurden zwar entwickelt, insgesamt<br />

blieb die Produktionsanlage auf dem Stand von 1970 stehen. Im Vergleich zu amerikanischen<br />

1 zusammengestellt nach Literaturangaben [1]-S176ff, [2] - [5]<br />

2 Herrn Dr. Dötzel (Wolfen) ist für seine Unterstützung und vielen Hinweise besonders zu danken.<br />

Unterstützung wurde auch gefunden bei der Bitterfelder Chlor-Alkali GmbH, der Entwicklungs-u.<br />

Wirtschaftsförderungsges. Bitterfeld-Wolfen mbH und vielen Menschen in Sachsen-Anhalt, die in vielen<br />

Telefongesprächen stets freundlich mit Rat und Tat geholfen haben.<br />

14


Entwicklungen (z.B. titanisierte Graphitelektroden) konnte die Zelle nicht konkurrenzfähig<br />

bleiben. Zur Weiterarbeit fehlten insbesondere finanzielle Ressourcen. Politische Entscheidungen<br />

führten schließlich zum Aufbau einer neuen Produktionsanlage (Chlor IV)mit amerikanischer<br />

Technologie.<br />

Literaturhinweise:<br />

[1] W. Schade: <strong>Ein</strong>führung in die chemische Technologie, VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften,<br />

Berlin 1980<br />

[2] F. Welsch: Geschichte der chemischen Industrie, VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften,<br />

Berlin 1981<br />

[3] Vorstand der Chemie AG Bitterfeld Wolfen (Hrsg.): Bitterfelder Chronik -100 Jahre<br />

<strong>Chemiestandort</strong> Bitterfeld-Wolfen, Chemie AG Bitterfeld Wolfen 1993<br />

[4] E. Fischer: 100 Jahre industrielle Alkalichloridelektrolyse in der Chemieregion Bitterfeld-<br />

Wolfen, in Chemische Technik 48 (1996), 43-52<br />

[5] Autorenkollektiv der Abteilung Agitation/Propaganda und der Geschichtskommission der<br />

Kreisleitung der SED <strong>im</strong> Chemiekombinat Bitterfeld (Hrsg.): Großbaustelle Chlor IV -<br />

Feld der Bewährung, Heft 5 der Reihe »... aus der Geschichte des VEB Chemiekombinat<br />

Bitterfeld«<br />

[6] H. Ebert: Elektrochemie, Vogel-Verlag, Würzburg 1972<br />

[7] Folienserie des Fonds der Chemischen Industrie 24 »Die Chemie des Chlors und seiner<br />

Verbindungen«, Fonds der Chemischen Industrie, Frankfurt 1992<br />

[8] E. Heitz und G. Kreysa: Grundlagen der technischen Elektrochemie: erw. Fassung eines<br />

Dechema-Exper<strong>im</strong>entalkurses, Verlag Chemie, Weinhe<strong>im</strong> 1977<br />

[9] Ullmann's Encyclopedia of Industrial Chemistry -Band 9, VCH, Weinhe<strong>im</strong> 1986,<br />

S.399ff<br />

[10] G. Grünzig u.a.: Entwicklung neuer Diaphragmazellen zur Chloralkalielektrolyse, in<br />

Chem. Techn. 21 (1969), 604-610<br />

[11] W. Heyder und W. Springemann: Wirtschaftliche Überlegungen zum Problem Quecksilber-<br />

oder Diaphragma-Verfahren bei der Chloralkalielektrolyse, in Chem. Techn. 8<br />

(1956), 702-704<br />

[11] W. Heyder: 60 Jahre Chloralkalielektrolyse, in Chem. Techn. 6 (1954), 702-704<br />

[12] W.Scholtyseck: Salz ist nicht allein zum Salzen da, in Neuer Freih. Bilderbog. (1982), 9<br />

15


aus: ChemiePark Bitterfeld (Hg.): 100 Jahre Chemie in Bitterfeld<br />

16


Abb. 67<br />

Aufbau einer Siemens-Billiter-Zclle<br />

1 Solezuleitung<br />

2 Entnahme der Bäderlauge (= Natronlauge)<br />

4 Chlorabzug<br />

5 Abnahme des iiberschüssigen<br />

3 Wasserstoffentnahme Anolyts<br />

Abb. 68<br />

DDR-Standardzelle (Vertikaldiaphragmazelle)<br />

a) Gesamtansicht b) Katodenblock<br />

1 Solezufluß c) Anodenblock<br />

2 Entnahme der Bäderlauge<br />

3 Chlorabzug<br />

4 Wasserstoffabnahme<br />

18


Aus einem Brief von Dr.Dötzel aus Wolfen<br />

(ehemaliger Mitarbeiter VEB Bitterfeld, Werk Nord)<br />

... meine Tätigkeit ab etwa 1970 galt der lnvestitionsvorbereitung einer neuen<br />

Chloranlage nach dem Diaphragmaverfahren (Chlor IV, betrieben von 1981-1996,<br />

wird z.Z. umgerüstet auf das Membranverfahren). Zunächst sollte aber für diese<br />

Anlage die in Bitterfeld entwickelte DA60-Zelle verwendet werden. Somit bestand<br />

die interessante Situation in der Altdiaphragmaanlage Werk Nord, daß neben den<br />

Billiter-Zellen vom Typ Planrost2 und Wellrost auch die Vertikalzellen "Bitterfelder<br />

Vertikal-Diaphragma-Zelle und die für die Neuanlage vorgesehene DA60 in einer<br />

Anlage getestet werden konnten (über Jahre). In der Wolfener Elektrolyse wurden<br />

zeitgleich die WOFA-Zellenund die DV40-Zellengetestet. Schwerpunkte waren:<br />

Zellenspannung, Spannungsbilanz, Stromausbeute (Verlustreaktionen)<br />

Laugekonzentration und Auswirkungen auf <strong>Ein</strong>dampfkosten und Strom-<br />

ausbeute (gegenläufig)<br />

Laufzeitverhalten u.a.<br />

Das ist natürlich ein weites Feld und soll hier nur angedeutet werden.<br />

Zu einer großen Anlage gehört natürlich noch viel mehr als die Zelle und deren Leistungsfähigkeit,<br />

z.B.:<br />

Solebereitstellung, Soleaufbereitung, Solereinheit (Ca 2+ - und Mg 2+ - Anteile der<br />

Reinsole "verstopfen" das Diaphragma bzw. die Poren und verändern die<br />

Durchströmbarkeit des Diaphragma). Deshalb große Rolle derSolestation!<br />

Anlagen zur Cl2 - und H2-Kühlung,Trocknung und Verdichtung<br />

<strong>Ein</strong>dampfanlage (12%ige NaOH –> 50%ige NaOH), Siedesalzabtrennung<br />

Vorbereitungswerkstatt zum Demontieren und Wiedermontieren derZellen einschließlich<br />

Altdiaphragma entfernen, <strong>im</strong> Falle von DSA(d<strong>im</strong>ensionsstabilen)-<br />

Elektroden: Untersuchung der Anoden auf A ktivschicht / kritische Spannungsabfälle<br />

Die Investition Chlor IV wurde dann letztlich mit modernen MDC55-Zellen realisiert.<br />

RuO2 beschichtete Titan-Streckmetall-Anoden,expandierbar, und das sog. modifizierte<br />

Asbestdiaphragma (80% kurz- und langfasriger Asbest, 20% PTFE-Fasern)<br />

entsprechen auch jetzt noch dem Höchststand be<strong>im</strong> Diaphragmaverfahren:<br />

hohe Stromdichte<br />

günstiger spez. Energiebedarf<br />

gute Stromausbeuten<br />

gleichzeitig gute Produktionsqualitäten bei O2<strong>im</strong> Cl2und NaClO3 in der Zellenlauge<br />

Die reduzierte Fahrweise nach der Wende und letztlich die Stillsetzung haften vor<br />

allem 2 Gründe:<br />

Absatz (Ostmärkte fürz.B. Methylenchlorid verschwanden)<br />

Energiepreis, wir hatten pro kWh Gleichstromenergie 12 Pfg zu zahlen, da ist<br />

man gegenüber 5-6 Pfg/kWh trotz guter Kennziffern zum spez. Bedarf auf verlorenem<br />

Posten<br />

Der Umbau auf das moderne Membranverfahren wird aber in Kürze eine neue<br />

80 kt/a-Cl 2-Anlage entstehen lassen.<br />

Der Anteil der Diaphragma-Anlagen an der Welt-Cl 2-Produktion ist aber noch sehr<br />

hoch (Japan, USA) - aufgrund des hohen Anlagewertes und Kapitalinvestitionen<br />

'Umrüsten' erfolgt zumeist kein Umrüsten auf das Membranverfahmn.<br />

Auf Grund der kanzerogenen Eigenschaffen der Asbesffasern ist aber weltweit<br />

(auch in Bitterfeld) die Umstellung auf asbestfreie Diaphragmen in der Erprobungsphase<br />

(Fasern aus PTFE und RuO 2 das Thema ist aber sehr schwierig:<br />

Asbest hat einzigartige Eigenschaften als Diaphragmamaterial! ...<br />

19<br />

1August 1998<br />

2 siehe E. Fischer, Chem. Technik 48 (1996), 46ff


1.4 Bevölkerungs- und<br />

siedlungsgeographische Folgen der<br />

Industrialisierung<br />

(aus Bitterfelder Chronik, Seite 97)<br />

20


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265<br />

300<br />

400<br />

650<br />

800<br />

970<br />

1061<br />

1237<br />

1292<br />

1306<br />

2983<br />

5894<br />

3896<br />

4494<br />

5309<br />

4114<br />

4661<br />

4474<br />

3881<br />

3920<br />

5489<br />

6567<br />

7185<br />

7979<br />

9937<br />

11369<br />

13574<br />

15902<br />

16477<br />

7034<br />

9420<br />

10804<br />

11103<br />

11309<br />

12346<br />

12558<br />

12700<br />

Beschäftigtenzahlen (aus: Heß 1965)<br />

Elektrochemisches Kombinat Bitterfeld<br />

(nur Stammwerk CFGE)<br />

“ “ “<br />

“ “ “<br />

“ “<br />

“ “<br />

“ “<br />

“ “<br />

“ “ “ mit Nebenanlagen u. Pachtbetrieb<br />

“ “ “<br />

“ “ “<br />

“ “ “<br />

“ “ “<br />

“ “ “<br />

1929Arbeiter<br />

Gesamtanlage: CFGE, Elektrochem. Werke, Nebenanl.<br />

“ “ “ “ “<br />

“ “ “ “ “<br />

“ “ “ “ “<br />

“ “ “<br />

“ “<br />

“ “<br />

“ “<br />

“ “<br />

“ “<br />

“ “<br />

“ “<br />

“ “<br />

“<br />

“<br />

“<br />

“<br />

“<br />

“<br />

“<br />

“ “<br />

“ “<br />

“ “<br />

“ “<br />

“ “<br />

“ “<br />

“ “<br />

“ “ “ “ “<br />

“ “ “<br />

“ “<br />

“ “ “ “ “<br />

“ “ “ “ “<br />

“ “ “ “ “<br />

“ “ “ “ “<br />

“ “ “<br />

“<br />

EKB “<br />

EKB einschl. Aluminiumwerke<br />

“ “ “ “ “<br />

“ “<br />

“ “<br />

“ “<br />

“ “<br />

“ “ “<br />

“ “ “<br />

“ “ “<br />

“ “ “<br />

“ “ “ “ “<br />

21


Farbenfabri k Wolfen<br />

IG Farben-Werke in Mitteldeutschland1928<br />

22


Siedlungstypen 1905<br />

aus: Heß 1965<br />

23


Siedlungstypen 1937<br />

aus: Heß 1965<br />

24


Pendlersituation <strong>im</strong> Bitterfelder Raum (1925)<br />

Im Stadt- und Vorstadtbereich Bitterfeld wohnen (1925)<br />

3569 Arbeiter der CFGE<br />

3104 Arbeiter der Film- und Farbenfabrik<br />

1880 Arbeiter des Braunkohlenbergbaus<br />

<strong>Ein</strong>zugsrichtungen u. <strong>Ein</strong>zugsbereiche d. <strong>Ein</strong>pendler<br />

Arbeitsstätten in<br />

Wohnorte CFGE Film- Berg- Städt. ges.<br />

Farb. bau Industrie<br />

Dessau-Roßlau-Jeßnitz-Raguhn-<br />

Reuden 162 2830 69 18 3182<br />

Zörbig-Löberitz-Ramsin-<br />

Renneritz 181 84 105 32 449<br />

Brehna-Landsberg-Halle 295 190 480 70 1077<br />

Delitzsch-Paupitzsch-Zschortau-<br />

Leipzig 442 597 88 65 1236<br />

Muldenstein-Mühlbeck-<br />

Gräfenhainichen-Brugkemnitz 111 62 34 172 936<br />

Düben-Eilenburg 63 33 3 14 120<br />

aus: Heß 1965<br />

27


2. Strukturwandel als Folge des politischen Umbruchs<br />

2.1 Didaktisch-methodische Hinweise<br />

Strukturwandel wird <strong>im</strong> Sinne einer ganzheitlichen Betrachtung nicht nur als<br />

geographisches Phänomen verstanden, sondern bezieht sich auch auf die<br />

Veränderung der umweltpolitischen und ökonomischen Strukturen. Wie an<br />

zahlreichen Materialien zu erkennen ist, hatte das weitreichende Konsequenzen z.B.<br />

für die chemische Industrie, die von den Lernenden am konkreten Beispiel<br />

nachvollzogen und anschließend auch bewertet werden können. <strong>Ein</strong>e zeitgemäße<br />

Bewertungwird jedoch nur durch Fortschreibung der hier vorgelegten Daten möglich<br />

sein. Insofern bieten sich Recherchenotwendigkeitenunter <strong>Ein</strong>beziehung der neuen<br />

Medien durch die Schülerinnen und Schüler an.<br />

Das ChemiePark-Konzept hatte Vorbildfunktion für die Gestaltung der unter dem<br />

Druck der Globalisierung und wirtschaftlich enger werdenden Rahmenbedingungen<br />

notwendigen ,,schlanken" Produktion. Das ChemiePark-Konzept basiert auf einer<br />

industriell-stofflichen Vernetzung, die ihre auch zukünftigen Folgen in<br />

gesellschaftlicher Hinsicht zeitigt. Exemplarisch lässt sich dieses an der ,,integrierten"<br />

Quarzglasproduktionzeigen, die es bisher in dieser Form nur in Bitterfeld gibt. Damit<br />

einher geht ein so umfassender Grad an Umstrukturierungen, der die Lernenden zu<br />

einer mehrperspektivischen Betrachtung und einer breit angelegten Reflexion der<br />

Ursachen und Folgen zwingt. Die an den fächerverbindenden Oberthemen orientierte<br />

Gliederung erscheint dabei als eine sinnvolle Basis für die multiperspektivische<br />

Betrachtung dieser lndustrieregion mit besonderer Geschichte.<br />

Die Materialien können sowohl <strong>im</strong> Fachunterricht -z.B. als Folie oder Arbeitspapier -<br />

die Grundlage zur Erarbeitung fachspezifischer Inhalte und Methoden ( z.B. Chlor-<br />

Alkali-Elektrolyse) sein, als auch in gemeinsamen Planungs-, Problemfindungs-,<br />

Erörterungsphasen eine breit angelegte, selbständige Auseinandersetzung mit den<br />

gebotenen Inhalten ermöglichen.<br />

Entsprechendes gilt für die historische Betrachtung z.B. der Produktionsverfahren in<br />

Bitterfeld vor der Wende, die aufgrund spezifischer Bedingungen andere Wege als<br />

die der westlichen Systeme einschlug. Dadurch wurde den nachfolgenden<br />

Generationen ein nur äußerst schwer in den Griff zu bekommendes Altlastenproblem<br />

hinterlassen. Letzteres wird in seinen Ursachen und landschaftsökologischen,<br />

biologischen und chemischen Folgen vorgestellt. Somit lassen sich in den<br />

Chemieunterricht modernste Analysenmethoden "<strong>im</strong> Kontext" behandeln. <strong>Ein</strong><br />

beeindruckendes Beispiel der Problematik und der möglichen, z.T. erfolgreichen<br />

Sanierungsmaßnahmen liefern die Unterlagen zum Silbersee. In Zusammenhang mit<br />

Luft- und Bodenanalysemethoden können technischer und wissenschaftlicher<br />

Fortschritt und deren Grenzen deutlich gemacht werden.<br />

29


2.2 Die Umbruchsituation<br />

IndustriegebietBitterfeld-Wolfen<br />

Siedlungen und Industriestandorte<br />

aus: Kohlmann S. 28<br />

30


inMillionen DM<br />

Struktur der<br />

industriellen (aus: Kohlmann, R. in:Praxis<br />

Warenproduktion<br />

(1985, wertmäßige Anteile) Geographie, H. 12, 1990)<br />

Umsatz und Ergebnis der Chemie AG Bitterfeld-Wolfen<br />

(aus: Bitterfelder Chronik, 1993, Seite 99)<br />

1990 1991 1992 1993 (vorauss.)<br />

Umsatz 914 500 375 300<br />

davon Inland 469 307 263 250<br />

UdSSR-Nachfolgestaaten 183 106 24 1,2<br />

sonstige europ. Staaten 152 15 11 5<br />

Ergebnis -397 -275 -210<br />

31


Beschäftigte anden Hauptstandorten<br />

Erster Arbeitsmarkt<br />

Von der MIBRAG/LMBV waren in den Jahren 1994 und 1995 keine Daten verfügbar.<br />

aus: Landkreis Bitterfeld 1998, S. 14<br />

Diese Entwicklung schlägt sich natürlich in der Arbeitslosenquote <strong>im</strong> Landkreis nieder:<br />

Ab April 1993 erfolgte erstmals die Berechnung der Arbeitslosenquote auf der Basis des Wohnortprinzips und ist damit direkt mit der der alten<br />

Bundesländer vergleichbar. Die letzten Daten beziehen sich auf den Juni 1998.<br />

Quelle: Dienststelle Bitterfeld des Arbeitsamtes Halle<br />

Der Anteil der Frauen betrug <strong>im</strong> Juni 1998 57,0 %, der Anteil der Langzeitarbeitslosen lag bei<br />

% <strong>im</strong> Landkreis.<br />

32<br />

aus: Landkreis Bitterfeld 1998, S. 14


Erwerbstätige <strong>im</strong> Landkreis Bitterfeld<br />

Anmerkung: Die Empfänger von Altersübergangsgeld wurden<br />

nicht mit erfaßt.<br />

Die Arbeitslosen des Landkreises teilen sich mit Stand vom<br />

31.03.93 in folgende Berufsgruppen auf:<br />

Land-, Forst- und Jagdwirtschaft<br />

Berg- und Steinbau<br />

Chemie-, Gas-, Keramikverarbeitung<br />

Metallverarbeitung u. Maschinenbau<br />

Elektriker, Tischler, Maler<br />

Textil und Bekleidung<br />

Bauberufe<br />

Ernährungsberufe<br />

Ingenieure, Techniker, Sonderkräfte<br />

Dienstleistungen, Kaufleute, Lagerund<br />

Transportarbeiter<br />

Verwaltungs- und Büroberufe<br />

Verkehrsberufe<br />

430<br />

30<br />

590<br />

910<br />

270<br />

95<br />

195<br />

570<br />

440<br />

1.150<br />

1.090<br />

280<br />

aus: Landkreis Bitterfeld 1994, S. 12<br />

33


Entwicklung der Arbeitslosigkeit<br />

34


Quelle: Unterlagen des Landesarbeitsamtes Sachsen-Anhalt<br />

36


Sanierungsgesellschaften und Arbeitsmarktsituation<br />

Der ökonomische bzw. ökologische Zusammenbruch vor allem der ehemaligen<br />

Großbetriebe, die Notwendigkeit des Rückbaues verschlissener und nicht mehr benötigter<br />

Gebäude und Anlagen bzw. deren Sanierung und die sozial notwendige<br />

Abfederung der freigesetzten Arbeitskräfte führten nicht nur in der Chemieregion zur<br />

Bildung von Sanierungsgesellschaften. Hier war besonders das Tätigkeitsfeld dieser<br />

Gesellschaften in weiten Bereichen mit ökologischer Sanierung bzw. Renaturierung<br />

verknüpft .<br />

Durch das Auslaufen von arbeitskräfteintensiven Maßnahmen insbesondere <strong>im</strong><br />

Rückbau der Großbetriebe und die verschärften Bedingungen des Arbeitsförderungsreformgesetzes<br />

nahm das Arbeitskräftepotential in den Sanierungsgesellschaften<br />

rapide - hier von 1996 zu 1998 auf etwa die Hälfte - ab. Diese Entwicklung<br />

machte sich auch in einer Zunahme der Arbeitslosenquote bemerkbar. Für die Region<br />

zeichnet sich ab, dass nach einer gewissen Konsolidierung der ökologischen<br />

Probleme ökonomisch-soziale Fragestellungen in den Vordergrund treten und wie in<br />

ganz Sachsen-Anhalt auf eine Lösung drängen.<br />

Anzahl der Beschäftigen jeweils <strong>im</strong> Januar in den Sanierungsgesellschaften<br />

der Chemieregion<br />

Gesellschaft Anzahl der beschäftigenArbeitnehmer jeweils <strong>im</strong> Januar<br />

1996 1997 1998<br />

Gesamt darunter in Gesamt darunter in Gesamt darunter in<br />

ABM §249 h ABM §249 h ABM §249 h/SAM<br />

BQP Bitterfeld 838 691 147 1244 909 655 86 60<br />

Öseg Bitterfeld 1579 14 1 343 473 0 250 58 0 47<br />

GÖS Wolfen/ 1 226 162 1 062 316 128 183 237 8<br />

Thalhe<strong>im</strong><br />

149<br />

Quelle: Unterlagen des Ministeriums für Raumordnung, Landwirtschaft und Umwelt des Landes<br />

Sachsen-An halt<br />

37


Gemeinschaftsaufgabe<br />

Aufwendungen und Dauerarbeitsplätze 1991 bis 1995<br />

Wirtschaftsnahe Infrastruktur<br />

Landkreis lnvestitionsvolumen lnvestitionszuschuss<br />

Land<br />

in Mio. DM in % in Mio. DM in %<br />

Bitterfeld 209,7 5,0 131,8 5,0<br />

Sachsen-Anhalt 4.201,5 100 2.633,6 100<br />

GewerbIiche Wirtschaft<br />

Landkreis lnvestitionsvolumen lnvestitionszuschuss<br />

Land<br />

in Mio. DM in % in Mio. DM in %<br />

Bitterfeld 2.309,2 7,1 509,9 8,2<br />

Sachsen-Anhalt 32.752,8 100 6.214,7 100<br />

Geschaffene bzw. gesicherte Dauerarbeitsplätze<br />

Landkreis Dauerarbeitsplätze Bevölkerung am<br />

Land 31.12.1994<br />

absolut in % absolut in %<br />

Bitterfeld 6.618 3,6 118.394 4,3<br />

Sachsen-Anhalt 183.572 100 2.759.213 100<br />

(aus: Ministeriumfür Raumordnung, Landwirtschaft und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt:<br />

Landesentwicklungsbericht 1996, S. 262 bis 264)<br />

38<br />

Dauerarbeits<br />

plätze<br />

je 1.000 E<br />

55,9<br />

66,5


aus: Landkreis Bitterfeld 1998, S.12<br />

aus: Landkreis Bitterfeld 1998, S. 13<br />

41


Gemeinde<br />

Altjeßnitz<br />

B i tterfe I d<br />

Bobbau<br />

Brehna<br />

Burgkemnitz<br />

Friedersdorf<br />

Glebitzsch<br />

Göttnitz<br />

Gossa<br />

Greppin<br />

Gröbern<br />

Großzöberitz<br />

Heideloh<br />

Holmeißig<br />

Jeßnitz<br />

Krina<br />

Löberitz<br />

Marke<br />

Mühlbeck<br />

Muldenstein<br />

Petersroda<br />

Plodda<br />

Pouch<br />

QuetzdöIsdorf<br />

Raguhn<br />

Ramsin<br />

Renneritz<br />

Retzau<br />

Rödgen<br />

Roitzsch<br />

Rösa<br />

SaIzfurtkapeI I e<br />

Sandersdorf<br />

Schierau<br />

Schlaitz<br />

Schrenz<br />

Schwemsal<br />

Spören<br />

Stumsdorf<br />

Thalhe<strong>im</strong><br />

Thurland<br />

Tornau v.d. Heide<br />

Wolfen<br />

Zörbig<br />

Zscherndorf<br />

Bevölkerungsentwicklung 1990 - 1997<br />

Bevölkerungsstand am<br />

31.12.90<br />

473<br />

17.988<br />

1.353<br />

2.691<br />

691<br />

1.813<br />

699<br />

414<br />

979<br />

3.481<br />

714<br />

550<br />

234<br />

3.534<br />

4.067<br />

821<br />

1.163<br />

246<br />

926<br />

2.466<br />

485<br />

362<br />

1.859<br />

498<br />

4.014<br />

1.063<br />

391<br />

275<br />

345<br />

2.900<br />

936<br />

894<br />

7.474<br />

873<br />

842<br />

664<br />

657<br />

620<br />

788<br />

1.041<br />

379<br />

419<br />

44.174<br />

4.122<br />

1.774<br />

31.12.91<br />

462<br />

17.470<br />

1.305<br />

2.635<br />

678<br />

1.830<br />

689<br />

407<br />

975<br />

3.384<br />

673<br />

539<br />

226<br />

3.455<br />

3.941<br />

811<br />

1.150<br />

403<br />

913<br />

2.405<br />

490<br />

361<br />

1.798<br />

488<br />

3.843<br />

1.046<br />

393<br />

272<br />

338<br />

2.813<br />

914<br />

884<br />

7.343<br />

854<br />

819<br />

652<br />

644<br />

620<br />

776<br />

1.010<br />

377<br />

403<br />

43.434<br />

4.031<br />

1.742<br />

42<br />

31.12.92<br />

464<br />

17.228<br />

1.283<br />

2.635<br />

680<br />

1.984<br />

689<br />

413<br />

969<br />

3.349<br />

672<br />

540<br />

221<br />

3.441<br />

3.866<br />

787<br />

1.165<br />

436<br />

917<br />

2.389<br />

495<br />

371<br />

1.769<br />

476<br />

3.805<br />

1.041<br />

383<br />

277<br />

342<br />

2.767<br />

922<br />

890<br />

7.227<br />

849<br />

836<br />

634<br />

646<br />

605<br />

762<br />

966<br />

377<br />

390<br />

43.330<br />

3.918<br />

1.716<br />

31.12.93<br />

458<br />

17.027<br />

1.291<br />

2.623<br />

690<br />

2.007<br />

681<br />

426<br />

963<br />

3.402<br />

749<br />

531<br />

225<br />

3.428<br />

3.857<br />

790<br />

1.154<br />

422<br />

893<br />

2.336<br />

501<br />

371<br />

1.769<br />

476<br />

3.773<br />

1.046<br />

393<br />

276<br />

342<br />

2.777<br />

930<br />

882<br />

7.178<br />

845<br />

834<br />

620<br />

631<br />

599<br />

764<br />

1.026<br />

379<br />

389<br />

42.756<br />

3.983<br />

1.690


Gemeinde<br />

Altjeßnitz<br />

B i tte rfel d<br />

Bobbau<br />

Brehna<br />

Burgkemnitz<br />

Friedersdorf<br />

Glebitzsch<br />

Göttnitz<br />

Gossa<br />

Greppin<br />

Gröbern<br />

Großzöberitz<br />

Heideloh<br />

Holzweißig<br />

Jeßnitz<br />

Krina<br />

Löberi tz<br />

Marke<br />

Mühlbeck<br />

Muldenstein<br />

Petersroda<br />

Plodda<br />

Pouch<br />

Quetzdölsdorf<br />

Raguhn<br />

Ramsin<br />

Renneritz<br />

Retzau<br />

Rödgen<br />

Roitzsch<br />

Rösa<br />

SaIzfurtkapeI I e<br />

Sandersdorf<br />

Schierau<br />

Schlaitz<br />

Schrenz<br />

Schwemsal<br />

Spören<br />

Stumsdorf<br />

Thalhe<strong>im</strong><br />

Thurland<br />

Tornau v.d. Heide<br />

Wolfen<br />

Zörbig<br />

Zscherndorf<br />

Bevölkerungsentwicklung 1990 - 1997<br />

Bevölkerungsstand am<br />

31.12.94<br />

475<br />

16.833<br />

1.303<br />

2.668<br />

714<br />

2.01 3<br />

680<br />

960<br />

434<br />

3.367<br />

787<br />

535<br />

215<br />

3.441<br />

3.830<br />

783<br />

1.165<br />

414<br />

893<br />

2.302<br />

530<br />

407<br />

1.795<br />

466<br />

3.766<br />

1.051<br />

393<br />

308<br />

335<br />

2.771<br />

944<br />

877<br />

7.210<br />

835<br />

884<br />

607<br />

638<br />

590<br />

746<br />

1.022<br />

395<br />

410<br />

41.886<br />

3.978<br />

1.738<br />

31.12.95<br />

488<br />

16.868<br />

1.338<br />

2.742<br />

705<br />

2.030<br />

667<br />

942<br />

444<br />

3.303<br />

680<br />

529<br />

209<br />

3.516<br />

3.875<br />

780<br />

1.176<br />

489<br />

884<br />

2.338<br />

545<br />

408<br />

1.782<br />

475<br />

3.784<br />

1.035<br />

417<br />

323<br />

342<br />

2.785<br />

936<br />

876<br />

7.255<br />

819<br />

881<br />

608<br />

635<br />

589<br />

769<br />

1.146<br />

386<br />

431<br />

40.547<br />

4.002<br />

1.804<br />

43<br />

31.12.96<br />

506<br />

16.948<br />

2.827<br />

728<br />

2.145<br />

679<br />

955<br />

431<br />

3.347<br />

705<br />

545<br />

202<br />

3.57%<br />

3.898<br />

782<br />

1.176<br />

531<br />

894<br />

2.335<br />

533<br />

41 1<br />

1.734<br />

474<br />

3.822<br />

1.040<br />

435<br />

335<br />

340<br />

2.764<br />

964<br />

875<br />

7.277<br />

822<br />

908<br />

589<br />

639<br />

650<br />

767<br />

1.365<br />

397<br />

450<br />

38.688<br />

4.033<br />

1.815<br />

1.483<br />

31.12.97<br />

511<br />

1 6.803<br />

1.61 8<br />

2.915<br />

732<br />

2.085<br />

686<br />

947<br />

437<br />

3.295<br />

715<br />

549<br />

206<br />

3.682<br />

3.899<br />

788<br />

1.160<br />

516<br />

887<br />

2.313<br />

561<br />

415<br />

1.774<br />

489<br />

3.899<br />

1.038<br />

464<br />

367<br />

351<br />

2.823<br />

1.007<br />

865<br />

7.309<br />

851<br />

937<br />

638<br />

641<br />

671<br />

754<br />

1.522<br />

391<br />

489<br />

36.664<br />

4.093<br />

1.836


2.3 Der ChemiePark-<br />

<strong>Ein</strong> richtungsweisendes Konzept?<br />

aus: Sachsen-Anhalt, Das Jahrbuch, 1994, Seite 91<br />

45


Frank Z<strong>im</strong>nol Erfolgreich - Chemiepark Bitterfeld<br />

Chemie und Park als Wortpaar? Assoziiert<br />

das nicht staubspeiende Schlote neben<br />

sauerstoffspendenden Bäumen? Ätzende<br />

Dämpfe über duftenden Blumenrabatten?<br />

Tropfende Rohrbrücken in Nachbarschaft<br />

rosenumrankter Pergolas? Oder<br />

ganz allgemein den schreienden Kontrast<br />

zwischen geschundener Umwelt und Oasen<br />

der Erholung? Zugegeben - wer Bitterfeld<br />

aus DDR-Zeiten kennt, hier gar<br />

gearbeitet und gelebt hat, dem dürfte die<br />

Wortverbindung »Chemie-Park« nicht so<br />

leicht über die Lippen gehen. Hier regneten<br />

täglich sage und schreibe 251 Tonnen<br />

Staub, vermischt mit schädlichen Substanzen,<br />

auf Mensch und Natur herab.<br />

Kinder erblickten in dieser Region bereits<br />

mit Bronchitis das Licht der Welt. Lungenspezialisten<br />

aus Bitterfeld und Umgebung<br />

dürften der Spätfolgen wegen noch<br />

auf Jahre hinaus Hochkonjunktur haben.<br />

Doch mit dieser hochgradigen Belastung<br />

durch eine vier Jahrzehnte gnadenlos auf<br />

Verschleiß gefahrene Industrie ist es gottlob<br />

vorbei. Seit nach der Wende die größten<br />

industriellen Dreckschleudern stillgelegt<br />

worden sind, haben sich die<br />

Schmutz- und Schadstoffwerte auf weniger<br />

als ein Sechstel, einige sogar noch unter<br />

dieses Maß, verringert. Doch die Anstrengungen<br />

gehen weiter. Die Bitterfelder<br />

sollen in absehbarer Zeit noch bessere<br />

Luft schnappen können. Dr. Karl Enders,<br />

Chef-Umweltexperte der Chemie AG Bitterfeld-Wolfen,<br />

ist felsenfest davon überzeugt,<br />

daß die jetzt vorhandene Belastung<br />

bis 1995 auf die Hälfte zurückgehen wird.<br />

Er verweist auf Alt-Anlagen, die mit kostspieligen<br />

Filtersystemen nachgerüstet<br />

wurden, oder emporwachsende neue Fabriken,<br />

bestückt mit hochsensibler Umwelttechnik,<br />

die bereits auf die gestrengen<br />

Normen der Zukunft geeicht sind.<br />

Parallel dazu entsteht bis 1994 eine Großkläranlage<br />

fur 310 Millionen Mark, entscheidende<br />

Voraussetzung fur die unglaublich<br />

scheinende Metamorphose der<br />

Mulde von der Industriekloake zum<br />

fischreichen Badegewässer. Bis 1996 soll<br />

fur weitere 300 Millionen Mark ein Zentrum<br />

zum umweltschonenden Entsorgen<br />

von chemischen Restsubstanzen, die<br />

nicht deponiefahig sind, gebaut werden.<br />

46<br />

In ihm können dann sowohl verseuchtes<br />

Erdreich und Rückstände chemischer<br />

Produktion als auch überlagerte Arzne<strong>im</strong>ittel<br />

aus der Hausapotheke oder Verdünnungsreste<br />

vom letzten Malern bedenkenlos<br />

beseitigt werden. All diese<br />

Maßnahmen sind ganz entscheidend fur<br />

das Gelingen des Neubeginns. Dabei plädierten<br />

nach der Wende nicht wenige dafur,<br />

mit der Chemie hier ein fur allemal<br />

Schluß zu machen. »<strong>Ein</strong> Fall furs Sprengkommando«,<br />

nannte 1991 ein großes<br />

deutsches Nachrichtenmagazin die Bitterfelder<br />

Region. »Die Manager der meisten<br />

Westkonzerne winkten angewidert<br />

ab. Der Industriestandort zwischen der<br />

Autobahn Leipzig-Berlin und der Dübener<br />

Heide ist ausgepowert wie kein zweiter<br />

in Europa«, hieß es in dem Bericht.<br />

Doch diese düstere Zustandsbeschreibung<br />

erwies sich als stark übertrieben.<br />

Zum Glück gab es Politiker, Fachleute<br />

und Unternehmer, die nicht so voreilig<br />

den Stab über das belastete Gebiet brachen,<br />

stattdessen an die Vorzüge des<br />

Standortes glaubten. Er liegt, auch mit<br />

Blick auf den Zukunftsmarkt Osteuropa,<br />

strategisch und verkehrsmäßig günstig<br />

wie kaum ein anderer in Deutschland.<br />

Potentielle Investoren finden chemische<br />

Ausgangsstoffe wie Chlor oder Natronlauge<br />

quasi gleich nebenan preisgünstig<br />

vor. Hinzu kommt ein schier unerschöpfliches<br />

Potential gut augebildeter Facharbeiter<br />

und Ingenieure. Und noch etwas<br />

spricht für Bitterfeld: Bei der Bevölkerung<br />

gibt es eine ausgeprägte Akzeptanz<br />

für die Chemie. So reifte bei Managern<br />

der Treuhand und <strong>im</strong> Vorstand der Chemie<br />

AG die Idee, dem traditionsreichen<br />

Standort ein neues Gesicht und damit<br />

eine Zukunftschance zu geben. Von vornherein<br />

war klar, daß kein Konzern der<br />

Welt bereit sein würde, die »Apotheke<br />

der Chemie«, wie das einstige Kombinat<br />

seines Produkten-Sammelsuriums wegen<br />

genannt wurde, <strong>im</strong> Paket zu kaufen. Das<br />

Konzept sah stattdessen vor, rings um erhaltens-<br />

und wettbewerbsfahige Kern-Geschäftsfelder<br />

der Chemie AG, wie jene fur<br />

Phosphorverbindungen oder für Farbstoffe,<br />

kleinere, zukunftsorientierte Produktlinien<br />

aufzubauen. Der Schachzug


läuft darauf hinaus, fur möglichst viele<br />

Anlagen und Bereiche des angeschlagenen<br />

Chemie-Giganten finanzkräftige private<br />

Investoren mit günstiger Marktposition<br />

und erforderlichem Know-how ‘zu<br />

finden. Auch die letzten Bestandteile der<br />

Chemie AG will die Treuhand auf diese<br />

Weise in neue Hände geben. Mit der<br />

Konsequenz, daß es den Konzern Chemie<br />

AG eines Tages gar nicht mehr geben<br />

wird. Aber soweit ist es noch nicht. Nachdem<br />

umfangreiche Bodenanalysen bestätigt<br />

hatten, daß das 600 Hektar große Gelände<br />

zwischen Bitterfeld und Wolfen<br />

längs nicht so stark mit Schadstoffen belastet<br />

war, wie ursprünglich befürchtet,<br />

ließen die ersten Neuansiedler nicht<br />

lange auf sich warten. Für das zweifellos<br />

spektakulärste Investitionsvorhaben sorgt<br />

die <strong>Bayer</strong> AG. Der renommierte Leverkusener<br />

Konzern errichtet an seinem neuen<br />

Standort fur 600 Millionen Mark drei<br />

Produktionsstätten. In ihnen sollen Lackharze,<br />

Medikamente und Methylcellulose,<br />

ein Ausgangsstoff z. B. für Tapetenle<strong>im</strong>,<br />

erzeugt werden. Der <strong>Ein</strong>stieg des<br />

Chemie-Riesen <strong>Bayer</strong> hatte Signalwirkung,<br />

inspirierte weitere Unternehmen,<br />

auf die Zukunftskarte Bitterfeld zu setzen.<br />

So hat die Hanauer Firma Heraeus<br />

auf früherem Gelände der Chemie AG<br />

das weltweit erste Werk zur Produktion<br />

von synthetischem Quarzglas, das vor allem<br />

für Glasfaserkabel in Netzen der Telekommunikation<br />

benötigt wird, in Betrieb<br />

genommen.<br />

Doch es sind nicht nur die großen Investoren,<br />

die dem Chemie-Park zunehmend<br />

Kontur verleihen. Für sein künftiges vielschichtiges<br />

Flair sorgen genausogut kleinere<br />

Unternehmen artverwandter Sparten<br />

oder ganz anderer Zweige. Die Omniplast<br />

GmbH beispielsweise wurde mit hessischem<br />

Kapital in der früheren Rohrpresserei<br />

der Chemie AG gegründet. Die<br />

neuen Eigentümer übernahmen alle<br />

57 Mitarbeiter und den kompletten Maschinenpark.<br />

17 Millionen Mark sollen<br />

für Baumaßnahmen und neue Technik<br />

ausgegeben werden. Das Geschäft mit<br />

den Abwasserrohren floriert.<br />

Der Ausstoß habe sich <strong>im</strong> Vergleich zu<br />

DDR-Zeiten nahezu verdoppelt, berichtet<br />

Siegfried Reinholz, ein Bitterfelder Ingenieur,<br />

der bei Omniplast als Technik-<br />

Chef tätig ist.<br />

47<br />

Auch die Dienstleistungsbranche findet<br />

<strong>im</strong> Chemie-Park ein ideales Betätigungsfeld<br />

vor. Viele der kleinen Existenzen haben<br />

ihre Wurzeln in der Chemie AG.<br />

<strong>Ein</strong>e der 40 Mittelstandsfirmen, die aus<br />

dem Konzern - der sich von Ballast trennen<br />

mußte, um sich Spezialstrecken widmen<br />

zu können - hervorgegangen sind,<br />

ist die Schönknecht Gartenbau GmbH.<br />

Zu Zeiten der Mangelwirtschaft als grüne<br />

Brigade darauf getr<strong>im</strong>mt, Werkskantinen<br />

mit Obst und Gemüse sowie »gesellschaftliche<br />

Bedarfsträger des Kombina-<br />

tes mit Blumen zu versorgen, begannen<br />

die Existenzchancen nach Gründung der<br />

Chemie AG zu welken. Dieter Schönknecht<br />

machte aus der Situation das Beste<br />

und sich selbständig. Inzwischen hat<br />

sich sein 20-Mann-Betrieb am Markt etabliert.<br />

Mit Aufträgen, auch von Firmen<br />

aus der Nachbarschaft, darf weiterhin gerechnet<br />

werden. Bietet es sich doch formlich<br />

an, jene Grüngürtel, Rasenflächen<br />

oder Rosenbeete, die mal rings um die<br />

einzelnen Produktionsänlagen das Auge<br />

erfreuen sollen - so wie es sich halt fur<br />

einen Park gehört -, dem Fachmann von<br />

nebenan zu übertragen. So haben sich am<br />

gewandelten Standort mittlerweile 154 eigenständige<br />

Unternehmen angesiedelt.<br />

»5 500 Arbeitsplätze, noch <strong>im</strong> Bau befindliche<br />

Anlagen eingerechnet, sind damit<br />

bereits gesichert«, zog Dr. Dieter Ambros,<br />

Vorstandsvorsitzender der Chemie<br />

AG, eine Zwischenbilanz. Monatlich kämen<br />

durch neue Firmen oder Erweiterungen<br />

bereits ansässiger Betriebe 20 bis<br />

30 Stellen hinzu. Das Konzept, alte, verschlissene<br />

Anlagen abzureißen und so gewonnene<br />

Areale fur den Neubau von Produktionsstätten<br />

bereitzustellen, scheint<br />

aufzugehen. So verschwand z. B. das<br />

Kraftwerk Süd inzwischen fast vollständig<br />

von der Bildfläche. Wo zu Kombinatszeiten<br />

mit veralteter Technologie und auf<br />

umweltschädigende Weise Strom, Wärme<br />

und Dampf erzeugt wurden, will die Stadt<br />

Bitterfeld einen Gewerbepark aufbauen.<br />

<strong>Ein</strong>en Teil des industriellen Methusalems<br />

aus den 20er Jahren verschonten Abrißbirnen<br />

und Bagger allerdings. Das<br />

500 Meter lange Maschinenhaus, ein<br />

noch- <strong>im</strong>mer schöner Backsteinbau, der<br />

durch seine eigenwillige Architektur besticht,<br />

soll als Technisches Museum aus-


gebaut werden. Die ersten Exponate,<br />

noch funktionstüchtige Turbinen aus der<br />

Ära »Siemens & Schuckert«, sind vorhanden,<br />

brauchen mit etwas Maschinenöl<br />

und Liebe zu alter Technik nur noch auf<br />

Hochglanz gebracht zu. werden. Ebenso<br />

die verschmutzten Kachelwände, die ahnen<br />

lassen, wie es <strong>im</strong> Maschinensaal einmal<br />

geblitzt haben muß. Ansonsten aber<br />

wartet auf die Abrißkolonnen - viele davon<br />

rekrutieren sich aus entlassenen Chemiearbeitern,<br />

die von der Bitterfelder<br />

ABM-Sanierungsgesellschaft aufgefangen<br />

wurden - noch reichlich Arbeit. Erst <strong>im</strong><br />

Jahr 2000, so schätzt Klaus Hedel, bei<br />

dem die Fäden fur den Chemiepark zusammenlaufen,<br />

werde wohl auch die<br />

letzte Altfläche in bauwürdigem Zustand<br />

sein. In drei Jahren aber schon, hoffe<br />

man, aus dem Gröbsten heraus zu sein.<br />

Rund zwei Milliarden Mark an Investitionen<br />

fließen nach jetzigem Stand in den<br />

Chemiepark.<br />

»Der über hundert Jahre alte Industriestandort<br />

Bitterfeld ist damit, allen Unkenrufen<br />

zum Trotz, gerettet«, konstatierte<br />

Vorstandschef Ambros.<br />

(aus: Sachsen-Anhalt, Das Jahrbuch, Seite 74/76<br />

48<br />

<strong>Bayer</strong> Bitterfeld GmbH


Umwandlung des Chemiekombinats<br />

Konzept für den Chemie Park Bitterfeld<br />

(Auszüge aus Prospekten)<br />

Das ehemalige Chemiekombinat Bitterfeldwar vor der Wiedervereinigung<br />

Deutschlands ein autarkes Multiunternehmen, das sich - üblich für eine östliche<br />

Planwirtschaft - zu seinem Unterhalt eine große Anzahl von chemiefremden Gewerken<br />

mit versierten Ingenieurenund Handwerkernhielt. Darunter eine eigene Gärtnerei, ein<br />

eigener Apparatebau und eine eigene chemische Reinigung.<br />

...<br />

Der ChemiePark Bitterfeld ist ein ehrgeiziges Industrieansiedlungsprojekt an einem<br />

<strong>Chemiestandort</strong> mit großer Tradition. In einem bisher in Deutschlandeinmaligen<br />

Vorhaben wird aus einem 100 Jahre alten Industriegelände ein moderner ChemiePark<br />

von ca. 600 ha Fläche mit einer ausgebauten Infrastruktur in bester Lage. Das alte<br />

Firmengeländewird dazu völlig neu strukturiert. Zunächst war die Frage Altlasten <strong>im</strong><br />

Boden noch offen. In einem der bislang aufwendigsten Messprojekte, das vom<br />

Bundesministerium für Umwelt gefördert wurde, stellte sich heraus, dass 50 % des<br />

Geländes mit vertretbarem Aufwand nutzungsorientiertzu sanieren sind. 25 % der<br />

Fläche sind sofort ohne Sanierung bebaubar. Im Kernbereich des Parks wird die<br />

Chemie weiter produzieren. Sie stellt branchenvewandten Firmen vor allem<br />

organische und anorganische Chemikalienwie z.B. Chlor, Natronlauge, Wasserstoff,<br />

Phosphorverbindungen und Farbstoffe zur Verfügung. Aber nicht nur die Chemiefirmen<br />

sind in Bitterfeld hoch willkommen. 80 % des Geländes stehen ansiedlungswilligen<br />

Firmen aus allen Branchen von Produktion und Dienstleistung zu interessanten<br />

Konditionen zur Verfügung.<br />

..<br />

ChemiePark Bitterfeld: Es zahlt sich aus zu investieren<br />

Die Wettbewerbsfähigkeit des Chemieparks Bitterfeld wird <strong>im</strong> Wesentlichen best<strong>im</strong>mt<br />

durch:<br />

die opt<strong>im</strong>ale geographische Lage in Deutschland<br />

die zentrale Lage in Europa<br />

die günstige Lage zu osteuropäischenAbsatzmärkten<br />

die Förderprogramme<br />

die hohe Akzeptanz der Chemie in der Bevölkerung<br />

vorhandene Dienstleistungen<br />

gut e Infrastruktur<br />

<strong>Ein</strong>ige Investoren <strong>im</strong> ChemiePark Bitterfeld:<br />

Alphacan Omniplast BitterfeldGmbH<br />

Produktion und Vertrieb von PVC-Druckrohren, PVC-, Kabelschutzrohren,PVC-,<br />

Kanalrohren, Polyethylen-und Polypropylenrohren sowie zugehöriger Formteile (66<br />

Arbeitnehmer).<br />

49


AKZO ChemicalsWuppertal GmbH<br />

Produktionvon Phosphorchemikalien, Übernahme der bestehenden Chemieanlage<br />

Phosphortrichlorid. Weiterführung der Produktion und Errichtung neuer Anlagen<br />

(46 Arbeitnehmer).<br />

Aus<strong>im</strong>ont (Deutschland) GmbH<br />

Errichtungeiner Anlage zur Erzeugung von Wasserstoffperoxidfür die Papierbleiche<br />

und zur Behandlung von industriellen und städtischen Abwässern.<br />

Produktionsaufnahme<strong>im</strong> Jahr 1995 (93 Arbeitnehmer - Endphase).<br />

<strong>Bayer</strong> Bitterfeld GmbH<br />

Mit einer Gesamtinvestitionvon über 900 Mio. DM entstehen vier große Projekte für die<br />

Herstellung von Methylcellulose, Lackharzen, freiverkäuflichen Medikamenten und<br />

Ionenaustauschern(über 650 Arbeitnehmer).<br />

Heraeus Quarzglas GmbH<br />

Erstes Werk zur Erzeugung von synthetischem Quarzglas dieser Art weltweit für die<br />

optische Telekommunikation. Produktionsbeginn<strong>im</strong> Februar 1993 (1 00 Arbeitnehmer).<br />

Organotin Chemie GmbH<br />

Herstellungund Vertrieb von Zinntetrachlorid und Zinnorganischen Verbindungen<br />

(32 Arbeitnehmer).<br />

SlDRA Wasserchemie GmbH<br />

Herstellungvon Eisen-Ill-Chemikalienzur Wasseraufbereitung und<br />

Abwasserreinigung. Seit 15.09.1992 in Produktion (23 Arbeitnehmer).<br />

Hüls AG Marl (aus Internet vom 02. Sept. 1997)<br />

Im Raum Bitterfeldwerden rund 50 neue Arbeitsplätze entstehen: Wir werden die<br />

Anlage als Betriebsstätte unseres Standortes Rheinfelden mit 20 Mitarbeiternfahren.<br />

Hinzu kommen 30 Arbeiter aus dem Dienstleistungsbereich.<br />

Wir wollen <strong>im</strong> ersten Quartal 1999 mit der Produktion starten. Rd. 50 Mio. DM werden<br />

investiert, um die Kapazität um 20.000 Jahrestonnen zu erhöhen. Bereits heute ist<br />

HÜLS mit 90.000 Jahrestonnen weltweit größter Anbieter bei Chlorsilanen.<br />

Hochreines Siliciumtetrachlorid ist Ausgangsstoff unter anderem für synthetisches<br />

Quarzglas, aus dem Lichtwellenleiter gezogen werden, die vorwiegend in der<br />

Kommunikationstechnik eingesetzt werden. Darüber hinaus wird es für pyrogene<br />

Kieselsäure benötigt - ein Füllstoff sowohl für Zahnpasta und Dichtmassen als auch für<br />

Farben und Lacke.<br />

Ver- und Entsorgungsstruktur<br />

Der <strong>Chemiestandort</strong> Bitterfeldweist gegenüber einer Industrieansiedlung"auf der<br />

grünen Wiese" einen erheblichenVorteil vor. Alle notwendigen Gewerbe- und<br />

Serviceeinrichtungen befinden sich in unmittelbarer Nachbarschaft.<br />

Zur Strategie des Erhalts des traditionsreichen <strong>Chemiestandort</strong>es gehörte es, die<br />

standortnotwendigen Dienstleistungen, wie beispielsweise Energieerzeugung,<br />

Instandhaltung und Anlagenbau, Telekommunikation, Rechentechnik u.a. zu<br />

privatisieren und zu wettbewerbsfähigen Konditionenam Standort anzubieten. Ebenso<br />

wurden die allgemeinen Serviceleistungen, darunter die Wäscherei, die chemische<br />

Reinigung und das ehemalige Gästehaus privatisiert und sind heute für alle nutzbar.<br />

50


Die Unternehmen können sich auf ihre Kernaktivitäten konzentrieren, um mit der rasanten<br />

Entwicklung schritthalten zu können. Produktionen und Dienste, die nicht unmittel<br />

bar zur Produktion gehören, werden an Fremdfirmen mit versierten Mitarbeitern<br />

vergeben. Diese bewährte "schlanke Produktion"hat sich <strong>im</strong> Bitterfelder ChemiePark<br />

durchgesetzt. Unternehmen können sich zentral mit den unterschiedlichsten Dienstleistungenversorgen<br />

lassen. In der Abspaltung der Produktion von den Versorgungsund<br />

Dienstleistungen liegt die Chance bei der Neustrukturierung des Bitterfelder<br />

ChemieParks. Die innovationsfördernde Spezialisierung der Chemiebetriebe wird<br />

durch die <strong>Ein</strong>bettung in ein Netz von kostengünstigen und leistungsfähigen Diensten,<br />

die an dem Standort vorgehalten werden, unterstützt. Zwischen den Unternehmen<br />

und Gewerbetreibenden kann gewissermaßen in Rufweite gearbeitet werden, wodurch<br />

nicht nur aufwendige Abst<strong>im</strong>mungen, sondern auch Transport- und Reisekosten<br />

eingespart werden.<br />

Über zentrale Netze können nicht nur Strom, Dampf und Wasser, sondern auch<br />

technische Gase und Grundchemikalien auf dem gesamten Gelände bereitgestellt<br />

werden. <strong>Ein</strong> besonderer Standortvorteil ist die Verfügbarkeit von Wasserstoff und<br />

Chlor.<br />

Die Bereitstellung von Grund- und Hilfsstoffen ist unabdingbare Voraussetzung für<br />

die chemische Produktion. Weitere Notwendigkeiten sind die Inanspruchnahme der<br />

<strong>im</strong> Chemiepark vorhandenen Dienstleistungen,wie die Versorgung mit Wasser und<br />

Energien, die Entsorgung von Abfall, Sondermüll und Abwässer.<br />

Ebenso zählen dazu schnelle Transportmöglichkeiten wie Eisenbahnnetze, Straßen<br />

oder Rohrbrückensysteme.<br />

Entsorgungseinrichtungen,nach dem neuesten Entwicklungsstand konzipiert, werden<br />

<strong>im</strong> Chemiepark gebaut. <strong>Ein</strong> Gemeinschaftsklärwerk zur Entsorgungder industriellen<br />

und kommunalen Abwässer ging 1994 in Betrieb. In der Planungsphase befindet<br />

sich ein umfassendes Entsorgungs- und Verwertungszentrum.<br />

Dazu gehören Anlagen zur Wertstoffrückgewinnungund zur Entsorgung von Siedlungs-,<br />

Gewerbe- und Sonderabfällen.<br />

Serviceleistungen des ChemieParks und Technischer Service<br />

Apparate- und Behälterbau<br />

Sonderanlagenbau<br />

Blech- und Kupferschlosserarbeiten<br />

Thermo- und Duroplastikarbeiten<br />

Schweißarbeiten aller Art<br />

Zerspannungsverfa hren<br />

lndustriesattlerarbeiten<br />

Instandhaltung von Verdichtern, Pumpen<br />

und Sicherheitsventilen<br />

Errichtungvon Anlagen der Elektro-,<br />

Mess-, Steuer- und Regeltechnik<br />

51<br />

Analyse technologischer Prozesse<br />

Analyse Messtechnik<br />

Elektromaschinenservice<br />

Wartung, Instandsetzung, Montage,<br />

Demontage und Änderung von Betriebsmitteln<br />

in den Produktions- und<br />

Nebenanlagen,Hebezeugen, Aufzügen,<br />

mobilen Kranen, technischen<br />

Transporten und Waagen<br />

Service von Büro- und Nachrichtentechnik<br />

Werkstoffprüfung/Technische QualitätskontrolIe


lngenieurtechnischer Service / Anlagenplanung<br />

Projekt-und Durchführbarkeitsstudien<br />

Technische Bearbeitung von<br />

Basic- und Detail-Engineering<br />

Projektmanagement<br />

lnvestitionsentscheidungen Standortplanung<br />

Bauleistungen<br />

Hoch-, Säure-, Feuerungs-und Sanitärinstallation<br />

Gerüstbau Bereitschaftsdienste<br />

Sta h Ibau Isolierungen<br />

Tischlerei, Z<strong>im</strong>merei, Dacheindeckung<br />

Umweltschutz und Arbeitssicherheit<br />

Umweltinformation Altlasten- und Abfallberatung<br />

Gefahrstoff-und Standortdatei Deklarationsanalysen<br />

Lärmmessungen und -prognosen Umweltanalytik Wasser, Luft, Boden<br />

Kl<strong>im</strong>adaten Technische Überwachung von Anlagen<br />

Abwicklung von Genehmigungsverfahren<br />

Verlade- und Rangierarbeiten<br />

Bahndienst<br />

Lagerwesen<br />

Logistik<br />

Versand<br />

Spedition<br />

Information und Bildung<br />

Wissenschaftliche Bibliothek, Online-Recherchen<br />

Wirtschafts- und Fachinformationen Berufs- und Weiterbildung<br />

Produkt- und Stoffinformation<br />

(DIN-Sicherheitsblätter)<br />

Umschulung<br />

Ärztlicher Dienst<br />

Hotel, Pension<br />

Büro- und Gebäudereinigung<br />

Textilreinigung und -wäscherei<br />

Restaurant, Catering, Imbiss<br />

Allgemeine Dienstleistungen<br />

Förderprogrammeund lnvestitionshilfen<br />

Reisebürofür Geschäftsreisen<br />

Geldinstitut<br />

Versicherung<br />

Telefonservice<br />

Feuerwehr<br />

Weitere Anreize für Neuansiedlersind neben den chemiespezifischen Angeboten an<br />

Dienstleistungenvor allem auch die an dem Standort verfügbaren lnvestitionshilfen,<br />

die von der europäischen Gemeinschaft, der deutschen Bundesregierung und dem<br />

Land Sachsen-Anhalt zur Verfügung gestellt werden. Bis zu 42 Prozent der Investi-<br />

52


tions- und bis zu 90 Prozent der Erschließungskostenwerden je nach Entscheidungslage<br />

subventioniert. Auch besondere steuerliche Regelungen, wie Sonderab-<br />

Schreibungen, machen den ChemiePark Bitterfeldzu einem attraktiven Standort für<br />

expansionsbereite Unternehmen:<br />

Förderprogramme durch den Bund zur Verbesserung der regionalenWirtschaftsstrukturfür<br />

private Unternehmen ( I5-23%) und Kommunen (zzt. 50%).<br />

lnvestitionszulagen und steuerliche Regelungen, z.B. Sonderabschreibungen.<br />

EG-Zuschüsse zur Förderung der wirtschaftlichen Infrastruktur und Unterstützung<br />

produktiver Investitionen.<br />

Möglichkeiten günstiger Kreditaufnahmen:<br />

- Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW)für die Errichtung, Sicherung und Erweiterung<br />

von Unternehmen,<br />

- ERP-Kreditprogramm für Existenzgründer, Modemisierungund Umweltschutz,<br />

- Bürgschaften/Garantien für Sicherheiten bei Kreditaufnahmen<br />

- SonderfördergebietWolfen - Greppin - Thalhe<strong>im</strong>.<br />

Jeder Investor hat in den neuen Bundesländernden Vorteil, dass durch Investitionsförderung<br />

und Steuerbegünstigung rund 42 % seiner gesamten lnvestitionssumme<br />

vom Bund bzw. Land getragen werden, nur 68 % braucht er selbst zu tragen.<br />

Förderung 1992-97<br />

lnvestitionszulage<br />

für bewegliche, neue Wirtschaftsgüter<br />

des Anlagevermögens<br />

lnves ti ti onszuschuss<br />

nur für private Unternehmen<br />

- bei Errichtung/Übemahme eines von<br />

Stillegung betrohten Betriebes<br />

- bei Erweiterung<br />

- bei Umstellung/grundlegender<br />

Rationalisierung<br />

Sonderabschreibungen<br />

50% der Anschaffungs- und Herstellungskostenfür<br />

Betriebsgebäude und<br />

Ausrüstungen können <strong>im</strong> Jahr der Anschaffung<br />

und in den 4 folgenden Jahren<br />

als Sonderabschreibung geltend gemacht<br />

werden<br />

1992<br />

8%<br />

23%<br />

20%<br />

5%<br />

50%<br />

53<br />

1993<br />

8%<br />

23%<br />

20%<br />

10%<br />

50%<br />

1994 1995 1996<br />

8%<br />

23%<br />

20%<br />

15%<br />

50%<br />

5%<br />

23%<br />

20%<br />

15%<br />

50%<br />

5%<br />

23%<br />

20%<br />

15%<br />

50%<br />

1997<br />

5%<br />

23%<br />

20%<br />

15%<br />

50%


Anschaffungskosten= lnvestitionskosten<br />

davon 1) Ausrüstungen<br />

2) Gebäude<br />

3) Grund und Boden<br />

angenommene Nutzungsdauer<br />

1) Ausrüstungen<br />

2) Gebäude<br />

lnvestitionsbeginnund Abschluss<br />

bezogen auf die lnvestitionssumme<br />

- lnvestitionszulage für Ausrüstungen<br />

- lnvestitionszuschuss für Ausrüstg. u. Gebäude<br />

Modellrechnungfür lnvestitionshilfen:<br />

10 Jahre<br />

25 Jahre<br />

1995<br />

Betrag in DM Vorteil in DM Entlastung in %<br />

1.000.000<br />

700.000<br />

200.000<br />

100.000<br />

Steuereffekt aus Abschreibung errechnet sich:<br />

Gewerbeertragssteuer (Gew.Ertr.St.)<br />

Sonderabschreibung für Ausrüstungen 50 % x 700.000 350.000<br />

Sonderabschreibung für Gebäude 50 % x 200.000 100.000<br />

lineare Afa für Ausrüstungen 10 % x 700.000 70.000<br />

lineare Afa für Gebäude 4 % x 200.000 8.000<br />

Gesamtabschreibung<br />

->abzügl. Steuerpflicht. lnvestitionszuschuss<br />

528.000<br />

-> 207.000<br />

321 .000<br />

ergibt eine<br />

Gewerbesteuerentlastung bei einem<br />

Steuersatz in Bitterfeld<br />

Körperschaftssteuerentlastung(KSt)<br />

13,04 % x 321.000 41.850<br />

Abschreibung<br />

->abzügl. des steuerpfl. Zuschusses<br />

->undGew.Ertr.St.<br />

-><br />

-><br />

528.000<br />

207.000<br />

41.850<br />

279.150<br />

ergibt eine Körperschaftssteuerentlastung 50 % x 279.150 139.600<br />

35.000<br />

207.000<br />

Gesamtentlastungaus Abschreibung,<br />

lnvestitionszulage und -zuschuss 423.450<br />

Vom Investor zu tragende lnvestitionslast 576.550 57,7<br />

54<br />

5<br />

23<br />

50<br />

50<br />

42,3


2.4 Stoff- und Firmenverbund <strong>im</strong> Chemiepark Bitterfeld am Beispiel der<br />

Quarzglasproduktion<br />

In diesem Beitrag wird in exemplarischer Weise ein moderner Stoffverbund in der<br />

chemischen Industrie dargestellt. <strong>Ein</strong> solcher Verbund versucht Produkte,<br />

Produktionsweisen und Standorte verschiedener Chemiebetriebe so aufeinander<br />

abzust<strong>im</strong>men, dass das Netz gegenseitiger Abhängigkeiten - <strong>im</strong> Idealfall - einen<br />

geschlossenen Stoffkreislauf ergibt. Auf diese Weise ergeben sich durch<br />

Synergieeffekte nicht nur ökonomische Vorteile, durch den Verbund werden auch<br />

chemische Abfälle drastisch reduziert und - zum Teil gefährliche - Transportwege<br />

min<strong>im</strong>iert und so eine mögliche Gefährdungder Umwelt erheblich vermindert.<br />

Planung und Durchführung eines solchen Verbundsystems stellt ein typisches<br />

Beispiel vernetzten Denkens dar, das nicht nur das Netzwerk der beteiligten<br />

Konzerne und Produktionsstätten umfasst, sondern auch das umfassende<br />

ökologischeNetz mit einbeziehen muss.<br />

Bei dem hier vorgestellten Beispiel handelt es sich um den Verbund "Glasfaserherstellung",<br />

der zur Zeit <strong>im</strong> Raum Bitterfeld entsteht. Die Herstellung von<br />

hochreinen Siliziumprodukten ist aus ökologischer Sicht nicht unproblematisch,<br />

weil für den erforderlichen Reinheitsgrad des Siliziums oder Siliziumdioxids(Glas)<br />

der Umweg über Siliziumtetrachlorid und damit über die Chlorchemie erforderlich<br />

ist. In dem Bitterfelder Chemieverbund geht das benötigte Chlorgas <strong>im</strong><br />

Gesamtprozess praktisch nicht verloren, die entstehende Salzsäure wird dem<br />

Produktionsprozess wieder zugeführt. Dieser industrielle Stoffkreislauf ist wohl<br />

weltweit einmalig.<br />

Die chemischen Grundlagen des Bitterfelder Stoffverbundes werden <strong>im</strong> folgenden<br />

schematisch dargestellt. Für genauere Angaben zu chemisch/technologischen Daten<br />

und zu den Verfahren verweisen wir auf das Literaturverzeichnis. In einigen Fällen<br />

werden Details der Produktionsverfahren allerdings als Betriebsgehe<strong>im</strong>nisse<br />

behandelt; sie sind daher nicht öffentlich bekannt.<br />

Der Raum Bitterfeld ist bereits seit mehr als hundert Jahren ein wichtiger Industrie-<br />

Standort. Ganz besonderes Gewicht hatte Bitterfeld als einer der wichtigsten<br />

Industriestandorte der DDR. Die gesamte Region war - nicht nur in ökonomischer<br />

Hinsicht - durch die Chemieindustrie geprägt. Nach der Wende machte Bitterfeld<br />

einerseits durch massive Stillegungen von Chemiebetrieben und die damit<br />

verbundene extrem hohe Arbeitslosigkeit von sich reden. Auf der anderen Seite<br />

machten schwerwiegende Umweltprobleme der Chemieregion Bitterfeld<br />

Schlagzeilen, eine bis dahin totgeschwiegene Kehrseite der starken Konzentration<br />

von Chemieuntemehmen.<br />

Der hier vorgestellte Industrieverbund versucht nicht nur "Umweltsünde" der<br />

Vergangenheit zu vermeiden, er schafft auch in einer wirtschaftlichen<br />

Problemregion neue Arbeitsplätze. Allerdings soll nicht verschwiegen werden, dass<br />

in einer solchen “Verbundproduktion” weniger Menschen Arbeit finden als bei<br />

klassischer Produktionsweise.Insbesondere können die neu entstandenen Betriebe<br />

den Verlust von Arbeitsplätzen nach der Wende bei weitem nicht kompensieren.<br />

55


Heraeus-Werk für synthetisches Quarzglas expandiert erneut<br />

Bitterfeld, 7. Oktober 1997. In Gegenwart zahlreicher Gäste aus Politik und<br />

Wirtschaft hat Bundeskanzler Dr.Helmut Kohl heute den dritten Bauabschnitt des<br />

Heraeus-Quarzglaswerkes Bitterfeld seiner Best<strong>im</strong>mung übergeben. Seit Anfang<br />

1993 produziert der Hanauer Technologiekonzern Heraeus in Bitterfeld hochreines,<br />

synthetisches Quarzglas für die optische Nachrichtenübertragung, die<br />

Mikrolithographie und die Halbleiterindustrie. Auf die seitdem stürmisch<br />

wachsende Nachfrage nach der neuen Quarzglas-Sorte wird der Konzern bis Ende<br />

1998 mit Investitionen in Höhe von 600 Millionen DM reagieren. Das Werk ist das<br />

einzige seiner Art weltweit.<br />

Die jetzt in Betrieb genommene dritte Ausbaustufe hat gegenüber der Startphase die<br />

vierfache Kapazität und etwa 300 Mitarbeiter. Bis auf das Achtfache soll die Kapazität<br />

nach jetziger Planung bis Ende 1998 aufgestockt sein.<br />

Im Werk Bitterfeld stellt Heraeus seit 1993 Quarzglas aus synthetischem Vormaterial her,<br />

dessen Reinheit die von Quarzglas aus natürlichen Rohstoffen - Bergkristall und reinen<br />

Quarzsanden - um Größenordnungen übertrifft. Quarzglas ist unverzichtbarer Werkstoff<br />

für innovative Technologien mit hohem Wachstumspotential, zum Beispiel für die<br />

Halbleiterindustrieund die Telekommunikation.<br />

Bitterfeld :<strong>Ein</strong>zigartige Standortvorteile<br />

Nach weltweiter Suche entschied sich Heraeus für den Standort Bitterfeld, weil hier ein<br />

einzigartiger symbiotischer Verbund mit der Chlorproduktion der heutigen Bitterfelder<br />

Chlor-Alkali GmbH (BCA) realisiert werden konnte. Im engen Pipeline-Verbund<br />

tauschen Chlor- und Quarzglaswerk <strong>Ein</strong>satz- und Nebenprodukte aus. So fallt<br />

Wasserstoff bei der Chlorgewinnung in großer Menge als Nebenprodukt an; bei der<br />

Quarzglasgewinnung wird das Gas in großer Menge gebraucht. Umgekehrt ist<br />

Natriumchlorid (,,Kochsalz") Ausgangsstoff für die Chlorgewinnung und Nebenprodukt<br />

bei der Quarzglasgewinnung.<br />

Weitere Standortvorteile waren und sind eine funktionierende Infrastruktur für chemische<br />

Produktionsverfahren, die heute <strong>im</strong> ChemiePark Bitterfeld organisiert ist, und eine<br />

hervorragend ausgebildete Facharbeiterschaft. Alle Mitarbeiter des Quarzglaswerkes sind<br />

aus der Region Bitterfed/Wolfen. In der Startphase hat Heraeus die neuen Bitterfelder<br />

Mitarbeiter in den Werken Hanau (Hessen) und Kleinosthe<strong>im</strong> (<strong>Bayer</strong>n) intensiv auf die<br />

neuen Technologien vorbereitet.<br />

Heraeus sieht am Standort Bitterfeld weitere Ansiedlungspotentiale. Derzeit vefügt das<br />

Unternehmen in Bitterfeld über 175.000 qm Werksgelände.<br />

Heraeus, 1851 aus einer Apotheke gegründet und bis heute in Familienhand, hat mit<br />

Edelmetallen, Quarzglas, Sensoren, Dentalprodukten, Labor- und Medizintechnik 1996<br />

einen Umsatz von 6,8 Mrd. DM gemacht, 68 % davon <strong>im</strong> Ausland. Für das laufende Jahr<br />

wird ein Umsatz <strong>im</strong> Bereich von 8 Mrd. DM erwartet. In mehr als 100 Gesellschaften<br />

weltweit sind 10.500Mitarbeiter tätig, 45 % davon <strong>im</strong> Ausland. Das Geschäft ist zu etwa<br />

gleichen Teilen auf die High-Tech-Regionen Nordamerika, Westeuropa und Asien-<br />

Pazifik konzentriert.<br />

56<br />

(Internetauszug)


Siliciumtetrachlorid-Anlage in Bitterfeld<br />

MARL/BITTERFELD. Wenn die Hüls AG, Marl, ab Januar 1998 <strong>im</strong> Zuge eines<br />

Global-Fitness-Programms als strategische Holding zu neuen Ufern aufbricht,<br />

zählt der heutige Geschäftsführungsbereich (GFB) Silicone/Silane zu den zwölf<br />

weltweit operierenden Gesellschaften. Neben den bisherigen Produktionsstätten in<br />

Mobile/Alabama, Nünchritz (Hüls Silicone GmbH) und Rheinfelden existiert<br />

dann bereits eine vierte: Am 2. September wurde <strong>im</strong> Chemiepark Bitterfeld der<br />

Grundstein für den Bau einer Siliciumtetrachlorid-Anlage gelegt. Die Standorte<br />

werden weiterhin einheitlich operativ und marktgesteuert von Düsseldorf aus<br />

geführt.<br />

Im Raum Bitterfeld werden rund 50 neue Arbeitsplätze entstehen:<br />

"Wir werden die Anlage als Betriebsstätte unseres Standortes Rheinfelden mit 20<br />

Mitarbeitern fahren. Hinzu kommen 30 Arbeiter aus dem Dienstleistungsbereich."<br />

(GFB-Leiter Dr. J. Olbrich)<br />

,,Wir wollen <strong>im</strong> ersten Quartal 1999 mit der Produktion starten." Rund 50<br />

Millionen DM werden investiert, um die Kapazität um 20.000 Jahrestonnen zu<br />

erhöhen. Bis heute ist Hüls mit 90.000 Jahrestonnen weltweit größter Anbieter bei<br />

Chlorsilanen.<br />

Die Ausbaupläne sind Teil des ,,Global-Fitness-Programms" der Hüls AG zur<br />

nachhaltigen Steigerung der internationalen Wettbewerbsfahigkeit. Der<br />

Chemiezweig der VEBA strebt damit in allen bearbeiteten Geschäftsfeldern die<br />

weitere Konzentration auf Kernkompetenzen und den Ausbau bzw. die<br />

Absicherung führender Marktpositionen an.<br />

Hochreines Siliciumtetrachlorid ist Ausgangsstoff unter anderem für synthetisches<br />

Quarzglas, aus dem Lichtwellenleiter gezogen werden, die vorwiegend in der<br />

Kommunikationstechnik eingesetzt werden. Darüber hinaus wird es für pyrogene<br />

Kieselsäure benötigt - ein Füllstoff sowohl fur Zahnpasta und Dichtmassen als<br />

auch für Farben und Lacke.<br />

2.September 1997<br />

57<br />

(Internetauszug)


Abbildung 1


Stoffkreislauf <strong>im</strong> ChemiePark Bitterfeld<br />

59


Firmenverbund in Bitterfeld<br />

60


3. Altlasten, ein komplexes Erbe<br />

Die Altlasten sind nach Enders und Peklo (1) das dominierende Problem<br />

des Umweltschutzes in Bitterfeld. Von den Werksflächen sind etwa 25%<br />

unbelastet, 20% hingegen stark belastet. Die übrigen 55% können ohne<br />

nennenswerte Sanierungsmaßnahmen <strong>im</strong> Rahmen der Neubebauung<br />

genutzt werden.<br />

Über das Arbeitsförderungsgesetz werden unabhängig vom Altlasten-<br />

Großprojekt Mittel bereitgestellt, um die Werksflächen zu sanieren und für<br />

Neuansiedler attraktiver zu gestalten. Im Zeitraum 1992 - 1995 sind für<br />

den Rückbau ca. 700 Mio. DM bereitgestelltworden.<br />

Im November 1993 erhielt die Chemie AG den Bescheid über die<br />

Altlastenfreistellung. Auf dieser Grundlage wurde durch das<br />

"Verwaltungsabkommen über die Regelung der Finanzierung der<br />

ökologischen Altlasten" das Altlasten-Großprojekt Bitterfeld/Wolfen<br />

festgestellt. Schwerpunkte sind darin die Gefahrenbeurteilung spezieller<br />

Altstandorte und Altablagerungen (siehe auch Lageskizze), die Sicherung<br />

von Altlasten und insbesondere die Sicherung und Sanierung der<br />

Grundwasserbelastung unter dem Aspekt der <strong>Ein</strong>stellung des<br />

Braun kohleberg baus.<br />

Für 1996 sind Maßnahmezust<strong>im</strong>mungsbescheide für 14 Objekte mit einem<br />

Kostenaufwand von 11 Mio. DM ausgereicht worden. Dazu zählt u. a. die<br />

Sicherung/Sanierung eines phosphorkontaminierten Altstandortes als<br />

Beispielfür die erfolgreiche Sanierung belasteter Industrieflächen.<br />

Im nachfolgenden Artikel soll ein historischer Überblick über die<br />

Entwicklung der Phosphorchemie und ihrer Produkte vermittelt werden, um<br />

die hohe Belastung des Geländes zu verdeutlichen. (2)<br />

Im Unterschied dazu stellt die Sicherung der Chemiedeponie des<br />

"Silbersees" ein bisher unbewältigtes Problem für diesen Raum dar.<br />

(1) Enders, Kari-Ludwig und Peklo, Peter: Umweltschutz <strong>im</strong> Raum Bitterfeld/Wolfen,<br />

Bitterfeld 1996<br />

(2) Bitterfelder Chronik 100 Jahre <strong>Chemiestandort</strong> BitterfeldWolfen,<br />

Hrsg.: Vorstand der Chemie AG, BitterfeldWolfen, 1993<br />

63


3.1 Der <strong>Chemiestandort</strong> und seine<br />

Umweltprobleme<br />

Am 3./4. November 1958 beschloß die<br />

Zentrale Chemiekonferenz des ZK der SED<br />

und der Staatlichen Plankommission ihr erstes<br />

Prestigeprogramm, das «Chemieprogramm<br />

der DDR«. Unter der Losung »Chemie<br />

gibt Brot, Wohlstand und Schönheit«<br />

begründete man darin die Notwendigkeit<br />

der vorrangigen Entwicklung der chemischen<br />

Industrie. Auf diesem Wege sollten<br />

die Voraussetzungen für das erforderliche<br />

Tempo der gesamten Wirtschaft und Landwirtschaft<br />

sowie zur Erhöhung des Lebensstandards<br />

der Bevölkerung geschaffen<br />

werden. In Abst<strong>im</strong>mung mit der<br />

Sowjetunion wurden -jeglicher ökologischer<br />

Vernunft entgegen - gigantische<br />

Größenordnungen für den chemischen Industriezweig<br />

best<strong>im</strong>mt. Investitionen für<br />

neue Anlagen konzentrierten sich jedoch<br />

vor allem auf die Petrolchemische Industrie.<br />

Bitterfeld als Produzent des gesamten<br />

»Sammelsuriums«chemischer Grundstoffe<br />

erhielt neben volkswirtschaftlich<br />

gesehen relativ kleinen Finanzspritzen für<br />

die PVC-, Salpetersäure-und Düngemittel-<br />

Produktion vor allem höhere Planauflagen.<br />

Die Katastrophe<br />

erreicht ihren Höhepunkt<br />

Im Verlauf der weiteren Entwicklung entstand<br />

<strong>im</strong> Raum Bitterfeld und Wolfen ein<br />

Industriegebiet von gewaltigem Ausmaß.<br />

Vier Großkombinate der DDR-das Chemiekombinat<br />

Bitterfeld, das Fotochemische<br />

Kombinat ORWO Wolfen, das<br />

Braunkohlenkombinat Bitterfeld und der<br />

Großbetrieb Industrie- und Kraftwerksrohrleitungen<br />

- produzierten Anfang der 70er<br />

Jahre mit über 50 000 Arbeitskräften voll<br />

<strong>im</strong> Schichtbetrieb. Alle ohne dringend erforderliche,<br />

international bereits bewährte<br />

Entsorgungstechnologien.Zur damaligen<br />

Zeit gab es bis auf die traditionelle Wassergesetzgebung<br />

kein geschlossenes Gesetzeswerk<br />

zum Umweltschutz. Boden, Luft<br />

und Wasser wurden auf unerträgliche Weise<br />

weiter verschmutzt.<br />

Die Umweltkatastrophe erreichte während<br />

dieser Periode ihren Höhepunkt. Aus<br />

den Schloten von Bitterfeld und Wolfen<br />

qualmten jährlich 58 000 Tonnen Staub<br />

und über 120 000 Tonnen Schwefeldioxid.<br />

64<br />

Hinzu kamen 11 000 Tonnen Chlor, 3 000<br />

Tonnen Chlorwasserstoffe und 7 800 Tonnen<br />

Stickoxide aus den Chemieanlagen. Es<br />

gab, außer zwei wenig wirksamen Vorbehandlungsanlagen,<br />

keine zentrale Abwasserbehandlungsanlage.<br />

Aller Entsorgungs-<br />

Unrat wurde wie bei den Vorvätern in die<br />

Tagebaurestlöcher gekippt.<br />

Die Grube Johannes zum Beispiel, seit<br />

1921 Auffangbecken für chemische Restschlämme<br />

der Filmfabrik, erhielt in dieser<br />

Zeit aus Wolfen den letzten Anschub zur<br />

Giftdeponie. Durch völlig unbehandelte Abwässer<br />

entstand hier aus Ligninschlamm<br />

durch chemische Reaktionen eine gelartige<br />

toxische Flüssigkeit, die der Grube <strong>im</strong><br />

Volksmund den Namen »Silbersee« einbrachte.<br />

Untersuchungen der etwa zwei<br />

Millionen Kubikmeter Schlamm <strong>im</strong> Jahre<br />

1992 werden Schwermetalle wie Blei und<br />

Zink, anorganische Schwefelverbindungen<br />

wie Sulfate, Sulfide und Schwefelkohlenstoff,<br />

Lösungsmittel wie Methanol und<br />

Toluol, Phenole und organisch gebundene<br />

Halogenverbindungen nachweisen. <strong>Ein</strong>e<br />

vollständige Sicherung und Sanierung der<br />

Grube ist unerläßlich.<br />

Äußerlich sichtbarstes Symbol der Vergewaltigung<br />

der Umwelt aber wurden die<br />

»gelben Fahnen«aus den Schornsteinen<br />

der drei Salpetersäureanlagen des Chemiekombinates<br />

Bitterfeld mit einer Gesamtkapazität<br />

von 300 000 Tonnen Salpetersäure<br />

pro Jahr. Ihre Absorptionsanlagen stammten<br />

in wesentlichen Bestandteilen aus den<br />

Jahren 1917 und 1927. Und so war es kein<br />

Wunder, daß ernsthafte Beschwerden von<br />

Bürgern der ganzen Region laut wurden.<br />

Sie fühlten sich durch Atembeschwerden,<br />

Haut- und Augenreizungen in ihrer Gesundheit<br />

gefährdet, mußten doppelt so oft<br />

wie Leute anderer Gebiete ihre Häuser<br />

und Wohnungen renovieren und brauchten<br />

mindestens das dreifache an Reinigungsmitteln<br />

für Körper und Kleidung. Ganz zu<br />

schweigen von den Schädigungen in Forstund<br />

Landwirtschaft, in den Gärten der Umgebung.<br />

Damit sollte Schluß sein!<br />

<strong>Ein</strong> Umweltgesetz und<br />

der Umgang mit der Wahrheit<br />

Auch international, insbesondere in den<br />

westeuropäischen Ländern, brachen sich<br />

Umweltideen <strong>im</strong>mer stärker Bahn. Die


DDR, inzwischen von vielen Staaten anerkannt,<br />

wollte sich weltweit mit ihrer Produktion<br />

als geachteter Handelspartner präsentieren.<br />

Sie konnte deshalb offiziell nicht<br />

umhin, sich den Fragen der Umwelt zu<br />

stellen. Am 14. Mai 1970 verabschiedete<br />

die Volkskammer das Landeskulturgesetz,<br />

in dem Umweltschutzfragen - zumindest<br />

auf dem Papier - umfassend geregelt wurden.<br />

Diese neue Herangehensweise fand<br />

sogleich zwischen Fichtelberg und Kap Arkona<br />

ihre engagierten Anhänger. Sie nahmen<br />

die Gesetzgebung - trotz ihrer wenig<br />

weitsichtigen Inhalte - wortwörtlich und<br />

setzten sich überall <strong>im</strong> Land dafür ein. Im<br />

Verlauf der nächsten zwei Jahrzehnte<br />

mußten sie erfahren, wie einer ruinösen<br />

Wirtschaftspolitik und der gewaltigen Last<br />

der sozialen Prestigemaßnahmen des<br />

SED-Reg<strong>im</strong>es zufolge, wichtige Umweltvorhaben<br />

unterlaufen und letztlich zunichte<br />

gemacht wurden. Die Schere zwischen gesetzlichen<br />

Anforderungen und Realität<br />

klaffte <strong>im</strong>mer weiter auseinander.<br />

Im ehemaligen Chemiekombinat, wo<br />

wegen wachsender Bürgerproteste bereits<br />

seit 1965 ein Emissionsbeauftragter benannt<br />

war, entstand während besagter<br />

Zeit die Struktureinheit Umweltschutz unter<br />

Leitung von Dr. Karl Enders. Jedes<br />

auch heute vorgegebene Ressort, u. a. mit<br />

den Beauftragten für Immissionsschutz,<br />

Wasser und Abfall war vorhanden.<br />

Die in dieser Abteilung beschäftigten<br />

Mitarbeiter gingen mit großem Engagement<br />

und fachlicher Solidität an die Arbeit<br />

und konzentrierten sich vor allem auf Immissionsmessungen<br />

und Emissionskontrollen.<br />

Ihre Jahresberichte für Umweltschutz<br />

beispielsweise beinhalteten die<br />

richtigen Schlußfolgerungen zur Begrenzung<br />

der Schadstoffauswürfe, für Produktionsdrosselungen<br />

oder Stillegungen. Aber<br />

richtige Schlüsse wurden letztlich nicht<br />

daraus gezogen. Der Plan ging vor. Die<br />

staatliche Leitung beugte sich nur dem<br />

allergrößten Druck auf dem Gebiet des<br />

Umweltschutzes, aber das war natürlich<br />

nicht ausreichend.<br />

1975 promovierten Karl Enders und Peter<br />

Peklo, Beauftragter für Immissionsschutz<br />

des Kombinates, mit ihrer Arbeit<br />

»Analyse der Verunreinigungen der Luft <strong>im</strong><br />

65<br />

Raum Bitterfeld/Wolfen - Istzustand, Auswirkungen,<br />

Sanierungsmaßnahmen« an<br />

der Bergakademie Freiberg. Ausgehend<br />

von einer gründlichen Analyse an verschiedenen<br />

Standorten wiesen sie die gewaltigen<br />

Schadstoffauswürfe seit den 60er Jahren<br />

wissenschaftlich nach, machten auf<br />

gesundheitliche Gefahren für Mensch, Tier<br />

und Pflanze aufmerksam und errechneten<br />

enorme finanzielle Mehraufwendungen in<br />

Medizin, Bauwirtschaft, Forst und Landwirtschaft<br />

der Region. Zugleich zeigten sie<br />

ökonomisch durchaus auch zu DDR-Zeiten<br />

vertretbare Sanierungsvarianten auf.<br />

Statt mit diesen fundierten und durch<br />

die Praxis bestätigten Erkenntnissen zu arbeiten<br />

-wie es offiziell in Parteidokumenten<br />

lauthals gefordert wurde - erhielten<br />

solcherart Arbeiten den Stempel der gehe<strong>im</strong>en<br />

Dienst- oder gar Verschlußsache.<br />

Fakt war: Die <strong>im</strong>mer bedrohlicheren<br />

Umweltdaten verdeutlichten vor allem die<br />

Uneffektivität der Wirtschaft, das Fehlen<br />

materieller Möglichkeiten für Investitionen.<br />

Noch nicht einmal die einfache Reproduktion<br />

konnte gesichert werden. Der Zustand<br />

der Anlagen wurde <strong>im</strong>mer schlechter. Dieses<br />

Bild paßte so gar nicht in die Erfolgspropaganda<br />

eines »dem Kapitalismus überlegenen<br />

Gesellschaftssystems«, das das<br />

Wohl des Menschen in den Mittelpunkt aller<br />

Politik gestellt haben wollte. Es konnte<br />

nicht sein, was nicht sein durfte.<br />

Auf diese Art und Weise des Umgangs<br />

mit der Wahrheit - ab 1982 regelte gar<br />

eine Ministerratsweisung die Gehe<strong>im</strong>haltung<br />

von Umweltdaten - konnten auch andere<br />

aus der realsozialistischen Wirklichkeit<br />

abgeleitete Vorhaben nie umfänglich<br />

vollendet werden. Volkswirtschaftliche<br />

Zwänge setzten auch dem besten Willen<br />

für eine effizientere Wirtschaft oder verantwortungsbewußten<br />

Umgang mit der<br />

Umwelt starre Grenzen.<br />

Letzte wirkliche Erfolge vor 1989<br />

wurden um 1975 insbesondere bei der<br />

Luftverbesserung erreicht. Das neue Erdgaskraftwerk<br />

senkte die Schwefeldioxidemission<br />

von 120 kt auf 45 kt und die<br />

Staubwerte von 58 kt auf 15 kt pro Jahr.<br />

Außerdem wurde der Chlorausstoß durch<br />

den Neubau eines Betriebes von 11,4 kt<br />

auf 2,6 kt jährlich vermindert.


<strong>Ein</strong> umfassendes Konzept zur Rationalisierung,<br />

Stabilisierung und Modernisierung<br />

der Grundfonds, kurz RSM-Programm genannt,<br />

sollte jedoch nach diesen kleinen<br />

Lichtblicken - schon kurz nach der Bestätigung<br />

durch höchste Partei- und Regierungsinstanzen<br />

- an den leeren Taschen<br />

des Ministers für Chemische Industrie<br />

scheitern. Die Konzentration auf international<br />

gut verkäufliche moderne Chemieprodukte<br />

wie Molekularsiebe, umweltfreundliche<br />

Pflanzenschutzmittel und<br />

Ionenaustauscher unterblieb. Und es gab<br />

auch keine Investitionen für die bereits<br />

damals aus eigenen Kräften begonnene<br />

Rekonstruktion des Abwassernetzes und<br />

mehrerer Anlagen. Alle guten Gedanken,<br />

die man sich hier in Bitterfeld ohne Zweifel<br />

machte, blieben Papier. Die Chemie stand<br />

schon lange nicht mehr <strong>im</strong> Zentrum der<br />

Wirtschaftspolitik. Was der VIII. Parteitag<br />

nicht beschlossen hatte, konnte auch nicht<br />

sein -so spotteten die Kabarettisten ...<br />

Der wirtschaft lic he Niedergang<br />

setzt seine Zeichen<br />

Mit überd<strong>im</strong>ensionalem Aufwand wurde in<br />

den 80er Jahren der Schlüssel zum Erfolg<br />

<strong>im</strong> Aufbau einer eigenen Mikroelektronischen<br />

Industrie gesucht, aber letzten Endes<br />

nicht gefunden. Die technische und<br />

technologische Entwicklung in anderen Industriezweigen<br />

blieb <strong>im</strong>mer mehr, in der<br />

Chemie praktisch bis zum Stillstand, auf<br />

der Strecke. Sichtbares Zeichen dafür war,<br />

daß das Gelb der Bitterfelder Abgasfahnen<br />

inzwischen einen gefährlichen Braunton<br />

angenommen hatte. Unter dem Namen<br />

)sozialistische Intensivierung« verlangte<br />

man den Salpetersäureanlagen einen ständigen<br />

Leistungsanstieg ab, ohne die technischen<br />

Bedingungen dementsprechend<br />

zu verändern. Demzufolge traten sowohl<br />

an den Absorptionstürmen als auch an den<br />

Kühlern solche Verschleißerscheinungen<br />

auf, daß der Anstieg der Produktion 1984<br />

nur mit einem überproportionalen Anstieg<br />

der Emissionen erkauft werden konnte.<br />

Selbst als 1985 die Produktion dank des<br />

gestiegenen Umweltbewußtseins und des<br />

Protestverhaltens der - .. Bürger gesenkt wur-<br />

66<br />

de, ließ sich der Schadstoffausstoß an<br />

Stickoxiden nicht mehr rückgängig machen<br />

und stieg bis zum Ende der DDR-Zeit an.<br />

Nur für die Salpetersäureanlage Süd, deren<br />

Abgasschlot am Schnittpunkt der Fernverkehrsstraßen<br />

F 183 und F 184 schon<br />

überregionale „Berühmtheit“ erlangt hatte<br />

und damit ein Politikum war, kam Mitte<br />

der 80er Jahre die Investitionsentscheidung<br />

für acht neue Kühler, deren Bestellung<br />

schon zehn Jahre zurücklag. Hier wurde<br />

bis 1989 eine drastische Senkung der<br />

Emissionen erreicht.<br />

Insgesamt aber blieb die Umweltsituation<br />

sowohl in Bitterfeld als auch in Wolfen<br />

dadurch gekennzeichnet, daß man lieber<br />

die gesetzlich festgelegten, relativ geringen<br />

Staub- und Abgasgelder zahlte, als Abstriche<br />

an den Planaufgaben zuzulassen.<br />

Diese Abgaben -1986 zum Beispiel<br />

1,4 Mio Mark der DDR -hatten bestenfalls<br />

moralische Wirkung, waren aber aus betriebswirtschaftlicher<br />

Sicht kein bedeutender<br />

Faktor.<br />

Fast zur Selbstverständlichkeit gehörte<br />

es auch, daß bis zu 20 Anlagen ohne, und<br />

über zehn Anlagen mit einer gerade<br />

nochmal erteilten Ausnahmegenehmigung<br />

des Ministeriums für Gesundheitswesen<br />

in Betrieb gehalten wurden. Absurde Ursache<br />

für das hohe Risiko war: Die Plankenn-<br />

Ziffern der Warenproduktion mußten auch<br />

für diese maroden Wracks erbracht werden.<br />

Der Teufelskreis um die Planerfüllung,<br />

koste sie was sie wolle, wurde nicht<br />

durchbrochen.<br />

"Und trotz der guten medizinischen und<br />

sozialen Betreuung der Beschäftigten mit<br />

eigener Betriebspoliklinik, einem ganzen<br />

Arzteteam, regelmäßigen Kuren, den erforderlichen<br />

arbeitshygienischen Messungen,<br />

finanziellem Ausgleich für Geschädigte<br />

und anderen Maßnahmen blieb alles nur<br />

eine Behandlung von Symptomen. An den<br />

wirklichen Ursachen einer vom Plan diktierten<br />

extensiven Produktionsweise und<br />

ihren negativen Auswirkungen für die Umwelt<br />

wurde nichts geändert. Der wirtschaftliche<br />

und politische Niedergang der<br />

DDR setzte seine unmißverständlichen<br />

Zeichen.<br />

(aus: Bitterfelder Chronik, Seite 207-210)


Entwurf Neumeister, H. 1990, nachAngaben von Pelko, P. 1985<br />

Emission von SO2 und Staub <strong>im</strong> Raum Bitterfeld von 1894 bis 1984<br />

(in Millionen Tonnen)<br />

Entwurf Neumeister,H. 1990, nachAngaben von Pelko, P. 1985<br />

Emission von SO2 und Staub <strong>im</strong> Raum Bitterfeld von 1894 bis 1984<br />

(in Millionen Tonnen)<br />

Quelle: Neumeister u.a., S. 7 und 9<br />

67


Sed<strong>im</strong>entation von Flugstaub (cm) lndus trieg e biet Bitterfeld-Grä fen hainich en,<br />

850<br />

Entwurf Neumeister, H. 1990, nach Angaben von Pelko, P. 1985<br />

Deposition Raum Bitterfeld.<br />

-<br />

68<br />

Quelle: Neumeister u.a., S. 10 und 9


Tendenzen der Umweltbelastungen<br />

(Chemiekombinat Bitterfeld bzw. ChemiePark Bitterfeld-Wolfen)<br />

1)Emissionenfür den Standort ohne <strong>Bayer</strong> Bitterfeld GmbH<br />

2) Angaben für das Reinwassernetz<br />

3) Sonderabfälle aus der Produktion der B W , BCG, CP und CBW<br />

4) ohne Gewässervorbelastung<br />

Quelle:<br />

Angaben der ChemiePark Bitterfeld-Wolfen, Abt. Umweltschutz<br />

71


aus: Umweltbericht 1995 des Landes Sachsen-Anhalt, S. 95<br />

72


Landkreis Bitterfeld Untersuchte Deponien undAltablagerungen<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

7<br />

8<br />

9<br />

10<br />

11<br />

12<br />

13<br />

14<br />

15<br />

16<br />

17<br />

18<br />

19<br />

20<br />

21<br />

Grube Antonie<br />

Kippe Grube Greppin<br />

Kippe Johannes<br />

Tongrube Mühlbeck<br />

Deponie Heideloh<br />

Freiheit Ill<br />

Freiheit IV/1<br />

Freiheit IV/2<br />

Titanteich<br />

Althalde Bf.<br />

Sonderdeponie Holzweißig<br />

Grube Johannes Silbersee<br />

Sonderdeponie<br />

Chromteiche<br />

Rieselfelder<br />

,Bergische Kiesgrube<br />

Verspüldeponie Bitterfeld<br />

Tagebaurand Goitsche am Sportplatz<br />

Verfüllung Bitterfeld<br />

Brifa/Bitterfeld<br />

Deponie Reuden<br />

73<br />

22<br />

23<br />

24<br />

25<br />

26<br />

27<br />

28<br />

29<br />

30<br />

31<br />

32<br />

33<br />

34<br />

35<br />

36<br />

37<br />

38<br />

39<br />

40<br />

Kippe Feuerweg-Ost<br />

Deponie Thalhe<strong>im</strong><br />

Alttagebau Herrn.-Vahke-N.<br />

(Motocross-Strecke)<br />

Ehemalige Mülldeponie Bitterfeld<br />

Deponie Siebenhausen<br />

Wolfen-Nord<br />

Tagebaurand Goitsche Große Mühle<br />

Deponie Bobbau<br />

Grube Marie<br />

Klärteich Süd<br />

Zscherndorf-Ost<br />

Deponie Zscherndorf-NE<br />

Zscherndorf-Süd<br />

Ehemalige Grube Schlangengraben<br />

Deponie Sandersdorf<br />

Verspüldeponie Hermine<br />

Grube Auguste-Ost<br />

Deponie Holzweißig<br />

Freiheit II<br />

aus: Nationales Sonderprogramm, S. 42


Wesentliche Altablagerungen und Deponien <strong>im</strong> Kreis Bitterfeld<br />

PrioritätsstufeI:kurzfristiger<br />

PrioritätsstufeII:mittelfristiger Prioritätsstufe III: langfristiger<br />

Handlungsbedarf Handlungsbedarf<br />

Handlungsbedarf<br />

CKW - Chlorkohlenwasserstoffe<br />

PAK-Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe<br />

74<br />

PCDD-Polychlorierte Dibenzodioxine (Dioxine)<br />

HCH - Hexachlorcyclohexan<br />

aus: Nationales Sonderprogramm, S. 35


Kontaminationen<strong>im</strong> Raum Bitterfeld<br />

aus: Umweltbericht 1993 des Landes Sachsen-Anhalt, S. 154<br />

75


Fördermittelfür die ökologische Sanierung<br />

Für die ökologische Sanierung der Chemieregionwurden seit 1991 bis Ende 1995<br />

durch den Haushalt des Ministeriumsfür Raumordnung, Landwirtschaft und Umwelt<br />

707 MillionenDM <strong>im</strong> Rahmen einer Sonderförderung zur Verfügung gestellt. Ab<br />

1996 konnten diese Maßnahmen wegen der bis dahin erreichten Verbesserungen<br />

auf eine normale Landesunterstützung zurückgeführt werden. 1996 und 1997 wurden<br />

<strong>im</strong>merhin noch 78 Millionen DM bereitgestellt. Im <strong>Ein</strong>zelnen ergeben sich folgende<br />

sachlich bzw.territorial bezogene Zuordnungen zu den Fördermaßnahmen:<br />

Fördermaßnahmenin der Chemieregion -sachlich -<br />

Sachgebiete<br />

Trinkwasser<br />

Abwasser<br />

AbfalI/Altlasten<br />

Immission<br />

Naturschutz<br />

Kinderkuren<br />

Wirtschaft<br />

Sonstiges<br />

Forschung<br />

Energie<br />

Gesamt<br />

* Differenzensind durch Rundungen bedingt<br />

Zuwendungen in TDM*<br />

1991 - 1997<br />

43 077<br />

335 266<br />

200 311<br />

54 586<br />

29 190<br />

68 610<br />

21 807<br />

- 24 937<br />

2 877<br />

4 279<br />

784 940<br />

Fördermaßnahmen in der Chemieregion - territorial -<br />

Landkreis/Stadt<br />

BitterfeId<br />

Merseburg-Querfurt<br />

Halle<br />

Saalkreis<br />

Gesamt<br />

* Diferenzen sind durch Rundungen bedingt<br />

Zuwendungen in TDM*<br />

1991 -1997<br />

447 325<br />

118 733<br />

87 990<br />

130 891<br />

784 939<br />

Quelle: Unterlagen des Ministeriums für Raumordnung, Landwirtschaft und Umwelt<br />

des Landes Sachsen-Anhalt<br />

76


3.2 Phosphorproduktion und ihre Folgen ein Beispiel für<br />

erfolgreiche Sanierung belasteter Industrieflächen<br />

Am traditionsreichen <strong>Chemiestandort</strong> Bitterfeldwurden bereits einige große<br />

Industrieflächen <strong>im</strong> Rahmen der Gefahrenabwehr und in Vorbereitung für<br />

Neuansiedlungen saniert. <strong>Ein</strong>er der folgenden Beiträge berichtet über die<br />

Vorgehensweise und Probleme der unter der Leitung der Bitterfelder<br />

Vermögensverwaltung Chemie GmbH erstmals durchgeführten<br />

Komplettsanierung eines Geländes, auf dem Produktionsanlagen für<br />

Phosphor standen, die über einen Zeitraum von 1900 bis 1992<br />

elementaren weißen und roten Phosphor produzierten. (1)<br />

Bei der Sanierung des Geländes wurden in Abhängigkeit der<br />

Kontamination mit weißem Phosphor verschiedene Separierungs- und<br />

Sanierungstechnologien angewandt. Dabei kam der von der BSB<br />

Bodensanierung Bitterfeld neu entwickelten und patentierten<br />

chemisch-physikalischen Behandlung der mit weißem Phosphor<br />

kontaminierten Aushubmaterialien eine besondere Bedeutung zu.<br />

Nach erfolgreichem Abschluß der Sanierungsmaßnahmen konnte der<br />

ehemals phosphorkontaminierte Bereich komplett für eine Neubebauung<br />

freigegeben werden.<br />

(1) Neef, Bergmann, Böhme, Düresch und Kotte: Erstmalige Sanierung einer mit<br />

weißem Phosphor belasteten Industrieflächein Bitterfeld, in:<br />

BrachFlächenRecycling-Recycling DerelichtLand 1/1998<br />

77


Historischer Abriß der Phosphorproduktion<br />

sowie ihre gegenwärtige Bedeutung<br />

Phosphor und seine Verbindungen sind<br />

Ausgangsstoffe für eine Vielzahl von Produkten<br />

<strong>im</strong> zivilen und militärischen Bereich<br />

wie: Düngemittel, Pflanzenschutz- und<br />

Schädlingsbekämpfungsmittel [PSM],<br />

Kunststoffe und Halbleiterwerkstoffe,<br />

Wasch- und Textilhilfsmittel, Schmier- und<br />

Treibstoffzusätze, Pharmazeutische Produkte,<br />

Zündmittel, Brandbomben, Zündmittel<br />

in Sprengstoffen und in Munition,<br />

Nebel- und Rauchmittel sowie chemische<br />

Kampfstoffe.<br />

Die Herstellung von Phosphor aus Roh-<br />

Phosphaten bei Temperaturen >1300°C<br />

erfordert einen hohen Energieaufwand und<br />

verläuft nach folgender Summengleichung:<br />

Ca3(PO4)2 + 3 SIO2 + 5 C -›<br />

3CaSIO3 + 5 CO + 2 P<br />

Die <strong>im</strong> Bitterfelder Raum auf Braunkohlenbasis<br />

zur Verfügung stehende billige<br />

Energie führte daher 1899 zu der Entscheidung<br />

der Chemischen Fabrik Grieshe<strong>im</strong>-<br />

Elektron, in Bitterfeld auf Basis der Entwicklungsarbeiten<br />

von Gustav Pistor und<br />

Julius Lang die Herstellung von Phosphor<br />

nach dem elektrothermischen Verfahren<br />

aufzubauen und die Phosphorproduktion<br />

in Grieshe<strong>im</strong> nach dem alten Retortenverfahren<br />

stillzulegen. Als erste Anlage in<br />

Deutschland wurde am 25. 10. 1900 in Bitterfeld<br />

ein Phosphorgleichstromofen mit<br />

einer Leistung von 250 kW und einer Jahresproduktion<br />

von 150 Tonnen in Betrieb<br />

genommen. Zur Sicherung der Stromversorgung<br />

für diesen ersten Phosphorofen<br />

wurde eine separate Energieerzeugung<br />

[Dampfkessel, Dampfmaschine und Dynamomaschine]<br />

installiert. Gleichzeitig erfolgte<br />

die Produktionsaufnahme von rotem<br />

Phosphor durch Erhitzen von gelbem<br />

Phosphor in Autoklaven unter Luftabschluß<br />

und anschließender Aufarbeitung<br />

[125 kg pro Tag]. Die starke Nachfrage<br />

führte bereits 1901 zur Errichtung eines<br />

zweiten Phosphorofens.<br />

Damit ergab sich in Bitterfeld eine Jahresproduktion<br />

von 300 Tonnen Phosphor<br />

gelb und 100 Tonnen Phosphor rot, was<br />

27 Prozent der damaligen Weltproduktion<br />

entsprach. Die folgenden Jahre brachten<br />

<strong>im</strong> Zusammenhang mit der Rüstungsproduktion<br />

und Aufträgen aus dem Ausland,<br />

besonders aus Rußland und Japan infolge<br />

des russisch-japanischen Krieges [1905]<br />

eine weitere Produktionssteigerung. 1909<br />

kam der erste Drehstromofen zum <strong>Ein</strong>satz<br />

und damit eine Steigerung der Phospohr-<br />

Produktion auf 500 Jahrestonnen. Das <strong>im</strong><br />

Phosphorofen anfallende Kohlenmonoxid<br />

wurde ab 1911 per Rohrleitung von Werk<br />

Süd nach Werk Nord transportiert und zur<br />

Herstellung von Calciumformiat eingesetzt.<br />

Zu Beginn des Ersten Weltkrieges bestand<br />

die Produktionsanlage für gelben.<br />

Phosphor aus einem System von vier Ofen<br />

zu je 250 kW Leistungsaufnahme, die auf<br />

Grund des hohen Militärbedarfes auf 500<br />

kW-Öfen umgerüstet wurden. 1918 existierten<br />

dann bereits fünf Systeme mit ins.<br />

gesamt 20 Öfen mit einer Leistung von je<br />

600 kW. Damit war die Leistungsgrenze<br />

für diesen Ofentyp erreicht. Die Konkurrenzsituation<br />

bei Phosphor führte Gustav<br />

Pistor 1923 zu dem Entschluß, das thermische<br />

Verfahren grundlegend überarbeiten<br />

zu lassen mit dem Ziel, eine Großproduktion<br />

in Öfen mit wesentlich höherer Leistung<br />

zu errichten. Die in den Jahren 1924<br />

bis 1927 von Robert Suchy, Hermann<br />

Lang, Friedbert Ritter, Georg Bartels, Wilhelm<br />

Müller und Jakob Dion unter Leitung<br />

von Gustav Pistor und Unterstützung<br />

durch Ernst Borsbach in Bitterfeld, dem<br />

damals in Deutschland führenden Unternenmen<br />

auf dem Gebiet der Phosphorchem<br />

ie, vorg e no m m men e n En tw ic k I u ngsa rbeiten<br />

führten zu einem neuen Prototyp eines<br />

Phosphorofens mit einer Leistung von<br />

2 500 kW. Dieser 1925 in Bitterfeld errichtete<br />

Ofen war Grundlage für die Entwicklung<br />

von Phosphoröfen mit 10 MW, die<br />

1927 in Piesteritz, dem neuen Standort für<br />

den Ausbau der Phosphorchemie der I.G.<br />

Farbenindustrie, installiert wurden<br />

[4 Öfen]. Aus diesen Forschungsarbeiten<br />

resultierten mehrere bedeutende Patentanmeldungen,<br />

z. B. zur Reinigung der dem<br />

Phosphorofen entströmenden Rohgase<br />

durch eine geheizte Cottrell-Anlage, dem<br />

<strong>Ein</strong>satz von Söderberg-Elektroden mit einer<br />

»Kohlentieffassung« und zur Ofenkonstruktion.<br />

Bis zu diesem Zeitpunkt wurden<br />

von Bitterfelder Fachleuten die entscheidenden<br />

Pionierarbeiten zur Technologie<br />

der Herstellung und den Umgang mit dem<br />

gefährlichen Element Phosphor geleistet.<br />

1938 wurde der USA-Firma Monsanto<br />

gegen Zahlung von einer Million Dollar die<br />

Lizenz für das Bitterfelder Phosphorverfahren<br />

erteilt.<br />

Die Weiterentwicklung der elektrothermischen<br />

Phosphorherstellung machte danach<br />

auch in den USA, in Frankreich und<br />

England Fortschritte. Heute sind Ofenein-<br />

Aus: Bitterfelder Chronik: 100 Jahre <strong>Chemiestandort</strong> Bitterfeld Wolfen,<br />

Hrsg.: Vorstand der Chemie AG, Bitterfeld Wolfen, 1993<br />

78


heiten mit Leistungen bis 70 MW bei einem<br />

Energieaufwand bis 13 000 kWh/t<br />

Phosphor üblich. Das in Piesteritzangewandte<br />

Verfahren zur Herstellungvon<br />

Phosphorsäure durch Verbrennung des<br />

durch Düsen in einen hohen Turm eingespritzten<br />

gelben Phosphorsist ebenfalls<br />

eine Entwicklung aus Bitterfeld [Gustav<br />

Pistor, Robert Suchy, Hermann Lang].<br />

Als erste Phosphorverbindung wurde<br />

1907 die Herstellung von Phosphorsesquisulfid<br />

[P4S3]für die Zündholzfabrikation<br />

durch Umsetzung von gelbem Phosphor<br />

und Schwefel in Bitterfeld aufgenommen.<br />

Im November 1919 folgte eine Anlage zur<br />

Herstellung von Phosphortrichlorid [PCI3]<br />

Mit einer Anfangskapazität von 9 Tonnen<br />

<strong>im</strong> Jahr. Das benötigte Chlor stand aus einer<br />

Produktionaus den Elektrolysen zur<br />

Verfügung. Phosphortrichlorid diente als<br />

Ausgangsstofffür weitere anorganische<br />

[Phosphoroxidchlorid, Phosphorpentachlorid,<br />

phosphirige Säure ] und organische<br />

Phosphorverbindungen sowieals Katalysator<br />

und Chlorierungsmittel. Nach Phosphortrichloridwurde<br />

die Herstellung<br />

weiterer Phosphorverbindungen in unterschiedlichen<br />

Mengenfür kürzere oder Iängere<br />

Zeiträume aufgenommen. 1920<br />

begann die Produktionvon Phosphoroxidchlorid<br />

[POCL3]auf dessen Basis ab 1921<br />

Trikresylphosphat [C6H4-CH3]3PO4 einem<br />

Weichmacher für PVC-Kunststoffe,erzeugt<br />

wurde. Als weitere Produkte kamen<br />

1926 Triphenylphosphat und 1929 Phosphorpentachlorid<br />

[PCI5]hinzu. Obwohl als<br />

Standort für den Ausbau der Phosphorchemie<br />

<strong>im</strong> Rahmen der I.G.Farbenindustrie<br />

Piesteritz gewählt wurde, wurde<br />

auch in Bitterfeld auf Grund des steigenden<br />

Bedarfes an Phosphor für die Herstellung<br />

von Weichmachernfür die aufkommenden<br />

Kunststoffindustrie und für<br />

militärischeZwecke [Vorbereitungdes<br />

Zweiten Weltkrieges] die Phosphorproduktion<br />

bis 1939 weiterbetrieben. Danach<br />

erfolgte die Phosphorversorgung Bitterfelds<br />

aus Piesteritzmittels Kesselwagen.<br />

Die Produktion zur Herstellung von Phosphor<br />

gelb/gereinigt wurde in Bitterfeld<br />

aber weitergeführt. Für die Herstellung<br />

von Phosphor rot wurde in Bitterfeld 1936<br />

bis 1938 das veraltete Autoklavenverfahren<br />

durch eine moderne Technologie der<br />

Umwandlung von gelbem Phosphor durch<br />

Erwärmung in geschlossenen Kugelmühlen<br />

ersetzt.<br />

Die Phosphortrichlorid-Anlagewurde<br />

laufend erweitert und 1938 auf eine teilkontinuierliche<br />

Verfahrensweise umgestellt.<br />

Nach Kriegsende wurden die<br />

Anlagen für die Herstellung von Phosphortrichlorid<br />

und Phosphoroxidchlorid sowie<br />

anderer Phosphorverbindungen als Reparationsleistungen<br />

für die Sowjetunion teilweise<br />

demontiert. <strong>Ein</strong>ige Anlagen wurden<br />

wieder aufgebaut. Die Wiederaufnahme<br />

der 1939 stillgelegten Anlage für die Phosphorproduktion<br />

erfolgte <strong>im</strong> April 1948 in einem<br />

3 MW-Ofen. 1971 wurde die Anlage<br />

Modernisiert [Zentralisierung der Meßwarte<br />

und Rationalisierung des Rohstoffteiles]<br />

und auf 5 MW erweitert. Aus wirtschaftlichen<br />

Gründen mußte jedoch die Phosphor-<br />

Produktion in Bitterfeld [3 kt <strong>im</strong> Jahr] <strong>im</strong><br />

Februar 1990 eingestelltwerden. Der<br />

Phosphorbedarfdes Unternehmens wird<br />

seit diesem Zeitpunkt ausschließlich durch<br />

Importegedeckt.<br />

DieWiederaufnahme der Produktion<br />

von Phosphor rot nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

erfolgte <strong>im</strong> Oktober 1952, wurde<br />

aber auf Grund des technischen Zustandes<br />

der Anlage und aus ökonomischen Gründen<br />

1975 endgültig stillgelegt.<br />

Wegen der ständig steigenden Nachfra-<br />

ge nach Phosphortrichlorid erfolgte 1971<br />

eine Rekonstruktion dieser Anlage unter<br />

<strong>Ein</strong>satz eines in Bitterfeld entwickelten leistungsfähigenTurmreaktors.<br />

Heute stehen<br />

zwei Turmchlorierer mit einer Kapazität von<br />

insgesamt40 kt, die nach einem umweltfreundlichen<br />

Verfahren arbeiten,zur Verfügung.<br />

Das ist die größte Anlage in Europa.<br />

Ausschlaggebendfür die Produktionssteigerung<br />

waren vor allem der Bedarffür<br />

Weichmacherfür Kunststoffeauf PVC-Basis<br />

und für PSM-Wirkstoffe. Mit dem Auf-<br />

Bau der Methylparathionproduktion zur<br />

Herstellung der Wofatoxpräparate wurde in<br />

der Farbenfabrik Wolfen 1950 die Erzeugung<br />

von Phosphorsulfochlorid [PSCL3]<br />

durch Umsetzung von Phosphortrichlorid<br />

mit Schwefel aufgenommen. Mit dem Auslaufen<br />

der Wofatox-Produktion 1992 mußte<br />

diese Anlage stillgelegt werden.<br />

Für die Produktion von Schädlingsbekämpfungsmitteln<br />

wurde in den 50er<br />

Jahren eine Anlage für die Herstellung von<br />

Phosphorpentasulfid [P4S10]errichtet. Nach<br />

der Explosion dieser diskontinuierlichen<br />

Anlage 1958 wurde in Bitterfeld ein neues<br />

kontinuierlichesVerfahren entwickelt, das<br />

1962 in Betrieb ging. 1973 wurde die Anlage<br />

auf eine Kapazität von 10 kt erweitert.<br />

<strong>Ein</strong>e Voraussetzung fürdie Produktion von<br />

Phosphorpentasulfid war die Reinigung<br />

des Phosphors.Auch hier wurde ein eige-<br />

nes, hochleistungsfähigesVerfahren entwickelt,<br />

das 1965 in die Produktion überführt<br />

und ständig verfahrenstechnisch<br />

verbessert wurde. Der gereinigte Phosphorwird<br />

auch an andere Verbraucher verkauft.<br />

Heute werden in Bitterfeld anorganische<br />

Phosphorproduktemit folgenden Kapazitäten<br />

in modernenAnlagen mit rechnergestützten<br />

Prozeßleitsystemen hergestellt:<br />

Phosphortrichlorid40 kt/Jahr,<br />

Phosphoroxidchlorid 4 kt/Jahr,<br />

Phosphorpentasulfid10 kt/Jahr,<br />

Phosphorige Säure 3 kt/Jahr,<br />

Reinigungsanlage für Phosphor 6 kt/Jahr.<br />

Aus: Bitterfelder Chronik: 100 Jahre<strong>Chemiestandort</strong> Bitterfeld Wolfen,<br />

Hrsg.: Vorstand der Chemie AG, Bitterfeld Wolfen, 1993<br />

79


<strong>Ein</strong>en zusammenfassenden Überblick der in Bitterfeld-Wolfen produzierten<br />

Phosphorverbindungen [außer Schädlingsbekämpfungsmitteln] zeigt<br />

folgende Übersicht:<br />

aus: Bitterfelder Chronik: 100 Jahre <strong>Chemiestandort</strong> Bitterfeld Wolfen,<br />

Hrsg.: Vorstand der Chemie AG, Bitterfeld Wolfen, 1993<br />

80


Erstmalige Sanierung einer mit elementaremweißem Phosphor belasteten<br />

Industriefläche in Bitterfeld<br />

ie Gewährleistung der industriellen Wieder-<br />

und Weiternutzung von Altstandorten<br />

fordert von uns, den Umgang mit Kontaminationen<br />

zu lernen. in Bild 1 sind die wichtigsten<br />

altlastenrelevanten Probleme zusammengefaßt, die<br />

bei der Revitalisierung einer alten Industrieansiedlung<br />

gelöst werden müssen.<br />

Für den traditionsreichen <strong>Chemiestandort</strong> Bitterfeld<br />

geht es dabei um<br />

Gefahrenabwehr und Gefahrenvorbeugung für<br />

die geplante Nutzung bei <strong>Ein</strong>haltung und Berücksichtigung<br />

der weiteren relevanten Richtlinien und<br />

gesetzlichen Erfordernisse und um<br />

Schaffung der Voraussetzungen für die Durchführung<br />

von Investitionen, das heißt Beseitigung<br />

von Investitionshemmnissen, Errichtung von neuen<br />

Industrieanlagen und damit Sicherung beziehungsweise<br />

Schaffung neuer Arbeitsplätze.<br />

Bisher wurden beziehungsweise werden unter der<br />

Leitung der Chemiepark Bitterfeld Wolfen GmbH<br />

die folgenden großen Flächen saniert:<br />

Geländezur Vorbereitung der Ansiedlung <strong>Bayer</strong>-<br />

Bitterfeld GmbH;<br />

Gelände zur Vorbereitung der Ansiedlung der<br />

Firma Aus<strong>im</strong>ont;<br />

Gelände Bitterfeld Werk-Nord, Südbereich Ansiedlung<br />

der Firma Hüls AG:<br />

GeländeBitterfeld-Süd,Organische Chlorierungsund<br />

Phosphorchemie (Baufeld A, B und C) Ansiedlung<br />

der Firma Akzo Nobel.<br />

Darüber hinaus wurden für weitere Ansiedlungen<br />

entsprechende Flächen revitalisiert.<br />

Die für den vorliegendenBeitrag relevante Fläche<br />

ist ein Teil der oben genannten Baufelder A bis C <strong>im</strong><br />

Rahmen der Ansiedlung von Akzo Nobel. Auf dieser<br />

Fläche wurde unter anderem fast 80 Jahre lang organische<br />

Chlorierungschemie inklusive ihrer Probleme<br />

hinsichtlich von Gebäude- und Bodenkontaminationen<br />

betrieben. Insbesondere wurden chlorierte Aliphaten<br />

und Aromaten, HCH und DDT sowie weißer<br />

Phosphor und Phosphorsäureester produziert.<br />

Die Grundlagen für die Auswahl dieses Geländes<br />

und die auszuführenden Arbeiten bildeten<br />

der Kaufvertrag mit Akzo Nobel,<br />

das Sanierungsrahmenkonzept Bitterfeld-Wolfen<br />

und<br />

die mit den Behörden abgest<strong>im</strong>mten Sanierungszielsteliungen.<br />

Nach der erfolgreich durchgeführten Sanierung<br />

werden mittlerweile ca. 50 % der oben genannten<br />

Gesamtfläche (ca.6 ha) von einer Neuanlage für die<br />

Herstellung von chemischen Produkten (Phosphor-<br />

Verbindungen) genutzt.<br />

Der vorliegende Beitragberichtet über die Vorbereitung<br />

und Ausführung einer am 15. April 1997<br />

abgeschlossenen, sehr komplizierten. jedoch interessanten<br />

Sanierung einerTeilfläche des Baufelds C,<br />

auf der von 1900 bis 1992 elementarer weißer und<br />

roter Phosphor produziert wurden. Bei dieser Sanierungsmaßnahme<br />

ging es um die umweltgerechte und<br />

sicherheitstechnisch schwierige Entfernung eines<br />

Gefahrenherds. Hierbei handelte es sich um Erdreich,<br />

das mit elementarem weißem/gelbem Phosphor<br />

und zum Teilmit rotem Phosphor kontaminiert<br />

war und in Tiefen von 0,2 bis ca. 5 m unter Geländeoberkante<br />

(GOK) vorlag. Die potentiell kontaminierte<br />

Aushubmenge umfaßte ca. 4 800 t mit einem<br />

Gehalt an elementarem Phosphor von durchschnittlich<br />

1,5 %, mit einem Schwankungsbereich von ca.<br />

0,1 bis 75 % Phosphor.<br />

Obwohl der Phosphor nicht unmittelbar an der<br />

Bodenoberflächeanstand,wardielatenteGefahr der<br />

Entzündung und bei Trockenheit sogar die akute<br />

Gefahr der Selbstentzündung gegeben. Deshalb<br />

wurdedie Sanierung dieser Fläche auch als Bestandteil<br />

des Rahmensanierungskonzepts zur Gefahrenabwehr<br />

eingestuft. Diese Maßnahme stellt die erstmalige<br />

Komplettsanierung eines Geländes, das in<br />

der Vergangenheit für die Produktion elementaren<br />

weißen Phosphors genutzt wurde, dar.<br />

Sanierungsuntersuchung<br />

Weißer Phosphor ist chemisch äußerst reaktionsfähig.<br />

Im feinverteilten Zustand entzündet er sich an<br />

der Luft schon bei Z<strong>im</strong>mertemperatur und in kompakterFormwenigoberhalb<br />

50 oC von seIbst. Andere<br />

äußere Energieeinwirkungen können diese Schwelle<br />

beträchtlich herabsetzen. Die Verbrennung erfolgt<br />

dabei mit intensiver Leuchtkraft und Wärmeentwicklung<br />

und kann auf der Haut tiefgehende<br />

gefährliche Brandwunden erzeugen. Bei der Verbrennung<br />

entstehen starke Nebel von Phosphorpentoxid<br />

beziehungsweise Phosphorsäure. Weißer Phosphor<br />

ist sehr giftig. <strong>Ein</strong>e orale Aufnahme kann be<strong>im</strong><br />

MenschenunterUmständenzu Atemlähmung,übelkeit,<br />

Durchfall und Nierenschäden führen.<br />

Anhand einer historischen Recherche wurde das<br />

mögliche Schadstoffpotential des Gefahrenherds<br />

ermittelt und daraus ableitend versucht, nähere Hinweise<br />

auf kontaminierte Bereiche zu erhalten. Es<br />

konnte eingeschätzt werden,daß für eineBewertung<br />

nur der Gehalt an weißem Phosphor von Bedeutung<br />

ist, roter Phosphor und andere Modifikationen nur<br />

<strong>im</strong> Gemisch mit weißem Phosphor relevant sind.<br />

ImRahmen der Gefährdungsabschstzung undder<br />

Sanierungsuntersuchung des Geländes des ehemaligen<br />

Phosphorbeuiebserfolgte mit Hilfe von Rammkernsondierungen,<br />

die bis in ca. 5 m, teilweise sogar<br />

bis in 7 m Tiefe reichten, eine detaillierte Untersu-<br />

chung des Untergrunds auf das Vorhandensein von<br />

weißem Phosphor. Äußerlich erkennbare verschlossene,<br />

mit Phosphorresten gefüllte Schlammgruben<br />

und Teile der Gebäudesubstanz wurden ebenfalls<br />

diesbezüglich untersucht.<br />

Neef, Bergmann, Böhme, Miresch, Kotte: Erstmalige Sanierung einer mit elementaremweißem<br />

Phosphor belasteten Industriefläche in Bitterfeld,<br />

in :Recycling Derelictland 1/1998<br />

81


Trotz des früher sehr hohen Bebauungsgrads mit<br />

den entsprechenden zum Teil unbekannten Fundamenten<br />

gelang es weitgehend, die mit weißem Phosphor<br />

kontaminierten Bereiche in ihrer flächenmäßigen<br />

Ausdehnung zu lokalisieren und einzugrenzen.<br />

Die in relativ dichten Abständen durchgeführten<br />

qualitativen beziehungsweise halbqualitativen Best<strong>im</strong>mungendesweißenPhosphors<br />

waren durch den<br />

<strong>Ein</strong>satz einer empirisch entwickeltenSchnellmethode,<br />

der sogenannten Brennprobe, möglich. Anhand<br />

dieser Ergebnisse wurden Belastungskarten erstellt,<br />

welche die horizontale und vertikale Ausdehnung<br />

der Kontaminationen zeigten.<br />

Die Hauptbelastungsbereiche konzentrierten sich<br />

auf das Sed<strong>im</strong>ent eines Abwasserkanals (Teilfläche<br />

A) sowie zwei Bereiche nördlich des ehemaligen<br />

Phosphorbetriebs. Die festgestellten Belastungen in<br />

diesen Bereichen mußten als hoch bis sehr hoch<br />

eingestuft werden. Zum Teil wurden Linsen mit<br />

reinem Phosphor gefunden.<br />

Später stellte sich <strong>im</strong> Verlauf der Sanierung heraus,<br />

daß bei den Sanierungsuntersuchungen aus objektiven<br />

Gründen nicht alle Kontaminationen in ihrer<br />

horizontalen und insbesondere vertikalen Ausdehnung<br />

erfaßt werden konnten (Bild 2). Das lag<br />

unter anderem an folgenden Problemen:<br />

Die <strong>im</strong> Rahmen der Erkundung durchgeführten<br />

Rammkemsondierungenmußten be<strong>im</strong> Erreichenvon<br />

Fundamenten, die bis zu ca. 1 m mächtig waren,<br />

abgebrochen werden;<br />

Innerhalb und unterhalb eines Teils dieser Fundamente<br />

wurden während der Sanierungsarbeitenhohe<br />

Phosphorkontaminationen nachgewiesen;<br />

Revitalisierung<br />

Cebäude/Außenanlagen Boden<br />

- Gefahrenabwehr<br />

- Arbeitshygienische Probleme<br />

- Rückbau<br />

- Gefahrenabwehr<br />

- Arbeitshygienische Probleme<br />

- Wiederbebaubarkeit<br />

Reststofie in Lägern Kontaminationen<br />

[Akzeptanzwerte]<br />

0 Reststoffe in Ausrüstungen Bauphysikalische Probleme<br />

Kontaminationen<br />

-der Ausrüstungen Bild 1. Die wichtig-<br />

[AusmauerunglAuskleidung]<br />

oberflächennahe(Staubablagerungen)<br />

-der Baumaterialien<br />

-der Gebäude<br />

-der Fundamente<br />

sten altlastenrelevanten<br />

Probleme,<br />

die bei der Revitalisierung<br />

einer alten<br />

-desanliegenden Erdstoffs lndustrieansiedlung<br />

-der Kanäle<br />

gelöst werden<br />

müssen.<br />

Grundwasser<br />

- Gefahrenabwehr<br />

- Wiederbebaubarkeit<br />

- Grundwasserstand<br />

Kontaminationen<br />

Probleme<br />

- bauchemisch<br />

- bauphysikalisch<br />

- arbeitshygienisch<br />

Neef, Bergmann, Böhme, Düresch, Kotte: Erstmalige Sanierung einer mit elementarem weißem<br />

Phosphor belasteten Industriefläche in Bitterfeld,<br />

in :Recycling Derelictland 1/1998<br />

82


<strong>Ein</strong>e hohe Anzahl von in Bauzeichnungen nicht<br />

dokumentierten alten Gruben waren mit Phosphorschlamm<br />

beziehungsweise Phosphorabfallen verfüllt,<br />

teilweise erdverschüttet beziehungsweise befanden<br />

sich unter alten Fundamenten, die zum Teil<br />

später überbaut wurden;<br />

Während der Produktionsphase wurden zahlreiche<br />

Rohrleitungen, nachdem sie mit Phosphorschlamm<br />

zugesetzt waren, einfach <strong>im</strong> Boden belassen<br />

und durch neue ersetzt. Die alten Rohre waren<br />

zudem häufig defekt, so daß phosphorbelastete<br />

Schlammsuspensionen in das umgebende Erdreich<br />

eindringen konnten.<br />

<strong>Ein</strong>e Erklärung für die ungewöhnliche Ausbreitung<br />

der Kontaminationen durch weißen Phosphor<br />

ergibt sich unter anderem daraus, daß<br />

Phosphorschlämme in der Vergangenheit direkt<br />

in gemauerten Grubensystemen und erdverschütteten<br />

Gruben abgelagert (entsorgt) wurden.<br />

Bild 2. Übersicht<br />

der Teil- und Zusatzflächen<br />

des Sanierungsprojekts<br />

(Stand 15. April 1997)<br />

Abwässer früher warm beziehungsweise sogar<br />

heiß abgeführt wurden,<br />

Phosphorpartikel <strong>im</strong> Rahmen des Produktions-<br />

Prozesses durch Produktionswasser in das Abwassersystem<br />

gelangen konnten und<br />

geschmolzener weißer Phosphor eine sehr niedrige<br />

Viskosität und Oberflächenspannung besitzt,<br />

wodurch er selbst Mauerwerk und feinste Haarrisse<br />

diffundieren kann.<br />

Sanierungszielstellung<br />

In einschläsigenVeröffentlichungen zur Bewertung<br />

von Bodenkontaminationen ist der weiße Phosphor<br />

ais Schadstoff nicht enthalten. Es gibt somit keine<br />

Grenz- oder Richtwerte, die ais Anhaltspunkte für<br />

eine Festlegung der Sanierungsnotwendigkeit dienen<br />

könnten. Im Rahmen der Sanierungsuntersuchung<br />

wurde in enger Zusammenarbeit mit dem<br />

Neef, Bergmann, Böhme, Düresch, Kotte: Erstmalige Sanierung einer mit elementaremweißem<br />

Phosphor belasteten Industriefläche in Bitterfeld,<br />

in :Recycling Derelictland 1/1998<br />

83


Ingenieurbüro für Systemtechnik, Quedlinburg, der<br />

Versuch unternommen, eine Grenze festzulegen, die<br />

Gefährdungen, insbesondere auch bei der Verbringung<br />

von Aushubmaterialien, ausschließt, aberauch<br />

eine praktische Umsetzung zuläßt. Als Ergebnis<br />

dieser Arbeiten wurde auf der Basis der bereits<br />

erwähnten Brennprobe als Schwellenwert für den<br />

erforderlichen Aushub von phosphorkontaminiertem<br />

Material ein noch zu akzeptierender Gehalt von<br />

max<strong>im</strong>al ca. 0,l % Phosphorwciß <strong>im</strong> Boden vorgeschlagen.<br />

Des weiteren wurde in Übereinst<strong>im</strong>mung<br />

mit dem Sanierungsrahmenkonzept hinsichtlich der<br />

großräumigen Situation Grundwasser in Bitterfeld<br />

und Umgebung und seiner Entwicklung zurVermeidung<br />

von Gefährdungen vorgeschlagen, potentiell<br />

phosphorkontaminierten Aushub bis zu einer Tiefe<br />

von 0,5 m unterGrundwasseroberkante zu entfernen<br />

und zu entsorgen.<br />

Diese Zielstellungen wurden von der Gefahrenabwehrbehörde<br />

bestätigt und bildeten die Basis für<br />

das Sanierungskonzept.<br />

Sanierungsdurchführung<br />

Neef, Bergmann, Böhme, Wresch, Kotte: Erstmalige Sanierung einer mit elementarem weißem<br />

Phosphorbelasteten IndustrieflächeinBitterfeld,<br />

in :Recycling Derelictland 1/1998<br />

84


Neef, Bergmann, Böhme, Duresch, Kotte: Erstmalige Sanierung einer mit elementarem weißem<br />

Phosphor belasteten Industriefläche in Bitterfeld,<br />

in :Recycling Derelictland 1/1998<br />

85


sätzlich kam es darauf an, die anfallenden Aushubmassen<br />

so zu selektieren, daß der phosphorkontaminierte<br />

Anteil - der wesentliche Kostenfaktor-unter<br />

Beachtung der Sanierungszielstellung min<strong>im</strong>iert<br />

wurde. Diesem Ziel dienten die laufenden Kontrollen<br />

der anstehenden und geborgenen Aushubmateriaiien<br />

mittels Brennprobe. Bereits in dieser Phase<br />

erfolgte eine Trennung von<br />

nicht belastetem Material (< 0.1% Phosphor),<br />

schwächer belastetem Material (0,l bis 10%<br />

Phosphor) und<br />

stark belastetem Material (> 10 % Phosphor).<br />

Das nicht kontaminierte Material wurde umgehend,<br />

entsprechend dem gültigen Entsorgungsnachweis,<br />

auf einer zugelassenen Deponie abgelagert.<br />

Der schwächer belastete Aushub wurde in 15t-fassende,<br />

zum Teil mit Wasser gefüllte Transportcontainer<br />

gefüllt, die zur chemisch-physikalischen<br />

Behandlungsanlage transportiert wurden. Stark<br />

belastetes Gut wurde in wassergefüllte 60-1-Plastikfasser<br />

mit Überfaß und UN-Codierung überführt und<br />

zur Entsorgung in eine Sonderabfallverbrennungsanlage<br />

(SAV) gebracht.<br />

Bei diesem Handling hat sich die in den Bildern 4<br />

bis 7 dargestellte Vorgehensweise, die in ihrer endgültigen<br />

Form auf der Basis der gewonnenen Erfahrungen<br />

festgelegt wurde. insgesamt sehr gut bewährt.<br />

Zur Verhinderung von Entstehungsbränden und<br />

zur Vermeidung von Phosphorpentoxid-Nebel-Be-<br />

Iästigungen stellten Wasser als Sprühstrahl und das<br />

Abdecken mit feuchtem Sand die wichtigsten Hilfsmittel<br />

dar.<br />

Sanierungsdurchführung<br />

Sicherheitskonzeption<br />

Vor Beginn der Arbeiten wurde dem Auftragnehmer<br />

eine vom Auftraggeber erarbeitete Sicherheitskonzeption<br />

I für die ,.Sicherung/Sanierung der Phosphorablagerungen<br />

Werksteil Süd", die unter anderem<br />

mit dem Gewerbeaufsichtsamt abgest<strong>im</strong>mt worden<br />

war und welche die wesentlichen sicherheitsrelevanten<br />

Aufgabenstellungen enthielt, ausgehändigt.<br />

Daraufhin erarbeitete der Auftragnehmer eine Sicherheitskonzeption<br />

II ,,Arbeitsschutzkonzeption<br />

zum Bergen, Verpacken, Behandeln und Entsorgen<br />

phosphorbelasteter Aushubmassen", die Sicherheitstechnische<br />

Festlegungen für seine Arbeitnehmer<br />

enthielt und in der die Hinweise der Sicherheitskonzeption<br />

I umgesetzt waren (Bild 3).<br />

Aushub und Handling<br />

Aufgrund der Besonderheiten der Kontaminationen<br />

durch elementaren Phosphor war es oberstes Prinzip,<br />

Brände zu verhindern und Belästigungen durch<br />

P2O5-Nebel weitgehend zu vermeiden, insbesondere<br />

<strong>im</strong> Hinblick auf die <strong>im</strong> Umfeld bereits angesiedelten<br />

Betriebe. Es war zu berücksichtigen, daß während<br />

der Aushubarbeiten mit lokalen Kontaminationen,<br />

die <strong>im</strong> Rahmen der Sanierungsuntersuchungen nicht<br />

erkannt wurden beziehungsweise nicht erkannt werden<br />

konnten. zu rechnen war.<br />

Das Gelände war viele Jahrzehnte lang für verschiedene<br />

Produktionen industriell genutzt worden.<br />

Unterschiedliche Herstellungstechnologien wurden<br />

zurProduktion vonPhosphor angewendet, weshalb<br />

mit einer Vielzahl von unbekannten Fundamenten<br />

Gruben und Rohrleitungen gerechnet werden mußte.<br />

Aus diesen Gründen waren verschiedene spezifische<br />

Vorgehensweisen bei der Bergung der phosphorkontaminierten<br />

Materialien erforderlich.<br />

Chemisch-physikalische Behandlung<br />

der schwächer belasteten Aushubmaterialien<br />

(bis ca. 10 % Phosphor)<br />

Bei der angewandten Technologie der Phosphorbodensanierung<br />

(Bilder 8 und 9) handelt es sich um ein<br />

patentrechtlich geschütztes Verfahren. Diese Entwicklung<br />

der Bodensanierung Bitterfeld GmbH basiert<br />

auf der möglichen Steuerung der Oxidation von<br />

elementarem weißem Phosphor mittels Wasserstoffperoxid<br />

(H 2O 2) <strong>im</strong> wässrigen Medium unter Zugabe<br />

von speziellen Zusätzen (Bild 10). Zur Steuerung<br />

und Opt<strong>im</strong>ierung des Verfahrens wird bei jeder<br />

Charge der Phosphorgehalt best<strong>im</strong>mt. Die bei der<br />

Reaktion entstehende Phosphorsäure wird nach Beendigung<br />

der Gesamtreaktion (Zielstellung 0,l %<br />

Phosphor. erreicht werden ca. 0,001 % Phosphor)<br />

durch Zugabe von Ca (OH) 2 neutralisiert. Der Feststoffanteil<br />

der Gesamtsuspension wird danach von<br />

der Flüssiskeit getrennt und der Feststoff ordnungsgemäß<br />

entsorgt (Deponierung). DieFlüssigkeit wird<br />

zum Teil <strong>im</strong> Kreislauf zum Anmischen neuer Reaktionsansätze<br />

eingesetzt beziehungsweise zur Vemngerung<br />

des Neutralsalzgehalts ausgekreist.<br />

Die mögliche Bildung von Emissionen durch die<br />

Wasserdampfflüchtigkeit des Phosphors wird durch<br />

die angewandten Reaktionsbedingungen und den<br />

hohen Sauerstoffüberschuß verhindert. Das Gleiche<br />

gilt für die weitestgehende Vermeidung der Phosphonvasserstoffbildung.<br />

Darüber hinaus erfolgt eine<br />

Behandlung der Abgase über Aktivkohle.<br />

Entsorgung der stark belasteten Aushubmaterialien<br />

(> 10 % Phosphor)<br />

Die Entsorgung des Aushubs mit Phosphorgehalten<br />

> 10 % erfolgte in einer thermischen Entsorgungsanlage<br />

eines großen Chemieuntemehmens.<br />

Neef, Bergmann, Böhme, Miresch, Kotte: Erstmalige Sanierung einer mit elementarem weißem<br />

Phosphor belasteten Industriefläche in Bitterfeld,<br />

in :Recycling Derelictland 1/1998


Bild 9. Mengenflußdiagramm<br />

der<br />

Phosphorboden-<br />

Sanierung.<br />

Neef, Bergmann, Böhme, Düresch, Kotte: Erstmalige Sanierung einer mit elementarem weißem<br />

Phosphor belasteten Industriefläche in Bitterfeld,<br />

in :Recycling Derelictland 1/1998 87


Chemisch -physikalische BehandlungI<br />

mitweißem Phosphor<br />

kontaminierterFeststoffe<br />

Bild 1O. Chemischphysikalische<br />

Behandlungder mit<br />

weißem Phosphor<br />

kontaminierten<br />

Feststoffe.<br />

Bild 11. Aufgaben<br />

des Gutachters <strong>im</strong><br />

Rahmen der Sanierungsdurchführung.<br />

Ergebnis<br />

Im Rahmen der Sanierungsaufgabe wurde das Gelände<br />

bis ca. 0,5 m unter dem Grundwasserschwankungsbereich<br />

und bis ca. 33 m unter GOK von<br />

Phosphordekontaminiert. Nach der Separierung von<br />

unbelastetem Material wurden 4725 t phosphorkontaminiertes<br />

Erdreich und Bauschutt mit einem<br />

Gehalt > 0.1 % Phosphor geborgen und in der chemisch-physikalischen<br />

Anlage dekontaminiert beziehungsweise<br />

in der SAV entsorgt. Der Gehalt der<br />

belasteten beziehungsweise entsorgten Aushubmaterialien<br />

an elementarem Phosphorweiß betrug insgesamt<br />

ca. 125 t.<br />

Die Gesamfläche des Baufelds C, einschließlich<br />

der ehemals phosphorkontarninierten Bereiche, ist<br />

komplett fur eine Neubebauung vorbereitet.<br />

Zur Gewährleismng der Qualität der Sanierung,<br />

ais Voraussetzung für die Abnahme des Geländes<br />

durch den Käufer gemäß Kaufvertrag, wurde der<br />

TÜV Rheinland Berlin-Brandenburg mit dem Unterauftragnehmer<br />

WOSAB Sanierungsberatung<br />

Wolfen GmbH als Gutachter eingesetzt. Die Aufgaben<br />

des Gutachters <strong>im</strong> Rahmen der Sanierungsdurchführung<br />

sind in Bild 11 zusammengefaßt.<br />

Die Kontrolle des Regierungspräsidiums Dessau<br />

nahm ein Supponer (BGI Ingenieurgesellschaft mbH,<br />

Bergwitz) wahr.<br />

Die spezielle Analytik, insbesondere die quantitative<br />

Phosphorbesummung, übernahm die Firma<br />

Wolfener Umweltanalytik GmbH.<br />

Den Aushub des nichtkontaminierten Materials<br />

führten die beiden Firmen Erd- und Tiefbau Bitterfeld<br />

GmbH und Bodensanierung Bitterfeld GmbH in<br />

enger Zusammenarbeit durch.<br />

Die Firma Akzo Nobel unterstützte die Arbeiten<br />

durch viele wertvolle Hinweise zum Umgang mit<br />

elementarem Phosphor und durch ihr Verständnis<br />

für die bei den Arbeiten auftretenden Probleme.<br />

Die zuständigen Behörden, insbesondere die Bundesanstalt<br />

für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben,<br />

das Regierungspräsidium Dessau, das Staatliche Amt<br />

für Umwelt Dessau-Wittenberg und das Landratsamt<br />

Bitterfeld als Gefahrenabwehrbehörde, machten<br />

das Vorhaben erst durch die in Vorbereitung<br />

getroffenen und während der Durchführung der Arbeiter.<br />

notwendigen weiteren Entscheidungen möglich.<br />

Neef, Bergmann, Böhme, Düresch, Kotte: Erstmalige Sanierung einer mit elementarem weißem<br />

Phosphor belasteten Industriefläche in Bitterfeld,<br />

in :Recycling Derelictland 1/1998<br />

88


3.3 Beispiele für Altlasten, Grube Antonie<br />

Schnellstmöglich muss bei der Grube Antonie gehandelt werden, da der Boden dort<br />

bis in 60 Meter Tiefe mit chlororganischen Verbindungen belastet ist. Die wohl<br />

schl<strong>im</strong>mste Altlast Sachsen-Anhalts liegt westlich des Werksteils Bitterfeld-Mitte der<br />

Chemie GmbH und ist eine ehemalige Braunkohlengrube. Sie umschließt zusammen<br />

mit der angrenzenden Fäkalgrube Marie eine Fläche von 31 Hektar. Die Grube ist<br />

sei 1914 ausgekohlt. Bis 1965 wurden Chemieabfälle und Bauschutt abgelagert,<br />

später Abfälle aus der Lindanproduktion. Hier lagern davon ca. 70.000 Tonnen.<br />

Die ausgekohlte Grube Antonie (1927 Tagebaubetrieb) an der Bitterfelder Stadtgrenze,<br />

unmittelbar westlich des Werksteils Bitterfeld-Mitte der Chemie GmbH, wurde<br />

beginnend vor dem 2. Weltkrieg mit Abraum und insbesondere nach 1950 mit<br />

Abfällen aus der chemischen Industrie verfüllt. <strong>Ein</strong>e genaue Kenntnis des Deponieinhalts<br />

liegt nicht vor, erst ab 1975 wurden Dokumentationen geführt.<br />

Die Grube lässt sich in verschiedene Teilbereiche untergliedern. Im Nordosten befinden<br />

sich mehrere Absatzbecken, <strong>im</strong> südlich angrenzenden Bereich wurden Manganschlämme<br />

deponiert. Im nordwestlichen Teilbereich befinden sich konzentrierte<br />

Hexachlorcyclohexan (HCH)-Rückstände, südlich davon liegen HCH-Rückstände<br />

vermengt mit Bauschutt und festen Industrieabfällen. In der südlichen Teilfläche befinden<br />

sich eine Fäkaliengrube und der Fäkalienteich Grube Marie.<br />

Als Hauptinhaltsstoff und auch Hauptgefährdungspotential der Deponie sind die zirka<br />

70.000 Tonnen Hexachlorcyclohexan-Rückstände zu beachten, die seit 1950 in<br />

das Tagebaurestloch eingebracht worden sind. Doch die Grube weist weitere 30<br />

lnhaltsstoffe auf, unter anderem:<br />

75.000 t Schlämme aus der Neutraanlage Nord<br />

21 .000 t Entfallschwefelsäure mit chlorierten Toluolen<br />

1.500 t teerartige Rückstände<br />

1.000 t Destillationsrückstände<br />

4.800 t Hexachloräthanabfälle<br />

975 t Benzychloridrückstände.<br />

Die Deponate und der teilweise eingelagerte Abraum haben eine Mächtigkeit von 15<br />

bis 20 Meter. Darunter befindet sich eine Gl<strong>im</strong>mersandschicht von etwa 40 Meter<br />

Mächtigkeit und der 10 bis 20 Meter starke Rupelton. Der Deponiefuß befindet sich<br />

<strong>im</strong> Grundwasser, das in zirka 12 Meter unter Gelände ansteht.<br />

Es ist bisher noch nicht möglich, die Grube Antonie von benachbarten Altablagerungen<br />

<strong>im</strong> Werksgelände (Halte Verladebahnhof, Titanteich, Klärteiche Süd) und<br />

Grundwasserbelastungen durch kontaminierte Betriebsflächen abzugrenzen. Bohrungen<br />

haben ergeben, dass die Kontaminationen bis zur Basis der tertiären Gl<strong>im</strong>mersande<br />

reichen, wobei die feinsandigen Tertiärschichten offenbar stärker belastet<br />

sind als die sandig-kiesigen Quartär-Ablagerungen. Bis zu einer Tiefe von 58 Metern<br />

reichen die Hexachlorcyclohexan-Isomere.<br />

89


Der Abstrombereich <strong>im</strong> Quartärschotter weist starke Belastungen durch Zink, Nickel,<br />

organische Halogenide und Chloride auf. Außerdem wurden hohe Konzentrationen<br />

für Stickstoff, Quecksilber und HCH nachgewiesen.<br />

Der Tertiär-Äquifer ist vor allem durch organische Halogenide, Monochlorphenol,<br />

Chemischen Sauerstoffbedarf, Phenole, Arsen, Blei, Chlor, Fluor, Stickstoffdioxid<br />

und Chloral belastet.<br />

Durch Ausgasungen an die Atmosphäre und Belastungen des Grundwassers liegt<br />

ein sehr hohes Gefahrenpotentialvor. Die Untersuchungen des Bitterfelder Projektes<br />

,,Ökologische Iststandsanalyse"haben die Grube Antonie deshalb an die Spitze<br />

aller Altablagerungen <strong>im</strong> Landkreis Bitterfeld gestellt. Die Grube best<strong>im</strong>mt maßgeblich<br />

die Schadstoffbelastungdes Grundwassers, das in Richtung Nord-Ost (Greppin,<br />

Naturschutzgebiet Salegaster Forst) strömt. Die <strong>Ein</strong>stellung des Braunkohlentagebaus<br />

und damit die Sümpfungsmaßnahmen <strong>im</strong> Westen (Köckern) der Altablagerung<br />

kann den Schadstoffaustrag wesentlich verstärken. Sicherungs- und Sanierungsmaßnahmen<br />

sind zwingend erforderlich.<br />

Zunächst benötigt die Grube Antonie eine Oberflächenabdeckung. Aufgrund der<br />

unterschiedlichen Deponiebereiche (Klärteiche, HCH-Ablagerungen, Fäkalienteiche)<br />

muss mit unterschiedlichen Setzungsverhalten gerechnet werden. Daher ist eine<br />

flächenhaft differenzierte Abdeckung vorzusehen. Sie soll auf der Basis von<br />

Montanwachs und speziellen Polymersilicatenerreicht werden. Es handelt sich dabei<br />

um neuartige Dichtmaterialien.Weiterhin muss der Deponiekörper <strong>im</strong> Grundwasseranstrombereich<br />

ebenfalls durch diese Dichtstoffe abgeschottet werden.<br />

Vorgesehen ist dann die biologische Behandlung des aus dem Deponiekörper geförderten<br />

Grundwassers außerhalb der Deponie in einem Bioreaktor und eine anschließende<br />

Abführung in den Vorfluter nach einer Zusatzbehandlung.<br />

<strong>Ein</strong>e Sanierung der Grube ist aus ökonomischen Gründen in absehbarer Zeit kaum<br />

durchführbar. <strong>Ein</strong>e Ausnahme bildet die HCH-Monodeponie (etwa 20.000 Kubikmeter),<br />

die eventuell ausgehoben und durch Verbrennung direkt entsorgt werden kann.<br />

Auf jeden Fall soll außerdem durch die gezielte Auslaugung des Altlastkörpers eine<br />

schrittweise Reduzierung des Schadstoff inventars vorgenommen werden.<br />

Ziel ist es, dass von der Altablagerung mit der größten Schadstofflast <strong>im</strong> Raum Bitterfeld/Wolfen<br />

keinerlei Gefährdungen für den Menschen ausgehen.<br />

(aus: Ministeriumfür Umwelt, Naturschutz und Raumordnung des Landes Sachsen-<br />

Anhalt: Nationales Sonderprogramm, S. 35, 37, 38)<br />

90


Sanierungs- und Sicherungsschritte Grube Antonie<br />

Die Sanierungs- und Sicherungsschritte der Grube Antonie. Aus ökonomischen Gründen ist eine Sanierung in absehbarer Zeit nicht<br />

möglich. Gegenwärtig vollziehen sich Maßnahmen zur <strong>Ein</strong>kapselung des Deponieinhalts.<br />

aus: Min. f. Umwelt, Naturschutz und<br />

Raumordnung des Landes Sachsen-Anhalt:<br />

Nationales Sonderprogramm,


Die Deponie Johannes, der Silbersee, ein<br />

Beispiel für Sanierungsprobleme<br />

Der Schlammteich Grube Johannes ist als "Silbersee" zu überregionaler<br />

Bekanntheit gelangt und wurde dadurch zum Symbol der jahrzehntelang<br />

verfehlten Umweltpolitik in der lndustrieregion Bitterfeld-Wolfen.<br />

Vor mehr als 150 Jahren entstand die Grube Johannes infolge der<br />

Gewinnung von Braunkohle <strong>im</strong> Tagebau. In den Jahren von 1921 bis 1990<br />

diente sie zur Verspülung von völlig unbehandelten Abwässern aus der<br />

Filmfabrik. Dabei entstand aus Ligninschlamm durch chemische<br />

Reaktionen eine gelartige toxische Flüssigkeit, die<br />

Volksmund den Namen "Silbersee" einbrachte.<br />

der Grube <strong>im</strong><br />

Der See n<strong>im</strong>mt heute eine Fläche von ca. 27 ha ein und enthält ca. 2,1<br />

Mio. m Schlamm in Schichten bis zu m.<br />

3<br />

12<br />

Seit Anfang der 60iger Jahre führten mikrobielle Prozesse zur Freisetzung<br />

von Schwefelwasserstoff aus dem Schlammträger und damit zur<br />

erheblichen Belästigung der Anwohner. Nach Stillegung der<br />

Produktionsanlagen <strong>im</strong> Jahre 1987 wurden kurzfristig erste Maßnahmen<br />

zur Sicherung der Deponie eingeleitet, um die Emission geruchsintensiver<br />

Gase zu verhindern.<br />

Ab 1990 -nach der Wende - führte man zahlreiche Untersuchungen zur<br />

Gefährdungsabschätzungder Grube Johannes durch.<br />

Die Erstbewertung des Gefährdungspotentials der Grube kam zu der<br />

Aussage, dass der Schlammkörper als deutlich bis stark kontaminiert<br />

angesprochen werden kann, während die dortigen Schadstoffe jedoch<br />

nachgewiesenermaßen bisher fixiert zu sein scheinen. Im<br />

Grundwasserabstrom ist bislang noch keine Anreicherung mit den aufgrund<br />

des Schadstoffinventars des Schlammteiches zu erwartenden Stoffgruppen<br />

festgestellt worden, die wesentlich über das Maß der erheblichen<br />

Hintergrundbelastung hinausgehen.<br />

Wenn auch zur Zeit keine akute Gefährdung durch die Schadstoffe <strong>im</strong><br />

Schlamm besteht, sollte die Sanierung mittel- bis langfristig angestrebt<br />

werden. Nur Proben der oberen Schlammzonen konnten bisher untersucht<br />

werden, wobei innerhalb weniger Zent<strong>im</strong>eter enorme<br />

Konzentrationsunterschiede auftraten. Die Übertragbarkeit chemischer und<br />

biologischer Prozesse auf den gesamten Schlammkörper scheint nicht<br />

möglich zu sein. Langfristig ist eine Abschätzung des Gefahrenpotentials<br />

nur schwer möglich.<br />

92


Das anzustrebende Ziel der Sanierung muß also die Dekontamination des<br />

Ligninschlammes sein.<br />

Die Totalsanierung durch thermische Verfahren ist aufgrund der riesigen<br />

Schlammenge und der fehlenden Infrastruktur -in Form von geeigneten<br />

Verbrennungsanlagen- kurzfristig nicht realisierbar. Andere technische<br />

Verfahren benötigen aufwendige Anlagenkonstruktionen und kommen<br />

daher nicht in Frage. Zur Zeit ermöglichen neben<br />

Dammsicherungsmaßnahmen nur biologische Konzepte eine<br />

Sofortsicherung der Deponie. Dazu sind die technische Belüftung des<br />

vorhandenen Wassersaumes sowie die Bereitstellung von geeigneten<br />

Aufwuchsflächen für die Mikrobiologieerforderlich.<br />

Während der Durchführung der Sicherungsmaßnahmen ist eine ständige<br />

meßtechnische Überwachung notwendig und wird durch "Vor-Ort-Analytik"<br />

geleistet.<br />

Die Sanierung dieses Gebietes ist unbedingt erforderlich, wenn man die<br />

Lebensqualität zukünftiger Generationen erhalten will.<br />

Um Umweltsünden vergangener Zeiten in Zukunft zu vermeiden, wird <strong>im</strong><br />

ChemiePark Bitterfeld zur Zeit ein Verbundsystem aufgebaut, das<br />

Chemieabfälle stark reduziert - ein hoffnungsvolles Konzept für die Zukunft.<br />

93


Organische Belastung<br />

Analysenergebnisse aus der "Grube Johannes"<br />

Folgende Stichprobe wurde <strong>im</strong> März/April 1990 <strong>im</strong> "Silbersee" entnommen:<br />

AOX (Adsorbierbare organisch gebundene Halogene)<br />

50 - 200µg/l<br />

4189 mg/l<br />

4,3 mg/l<br />


Chemische und mikrobielle Prozesse <strong>im</strong> Schlamm<br />

der Grube Johannes<br />

Vor mehr als 160 Jahren entstand die Nutzung als Abwasserabsetzbecken wurde<br />

Grube Johannes infolge der Gehnung<br />

von Braunkohle <strong>im</strong> Tagebau,<br />

später wurden über viele Jahre Produktionsabwässer<br />

in die Grube eingeleitet,<br />

die heute Sicherungs- und<br />

janierungsmaßnahmen zwingend erfordern.<br />

Im Rahmen der meßtechnischen<br />

Überwachung von derzeitig laufenden<br />

Maßnahmen zur Sicherung<br />

der Grube Johannes kommt den chemischen<br />

und mikrobiellen Prozessen<br />

<strong>im</strong> Schlamm eine bedeutsame Rolle<br />

zu. Nachfolgend werden die spezifischen<br />

Besonderheiten des Schlamms<br />

herausgestellt, Ergebnisse zur Erfassung<br />

der obersten Schlammzone<br />

präsentiert sowie die Hauptabban-<br />

Prozesse in den verschiedenen Tiefenzonen<br />

charakterisiert. 1 )<br />

Das Braunkohletagebaurestloch Grube Johannes<br />

(auch als „Silbersee” bekannt)<br />

diente mehr ais 70 Jahre der Verspülung<br />

von Industrierückständen der Filmfabrik<br />

Wolfen. Ais Folge haben sich Asche-, Kalkund<br />

Ligninzellulosesed<strong>im</strong>ente abgelagert<br />

[2]. in der Grube Johannes befinden sich<br />

nun unter einer Fläche von ca. 27 ha ca.<br />

2,1 Mio. m 3 Schlamm in Schichten von bis<br />

zu 12 m. Der Schlamm ist mit durchschnittlich<br />

einem Meter Wasser überstaut, seine<br />

Hauptbestandteile sind Zellulose- und unter<br />

schwefelsauren Bedingungen geflockte<br />

Ligninderivate des Sulfatzellstoffaufschlusses.<br />

Wie aus umfangreichen Untersuchungen<br />

zum Inhaltsstoffspektrum und zum<br />

Schadstoffgehalt bekannt ist [2, 5, 6], sind<br />

noch eine Vielzahl anderer Stoffe wie u. a.<br />

Metalle (z. B. Zink) und Schwefelverbindungen<br />

(z. B. Sulfide) in beträchtlichen Mengen<br />

enthalten, die aus der <strong>Ein</strong>spüiung von Abwässern<br />

der Sulfitzellstoff-, Viskosefaserund<br />

-seide und aus der Filmherstellung<br />

stammen. Seit Anfang der 60iger Jahre<br />

führte insbesondere die mikrobielle Freisetzung<br />

von Schwefelwasserstoff aus dem<br />

Schlammkörper zu erheblichen Belästigungen<br />

der Anwohner.<br />

eingestellt).<br />

Ab1990 wurde die ifUA-institut für Umwelt-Analyse<br />

GmbH mit der Gefährdungsabschätzung<br />

der Grube Johannes beauftragt.<br />

in den folgenden Jahren wurden<br />

diese Arbeiten sowie Untersuchungen zur<br />

Sicherung / Sanierung der Grube <strong>im</strong> Rahmen<br />

einer Projektgmppe, zuletzt unter Leitung<br />

der WVV AG i.L, weitergeführt.<br />

<strong>im</strong> Rahmen von Sicherungsmaßnahmen<br />

wurde dann der wasserüberstaute<br />

Schlamm zum Schutz vor Verwirblung, Verlängerung<br />

der Verweilzeit von aufsteigenden<br />

Gasblasen und als Aufwuchsträger für<br />

Bakterien mit einem Krallgewebe bedeckt<br />

(P 4312891.2 [12]). Diese mit einer belüfteten<br />

Stauwasserlamelle überschichtete Fläche<br />

stellt mit ca. 20 ha den größten Flächenanteil<br />

dar. Der hier bei pH-Werten von 4-5<br />

eingespülte und abgelagerte Schlamm<br />

wurde durch den Stauwasser-<strong>Ein</strong>fluß an<br />

der Oberfläche zunehmend neutralisiert.<br />

Auf einer Restfläche von ca. 2,7ha hatte<br />

die Verdrängungsschüttung zur Böschungsstabilisierung<br />

den Schlamm bis auf die<br />

Höhe der Wasserlamelle gedrückt. Hier<br />

konnte durch Aufbringung eines schw<strong>im</strong>menden<br />

Oberflächen-Biofilters eine wirksameReduzierungderSulfid-undGeruchsstoff-Freisetzung<br />

erreicht werden [11]. Das<br />

Gas enthielt teilweise recht hohe Konzentrationen<br />

an Schwefelwasserstoff, so daß<br />

<strong>im</strong> unmittelbaren (bewohnten) Umfeld die<br />

Immissions-Spitzenwerte über 500 µm 3<br />

lagen, derWHO-Leitwert von 7µg/m 3 also<br />

dauerhaft überschritten wurde und zu erheblichen<br />

Belästigungen der Anwohner<br />

führte. Den mikrobiellen Abbauprozessen<br />

<strong>im</strong> Schlamm kommt daher eine besondere<br />

Bedeutung zu, und es ist zu vermuten, daß<br />

deroberste Schlammhorizont die Hauptreaktionszone<br />

dermikrobiellen Umsetzungs-<br />

Prozesse in der Grube darstellt.<br />

Sicherungsmaßnahmen<br />

Bereits 1987wurdenersteMaßnahmenzur<br />

SicherungderDeponie eingeleitet,und mit<br />

Stillegung der Produktionsanlagen und EistellungderAbwassereinleitungwurde<br />

die<br />

zum Überstau der Schlammfläche notwendige<br />

Wasserlamelle<strong>im</strong> Wesentlichen durch<br />

die<strong>Ein</strong>leitungsulfathaltiger,schwach basischer<br />

Spülaschenwässer gesichert und<br />

durch Oberflächenbelüfter mit Sauerstoff<br />

angereichert. Ab 1991 konnte die östliche.<br />

setzungsfließgefährdete Steilböschung<br />

durch einen Damm stabilisiert und der Ablauf<br />

der Grube geschlossen werden (die<br />

Aus: Gunther Otto, Reino Rieseler: Neue Erkenntnisse über chemische und mikrobielle Prozesse<br />

Seite 25-29 <strong>im</strong> Schlamm der Grube Johannes in Wolfen, TemTech 5/1996<br />

98


Meßtechnische Überwachung<br />

<strong>Ein</strong> Hauptaugenmerk bei der Sicherung<br />

und meßtechnischen Überwachung der<br />

Grube,die seit 1996von der IfUA- Institut<br />

für Umwelt-Analyse GmbH durchgeführt<br />

wird, ist daher auf die chemischen und mikrobiellen<br />

Prozesse <strong>im</strong>SchlammderGrube<br />

Johannes zu richten. Nachfolgend werden<br />

die Ergebnisse einer Diplomarbeit, die <strong>im</strong><br />

Rahmen der meßtechnischen Überwachung<br />

erarbeitet wurden, zusammengefaßt.<br />

Bisher durchgeführte mikrobiologische<br />

Untersuchungen[4,9] bezogen sichauf die<br />

Schlammschicht von 0 bis 0,75 m. Um eine<br />

möglichst genaue Differenzierung der Inhaltsstoffe<br />

und der Abbauprozesse in den<br />

oberen Schlammbereichen zu erhalten,<br />

war ein Ziel der hier beschriebenenArbeit,<br />

die Feinzonierung der obersten Schlammzone<br />

zu erfassen und die Hauptabbauprozesse<br />

in den verschiedenen Tiefenbereichen<br />

zu charakterisieren; gleichzeitig<br />

wurde der Untersuchungsbereichauf eine<br />

Schlammtiefe von1,70 m ausgedehnt.<br />

Spezifitätdes Schlammes<br />

Seit der Stillegung der Neutralisationsanlage<br />

der Filmfabrik Wolfen 1963 wurde<br />

Abwasser mit pH 3-4 direkt in die Grube<br />

eingeleitet.Infolgedessen flockten die enthaltenen<br />

Alkalilignine der Sulfatzellstoffablaugeausund<br />

führtenzu einerSchlammablagerung<br />

von 20-50 t pro Tag Dabei wurden<br />

Schadstoffkonzentrationenund Mikroorganismenke<strong>im</strong>e<br />

punktuell in der Matrix<br />

eingeschlossen und festgelegt. Diespezifische<br />

Gelstruktur verhinderte zudem eine<br />

Vermischung <strong>im</strong> Laufe der Jahre nahezu<br />

vollständig. So können bereits innerhalb<br />

weniger Zent<strong>im</strong>eter Sed<strong>im</strong>entenorme Konzentrationsunterschiede<br />

auftreten.<br />

Diese spezielle Eigenschaft des Schlammes<br />

der Grube Johannes erschwerte die<br />

Untersuchungen erheblich. Durch große<br />

Konzentrationsunterschiede best<strong>im</strong>mter<br />

Inhaltsstoffe bei der Gelbildung sind Verall-<br />

1: Luftbild der Grube<br />

Johannes mit eingezeichnetenProbenahmestellen<br />

Aus: Gunther Otto, Reino Rieseler: Neue Erkenntnisse über chemische undmikrobielle Prozesse<br />

<strong>im</strong>Schlammder Grube Johannes in Wolfen, TerraTech 5/1996<br />

Seite 25-29<br />

99


gemeinerungen von Analysenergebnissen.<br />

selbstbei Angabe derProbenstelleund Entnahmetiefe,<br />

schwierig. Desweiteren mußten<br />

einige Analysenmethoden modifiziert<br />

werden,um <strong>Ein</strong>flüssevon <strong>im</strong> Schlammenthaltenen<br />

Stoffen auszuschließen.<br />

Noch größere Schwierigkeitenbestehen<br />

bei mikrobiologischenUntersuchungen.Es<br />

kann angenommen werden, daß die Lebensräume<br />

der Mikroorganismen in gewisser<br />

Weise als viele kleine<strong>Ein</strong>zelbiotopezu<br />

verstehen sind. Dafür sprechen folgende<br />

Fakten:<br />

1. Methanogene, sulfatreduzierende und<br />

acetogene Mikroorganismen können in<br />

diesem Milieu nur in syntropen Beziehungen<br />

überleben (Methanogene und<br />

Sulfatreduzierersind auf Zellulosespaltprodukte<br />

als einzigverfügbares Substrat<br />

angewiesen, und die acetogenen Bakterien<br />

benötigen wasserstoffverbrauchende<br />

Mikroorganismenin Symbiose, um<br />

den niedrigen, zum Überlebennotwendigen,Partialdruck<br />

aufrechtzuerhalten).<br />

2. <strong>Ein</strong> <strong>Ein</strong>trag von Mikroorganismen kann<br />

nur durch den Wasserkörper in die<br />

Schlammoberfläche erfolgen.<br />

3. Nurdurch dievon aufsteigendenGasblasen<br />

erzeugten Turbulenzen ist eine geringe<br />

und langsame Vermischung übereinanderliegender<br />

Schlammschichten<br />

zu erwarten.<br />

4. Die Inhaltsstoffe, also auch die Substrate,<br />

Nährstoffe und Toxine,liegen in unterschiedlichenKonzentrationen<br />

an nebeneinnnder<br />

liegenden Stellen vor.<br />

5. Viele Stoffe, wie z.B.Phosphat. sind in<br />

der Gelstruktur festgelegt und werden<br />

erst bei Homogenisierung freigesetzt [3].<br />

6.Im Gel ist eine Fortbewegung der Mikroorganismen<br />

so gut wie unmöglich.<br />

Alle diesePunktesprechen dafür.daß die<br />

Mikroorganismen in Mikronischen mit einem<br />

verbesserten Milieu in Gesellschaften<br />

zusammenleben. Diese Milieuverbesserungen<br />

können auch erst durch die Mikroorganismen<br />

entstanden sein.<br />

Schink [8]beschreibteine solche natürliche<br />

Situation folgendermaßen:<br />

“Im Gegensatz zu einer gut gemischten Laborkultur<br />

sind weder Partnerorganismen<br />

noch Substrate <strong>im</strong> Sed<strong>im</strong>ent gleichmäßig.<br />

verteilt, kooperierende Partner wachsen zusammeninMischkolonien,während<br />

andere<br />

Partner trotz mögiicher besserer kinetischer<br />

Eignung aufgrund anderer Substratspezifitäten<br />

“vor der Tür" bleiben."<br />

Das bringt zwangsläufig Schwierigkeiten<br />

bei der Untersuchung derProzesse mit sich,<br />

da diese Mikronischen nicht beprobt werden<br />

können. Selbst eine Beprobung der<br />

Umgebungsbereiche würde den Versuch<br />

dermaßen beeinflussen, daß die weiteren<br />

mikrobiellen Stoffwechselvorgänge nicht<br />

mehr 100%igden natürlichen entsprechen.<br />

Material und Methoden<br />

Die Beprobung der Grube Johannes wurde<br />

an den in Bild 1eingezeichneten Stellen<br />

durchgeführt. Oberflächenproben des<br />

Schlammes (bis 30 cm Schlamntiefe)wurden<br />

mittelsverschließbarem Glasstechrohr<br />

gewonnen,tiefer liegende Sed<strong>im</strong>ente wurden<br />

aus der Grube mit einem kastenförmigen<br />

Probengreifer entnommen und <strong>im</strong> Labor<br />

untersucht. Für die Untersuchung der<br />

Stoffgehalte der verschiedenen Schlammproben<br />

wurden größtenteilsherkömmliche<br />

Untersuchungstechniken aus der Wasserund<br />

Abwasseranalytik angewandt.Sie sind<br />

in Tabelle 1aufgeführt.<br />

Tab. 1: Best<strong>im</strong>mungsmethoden<br />

Der Gehalt an alkalilöslichen Ligninverbindungen<br />

wurde nach einer <strong>im</strong> "Institut<br />

für Zellstoff und Papier Heidenau" entwikkelten<br />

Verfahren über die phenolischen<br />

Hydroxydgruppenbest<strong>im</strong>mt. Zur Best<strong>im</strong>mung<br />

des Zellulosegehaltes wurde die Methode<br />

mit Anthron speziell auf die Besonderheiten<br />

des Schlammes angepaßt. Die<br />

Zellzahlender sulfatreduzierenden und der<br />

zellulosezersetzenden Mikroorganismen<br />

wurden nach MPN-Methode und die Rate<br />

der Sulfatreduktion nach der "slurry-<br />

Methode' am “Institut für Gewässerökologie<br />

und Binnenfischerei Neuglobsow"<br />

best<strong>im</strong>mt. Der anaerobe mikrobiologische<br />

Abbau wurde über einen Zeitraumvon vier<br />

Monaten in Laborsrandversuchen in der<br />

IfUA -Institut für Umwelt-Analyse GmbH<br />

untersucht.<br />

Die Verteilung ausgewählter Stoffe<br />

<strong>im</strong> Schlammkörper<br />

Bei der Untersuchung der Feinzonierung<br />

des Schlammkörpers konnte neben einer<br />

flächenmäßigen eine deutliche tiefenabhängige<br />

Verteilung einiger Parameter festgestellt<br />

werden. So war der oberflächennahe<br />

Schlamm (Schlammoberfläche bis ca.<br />

Aus: Gunther Otto, Reino Rieseler: Neue Erkenntnisse über chemische und mikrobielle Prozesse<br />

<strong>im</strong> Schlamm der Grube Johannes in Wolfen<br />

TerraTech 5/1996 Seite 25-29<br />

100


25 - 30 cm Schlammtiefe) durchgehend von<br />

Eisensulfid schwarz gefärbt, während in tieferen<br />

Schichten (50 cm unter der Schlammoberfläche)<br />

eine gelb bis gelbbraune<br />

Farbe vorherrschte,die typisch für die <strong>im</strong><br />

sauren Milieu geflockten Ligninkomplexe<br />

der Sulfatzellstoffablauge ist.<br />

Es wurde bei jedem untersuchten Prozess<br />

deutlich, daß die Übertragbarkeit<br />

höchstens für den Horizont, aus dem sie<br />

entnommen wurde, charakteristisch ist,<br />

eine. Übertragbarkeit auf den gesamten<br />

Schlammkörper jedoch nicht gegeben<br />

scheint. Beispielsweise sinkt der in der<br />

Oberflächenschicht nahezu neutrale pH-<br />

Wert schon in einemMeter Tiefe deutlichin<br />

den sauren Bereichab(Bild2)während die<br />

grundnahe Schicht aufgrund ihres hohen<br />

Kalk-bzw. Aschegehalteswieder pH-Werte<br />

von 8,1 - 8,3 aufweist [1, 7]. Allgemein können<br />

jedoch die Oberflächenschlammschicht<br />

als nahezu neutral, der Mittelbereich<br />

ais sauerund dieüber dem Grundbefindliche<br />

Schicht als alkalisch eingestuft<br />

werden.<br />

<strong>im</strong> Schlamm der Grube Johannes in Wolfen,<br />

TerraTech 5/1996 Seite 25-29<br />

101


Die deutlichsten tiefenabhängigen Verteilungenwiesen<br />

die Parameter Sulfat und<br />

Zellulose auf (Bilder3 und 4).Diese Komponenten<br />

können als Hauptsubstrate der<br />

Mikroorganismenangesehenwerden.Esist<br />

deutlich sichtbar,daß in den oberen,mikroorganismenreichenRegionendieSubstrate<br />

in deutiich geringeren Konzentrationen<br />

vorliegen, also bereits stark abgebaut wur-<br />

den.<br />

Die tiefergelegenen Regionen sind aufgrund<br />

der schlechteren Umgebungsbedingungen(z.B.stark<br />

saurer pH)unddergeringen<br />

Mikroorganismenzahl noch wesentlich<br />

nährstoffreicher.<br />

Die Untersuchung des Gehaltesder wasserdampfflüchtigen<br />

organischen Säuren er-<br />

gab, daß in den tieferen Schichten- unter<br />

diesen Bedingungen -vermutlich bereits<br />

hemmende Konzentrationen von ca 1500<br />

mg/l Feuchtschlamm vorlagen, während in<br />

denHauptabbaubereichen nur ca.850mg/l<br />

zu finden waren.<br />

Der mikrobiologischeAbbau<br />

Als Hauptbereiche des mikrobiellen Abbaus<br />

können die Oberflächenschicht (Bild<br />

5) und-unterVorbehalten-dieüber dem<br />

Grund befindliche Schicht angegeben werden,sobald<br />

hier durch Ascheeinspülungen<br />

(überwiegend aus dem Zeitraum 1936-<br />

1965) lokal alkalische bis neutrale Bedingungen<br />

vorherrschen. Zur Bestätigungder<br />

Erkenntnisse über die Verhältnisse in diesen<br />

grundnahen Zonen sind weiterführende<br />

Untersuchungen notwendig.<br />

Besonders aus Bild 5 wird deutlich,welchen<br />

geringenAnteil die Zone mit den für<br />

die Mikroorganismen opt<strong>im</strong>alen Milieubedingungen<br />

an Gesamthöhe des abgelagerten<br />

Schlammes hat (Im Bild 5 sind nur 2 m<br />

der bis zu 12 m mächtigen Schicht aufgetragen!).<br />

Die Oberflachenschichtder Probenstelle<br />

A (<strong>im</strong> Mittelbereich der Grube gelegen) ist<br />

mit einem Glührückstand von 37% von allen<br />

untersuchtenProben am weitestenausgefault,<br />

da die Hauptkohlenstoffquelle für<br />

den mikrobiellen Abbau fast vollständig<br />

aufgebrauchtist. Somit kommt es zu einer<br />

Abnahme der Zahl der zellulosezersetzenden<br />

Bakterien, was insbesondere durch die<br />

zweite Beprobung <strong>im</strong> Juni (Bild 6) deutlich<br />

wird.in dieser Schicht könnte der Ligninabbau<br />

mit sehr niedrigen Abbauraten einsetzen<br />

[6].<br />

Durch die aus der Tiefe aufsteigenden<br />

Gasblasen und damit verbundener Turbulenz<br />

kommt es zu einem langsamen <strong>Ein</strong>dringen<br />

der Mikroorganismen in tiefere<br />

Schlammschichten.Aufgrund des allgemein<br />

besseren Substratangebotes (Zellulose)<br />

in diesen Schichten kommt es zu einer<br />

Vermehrung der Mikroorganismen, wiedie<br />

zweite Beprobung des Schlammes in Juni<br />

zeigte (Bild 6). 6: Zellkonzentrationen bei der zweiten Beprobung <strong>im</strong> Juni (Stelle A)<br />

Aus: Gunther Otto, Reino Rieseler: Neue Erkenntnisse über chemische und mikrobielle Prozesse<br />

<strong>im</strong> Schlamm der Grube Johannes in Wolfen,<br />

TerraTech 5/1996 Seite 25-29


Der Substratmangel in der Oberflächenschicht<br />

und das rasche Wachstum der Population<br />

der Zellulosezersetzer in der 0,5 m-<br />

Schicht deuten auf eine Wanderung der<br />

Hauptabbauschicht in tiefere Schlammbereiche<br />

hin.<br />

Mit zunehmender Wanderung der Hauptabbauschicht<br />

in die Tiefe wird auch der<br />

Temperatureinfiuß des Wasserkörpers auf<br />

die mikrobiellen Prozesse geringer. Somit<br />

haben die Mikroorganismen weniger Anpassungsprozesse<br />

<strong>im</strong> Jahr an die verschiedenen<br />

Temperaturen zu durchlaufen, was<br />

eine gleichmäßigere Gasbildung übers Jahr<br />

mit sich bringt. Das bedeutet unter Umständen<br />

eine geringere Gasbildung als bisher in<br />

den Sommermonaten und eine stärkere<br />

Gasbildung als bisher in der kalten Jahreszeit.<br />

<strong>Ein</strong>er möglichen verstärkten Gasbildung<br />

bei geschlossener Eisdecke und damit verbundenenstärkerenSauerstoffzeh-<br />

rung bis zur Sulfid-<br />

bildung könnte nur<br />

durch Frischwasserzufuhr<br />

bei<br />

gleichzeitiger Stauwasserableitung<br />

begegnet werden.<br />

Be<strong>im</strong> weitergehenden<br />

Abbau u.a.<br />

der gebildeten organischen<br />

Säuren<br />

kommt es bei Anwesenheit<br />

von methanogenen<br />

Mikro-<br />

Organismen und<br />

Sulfatreduzierern<br />

zu einem Konkurrenzkampf<br />

um die<br />

Substrate Acetat<br />

und Wasserstoff.<br />

Wurde das Sulfat<br />

von den Sulfatre-<br />

duzierern bereits<br />

vollständig aufgebraucht,<br />

steilen sie<br />

ihren Stoffwechsel<br />

auf die Acetatbil-<br />

dung um und leben<br />

in syntroper Beziehung<br />

mit den Methanogenen.<br />

Da Beeinflussungen der ablaufenden<br />

Prozesse meist eine Zerstörung der Gelstrukturund<br />

somit eine Freisetzung der eingeschlossenen<br />

Substrate und Nährstoffe<br />

mit sich bringen, sind sie meistmit einer intensiveren<br />

Faulung und Gasbildung verbunden.<br />

Das zeigten u.a. die mit homogenisierten<br />

Schlammproben durchgeführten<br />

Versuche und die <strong>im</strong> nördlichen Grubenbereich<br />

ablaufenden Prozesse. Dort kam es<br />

durch die Dammschüttung an der Steiiböschung<br />

zu starken Verwerfungen <strong>im</strong><br />

Schlammkörper, was inin den darauffolgenden<br />

Monaten eine. verstärkte Gasbiidung<br />

hervorrief und durch Aufbringung eines<br />

schw<strong>im</strong>menden Biofilters weitestgehend<br />

unterbundenwerden konnte [11].<br />

Da die Mikrooganismen vermutlich in<br />

Mikronischen in Gesellschaften zusammenleben<br />

und sich in der Gelmatrix kaum fortbewegen<br />

können, brauchen sie das Substrat<br />

in ihrer Umgebung auf und verlieren<br />

dann an Aktivität.<br />

Ausblick<br />

Sollten die Turbulenzen, die durch aufsteigende<br />

Gasblasen entstehen, ausreichen,<br />

um die Mikroorganismen weiter mit Substratzuversorgen.wirddie<br />

Gasbildung erst<br />

nach vollständigem Zelluloseabbau nachlassen.<br />

Dies istjedoch aufgrund der vorliegenden<br />

Versuchsergebnisse vorerst nicht<br />

zu erwarten. Nach Abbau des „in Reich-<br />

weite“ der Bakterien liegenden Substrates<br />

wird es zu einer Verringerung der Gasbildung<br />

kommen, da das <strong>im</strong> Gel eingeschlossene<br />

Substrat für die Mikroorganismen<br />

nicht erreichbar ist. Mit gleicher Wahrscheinlichkeitistbei<br />

fehlendenAustausch-<br />

Prozessen ein zunehmendesAnsäuern und<br />

eine damit verbundene Selbsthemmung<br />

durch Stoffwechselprodukte des Zelluloseabbaus<br />

und der Desulfurikation zu erwarten.<br />

Nur wenn durch methanbildende Bakterien<br />

insbesondere Acetat verbraucht<br />

wird, kann der Prozeß insgesamt bis zum<br />

völligen Sulfatverbrauch und Zelluloseabbau<br />

führen.<br />

Aus: Gunther Otto, Reino Rieseler: Neue Erkenntnisse über chemische und mikrobielle Prozesse<br />

<strong>im</strong> Schlamm der Grube Johannes in Wolfen,<br />

TerraTech 5/1996 Seite 25-29<br />

103


Sicherungsmaßnahmendes Schlammteiches ,,Grube Johannes"<br />

Die Sanierung des Schlammteiches Grube Johannes bei Wolfen, Kreis Bitterfeld, befindet sich z. Zt. <strong>im</strong><br />

Planungsstadium. Kurzfristighat sich die Notwendigkeit ergeben, über Sofortmaßnahmen die Emission<br />

geruchsintensiver Gase zu verhindern, um die angrenzenden Wohngebiete vor Belästigungen zu schützen.<br />

Zur Realisierung dieser Sofortmaßnahmen wurde ein Konzept entwickelt, das auf dem Prinzip des<br />

mikrobiellen Abbaus der Schadgase beruht. Technische Maßnahmen sind erforderlich, um den zum<br />

aeroben Abbau erforderlichen Sauerstoff bereitzustellen und um geeignete Aufwuchsflächen für die aktiven<br />

Mikroorganismen zu schaffen.<br />

1 Situation<br />

Der Schlammteich Grube Johannes ist als “Silbersee" zu überregionaler Bekanntheit gelangt und wurde<br />

dadurch zum Symbol der jahrzehntelang verfehlten Umweltpolitik in der Industrieregion Bitterfeld - Wolfen.<br />

Seite Ende der achtziger Jahre wird unter Leitung des Auftraggebers Filmfabnk Wolfen AG bzw. der<br />

Bitterfelder Projektierungs- und Qualifizierungsgesellschaft mbH an der Entwicklung eines Sanierungskonzeptes<br />

für die Grube Johannes gearbeitet. Beteiligt sind hierbei zahlreiche Fachfirmen, Fachbüros<br />

sowie Sachverständige aus den Bereichen Chemische/Biologische Analytik, Verfahrenstechnik, Maschinenbau<br />

und Bauingenieurwesen. Im Zuge dieser Erarbeitung werden unterschiedliche Sanierungstechnologien,<br />

wie z. B. thermische und mikrobielle Verfahren sowie Sicherungsverfahren (<strong>Ein</strong>kapselung) detailliert<br />

hinsichtlich ihrerAnwendbarkeit und Realisierbarkeit untersucht.<br />

Ausführliche Beschreibungen der Charakteristikades Schlammteiches Grube Johannes liegen z.<br />

B. bei Scheffler et al. (1991) sowie bei Barkowski und Watzke (1992) vor. Daher soll <strong>im</strong> folgenden nur<br />

kurz auf die Gesamtproblematik der Grube Johannes eingegangen werden. Bild 1 zeigt hierzu die<br />

Standortsituation <strong>im</strong> Lageplan und Bild 2 in der Schnittführung.<br />

Bild 1: ÜbersichtsplanderGrube Johannes (Scheffleret al., 1991)<br />

Aus: H. Scheffler, R. Scherbeck, G. Otto, A. König, R. Sonnenberger:<br />

Sofortsicherung des Schlammteiches Grube Johannes der Filmfabrik Wolfen,<br />

Berichte vom 9. Bochwner Altlastenseminar 1993:Sicherungvon Altlasten,<br />

Hrsg.: H. L. Jessberger, Sonderdruck, A. A: Balkema/Rotterdam/Brockfield 1993<br />

104


Die Erstbewertung des Gefährdungspotentials der Grube Johannes durch Jessberger + Partner<br />

(1992) kam zu der Aussage, daß der Schlammkörper als deutlich bis stark kontaminiert angesprochen<br />

werden kann, während die dortigen Schadstoffe jedoch noch nachgewiesenermaßen fixiert sind. Im<br />

Grundwasserabstromist bislang noch keine Anreicherung mit den aufgrund des Schadstoffinventars des<br />

Schlammteiches zu erwartenden Stoffgruppen wie z. B. Sulfate, Sulfide, AOX, Toluole, etc. festgestellt<br />

worden, die wesentlich über das Maß der erheblichen Hintergrundbelastung hinausgehen. Die Hauptgefährdung<br />

der Umwelt findet z. Zt. pr<strong>im</strong>är über den Gas- bzw. Luftpfad statt, da der Schlamm unter A b<br />

gabe von geruchsintensiven Stoffen an die Atmosphäre insbesondere in der wärmeren Jahreszeit ausgast.<br />

Stellenweise sind eruptionsartige Gasausbrüche festgestellt worden, die mit besonders unange-<br />

nehmen Geruchsbelästigungen verbunden sind. Mit dem Methan als wesentlicher Komponente des Faul-<br />

gases werden eine Vielzahl geruchsintensiver Stoffe, insbesondere Schwefelwasserstoff, aber auch<br />

Schwefelkohlenstoff und Toluol freigesetzt. Seit 1990 die Beschickung des Schlammteiches verändert<br />

wurde - es werden seit dieser Zeit keine Abwässer der inzwischen stillgelegten Zellstoff-Fabriken und der<br />

Viskosefabrik mehr eingeleitet- sind die Gasemissionen nahezu ausschließlich auf mikrobielle Prozesse<br />

<strong>im</strong> Schlammkörperzurückzuführen, die unteranaeroben Bedingungen ablaufen.<br />

Aufgrund der besonders starken Geruchsemissionen <strong>im</strong> Frühherbst 1992 wurden zur Belüftung<br />

des Wasserkörpers bereits 3 Belüftungswalzen installiert, die jedoch nicht ausreichten, den Wasserkörper<br />

aerob zu halten. Aufgrund der weiterhin vorhandenen Geruchsbelästigungen der in unmittelbarer Nähe<br />

zur Grube Johannes befindlichenWohnsiedlungen wurde umgehend mit der Erarbeitung eines Konzepts<br />

zur Sofortsicherung begonnen. Ziele, Inhalte und Konsequenzen aus diesem Konzept werden nachfolgend<br />

<strong>im</strong> Detailvorgestellt und erläutert.<br />

Die erforderlichen Arbeiten zur Umsetzung des Sofortsicherungskonzeptes sind zum Zeitpunkt<br />

der Drucklegung dieses Aufsatzes in der Anfangsphase begriffen. Ergebnisse und Erkenntnisse liegen<br />

zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht in ausreichendem Maße vor. Es ist daher vorgesehen, über bis dahin<br />

vorliegende Teilergebnisse <strong>im</strong> Rahmen des Seminawortrages zu berichten.<br />

2 Projektziele und Vorauswahl geeigneter Verfahrensgruppen<br />

Maßnahmen zur Sofortsicherung sollen pr<strong>im</strong>är dazu führen, daß Emissionen geruchsintensiver Gase<br />

weitgehend ausgeschlossen bzw. min<strong>im</strong>iert werden. Darüberhinaus sind diese Maßnahmen derart zu<br />

konzipieren, daß eine möglichst zügige technische Realisierung machbar ist und nach Möglichkeit bereits<br />

in 1993 eine Verbesserung der lmmissionslage in der angrenzenden Wohnbebauung eintreten kann.<br />

In zweiter Linie ist bei der Maßnahmenkonzeption zu berücksichtigen, da eine spätere Sanierung<br />

der Grube Johannes - also die Dekontaminationder Ligninschlämme - durch die Sofortsicherungsmaßnahmen<br />

nicht nachhaltig behindert bzw. verhindert werden darf.<br />

Wirtschaftliche Erwägungen sind bei diesem Sanierungsprojekt natürlich ebenfalls zu beachten,<br />

da aufgrund der besonderen Konstellation in Ostdeutschland (Beteiligung der Treuhand) eine freie Verfügbarkeit<br />

von Investitionsmitteln nicht gegeben ist. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen,<br />

daß die Sofortsicherungsmaßnahme ihre Wirksamkeit lediglich kurz- bis mittelfristig unter Beweis stellen<br />

braucht, da mittel- bis langfristig die Sanierung des Schlammteiches Grube Johannes angestrebtwird.<br />

Aus: H. Scheffler, R. Scherbeck, G. Otto, A. König, R. Sonnenberger:<br />

Sofortsicherung des Schlammteiches Grube Johannes der Filmfabrik Wolfen,<br />

Berichte vom 9. Bochumer Altlastenseminar 1993: Sicherung von Altlasten,<br />

Hrsg : H. L. Jessberger, Sonderdruck, A. A. Balkema/Rotterdam/Brockfield 1993<br />

105


Vor dem Hintergrund dieser wesentlichen Zielvorgaben lasen sich bereits verschiedene technische<br />

Maßnahmen- die in Zusammenhang mit der später zu realisierenden Sanierung der Grube Johannes<br />

als mögliche Maßnahmen bzw. Verfahren erkannt wurden -für die Sofortsicherung ausschließen:<br />

<strong>Ein</strong>kapselungsverfahren erscheinen grundsätzlich möglich, da z. B. unter dem Schutz einer die<br />

Oberfiäche der Grube Johannes abdichtenden Dachkonstruktion die anfallenden Gase kontrolliert gefaßt<br />

und einer Aufbereitung zugeführt werden können. In Anbetracht der abzudeckenden Größe der Oberfläche<br />

von etwa 30 ha und den anspruchsvollen technischen Anforderungen an die Gründung der Dachkonstruktion<br />

<strong>im</strong> Schlammkörper (Schw<strong>im</strong>mgründung, gerammte Spundwände, etc.) sind für eine <strong>Ein</strong>kapselung<br />

der Oberfläche hohe lnvestitionskosten erforderlich, die die 100 Mio DM- Grenze bei weitem überschreiten.<br />

<strong>Ein</strong>e <strong>Ein</strong>kapselung ist daher zur Sofortsicherung nicht tauglich.<br />

Thermische Verfahren beruhen darauf, den Emissionsherd zu entfernen, so daß mit einer Sofortsicherung<br />

unmittelbar eine Totalsanierung der Grube Johannes verbunden wäre. Kurzfristig sind thermische<br />

Verfahren jedoch nicht realisierbar, da sie eine entsprechende Infrastruktur- in Form von geeigneten<br />

Verbrennungsanlagen- benötigen, die zwar grundsätzlich <strong>im</strong> Raum Bitterfeld/Leipzigverfügbar sind,<br />

aber z. Zt. noch technisch umgerüstet werden. Zudem ist mit einem erheblichen Zeitbedarf für die<br />

Schlammentnahme sowie für die erforderlichen Genehmigungsverfahren zu rechnen, saß eine kurzfristige<br />

Realisierbarkeit nicht möglich erscheint.<br />

Andere technische Verfahren wie z. B. Naßoxidation unter Druck, Elektrokinese, etc. benötigen<br />

i.d.R. aufwendige Anlagenkonstruktionen, die kurzfristig nicht beizubringen sind und kommen daher<br />

ebenfalls als Sofortsicherungsmaßnahmen nicht in Frage.<br />

Chemische Verfahren zur Inaktivierung von geruchsintensiven Gasen würden für die Verhältnisse<br />

<strong>im</strong> Schlammteich Grube Johannes darauf beruhen, die für die Produktion von Schwefelwasserstoff - als<br />

maßgebendenGeruchsträger-verantwortlichen Enzyme innerhalb eines anaeroben Milieus mittels Inhibitoren<br />

zu blockieren. Hierzu sind z. B. toxisch wirkende Substanzen, Schwermetalle u. ä. geeignet. Aufgrund<br />

dieser unter Umweltgesichtspunkten nicht unbedenklichen lnhibitoren erscheint eine Sofortsicherung<br />

auf Basis chemischer Reaktionen unangebracht, zumal der Wasserhaushalt des Schlammteiches<br />

über Direkteinleitungin die Vorflut geregelt wird.<br />

Maßnahmen, die kurzfristig zu einem Sicherungserfolg führen können, sind demgegenüber nicht<br />

sehr zahlreich vorzufinden:<br />

Biologische Verfahren stellen als einzige Verfahrensgruppe prinzipiell keine aufwendigen Anforderungen<br />

an Anlagentechnik und Investitionsumfangund sind daher bei der Konzeption einer Sofortsicherung<br />

für die Grube Johannes weiter <strong>im</strong> Detail zu betrachten.<br />

3 Konzept zu Verhinderung von Gasemissionen<br />

3.1 Grundlagen<br />

Mikrobielle Verfahren zur Inaktivierung von geruchsintensiven Abbauprodukten des anaeroben Stoffwechsels<br />

<strong>im</strong> Schlammkörper beruhen darauf, diese Produkte während ihres Aufenthalts <strong>im</strong> aufgestauten<br />

Wassersaum zu oxidieren. Hierzu ist es erforderlich, <strong>im</strong> Reaktionsraum aerobe Milieubedingungen einzustellen.<br />

Dieses Prinzip bietet den Vorteil, daß auf bereits in der Natur vorhandene Prozeßvermittlerzurückgegriffen<br />

werden kann, deren Verbreitung durch gezielte <strong>Ein</strong>flußnahme auf die Milieubedingungen<br />

gefördertwerden kann.<br />

Bautechnische Maßnahmen, die aufgrund ihres Umfanges zu einer Verzögerungder <strong>Ein</strong>satzbereitschaft<br />

führen könnten, sind zur Realisierung nicht erforderlich, <strong>im</strong> so daß eine Inbetriebnahme der<br />

Sicherungsmaßnahme mit dem erwarteten Beginn der Gasemissionen <strong>im</strong> Sommer 1993 erfolgen könnte.<br />

Desweiteren ist festzuhalten, daß bei dieser Art der Sofortsicherung nur äußerst geringe <strong>Ein</strong>griffe in das<br />

Landschaftsbildvorgenommen werden müssen und das derzeitige äußere Erscheinungsbild der Grube<br />

Johannes als in der Landschaft integriertes Gewässer dauerhaft während der Sicherung erhalten bleibt.<br />

<strong>Ein</strong>e Sofortsicherung, die auf einem mikrobiellen Abbau von geruchsintensiven Gasen beruht, ist demnach<br />

grundsätzlich geeignet, die unter Abschnitt 2 aufgeführten Projektzielezu erreichen.<br />

Nachfolgend werden verschiedene Anforderungen an die Ausführung der Sicherungsmaßnahme<br />

"biologische Inaktivierung" aufgeführt, die bei der verfahrenstechnischen Umsetzung zu beachten sind.<br />

Aus: H. Scheffler, R. Scherbeck, G. Otto, A. König, R. Sonnenberger:<br />

Sofortsicherung des Schlammteiches Grube Johannes der Filmfabrik Wolfen,<br />

Berichte vom 9. Bochumer Altlastenseminar 1993: Sicherung von Altlasten,<br />

Hrsg.: H. L. Jessberger, Sonderdruck, AA:Balkema/Rotterdam/Brockfield 1993<br />

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Ziel dieser Maßnahmen ist es, möglichst günstige Milieubedingungen zur Verbesserung des aeroben<br />

mikrobiellenAbbaus einzustellen sowie die speziellen Standortbedingungenzu berücksichtigen.<br />

a) Schaffung eines ausreichenden Sauerstoffangebotes<br />

Zur aeroben Aktivierung der Wasserzone ist eine technische Anreicherung mit Luftsauerstoff bzw. reinem<br />

Sauerstoff erforderlich. Da als Reaktionsmedium nur der eingestaute, sehr flache Wassersaum zu Verfügung<br />

steht, muß das <strong>Ein</strong>tragsystem speziell auf diese Bedingungen abgest<strong>im</strong>mt werden. Hierzu ist es<br />

erforderlich, daß eine - bezogen auf die Oberfläche des Schlammteiches - flächendeckende<br />

Sauerstoffanreicherung stattfindet. Zu realisieren ist diese Anforderung, indem durch Erzeugung einer<br />

aufgrund der vorliegenden Tiefenverhältnisse bevorzugt horizontalen Wasserströmung für die möglichst<br />

gleichmäßige Verteilung des gelösten Sauerstoffs gesorgt und dabei die Verwirbelung des Schlammes<br />

min<strong>im</strong>iert wird. Ferner ist der Wasserspiegel auf das - unter Beachtung der erforderlichen Standsicherheiten<br />

der Uferböschungen- max<strong>im</strong>al mögliche Maß anzuheben, die Strömungsbedingungen <strong>im</strong> Flachwasser<br />

zu verbessern. Der Sauerstoffeintrag kann, <strong>im</strong> Gegensatz zum zuvor beschriebenen Vorgehen,<br />

auch auf die mikrobiell reaktiven Wassermengen beschränkt werden, wenn dies verfahrenstechnisch<br />

sinnvoll erscheint (hierzu siehe unter b).<br />

Die Quantifizierung des erforderlichen Sauerstoffangebotes ergibt, daß in den Sommermonaten eine<br />

tägliche Sauerstoffmenge von 3.000 kg zuzüglich einer gewissen Leistungsreserve zur vollständigen<br />

Oxidation der anaeroben Abbauprodukte erforderlich sein wird. Der Sauerstoffgehalt <strong>im</strong> freien Wassersaum<br />

muß dazu durch den Sauerstoffeintrag auf etwa 6 bis 8 mgO2 je l Wasser gesteigert werden und<br />

liegt damit <strong>im</strong> Bereich des Sättigungsgehaltes.<br />

b) Schaffung von aünstiaen Aufwuchsflächen<br />

Als Hauptmerkmal der konzipierten Verfahrensführung ist die Lokalisierung des aeroben Abbaus auf<br />

Aufwuchsflächen oberhalb der Schlammzone anzusehen. Günstige Aufwuchsflächen für biologisch aktive<br />

Mikroben sind dadurch charakterisiert, daß ihnen eine große, lockere und gut anströmbare Oberfläche<br />

zur Ansiedlung von Mikroorganismen zur Verfügung steht. Die D<strong>im</strong>ensionierung einer solchen Fläche ist<br />

zusätzlich vor dem Hintergrund durchzuführen, daß eine genügend lange Verweilzeit zur Oxidation der<br />

gelösten Endprodukte des anaeroben mikrobiellen Stoffwechsels einschließlich dabei gebildeter Faulgase<br />

dargeboten wird und damit die Reinigungsleistung den Anforderungen entspricht.<br />

Die Gestaltung der Aufwuchsflächen kann unter Berücksichtigung des zur Verfügung stehenden<br />

Reaktionsraumes nach zwei unterschiedlichen Prinzipien erfolgen. <strong>Ein</strong>e Möglichkeit besteht darin, die<br />

gesamte überstaute Schlammfläche der Grube Johannes mit einer für den Aufwuchs geeigneten Abdekkung<br />

zu versehen, wodurch eine flächenhaft lückenlose Wirkung des mikrobiellen Abbaus sichergestellt<br />

ist. Als Reaktionsraum steht in diesem Fall der gesamte aufgestaute Wassersaum zur Verfügung. Alternativ<br />

hierzu ist ein Vorgehen denkbar, bei dem zunächst nur ein Teil des aufgestauten Wassers Kontakt<br />

mit der Aufwuchsfläche, die entsprechend flächenmäßig verkleinert werden kann, aufweist. Die Aufwuchsfläche<br />

kann in diesem Fall z. B., nach Art eines schw<strong>im</strong>menden Tauchtropfkörpers ausgebildet<br />

werden, der mit belüftetem Wasser beschickt wird. Über einen entsprechend hohen Durchsatz ist mit<br />

diesem Prinzip ebenfalls sicherzustellen, daß der mikrobielle Abbau die gesamten anaeroben Abbauprodukte<br />

erfassen kann. Für beide vorgestellten Alternativen ist darauf zu achten, daß die Wirkungsweise<br />

der Aufwuchsfläche durch verwirbelten Ligninschlamm nicht beeinträchtigt wird. Darüberhinaus darf<br />

durch die Gestaltung der Aufwuchsfläche die Ausführbarkeit einer eventuell später stattfindenden Sanierung<br />

nicht weiter beeinträchtigtwerden.<br />

Die grundsätzliche Wirksamkeit der vorgestellten Maßnahmen ist gegeben, jedoch ist zu berücksichtigen,<br />

daß unvorhersehbare standortspezifische <strong>Ein</strong>flüsse auftreten können. Dies gilt insbesondere<br />

für die sensibel auf die vorliegenden Milieubedingungen reagierenden mikrobiologischen Prozesse. Es ist<br />

daher unbedingt notwendig, parallel zur weiteren Ausführungs- und Genehmigungsplanung ein<br />

Versuchsprogramm zu verfolgen, das einen präzisen Aufschluß Über die standortbezogene Eignung der<br />

hier vorgeschlagenen Sicherungsmaßnahmengibt. Dazu gehören Laborversuche <strong>im</strong> Modellmaßstab, die<br />

<strong>im</strong> Institut für Umweltanalyse (IFUA) bereits angelaufen sind und an die großmaßstäbliche in situ-Versuche<br />

anschließen müssen, in denen Erkenntnisse z. B. zur Opt<strong>im</strong>ierung von Steuerparametem sowie zur<br />

Festlegungder Ausführungsd<strong>im</strong>ensionen gewonnen werden können. Weiterhin ist das Zusammenwirken<br />

verschiedener Maßnahmeelemente zu überprüfen.<br />

Da die vorgeschlagenen Maßnahmen <strong>im</strong> wesentlichen den Aufbau eines stabilen aquatischen Ökosystems<br />

bewirken sollen, ist davon auszugehen, daß sich bis zum <strong>Ein</strong>stellen gleichgewichtiger Systembe-<br />

Aus: H. Scheffler, R. Scherbeck, G. Otto, A. König, R Sonnenberger:<br />

Sofortsicherung des Schlammteiches Grube Johannes der Filmfabrik Wolfen,<br />

Berichte vom 9. Bochumer Altlastenseminar 1993:Sicherungvon Altlasten,<br />

Hrsg.: H. L. Jessberger, Sonderdruck A. A:Balkema/Rotterdam/Brockfield 1993<br />

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dingungen noch keine opt<strong>im</strong>alen Wirkungsgrade einstellen werden. Erfahrungsgemäß ist hierzu ein Zeitraum<br />

von mehreren Wochen erforderlich, so daß in der ersten Betriebsphase noch geringe Geruchsbelästigungen<br />

auftreten können.<br />

3.2 Maßnahmenkonzept zur biologischen Inaktivierung<br />

Das hier vorgeschlagene Konzept zur biologischen Inaktivierung anaerob gebildeter<br />

Stoffwechselendprodukte basiert auf den zuvor erläuterten Grundlagen und berücksichtigt die besonderen<br />

Verhältnisse des Standortes Schlammteich Grube Johannes. Der Umfang der vorgeschlagenen<br />

Maßnahmen ist aus nachstehender Tabelle stichwortartig <strong>im</strong> Überblick zu entnehmen. In den daran anschließendenErläuterungen<br />

werden die vorgeschlagenen Maßnahmen <strong>im</strong> Detailvorgestellt.<br />

Tabelle 1: Vorgeschlagene Sicherungsmaßnahmen<br />

Anforderung<br />

1. Erhöhung Sauerstoffangebot<br />

2. Bereitstellen von Aufwuchsflächen<br />

3. Begleitende Maßnahmen<br />

4. Kontrollen<br />

zu 1 : Erhöhung Sauerstoffangebot<br />

Maßnahme<br />

Belüftung des Überstauwassers mit Hilfe von<br />

AQUALIFE-Anlagen<br />

Aufwuchsflächen in AQUALIFE-Anlagen sowie in<br />

der Abdeckung der überstauten Schlammoberfläche<br />

(BIOMATTE) vorhalten<br />

-Anlegenvon Probeflächen<br />

-max<strong>im</strong>aler Wasseraufstau<br />

-Böschungsstandsicherheit gewährleisten<br />

-Sicherung der Randbereiche<br />

Meßprogramm zur Dokumentation des Sicherungserfolges<br />

Die Erhöhung des Sauerstoffangebotes <strong>im</strong> aufgestauten Wassersaum muß zum Ziel haben, dort eine<br />

Sauerstoffkonzentration von ca. 6 bis 8 mg O2 je l sicherzustellen. Derartige Konzentrationen liegen unterhalb<br />

des Sättigungsgehaltes von Sauerstoff <strong>im</strong> Wasser, so daß ein <strong>Ein</strong>trag mit Luftsauerstoff grundsätzlich<br />

ausreichen dürfte. Das Anlagenkonzept für den Sauerstoffeintrag muß zusätzlich berücksichtigen,<br />

daß eine vermehrte Aerosolbildung be<strong>im</strong> <strong>Ein</strong>trag unbedingt zu vermeidenist, da diese mit weiteren<br />

Emissionen geruchsintensiver Gase verbunden ist. Darüberhinaus sind nur Anlagen als geeignet anzusehen,<br />

die unter den besonderen Flachwasserbedingungen des Schlammteiches Grube Johannes einsetzbar<br />

sind. In Verbindung mit der ebenfalls erforderlichen Bereitstellung von Aufwuchsflächen (s. u. )<br />

bietet sich an das AQUALIFE-Anlagensystem der Fa. SAMAG, Sangerhausen, zum <strong>Ein</strong>trag von Sauerstoff<br />

in den Stauwassersaum einzusetzen. Das Anlagenprinzip wird nachfolgend zur Verdeutlichung der Funktionsweise<br />

kurz erläutert.<br />

Das AQUALIFE-Anlagensystemist in einer standardmäßigen Ausführung in Bild 3 dargestellt; die<br />

wesentlichen Anlagenteile sind dort vermerkt. Die Anlage (Gesamtgewicht ca. 5,5 t) besteht aus einem<br />

mit Schw<strong>im</strong>mkörpern versehenen Stahlrahmen, auf dem die festen Anlagenelemente fixiert sind, sowie<br />

einer Tauchpumpeneinheit, die frei beweglich und flexibel über eine PE-Rohrleitung mit dem Anlagenkörper<br />

verbunden ist. Durch diese Anordnung können die Randbedingungenfür die Entnahme wirksam an<br />

die lokalen Verhältnisse bezüglich Min<strong>im</strong>ierung von Verwirbelungenbzw. Ausrichtung der Sogwirkung<br />

angepaßt werden. Das geförderte Wasser tritt in die Anlage über einen Venturikanal ein, in dem der<br />

Luftsauerstoffeintrag erfolgt. Die Dort vorhandenen turbulenten Strömungsverhältnisse sorgen für den<br />

gleichmäßigen Luftsauerstoffeintrag in das Wasser. Die Strömungsstrecke verläuft anschließend innerhalb<br />

des biologisch aktiven Reaktors, in dem eine aerobe Mikrobiologieden Schadstoff- bzw. Schadgasabbau<br />

bewerkstelligt. Die Anlage ist für einen stündlichen Durchsatz von 25 ausgelegt. Der Auslauf<br />

aus der Anlage ist derart konzipiert, daß - gemeinsam mit der Wirkung der Ansaugepumpe - ein vornehmlich<br />

horizontal ausgerichtetes Strömungsfeld in einer radialen Reichweite von mehr als 50 -70 m<br />

ausgebildet werden kann. Für die Anwendung auf dem Schlammteich Grube Johannes ist gegenüber der<br />

in Bild 3 dargestellten Ausführung eine Modifizierung der Schw<strong>im</strong>mkörper vorgesehen, um eine opt<strong>im</strong>ale<br />

Anpassung an die vorhandenen Flachwacserbedingungen hinsichtlichdes Tiefganges der Gesamtanlage<br />

zu garantieren. Zur Abdeckung des Sauerstoffbedarfs werden voraussichtlich ein Duzend AQUALIFE-<br />

Anlagen benötigt.<br />

Aus: H. Scheffler, R. Scherbeck, G. Otto, A König, R. Sonnenberger:<br />

Sofortsicherung des SchlammteichesGrube Johannes der Filmfabrik Wolfen,<br />

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Bild 3: AQUALIFE-Anlage der Fa. Maschinenfabrik Sangerhausen<br />

Zu 2: Bereitstellen von Aufwuchsflächen<br />

Unter Abschnitt 3.1 b wurden zwei Alternativen bei der Anordnung der Aufwuchsflächen vorgestellt: Die<br />

flächenhafte Abdeckung der nahezu ebenen Schlammoberfläche sowie die Bereitstellung von Aufwuchsflächen<br />

in schw<strong>im</strong>menden Reaktionskörpern (z. B. nach Art eines Tauchtropfkörpers). Im vorgeschlagenen<br />

Maßnahmenkonzept sollen beide Gestaltungsarten vertreten sein und sich gegenseitig ergänzen, um<br />

die Vorteile beider Prinzipien zu vereinen. Vorteilhaft wirkt in diesem Zusammenhang die flächenhafte<br />

Abdeckung der Oberfläche sowie die Vorgabe einer intakten Biologie <strong>im</strong> Tauchtropfkörper der AQUA-<br />

LIFE-Anlage.<br />

a) Flächenhafte Aufwuchsfläche<br />

<strong>Ein</strong>e flächenhaft angeordnete Aufwuchsfläche kann z. B. aus einem oder mehreren Geokunststoffen mit<br />

oder ohne <strong>Ein</strong>lagerung von inerten Materialien bestehen, die aufgrund ihrer Struktur eine ausreichende<br />

Durchlässigkeit für den Gasaustausch und gleichzeitig eine große Oberfiäche für die Ansiedelung der<br />

Mikroorganismen aufweisen. Im folgenden wird zur begrifflichen Vereinfachung für die Aufwuchsfläche<br />

aus Geokunststoffen der Ausdruck BIOMATTE eingeführt. Um eine angemessene Reaktionszeit zur Oxidation<br />

der unter anaeroben Bedingungen gebildeten mikrobiellen Stoffwechselprodukten einschließlich<br />

Faulgasen einzuhalten, ist die Dichte der gesamten BIOMATTE <strong>im</strong> cm-Bereich anzulegen. Die Funktionsfähigkeit<br />

der Aufwuchsflächen darf durch aufgewirbelten Schlamm nicht beeinträchtigt werden, so daß<br />

die Schlammoberfiäche durch die BIOMATTE wirkungsvoll - aber auf keinen Fall gasundurchlässig abgedeckt<br />

werden sollte. Dies ist besonders wichtig, da in der Aufwuchsfläche nicht nur der Abbau der anaeroben<br />

Reaktionsprodukte aus dem Schlammkörper stattfindet, sondern zusätzlich die überschüssige<br />

Biomasse der aeroben Zone verarbeitet werden muß. Die Auftriebskomponente durch die Ausgasung ist<br />

von der BIOMATTE durch ein ausreichendes Eigengewicht zu kompensieren. Bei eruptiven Gasausbrüchen<br />

ist ebenfalls durch die Gewichtskraft sowie durch die räumliche Wirkung ein Widerstand aufzubringen.<br />

Insgesamt Iäßt sich festhalten, daß die BIOMATTE aus verschiedenen <strong>Ein</strong>zelkomponenten aufgebaut<br />

sein muß, um den skizzierten Anforderungen zu genügen. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen<br />

den Aufgaben der Schlammabdeckung, der Bereitstellung von Aufwuchsvolumen und der Beschwerung.<br />

Darüberhinaus ist zu beachten, daß die Verlegung des BIOMATTE-Systems mit vertretbarem technischen<br />

Aufwand durchzuführen sein muß (z. B. denkbar Verlegung von einem Ponton aus).<br />

Das hier stichpunktartig charakterisierte Produkt BIOMATTE ist in der beschriebenen Konfiguration<br />

nicht <strong>im</strong> Handel erhältlich und muß daher für die besondere Anwendung konfektioniert werden. Entsprechend<br />

ausgerichtete Voruntersuchungen werden zur Zeit unter tatkräftiger Mithilfe einiger namhafter<br />

deutscher Firmen der Geokunststoffbranche durchgeführt. Die Materialfindung wird voraussichtlich bis<br />

Mitte Frühjahr 1993 abgeschlossen sein.<br />

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) Konzentrierte Aufwuchsfläche<br />

Die Reaktoreinheit, bei der die Aufwuchsflächen konzentriert einer begrenzten Wassermenge dargeboten<br />

werden, arbeitet nach dem Tauchtropfkörperprinzip und muß die Anforderungen hinsichtlich Volumendurchsatz,<br />

Schw<strong>im</strong>mfähigkeit, etc. erfüllen. Als technische Umsetzung dieses Prinzips kommt das bereits<br />

unter Punkt 1 ausführlich beschriebene AQUALIFE-Anlagensystem der Fa. Samag in Betracht, in dem<br />

zusätzlich der Sauerstoffeintrag in das reaktive Wasser stattfindet.<br />

Die Kombination beider Maßnahmen - AQUALIFE-Anlagen und BIOMATTE - verspricht eine opt<strong>im</strong>ale<br />

Anpassung an die vorliegenden Standortbedingungen. Insbesondere kann hiermit eine flächendeckende<br />

Inaktivierung der geruchsintensiven Gase vorgenommen werden. Die Bereitstellung von zwei biologisch<br />

aktiven Systemen zum Aufwuchs von Mikroorganismen erbringt eine Verbesserung der Effizienz und der<br />

Sicherheit, da die Belastung des einzelnen Systems verringert wird. Da eine derartige Maßnahmenkombination<br />

bisher unseres Wissens nach noch nicht <strong>im</strong> technischen Maßstab durchgeführt wurde, sind<br />

hierzu noch begleitende Untersuchungen notwendig, s. zu 4.<br />

Zu 3: Begleitende Maßnahmen<br />

Parallel zu den vorgeschlagenen und erläuterten Maßnahmen zur kurzfristigen Sicherung sind begleitende<br />

Maßnahmen auszuführen, um den Erfolg des gesamten Sicherungskonzeptes zu garantieren:<br />

a) Anheben des Stauwasserspiegels<br />

Der Wasserspiegel des Schlammteiches Grube Johannes ist dauerhaft auf das max<strong>im</strong>al mögliche Maß<br />

einzustellen. Hierzu ist ein automatisierter Betrieb des Schützes am Auslaß erforderlich, um Spiegel-<br />

Schwankungen schnell und sicher ausgleichen zu können (bei Niederschlagsereignissen bzw. in Verdunstungsperioden).<br />

Die Wasserspiegelhöhe des Schlammteiches wird durch diese Maßnahme bei etwa<br />

79,3 müNN einzustellen sein, so daß sich durchschnittliche Überstauhöhen der Schlammoberfiäche von<br />

etwa 0,5 bis 1 ,0 m ergeben werden.<br />

b) Sicherung der Böschungen<br />

Die mit Anhebung des Wasserspiegels verbundene Reduktion der Böschungsstandsicherheiten, insbesondere<br />

am östlichen Ufer der Grube Johannes, ist durch bautechnische Maßnahmen auszugleichen.<br />

Hierzu ist z. B. eine wasserseitige Aufschüttung am Böschungsfuß mit tragfähigen Materialien wie Bauschutt<br />

geeignet. Die <strong>Ein</strong>bringtechniken sind auf die Besonderheiten des Standortes mit einer technisch<br />

nicht tragfähigen Schlammschicht abzust<strong>im</strong>men.<br />

c) Randbereiche<br />

<strong>Ein</strong> Teil der Schlammoberfläche der Grube Johannes - etwa 10% der Gesamtfläche - kann aufgrund der<br />

Höhenlage von <strong>Ein</strong>- und Auslaß nicht oder nur sehr flach überstaut werden. Diese Randbereiche befinden<br />

sich vorwiegend <strong>im</strong> Süden und Südwesten des Schlammteiches. Bedingt durch den geringen oder<br />

fehlenden Wasserüberstau ist eine Verfahrensdurchführung mit BIOMATTE <strong>im</strong> bisherigen Verständnis<br />

hier nicht ohne Vorarbeiten anwendbar. Es wird daher z. Zt. geprüft, mit welchen Maßnahmen die Sofortsicherung<br />

der Randbereich bewerkstelligt werden kann. In Frage kommen hierfür Lösungen wie z. B. das<br />

<strong>Ein</strong>hausen und Abdichten der Flächen oder das Aufbringen einer Abdichtungsschicht mit integrierter<br />

Gasfassung. Die Anwendbarkeit der Materialeigenschaft des Ligninschlammes, nach dem Gefrieren das<br />

sonst gelartig gebundene Wasser zumindestens teilweise abzugeben, ist noch nicht abschließend bewertet.<br />

In der Diskussion befindet sich auch ein Vorschlag, der die Verwendung einer modifizierten BIO-<br />

MATTE für die Randzonen vorsieht. So könnte z. B. ein Geogitter mit fixierten Rhizomen von Schilf, Binsen<br />

o. ä. schlammbesiedelnden Pflanzen angeordnet werden. Praxisnahe Erfahrungen mit derartigen<br />

Pflanzmethoden liegen seit einiger Zeit vor.<br />

d) <strong>Ein</strong>richten eines Probefeldes<br />

Die derzeitige Situation verlangt, daß die hier konzipierten kurzfristigen Sicherungsmaßnahmen ab etwa<br />

Mai 1993 wirksam sein müssen. Um die Verfahrenssicherheit zu dokumentieren und um ggf. Änderungen<br />

und Verbesserungen an den Ausführungen vornehmen zu können, ist es unbedingt erforderiich, die in<br />

Tabelle 1 vorgeschlagenen Maßnahmen bereits zu Beginn des Jahres vorzutesten. Hierzu ist die Anlage<br />

eines Probefeldes <strong>im</strong> Bereich der Grube Johannes notwendig, auf dem die Wirksamkeit der biologischen<br />

Inaktivierung (Sauerstoffeintrag über AQUALIFE-Anlagen, Aufwuchsflächen in BIOMATTE) erprobt wer-<br />

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den kann. Die endgültige Auswahl der Sicherungsmaßnahme für die Randbereiche kann nur durch entsprechende<br />

Voruntersuchungen in einem Versuchsfeld erfolgen.<br />

Zu 4: Kontrollen<br />

Während der Durchführung der Sicherungsmaßnahmen ist zur Dokumentation des Sicherungserfolges,<br />

zur Steuerung der verschiedenartigen Systemsprozesse sowie zur Kontrolle ein umfangreiches Meßprogramm<br />

abzuarbeiten. Die biologischen Prozesse <strong>im</strong> freien Wassersaum können pr<strong>im</strong>är durch den Sauerstoff-<br />

und Nährstoffgehalt, durch den pH-Wert sowie durch den Bakteriengehalt beeinflußt werden. Zusätzlich<br />

ist die Variation dieser Steuergrößen Über die Seefläche von Bedeutung, so daß die Strömungs-<br />

Verhältnisse ebenfalls <strong>Ein</strong>fluß auf den Ablauf der biologischen Prozesse nehmen. <strong>Ein</strong>e Kontrolle des biologischen<br />

Gesamtprozesses muß sich somit mindestens auf folgende Parameter bzw. Maßnahmengrup<br />

pen erstrecken:<br />

-Sauerstoffzehrung in der obersten Schlammzone, Sauerstoffgehalt <strong>im</strong> freien Wassersaum<br />

-Kontrolle des Biopotentials<br />

-Kontrolle des H2S-Gehaltes <strong>im</strong> freien Wassersaum<br />

-Nitrifizierung der Ammoniumverbindungen<br />

-CSB- bzw. BSB5-Best<strong>im</strong>mung <strong>im</strong> freien Wassersaum<br />

-Temperatur- und pH-Wert<br />

-Emissions- und Immissionsüberwachung anhand von Leitparametem<br />

Das Kontrollprogramm für die Sicherungsmaßnahme <strong>im</strong> Randbereich ist bei Festlegung der endgültigen<br />

Ausführungvariante zu best<strong>im</strong>men.<br />

4 Zusammenfassung und Ausblick<br />

Zur <strong>Ein</strong>dämmung einer überwiegend saisonal auftretenden starken Geruchsbelästigung durch anaerob<br />

gebildete Faulgase u. a. Begleitstoffe dieses mikrobiellen Abbaus, soll am Standort Grube Johannes umgehend<br />

eine Sicherung ausgeführt werden. Hierzu wurde ein Konzept erarbeitet, daß als wesentlichen<br />

Bestandteil die Anwendung des Prinzips des mikrobiellen Abbaus geruchsintensiver Stoffe einschließlich<br />

Gase vorsieht. Zur Umsetzung des Konzeptes sind die technische Belüftung des vorhandenen Wassersaumes<br />

sowie die Bereitstellung von geeigneten Aufwuchsflächen für die Mikrobiologie erforderlich.<br />

Es ist vorgesehen, den Sauerstoffgehalt <strong>im</strong> überstauten Wassersaum durch Belüftung mit dem AQUA-<br />

LIFE-Aggregat der Fa. Maschinenfabrik Sangerhausen durchzuführen, da diese Gerätschaften insbesondere<br />

zur Anwendung in ausgesprochenen Flachwasserbereichen geeignet sind und vorwiegend horizontal<br />

ausgerichtete Strömungen erzeugen können.<br />

Aufwuchsflächen für schadgasoxidierende Mikroorganismen sollen an der Schlammoberfläche in Form<br />

der sog. BIOMATTE vorgehalten werden. Hierbei handelt es sich um ein speziell für die Anforderungen<br />

der Grube Johannes entworfenes Geokunststoffprodukt. Als Hauptanforderungen sind hierbei zu erfüllen:<br />

Gasdurchlässigkeit, Widerstand gegen Schlammeindringung, geeignete und ausreichende Oberflächen<br />

zur Ansiedlung der Mikroorganismen, Auftriebssicherheit und chemische Stabilität. Voruntersuchungen<br />

zur prinzipiellen Machbarkeit und zur Materialfindung finden z. Zt. unter Beteiligung der bekannten Anbieterfirmen<br />

von Geokunststoffen be<strong>im</strong> Institut fur Umweltanalyse GmbH in Bitterfeld statt. Die Festlegung<br />

des geeigneten BIOMATTEN-Produktes wird nach Abschluß der Untersuchungen <strong>im</strong> Feldversuch<br />

<strong>im</strong> Frühsommer erfolgen.<br />

Die Umsetzung des gesamten Sofortsicherungskonzeptes soll bis zum Sommer 1993 abgeschlossen<br />

werden, daß <strong>im</strong> Rahmen des Seminarvortrages der aktuelle Bearbeitungsstand erläutert werden kann.<br />

Aus: H. Scheffler, R. Scherbeck, G. Otto, A. König, R. Sonnenberger:<br />

Sofortsicherung des Schlammteiches Grube Johannes der Filmfabrik Wolfen,<br />

Berichte vom 9. Bochumer Altlastenseminar 1993: Sicherung von Altlasten,<br />

Hrsg.: H. L. Jessberger, Sonderdruck, A. A: Balkema/Rotterdam/Brockfield 1993<br />

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4. Die Entwicklung der Region <strong>im</strong> Kartenbild<br />

(1872 - 1994)<br />

Um die Veränderung des Raumes durch Industrie, Bergbau, Siedlung und Verkehr<br />

zu dokumentieren, werden auf den folgenden Seiten Ausschnitte aus den Blättern<br />

des Topographischen Kartenwerks <strong>im</strong> Maßstab 1 : 25.000 für ausgewählte<br />

Zeitpunkte wiedergegeben.<br />

Die aus der DDR-Zeit verfügbaren Karten aus den Jahren 1984185 sind inhaltlich<br />

weitgehend identisch mit den Kartenausgaben von 1994 und werden deshalb<br />

und wegen des abweichenden Blattschnitts nicht abgedruckt.<br />

Informationen zu dem Stand (Fortführungsstand / letzte Nachträge) der<br />

abgedruckten Karten:<br />

4339<br />

Bitterfeld-West<br />

1872<br />

1904<br />

1938<br />

1994<br />

Ausschnitt aus Blatt<br />

4340<br />

BitterfeId-Ost<br />

1874<br />

1904<br />

[ 1938]<br />

1994<br />

Die Karten auf den folgenden Seiten sind verkleinerte Ausschnitte aus diesen<br />

Blättern der Topographischen Karte 1 : 25.000.<br />

Für alle abgebildeten Karten wurde dankenswerterweise die<br />

Vervielfältigungsgenehmigung erteilt.<br />

Quellen:<br />

Ausgaben 1872 - 1904:<br />

Staatsbibliothek zu Berlin. Preußischer Kulturbesitz. Kartenabteilung .<br />

Ausgaben 1938 - 1994:<br />

Landesamtfür Landesvermessung und Datenverarbeitung Sachsen-Anhalt.<br />

Vervielfältigungserlaubniserteilt durch das Landesamt<br />

für Landesvermessungund Datenverarbeitung<br />

Sachsen-Anhalt<br />

Genehmigungsnummer:LVermD/V/0049/98<br />

112


121


122


123


124


1. <strong>Bayer</strong> Bitterfeld GmbH<br />

2. Aus<strong>im</strong>ont (Deutschland) GmbH<br />

3. SIDRA Wasserchemie GmbH<br />

Bitterfeld<br />

4. Heraeus Quarzglas GmbH<br />

5. dreco Werke Wasch- und<br />

Körperpflegemittel<br />

6. Alphacan Omniplast Bitterfeld<br />

GmbH<br />

7. Regiobahn Bitterfeld GmbH<br />

8. VPZ Verpackungszentrum Bitterfeld<br />

GmbH<br />

9. mb guss alutechnik GmbH<br />

Bitterfeld<br />

10. REMA - Hotel Ambassador<br />

11. A & F Hygiene GmbH & Co KG<br />

12. Fertigbeton GmbH & Co KG<br />

13. Stadion Greppin<br />

14. SIS System-Instandsetzung und<br />

Service GmbH<br />

15. IMMOBIT Grundbesitz GmbH<br />

16. Fa. Sabisch<br />

17. Amt für Brand-,<br />

Katastrophenschutz und<br />

Rettungswesen<br />

18.ehem. Lehrlingswohnhe<strong>im</strong><br />

19.Schülerwohnhe<strong>im</strong> Wolfen<br />

20.Technische Berufsschule<br />

Bitterfeld<br />

21.Kulturpalast/Schw<strong>im</strong>mhalle/<br />

Sporthalle<br />

22.Schönknecht’s Gartenbau GmbH<br />

23.Polytechnik<br />

24.Fechthalle Greppin<br />

25.Kindereinrichtungen<br />

26.Reprotechnik Bitterfeld GmbH<br />

27.Bildungseinrichtungen<br />

28. TMG Spedition GmbH<br />

29.Bleul Transporte GbR<br />

30.Methylat GmbH<br />

31.M.G. Markt Manfred Gronemeier<br />

GmbH<br />

32.Magnetbetrieb<br />

33.TDA Technische Dienste und<br />

Anlagenbau GmbH<br />

34.LM-Schrott<br />

35.BIG Bildungs- und<br />

Ingenieurgesellschaft mbH<br />

Bitterfeld<br />

36.KWB Kraftwerk Bitterfeld GmbH<br />

37.BUCK Umwelttechnik GmbH<br />

38.Salzsäure<br />

39.Kaliumpermanganat<br />

40.BQP/ÖSEG<br />

4l.Oxalsäure<br />

42.DIABON Prozeßtechnik GmbH<br />

43.Chlor III<br />

44.Akzo Nobel Chemicals GmbH<br />

45.Bi 58<br />

Unternehmen <strong>im</strong> ChemiePark Bitterfeld<br />

125<br />

46.SIGNA FARBEN GmbH & Co. KG<br />

47.Verwaltung Deponie<br />

48.G. Braun Pharmadruck Bitterfeld<br />

GmbH & Co. KG<br />

49.Isotopentechnik<br />

50.EVIP Energieversorgung<br />

Industriepark Bft/Wlf GmbH<br />

51.Teutloff Bildungszentrum GmbH<br />

52.CLEAN-Großwäscherei GmbH<br />

53.Aniline<br />

54.UPE Industrie Prozeß Anlagen GmbH<br />

55.ZABAU Zaunanlagen GmbH<br />

56.Comparex Informationssysteme GmbH<br />

57.Büteführ & Sohn GmbH & Co. KG<br />

58.H&B Herkommer & Bangerter<br />

59.Mokri & Losch GmbH<br />

60.Hoogovens Aluminium Profiltechnik<br />

Bitterfeld GmbH<br />

61.Linde AG Technische Gase<br />

62.Heraeus Elektrochemie Bitterfeld<br />

GmbH<br />

63.SINA - Industrie Service GmbH<br />

64.HC Abbruch und Recycling GmbH<br />

65.ABR Abfallbeseitigung & Recycling<br />

GmbH<br />

66.Lagerwirtschaft Chemie GmbH<br />

67.ORGANOTIN Chemie GmbH<br />

68.Bodensanierungsgesellschaft<br />

Bitterfeld<br />

69.Indulor<br />

70 .TLG<br />

71.BHG Handel mit Baustoffen<br />

72.STARO Gerüstbau GmbH<br />

73.ICR Industrie-Chemikalien<br />

Rückgewinnung GmbH<br />

74.FIS Fördertechnik Service GmbH<br />

75.Peter Hahn<br />

76.Chemische Reinigung<br />

77.KESLA Chemie GmbH<br />

78. MEAG<br />

79.Fa. Helfmeier<br />

80.Korrosionsschutz<br />

81.Kegelsportverein<br />

82.Voigtlander Getränkegroßhandel<br />

83.Rohrbrückenbetreuung<br />

84.Nitrierung / Reko Zwipro<br />

85.WSZ Wolfener Schwefelsäure- und<br />

Zement GmbH<br />

86.SINA Industrieservice GmbH<br />

87.Silbernitrat<br />

88.MVS Vertrieb-Vermietung-Service<br />

GmbH & Co.<br />

89.IAB Ionenaustauscher Bitterfeld<br />

90.GKW Gemeinschaftsklärwerk<br />

Bitterfeld / Wolfen GmbH<br />

91.Miltitz Aromatics<br />

92.Dr. Fechter GmbH<br />

93.IWT Ingenieurgesellschaft Wasser<br />

und Tiefbau mbH


94.Tierhe<strong>im</strong><br />

95.Fa. Hünnebeck Gerüstbau<br />

96.BCA Bitterfelder Chlor-Alkali<br />

GmbH<br />

97.Camposan<br />

98.Muldewasserwerk<br />

99.AZO Ost<br />

100.BAREC GmbH Gesellschaft für<br />

Autorecycling<br />

101. SYNBIT<br />

102.Industriechemikalien<br />

Schwefelnatrium<br />

103.Klechowitz & Partner GmbH<br />

104.Transportunternehmen G. Müller<br />

105.Haase Werbung<br />

106.Kofasil<br />

107.Fa. Wegewitz<br />

108.BISANTECH Anlagenbau und<br />

Sanierungstechnik GmbH<br />

109.CM-Chemiemetall GmbH Bitterfeld<br />

110.J.J. Ohrem Spedition<br />

111.FSB Fernmeldeanlagen-Service<br />

GmbH<br />

112.div. <strong>Ein</strong>richtungen (IMO,<br />

Klöpper, Brandt . . . )<br />

113.Ingenieurbau Bitterfeld<br />

114.Keramchemie GmbH<br />

115.Fa. Halverscheid, Cremer<br />

116.Fa. Krause (Sanitär)<br />

117.div. <strong>Ein</strong>richtungen<br />

118.Werkschutz ChemiePark<br />

119.WIH - Wohnungsinstandhaltung<br />

GmbH<br />

120.ZENTEC Bürosysteme GmbH<br />

121.Elektro Dietrich<br />

122.Dental-Labor B+B GmbH<br />

123.Impuls Personalleasing<br />

124.Fa. Munte<br />

125.Gr<strong>im</strong>m Kundenzentrum<br />

126.Breitfelder u. Co. GmbH<br />

127.Pockrandt GmbH<br />

128.Fa. Schopf/Apfel<br />

129.Autohaus TOYOTA<br />

130.Shell-Tankstelle<br />

131.Klärteiche Süd<br />

132.Autohaus HYUNDAI H.-J- ELZE GmbH<br />

133.Autohaus Lehmann<br />

134.Kultur- und<br />

Kommunikationszentrum<br />

135.WOLA chemisch-technische<br />

Erzeugnisse GmbH<br />

136.Wiegand/Stavemann<br />

137.Fa. Brandt<br />

138.Eich GmbH<br />

139.SIAC Gesellschaft u. Co. KG<br />

Neunkirchen<br />

140.Eich und Schnur<br />

141.Spedition Richter<br />

142.Dr. Paul<br />

143.Kreideweiß/Münch<br />

126<br />

144. Mende<br />

145.Wofatit-Technika, Labor<br />

146.Weißtöner II / Coloristik u.a.<br />

147.Zentrallabor<br />

148.Versuchsfabrik<br />

149.Verwaltungsgebäude Chemie GmbH<br />

151.HPD Ingenieurbaugesellschaft mbH<br />

152.Bodenwaschanlage<br />

153.Fa. Drake<br />

154.Unit- Handels- und<br />

Servicegesellschaft mbH<br />

155.BITT Industriemontage GmbH<br />

156.Fuhrbetrieb Lohmann<br />

157.Böhme Bau<br />

158.Granulat<br />

159.Fa. Münch<br />

160.Reinholz / Uhde<br />

161.EBG mbH i.G.<br />

162.Zentrale Sozialanlagen<br />

163.TML (Materialprüfstelle)<br />

164.Plasttechnikum<br />

165.Anlagen Wasserver- und<br />

Entsorgung<br />

166.GEDA Gesellschaft für<br />

Datenverwaltung GmbH<br />

167.Abs Lieder<br />

168.Detecon Deutsche Telepost<br />

Consulting GmbH<br />

169. Fa. Fiedler<br />

171.<strong>Ein</strong>kauf/Lagerwirtschaft<br />

172.Feuerwehr Chemiepark<br />

173.Deponiezwischenlager Schüttgut<br />

174.aqua control Umwelttechnik GmbH<br />

175.Tr<strong>im</strong>etall (Deutschland) GmbH<br />

177.BBI Bildungs- und<br />

Beratungsinstitut<br />

178.BÜROPROFI Bents GmbH<br />

179.ODB Bürotechnik / Hacker Imbiss<br />

180.Ingenieurbüro Behler<br />

181.TEXCO Farben<br />

Produktionsgesellschaft mbH<br />

182.Straßenmeisterei Landkreis<br />

183.Miltitz Aromatics Wolfen GmbH<br />

184.Reko Reducta GmbH<br />

185.Deponiezwischenlager Gebinde<br />

186.SBF Wasser und Umwelt<br />

187.Fa. Hagedorn<br />

188.Tricat GmbH<br />

189.Finanzen / Rechnungswesen<br />

190.Medizinharze<br />

191.Miltitz Aromatics<br />

192.ISB Umweltschutz<br />

193.Zentralküche<br />

194.Bildung<br />

195.Wohnstätten GmbH<br />

196.HMC Hydrometallurgie<br />

197.Deponie Grube Greppin<br />

198.Kommune Greppin<br />

199.VITEC Verfahrens- und<br />

Industrietechnik GmbH Bitterfeld


200.GERTEC GmbH, Beratende<br />

Ingenieure<br />

201.Durynek und Krannich Laborglas<br />

Wolfen GbR<br />

202.Euroschulen Bitterfeld-Wolfen<br />

203.Autohaus Pfuhl<br />

204.HCL-Wolfen<br />

205.Medienversorgung <strong>Bayer</strong><br />

206.Fuhrbetrieb Roland Liebke<br />

207.Schießverein Wolfen<br />

127<br />

208.Isolier- u. Dämmstoffcenter<br />

209.Ballonplatz Bitterfeld<br />

210.Dienstleistungen<br />

211.Zelsberg (Freizeiteinrichtungen)<br />

212.Fa. Schleifer<br />

213.Ingenieurbüro Rothe<br />

214.Pharmabau<br />

215.Nitrierung/Destillation<br />

216.pedus service<br />

217.Fa. Berg-Chemie Lüdenscheid


128


130


131


5. Literaturverzeichnis<br />

5.1 Schwerpunkt Chemie<br />

1. Autorenkollektiv der Abteilung Agitation/Propaganda und der Geschichtskommission<br />

der Kreisleitung der SED <strong>im</strong> Chemiekombinat Bitterfeld (Hrsg.):<br />

Großbaustelle Chlor IV - Feld der Bewährung, Heft 5 der Reise ,,... aus der<br />

Geschichte des VEB Chemiekombinat Bitterfeld"<br />

2. Demuth: Chemie und Umweltbelastung, Moritz Diesterweg Verlag<br />

3. H. Ebert: Elektrochemie, Vogel-Verlag, Würzburg 1972<br />

4. E. Fischer: 100 Jahre industrielle Alkalichloridelektrolyse in der Chemieregion<br />

Bitterfeld-Wolfen, in Chemische Technik 48 (1 996), 43-52<br />

5. Fonds der Chemischen Industrie, Foliensatz Nr. 24 „Die Chemie des Chlors<br />

und seiner Verbindungen", Fonds der Chemischen Industrie, Frankfurt 1992<br />

6. G. Grünzig u.a.: Entwicklung neuer Diaphragmazellen zur Chloralkalielektrolyse,<br />

in Chem. Techn. 21 (1969), 604-610<br />

7. W. Heyder: 60 Jahre Chloralkalielektrolyse, in Chem. Techn. 6 (1954), 702-<br />

704<br />

8. W. Heyder und W. Springemann: Wirtschaftliche Überlegungen zum Problem<br />

Quecksilber- oder Diaphragma-Verfahren bei der Chloralkalielektroly-<br />

Se, in Chem. Techn. 8 (1956), 702-704<br />

9. E. Heitz und G. Kreysa: Grundlagen der technischen Elektrochemie: erw.<br />

Fassung eines Dechema-Exper<strong>im</strong>entalkurses, Verlag Chemie, Weinhe<strong>im</strong><br />

1977<br />

10. N. Neuroth: Glas für optische Anwendungen, PdN - Ch. 1/46. Jg. 1997, Aulis<br />

Verlag<br />

11. Peters A., O. Lindig: Glas und seine Eigenschaften <strong>im</strong> Exper<strong>im</strong>ent,<br />

Chem.Exp. Technol. 3 (1977), Georg Thieme Verlag<br />

12. W. Schade: <strong>Ein</strong>führung in die chemische Technologie, VEB Deutscher Verlag<br />

der Wissenschaften, Berlin 1980<br />

13. W. Scholtyseck: Salz ist nicht allein zum Salzen da, in Neuer Freiheit Bilderbogen<br />

(1982), 9<br />

14. H. Schröder: Spezialgläser für die Technik, Chem. Exp. Technol. 3 (1977),<br />

Georg Thieme Verlag<br />

15. Ullmann's Encyclopedia of Industrial Chemistry - Band 9, VCH, Weinhe<strong>im</strong><br />

1986, S. 399 ff<br />

16. Vorstand der Chemie AG Bitterfeld-Wolfen (Hrsg.): Bitterfelder Chronik -<br />

100 Jahre <strong>Chemiestandort</strong> Bitterfeld-Wolfen, Chemie AG Bitterfeld-Wolfen<br />

1993<br />

17. F. Welsch: Geschichte der chemischen Industrie, VEB Deutscher Verlag der<br />

Wissenschaften, Berlin 1981<br />

132


5.2 Schwerpunkt Erdkunde<br />

Beiträge zur Bitterfelder Industriegeschichte. Heft 1 - 6. Hg. v. Verein der Freunde<br />

und Förderer des Kreismuseums Bitterfeld. Bitterfeld 1993 - 1996.<br />

Bitterfelder Chronik. I00 Jahre <strong>Chemiestandort</strong> Bitterfeld-Wolfen.<br />

Hg. v. Vorstand der Chemie AG. Bitterfeld-Wolfen 1993.<br />

ChemiePark Bitterfeld (Hg.): 100 Jahre Chemie in Bitterfeld. Bitterfeld-Wolfen 1993:<br />

ein Standort mit Tradition und Zukunft. Bitterfeld 1993.<br />

ChemiePark Bitterfeld (Hg.): Alles da für Sie. Ja alles. Im ChemiePark Bitterfeld.<br />

(Prospekte) 1993 und 1995.<br />

ChemiePark Bitterfeld (Hg.): Umweltschutz <strong>im</strong> Raum Bitterfeld. <strong>Ein</strong>e Information des<br />

Bereiches Umweltschutz.<br />

Entwicklungs- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft Bitterfeld-Wolfen (Hg.):<br />

P I a n u n g s we r ks t a tt B i tte rfe Id -Wo I fe n . M aste r p I an . B i tte rfe Id 1 9 96.<br />

Heß, G.: Die Funktion und Struktur des Industriegebietes Bitterfeld. 1965.<br />

Hille, Josef, Ralf Rucke, Roland W. Scholz U. Fred Walkow (Hg.): Bitterfeld.<br />

Modellhafte ökologische Bestandsaufnahme einer kontaminierten<br />

lndustrieregion - Beiträge der 1. Bitterfelder Umweltkonferenz. Reihe:<br />

Schadstoffe und Umwelt, Band 10. Berlin 1992.<br />

Kohlmann, Reinhard: Das Industriegebiet Bitterfeld-Wolfen. Zustandsanalyse einer<br />

Problemregion. In: Praxis Geographie, Jg. 20, 1990, Heft 12. S. 26 - 32.<br />

Landkreis Bitterfeld (Hg.): Regionalatlas Landkreis Bitterfeld. Bitterfeld 1996.<br />

Landkreis Bitterfeld (Hg.): Umweltreport Bitterfeld 96. Bitterfeld 1996.<br />

Landkreis Bitterfeld (Hg.): Ziele der Raumordnung und regionaler Entwicklung<br />

(Kreisentwicklungsprogramm). Bitterfeld 1994 .<br />

Landkreis Bitterfeld (Hg.): Ziele der Raumordnung und regionaler Entwicklung<br />

(Kreisentwicklungsprogramm). Bitterfeld 1998.<br />

Landkreis Bitterfeld u.a. (Hg.): Bergbaufolgelandschaft Bitterfeld. Natur aus zweiter<br />

Hand. Bitterfeld 1995.<br />

Ministerium für Raumordnung, Landwirtschaft und Umwelt des Landes Sachsen-<br />

Anhalt (Hg.): Landesentwicklungsbericht des Landes Sachsen-Anhalt 1996.<br />

Magdeburg 1996.<br />

Ministerium für Umwelt und Naturschutz des Landes Sachsen-Anhalt (Hg.):<br />

Umweltbericht 1993 des Landes Sachsen-Anhalt. Magdeburg 1994.<br />

Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung des Landes Sachsen-Anhalt<br />

(Hg.): Information des Landes Sachsen-Anhalt zum Nationalen<br />

Sonderprogramm Bitterfeld - Halle - Merseburg. Magdeburg 2. Auflage 1994.<br />

Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung des Landes Sachsen-Anhalt<br />

(Hg.1:<br />

Umweltbericht 1995 des Landes Sachsen-Anhalt. Magdeburg 1996.<br />

Neumeister, Hans u.a.: Immissionsbedingte Stoffeinträge aus der Luft als<br />

geomorphologischer Faktor. 100 Jahre atmosphärische Deposition <strong>im</strong> Raum<br />

Bitterfeld (Sachsen-Anhalt). In: Geoökodynamik, Band 12, 1991. S. 1 - 40.<br />

Unglaube, Manfred: Bitterfeld-Wolfen. Strukturveränderungen in einer<br />

Problemregion. In: Praxis Geographie, Jg. 26, 1996, Heft 6. S. 18 - 21.<br />

Z<strong>im</strong>nol, Frank: Erfolgreich - Chemiepark Bitterfeld. In: Sachsen-Anhalt 1994. Das<br />

Jahrbuch. Halle 1994. S. 74 - 75.<br />

133


6. Adressen<br />

Schwerpunkt Chemie<br />

<strong>Bayer</strong> Bitterfeld GnibH<br />

Salegaster Chausee 1<br />

06803 Greppin<br />

ChemiePark Bitterfeld Wolfen<br />

Parsevalstraße 6<br />

06749 Bitterfeld<br />

Heraeus Quarzglas GmbH<br />

Heraeusstraße<br />

06803 Greppin<br />

Umwelt-Forschungszentrum<br />

Glück auf 8<br />

06749 Bitterfeld<br />

Unicepta - Gesellschaft für Marktkommunikation mbH<br />

Zörbigerstraße<br />

06749 Bitterfeld<br />

Schwerpunkt Erdkunde<br />

Arbeitsamt Halle, Nebenstelle Bitterfeld<br />

Bismarckstraße 20-22<br />

06749 Bitterfeld<br />

Entwicklungs- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft Bitterfeld-Wolfen mbH<br />

Mittelstraße 20<br />

06749 Bitterfeld<br />

Erneuerungsgesellscliaft Wolfen Nord<br />

Grünstr. 19-21<br />

06766 Wolfen<br />

134


Industrie- und Filmmuseum e.V.<br />

Chemiepark Thalhe<strong>im</strong> Areal A<br />

Bunsenstr. 4<br />

06766 Wolfen<br />

Industrie- und Hande1skammer<br />

Niemegker Straße 1d<br />

06749 Bitterfeld<br />

Initiativkreis Bitterfeld- Wolfen e.V<br />

Röhrenstraße 17 a<br />

06749 Bitterfeld<br />

Kreishandwerkerschaft Bitterfeld<br />

Bismarckstraße 26<br />

06749 Bitterfeld<br />

Kommunaler Zweckverband<br />

Bergbaufolgelandschaft Goitzsche<br />

Am Tannenweg 13<br />

06774 Pouch<br />

Expo 2000 Sachsen Anhalt GmbH<br />

Bitterfelder Informationszentrum<br />

Schloß Pouch<br />

Kreismuseum Bitterfeld<br />

Kirchplatz 3<br />

06749 Bitterfeld<br />

Landesamt für Landesvermessung und Datenverarbeitung Sachsen-Anhalt<br />

Barbarastraße 2<br />

06 110 Halle / Saale<br />

Landratsamt Bitterfeld<br />

Mittelstraße 20<br />

06749 Bitterfeld<br />

Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbauund<br />

Verwaltungsgesellscliaft mbH (LBMV)<br />

Brehnauer Straße 43<br />

06749 Bitterfeld<br />

Ministerium für Raumordnung und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt<br />

Olvenstedter Straße 4<br />

39108 Magdeburg<br />

Stadtverwaltung Bitterfeld<br />

Ain Markt 7<br />

06749 Bitterfeld<br />

135


Stadtverwaltung Wolfen<br />

Postfach 12 5 1<br />

06766 Wolfen<br />

Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt<br />

Merseburger Straße 2<br />

06122 Halle / Saale<br />

Internetadressen<br />

http ://www. bay e r . d e/publikationen<br />

Unter dieser Adresse werden die vorliegenden Materialien sowie Bildmaterial vom<br />

Chemiepark eingestellt . Die wichtigsten Kenndaten sollen regelmäßig aktualisiert werden.<br />

http://www.das-parlament.de/archiv/pdf-archiv/22-23-2000/bartikel4.pdf<br />

Christian Nieters / Tobias Faupel / Holger Derlien<br />

Revitalisierung eines Industriestandortes<br />

Das Expo-Projekt Chemiepark Bitterfeld- Wolfen<br />

http://skylla/wz.berlin.de/pdf/1999/iv99-16.pdf<br />

Holger Derlien / Tobias Faupel / Christian Nieters<br />

Industriestandorte mit Vorbildfunktion<br />

Das ostdeutsche Chemiedreieck<br />

http://www.Kfw.de/DE/Research/<strong>PDF</strong>/beitrag_19.pdf<br />

KfW - Beiträge zur Mittelstands- und Strukturpolitik Band 19<br />

Sonderband<br />

Die neuen Bundesländer 10 Jahre nach der Wiedervereinigung:<br />

Gesamtwirtschaftliche Erfolge - KfW-Förderbilanz - Perspektiven<br />

http://www.ltfw.de/DE/Research/<strong>PDF</strong>/b19_04_16.pdf<br />

KfW-Beiträge zur Mittelstands- und Strukturpolitik<br />

Zwischen eigenständiger Wirtschaftskraft und öffentlichen Transferleistungen:<br />

Wo steht der Osten nach 10 Jahren Wiedervereinigung?<br />

http://www.arbeit-umwelt.de/schwerp/ostenga/ostenga.htm<br />

Engagement in Ostdeutschland:<br />

Der besondere Umbau: Chemie folgt auf Chemie<br />

http://webdoc.gwdg.de/edoc/le/sofi/l994_21/kern.pdf<br />

Horst Kern, Ulrich Voskamp<br />

Bocksprungstrategie - Überholende Modernisierung zur Sicherung ostdeutscher<br />

Industriestandorte<br />

136


Impressum<br />

Herausgeber:<br />

Bezirksregierungen Arnsberg und Köln<br />

Arnsberg 2001

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