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Bent Branderup riti Probe und urteilte: ,,Guter Sitz!

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i a n . Ziliox' Glück<br />

liegt unter der Erde, knapp<br />

drei Meter tief. Dort sucht der<br />

Mann aus dem nordrhein-<br />

westfälischen Sohl nach Wur-<br />

zeln moderner Reiterei.<br />

Was er findet, wirkt auf<br />

Unk<strong>und</strong>ige unspektakulär: ein<br />

bisschen rostiges Eisen, ein<br />

2 paar verkrum&te Brocken.<br />

Auf den zweiten Blick sind die<br />

,f Grabf<strong>und</strong>e - e&us alaman-<br />

nischen Adelsgräbern im ba-<br />

den-württembergischen Nie-<br />

derstotzingen - wahre Schät-<br />

ze: Reste von Sporen, Zaum-<br />

<strong>und</strong> Sattelbeschläge, die mei-<br />

sten von ihnen r<strong>und</strong> 1400 Jah-<br />

re alt. Für Arian Ziliox, der,<br />

obwohl kein Archäologe, gele-<br />

gentlich auf Ausgrabungen ar-<br />

beitet, öffnen sie ein Fenster<br />

in die Vergangenheit.<br />

Fünftes Jahrh<strong>und</strong>ert nach<br />

tE*<br />

'I'<br />

Christus: Auf heutigem<br />

deutsch-französischem Boden<br />

regierten die Merowinger, eh<br />

fränkisches Königsgeschlecht,<br />

berühmt für König Chlodwig,<br />

der mit 3000 Kriegern zum ka-<br />

tholischen Christentum über-<br />

trat. Er war berüchtigt für sei<br />

ne grausamen Bruderkriege.<br />

Eine Königinmutter wurde<br />

zwischen vier Pferde gespannt<br />

<strong>und</strong> in Stücke gerissen, ein<br />

aufrührerisches Paar zwischen<br />

Pfählen ,hart gegeißelt". Ihm<br />

schnitt man die Ohren ab, ihr<br />

verbrannte man das Gesicht<br />

mit glühenden Eisen.<br />

Rücksichtslos eroberten<br />

Merowinger ihre Nachbarn,<br />

plünderten <strong>und</strong> häuften<br />

Kunstschätze an. Einige zeit-<br />

genössische Stücke werden<br />

momentan als sogenannte<br />

Beutekunst im Moskauer<br />

Puschkin-Museum gezeigt.<br />

Ihre Krieger bestatteten<br />

die Merowinger oft zusammen<br />

mit den Pferden, wertvolles<br />

Sattel- <strong>und</strong> Zaumzeug gehörte<br />

Zahn um Zahn: Merowinger<br />

benuMen Knebeltrensen<br />

mit einfach gebrochenem<br />

Eisengebiss.<br />

zur Ausstattung. R<strong>und</strong> 200<br />

Pferdegräber der Merowinger-<br />

zeit fand man bislang, in eini-<br />

gen fehlten die Pferdeköpfe -<br />

,,ein archaisches Relikt, das es<br />

auch in christlicher Zeit noch<br />

gab", sagt Ziliox.<br />

Tausend Jahre früher zo-


<strong>Bent</strong> <strong>Branderup</strong> <strong>riti</strong> <strong>Probe</strong> <strong>und</strong> <strong>urteilte</strong>: ,,<strong>Guter</strong> <strong>Sitz</strong>!'<br />

Gut gepanzert: Keiten irugen vemutlich nur<br />

lederne <strong>und</strong> leinene Panzer. Merowinger hatten<br />

es mit ihren Eiipanzem schwerer.<br />

gen keltische Krieger, zu er- Nicht ohne Bart:<br />

kennen an ihren typischen Atian Ziliox (links)<br />

Spitzhelmen (Typ Berru, be- <strong>und</strong> Sattler<br />

nannt nach einem berühmten christoph Rieser.<br />

F<strong>und</strong>ort in Ostfrankreich) auf<br />

einachsigen Kampfwagen <strong>und</strong><br />

morgens immeru, sagt er leise.<br />

Mit schwarzer Joppe <strong>und</strong> zum<br />

Zopf geflochtenem Bart,<br />

Wolfshündin Asa an der Seite,<br />

wirkt Ziliox irgendwie aus der<br />

Zeit gefallen. Seit Jahren<br />

zieht er mit Fre<strong>und</strong>en als Me-<br />

rowinger-Krieger oder Kel-<br />

ten-Fürst in nachgesteiite<br />

Schlachten. Seit knapp sieben<br />

Jahren gibt es die Gruppe<br />

JJlfhednaf' (,Die Wolfshäu-<br />

serc'), etwa 40 Leute mit r<strong>und</strong><br />

zehn Pferden, unter anderem<br />

aus Thüringen, Hessen, Pom-<br />

mern <strong>und</strong> Polen. Bald soll es<br />

auch eine englische 'kuppe<br />

geben.<br />

r<br />

kleinen, wendigen Pferden in Die Vergangenheitshuldi- duktionen ,,Der Chiemgau-Ko-<br />

die Schlacht. Sogar Cäsar lob- ger treffen sich mehrmals im met", „Bonifatis - Tod im<br />

te die Kelten als exzellente Jahr zum Training, bei Auf- Morgengrauen" oder ,,Das<br />

Reiter <strong>und</strong> schlaue Krieger. tritten in Museen <strong>und</strong> Drehar- magische Schwertcc des Süd-<br />

Im Hier <strong>und</strong> Heute folgt beiten, etwa für die ZDF-F'm westr<strong>und</strong>funks.<br />

Arian Ziliox ihren Spuren.<br />

,,Lasst uns ein Stück über die<br />

Wiese gehen, das mache ich I<br />

,Wir führen keine Spektakel<br />

aufu, sagt Ziliox. ,Ulfhednar<br />

stellt Geschichte so gut es<br />

geht authentisch dar, ohne romantische<br />

Verklärung <strong>und</strong><br />

moderne Esoterik."<br />

Ulfhednar-Krieger (www.<br />

ulfhednar.org) treten in zeitgenössischen<br />

Kostümen auf.<br />

Und zur Ausrüstung gehören<br />

neben einem großen Zeltlager<br />

mit über zehn Zelten auch historische<br />

Fuhrwerke sowie eine<br />

einmalige Sammlung an<br />

Halftern, Zaumzeugen <strong>und</strong><br />

Sätteln.<br />

Das alles sind keine Phap<br />

tasie-Requisiten, sondern<br />

akribisch nachgebaute F<strong>und</strong>stücke,<br />

von denen sogar Museen<br />

begeistert sind (siehe<br />

Kasten unten). Vorlagen findet<br />

Ulfhednar-Gründer Ziliox<br />

nicht nur unter der Erde, sondem<br />

auch im Archiv der Marburger<br />

Universität. Ganze Tage<br />

sitzt der 39jährige im Lesesaal<br />

oder zu Hause über Grabungskatalogen,<br />

vergleicht,<br />

rekonstruiert <strong>und</strong> analysiert.<br />

Die Ausstellung ,,Pferdeopfer<br />

<strong>und</strong> Reiterlaiegercc, derzeit<br />

im Gustav-Lübcke-Museum<br />

in Hamm zu sehen, zeigt<br />

viele von Ziliox <strong>und</strong> seinen<br />

Fre<strong>und</strong>en gebaute Exponate:<br />

silbertauschierte Riemenverteiler<br />

(Seite 157 oben), handgeschmiedete<br />

Knebeltrensen<br />

mit gebrochenen Eisengebis-<br />

Sen, Panzer <strong>und</strong> Helme.<br />

Ziliox arbeitet mit Kunst<strong>und</strong><br />

Goldschmieden in Tschechien<br />

zusammen; bei der Rekonstruktion<br />

einiger Sättel<br />

half der renommierte Sattler<strong>und</strong><br />

Goldschmiedemeister<br />

Christoph Rieser (siehe auch<br />

Seite 40).<br />

Authentizität ist wichtig,<br />

hat aber Grenzen. „Bei den<br />

Sätteln der Merowinger haben<br />

wir wie bei allen Realien<br />

aus organischem Material ein<br />

Problem: Sie sind weitgehend<br />

vergangencc, sagt Ziliox.<br />

Doch Nagelreihen, Nieten


I <strong>und</strong><br />

1<br />

Feld+lerr: Ziliox als Merowinger-<br />

Krieger mit typischem Helm<br />

<strong>und</strong> Schild.<br />

FonnSache: Tauschierte<br />

Riemenverteiler (oben) <strong>und</strong><br />

AhomuatteW5esiell (unten).<br />

bronzene Kantenbeschlä-<br />

ge, etwa aus dem kauengrab<br />

von Wesel-Billich, erlauben<br />

Rückschlüsse auf Größe <strong>und</strong><br />

Form der Sättel: Die Merowin-<br />

ger ritten in engen <strong>Sitz</strong>en mit<br />

hohen Zwieseln <strong>und</strong> einem<br />

Baum aus Ahorn-Holz, an<br />

Zwieseln <strong>und</strong> Sattelbrettern<br />

dreifach kreuzweise miteinan-<br />

der verleimt. Einen von Rie-<br />

ser <strong>und</strong> Ziliox geb+ten Sattel<br />

Brent Brandern<br />

Steigbügel streit& die Wis-<br />

senschaftler; nach der gängi-<br />

gen Theorie brachte das Rei-<br />

tervolk der Awaren sie ab 562<br />

nach Europa. Fakt ist, dass<br />

sich Steigbügel ab 600 unse-<br />

rer Zeitrechnung in Gräbern<br />

finden.<br />

Die Sättel der Merowinger<br />

iagen auf Pferden, die mit


I<br />

Kriegstauglich: OnginaHreu<br />

kostümierter Reiter (oben) <strong>und</strong><br />

rekonstruierter Scritel, der hier<br />

auf einem Quarter Hone liegt<br />

(rechts). Als Unterlage diente<br />

vermutlich Rehfell.<br />

1,20 bis l,4O Metern eher<br />

klein waren <strong>und</strong> doch 1,70 bis<br />

1,90 Meter große Krieger samt<br />

Ausrüstung trugen. Im Gegen-<br />

satz dazu waren die Steigbügel<br />

extrem zierlich: Vermutiich<br />

passte nur die Stiefelspitze<br />

der Krieger hinein.<br />

Die Alamannen wogen Hengste mit ,goldweriem GeldY auf<br />

Einige der Pferde glichen<br />

in Profil, Srirnbreite <strong>und</strong><br />

Zahnschmelzgerüst heutigen<br />

Isländern. im Niederstotzinger<br />

Adelsgrabgelege (um 600)<br />

fanden sich aber auch zwei<br />

Pferde mit orientalen Merk-<br />

malen, ,,vermutlich die Vor-<br />

läufer der heutigen Württem-<br />

berger Araber", so Ziliox. ,Al-<br />

te Gesetzesaufzeichnungen<br />

der Germanen belegen: Pfer-<br />

dezucht reicht weit zurück<br />

<strong>und</strong> war enorm wichtig."<br />

So trennten die Thüringer<br />

ihre Stutenherden von den<br />

Hengsten. Alamannen, die auf<br />

dem Gebiet des heutigen<br />

Schwaben siedelten, wogen<br />

Hengste mit ,,goldwertem<br />

Geldu auf. ,An den Skelett-<br />

f<strong>und</strong>en kann man erkennen,<br />

dass einige Pferde in viel zu<br />

kleinen Ställen standen: Ihre<br />

Wirbelsäule war verkrümmt",<br />

interpretiert Ziliox, der seit<br />

über zehn Jahren seinen Reit-<br />

pony-Vollblut-Mix Speedy <strong>und</strong><br />

einen Trakehner-Pinto im ei-<br />

genen Stall mit genugend<br />

Auslauf hält. Beide Pferde rei-<br />

tet Ziliox bei Auftritten.<br />

Während die Morgensonne<br />

den Tau aus der Wiese leckt,<br />

zitiert er den byzantinischen<br />

Tierarzt Flavius Vegetius Re-<br />

natus, der ein Lehrbuch über<br />

Tiermedizin schrieb, <strong>und</strong> är-<br />

gert sich über romantische<br />

Germanen- <strong>und</strong> Kelten-Kli-


Die Woifshäuter: 40 Krieger <strong>und</strong> zehn stämmige Merde sind ,Ulfhednar.<br />

schees, die der seriösen For-<br />

schungsarbeit schaden. ,,Kli-<br />

schees entstehen dort, wo<br />

Wissen fehlt."<br />

Präzises Wissen über Kd-<br />

tur, Handwerk <strong>und</strong> Reiten ist<br />

die Gr<strong>und</strong>lage von Ziliox' Ar-<br />

beit. In der Schule war er<br />

nicht der Fleißigste. Dass er<br />

kein Abitur- machte, bereut er<br />

heute, ,,aber Geschichte hat<br />

mich immer interessiert": Na-<br />

he seines Heimatorts Ritters-<br />

hausen gab es einen kelti-<br />

schen Fi-ühlatene-Ringwall.<br />

Außerdem interessierte<br />

sich der gelernte Forstwirt für<br />

die Kultur der Lakota-India-<br />

ner <strong>und</strong> reiste Anfang der<br />

1990er Jahre mehrmals in die<br />

USA, wo er zum ersten Mal<br />

im Sattel saß. Irgendwann war<br />

ihm die Geschichte der eige-<br />

nen Vorfahren aber wichtiger<br />

als die der Lakota-Indianer.<br />

Sie Liegt vor der Haustür, in<br />

drei Metern Tiefe. Lars Herde

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