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übermenschliches Selbstbewusstsein - Felix Hutt | journalism

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So Sehen Gewinner auS,<br />

die viel zu verlieren haben.<br />

Was soll’s? Wenn Kramer,<br />

der Ex-Schwiegersohn aus dem<br />

Hause Burda, eine Poolparty<br />

schmeißt und keiner<br />

gucken soll, lässt er per<br />

Knopfdruck Nebel aufsteigen<br />

„Ich! “<br />

Noch größer als sein <strong>übermenschliches</strong> <strong>Selbstbewusstsein</strong><br />

sind seine Probleme: Der deutsche Geschäftsmann Thomas Kramer<br />

streitet sich mit den Erbinnen des Gelddruckkönigs<br />

SieGFried OttO um 100 Millionen Euro. Nach zwölf Jahren Krieg<br />

droht nun das böse ende. PArK AVeNUe besuchte ti Käy,<br />

der in Miami immer noch lauter lacht als die Sonne<br />

Text <strong>Felix</strong> HUtt Fotos tONy wArd<br />

112 113


114<br />

„Eigentlich bin ich<br />

schon lange tot.<br />

aber die hölle hatte<br />

etwas dagegen,<br />

die hatte angst,<br />

dass ich sie auch noch<br />

übernehme,<br />

harharhar“<br />

der „Prince of caSh“,<br />

wie Kramer in Miami genannt<br />

wird, weil er auch Millionenbeträge<br />

bar bezahlt, hat sich die<br />

Brust rasiert. Wär ja auch<br />

schade, wenn nicht. Das mit<br />

Rubinen besetzte Goldkreuz<br />

war schließlich zu teuer, um in<br />

einem Pelz zu verschwinden<br />

oriGinal und täuSchunG<br />

Den Champagner, mit<br />

dem Ti Käy und seine kolum-<br />

bianische Freundin Linda<br />

das Leben genießen, hat nicht<br />

der Butler serviert. Der<br />

ist nämlich eine 70 000 Dollar<br />

teure Skulptur<br />

„herr Kramer, wofür brauchen<br />

sie denn das Gewehr, das da neben<br />

dem stahlhelm steht?“<br />

„Geil, oder? das ist für die<br />

Kubaner, falls die hier wieder einfallen<br />

wie anfang der 90er-Jahre.“<br />

„Ist das Ihr ernst?“<br />

„Klar, mein voller ernst!“<br />

es ist der 13. März 2007, ein schwülheißer<br />

Dienstag in Miami, Spring Break; Amerikas<br />

College­Elite besäuft sich am Ocean<br />

Drive, und einer, den die Wahrheit richtig<br />

viel Geld kosten könnte, ist unfassbar<br />

guter Dinge: Thomas Kramer, 50 Jahre<br />

alt, wasserstoffweiße Föhnfrisur, Zähne<br />

gleicher Couleur, sonnengegerbte Haut,<br />

Jeans, sehr offenes Hemd, reißt ein Bündel<br />

Akten in die Höhe und wird laut. „Endlich habe ich Fakten<br />

gegen die in der Hand. Endlich können mich die Richter in<br />

Zürich nicht mehr wegschicken, jetzt kann ich meine Sicht<br />

der Dinge darstellen.“<br />

Man kennt sich drei Minuten, am Holztor vor dem<br />

Anwesen begrüßt ein Schild den Besucher: „Don’t be aware of<br />

the dog. Be aware of the owner.“ Darüber ein Pistolenlauf.<br />

Star Island wird die kleine Insel vor Miami Beach<br />

genannt, Einlass nur mit Einladung. Kramers Haus hat zwei<br />

Auffahrten, das des Nachbarn nur eine, der heißt P. Diddy.<br />

Gegenüber wohnen Gloria und Emilio Estefan, neben den<br />

Estefans der Basketball­Hero Shaquille O’Neal, da werde<br />

man am Samstagabend hingehen, Shaqs Geburtstag feiern.<br />

Im klimatisierten Büro, der „Kommandozentrale des Kramer­<br />

Imperiums“, sitzt Thomas Kramer vor einem großen Bildschirm,<br />

einen Schreibtisch neben ihm seine Assistentin<br />

Margaret Nee, und auf dem Tisch vor dem Fenster, hinter<br />

dem sich Miamis Skyline, die Jetski und Luxusjachten wichtigmachen,<br />

da steht ein Gewehr mit Teleskop. Auf zwei Meilen<br />

könne er damit einen Schuhkarton treffen, sagt Kramer.<br />

Hinter seinem Schreibtisch geht es in sein kleines Badezimmer,<br />

zum Frischmachen, für zwischendurch. Kramer hält noch<br />

immer die Papiere in die Höhe, lacht und lacht und lacht, und<br />

ist dann plötzlich ganz still. Konstante Launen, so viel ist<br />

schnell sicher, kennt er nicht. „Hören Sie es?“, fragt er und<br />

deutet nach draußen. – „Nein.“ – „Hören Sie das Touristenboot?“<br />

Vor dem Anleger fährt ein Schiff vorbei, aus dem<br />

Lautsprecher verkündet der Animateur den Gästen, dass<br />

man jetzt Star Island umrunden werde, rechts das Haus von<br />

P. Diddy, und daneben – jetzt legt sich ein Grinsen in das<br />

Gesicht von Thomas Kramer –, das sei das Anwesen vom<br />

„Creator of South Pointe“. Damit sei er gemeint.<br />

Er kommt am 27. April 1957 in Frankfurt am Main zur<br />

Welt, und geht es nach seiner selbst formulierten Biografie,<br />

dann ist er bald auf der Überholspur: Vater Willi arbeitet sich<br />

zum Makler an der Frankfurter Börse empor, Thomas ist mit 13<br />

Chefredakteur einer Schülerzeitung. Mit 14 eröffnet er mit 500<br />

Mark ein Aktienkonto, mit 17 verdient er seine erste Million,<br />

115


indem er vom Pausenhof des Internats Salem via Telefonzelle<br />

auf den richtigen Kurs setzt. Sagt Kramer. Andere sagen: Der<br />

übertreibt gern mal, der Kramer.<br />

Jetzt schmeißt er die Papiere auf den Tisch, im Briefkopf<br />

stehen seine Zürcher Anwälte, es geht um den Rechtsstreit<br />

„Thomas Kramer gegen die Erben des Siegfried Otto“. Es ist der<br />

Siegfried Otto, der das berühmte Gelddruckhaus Giesecke &<br />

Devrient aufgebaut hat. Das Dokument hat 160 Seiten, mitnehmen<br />

dürfe man es nicht, nur mal reingucken, dies werde ihn<br />

retten, endlich könne er beweisen, dass er im Recht sei. Er werde<br />

sich jetzt ein wenig hinlegen, um sieben sei Treffpunkt in der<br />

Küche des Haupthauses, dann werde man essen gehen, genug<br />

gearbeitet, Zeit fürs Vergnügen.<br />

Mit 18 geht Kramer nach Harvard, dann an die Wall Street,<br />

ist mit 20 pleite und wenig später im Jetset zu Hause. Sein Vater<br />

soll ihm die Freundin ausgespannt haben, woraufhin Thomas<br />

Kramer beschließt, Liebe bei den Elitefrauen zu suchen: Er hat<br />

eine zweijährige Beziehung mit Yasmin Aga Khan, der Tochter<br />

von Rita Hayworth und Prinz Ali Khan, die danach über Kramer<br />

zu Protokoll gibt: „Er hat Augen aus Dollars und Eier aus Gold.“<br />

1986 schlägt Kramer in München auf, begehrt Einlass in die Schickeria<br />

und hat Erfolg. Für seinen 30. Geburtstag mietet er ein<br />

Zirkuszelt, Johannes von Thurn und Taxis feiert mit. In London,<br />

im Haus des deutschen Botschafters, soll er versucht haben,<br />

Prinzessin Diana zu küssen. Wahr oder nicht wahr – solche Geschichten<br />

imponieren. Woher dieser Vogel kommt, der so laut<br />

redet und lacht, weiß keiner genau, er macht wohl irgendwas<br />

mit Börsenkursen, egal, jedenfalls ist Kramer immer für<br />

einen Spruch gut, an seinem Tisch muss niemand Durst leiden,<br />

und unter dem Tisch, da füßelt er ganz gern mit den Damen der<br />

Gesellschaft. Das macht auch Feinde, aber in jedem Fall bekannt.<br />

Mit einer prominenten PR­Lady hat er eine Liaison. Später einmal,<br />

während eines Poloturniers, erwischt ihn Elisabeth von<br />

Sachsen­Weimar auf der Damentoilette, Kramer grüßt – und<br />

macht weiter. „Männer mit großen Füßen haben halt einen Großen“,<br />

sagt eine, die es wissen muss. Kramer hat Schuhgröße 46.<br />

„Er hatte Erfolg in dem Kreis, den man die Münchner<br />

Bussi­Gesellschaft nennt. Späte Burgfräulein hatten ihn dort eingeführt,<br />

schnelle Geldverdiener gaben ihm ihr Liebstes, das Bare,<br />

das er zunächst ebenso vermehren half, wie er seinen Lebensstil<br />

dem seiner Geldgeber anpasste“, schreibt Tempo 1992, und: „Wer<br />

ihn erlebt hat, damals in München, konnte sich seiner Persönlichkeit<br />

– und auch seinen Fingern – kaum entziehen.“ Michael<br />

Graeter, bekanntester Schickeria­Chronist zu jener Zeit und heute<br />

in Zürich residierend, „weil es hier gesünder ist“, sieht’s nüchterner.<br />

Er nennt Kramer einen „abscheulichen Hochstapler“.<br />

Kramer geht in Restaurants und schreit, ab jetzt gehe<br />

alles auf seine Rechnung. Er wohnt in einem Penthouse in der<br />

Schwabinger Zittelstraße, sechs Firmen gehören dem „Finanz­<br />

1<br />

Wunderkind“ (Bild). Ti Käy, wie er sich rufen lässt, sitzt in Talkshows,<br />

beleidigt, stößt auf. Das ist auch heute noch so.<br />

Tegernsee, 1989: Bei den Waldfesten, die traditionell im<br />

Frühsommer rund um den Tegernsee stattfinden, tragen die<br />

Frauen Dirndl und die Männer dick auf. Zum Schaulaufen in<br />

der Postkartenidylle gibt es frisches Tegernseer Helles, Radi<br />

und Hendl, die Schicken mischen sich mit den Einheimischen,<br />

die echten Millionäre mit den Herren der Kredite. Zu später<br />

Stunde geht es an die Schnapsbar, Obstler macht fröhlich.<br />

Kramer wird einer Frau vorgestellt, blond, zierlich, attraktiv,<br />

26 Jahre alt. Der Funke springt heftig über, sie heißt Catherine,<br />

mit Nachnamen Burda, und ab jetzt spielt die Geschichte in<br />

einer anderen Dimension.<br />

Kurz vor sieben in Miami, die Sonne hat ihre<br />

Arbeit getan, in der Küche fragt ein Butler leise,<br />

ob man was zu trinken wünsche. Thomas Kramer<br />

ist noch oben im ersten Stock und macht sich fertig.<br />

Er beschäftigt 18 Angestellte in drei Schichten,<br />

drei Millionen Dollar kostet das 9000 Quadratmeter große<br />

Anwesen mit Gästehaus, Pool, beleuchtetem Brunnen an Unterhalt,<br />

jährlich. Er kommt die Treppe herunter, ist fröhlich,<br />

leert sein Glas, wir nehmen den schwarzen Range Rover, sagt<br />

er, fährt selbst, hinten sitzt ein dunkelhäutiger Herr, sein Bodyguard.<br />

Der Range Rover sei eine Spezialanfertigung, über 500<br />

PS, schusssichere Türen und Fenster, es gehe ins Quattro, sein<br />

Restaurant, dort treffe man ein paar Leute, später weiter ins<br />

Delano, da feiere heute ein Freund von ihm. Im Quattro in der<br />

Lincoln Road Mall wartet unter freiem Himmel der größte<br />

Tisch, Freund Mike ist schon da. Mike sieht aus wie ein Schauspieler<br />

aus der Serie „Die Sopranos“: schwarz gefärbte Haare,<br />

unter dem Blazer ein Shirt mit Messermotiven, tiefe, wispernde<br />

Stimme. Auch Florian Orterer ist da, Sohn des Getränkehändlers<br />

Orterer aus München, er studiert an der University of Miami,<br />

organisiert Partys im Mynt, einem der Clubs in Miami, und<br />

hat zwei Freundinnen, die lerne man morgen kennen. Auf dem<br />

Tisch steht eine Sechsliterflasche Rotwein, weniger ist für<br />

Kramer zu wenig. Er bleibt gewohnt laut. Morgen komme ein<br />

TV­Team vorbei, nur wegen ihm, eine befreundete Italienerin<br />

macht die Aufwartung, wenig später weiß die komplette Terrasse,<br />

dass sie noch nicht bereit war, ihm, dem Hausherrn, ihre<br />

komplette Aufwartung zu machen. Kramer ist der Mittelpunkt<br />

seiner Jünger, Kramer ist körperlich, Kramer redet mit den<br />

Händen, packt an, kommandiert den Geschäftsführer, eine seiner<br />

Freundinnen, Linda, kommt dazu, Model von Beruf, sie<br />

wohnt bei Kramer auf Star Island.<br />

München, 4. Mai 2007: Auf den Wiesen des Münchner<br />

Herzogparks blüht es, ein Herr führt seinen Jagdhund aus, die<br />

Stille der Macht liegt in der Luft. Wer hier in der Opitzstraße<br />

Fotos: Dpa (2), seeger, generationen.De, action press (3), sabine brauer (2)<br />

wohnt, hat es geschafft, hier leben die richtig Geldigen, vor<br />

den Villen steht Security oder gleich ein Polizeiwagen. In<br />

einem Apartment am Park wohnt Ursula Hedwig Otto, geborene<br />

Gamstätter, geschiedene Burda. Die junge Gamstätter<br />

heiratet am 30. August 1958 in Offenburg Franz Burda, den<br />

Druckereibesitzer und Sohn des legendären Verlegers Franz<br />

„Senator“ Burda. Ihre Schwager: Hubert Burda, dem heute der<br />

Verlag gehört, und Frieder Burda, einer der bedeutendsten<br />

Kunstsammler Europas. Das Paar hat zwei Kinder, Franz II. jr.,<br />

48, und Catherine, 44. Als sich der Burda­Konzern von Offenburg<br />

nach München orientiert, begeistert die attraktive und<br />

lebenslustige Frau Burda schnell die Männer der Gesellschaft.<br />

Ihren Mann immer weniger, der nicht viel gibt auf den Schein,<br />

der lieber in seiner Bibliothek sein Allgemeinwissen pflegt. Er<br />

gilt als kostenbewusster, knorriger Typ, sie taucht ein ins<br />

Leben, man tuschelt. Die Ehe zwischen Franz Burda und seiner<br />

„Bambi“ geht bald in die Brüche. Sie lernt einen anderen<br />

Herrn kennen, auch der ein Geldiger.<br />

der Mann heißt Siegfried Günther Otto,<br />

geboren am 25. Dezember 1914 in<br />

Halle an der Saale, Sohn eines Polizisten,<br />

er heiratet im Zweiten Weltkrieg<br />

Jutta Devrient, Tochter von Ludwig<br />

Devrient. Die Leipziger Firma ihres<br />

Vaters, Giesecke & Devrient, gegründet<br />

1852, druckt 1856 die erste Banknote,<br />

10 Thaler, 1908 chinesische Staatsanleihen<br />

und wird im Zweiten Weltkrieg enteignet. Nach dreijähriger<br />

Kriegsgefangenschaft in Russland beginnt Otto mit<br />

dem Wiederaufbau in München, sein Schwiegervater hat den<br />

Krieg nicht überlebt. Jutta Devrient und ihre Mutter schenken<br />

dem Visionär ihre Anteile. Otto wird in den kommenden Jahrzehnten<br />

zum erfolgreichsten privaten Gelddrucker der Welt:<br />

Vom Hauptsitz in der Prinzregentenstraße in München wächst<br />

ein internationales Großunternehmen heran; ab 1958 druckt<br />

G & D die Hälfte aller deutschen Banknoten. Otto und Devrient<br />

haben vier Kinder – die Söhne Yorck, 51, und Tilman, 53, die<br />

Töchter Verena, 58, und Claudia, 56. Otto bringt die Firma<br />

voran, sie entwickelt 1971 das Eurocheque­System, erste Karten<br />

für den Mobilfunk, G & D druckt die Währung von mehr als<br />

60 Ländern. Die Familie ist allererste deutsche Geldliga.<br />

„Ich bin das Monster aus München. Normalerweise<br />

nehme ich Frauen wie dich zum Nachtisch auf der Damentoilette“,<br />

sollen Kramers erste Worte zu Catherine Burda<br />

gelautet haben, vom gelben Blätterwald ausgiebig rezitiert. Michael<br />

Graeter sagt, das sei etwas anders gewesen, Catherines<br />

Mutter, die Ursula Otto, sei sehr gut mit Kramer befreundet<br />

gewesen. Catherine Burda und Kramer lieben sich, ihr Vater,<br />

2 3 4 5 6 7 8<br />

Franz Burda, ist erschüttert, im Sommer 1989 prasselt ein<br />

Schlagzeilenregen auf das Paar nieder, für den Burda­Clan<br />

ist Kramer ein Eiterpickel, den es auszudrücken gilt. Am 24. November<br />

1989 feiert Vivil­Firmenchef Müller in München Geburtstag,<br />

Gäste unter anderem: Hubert Burda, Thomas Kramer,<br />

Catherine Burda, Franz Burda, seine Ex­Frau Bambi, seine neue<br />

Frau Christa. Franz Burda ist nach einigen Gläsern Rotwein in<br />

der Stimmung, Kramer den Handschlag zu verweigern, und<br />

sagt gut hörbar für die Umstehenden: „Sie wissen gar nicht, wie<br />

reich und mächtig ich bin. Ich werde Sie vernichten.“ Thomas<br />

Kramer und Catherine Burda heiraten am 23. Dezember 1989<br />

in New York. Franz Burda schäumt, droht seiner Tochter mit<br />

Enterbung: „Wir sind nicht bereit, diesen Herrn zu akzeptieren.“<br />

Catherines Großmutter, Aenne Burda, Clanchefin und<br />

Erfinderin von Burda Moden, schließt ihre Enkelin per Brief vom<br />

1. März 1990 „aus dem Familienbund“ aus. Das damalige Burda­Blatt<br />

Forbes bringt eine Recherche, die Kramers wirtschaftliche<br />

Aktivitäten auseinandernimmt. Journalistenpflicht nennt<br />

es das Haus Burda, Rache die Society.<br />

Obwohl es gegen Mitternacht geht, bleibt es in Miami<br />

schwül. Der Pegel steigt, die Geschichten werden besser, das<br />

Gelächter ungehemmter, und wumm!, landet Kramers Pranke<br />

wieder auf dem Oberschenkel. „Wissen Sie überhaupt, warum<br />

ich noch lebe“, gluckst er, „wissen Sie’s?“ – „Medikamente? Die<br />

Meeresbrise?“ – „Quatsch, eigentlich bin ich schon lange tot,<br />

aber die Hölle hatte was dagegen, die hatte Angst, dass ich sie<br />

auch noch übernehme, harharhar!“ – „Ach so.“ – „Wissen Sie<br />

noch, damals, als der Gianni Versace hier in Miami erschossen<br />

wurde?“ – „Ja.“ – „Der Mörder hat auf den großen Blonden gezielt<br />

und den kleinen Italiener getroffen, harharhar!“ Der Tisch<br />

prustet, Linda möchte noch ein Dessert, dann geht’s los ins<br />

Delano, das Hotel an der Collins Avenue, Kramer holt die Kreditkarte<br />

raus, die schwarze, selbstverständlich.<br />

Siegfried Otto und Jutta Devrient lassen sich nach mehr<br />

als 40 Jahren Ehe scheiden, und er heiratet 1989 Ursula Burda,<br />

jetzt Otto. Im Schlepptau der neuen Frau Otto: Tochter<br />

Catherine und Thomas Kramer.<br />

Der Patron mutiert vom Finanzmann<br />

zum Partylöwen, was seine<br />

Familie der neuen Frau und deren<br />

Anhang zuschreibt. „Er hatte<br />

auch davor schon einen Jet und<br />

ein Haus auf Ibiza“, sagt ein<br />

Familienmitglied der Ottos* am<br />

23. April 2007 zu PARK AVENUE.<br />

„Er war schon etwas senil, aber<br />

auf einmal musste es ein Haus in<br />

Palm Beach sein, eines in Monte<br />

Carlo. Es reichte keine Falcon 10,<br />

9<br />

liebe und haSS wohnen<br />

tür an tür: [1] Die<br />

Schwestern Verena von<br />

Mitschke-Collande und<br />

Claudia Miller-Otto bei der<br />

150-Jahr-Feier des Gelddruckhauses<br />

Giesecke &<br />

Devrient am 21.6.2002 in<br />

München, [2] Siegfried und<br />

Ursula Otto, [3] Kramer-<br />

Freund Justin von Kessel.<br />

Franz Burda II. [4] und<br />

seine Mutter Aenne [5]<br />

erschütterte die Hochzeit<br />

von Catherine Burda und<br />

Thomas Kramer, die gemeinsam<br />

mit Tochter Joya [6] in<br />

Miami lebten. [7] Glückliche<br />

Münchner Zeiten: Ursula<br />

Otto, das Ex-„Bambi“ von<br />

Franz Burda II., Schwiegersohn<br />

Thomas Kramer und<br />

Catherine Burda. [8] Kramer<br />

mit damaliger Freundin<br />

Stephanie Phillips, die sich<br />

erschoss. [9] Beim Ringelreihen<br />

mit Bea Prinzessin<br />

von Auersperg in Marbella<br />

116 117


KramerS welt: Zu jedem<br />

Gesicht hat er das passende<br />

Outfit. Besonders stolz<br />

ist er auf seine South Pointe<br />

Towers, die er in Miami Beach<br />

baute und als Modell in<br />

seinem Büro stehen hat. Und<br />

weil Thomas Kramer nicht<br />

mehr als Lebemann gesehen<br />

werden möchte, trägt er beim<br />

Fotoshooting einen Anzug.<br />

In den Whirlpool wollte er aus<br />

Altersgründen nicht springen,<br />

dafür auf seine Harley.<br />

Sein Lebensmotto (l.) ließ er<br />

aufs T-Shirt drucken, das war<br />

im Jahr 2002. Die Einladung<br />

gilt auch heute noch<br />

Seine Diskothek in<br />

Miami baute er<br />

genau an der stelle,<br />

wo früher eine<br />

synagoge stand,<br />

und nannte sie hell<br />

Fotos: sabine brauer (1)<br />

eine Falcon 50 musste her. Und er erschien jetzt mit ihr auf<br />

den Partys, bei den Toerrings, diesen adligen Bierbrauern,<br />

zum Beispiel. Alles natürlich in den Klatschspalten dokumentiert,<br />

peinlich war das.“<br />

Was damals nur wenige Eingeweihte wissen: Siegfried<br />

Otto hat noch ein viel größeres Problem als seine neue<br />

vergnügungsfreudige Sippe: Schwarzgeld, und davon viel.<br />

Über Jahrzehnte werden bei der Cantrade Bank in Zürich für<br />

die Firma La Industrial Tecnica S.A. Konten gefüllt, deren<br />

Vermögenswerte am deutschen Fiskus vorbeigeschmuggelt<br />

werden. Das Geld stammt vor allem aus der Security<br />

Printing S.A., einer Tarnfirma, die Otto 1958 in Zürich gegründet<br />

hatte. Das wären unschöne Meldungen, schließlich<br />

ist einer der größten Auftraggeber von Giesecke & Devrient<br />

die Deutsche Bundesbank.<br />

Thomas Kramer, der zu PARK AVENUE in Miami über<br />

seine Beziehung zu Otto sagt, dass „er der Vater war, den ich nie<br />

hatte, und ich der Sohn war, den er sich immer wünschte“, hat<br />

zu dem Zeitpunkt gerade mit Immobiliengeschäften in der DDR<br />

und einem Kunsthandel zwei Pleiten hingelegt, kann Bargeld<br />

gut gebrauchen, da auch der Burda­Hahn seiner Frau abgedreht<br />

bleibt. Kramer schlägt Otto vor, das Schwarzgeldproblem zu lösen,<br />

indem er die Millionen mit in die USA nimmt und dort<br />

investiert. Dabei fungiert als Vermittler der Münchner Rechtsanwalt<br />

Justin von Kessel, ein smarter, parketterprobter<br />

Freund von Kramer. Und tatsächlich unterschreiben Kramer<br />

und Otto am 10. Dezember 1991 und am 8. Mai 1992 jeweils<br />

einen „Gemischten Schenkungs­, Nießbrauchsbestellungs­<br />

und Rentenvertrag“**, in dem Otto Thomas Kramer die Vollmacht<br />

über Depot Nr. 2116549, genau 221 650 833 Mark,<br />

erteilt. Kramer verpflichtet sich, Otto eine lebenslange monatliche<br />

Rente von 500 000 Mark zu zahlen.<br />

Miami, 14. März 2007: Ins Delano hat es Thomas Kramer<br />

gestern nicht mehr geschafft, vor seiner Villa warteten vier<br />

Damen auf ein bisschen quality time, und so viel Zeit muss<br />

sein. Es ist Vormittag, das Fernsehteam ist da, und Kramer<br />

steht im Eingangsbereich seines Büros vor einem Modell, das<br />

die South Pointe Towers darstellt, sein Lebenswerk. Er habe<br />

Portofino nachbauen wollen, habe auf Land gesetzt, auf das<br />

keiner einen Pfifferling gegeben habe, habe geahnt, dass die<br />

Gettos von Miami Beach einmal zu einem der teuersten<br />

Flecken Amerikas werden würden. Heute setzt Kramer vor<br />

allem auf das Internet, sagt er, deswegen arbeiten im War<br />

Room nebenan vier Webdesigner und Programmierer an der<br />

Überarbeitung seiner Website, die ihm bald noch viel mehr<br />

einbringen soll als die Immobilien.<br />

Nach der Schenkung an seinen Stiefschwiegersohn<br />

bekommt Siegfried Otto in München Probleme: Er hat nicht<br />

bedacht, dass auf die Schenkung an Kramer eine Schenkungssteuer<br />

fällig ist, 60 Prozent, und somit schuldet er dem Finanzamt<br />

circa 150 Millionen Mark. Am 24. Juni 1993 wird Otto der<br />

Druck zu groß, er zeigt sich selbst an.** Im August 1993 unterzeichnet<br />

er einen Vertrag**, in dem er sich vor Kramer verpflichtet,<br />

„eine etwaige Schenkungssteuer zu tragen“. Seine Söhne,<br />

beide im Unternehmen tätig – Tilman im Vertrieb, Yorck zuständig<br />

für Rechnungswesen und Auslandsgeschäfte –, haben<br />

das Leck im väterlichen Dampfer längst entdeckt. Es kommt<br />

zum Machtkampf, die Anwälte übernehmen, die Söhne verlassen<br />

das Unternehmen, im März 1994 wird ein Erbvertrag unterschrieben,<br />

der jeden mit 40 Millionen Mark abspeist.<br />

Miami, 1991/92: Kramer baut die Millionen von Otto auf Sand.<br />

Ob er sie auch in den Sand gesetzt hat, lässt sich schwer klären,<br />

da er das Geld auf ein unüberschaubares Geflecht von Unterfirmen<br />

verteilt. 1992 kommt Tochter Joya auf die Welt. Mit<br />

einem Koffer voller Bargeld kauft Kramer Grundstücke<br />

in Miami Beach, lässt Architekten kommen, die darauf Wohnblöcke<br />

bauen, und verkauft anschließend die Apartments.<br />

In Miami nennen sie Kramer den „Prince of Cash“, weil er<br />

selbst Millionenbeträge bar bezahlt. Das Potpourri aus Stars<br />

und Halbseidenen verkehrt gern mit „Tycoon Thomas“, dem<br />

„Creator of South Pointe“. So heißt der Gebäudekomplex, den<br />

seine Portofino Group am südlichsten Zipfel von Miami Beach<br />

hinstellt. Wie viel Kramer verdient und gewinnt und wieder<br />

verliert, interessiert niemanden, das „German Wunderkind“ ist<br />

eine Erfolgsstory, wie sie Amerikaner mehr lieben als ein Steak.<br />

Am Ocean Drive, genau an der Stelle, an der früher eine Synagoge<br />

stand, baut Kramer eine Diskothek; er nennt sie Hell und<br />

lädt zur Einweihungsparty Robert Englund alias Freddy Krueger<br />

ein, den fiktiven Serienkiller aus „A Nightmare on Elm<br />

Street“. Was für eine Beleidigung gegenüber der jüdischen Gemeinde.<br />

Das Hell hat sieben Räume, jeder steht für eine<br />

der Todsünden, „Schwule und Hässliche kommen hier nicht<br />

herein“, weist Kramer seine Türsteher an. Kramer reißt die Hölle<br />

bald eigenhändig mit einem Caterpillar­Bagger wieder ab.<br />

Miami, 14. März 2007, immer noch im<br />

Büro: „Hier, schauen Sie, das bin ich,<br />

wie ich meine Disco einreiße“, sagt<br />

Kramer, lacht, deutet auf das Foto,<br />

das ihn auf dem Bagger im Trümmerhaufen<br />

zeigt, und nimmt die Fernsehcrew<br />

mit nach draußen, wo sie den<br />

Pool filmen darf, die hurrikansicheren<br />

Spiegel, das Boot, auf dem es gleich zu einer Rundfahrt gehen<br />

wird. Wenn er eine Poolparty schmeißt und keiner reingucken<br />

soll, dann lässt Kramer Nebel aufsteigen, einfach so, per<br />

Knopfdruck. Kramer hat eines der T­Shirts an, die man auf<br />

seiner Website kaufen kann, „Wasn’t Me…“ steht drauf, „Ich<br />

war’s nicht …“ Es ist Mittag, es ist heiß, das Wasser vor dem<br />

Anleger plätschert ruhig.<br />

Ruhig ist es für Siegfried Otto nicht, 1994, ihm steht<br />

eine Zahlung von 150 Millionen Mark Schenkungssteuer ins<br />

Haus, der Imageverlust ist noch gewaltiger. Die Wirtschaftsreporter<br />

schnüffeln an allen Ecken und Konten, auch Hans­<br />

Christoph von Mitschke­Collande, Ottos Schwiegersohn und<br />

Mann seiner ältesten Tochter Verena, wird zu den Deals in<br />

der Schweiz befragt; Ottos langjährige rechte Hand, Geschäftsführer<br />

Manfred Beck, ebenfalls. Karl Heinz Weiss, ein Münchner<br />

Anwalt und Netzwerker und Freund derer von Mitschke­<br />

Collande, kümmert sich jetzt um Siegfried Otto, irgendwie<br />

müssen die Millionen von diesem Kramer zurück, aber Kramer<br />

ist nicht zu greifen.<br />

Dessen Freund und Anwalt Justin von Kessel schon.<br />

Er wird wieder Vermittler, es kommt zu Gesprächen. Am<br />

21. März 1995 unterzeichnen Otto und Kramer einen Vertrag**,<br />

der bis heute der Schlüsselpunkt des Rechtsstreits ist. Demnach<br />

verpflichtet sich Kramer, „bis 30. September 1997“ die<br />

Schenkung von 221 650 833 Mark zurückzuzahlen, danach<br />

werde ein Zins von vier Prozent fällig. Kramer und seine<br />

Anwälte behaupten heute, dies sei ein simuliertes Geschäft<br />

119


gewesen, das heißt, Otto habe die Millionen auf dem Papier<br />

wiederbekommen, um die Schenkungssteuer zu umgehen,<br />

an der Schenkung selbst habe sich aber nichts geändert. Das<br />

sei mündlich abgesprochen, was in solchen Fällen und Kreisen<br />

kein unübliches Gebaren ist.<br />

Die Gegenseite beruft sich auf das, was auf Papier steht,<br />

fordert das Geld zurück. Seit zwölf Jahren.<br />

Kramer hat Pläne, er möchte Miami zu einem Las Vegas<br />

in Florida machen. Im November 1994 stimmt ein Bürgerentscheid<br />

gegen seine Casino­Baupläne, Kramer ist beliebt bei<br />

den Reichen, unbeliebt bei der Bevölkerung, eine Website,<br />

kramersucks.com, wird ins Leben gerufen. Kramer wird<br />

wegen illegaler Parteispenden zu einer Geldstrafe verurteilt,<br />

auch privat geht es holterdiepolter. Wenige Stunden nachdem<br />

Catherine Kramer das zweite Kind, einen Sohn, auf die Welt<br />

bringt, stirbt dieser. Sie ist am Boden zerstört, zieht aus, verlässt<br />

Kramer, nimmt Tochter Joya mit hinüber nach Fisher<br />

Island, später ziehen sie nach Genf. Trotz allem betont das<br />

Paar, sie seien bis heute freundschaftlich verbunden, Kramer<br />

nennt sie gegenüber PARK AVENUE die „Frau meines Lebens“.<br />

Tochter Joya, 15, besucht ihn gelegentlich.<br />

Siegfried Otto will sich scheiden lassen. Zu oft<br />

soll Ursula Otto auswärts zu gute Laune gehabt<br />

haben, etwa bei der Eröffnung des Käfer am<br />

Hofgarten am Münchner Odeonsplatz, wo sie<br />

laut Zeugen irgendwann auf dem Flügel des<br />

Pianisten sitzt und singt, was die Herren Gerhard<br />

Meir, ein stadtbekannter Friseur, und<br />

Friedrich von Thun, Schauspieler, sehr entzückt.<br />

Siegfried Otto, sowieso von einigen Schlaganfällen geschwächt,<br />

keineswegs.<br />

15. März 2007, Miami: Das Boot legt ab, einmal rund um<br />

Star Island, dann natürlich nach South Beach, das Kramer fast<br />

allein erbaut haben will. Ja, ja! Kramer posiert mit Lea aus<br />

Kuba, die er nur „Mausi“ nennt. Ein Skipper, eigens von den<br />

Bahamas angereist, steuert das Schiff, das sich Kramer von<br />

einem Freund geliehen hat. Auch Lea wohnt im Kramer­Haus.<br />

Wieder an Land zeigt Kramer seinen Weinkeller, den nur er<br />

betreten kann, die Tür ist mit einem Fingerabdruck­Scanner<br />

gesichert. Ein wenig viel Sicherheit für Weine scheint es, doch<br />

hinter den französischen Eichenfässern lagert kistenweise<br />

Munition, was der Kameramann aber nicht filmen darf. Am<br />

Abend lädt Kramer in einen umgebauten VW­Van, eine Art<br />

mobile Disco. Kramer raucht Zigarre, Florian Orterer ist auch<br />

wieder da, mit seinen zwei Freundinnen, Kolumbianerinnen,<br />

sehr hübsch, es gibt Champagner und Gelächter.<br />

Die Freundschaft mit Justin von Kessel zerbricht;<br />

Kramer zahlt 27,2 Millionen Mark zurück, mehr nicht. Mit<br />

von Kessel verliert er nicht nur einen Freund, er verliert auch<br />

seinen wichtigsten Zeugen, den Einzigen, der aussagen<br />

könnte, wie die Vereinbarung wirklich gemeint ist. Nach der<br />

Trennung von Catherine Burda kommt Kramer etwas später<br />

mit Stephanie Phillips zusammen, einer Tochter aus gutem<br />

Hause, Fotomodell, eine Berühmtheit in Südflorida. Kramer<br />

meint es ernster als sonst, neben seinem Schlafzimmer hängt<br />

noch heute ein Rahmen mit gemeinsamen Fotos. Phillips erschießt<br />

sich unter mysteriösen Umständen in ihrer Wohnung<br />

in Coral Gables. Kramer hat von Miami erst mal genug, er<br />

kauft ein teures Haus am Holland Park in London, wo er<br />

Partys veranstaltet, sogar der noble Tatler berichtet über den<br />

Deutschen, der sie alle zu kennen scheint, die Mächtigen und<br />

die mächtig Reichen.<br />

Am 17. August 1997 stirbt Siegfried Otto. Als „Erben des<br />

Siegfried Otto“ kämpfen seine Töchter Verena und Claudia<br />

weiter um die Rückzahlung der Schenkung. Es geht um Geld,<br />

Ehre, Hass. Für Kompromisse ist es zu spät.<br />

Vor Gericht verliert Kramer. In einem Teilurteil** des<br />

zuständigen Zürcher Bezirksgerichts vom 25. April 2000 heißt<br />

es: „Angesichts des klaren, unzweideutigen und in einfacher<br />

Sprache abgefassten Wortlautes der Vereinbarung vom<br />

21. März 1995 konnte Siegfried Otto vor der Unterzeichnung<br />

des strittigen Vertragswerks in keiner Weise davon ausgehen,<br />

dass der Kläger lediglich aufgrund der Mitwirkung von<br />

Rechtsanwalt von Kessel bereit sein würde, sein Einverständnis<br />

dazu abzugeben.“ Und weiter: „Als Fazit ist<br />

festzuhalten, dass die zwischen dem Kläger und Siegfried<br />

Otto geschlossene Vereinbarung vom 21. März 1995 in jeder<br />

Hinsicht gültig zustandegekommen und rechtswirksam ist.<br />

Damit ist die Klage im Hauptbegehren abzuweisen.“ Gerichtskosten:<br />

gut 800 000 Franken. Die hat Kramer zu tragen.<br />

Miami, 16. März 2007: Das Fernsehteam ist weg, Kramer<br />

im Büro, er und seine rechte Hand Margaret Nee steuern<br />

die Geschäfte. Frau Nee ist freundlich, zurückhaltend, ein<br />

Gegenpol, der versucht, den Derwisch unter Kontrolle zu<br />

halten. Sie möchte sein Image ändern, mehr Geschäftsmann,<br />

weniger Lebemann, was bei seinem Temperament kein leichter<br />

Job ist. „Nein, in den Whirlpool steige ich nicht, dafür bin<br />

ich zu alt“, sagt er beim Fotoshooting für PARK AVENUE,<br />

viel lieber lasse er sich auf seiner Harley fotografieren. Danach<br />

geht es ins mit viel moderner Kunst ausgestattete<br />

Haus, nach oben in sein Schlafgemach, zum Umziehen. Vor<br />

der Tür hängt ein Schild mit der roten Aufschrift „Sex“; wenn<br />

es leuchtet, will Kramer nicht gestört werden. Über dem Bett<br />

eine Sexschaukel, daneben der Whirlpool, ein Koffer mit<br />

Liebesspielzeug, das Beate Uhse neidisch gemacht hätte. Ein<br />

begehbarer Kleiderschrank, geräumig wie ein Großraumbüro,<br />

Hunderte Paar Schuhe, eine Glastür, die sich wieder<br />

nur per Fingerabdruck öffnen lässt. Eine Waffensammlung,<br />

für die jeder Diktator Opfer bringen würde, darunter ein<br />

Desert­Eagle­Maschinengewehr, eine Heckler & Koch MP5<br />

und eine Bazooka.<br />

Kramers Anwälte gehen in Berufung, er verliert wieder.<br />

Die erste Zivilkammer des Obergerichts des Kantons Zürich<br />

fordert ihn in ihrem Beschluss und Urteil** vom 9. Januar 2003<br />

auf, den Erbinnen des Siegfried Otto, Verena von Mitschke­<br />

Collande und Claudia Miller­Otto, 59 564 689,67 Euro nebst<br />

vier Prozent Zinsen seit dem 30. September 1997 zu zahlen. Die<br />

Summe errechnet sich aus der Schenkungssumme minus Kramers<br />

Kunstsammlung minus seines Londoner Besitzes, der auf<br />

richterliche Anordnung „eingefroren“ ist. Das Kassationsgericht<br />

des Kantons Zürich bestätigt dieses Urteil am 17. November<br />

2003, Kramer geht wieder in Berufung, nächste Instanz: das<br />

Bundesgericht. Die Anwälte der Schwestern versuchen, das<br />

Urteil über ein Gericht in Florida zu vollstrecken.<br />

Kramer könnten Zeugen helfen, unbefangene, die vom<br />

Gericht zugelassen werden. Mit Justin von Kessel, dem wichtigsten<br />

Zeitzeugen, soll er sich wieder besser verstehen, aber<br />

ob der als unbefangen durchgeht? Für das 160­Seiten­Papier,<br />

das Kramer so gute Laune macht, hat es zumindest gereicht,<br />

hair by sarah potempa at the wall group<br />

make-up by christy coleman at the wall group<br />

darin sind ganz neue Erkenntnisse, sagt Kramer, die werden<br />

ihm helfen, sein Recht zu beweisen.<br />

Eine wichtige Zeugin möchte nicht aussagen. Ursula Otto<br />

sagt am 20. April 2007 zu PARK AVENUE: „Ich müsste eigentlich<br />

auf der Seite von Thomas Kramer sein, weil ich dabei war,<br />

weiß, wie alles abgelaufen ist. Aber ich will nicht noch einmal<br />

eine mediale Schlammschlacht erleben wie damals, will vor<br />

allem mit der anderen Seite nichts zu tun haben. Mir tut es für<br />

die Söhne leid, wie die ausgebootet worden sind.“<br />

Im Herbst 2006 lässt sich Claudia Miller­Otto, die seit<br />

Langem in Greenwich,<br />

Connecticut, lebt, ihre<br />

Anteile am Unterneh­<br />

men auszahlen; ihre<br />

Schwester Verena von<br />

Mitschke­Collande, die<br />

am Starnberger See<br />

wohnt, ist von nun an<br />

die alleinige Eigentümerin.<br />

350 Millionen<br />

Euro soll Miller­Otto erhalten<br />

haben. Verena<br />

von Mitschke­Collande<br />

sitzt heute als letzte aus<br />

der Otto­Familie im<br />

Aufsichtsrat und im<br />

Beirat bei G & D. Beide<br />

Schwestern lassen über<br />

ihren Zürcher Anwalt<br />

ausrichten, dass sie sich<br />

nicht äußern wollen.<br />

Auch Karl Heinz<br />

Weiss, der ebenfalls im<br />

Beirat und im Aufsichtsrat<br />

von G & D sitzt, teilt<br />

schriftlich mit, dass er<br />

nichts sagen wird. Für<br />

andere Familienmitglieder<br />

gilt ein altes Motto<br />

von Franz Josef Strauß:<br />

„Es ist nichts vergessen,<br />

aber alles verziehen.“<br />

Für sie weht heute noch<br />

immer derselbe Geist<br />

im Unternehmen Giesecke<br />

& Devrient, der es<br />

Anfang der 90er­Jahre<br />

in die Krise führte. Tilman<br />

Otto und seine Familie leben in London, Yorck Otto mit<br />

seiner Familie am Starnberger See. Er leitet eine Finanzdienstleistungsfirma<br />

in München. Zwischen Brüdern und Schwestern<br />

gibt es keinen Kontakt.<br />

Zur Geburtstagsparty von Shaquille O’Neal am Samstag,<br />

den 17. März 2007, fährt Thomas Kramer mit seiner<br />

Harley­Davidson. Es sind nur wenige Meter zum Grundstück<br />

des Basketball­Stars, der Auftritt zählt.<br />

Für Kramer beginnt der April 2007 eher unerfreulich. Bei<br />

der Feier zum 70. Geburtstag des Finanzmoguls Jeffrey Steiner<br />

in New York soll er einen 13­Jährigen auf der Toilette befummelt<br />

haben, was Kramer bestreitet. Er wird vor den geladenen Gäs­<br />

ten verhaftet, später freigelassen. Am 17. April gibt ein Richter<br />

des Miami­Dade Circuit Court der Vollstreckungsklage der<br />

Schwestern statt, Kramer muss demnach, nach zwölf Jahren<br />

Rechtsstreit, knapp 60 Millionen Euro plus Zinsen an die<br />

Otto­Töchter zurückzahlen. Kramer will weiterkämpfen, „zur<br />

Not ziehen wir auch vor das Gericht für Menschenrechte nach<br />

Straßburg“, sagt er, die Richter hätten ihm aufgrund seines<br />

flamboyanten Lebensstils nie eine Chance gegeben.<br />

Seinen 50. Geburtstag am 27. April 2007 feiert er trotz<br />

der schlechten Nachrichten angemessen, mit vielen attraktiven<br />

Frauen, mit seiner<br />

aus Deutschland<br />

angereisten Familie,<br />

Und am Eingang<br />

seiner Villa steht<br />

geschrieben: „don’t<br />

be aware of the dog.<br />

be aware of the owner“<br />

mit den Freunden aus<br />

der Miami­Society, die<br />

ihm weiterhin die<br />

Treue halten. Wie viel<br />

er noch hat von dem<br />

geschenkten Vermögen,<br />

wie reich er heute<br />

wirklich ist, ob das<br />

Urteil ihn ruinieren<br />

wird, das weiß vielleicht<br />

nicht mal Thomas<br />

Kramer selbst.<br />

Wenn es ganz schlecht<br />

läuft, so einer, der ihn<br />

kennt, dann kommt<br />

bald der Sheriff vorbei,<br />

denn einen Gerichtsvollzieher<br />

gibt<br />

es in Amerika nicht.<br />

Auf seiner Homepage<br />

bietet er sein Anwesen<br />

Five Star Island zur<br />

Miete an, und, heißt es<br />

da noch, „die, die es<br />

genug mögen, können<br />

es auch kaufen“.<br />

„Eine Frage noch,<br />

Herr Kramer, was machen<br />

Sie denn mit all den<br />

Waffen, der Munition?“<br />

„Sie wissen ja<br />

gar nicht, was hier für<br />

Verhältnisse geherrscht<br />

haben, als ich hierher<br />

kam, das war Krieg.<br />

Und manchmal treffe ich mich auch mit meinen Freunden<br />

zum Ballern.“<br />

„Ballern?“<br />

„Ja, wir kaufen dann ein Schrottauto, gehen auf einen<br />

Platz, binden das Lenkrad mit einem Strick an der Gangschaltung<br />

fest, legen einen Ziegelstein auf das Gas, erster Gang rein,<br />

das Auto dreht sich im Kreis, und wir knallen los, macht richtig<br />

Spaß.“<br />

„...“<br />

„Und wenn Sie Mist schreiben, dann binden wir Sie das<br />

nächste Mal auf die Motorhaube, harharhar!“<br />

* Name ist der Redaktion bekannt ** Dokument liegt der Redaktion vor<br />

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