14.06.2018 Neue Woche
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neuewoche. Mittwoch, 13. Juni 2018 22<br />
ebamme der Psychotherapie<br />
r. Christian Lüdke ist Psychotherapeut und Experte für psychologische Akutintervention. Am Donnerstag, 21. Juni<br />
ommt er mit seinem Vortrag „Wenn die Seele brennt . . .“ nach Heidenheim ins Hartmann-Kommunikationszentrum<br />
nd berichtet darüber, wie emotional belastende Ereignisse besser verarbeitet werden können.<br />
err Dr. Lüdke, wie sehen Sie als<br />
sychotherapeut das Zusammenpiel<br />
von Seele und Körper?<br />
ch finde es enorm wichtig, denn wir<br />
issen seit vielen Jahren, dass unsere<br />
edanken auf unsere Gefühle wirken<br />
nd unsere Gefühle auf unsere Gedanen.<br />
Und beide haben im Grunde geommen<br />
auch Auswirkungen auf<br />
nseren Körper, denn als Menschen<br />
ind wir Leib-Seele-Geist-Organisen.<br />
Das heißt, alles, was auf der körerlichen<br />
Ebene geschieht, wirkt sich<br />
uch auf unsere Gefühle, auf unser<br />
motionales Erleben aus. So wie all<br />
as, was wir gefühlsmäßig erleben,<br />
ich auch im Körpergedächtnis auf<br />
ehr lange Zeit speichern kann.<br />
ie werden in Ihrem Job oft mit<br />
motionalen Krisen konfrontiert.<br />
as können Auslöser sein?<br />
risen sind nichts Unnatürliches. Krie<br />
heißt im psychologischen Sinne<br />
ichts Anderes als eine Phase der Enticklung,<br />
Wandlung und Verändeung.<br />
Und unser Leben ist ja eine fortaufende<br />
Entwicklung, Wandlung und<br />
eränderung. Das muss nicht schlecht<br />
ein.<br />
Wir durchlaufen zahlreiche Leenskrisen,<br />
Identitätskrisen, Autoriätskrisen,<br />
Sexualitätskrisen - manche<br />
ieser Entwicklungskrisen sind nicht<br />
ehr schön. Aber jede Krise hat auch<br />
mmer eine große Chance an positien<br />
Entwicklungsmöglichkeiten.<br />
Die Menschen, die zu mir kommen,<br />
rleben das allerdings oft nicht als<br />
ehr angenehm und positiv. Sie haben<br />
inen enormen Leidensdruck, sie sind<br />
raurig, sie sind depressiv, sie sind voler<br />
Ängste oder haben traumatische<br />
rlebnisse durchleben müssen. Manhen<br />
fällt es schwer, diese Verändeungen<br />
in ihre Lebensgeschichte zu inegrieren.<br />
Ich bezeichne das, was ich<br />
ue, immer als psychotherapeutische<br />
ebammenkunst: Ich fördere die Stären<br />
eines Menschen zutage und helfe<br />
einen Patienten dabei, ihre eigenen<br />
elbstheilungskräfte zu nutzen, um<br />
ann gesund zu werden.<br />
ie sind also der Meinung, dass<br />
an sich aus eigener Kraft aus dieen<br />
Krisen befreien kann?<br />
„wiR KÖNNEN JEDE KRiSE AUS EiGENER KRAFt BEwÄLtiGEN“: Am Montag, 21. Juni spricht Dr. Christian Lüdke unter<br />
der Überschrift „Wenn die Seele brennt“ im Hartmann-Kommunikationszentrum Heidenheim.<br />
Foto: pm<br />
a, wir können jede Lebenskrise aus<br />
igener Kraft bewältigen. Das ist nicht<br />
ur meine Meinung, sondern auch die<br />
er Wissenschaft, denn wir Menschen<br />
aben eine ganze Reihe an genetichen<br />
Schutzinformationen, die uns<br />
elfen, mit einem solchen emotionaen<br />
Stress zurechtzukommen.<br />
Das war schon in der Steinzeit so,<br />
enn wir einem Säbelzahntiger beegnet<br />
sind. Bei diesem Stress und dieer<br />
Lebensgefahr schaltet unser Körer<br />
um auf einen automatischen<br />
chutzmechanismus, der lautet: fliehe,<br />
kämpfe oder erstarre. Säbelzahntiger<br />
gibt es heute nicht mehr. Sie haben<br />
andere Gesichter bekommen: Das<br />
kann die Ehefrau sein, der Chef, ein<br />
Gewaltereignis oder eine Erkrankung.<br />
Aber unser Körper reagiert heute immer<br />
noch so wie in der Steinzeit. Das<br />
heißt, wenn wir uns emotional bedroht<br />
fühlen, dann haben wir den Impuls<br />
erst mal weg zu wollen, Ruhe und<br />
Abstand zu bekommen. Kann man<br />
nicht weg, dann kämpfen wir. Wir<br />
wenden dann noch mehr Lebenszeit<br />
und Lebensenergie auf, damit das Problem<br />
irgendwann weniger wird.<br />
Wenn beides nicht funktioniert,<br />
dann tritt der dritte Zustand ein – der<br />
Totstellreflex. Und das ist das, was in<br />
häufig als Depression, Burnout und<br />
Angstzustände bezeichnet wird.<br />
Das heißt, in einem solchen Fall<br />
müsste man Ihre Hilfe in Anspruch<br />
nehmen?<br />
Nicht unbedingt meine Hilfe. Die Psychotherapie-Forschung<br />
zeigt, was<br />
Menschen in einer schweren Lebenskrise<br />
besonders hilft: Das ist die unmittelbare<br />
Anwesenheit einer stabilen<br />
Person. Das heißt: Eine beste<br />
Freundin, ein bester Freund sind vollkommen<br />
ausreichend. Manche Menschen<br />
haben aber nun einmal leider<br />
nicht das Glück, auch nur einen einzigen<br />
besten Freund zu haben. Dafür<br />
gibt es eben meine Berufsgruppe: die<br />
Psychotherapeuten. Man bezeichnet<br />
uns ja auch als bezahlte Freunde.<br />
Gibt es eine grundlegende Regel,<br />
wie man mit belastenden Ereignissen<br />
besser umgehen kann?<br />
Niemand muss sich dafür schämen,<br />
dass es belastende Dinge gegeben hat.<br />
Ganz wichtig ist, dass man - egal wie<br />
die Belastung ausgesehen hat - Ruhe<br />
und Abstand dazu bekommt, damit die<br />
Selbstheilungskräfte aktiviert werden.<br />
Außerdem ist es besonders wichtig,<br />
dass wir unsere Aufmerksamkeit auf<br />
schöne Dinge lenken. Das hat nichts<br />
mit Verdrängung zu tun, sondern hilft<br />
uns, belastende Dinge sehr viel schneller<br />
zu bewältigen. Egal, was wir erlebt<br />
haben und egal, wie traurig das gewesen<br />
ist: Es ist wichtig, irgendwann den<br />
Blick wieder nach vorne zu richten<br />
und in die Zukunft zu blicken.<br />
Kann man Krisen auch vorbeugen,<br />
indem man anders mit Kränkungen<br />
oder Ähnlichem umgeht?<br />
Letztendlich können wir die Krisen<br />
nicht verhindern, aber wir können uns<br />
darauf vorbereiten, wie wir damit umgehen.<br />
Je früher wir lernen, mit Kränkungen,<br />
Demütigungen und Verletzungen<br />
umzugehen, desto stärker werden<br />
wir. Und jeder Mensch erlebt das<br />
in einem von drei Lebensbereichen:<br />
in der Familie, in der Schule oder im<br />
Beruf und in der Partnerschaft. Je früher<br />
man erfährt, dass Kränkungen<br />
nicht an sich negativ sind, sondern<br />
dass sie halt passieren und zum Leben<br />
gehören, dass man aber wiederum<br />
nicht daran zerbrechen muss, erkennt<br />
man, dass sie einen durchaus stärker<br />
machen können. Wenn man auf seine<br />
Kräfte vertraut, anstatt auf irgendwelche<br />
glücklichen Umstände zu warten,<br />
dann kann jede Krise sehr viel stärker<br />
machen. Wenn ich positiv denke und<br />
meine Gedanken in die richtige Richtung<br />
lenke, dann habe ich Chancen,<br />
wirklich gesund zu bleiben - egal was<br />
mir in meinem Leben geschieht.<br />
Was erwartet die Gäste bei Ihrem<br />
Vortrag „Wenn die Seele brennt“ in<br />
Heidenheim?<br />
Meine Gäste können sich auf einen<br />
sehr spannenden, unterhaltsamen und<br />
informativen Vortrag freuen, der sehr<br />
kurzweilig ist. Es ist für jeden etwas<br />
dabei, ich gebe einen Überblick über<br />
Themen wie: Was heißt eigentlich Gesundheit?<br />
Was heißt Krankheit?<br />
Jeder kann dann sehen, welche<br />
Symptome und Reaktionen es gibt, anhand<br />
derer man feststellen kann, das<br />
etwas nicht mehr richtig gesund ist,<br />
sondern dass man möglicherweise belastet<br />
ist. Und die Teilnehmer werden<br />
Tipps und Anregungen bekommen,<br />
was sie tun können, um Krisen besser<br />
zu verarbeiten. Am Ende verrate ich<br />
dann noch fünf Tipps, wie die Gäste<br />
ihr Leben um 14 Jahre verlängern können,<br />
sofern sie das wollen. Das sind<br />
Erkenntnisse aus jahrzehntelangen<br />
Studien aus dem Okinawa-Programm.<br />
Das Gespräch führte Tina Lischka