Wolkenbügel. Berlin im Rausch
ISBN 978-3-86859-545-1 https://www.jovis.de/de/buecher/vorschau/product/wolkenbuegel-berlin-im-rausch.html
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BERLIN<br />
IM RAUSCH<br />
<strong>Berlin</strong> in den 1920ern, das war eine Stadt <strong>im</strong> Fieber.<br />
Eben noch Hauptstadt eines Kaiserreiches war es zum<br />
Mittelpunkt einer Demokratie geworden, die heftigen<br />
Krisen ausgesetzt war. Unvollendete Großbaustellen<br />
wie die Untergrundbahn oder das gigantische Pergamonmuseum<br />
wurden von neuen, noch gewagteren<br />
städtebaulichen Projekten und Visionen übertroffen.<br />
Zwischen, über und unter den Baustellen bewegten sich<br />
die Menschen in nagelneuen oder komplett veralteten<br />
Verkehrsmitteln, <strong>im</strong> ständigen Umsteigen begriffen.<br />
Dre<strong>im</strong>al täglich verkündeten die Zeitungen von den<br />
neuesten Katastrophen, Umbrüchen und Erfindungen.<br />
Haushohe Lichtreklamen machten die Nacht zum Tage<br />
und das prasselnde Buchstabengewitter trieb die Menschen<br />
in Abgründe ihrer Triebe, Süchte und Hoffnungen.<br />
Über alldem schwebten drohend Flugmaschinen, warfen<br />
Reklamezettel oder schon Fliegerbomben wie bei der<br />
Revolution von 1918/19 ab.<br />
Die Revolution war der Anfang dieser verwirrenden Zeit:<br />
Die letzte kaiserliche Regierung übergab die Macht<br />
an die Sozialdemokraten, diese ließen dann eine wild <br />
gewor dene Soldateska auf die eigentlich für sie streitenden<br />
Revolutionäre los, um schließlich mit bürgerlichen<br />
Parteien zu koalieren. Ständig spuckten Autos,<br />
Züge und andere Verkehrsmittel einen Strom an neuen<br />
glänzenden und abgerissen Gestalten aus, um sie dann<br />
<strong>im</strong> nächsten Augenblick wieder wegzubringen, zu überfahren<br />
oder abstürzen zu lassen.<br />
Tausende von ehemaligen Kriegsgegnern aus Russland<br />
strömten nach <strong>Berlin</strong>, hier wurden osmanische Kriegsverbrecher<br />
von armenischen Rächern auf der Straße<br />
erschossen; <strong>Berlin</strong> war die Drehscheibe zwischen Ost<br />
und West, von Revolutionären und Konservatisten,<br />
Na tio nalisten und Spießern.<br />
Das war der Humus für neue, nie dagewesene Ideen und<br />
Visionen in Kunst, Architektur und Film. Der <strong>Rausch</strong><br />
der Avantgarden, die sich ständig untereinander und<br />
mit ihrer Umgebung bekriegten, zündete ein nie dagewesenes<br />
Ideenfeuerwerk an, das bis heute über <strong>Berlin</strong><br />
leuchtet.<br />
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