physiopraxis - Deutsches Institut für Pferdeosteopathie

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Die Fachzeitschrift für Physiotherapie

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physiospektrum
Alles scheint erlaubt
PhysiotheraPie bei tieren In Deutschland darf sich jeder Tierphysiotherapeut
nennen. Ob er eine entsprechende Ausbildung durchlaufen hat, spielt keine Rolle.
Wer sich dennoch fortbilden möchte, stößt auf sehr unterschiedliche Kursangebote.
ie Tierphysiotherapie boomt. Wer
D
Tiere behandeln möchte, kann dies
unabhängig von ärztlicher Verordnung und
Krankenkasse tun. Der Weg dorthin ist in
Deutschland vielfältig: Die einzelnen Ausbildungen
und deren Zulassungsvoraussetzungen
unterscheiden sich enorm.
In der Schweiz ist das anders. Dort hat
der Verband für Tierphysiotherapie für eine
Einheit in der Tierphysiotherapie gesorgt:
Es sind nur Humanphysiotherapeuten und
Tierärzte zugelassen. Die zweijährige berufsbegleitende
Weiterbildung zum Tierphysiotherapeuten
ist staatlich anerkannt
und die Berufsbezeichnung geschützt.
Doch hierzulande ist Tierphysiotherapie
nicht gleich Tierphysiotherapie. Die Berufsbezeichnung
ist ungeschützt, und die Vielzahl
von Begriffen sorgt für Verwirrung.
Tierphysiotherapeuten, Tierheilpraktiker
und Tierosteotherapeuten bieten auf dem
freien Markt ihre Dienste an. Manche haben
sich spezialisiert und nennen sich dann
Hunde- und Pferdephysiotherapeuten bzw.
-osteotherapeuten. Zu den Patienten zählen
vor allem Pferde und Hunde – eine bunte
Mischung aus Katze, Meerschwein und
Hase ist eher die Ausnahme. Die Vierbeiner
leiden unter ähnlichen Beschwerden wie
der Mensch. Meist haben sie im Bewegungs-
system Probleme: Hunde sind oft von Bandscheibenvorfällen
geplagt, Pferde kommen
häufig mit Verletzungen oder Lahmheiten
zum Therapeuten. So ähnlich das Leiden, so
ähnlich auch die Behandlung. Etliche Techniken
sind von denen der Humanphysiotherapie
abgeleitet. Diese lernen angehende
Tierphysiotherapeuten in speziellen Kursen.
In Deutschland ist der Fortbildungsmarkt
noch sehr jung. Erst seit etwa zehn bis fünfzehn
Jahren kann man sich für die Behandlung
von Tieren ausbilden lassen.
Kurse in allen Preisklassen > Wer an einer
Fortbildung zum Tierphysiotherapeuten interessiert
ist, hat mehrere Möglichkeiten:
Vom Wochenendkurs bis hin zur zweijährigen
berufsbegleitenden Ausbildung gibt
es Angebote in allen Preisklassen und unterschiedlichen
Qualitäten. Die Unterschiede
sind zum Teil gravierend (a „Fortbildungen
in Tierphysiotherapie“, S. 42).
Mittlerweile gibt es Verbände, die sich
um gewisse Qualitätsstandards bemühen
und selbst Ausbildungen anbieten. Unter
anderem ist das der 1. Verband für Tierphysiotherapie
e.V. und der Bundesverband
zertifizierter Tierphysiotherapeuten
e.V. Auch die humanphysiotherapeutischen
Berufsverbände IFK und ZVK bilden Tier-
physiotherapeuten aus. Diese vier Anbieter
sind sich darüber einig, dass die Qualität der
Ausbildung für die Berufsausübung entscheidend
ist. Bei der Frage, wie diese Ausbildung
genau aussehen soll und wer sie
überhaupt machen darf, driften sie jedoch
auseinander: Jeder Verband bestimmt selbst
die Inhalte, die Zulassungsbedingungen, die
Berufsbezeichnung und die Qualitätsmerkmale.
Bestrebungen der Verbände untereinander,
die Ausbildung zu vereinheitlichen,
scheint es nicht zu geben – für den Tierphysiotherapeuten
in spe also nicht gerade
einfach, das Angebot zu durchschauen.
Verband für Tierphysiotherapie e.V. > Bei
Jochen Woßlick kann jeder Hundephysiotherapeut
werden (a Abb. 1). „Wer in
Deutschland eine Ausbildung zum Tierphysiotherapeuten
machen möchte, der muss
keine humanphysiotherapeutische Ausbildung
absolviert haben“, findet der Humanund
Hundephysiotherapeut. Vor zehn Jahren
eröffnete er gemeinsam mit seiner Frau
das „Ausbildungszentrum für Hundephysiotherapie
nach Woßlick“ in Linkenheim
und gründete den 1. Verband für Tierphysiotherapie
e.V. Die Ausbildung hat er selbst
entwickelt und orientierte sich dabei eng
an der Humanphysiotherapie. „Wir unter-
physiopraxis 5/11 Foto: E. Isselée

physiopraxis 5/11 Fotos: Abb. 1: Jochen Woßlick; Abb. 2: Sabine Bruns; Abb. 3: Beatrix Schulte Wien
Abb. 1 Behandlung im Pool: Damit seine
Patienten wieder fit werden, steigt Jochen
Woßlick mit ihnen oft ins Wasser.
richten physiotherapeutische Techniken
wie klassische Massage, Lymphdrainage
und Manuelle Therapie sowie hundephysiotherapeutische
Techniken, Dehnungen
und aktive Trainingstherapie“, erklärt Woßlick.
Dennoch ist eine humanphysiotherapeutische
Vorbildung für ihn nicht entscheidend.
„Wir vertreten den Standpunkt,
dass jeder den Beruf des Hundephysiotherapeuten
lernen kann.“ Physiotherapeuten
hätten zwar mehr fachliches Wissen als
Laien, doch das sei kein Merkmal für einen
guten Tierphysiotherapeuten. Die Veterinärmedizin
unterscheide sich deutlich von
der Humanmedizin. Tiere müssen ganz anders
behandelt werden als Menschen.
Humanphysiotherapeuten können bei
Woßlick die Ausbildung in verkürzter Form
absolvieren. Doch ihr Interesse scheint gar
nicht so groß: 80 Prozent der Kursteilnehmer
haben einen anderen Beruf, zum Beispiel
Informatiker, Grafiker oder Friseur.
„Physiotherapeuten machen die Weiterbildung
oft aus wirtschaftlichen Gründen, um
sich ein zweites Standbein aufzubauen. Die
Teilnehmer aus anderen Berufsgruppen nutzen
den Tierphysiotherapeuten häufig, um
aus ihrem bisherigen Beruf auszusteigen.“
Bundesverband zertifizierter Tierphysiotherapeuten
e.V. > Sabine Bruns, Pressesprecherin
des Bundesverbandes zertifizierter
Tierphysiotherapeuten e.V. (BZT), ist
Tierphysiotherapeutin ohne humanphysiotherapeutischen
Hintergrund (a Abb. 2).
Wie für Jochen Woßlick spielt für sie die
Abb. 2 Anatomie in vivo: Mit Fingerfarben
bringt Sabine Bruns ihren Auszubildenden die
Anatomie und Muskelfunktion beim Pferd bei.
Vorbildung keine Rolle. Ihr geht es um eine
generelle Trennung des Human- vom Tierphysiotherapeuten.
„Die Situation ist mit der
von Ärzten vergleichbar“, erklärt sie. „Die
Ausbildung und die Arbeit eines Tierarztes
lassen sich nicht mit der eines Humanmediziners
vergleichen. Das ist in der Physiotherapie
genauso.“ Das Tier unterscheide sich
in Anatomie, Behandlung und Therapiezielen
wesentlich vom Menschen. „Bei einer
Tiermassage beispielsweise sind Kraftaufwand,
Techniken und Reaktionen völlig anders
als beim Menschen.“ Deswegen legt
der BZT bei seiner Ausbildung großen Wert
darauf, dass sie für jeden offen bleibt. „Es
ist sicherlich schön, wenn man beide Berufe
gelernt hat. Aber ich würde nicht sagen,
dass ein Tierphysiotherapeut mit humanphysiotherapeutischer
Vorbildung in irgendeiner
Weise kompetenter ist als einer
ohne. Vorausgesetzt natürlich, er hat eine
gute Ausbildung.“ Und die bietet der BZT
ihrer Meinung nach an. Es gibt fünf Unterrichtsbereiche:
allgemeine medizinische
und tiermedizinische Grundlagen, physiotherapeutische
Techniken wie Massage,
Elektro- und Hydrotherapie, Umsetzung
am Tier und Praxistraining. „Wir haben uns
am Humanphysiotherapeuten orientiert
und uns gefragt, was man auf das Tier übertragen
kann und wie.“
Die humanphysiotherapeutischen Verbände
IFK und ZVK > Schaut man sich bei
den physiotherapeutischen Berufsverbänden
IFK und ZVK um, zeigt sich ein anderes
Abb. 3 Das Pferdehalfter als Hilfsmittel:
Beatrix Schulte Wien bei der Mobilisation des
dritten Halswirbelkörpers
Bild. Dort gibt es Weiterbildungen zum
Tierphysiotherapeuten, die ausschließlich
Humanphysiotherapeuten belegen dürfen.
Der IFK hat sogar eine Arbeitsgemeinschaft
für Tierosteo- und Tierphysiotherapeuten
gegründet. Die zweite Vorsitzende
der Arbeitsgemeinschaft ist die Humanphysiotherapeutin
Beatrix Schulte Wien.
Vor 14 Jahren rief sie das Deutsche Institut
für Pferdeosteopathie (DIPO) ins Leben. In
Kooperation mit dem IFK bietet sie die
kombinierte Ausbildung zum Physio- und
Osteotherapeuten für Pferde und Hunde
(a Abb. 3) an. Zudem gibt es am DIPO die
reine pferdephysiotherapeutische Weiterbildung.
„Diese unterscheidet sich von der
kombinierten Ausbildung dadurch, dass
die Pferdephysiotherapeuten keine manipulativen
Gelenktechniken lernen. Damit
fehlt ihnen ein elementares Handwerks-
zu gewinnen
Tierisch gut
physiospektrum
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„Gewinnspiel“ auf „Hund“.
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physiospektrum
zeug“, erklärt Schulte Wien. In ihrem Insti-
tut bildet sie nur Humanphysiotherapeuten,
Ärzte und Tierärzte zu Pferde- und
Hundeosteotherapeuten aus. Sie verfügen
über anatomische Kenntnisse von Muskeln
und Gelenken, die es für eine gute Osteotherapie
brauche.
Wer diese Prüfung bestanden hat, kann
sich dann auch zusätzlich Tierphysiotherapeut
nennen. Die Tierphysiotherapie sieht
Schulte Wien als Hilfsberuf für die Tierosteotherapie:
„Man kann das mit dem Deutschen
Sportbund vergleichen: Dort gibt es
auch Profi- und Amateurtrainer. Mit dem
Tierphysiotherapeuten bieten wir beispielsweise
für Reiter, Trainer oder Pferdebesitzer
eine Weiterbildung an, die die Amateursäule
darstellt.“ Damit der qualitative
Unterschied zu den Pferdeosteotherapeuten
klarer wird, sollten sie sich ursprünglich
Pferdephysiopraktiker nennen. „Diese Bezeichnung
kennt niemand. Die Leute hätten
völlig allein auf dem Markt dagestanden –
trotz guter Ausbildung. Darum nennen wir
sie auch Pferdephysiotherapeuten, obwohl
wir von unserer berufsethischen Auffassung
her eigentlich nicht dahinterstehen.“
Keine kassengesetzlichen Regularien >
Die Ausbildung ist nur der erste Schritt zum
Tierphysiotherapeuten. Wer diesen gegangen
ist, muss sich auf dem freien Markt behaupten.
Und der boomt gewaltig. Immer
mehr Menschen haben einen Hund, für
dessen Wohlbefinden sie alles tun. Darum
sei die Hundephysiotherapie zunehmend
gefragt, erklärt Sabine Bruns. Auch Jochen
Woßlick hat in den letzten zehn Jahren
eine regelrechte Explosion der Tierphysiotherapie
erlebt: „Vor zehn Jahren galt Tierphysiotherapie
noch als exotisch. Heute
wird das Thema in vielen Fachzeitschriften
ganz selbstverständlich behandelt.“
Die tierphysiotherapeutische Arbeit ist
keiner kassengesetzlichen Regulierung unterworfen
und frei von ärztlichen Verordnungen.
Oft kommen die Halter zuerst zum
Therapeuten, bevor sie einen Arzt aufsuchen.
Dann einfach losbehandeln ohne vernünftige
Diagnose, sei grob fahrlässig und
unseriös, sind sich Woßlick, Bruns und
Schulte Wien einig. Ein Tierphysiotherapeut
sollte immer Hand in Hand mit dem Tierarzt
arbeiten und die Therapie absprechen.
FortbilDungen in tierPhysiotheraPie
Die Anbieter im Überblick
> 1. Verband für Tierphysiotherapie e.V. über das Ausbildungszentrum für Hundephysiotherapie
nach Woßlick, www.hundekrankengymnastik.de
> Hundephysiotherapeut
Dauer: insgesamt 1 Jahr in 6 Kursblöcken à 4 Tage plus Fernstudium
Referenten: Tierärzte, Hundephysiotherapeuten, Physiotherapeuten,
Tierheilpraktiker und Hundeverhaltenstherapeuten
Kosten: 3.480,– € exklusive Prüfungsgebühr
> Hundephysiotherapeut nach Blümchen/Woßlick nur für Humanphysiotherapeuten
Dauer: insgesamt 3 Kursblöcke à 5 Tage
Referenten: Tierärzte, Hundephysiotherapeuten, Physiotherapeuten,
Tierheilpraktiker und Hundeverhaltenstherapeuten
Kosten: 2.460,– € exklusive Prüfungsgebühr
> BZT – Bundesverband zertifizierter Tierphysiotherapeuten e.V. in Kooperation
mit der AFT interaktiv GBR, der interaktiven Akademie für Tierphysiotherapie HR
www.bzt-ev.de, www.aft-interaktiv.de
> Tierphysiotherapie HR
Dauer: insgesamt 52 CD­ROM­Theorie­Lektionen und circa 51 Präsenztage
Referenten: Tierphysiotherapeuten HR
Kosten: je nach Zahlungsvariante ab 3.400,– € exklusive Prüfungsgebühr
> ZVK – Deutscher Verband für Physiotherapie über das Bildungswerk Physio­
Akademie in Wremen, www.physio-akademie.de
> Tierphysiotherapie – Fachrichtung Hund
Dauer: insgesamt 15 Präsenztage
Referenten: Physiotherapeuten und Tiermediziner
Kosten: 3.300,– € inklusive Handout, Präparationskurs, Praxistraining und Prüfung
> Deutsches Institut für Pferdeosteopathie (DIPO), teilweise in Kooperation mit dem
IFK – Bundesverband selbstständiger Physiotherapeuten
www.osteopathiezentrum.de (Fachrichtung Pferd),
www.hundeosteopathie-online.de (Fachrichtung Hund)
> Pferdephysiotherapeut (DIPO)
Vorseminare: insgesamt 9 Seminare à 2 Tage, die jeweils 265,– € kosten,
erst dann kann der Lehrgang zum DIPO­Pferdephysiotherapeuten belegt werden:
Dauer: insgesamt 5 Tage
Referenten: Tierärzte, Physiotherapeuten, Sportwissenschaftler, Pferdewirtschaftsmeister,
Human­ und DIPO­Pferdeosteotherapeuten
Kosten: 855,– € inklusive Prüfungsgebühr
> Pferdephysio­ und ­osteotherapeut (DIPO), in Kooperation mit dem IFK
Dauer: insgesamt 2 Jahre auf 13 Wochenenden verteilt
Referenten: Tierärzte, Physiotherapeuten, Human­ und DIPO­Pferdeosteotherapeuten
Kosten: 6.950,– € inklusive Prüfungsgebühr
> Hundephysio­ und ­osteotherapeut (HOP), in Kooperation mit dem IFK
Dauer: insgesamt 9 Wochenenden
Referenten: Tierärzte, Ethologen, Human­, DIPO­Pferde­ und Hundeosteotherapeuten
sowie ­physiotherapeuten
Kosten: 3.880,– € inklusive Prüfungsgebühr
Die Dauer seiner Behandlung und sein
Honorar bestimmt der Tierphysiotherapeut
selbst. Richtlinien gibt es keine, die
Honorarspanne ist sehr groß und beginnt
bei 20 Euro pro Behandlung. „Das hängt
unter anderem davon ab, ob jemand eine
aufwendig eingerichtete Praxis mit Unterwasserlaufband
hat oder nur Hausbesuche
macht“, erklärt Woßlick. Beides sei mög-
lich. Auch in Sachen Marketing ist der Tier-
physiotherapeut keiner Regulierung unter-
worfen. Jede Art von Werbung ist erlaubt
und auch nötig, um sich auf dem Markt zu
etablieren. Die beste Werbung sei die
Mund-zu-Mund-Propaganda der Halter.
Und die bekäme man schließlich nur, wenn
man fachlich qualitativ behandeln würde,
so Woßlick. Heidi Kohlwes
physiopraxis 5/11 Foto: E. Isselée

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