FOP1 11 Schulte Wien WZ
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AUSBILDUNG & SPORT<br />
Gut gesattelt<br />
Passgenauer Sitz – dem Pferd zuliebe<br />
Beatrix <strong>Schulte</strong> <strong>Wien</strong><br />
W Ein gut angepasster Sattel ist wichtig und entscheidet maßgeblich über die erfolgreiche Bindung zwischen Pferd und Reiter. Völlig<br />
falsch und veraltet ist die Vorstellung, dass ein junges Pferd erst zeigen muss, was es kann und wert ist, bevor es den richtigen Sattel erhält.<br />
Was sollte ein Pferd vom Reiter erfahren? Schmeichelnder Sitz, atmender<br />
Schenkel, flüsternder Zügel treffen es sicherlich am besten<br />
und werden in dem wunderbaren, gleichnamigen Buch von Erich<br />
Hübner perfekt beschrieben. Die Grundlage für eine gute Bindung<br />
zwischen Pferd und Reiter ist – wie bei dem gesamten Konzept der<br />
klassischen Reiterei – die Anatomie und Physiologie des Pferdes. Bau<br />
und Funktion des Pferdekörpers sind bedeutsam für den Sattel als<br />
Brückenelement zwischen Pferd und Reiter.<br />
Der Sitz muss nach oben<br />
und unten stimmen<br />
In der Bewegung muss der Sattel „nach unten“ dem Pferd passen<br />
und „nach oben“ dem Reiter. Er bestimmt, wie und wo der Reiter<br />
getragen und hingesetzt wird und mit welcher Intensität die Aktionen<br />
und Reaktionen des Reiters auf das Pferd übertragen werden.<br />
Dem Sattel kommt also eine ganz besondere Funktion zu: Er entscheidet<br />
unter anderem darüber, ob es dem Pferd mit Sattel und<br />
Reiter auf dem Rücken überhaupt möglich ist, über den Rücken zu<br />
gehen. Erfüllt der Sattel bestimmte Kriterien nicht, kann das Pferd<br />
auf die Impulse des Reiters nicht richtig reagieren. Damit ist die<br />
Kommunikation zwischen Pferd und Reiter gestört. Versteht ein<br />
Pferd den Reiter nicht und kann Befehle nicht ausführen, wird es<br />
versuchen, mit seinen Gelenkhebeln und der Muskelspannung ge-<br />
gen Reiter- und Sattelgewicht anzukommen. Das Pferd widersetzt<br />
sich dem Reiter.<br />
Die Aussage: „Ein Pferd ist nicht zum Reiten geschaffen“ oder<br />
„Der Pferderücken ist nicht fürs Reiten konstruiert“ ist nicht richtig.<br />
Unter der Bedingung, dass der Reiter an der richtigen Stelle sitzt<br />
und seine Schwerkraftlinie mit der des Pferdes in Übereinstimmung<br />
bringt, kann er mit der Anwendung der Methode „Klassische Reiterei“<br />
das Pferd zu einer athletischen und ästhetischen Persönlichkeit<br />
formen. So ist auch der Titel des Buches „Der Reiter formt das Pferd“<br />
von den Tierärzten Dr. Udo Bürger und Prof. Otto Zietzschmann zu<br />
verstehen.<br />
Das Pferd hat eine natürliche Schiefe – ebenso wie der Reiter. Es<br />
kann deshalb Probleme geben, die vom Pferd ausgehen, vom Reiter<br />
oder auch vom Sattel. Eine genaue Analyse ist hier erforderlich. Das<br />
macht es nicht unbedingt einfacher – schließlich ist ein gehöriges<br />
Maß an Wissen und Erfahrung erforderlich –, aber entspannter.<br />
Jeder, der schon einmal ein junges Pferd angeritten hat, weiß, wie<br />
es sich zunächst unter dem Reitergewicht verhält. Es wölbt den Rücken<br />
auf und spannt seine Muskulatur, sodass ein Buckel entsteht.<br />
Hat es sich beruhigt, gibt es im Rücken nach und lässt diesen durchhängen.<br />
Wird es angeführt, sind seine ersten Schritte unsicher und<br />
schwankend – als Reiter denkt man, man säße in einer schaukelnden<br />
Mulde. Das liegt daran, dass die Remonte den Reiter zunächst ohne<br />
wesentliche Einschaltung der Muskulatur trägt, stattdessen mehr mit<br />
dem Skelett und den sehnigen Anteilen, die auch zur sogenannten<br />
Bogen-Sehnen-Brücke beitragen.<br />
pferdefokus – 3. Jahrgang, Nr. 4 43
AUSBILDUNG & SPORT<br />
Abbildung rechts: Oben = falsch: Die Reitweise erfolgt von vorne nach hinten. Die Bewegung<br />
geht nach hinten heraus. Unten = richtig: Die Rahmenerweiterung entwickelt<br />
sich von hinten nach vorn. Die Aufrichtung des Pferdes erfolgt in dem Maße, wie das<br />
Hinterbein vermehrt unter den Schwerpunkt tritt. Vom physiologischen Sitz des Reiters<br />
bis zum Genick des Pferdes erweitert sich der Rahmen. Die Schwerkraftlinien von Pferd<br />
und Reiter treffen aufeinander.<br />
Die Bauchmuskulatur ist mit einer Fahrbahn vergleichbar, über die sich zur Stabilisierung<br />
ein Bogen (Wirbelsäule) wölbt.<br />
Die Bogen-Sehnen-Brücke<br />
Das Aufwölben des Pferderückens und die gleichzeitige Vergurtung<br />
der Bauchmuskulatur des Pferdes werden mit dem Konstrukt einer<br />
Bogen-Sehnen-Brücke verglichen. Diese Defintion wurde bereits<br />
1946 von Slijper geprägt.<br />
Die Bauchmuskulatur steht für die Fahrbahn, über die sich der Bogen<br />
(Wirbelsäule) wölbt. Über die vertikalen Verbindungen (seitliche<br />
Brust- und Bauchwand) ist sie zusätzlich mit dem Bogen verbunden<br />
und verspannt. Dadurch kommt es zu einer optimalen Druckverteilung<br />
und die Wirbelsäule wird durch ihre Tragefunktion nicht komprimiert,<br />
sondern eher gedehnt. Hinzu kommen die Widerlager von<br />
Halswirbelsäule und Kreuzbein. Das erhält die Beweglichkeit der<br />
Wirbel untereinander und schont alte Gelenke. Bei diesem Prinzip<br />
verhindert die Rückenmuskulatur eine zu starke Spannung des Bogens.<br />
Das Gewicht der inneren Organe und eine leichte Anspannung<br />
der Bauchmuskulatur bilden die Gegenspieler, sodass die Wölbung<br />
des Bogens (Wirbelsäule) immer erhalten bleibt.<br />
Erfährt das junge Pferd Schmerzen durch einen schlecht passenden<br />
oder schlecht gepolsterten Sattel oder einen Sattelbaum, der den<br />
Reiter zu weit nach hinten setzt, entwickelt es Abwehrreaktionen.<br />
Auch gebrochene Sattelbäume und nicht passende Kopfeisen könnenn<br />
dem Pferd Schmerzen zufügen. Das Pferd wird unrittig.<br />
Die Wirbelsäule führt vor allem im Schritt und Trab stetig leichte<br />
Rotations- und Seitwärtsbewegungen durch. Bleibt dabei der „Brückenbogen“<br />
erhalten, funktioniert die Druckverteilung der Wirbelsäule<br />
exakt. Lassen falsche Krafteinflüsse den Rücken durchhängen<br />
und es entsteht ein Hohlkreuz, nähern sich die Dornfortsätze an und<br />
es kommt zum Kissing-Spine-Syndrom.<br />
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pferdefokus – 3. Jahrgang, Nr. 4<br />
Wichig ist es, unter dem Reitergewicht die ursprüngliche Konstruktion<br />
der Bogen-Sehnen-Brücke herzustellen. Die dazu benötigte<br />
Wölbung der Wirbelsäule erhält man jedoch nicht durch kräftiges<br />
Trainieren der Rückenmuskulatur, sondern nur durch Stärkung der<br />
vorderen Hals- und Bauchmuskulatur. Dies geschieht bei einem jungen<br />
Pferd durch Vorwärts- und Abwärts-Reiten und intensive Arbeit<br />
an der Längsbiegung. Auch hier gilt der Grundsatz: Dehnung kommt<br />
vor Kräftigung.<br />
Unterschiedliche Rückenwölbung<br />
von Pferd und Reiter<br />
Der Rücken des Pferdes – also seine Brust- und Lendenwirbelsäule –<br />
hat die Form eines nach oben gewölbten Bogens, obwohl man denken<br />
könnte, dass der Rücken eher durchhängt. Das hat mit der unterschiedlichen<br />
Länge der Dornfortsätze zu tun, die im Widerristbereich über<br />
20 cm lang sind und zur Lendenwirbelsäule hin an Länge abnehmen.<br />
Außerdem sieht man, dass die Dornfortsätze im vorderen Bereich<br />
der Brustwirbelsäule schräg nach hinten, also schweifwärts,<br />
gerichtet sind, und vom 15. bzw. 16. Brustwirbel an schräg nach<br />
vorne, also kopfwärts. Wölbt das Pferd den Rücken auf, geht es also<br />
über den Rücken, verstärkt sich die Wölbung und die vorderen<br />
Dornfortsätze richten sich auf. Tritt es mit den Hinterbeinen dann<br />
verstärkt unter den Körper – so wie die klassische Reiterei es lehrt<br />
–, wölben sich die Dornfortsätze im hinteren Teil der Brust- und<br />
der Lendenwirbelsäule verstärkt auf. Schaut man sich den Rücken<br />
des Reiters an, stellt man fest, dass seine Lendenwirbelsäule ein
Das Pferd trägt mehr Gewicht auf der Vorhand. Der vordere Sägemuskel des Halses und des Brustkorbs sowie<br />
der tiefe Brustmuskel.<br />
natürliches Hohlkreuz aufweist und seine Brustwirbelsäule eine<br />
leicht entgegengesetzte Wölbung – während die Halswirbelsäule<br />
auch wieder in einer natürlichen Hohlausbiegung steht.<br />
Im Gegensatz zum Pferd befindet sich die Reiterwirbelsäule in<br />
einer doppelten S-Form. Das Kreuzbein ist zusätzlich nach vorne<br />
gekippt, sodass die Wirbelsäule schwingen kann wie ein federnder<br />
Stab. Ein Pferderücken wird nur schwingen, wenn auch der Reiterrücken<br />
schwingt. Das ist nicht allen Reitern klar – entsprechend ist hier<br />
noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten.<br />
Die Rumpfaufhängung des Pferdes<br />
In Reiter-Trainer- und Züchterkreisen ist noch zu wenig bekannt, wie<br />
wichtig die <strong>Schulte</strong>rmuskulatur des Pferdes ist, wenn das Pferd Sattel<br />
und Reiter tragen muss.<br />
Der ganze Pferdekörper ist nur mit Muskeln und Bändern zwischen<br />
den Vorderbeinen und <strong>Schulte</strong>rblättern aufgehängt. Das Pferd<br />
besitzt keine Schlüsselbeine, und die Verbindung zwischen den<br />
<strong>Schulte</strong>rblättern kann man sich wie eine Hängematte vorstellen, die<br />
mit Seilen am rechten und linken <strong>Schulte</strong>rblatt befestigt ist. In dieser<br />
Hängematte hängt der Pferderumpf mit dem Sattel und Reiter.<br />
Von Natur aus liegt mehr Gewicht auf der Vorhand des Pferdes<br />
als auf der Hinterhand. Deshalb heißt es in den Reitlehren immer<br />
wieder: Die Vorhand muss entlastet werden. Das ist dem Pferd aber<br />
nur möglich, wenn der Sattel passt und der Reiter, als wenn er auf<br />
einem Ball säße, genau an der richtigen Stelle agiert. Sitzt man auf<br />
einem Ball zu weit vorne oder hinten, fällt man wegen der Kräfteeinwirkung<br />
einfach hinunter.<br />
Beim Pferd werden die Kräfte auf die Vorhand oder hintere<br />
Brustwirbelsäule, bei Westernsätteln häufig bis in die Lendenwirbelsäule<br />
übertragen. Das bleibt nicht ohne Folgen. Von Natur aus<br />
liegen etwa 58 Prozent des Pferdegewichtes auf der Vorhand, unter<br />
der Voraussetzung, dass das Centrum Equilibrium (Gleichgewichtszentrum)<br />
im Bereich der 12. Rippe (s. Abb. Skelett Seite 43)<br />
liegt. Fehlerhafte Sättel, fehlerhafte Einwirkungen, zu langes Reiten<br />
etc. wirken auf den Pferderücken und führen zu einer deutlichen<br />
Belastungszunahme der Vorderbeine.<br />
Die Ursache-Folge-Kette<br />
Kurz vorweg: Die Sattelkontrolle sollte Bestandteil jeder seriösen osteotherapeutischen<br />
Behandlung sein. 80 Prozent der von uns überprüften<br />
Sättel setzen den Reiter zu weit nach hinten, also hinter das<br />
Centrum Equilibrium. Das Pferd setzt den Reiter von Natur aus dicht<br />
an den Widerrist, denn dort kann es das Reiter- und Sattelgewicht<br />
am besten tragen.<br />
Satteldruckmessungen auf dem Laufband am Tierspital in Zürich,<br />
Abteilung Dr. Weishaupt, haben dies wissenschaftlich bewiesen. Das<br />
Pferd wird stets versuchen, jede Last, die sich auf seinem Rücken<br />
befindet, auch dicht an den Widerrist zu bringen. Die Folge ist, dass<br />
sich bei jedem Trab und jedem Galoppsprung der Sattel mit dem<br />
Reiter nach vorne schiebt.<br />
pferdefokus – 3. Jahrgang, Nr. 4 45
Die Brustmuskeln sind wie eine Hängematte<br />
rechts und links zwischen<br />
den Vorderbeinen verspannt.<br />
Der Rumpf des Pferdes ist nur<br />
mit Muskeln und Bändern<br />
zwischen den Vorderbeinen<br />
aufgehängt.<br />
Fälschlicherweise heißt es oft, dass junge Pferde noch keine Sattellage<br />
haben und Vorgurte ein nützliches Hilfsmittel sind, um den<br />
Sattel an Ort und Stelle zu halten.<br />
Dadurch wird allerdings die falsche Sitzposition des Reiters fixiert<br />
und das junge Pferd hat nicht annähernd die Kraft beim Vor- bzw.<br />
Untertreten, mit dem Hinterbein den Rücken aufzuwölben. Es wird<br />
versuchen, den Rücken wegzudrücken und die Hinterbeine breitspuriger<br />
aufzusetzen, um den korrekten Bewegungsablauf und den<br />
gewölbten Rücken zu erreichen. Dabei kommt es zur mehr oder weniger<br />
Außenrotation in den Hüftgelenken, die sich ihrerseits bis zum<br />
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Vorsicht vor billigen Eigenmarken<br />
Ein Ärgernis stellen die die in jüngster Zeit zunehmenden<br />
Eigenmarken Eigenmarken der Sattler dar. Von außen unterscheiden<br />
sich die Sättel durchaus in Lederart und Design. Das<br />
Innenleben besteht aber aus aus einem Billigbaum aus<br />
Südamerika, der inklusive Ledersitz und Polsterung Polsterung<br />
etwa etwa 350 € im im Einkauf gekostet hat hat und hier für für 2500 €<br />
bis bis 2800 € an an die gutgläubigen gutgläubigen Pferdebesitzer verkauft<br />
wird. Menschen Menschen mit krimineller krimineller Energie nutzen das Ver<br />
trauen der Kunden aus, deshalb sollte dieses Handeln<br />
angeprangert werden.<br />
Reiten mit Korrekturpads<br />
Bei Sattelproblemen empfiehlt sich immer, einen<br />
Fachmann Fachmann hinzuzuziehen. Muss eine Zeit überbrückt<br />
werden, bis der Experte Experte sich des Problems Problems annehmen<br />
kann, helfen Sattelkorrekturpads. Sattelkorrekturpads. Diese lassen sich<br />
auch auch gut gut einsetzen, wenn wenn mit mit einem einem Sattel Sattel mehrere<br />
Pferde geritten geritten werden. Idealerweise lässt man den<br />
Sattel für das das breiteste breiteste Pferd anpassen und und legt für für die die<br />
schmaleren ein ein Correction Pad unter, das das auch einen einen<br />
hohen Anschnitt im Widerristbereich aufweist. Das ist<br />
unerlässlich, damit die Dornfortsätze genügend Raum<br />
haben, um sich aufzurichten, wenn das Pferd den Hals<br />
vorwärts abwärts dehnt.<br />
pferdefokus – 3. Jahrgang, Nr. 4<br />
Wölbt das Pferd den Rücken, bewegen sich die Dornfortsätze<br />
auseinander, drückt das Pferd den Rücken<br />
weg (Hohlkreuz), nähern sich die Dornfortsätze an<br />
(Kissing spine).<br />
Knie fortsetzt – mit all seinen Scherkräften. Knieprobleme können<br />
dann eine Folge sein.<br />
Auch die Rückenmuskulatur verspannt sich schmerzhaft und das<br />
Pferd kompensiert diese Verspannung mit einer Gewichtsverlagerung<br />
nach vorne. Brustmuskulatur und Vorderbeine werden dadurch<br />
vermehrt belastet. Das System der Bogen-Sehnen-Brücke ist damit regelrecht<br />
eingebrochen, denn der als vorderes Widerlager funktionierende<br />
Hals und das als hinteres Widerlager agierende Kreuzbein mit<br />
dem Schweif können nicht mehr als Zugspanner des Rückenbogens<br />
funktionieren. Die Beweglichkeit der Wirbel untereinander wird nicht<br />
mehr unterstützt.<br />
Die Bestandteile des Sattels<br />
Der Sattelbaum wird als „Gerüst“ im Innern des Sattels bezeichnet<br />
und stellt das Herzstück eines jeden Sattels dar. Ein Sattel ohne Baum<br />
ist lediglich ein Sitzpolster mit Steigbügeln und Gurt. Die Bezeichnung<br />
„baumloser Sattel“ ist daher irreführend.<br />
Der Sattelbaum muss zum Pferderücken passen. Er kann, wenn<br />
seine Linie nicht zum Pferderücken passt, nicht durch Polsterung<br />
passend gearbeitet werden. Die heute gängigsten Sattelbäume sind<br />
• Holzbaum mit Kopfeisen,<br />
• Kunststoffbaum, stahlverstärkt,<br />
• Glasfaserkarbon-Baum,<br />
• Lederbaum, stahlverstärkt und Kopfeisen.<br />
Der stahlverstärkte Holzbaum mit Kopfeisen kann exakt an den Pferderücken<br />
angepasst werden. Er hat eine gute Stabilität und ist auch<br />
für schwere Reiter geeignet. Der Baum ist jederzeit veränderbar, weil<br />
er gegurtet ist und durch die Gurtung eine exakte Sitzposition für den<br />
entsprechenden Reiter erreicht werden kann. Auch die Kammerweite<br />
ist bis zu zwei Größen an den Ortspitzen änderbar, sodass der Sattel<br />
mit dem Pferd „mitwachsen“ kann.<br />
Kunststoffbäume haben zwar ein geringes Gewicht und sind bis<br />
zu einem gewissen Grad an den Ortenden nachstellbar, der Tiefpunkt<br />
(Sitzpunkt) ist aber nur bedingt anpassbar durch Bearbeitung<br />
der Sitzauflage oder Kürzung des vorderen Baumbereichs. Ist ein<br />
Kunststoffbaum nicht mit Kopfeisen verstärkt, ist er nur für leichte<br />
Reiter geeignet und auch nicht zum Springen, weil sich beim Absprung<br />
und bei der Landung die flexiblen Ortspitzen regelrecht in<br />
die Muskulatur hinter den <strong>Schulte</strong>rblättern „einbohren“. Leider kann
von außen kein Reiter erkennen, ob der Kunststoffbaum verstärkt ist.<br />
Er ist auf die Angaben des Sattelanpassers angewiesen und kann da<br />
nur auf Ehrlichkeit hoffen.<br />
Der Glasfaserkarbon-Baum (GFK-Baum) hat zwar ein geringes<br />
Gewicht, ist aber absolut starr, nicht verstellbar und bricht leicht.<br />
Der gegurtete stahlverstärkte Lederbaum ist zwar flexibel auf Maß<br />
anzufertigen, auch die Kammerweite an den Ortenden ist bis zu zwei<br />
Kammerweiten änderbar, er ist aber nicht für schwere Reiter geeignet,<br />
weil er zu flexibel ist.<br />
Beim Kopfeisen gibt es große Unterschiede. Billige Sättel aus Indien<br />
werden beispielsweise mit Kopfleisten aus Blech ausgestattet, die<br />
absolut nicht für einen Sattelbaum geeignet sind.<br />
Ein Kopfeisen sollte geschmiedet und aus Stahl sein und doppelseitig<br />
unter- und oberhalb der Kammer stabil verbaut und gut vernietet<br />
sein. Dann kann es auch ohne Probleme in der Weite um bis zu zwei<br />
Kammerweiten verstellt werden. Voraussetzung dafür ist ein stabiler<br />
Baum.<br />
Die Form des Kopfeisens sollte gerade sein. Seine Spitzen dürfen<br />
weder nach vorne Richtung <strong>Schulte</strong>rblätter verlaufen, noch nach<br />
hinten gewinkelt sein. Ein gerade verlaufendes Kopfeisen verteilt das<br />
Gewicht gleichmäßig hinter der <strong>Schulte</strong>r, während das nach vorne<br />
gewinkelte Kopfeisen erheblichen Druck auf die <strong>Schulte</strong>r ausübt.<br />
Das zurückgewinkelte Kopfeisen lässt den Sattel nach vorne kippen<br />
und dadurch zu stark auf die <strong>Schulte</strong>rn rutschen.<br />
Tauschbare Kopfeisen sind hochproblematisch, weil der Baum eines<br />
derartigen Sattels in der Regel zu weich ist, um ihn beim Tauschen<br />
des Eisens leicht biegen zu können. Man sollte sich auch nicht selber<br />
an den Austausch von Kopfeisen machen, denn wer kann schon von<br />
sich behaupten, die nötige Kenntnis für diese Maßnahme zu besitzen?<br />
Grundsätzlich kann man nur die Ortspitzen eines Sattels weiten<br />
oder zusammendrücken. Der Sattelkopf bleibt immer gleich. Deshalb<br />
kann man nicht einen Sattel von einem schlanken Pferd auf<br />
ein breites, flaches verändern. Wird ein Baum zu stark geweitet, das<br />
heißt immer weiter nach oben in Richtung Sattelkopf, zieht sich die<br />
Steigbügelaufhängung zum Kammerkanal hin und kann dort Satteldruck<br />
verursachen. Außerdem verzieht sich meistens die Taille des<br />
Baumes und der Sattel verdreht sich.<br />
Das Sattelkissen stellt die „Pufferfunktion“ zwischen Pferd und<br />
Reiter her und sollte sich so angenehm wie möglich für das Pferd<br />
anfühlen. Das heißt, ein Pferd soll gerne zum Sattel hin den Rücken<br />
aufwölben. Das kann es aber nur, wenn die Passform und eine angenehme<br />
Füllung des Sattelkissens es zulassen.<br />
Der Satteldruck muss nicht gleichmäßig von vorne bis hinten mit<br />
möglichst großer Auflagefläche erfolgen. Am Tierspital in Zürich<br />
wurde nachgewiesen, dass das Pferd die größte Drucktoleranz im<br />
vorderen Drittel des Sattels besitzt und diese nach hinten hin deutlich<br />
abnimmt.<br />
Kissen, die weit in den Rücken und zur Seite ragen und übermäßig<br />
breite Sattelkanäle aufweisen, drücken auf die Rippengelenke.<br />
Diese können sich bei der Einatmung deshalb nicht bewegen. Wenn<br />
dann noch der Sattelgurt drückt und so fest gegurtet ist, dass dem<br />
Pferd regelrecht die Luft wegbleibt, wird man die Hoffnung auf den<br />
lockerschwingenden Pferderücken endgültig begraben müssen.<br />
Die Auswahl: Eine Wissenschaft für sich<br />
Das Ergebnis eines gut sitzenden Sattels werden ein harmonisch<br />
schwingender Rücken, ein freudig agierendes Pferd und ein gut<br />
sitzender Reiter sein. Passgenauigkeit und Qualitätsware sind zwei<br />
Kriterien, die große Bedeutung beim Sattelkauf haben. Und nicht<br />
zu vergessen: das Expertenwissen. Lassen Sie einen Fachmann den<br />
Sattel, das Pferd und den Reiter beurteilen und schaffen Sie so ein<br />
wichtiges Fundament für gute Reiterei. W<br />
Über die Autorin<br />
Eine wichtige Distanz im Sattelbau ist die vom<br />
Kopfeisen bis zum tiefsten Sitzpunkt.<br />
Schematische Darstellung der Bauchmuskulatur. 1 Querfortsätze der Lendenwirbelsäule, 2 Hungergrube, 3 Hüfthöcker, 4 Darmbein,<br />
5 Schambeinkamm, 6 Leistenband, 8 8. Rippe, 18 18. Rippe, a vorderer sägeförmiger Muskel, b äußerer schiefer Bauchmuskel,<br />
c‘ und c innerer schiefer Bauchmuskel, d querer Bauchmuskel, e gerader Bauchmuskel.<br />
Quelle: Prof. Hans Geyer, Zürich<br />
Beatrix <strong>Schulte</strong> <strong>Wien</strong> ist seit 1975 in eigener Praxis als Physiotherapeutin<br />
tätig. Weiterbildung zur Manualtherapeutin und<br />
zur Sportphysiotherapeutin. Die Tätigkeitsgebiete der diplomierten<br />
Humanosteopathin, Sportphysio- und Manualtherapeutin<br />
sowie Amateurreitlehrerin (FN) sind Osteopathische<br />
Behandlungen bei Mensch und Pferd, Ausbau der Weiterbildungsgänge<br />
DIPO-Pferdeosteotherapeut und DIPO-Pferdephysiotherapeut<br />
sowie zertifizierter Sattelexperte (DIPO).<br />
Beatrix <strong>Schulte</strong> <strong>Wien</strong> ist Autorin diverser Bücher, Videos und<br />
DVDs zum Thema Pferdeosteopathie, Pferdezähne und Sättel.<br />
pferdefokus – 3. Jahrgang, Nr. 4 47