alternating gradient - abbremsung von benzonitril - CFEL at DESY
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ALTERNATING GRADIENT -<br />
ABBREMSUNG<br />
VON BENZONITRIL<br />
FABIAN GRÄTZ<br />
DIPLOMARBEIT<br />
am<br />
Fachbereich Physik<br />
der<br />
Freien Universität Berlin<br />
angefertigt am<br />
Fritz-Haber-Institut<br />
der Max-Planck-Gesellschaft<br />
Betreuer: Prof. Dr. Gerard Meijer<br />
Berlin, 20. März 2008
Inhaltsverzeichnis<br />
1 Einleitung 1<br />
2 Theoretische Grundlagen 5<br />
2.1 Benzonitril . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />
2.1.1 Rot<strong>at</strong>ionsstruktur <strong>von</strong> Benzonitril . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />
2.1.2 Stark-Effekt <strong>von</strong> Benzonitril . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />
2.2 OH-Radikal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />
2.2.1 Grundzustand des OH-Radikals . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />
2.2.2 Stark-Effekt <strong>von</strong> OH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />
2.2.3 Hyperfeinstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />
2.3 Altern<strong>at</strong>ing Gradient-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />
2.3.1 Transversale Fokussierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15<br />
2.3.2 Form der Elektroden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />
2.3.3 Trajektorien im Abbremser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20<br />
3 Experimenteller Aufbau 27<br />
3.1 Aufbau für ein Modul . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />
3.1.1 Molekularstrahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />
3.1.2 Abbremsmodul . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29<br />
3.1.3 Detektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />
3.1.4 Elektronik und Messsoftware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />
3.2 Erweiterung auf zwei Module . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />
4 Altern<strong>at</strong>ing Gradient-Abbremsung <strong>von</strong> Benzonitril 35<br />
4.1 Detektion <strong>von</strong> Benzonitril . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35<br />
4.2 Abbremsung des Grundzustandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />
4.3 Abbremsung höherer Rot<strong>at</strong>ionsniveaus . . . . . . . . . . . . . . . . . 42<br />
5 Altern<strong>at</strong>ing Gradient-Abbremsung <strong>von</strong> OH 49<br />
5.1 Detektion <strong>von</strong> OH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49<br />
i
5.2 OH im hochfeldsuchenden Zustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50<br />
5.3 OH im tieffeldsuchenden Zustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52<br />
5.4 Einfluss der Biasspannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57<br />
6 Ausblick 61<br />
Zusammenfassung 65<br />
Abstract (english) 67<br />
Liter<strong>at</strong>urverzeichnis 69<br />
Danksagung 75<br />
Selbständigkeitserklärung 77<br />
ii
Abbildungsverzeichnis<br />
2.1 Strukturformel <strong>von</strong> Benzonitril . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />
2.2 Stark-Effekt <strong>von</strong> Benzonitril . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />
2.3 Termschema des OH-Radikals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />
2.4 Stark-Effekt <strong>von</strong> OH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />
2.5 Optimales Potential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />
2.6 Beschleunigungen in der elektrischen Linse . . . . . . . . . . . . . . . 19<br />
2.7 Abbremsschema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />
3.1 Versuchsaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />
3.2 Bilder der Abbremsmodule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />
3.3 Justage des Moduls in der Kammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33<br />
4.1 Spektrum <strong>von</strong> Benzonitril . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35<br />
4.2 Analyse des TOF-Profils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />
4.3 Einfluss des Elektrodenvers<strong>at</strong>zes bei Benzonitril . . . . . . . . . . . . 37<br />
4.4 guiding <strong>von</strong> Benzonitril . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39<br />
4.5 Abbremsung des Grundzustandes <strong>von</strong> Benzonitril . . . . . . . . . . . 41<br />
4.6 vz, z-Phasenraum beim Abbremsen <strong>von</strong> Benzonitril . . . . . . . . . . 42<br />
4.7 guiding <strong>von</strong> Benzonitril für höhere J . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43<br />
4.8 Abbremsen <strong>von</strong> Benzonitril für höhere J . . . . . . . . . . . . . . . . . 45<br />
4.9 Trennung verschiedener Quantenzustände <strong>von</strong> Benzonitril . . . . . . 47<br />
5.1 Spektrum <strong>von</strong> OH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49<br />
5.2 guiding und Abbremsen <strong>von</strong> hochfeldsuchendem OH . . . . . . . . . 51<br />
5.3 bunching und guiding <strong>von</strong> tieffeldsuchendem OH . . . . . . . . . . . . 53<br />
5.4 Abbremsen <strong>von</strong> tieffeldsuchendem OH . . . . . . . . . . . . . . . . . 55<br />
5.5 Einfluss des Elektrodenvers<strong>at</strong>zes bei OH . . . . . . . . . . . . . . . . . 56<br />
5.6 Abhängigkeit der Intensität <strong>von</strong> der Biasspannung . . . . . . . . . . . 57<br />
5.7 Anteil neg<strong>at</strong>iver Parität der kreuzenden Zustände . . . . . . . . . . . 58<br />
6.1 Abbremssimul<strong>at</strong>ionen für eine verlängerte Appar<strong>at</strong>ur . . . . . . . . . 62<br />
iii
Tabellenverzeichnis<br />
2.1 Charaktertafel der Vierergruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />
2.2 Rot<strong>at</strong>ionskonstanten und Dipolmoment <strong>von</strong> Benzonitril [47]. . . . . . 9<br />
5.1 Parameter für das guiding <strong>von</strong> tieffeldsuchendem OH . . . . . . . . . 54<br />
iv
Abkürzungen und wichtige Begriffe<br />
Abkürzung/Begriff Bedeutung<br />
Abb. Abbildung<br />
AG Altern<strong>at</strong>ing Gradient, in etwa: dynamische<br />
Fokussierung<br />
Biasspannung konstant anliegende Gleichspannung, die<br />
BN Benzonitril<br />
dem Schaltsignal überlagert ist<br />
bunching Bündelung, hier: longitudinale Fokussie-<br />
rung<br />
cm −1 Einheit der Wellenzahl, als Frequenz-<br />
oder Energieeinheit verwendet:<br />
1 cm −1 �=29979, 2458 MHz (siehe dort)<br />
D, Debye 1 D ≡ 3, 33564 · 10 −29 Cm, Einheit des<br />
elektrischen Dipolmoments<br />
Digitalisierer Gerät zum Digitalisieren <strong>von</strong> analogen Si-<br />
gnalen<br />
�E Vektor der elektrischen Feldstärke<br />
�e i<br />
Gl. Gleichung<br />
Einheitsvektor in Richtung i<br />
guiding Führung der Moleküle durch die Appa-<br />
r<strong>at</strong>ur durch reine Fokussierung ohne Ab-<br />
bremsen<br />
GHz 1000 MHz (siehe dort), auch als Energie-<br />
einheit verwendet<br />
hfs hochfeldsuchend, Hochfeldsucher<br />
HV high voltage, Hochspannung<br />
LCAO linear combin<strong>at</strong>ion of <strong>at</strong>omic orbitals, Linear-<br />
kombin<strong>at</strong>ion <strong>von</strong> Atomorbitalen<br />
v
Abkürzung/Begriff Bedeutung<br />
lfs low field seeking, tieffeldsuchend, Tieffeld-<br />
sucher<br />
LIF laser induced fluorescence, laserinduzierte<br />
Fluoreszenz<br />
MHz Einheit der Frequenz, als Energieeinheit<br />
verwendet: 1 MHz �=4, 135669 · 10 −9 eV =<br />
6, 62607153 · 10 −28 J<br />
PMT photomultiplier tube, Photok<strong>at</strong>hode mit<br />
nachgeschaltetem Sekundärelektronen-<br />
vervielfacher<br />
Pulssequenzgener<strong>at</strong>or elektronisches Gerät, welches Zeitsequen-<br />
zen im µs-Bereich als analoges Signal an<br />
die HV-Schalter sendet<br />
RDL ring dye laser, Ringfarbstofflaser<br />
TOF time of flight, Flugzeit<br />
Verzögerungsgener<strong>at</strong>or elektronisches Gerät, welches Trigger mit<br />
variabler Zeitverzögerung an andere Ge-<br />
räte sendet<br />
vibronisch elektronisch-vibr<strong>at</strong>orisch<br />
Wellenlängenmeter optischer Frequenzmesser<br />
m<strong>at</strong>hem<strong>at</strong>ische Symbole Bedeutung<br />
G1 ∼ = G2<br />
Gruppenisomorphismus: G1 ist isomorph<br />
zu G2<br />
Γ Darstellung einer Gruppe<br />
Γ1 ⊗ Γ2<br />
Multiplik<strong>at</strong>ion der Darstellungen Γ1 und<br />
Γ2<br />
A Gruppentheorie: total symmetrische ir-<br />
reduzible Darstellung; asymmetrischer<br />
starrer Kreisel: Rot<strong>at</strong>ionskonstante<br />
a ∝ b a ist proportional zu b<br />
a ≡ b, a := b, a =: b a ist identisch gleich b, a ist definiert als b,<br />
b ist definiert als a<br />
vi
Kapitel 1<br />
Einleitung<br />
Seit dem Beginn der N<strong>at</strong>urwissenschaften steht die Frage nach dem Aufbau und<br />
dem Ursprung der M<strong>at</strong>erie im Mittelpunkt des Interesses und stellt eine der größ-<br />
ten Triebfedern für die wissenschaftliche Forschung dar. Beginnend mit der Begrün-<br />
dung der Quantenphysik durch Max Planck im Jahr 1900 [1] h<strong>at</strong> in der Physik eine<br />
beispiellose Entwicklung st<strong>at</strong>tgefunden, die nicht nur zu neuen Erkenntnissen ge-<br />
führt h<strong>at</strong>, sondern auch gänzlich neue Fragen aufwirft. Während in der Teilchen-<br />
physik dank großer Beschleuniger fundamentale Theorien im Hochenergiebereich<br />
entwickelt und getestet werden, h<strong>at</strong> sich spätestens seit der Entwicklung der Paul-<br />
falle [2] auch der Bereich extrem niedriger Energien als eine Quelle der Erkenntnis<br />
bezüglich der elementaren Eigenschaften der M<strong>at</strong>erie etabliert. Seit einigen Jahr-<br />
zehnten, vor allem aber in jüngster Zeit h<strong>at</strong> die Physik zudem damit begonnen,<br />
auf der Grundlage neuer experimenteller Methoden und mit den Konzepten der<br />
Molekülphysik entscheidenden Einfluss auf die quantit<strong>at</strong>ive Biologie zu nehmen,<br />
woraus nicht zuletzt die Aufklärung der Struktur der DNS durch Röntgenbeugung<br />
resultierte [3].<br />
Diese Diplomarbeit beschäftigt sich mit dem Abbremsen großer Moleküle. Dieses<br />
soll es in Zukunft ermöglichen, komplexe neutrale Moleküle einzufangen und im<br />
Detail zu untersuchen. Die beim Abbremsen verwendete Technik der Altern<strong>at</strong>ing<br />
Gradient-Fokussierung ist dieselbe, die auch in Beschleunigern für geladene Teilchen<br />
zum Eins<strong>at</strong>z kommt; sie stellt somit einen Brückenschlag zwischen grundlegender<br />
Hochenergiephysik und der Physik bei niedrigen Energien her.<br />
Die Auflösung jeder physikalischen Messung hängt entscheidend <strong>von</strong> der Tempe-<br />
r<strong>at</strong>ur der Probe und der Zeitdauer der Beobachtung ab. Hierbei bestimmt die Tem-<br />
per<strong>at</strong>ur für Moleküle in der Gasphase die Anregung innerer Energieniveaus und<br />
die mittlere Geschwindigkeit der Teilchen. Die Beobachtungsdauer wird durch die<br />
Geschwindigkeit der gesamten Probe rel<strong>at</strong>iv zum Labor und durch die Größe der<br />
Appar<strong>at</strong>ur limitiert; sie lässt sich beispielsweise durch die Verlangsamung der un-<br />
1
2 Einleitung<br />
tersuchten Teilchen erhöhen. Die Herstellung kalter, langsamer Moleküle bietet da-<br />
her herausragende Vorteile für die Untersuchung fundamentaler physikalischer Zu-<br />
sammenhänge. Anwendungen wie die hochpräzisen Messungen des elektrischen<br />
Dipolmoments des Elektrons [4, 5] und die Untersuchung einer Paritätsverletzung<br />
in chiralen Molekülen [6–8] ermöglichen es, entsprechende Vorhersagen der Quan-<br />
tenelektrodynamik, des Standardmodells und verschiedener Parametrisierungen der<br />
Stringtheorie experimentell zu überprüfen. Hochauflösende Spektroskopie wurde<br />
an kaltem, abgebremstem 15 ND3 [9] und OH [10] durchgeführt. In gegenwärtigen<br />
Experimenten an OH [10] werden Nachweise für die zeitliche Veränderung der<br />
Hyperfeinstrukturkonstante [11] gesucht. Substanziell neue Erkenntnisse über die<br />
Wellenn<strong>at</strong>ur großer Objekte [12] können sich aus der Herstellung <strong>von</strong> Bose-Ein-<br />
stein-Kondens<strong>at</strong>en ergeben [13–15], welche erstmals 1995 mit Atomen [16, 17] und<br />
2003 mit Alkali-Dimeren [18, 19] realisiert wurde. In aktuellen Experimenten wer-<br />
den Versuche zur Herstellung eines Bose-Einstein-Kondens<strong>at</strong>s aus hetero<strong>at</strong>omaren<br />
Molekülen unternommen [20, 21]. Auch im Bereich der ultrakalten Chemie eröffnen<br />
kalte Moleküle eine Vielzahl spannender Anwendungen. So zeigen Reaktionen bei<br />
Temper<strong>at</strong>uren nahe des absoluten Nullpunktes, welche sich beispielsweise durch<br />
Kollision langsamer, kalter Molekularstrahlen untersuchen lassen [22], häufig un-<br />
gewöhnliche Dynamik [23].<br />
Die bei Atomen so erfolgreiche Technik der Laser-Kühlung [24–26] versagt bei Mo-<br />
lekülen aufgrund der T<strong>at</strong>sache, dass die Franck-Condon-Faktoren für vibronische<br />
Übergänge stets signifikant kleiner als eins sind und daher kein geschlossener Kühl-<br />
zyklus etabliert werden kann. Deswegen muss zur Herstellung <strong>von</strong> kalten Molekü-<br />
len auf andere Methoden zurückgegriffen werden. Prinzipiell existieren zwei Ansät-<br />
ze: Der erste besteht darin, Moleküle aus kalten Atomen, deren Kühlung bereits gut<br />
beherrschbar ist, herzustellen. Die Assozi<strong>at</strong>ion der Atome zum Molekül lässt sich<br />
entweder durch Photoassozi<strong>at</strong>ion unter Absorption eines Photons [27] oder durch<br />
ein äußeres Feld erreichen, welches über eine Feshbach-Resonanz hinweg variiert<br />
wird [28, 29]. Der Vorteil dieser Methoden liegt in der Erreichbarkeit großer Teil-<br />
chendichten und sehr tiefer Temper<strong>at</strong>uren im µK-Bereich. Bisher sind diese Metho-<br />
den jedoch im Wesentlichen auf Dimere und einige Trimere beschränkt. Der zwei-<br />
te, unmitellbare Ans<strong>at</strong>z ist die direkte Kühlung <strong>von</strong> Molekülen. Bei der sogenann-<br />
ten Puffergaskühlung (buffer gas cooling) werden warme Moleküle mit Helium als<br />
Kühlmittel in Verbindung gebracht, so dass sie durch elastische Stöße ihre inne-<br />
re Energie verlieren und bis auf etwa 1 − 0, 1 K abkühlen [30]. Langsame Molekü-<br />
le können auch durch gezielte Geschwindigkeitsselektion aus einem thermischen,<br />
langsamen Strahl herausgefiltert [31, 32]und eingefangen werden [33]. Die Molekü-<br />
le verbleiben bei dieser Technik allerdings meist in hohen angeregten Zuständen, da
Einleitung 3<br />
ihre interne Temper<strong>at</strong>ur im Wesentlichen mit der Temper<strong>at</strong>ur der Quelle bzw. der<br />
Düse übereinstimmt. Eine weitverbreitete Technik zur Erzeugung kalter Molekü-<br />
le besteht darin, sie zusammen mit einem Edelgas durch eine Überschallexpansion<br />
in einen Molekularstrahl zu bringen. Sie ist prinzipiell auf Moleküle anwendbar,<br />
die sich zerstörungsfrei in die Gasphase bringen lassen oder dort erzeugt werden<br />
können. Auf diese Art und Weise können intern und transl<strong>at</strong>orisch kalte Moleküle<br />
(Trot � 1 K,Ttrans � 1 K) erzeugt werden, die jedoch eine hohe, gerichtete Geschwin-<br />
digkeit rel<strong>at</strong>iv zum Labor besitzen. Moleküle in einem solchen Strahl lassen sich mit<br />
verschiedenen Techniken abbremsen, beispielsweise unter Verwendung <strong>von</strong> starken<br />
Laserpulsen [34, 35] oder durch Anregung hoher Rydberg-Zustände und Verwen-<br />
dung elektrischer Felder [36]. Die in diesem Bereich bislang erfolgreichste Technik<br />
der Stark-Abbremsung nutzt die Energieänderung polarer Moleküle in einem elek-<br />
trischen Feld aus, um diese in zeitabhängigen elektrischen Feldern zu verlangsa-<br />
men. Auf diese Weise konnte 1999 erstmals metastabiles CO abgebremst werden<br />
[37].<br />
Die Stark-Abbremsung basiert darauf, dass Moleküle, deren potentielle Energie mit<br />
der Feldstärke eines äußeren elektrischen Feldes anwächst, beim Hineinfliegen in<br />
ein inhomogenes elektrisches Feld potentielle Energie auf Kosten <strong>von</strong> kinetischer<br />
Energie gewinnen, während sie gleichzeitig transversal fokussiert werden. Schaltet<br />
man das elektrische Feld abrupt ab, bevor das Teilchen es wieder verlassen h<strong>at</strong>, so<br />
verliert letzteres im Moment des Schaltens die zuvor gewonnene potentielle Ener-<br />
gie und dadurch insgesamt kinetische Energie. Durch wiederholte Anwendung die-<br />
ses Schemas in mehreren elektrischen Linsen werden die Teilchen effizient abge-<br />
bremst. Hochfeldsuchende Teilchen, deren potentielle Energie mit zunehmender<br />
elektrischer Feldstärke abnimmt, können mit einem Stark-Abbremser im Prinzip<br />
ebenfalls verlangsamt werden. Praktisch kann dabei aber keine Fokussierung in<br />
transversaler Richtung erreicht werden, da die Teilchen unweigerlich gegen die<br />
Elektroden prallen. Das Problem liegt in den Maxwell-Gleichungen begründet, ge-<br />
mäß denen die Erzeugung eines lokalen Maximums des elektrischen Feldes mittels<br />
st<strong>at</strong>ischer Felder in drei Dimensionen generell unmöglich ist [38, 39]. Die Verall-<br />
gemeinerung der Stark-Abbremsung auf hochfeldsuchende Teilchen lässt sich den-<br />
noch erreichen, wenn man ihre Bewegung entlang des Molekularstrahls ausnutzt.<br />
Dazu fokussiert man die Moleküle in einer elektrischen Linse zu jedem Zeitpunkt<br />
in eine transversale Richtung, während sie in die andere transversale Richtung de-<br />
fokussiert werden. Durch eine alternierende Ausrichtung vieler Linsen hinterein-<br />
ander wird im zeitlichen Mittel insgesamt eine Fokussierung in beide Richtungen<br />
erreicht. Da das Vorzeichen der Fokussierung durch den Gradienten des elektri-<br />
schen Feldes bestimmt wird, bezeichnet man dieses Verfahren als Altern<strong>at</strong>ing Gradi-
4 Einleitung<br />
ent-Prinzip. Diese Art der dynamischen Fokussierung kommt ebenfalls in Teilchen-<br />
beschleunigern und Paulfallen zur Manipul<strong>at</strong>ion geladener Teilchen zum Eins<strong>at</strong>z.<br />
Das Ausnutzen des Altern<strong>at</strong>ing Gradient-Prinzips beim Abbremsen <strong>von</strong> Molekülen<br />
wurde zuerst ausführlich <strong>von</strong> Auerbach et al. [40] beschrieben und nach gescheiter-<br />
ten Versuchen in den sechziger und siebziger Jahren [41] erstmals 2002 an hochfeld-<br />
suchendem metastabilem CO erfolgreich durchgeführt [42]. Seitdem ist ebenfalls<br />
das Molekül YbF verlangsamt worden [43]. Elektrische Fallen, mittels derer hoch-<br />
feldsuchende Moleküle gespeichert werden können, wurden bereits experimentell<br />
demonstriert [44–46].<br />
Das Ziel dieser Diplomarbeit besteht in der Charakterisierung und Anwendung ei-<br />
nes bestehenden, 27-stufigen Altern<strong>at</strong>ing Gradient-Abbremsers. Zur genauen Unter-<br />
suchung der Vorgänge in der Appar<strong>at</strong>ur werden OH-Radikale als einfaches Mo-<br />
dellsystem in hoch- und tieffeldsuchenden Zuständen fokussiert und abgebremst.<br />
Die weitergehende Zielsetzung besteht in der Verlangsamung des großen Moleküls<br />
Benzonitril auf möglichst geringe Geschwindigkeiten und in der Erweiterung der<br />
Appar<strong>at</strong>ur auf die doppelte Anzahl elektrischer Linsen.
Kapitel 2<br />
Theoretische Grundlagen<br />
2.1 Benzonitril<br />
Benzonitril (C7H5N, BN) ist ein asymmetrisches Kreiselmolekül (siehe Abb. 2.1).<br />
Aufgrund der Komplexität des Termschemas ist es ein typisches Beispiel für ein<br />
großes Molekül, welches bei relevanten Feldstärken nur hochfeldsuchende Zustän-<br />
de besitzt (siehe Abschnitt 2.1.2). Wegen seines großen µ/m-Verhältnisses <strong>von</strong><br />
4, 5 D/103 u [47] lässt es sich gut mittels elektrischer Felder manipulieren. Im Grund-<br />
zustand sind alle Elektronen gepaart, so dass der Gesamtspin S = 0 beträgt. Im be-<br />
schriebenen Experiment ist lediglich der vibronische Grundzustand S0 hinreichend<br />
besetzt, daher wird nachfolgend nur die Energie der Rot<strong>at</strong>ionsniveaus betrachtet.<br />
BN kann durch laserinduzierte Fluoreszenz (LIF) detektiert werden, indem ein elek-<br />
tronischer Übergang in den Singlett-Zustand, S1 ← S0, angeregt wird.<br />
2.1.1 Rot<strong>at</strong>ionsstruktur <strong>von</strong> Benzonitril<br />
Um den Stark-Effekt <strong>von</strong> Benzonitril bestimmen zu können, wird zunächst die Si-<br />
tu<strong>at</strong>ion im feldfreien Fall betrachtet. Näherungsweise kann BN als starrer asym-<br />
a<br />
b<br />
Abbildung 2.1: Strukturformel <strong>von</strong> Benzonitril. Die a- und b-Hauptträgheitsachsen<br />
sind markiert.<br />
5<br />
N
6 Theoretische Grundlagen<br />
metrischer Kreisel beschrieben werden. Für einen asymmetrischen Kreisel sind alle<br />
Rot<strong>at</strong>ionskonstanten A, B, C = ¯h/(4πcI a,b,c) verschieden groß, und der Grad der<br />
Abweichung vom symmetrischen Kreisel kann durch den Asymmetrieparameter<br />
nach Ray, κ = (2B − A − C)/(A − C), beschrieben werden. Im Vergleich zum symmetrischen<br />
Kreisel sind zwar der Gesamtdrehimpuls �J und dessen Projektion MJ =<br />
J, J − 1, . . . , −J auf eine raumfeste Achse gute Quantenzahlen, die Projektion K auf<br />
eine molekülfeste Achse hingegen nicht. Weiterhin ist die teilweise K-Entartung<br />
des symmetrischen Kreisels (siehe Abschnitt 2.2.1) aufgehoben, und jedes J-Niveau<br />
spaltet in 2J + 1 Zustände auf. Betrachtet man die Grenzfälle des prol<strong>at</strong>en (B = C)<br />
bzw. obl<strong>at</strong>en (B = A) Kreisels und die dazugehörigen Projektionen Ka und Kc <strong>von</strong><br />
�J auf die entsprechenden symmetrischen Kreisel-Achsen, so kann man jedem Rota-<br />
tionszustand eindeutig ein Ka und ein Kc zuordnen und ihn durch die Angabe <strong>von</strong><br />
JKaKc MJ bestimmen [48]. Da keine Vorzugsrichtung im Raum existiert, ist jedes die-<br />
ser Niveaus (2J + 1)-fach in MJ entartet.<br />
Der Hamiltonoper<strong>at</strong>or für den asymmetrischen Kreisel lässt sich schreiben als:<br />
ˆHrot/hc = A ˆJ 2 a + B ˆJ 2 b + C ˆJ 2 c<br />
= 1<br />
2 (A + C) ˆJ 2 + 1<br />
2 (A − C) ˆH ′ (κ) ,<br />
(2.1)<br />
mit ˆH ′ (κ) = ˆJ 2 a + κ ˆJ 2 b − ˆJ 2 c [49]. ˆHrot wird in der Basis der Eigenfunktionen |JKMJ〉<br />
des symmetrischen Kreisels dargestellt. Es lässt sich zeigen, dass gilt [49]:<br />
〈JKMJ| ˆHrot|J ′ K ′ M ′ J 〉 ∝ δ JJ ′δ MJ M ′ J<br />
. (2.2)<br />
Der Hamiltonoper<strong>at</strong>or ist also für alle Wertepaare MJ, J blockdiagonal, wobei die<br />
Unterm<strong>at</strong>rizen ˆH KK ′(J, MJ) die Dimension (2J + 1) haben. Prinzipiell kann man die-<br />
se M<strong>at</strong>rizen direkt diagonalisieren, aber es ist zweckmäßig, vorher die Symmetrie<br />
<strong>von</strong> ˆHrot auszunutzen. Da ˆHrot nur <strong>von</strong> den Quadr<strong>at</strong>en der Drehimpulskomponen-<br />
ten abhängt, ist er invariant unter den Drehungen C2(a), C2(b) und C2(c) und h<strong>at</strong><br />
somit die Symmetrie der Vierergruppe V(a, b, c) = {E, C2(a), C2(b), C2(c)} ∼ = D2.<br />
Die Eigenfunktionen ΨJKaKc MJ <strong>von</strong> ˆH lassen sich demnach eindeutig einer der Sym-<br />
metrien A, Ba, B b oder Bc zuordnen. Man kann zeigen, dass die Linearkombin<strong>at</strong>io-<br />
nen der Wellenfunktionen des symmetrischen Kreisels nach Wang [49, 50],<br />
⎧<br />
⎨ 1√ (|JKMJ〉 ± |J, −KMJ〉) für K �= 0<br />
SJKMJ± := W|JKMJ〉 = 2<br />
⎩|JKMJ〉<br />
für K = 0 ,<br />
(2.3)<br />
zur Symmetriegruppe D2 gehören. W ist die Wang-Transform<strong>at</strong>ion und kann für je-<br />
des J und MJ einzeln angewendet werden. Jede Eigenfunktion des asymmetrischen
2.1 Benzonitril 7<br />
D2 E C2(a) C2(b) C2(c) lineare Funktionen Drehungen<br />
A +1 +1 +1 +1 — —<br />
Ba +1 +1 -1 -1 a Ra<br />
B b +1 -1 +1 -1 b R b<br />
Bc +1 -1 -1 +1 c Rc<br />
Tabelle 2.1: Charaktertafel der Vierergruppe, welche isomorph zur Gruppe D2 ist<br />
[51]. Diese erhält man durch die Transform<strong>at</strong>ion a, b, c −→ z, y, x und Ba, B b, Bc −→<br />
B1, B2, B3.<br />
Kreisels lässt sich als Linearkombin<strong>at</strong>ion der Eigenfunktionen des symmetrischen<br />
Kreisels darstellen. Die Wang-transformierte Hamiltonm<strong>at</strong>rix ˆHW = W † ˆH(κ)W<br />
zerfällt in vier Unterm<strong>at</strong>rizen entsprechender Symmetrie, da für zwei beliebige Ba-<br />
sisfunktionen Ψ i, Ψ j aus der Charaktertafel (Tabelle 2.1) folgt:<br />
〈Ψ i| ˆH|Ψ j〉 �= 0 ⇔ ΓΨ i ⊗ A ⊗ ΓΨ j enthält A ⇔ ΓΨ i = ΓΨ j .<br />
Die 2J + 1 Energieniveaus ergeben sich mit Gl. (2.1) zu [52]<br />
F := Erot/hc = 1<br />
2 (A + C) ˆJ 2 + 1<br />
(A − C)EJKaKc (κ) . (2.4)<br />
2<br />
Die Werte <strong>von</strong> EJKaKc (κ) sind tabelliert [48, S. 90]. Im Rahmen dieser Arbeit wurde<br />
ˆHW numerisch diagonalisiert (siehe Abschnitt 2.1.2). Das Termschema für die unter-<br />
sten Rot<strong>at</strong>ionsniveaus ergibt sich aus Abb. 2.2 für E = 0.<br />
2.1.2 Stark-Effekt <strong>von</strong> Benzonitril<br />
Für Teilchen mit einem permanenten Dipolmoment �µ ist die Wechselwirkungsener-<br />
gie mit einem elektrischen Feld �E klassisch durch E = −�µ · �E gegeben. Das quan-<br />
tenmechanische Analogon ist der sogenannte Stark-Effekt. Man unterscheidet Mo-<br />
leküle und ihre Zustände anhand ihres effektiven Dipolmomentes:<br />
µ eff := − dE<br />
dE<br />
. (2.5)<br />
Teilchen, bei denen µ eff > 0 ist, erfahren im inhomogenen Feld eine Kraft in Rich-<br />
tung höherer Feldstärken und werden daher Hochfeldsucher (hfs) genannt, Teilchen<br />
mit µ eff < 0 heißen Tieffeldsucher (lfs).<br />
Betrachtet wird jetzt ein asymmetrisches Kreiselmolekül in einem äußeren Feld der<br />
Form �E = E ·�eZ. Der Stark-Effekt <strong>von</strong> Benzonitril kann im Rahmen des in dieser Ar-<br />
beit beschriebenen Experiments nicht störungstheoretisch berechnet werden, da die
8 Theoretische Grundlagen<br />
elektrischen Felder sehr groß sind und die resultierende Stark-Verschiebung größer<br />
als der Abstand zwischen den einzelnen Rot<strong>at</strong>ionsniveaus ist. Typische Energiedifferenzen<br />
sind E1 − E000 01 ≈ 0, 1 cm−1 im Vergleich zu E000 (0 kV/cm)−<br />
E000 (150 kV/cm) ≈ 7 cm−1 . Die Berechnung wird dadurch erleichtert, dass das Di-<br />
polmoment entlang der a-Hauptträgheitsachse liegt. Dadurch wird der Hamilton-<br />
oper<strong>at</strong>or des Stark-Effekts zu<br />
ˆH Stark = −E ∑<br />
i=x,y,z<br />
µ i · Φ(Z, i)<br />
= −E · µ cos(∠(�eZ,�a)) .<br />
(2.6)<br />
Dabei bezeichnen i = x, y, z die Koordin<strong>at</strong>en im Molekülsystem,�eZ die Feldrichtung<br />
in ortsfesten Koordin<strong>at</strong>en, und Φ(�eZ, i) = cos(∠(�eZ,�e i)) ist der Richtungskosinus<br />
der Molekülachsen zum äußeren Feld. Es erweist sich als zweckmäßig, für asym-<br />
metrische Kreiselmoleküle anstelle der Quantenzahl MJ im Folgenden nur ihren<br />
Betrag<br />
M := |MJ| = 0, 1, . . . , J (2.7)<br />
zu betrachten. Die M<strong>at</strong>rixelemente 〈JKM| ˆHrot + ˆH Stark|J ′ K ′ M ′ 〉 <strong>von</strong> ˆH Stark werden<br />
in der Basis des symmetrischen Kreisels berechnet, wobei aus Symmetriegründen<br />
nur M<strong>at</strong>rixelemente mit ∆J = 0, ±1 und ∆M = 0 ungleich Null sind. Nach wie vor<br />
zerfällt ˆHges = ˆHrot + ˆH Stark in unabhängige M-Unterräume, allerdings sind die Un-<br />
term<strong>at</strong>rizen nicht mehr blockdiagonal in J. Theoretisch muss eine unendlich große<br />
M<strong>at</strong>rix diagonalisiert werden; praktisch wird dies realisiert, indem man für jedes J<br />
Beiträge ab einem deutlich höheren J-Wert vernachlässigt. Obwohl die Symmetrie<br />
durch das äußere Feld <strong>von</strong> D2 auf C2 = {E, C 2 a} reduziert wird, ist es sinnvoll, die<br />
unitäre Wang-Transform<strong>at</strong>ion aus Gl. (2.3) anzuwenden [53]. Da es nur noch zwei<br />
Symmetrieelemente gibt, zerfällt ˆHges für jedes M in zwei nach Symmetrie der Wel-<br />
lenfunktion geordnete Unterm<strong>at</strong>rizen, welche diagonalisiert werden. Dadurch sind<br />
für beliebige Werte der Feldstärke E die Energieeigenwerte jeder M<strong>at</strong>rix bereits rich-<br />
tig nach Zuständen geordnet, da sich Zustände gleicher Symmetrie nicht kreuzen<br />
können, sondern vermiedene Kreuzungen bilden. Die Zuordnung <strong>von</strong> Zuständen<br />
zu den verschiedenen Symmetrien unter Berücksichtigung <strong>von</strong> Kreuzungen ist ein-<br />
deutig möglich [53]. Weiterhin wird der numerische Aufwand zum Diagonalisieren<br />
durch Anwendung <strong>von</strong> W reduziert. Die M-Entartung der feldfreien Zustände wird<br />
durch das äußere elektrische Feld teilweise aufgehoben, so dass jedes JKaKc -Niveau<br />
in die J + 1 Niveaus JKaKc M aufspaltet.<br />
Diese Berechung ist in dem Programmpaket libcoldmol implementiert [54]. Ana-<br />
lytische Ausdrücke für die Berechnug der M<strong>at</strong>rixelemente 〈JKM| ˆHges|J ′ K ′ M ′ 〉 sind<br />
aus der Liter<strong>at</strong>ur bekannt [55, 56]. Der Einfluss der Quadrupol-Kopplung zwischen
2.1 Benzonitril 9<br />
Potentielle Energie in cm -1<br />
2<br />
1<br />
0<br />
-1<br />
Potentielle Energie in cm -1<br />
-10<br />
0 10 20 0 50 100 150<br />
Elektrische Feldstärke in kV/cm<br />
Elektrische Feldstärke in kV/cm<br />
0<br />
-5<br />
JKaKc M<br />
000 0<br />
101 0,1<br />
404 0<br />
404 1<br />
404 2<br />
404 3<br />
404 4<br />
606 0,...,6<br />
Abbildung 2.2: Stark-Effekt <strong>von</strong> Benzonitril im Bereich kleiner (linke Abb.) und<br />
großer (rechte Abb.) Feldstärken. Links sind alle experimentell relevanten Zustände<br />
farbig markiert, andere Niveaus sind grau dargestellt. Rechts sind aus Gründen<br />
der Übersichtlichkeit nur der Grundzustand 000 und die Zustände 404M mit M =<br />
0, 1, 2, 3, 4 zu sehen. Die potentielle Energie bezieht sich auf Epot(000, E = 0) = 0.<br />
Konstante Wert<br />
A(MHz) 5655,2654(72)<br />
B(MHz) 1546,875864(66)<br />
C(MHz) 1214,40399(10)<br />
µa(D) 4,5152(68)<br />
Tabelle 2.2: Rot<strong>at</strong>ionskonstanten und Dipolmoment <strong>von</strong> Benzonitril [47].<br />
dem 14 N-Kern und dem Gesamtdrehimpuls [47, 49] auf den Stark-Effekt wird nicht<br />
berücksichtigt, da sie im Rahmen der experimentellen Genauigkeit nicht <strong>von</strong> Be-<br />
lang ist. Die für die Berechung des Stark-Effekts benötigten Rot<strong>at</strong>ionskonstanten<br />
und das Dipolmoment sind aus der Mikrowellen-Spektroskopie mit großer Genau-<br />
igkeit bekannt [47] und in Tabelle 2.2 angegeben. Der berechnete Stark-Effekt der<br />
untersten Zustände <strong>von</strong> Benzonitril ist in Abb. 2.2 zu sehen. Für große Feldstärken<br />
hängt die Stark-Verschiebung annähernd linear <strong>von</strong> E ab. Weiterhin erkennt man,<br />
dass jeder Zustand bei hinreichend großen Feldstärken hochfeldsuchend wird. Dies<br />
resultiert aus der großen Dichte <strong>von</strong> Zuständen gleicher Symmetrie, welche vermie-<br />
dene Kreuzungen ausbilden. Die hochfeldsuchenden Zustände höherer Rot<strong>at</strong>ions-<br />
niveaus treffen auf tieffeldsuchende Zustände <strong>von</strong> tieferen Rot<strong>at</strong>ionsniveaus und<br />
bewirken deren Abknicken zu niedrigeren Energien hin. Man beachte, dass dies<br />
allgemein für alle hinreichend großen Moleküle zutrifft, da bei diesen die Zustands-
10 Theoretische Grundlagen<br />
dichte entsprechend groß ist.<br />
2.2 OH-Radikal<br />
OH ist aufgrund seines großen µ/m-Verhältnisses <strong>von</strong> 1, 67 D/17 u ein geeignetes<br />
Molekül für die AG-Abbremsung [57]. Desweiteren lässt es sich gut in situ erzeugen<br />
und mittels laserinduzierter Fluoreszenz (LIF) effizient detektieren (siehe Abschnitt<br />
3). Um das Verhalten in elektrischen Feldern und das im Experiment benutzte Nach-<br />
weisverfahren zu verstehen, soll an dieser Stelle zunächst auf seine elekronische<br />
Struktur eingegangen werden.<br />
2.2.1 Grundzustand des OH-Radikals<br />
Das OH-Radikal besitzt insgesamt neun Elektronen, so dass sich im LCAO-Modell<br />
als elektronischer Grundzustand die Elektronenkonfigur<strong>at</strong>ion (1sσ) 2 (2sσ) 2 (2pσ) 2<br />
(2pπ) 3 ergibt. Um das Termschema zu bestimmen, müssen zunächst die auftreten-<br />
den Drehimpulse und die dazugehörigen guten Quantenzahlen betrachtet werden<br />
[52, 58, 59].<br />
Die Kopplung der verschiedenen Drehimpulse zum Gesamtdrehimpuls �J ist ein<br />
Übergangsfall zwischen den Hund’schen Fällen (a) und (b):<br />
(a) Im Fall (a) rotieren der elektronische Gesamtbahndrehimpuls �L und der elek-<br />
tronische Gesamtspin �S unabhängig <strong>von</strong>einander um die Molekülachse, ihre<br />
Projektionsquantenzahlen sind Λ beziehungsweise Σ. Der Gesamtdrehimpuls<br />
ergibt sich dann aus der Summe des Rot<strong>at</strong>ionsdrehimpulses �R des Moleküls<br />
und den Projektionen <strong>von</strong>�L und �S:�J = �R + (Λ + Σ)�ez. Die Projektion <strong>von</strong>�J auf<br />
die Molekülachse beträgt Ω = Σ + Λ und ist ebenfalls eine gute Quantenzahl.<br />
(b) Im Hund’schen Fall (b) koppelt zuerst der Bahndrehimpuls an die Molekülach-<br />
se, so dass sich der Drehimpuls �K = �R + Λ�ez ergibt. Dieser addiert sich dann<br />
mit dem Spin zum Gesamtdrehimpuls �J = �K + �S.<br />
Für kleine Werte der Drehimpulsquantenzahl J lässt sich das OH-Radikal sehr gut<br />
durch den Hund’schen Fall (a) beschreiben, so dass sich Λ = ±1, Σ = ±1/2 und<br />
somit Ω = ±1/2 oder ± 3/2 ergeben. Der vibronische Grundzustand des OH-<br />
Radikals unter Vernachlässigung <strong>von</strong> Λ-Verdopplung und Hyperfeinstruktur spal-<br />
tet demnach in die elektronischen Zustände 2Σ+1 Λ |Ω| = X 2 Π 1/2 oder X 2 Π 3/2 auf,<br />
<strong>von</strong> denen jene mit gleichem |Ω| entartet sind. Die Projektion <strong>von</strong> �J auf die raum-<br />
feste Z-Achse, MJ, kann die 2J + 1 Werte J, J − 1, . . . , −J annehmen und ist eben-
2.2 OH-Radikal 11<br />
falls eine gute Quantenzahl. Die Eigenenergien der Zustände ergeben sich aus dem<br />
Hamiltonoper<strong>at</strong>or:<br />
ˆH = ˆHev + ˆHrot + HSB = ˆHev + Bv · �R 2 + Av(�L · �S) . (2.8)<br />
Dabei ist ˆHrot der Rot<strong>at</strong>ionsanteil und HSB der durch Spin-Bahn-Kopplung verur-<br />
sachte Anteil. Av und Bv sind Konstanten, die <strong>von</strong> der Vibr<strong>at</strong>ionsquantenzahl v<br />
abhängen. Für OH ist die Spin-Bahn-Konstante A0 = −139.73 cm −1 betragsmä-<br />
ßig wesentlich größer als die Rot<strong>at</strong>ionskonstante B0 = 18.515 cm −1 [60]. Da für das<br />
vorliegende Experiment nur der Grundzustand <strong>von</strong> OH <strong>von</strong> Belang ist, trägt der<br />
vibronische Anteil ˆHev des Hamiltonoper<strong>at</strong>ors lediglich einen konstanten Energie-<br />
term bei, der im Folgenden weggelassen wird. Die Rot<strong>at</strong>ionswellenfunktion eines<br />
zwei<strong>at</strong>omigen Moleküls lässt sich mit Hilfe der Euler-Winkel ausdrücken:<br />
|JΩMJ〉 =<br />
� 2J + 1<br />
4π<br />
J⋆<br />
D (ϕ, θ, ψ = 0) , (2.9)<br />
ΩMJ<br />
wobei die Wigner-D-M<strong>at</strong>rix D J<br />
MM ′(ϕ, θ, ψ) = 〈JM ′ |R(ϕ, θ, ψ)|JM〉 die Basistransform<strong>at</strong>ion<br />
vom Molekül- ins raumfeste Koordin<strong>at</strong>ensystem ist. Allerdings ist ˆH in<br />
dieser Basis nicht diagonal, vielmehr existieren aufgrund der Spin-Bahn-Kopplung<br />
M<strong>at</strong>rixelemente, welche Zustände mit gleichem J und verschiedenem Ω koppeln.<br />
Wählt man als Basis wiederum die Linearkombin<strong>at</strong>ionen der |JΩMJ〉 nach Wang<br />
(siehe Abschnitt 2.1.1), welche in diesem Spezialfall gegeben sind durch |JΩMJ, ε〉 =<br />
1/ √ 2(|J, ΩMJ〉 + ε|J, −ΩMJ〉) mit ε = ±1, so zerfällt ˆH in zwei identische (2 × 2)-<br />
M<strong>at</strong>rizen. Der Zustand mit ε = +1 wird auch mit e, jener mit ε = −1 mit f bezeich-<br />
net, und beide haben eine eindeutig definierte Symmetrie. Die endgültigen Eigen-<br />
zustände ergeben sich dann zu [59]:<br />
|X 2 Π 3/2, JMJε〉 = C1|J, Ω = 1/2, MJε〉 + C2|J, Ω = 3/2, MJε〉 (2.10)<br />
|X 2 Π 1/2, JMJε〉 = −C2|J, Ω = 1/2, MJε〉 + C1|J, Ω = 3/2, MJε〉 . (2.11)<br />
Hierbei sind C1 und C2 Mischkoeffizienten, die <strong>von</strong> J und <strong>von</strong> den beiden Konstan-<br />
ten Av und Bv abhängen. Für niedrige Werte <strong>von</strong> J ist dabei C1 ≪ C2. Die Energie-<br />
eigenwerte sind [59]:<br />
E(X 2 Π 3/2, JMJε) = Bv<br />
E(X 2 Π 1/2, JMJε) = Bv<br />
�<br />
(J + 1/2) 2 �<br />
− 1 − X/2<br />
�<br />
(J + 1/2) 2 �<br />
− 1 + X/2<br />
(2.12)<br />
, (2.13)<br />
mit X = � 4(J + 1/2) 2 − (Av/Bv)(Av/Bv − 4) . Zusätzlich zur Kopplung der Ni-
12 Theoretische Grundlagen<br />
Abbildung 2.3: Das Termschema <strong>von</strong> OH mit ausgewählten Übergängen [60]. Ge-<br />
zeigt sind das unterste sowie das erste angeregte elektronische Niveau, die Λ-<br />
Verdopplung ist stark übertrieben dargestellt. F1 und F2 stehen für Zustände mit<br />
|Ω| = 3/2 bzw. 1/2. p gibt die Parität an [61].<br />
veaus mit unterschiedlichem Ω durch ˆHSB kommt es im OH-Radikal zu einer Kopp-<br />
lung <strong>von</strong> Niveaus ∆Λ = ±1 durch ˆHR [52]. Diese Störung bewirkt eine Aufspaltung<br />
jedes Λ-Niveaus in zwei Terme, auch Λ-Verdopplung genannt. Die Energieverschie-<br />
bung <strong>von</strong> ± 1 2 EΛ ist jedoch klein im Vergleich zu den Abständen zweier Rot<strong>at</strong>ions-<br />
niveaus. Das Termschema <strong>von</strong> OH ist in Abb. 2.3 zu sehen. Dargestellt sind eben-<br />
falls einige dipolerlaubte Übergänge in den ersten elektronisch angeregten Zustand<br />
A 2 Σ + .<br />
2.2.2 Stark-Effekt <strong>von</strong> OH<br />
Die Berechnung des Stark-Effektes <strong>von</strong> zwei<strong>at</strong>omigen Molekülen ist wesentlich ein-<br />
facher als die für Benzonitril, da sie als symmetrische Kreisel aufgefasst werden
2.2 OH-Radikal 13<br />
können und das Dipolmoment exakt entlang der Molekülachse ausgerichtet ist. Der<br />
Stark-Hamiltonoper<strong>at</strong>or reduziert sich dadurch auf ˆH Stark = µE · cos(∠(�ez,�eZ)),<br />
wenn das äußere elektrische Feld �E = E · �eZ in Z-Richtung liegt und �ez die z-<br />
Achse des Moleküls ist. Detaillierte Berechnungen des Stark-Effektes für OH finden<br />
sich in den Referenzen [61] und [62]. Die einzelnen M<strong>at</strong>rixelemente lassen sich un-<br />
ter Ausnutzung der Symmetrieeigenschaften der Wigner-D-M<strong>at</strong>rizen in 3j-Symbole<br />
überführen [61]. Aufgrund <strong>von</strong> Auswahlregeln müssen nur M<strong>at</strong>rixelemente <strong>von</strong><br />
ˆH Stark in Betracht gezogen werden, welche Zustände mit ∆J = 0, ±1 und ∆MJ = 0<br />
koppeln. Wegen der Symmetrieeigenschaften des Dipoloper<strong>at</strong>ors verschwinden alle<br />
M<strong>at</strong>rixelemente, die Zustände gleicher Parität verknüpfen. Darüber hinaus können<br />
Terme mit ∆J = ±1 wegen des großen Abstandes der (J = 5/2)-Niveaus <strong>von</strong> den<br />
(J = 3/2)-Niveaus <strong>von</strong> etwa 80 cm −1 vernachlässigt werden. Die Starkverschie-<br />
bung erreicht selbst bei Feldstärken <strong>von</strong> 1000 kV/cm nur 28% dieses Wertes. Für<br />
den X 2 Π 3/2-Zustand, dessen Stark-Effekt im Experiment ausgenutzt wird, ergeben<br />
sich somit als einzige nichtverschwindende M<strong>at</strong>rixelemente [61]:<br />
〈 2 Π 3/2JMJe| ˆH Stark| 2 Π 3/2JMJ f 〉 ≡ 〈 2 Π 3/2JMJ f | ˆH Stark| 2 Π 3/2JMJe〉<br />
Dabei gibt Ω eff := 1/2 C 2 1 + 3/2 C2 2<br />
= −µE MJΩ eff<br />
J(J + 1)<br />
=: Q .<br />
einen effektiven Wert an, der zwischen den<br />
Werten Ω = 1/2 und Ω = 3/2 liegt. Die Energieverschiebung �<br />
im Feld ergibt sich<br />
dann aus den Eigenwerten der M<strong>at</strong>rix<br />
zu [62]:<br />
�<br />
�<br />
EΛ<br />
E± = ±<br />
2<br />
� −EΛ/2 Q<br />
Q E Λ/2<br />
� 2<br />
+ Q 2 ∓ EΛ<br />
2<br />
. (2.14)<br />
Hierbei muss die Λ-Verdopplung als Korrekturterm auf der Diagonale der Energie-<br />
m<strong>at</strong>rix berücksichtigt werden, um die Nullfeldaufspaltung der Terme im Grund-<br />
zustand korrekt wiederzugeben. Wegen des EΛ-Terms ergibt sich für kleine Feld-<br />
stärken ein quadr<strong>at</strong>ischer Stark-Effekt, der für große Felder in einen linearen Stark-<br />
Effekt übergeht, denn es gilt:<br />
E± −→<br />
⎧<br />
⎨<br />
±Q 2 für Q/EΛ ≪ 1<br />
⎩±Q<br />
∓ EΛ für Q/EΛ ≫ 1 .<br />
(2.15)<br />
Das OH-Radikal h<strong>at</strong> also im Gegens<strong>at</strong>z zum Benzonitril auch bei hohen Feldstärken<br />
sowohl hoch- als auch tieffeldsuchende Zustände. Für den im Experiment relevan-<br />
ten (J = 3/2)-Zustand spaltet im elektrischen Feld jeder der beiden Λ-verdoppelten
14 Theoretische Grundlagen<br />
Energie in GHz<br />
100<br />
50<br />
0<br />
-50<br />
J = 3/2<br />
0 50 100 150<br />
Elektrische Feldstärke in kV/cm<br />
MJΩ<br />
-9/4<br />
-3/4<br />
3/4<br />
9/4<br />
2<br />
1,9<br />
1,8<br />
F = 2<br />
1,7 f<br />
F = 1<br />
0,1 F = 2<br />
e<br />
0<br />
F = 1<br />
-0,1<br />
-0,2<br />
Energie in GHz<br />
0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 1,2 1,4<br />
Elektrische Feldstärke in kV/cm<br />
Abbildung 2.4: Der Stark-Effekt <strong>von</strong> OH. Auf der linken Seite ist die Aufspaltung<br />
in vier Niveaus bei hohen Feldstärken dargestellt, rechts ist zur Verdeutlichung der<br />
Hyperfeinstruktur eine Vergrößerung bei kleinen Feldern zu sehen. Die Energie be-<br />
zieht sich auf E(| 2 Π 3/2, J = 3/2, e, F = 1〉, E = 0) = 0 [61].<br />
Terme in zwei Zustände mit |MJΩ| = 3/4 bzw. |MJΩ| = 9/4 auf. Der Stark-Effekt<br />
des X 2 Π 3/2, J = 3/2-Zustandes ist in Abb. 2.4 zu sehen.<br />
2.2.3 Hyperfeinstruktur<br />
In der bisherigen Beschreibung der Energieniveaus und des Stark-Effektes wurde<br />
<strong>von</strong> �J als dem Gesamtdrehimpuls des Moleküls ausgegangen. Dabei wurde ver-<br />
nachlässigt, dass letzterer bei exakter Betrachtung durch die Kopplung des Kern-<br />
spins �I des H-Atoms mit �J gegeben ist, also durch �F = �J + �I mit den korrespon-<br />
dierenden Quantenzahlen F und MF = F, F − 1, . . . , −F. Als Konsequenz spalten<br />
beide | 2 Π 3/2, J = 3/2〉-Zustände in einen (F = 1)- und einen (F = 2)-Term auf. Im<br />
Feld ergibt sich eine weitere Aufspaltung in Niveaus mit verschiedenen Werten <strong>von</strong><br />
|MF|. Die Beiträge der Hyperfeinstruktur können analytisch berechnet werden [61]<br />
und sind in Abb. 2.4 für den Bereich kleiner Felder gezeigt.<br />
2.3 Altern<strong>at</strong>ing Gradient-Prinzip<br />
Das grundlegende Verfahren, an welches die Altern<strong>at</strong>ing Gradient-Abbremsung (AG-<br />
Abbremsung) anknüpft, wird als Stark-Abbremsung bezeichnet [37]. Bei dieser Tech-<br />
nik breitet sich ein Molekularstrahl durch eine periodische Anordnung <strong>von</strong> Elektro-<br />
denpaaren aus, zwischen denen eine Hochspannung <strong>von</strong> einigen kV anliegt. Jedes<br />
Elektrodenpaar formt dabei eine elektrische Linse, welche tieffeldsuchende Mole-<br />
küle in einer transversalen Richtung fokussiert. Wenn diese Moleküle in das inho-<br />
|M F |<br />
2<br />
1<br />
0,1<br />
0<br />
0,1<br />
0<br />
2<br />
1
2.3 Altern<strong>at</strong>ing Gradient-Prinzip 15<br />
mogene Feld eines Elektrodenpaares hineinfliegen, erfahren sie eine positive Stark-<br />
verschiebung, wodurch sie potentielle Energie gewinnen und kinetische Energie<br />
verlieren, d. h. sie werden abgebremst. Beim Verlassen des Elektrodenpaares kehrt<br />
sich der Effekt um, und die Moleküle werden auf ihre Ursprungsgeschwindigkeit<br />
beschleunigt. Schaltet man das elektrische Feld ab, sobald ein Molekül die Mitte<br />
des Elektrodenpaares erreicht h<strong>at</strong>, so entfällt die Beschleunigung, und das Molekül<br />
verliert pro Elektrodenpaar einen konstanten Betrag an kinetischer Energie. Die-<br />
ses Verfahren wurde 1999 erstmals erfolgreich angewandt [63]; es ist mittlerweile<br />
experimentell gut kontrollierbar und wird an anderer Stelle detailliert beschrieben<br />
[61, 64, 65].<br />
Der Nachteil der klassischen Stark-Abbremsung besteht darin, dass sie direkt nur<br />
auf Moleküle in tieffeldsuchenden Zuständen anwendbar ist. Bei hinreichend hohen<br />
Feldstärken sind jedoch alle Zustände komplexerer Moleküle hochfeldsuchend, ge-<br />
nauso wie der absolute Grundzustand jedes Moleküls. Teilchen in hochfeldsuchen-<br />
den Zuständen können in einem Stark-Abbremser ebenfalls longitudinal verlang-<br />
samt werden, allerdings werden sie dabei transversal defokussiert und erreichen<br />
daher das Ende der Appar<strong>at</strong>ur nicht. Das AG-Prinzip beruht auf elektrischen Lin-<br />
sen, die in eine transversale Richtung fokussierend, in die andere defokussierend<br />
wirken. Eine alternierende Anordnung solcher Linsen ermöglicht es, sowohl hoch-<br />
als auch tieffeldsuchende Teilchen transversal zu fokussieren. Das AG-Prinzip ist<br />
ein seit langem bekanntes Verfahren zur Manipul<strong>at</strong>ion und Fokussierung geladener<br />
Teilchen und wird in Teilchenbeschleunigern [66] und Paulfallen [67] angewandt.<br />
Der Grundgedanke, die Geschwindigkeit polarer, neutraler Moleküle unter Aus-<br />
nutzung der AG-Fokussierung zu verändern, wurde bereits 1966 <strong>von</strong> Auerbach be-<br />
schrieben [40], allerdings erst 2002 experimentell realisiert [42].<br />
2.3.1 Transversale Fokussierung<br />
In der nachfolgenden Beschreibung wird <strong>von</strong> Molekülen mit einem linearen Stark-<br />
Effekt ausgegangen, d. h. das effektive Dipolmoment aus Gl. (2.5) wird als konstant<br />
angenommen. Für eine qualit<strong>at</strong>ive Beschreibung ist dieses vereinfachte analytische<br />
Bild ausreichend, und die folgende Darstellung behält auch für den allgemeinen<br />
Fall ihre Gültigkeit.<br />
Auf ein neutrales Molekül innerhalb eines Molekularstrahls, welches sich in z-Rich-<br />
tung bewegt und dem elektrischen Feld �E = −�∇Φ <strong>von</strong> entlang der Strahlachse an-<br />
geordneten Elektroden ausgesetzt ist, wirkt die Kraft �F = −�∇E Stark. Dabei ist E Stark<br />
die Starkenergie im Feld gegenüber dem feldfreien Energieniveau. Im st<strong>at</strong>ischen Fall<br />
ist die Bahn eines solchen Moleküls stabil, wenn auf der Achse selbst keine Kräfte
16 Theoretische Grundlagen<br />
wirken, �F(�r = 0) = 0, und die partiellen Ableitungen der Kraft in alle Richtungen<br />
neg<strong>at</strong>iv sind, ∂Fa<br />
∂xa < 0, a = 1, 2, 3. Letzteres zieht als notwendige Bedingung �∇�F ≤ 0<br />
nach sich. Für die Divergenz der Kraft gilt:<br />
�∇�F = µ eff<br />
E 3<br />
3<br />
∑<br />
i,j,k=1<br />
�� �2� ∂Φ ∂2Φ ∂x k<br />
∂x i∂x j<br />
� 2<br />
� �� ��<br />
∂Φ ∂Φ ∂2 ��<br />
Φ ∂2 �<br />
Φ<br />
−<br />
∂xi ∂xk ∂xi∂x j ∂xk∂x j<br />
�<br />
.<br />
(2.16)<br />
Anwendung der Schwarz’schen Ungleichung ergibt, dass der erste Term immer grö-<br />
ßer ist als der zweite. Somit ist das Vorzeichen <strong>von</strong> �∇�F allein durch das Vorzeichen<br />
des effektiven Dipolmomentes bestimmt. Hieraus folgt unmittelbar, dass nur tief-<br />
feldsuchende, nicht jedoch hochfeldsuchende Zustände st<strong>at</strong>isch fokussiert werden<br />
können.<br />
Um hochfeldsuchende Moleküle trotz dieser Einschränkung auf der Achse, d. h. in<br />
der x-y-Ebene, stabilisieren zu können, kann man sich die dynamische Fokussie-<br />
rung zunutze machen, die auf der Bewegung der Moleküle entlang der Strahlachse<br />
basiert [40]. Durch eine geeignete Anordnung der Elektroden wird ein st<strong>at</strong>ischer<br />
S<strong>at</strong>telpunkt des elektrischen Feldes erzeugt, so dass die Moleküle transversal in ei-<br />
ne Richtung fokussiert, in die andere Richtung defokussiert werden. Nach einer ge-<br />
wissen Strecke ändert man die Anordnung der Elektroden oder die anliegenden<br />
Felder so, dass das gleiche S<strong>at</strong>telpotential, allerdings um 90°gedreht, erzeugt wird.<br />
Diese Kombin<strong>at</strong>ion aus je einer defokussierenden (D) und einer fokussierenden (F)<br />
elektrischen Linse gleicher Stärke wirkt in der Summe fokussierend: Moleküle, die<br />
zunächst <strong>von</strong> der Achse weg beschleunigt werden, sind in der F-Linse weit <strong>von</strong> der<br />
Achse entfernt und erfahren so eine größere Kraft als zuvor in der D-Linse. Anderer-<br />
seits befinden sich Moleküle, die zunächst in Richtung der Achse gelenkt werden,<br />
beim Eintritt in die D-Linse näher an der Achse und werden somit schwächer defo-<br />
kussiert.<br />
2.3.2 Form der Elektroden<br />
Um eine optimale Fokussierung in transversaler Richtung zu erreichen, sollte die<br />
elektrische Feldstärke nach Möglichkeit quadr<strong>at</strong>isch in x und y sein und zugleich<br />
auf der z-Achse einen großen Wert besitzen. Um dies zu erreichen, sucht man nach<br />
Lösungen der Laplace-Gleichung, die diese Anforderungen möglichst gut erfüllen.<br />
Darüber hinaus ist es unerlässlich für die experimentelle Umsetzung, dass sich die<br />
resultierenden Äquipotentiallinien des gewünschten Feldes in der x-y-Ebene durch<br />
eine einfache Elektrodengeometrie entweder exakt reproduzieren oder zumindest<br />
approximieren lassen. Als Erstes muss das gewünschte Feld �E bestimmt werden.
2.3 Altern<strong>at</strong>ing Gradient-Prinzip 17<br />
Hierzu entwickelt man zunächst ganz allgemein das elektrische Potential in Zylin-<br />
derkoordin<strong>at</strong>en r = � x2 + y2 und θ = tan−1 (x/y) in einer Potenzreihe:<br />
∞ � �ℓ 1 r<br />
Φ(r, θ) = ˜Φ0 ∑ ℓ r0<br />
ℓ=1<br />
Dabei ist r0 der Konvergenzradius und Φ0 = ˜Φ0<br />
[a ℓ cos(ℓθ) + b ℓ sin(ℓθ)] . (2.17)<br />
�<br />
a 2 1 + b2 1<br />
gibt die absolute Stär-<br />
ke des Potentials an. �E soll symmetrisch unter Reflexion an der x- und y-Achse<br />
sein, und es soll E(r = 0) > 0 gelten, was beides durch die Wahl b ℓ ≡ 0 für<br />
alle ℓ und a ℓ ≡ 0 für alle geraden ℓ erreicht werden kann. Das Potential soll im<br />
Optimalfall linear in r sein und nur kleine Korrekturen erhalten, um den nichtli-<br />
nearen Anteil des Stark-Effektes zu kompensieren. Deswegen werden nur Dipol-,<br />
Quadrupol- und Hexapolterme berücksichtigt und zudem a1 ≫ a3 ≫ a5 gewählt.<br />
Das elektrische Feld ergibt sich aus dem so modifizierten allgemeinen Potential aus<br />
E = � (∂Φ/∂x) 2 + (∂Φ/∂y) 2 . Entwickelt man es in a3/a1 und a5/a1, so erhält man:<br />
E = E0<br />
�<br />
1 + a3<br />
a1<br />
(x 2 − y 2 )<br />
r 2 0<br />
+<br />
� a3<br />
a1<br />
� 2 2x 2 y 2<br />
r 4 0<br />
+ a5<br />
a1<br />
(x4 + y4 ) − 6x2y2 �<br />
+<br />
O<br />
r 4 0<br />
� � a3<br />
a1<br />
� 3<br />
+<br />
� a5<br />
a1<br />
� 2 �<br />
. (2.18)<br />
Dabei ist E0 = (Φ0/r0) das elektrische Feld auf der Achse. Optimal wäre ein Feld,<br />
welches auf der Achse einen hohen Wert h<strong>at</strong> und eine quadr<strong>at</strong>ische Abhängigkeit<br />
<strong>von</strong> x und y aufweist, um eine lineare Rückstellkraft zu erreichen. Dies ist zwar<br />
nicht exakt möglich, jedoch kann die Anzahl höherer Terme durch Wahl <strong>von</strong> a5 = 0<br />
reduziert werden. Zufriedenstellende Felder mit einfacher Form der Äquipotenti-<br />
allinien ergeben sich mit a3/a1 = 1/7, wie in Abb. 2.5 zu sehen ist. Die Äqui-<br />
potentiallinien lassen sich gut durch zwei zylinderförmige Elektroden mit Radius<br />
R = 3r0 bei (x, y) = (±4r0, 0) approximieren (in Abb. 2.5 gestrichelt eingezeichnet).<br />
Das resultierende Feld lässt sich analytisch berechnen, und es ergeben sich Werte<br />
<strong>von</strong> a3/a1 = a5/a3 = 1/7. Da a5 �= 0 gilt und a3/a1 recht groß ist, fallen meh-<br />
rere Terme höherer Ordnung ins Gewicht. Man beachte, dass Gl. (2.18) außerhalb<br />
des relevanten Bereichs <strong>von</strong> � x 2 + y 2 ≤ r0 das Potential nur näherungsweise be-<br />
schreibt. Aufgrund der hohen Feldstärke auf der Achse bei gleichzeitiger Einfach-<br />
heit der Elektrodenform und -anordnung ist diese Wahl dennoch sehr gut für den<br />
Bau eines AG-Abbremsers geeignet. Der in dieser Arbeit beschriebene Abbremser<br />
ist in dieser Art konstruiert. Eine andere Realisierungsmöglichkeit mit Werten <strong>von</strong><br />
a3/a1 = 0, 157 und a5/a3 = 0, 070 ergibt ein Feld, welches durch vier zylindrische<br />
Elektroden erzeugt werden kann [63]. Dem Vorteil der kleineren Terme hoher Ord-<br />
nung steht in diesem Fall jedoch ein E0 gegenüber, welches nur halb so groß ist wie
18 Theoretische Grundlagen<br />
y/r 0<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
-1<br />
-2<br />
-3<br />
-3 -2 -1 0 1 2 3<br />
x/r 0<br />
Abbildung 2.5: Potential zum Feld aus Gl. (2.18) für a3/a1 = 1/7, a5 = 0. Ge-<br />
strichelt eingezeichnet sind Elektroden, deren Kreisform die Äquipotentialflächen<br />
approximiert.<br />
bei der Zweierelektrodenanordnung.<br />
Um die oben beschriebene Elektrodenkonfigur<strong>at</strong>ion zum Abbremsen benutzen zu<br />
können, müssen mehrere zylindrische Elektroden endlicher Länge verwendet wer-<br />
den. Zur Vermeidung <strong>von</strong> Überschlägen sind die Enden der einzelnen Elektroden<br />
halbkugelförmig abgerundet. Daraus ergeben sich für das transversale Fokussier-<br />
verhalten unvorteilhafte Konsequenzen. Betrachtet man Gl. (2.16) für ein sich sta-<br />
tisch auf der z-Achse befindendes Molekül innerhalb � einer in y fokussierenden Lin-<br />
�<br />
� = E verbleibt [63]<br />
x=y=0<br />
se, so fallen fast alle Terme weg, und mit ∂Φ<br />
∂x<br />
�∇ · �F = µ eff<br />
E<br />
� �<br />
∂E<br />
∂z<br />
. (2.19)<br />
Innerhalb der Linse ist die Ableitung null, aber am Rand wird das Feld inhomogen<br />
und der Kraft<strong>gradient</strong> ist endlich. Dies ist zwar essentiell für das Abbremsen der<br />
Teilchen, wirkt sich aber nachteilig auf die transversale Fokussierung aus. Betrachtet<br />
man nämlich die Federkonstanten k i := − ∂F i<br />
∂x i der Rückstellkraft, so erhält man:<br />
kx = −ky<br />
kx + ky = µ effE ∂<br />
∂z<br />
� �<br />
1 ∂E<br />
E ∂z<br />
innerhalb der Linse,<br />
außerhalb der Linse.
2.3 Altern<strong>at</strong>ing Gradient-Prinzip 19<br />
Beschleunigung in 10 4 m/s 2<br />
10<br />
5<br />
0<br />
-5<br />
ay<br />
ax<br />
0,2 az<br />
0 2 4 6<br />
z in mm<br />
8 10 12<br />
Abbildung 2.6: Beschleunigung eines Benzonitril-Moleküls im Grundzustand nahe<br />
der z-Achse am Ende einer Linse, die fokussierend in y-Richtung und defokussie-<br />
rend in x-Richtung ist. Rechts ist schem<strong>at</strong>isch die dreidimensionale Form der Elek-<br />
troden und der z-Bereich gezeigt, für welchen links die Beschleunigungen berech-<br />
net wurden. Der halbkugelförmige Bereich der Elektrode ist links grau unterlegt.<br />
Die Zahlenwerte entsprechen den t<strong>at</strong>sächlichen Werten dieser Diplomarbeit. Die<br />
z-Beschleunigung ist mit dem Faktor 0, 2 skaliert.<br />
Der obere Ausdruck zieht nach sich, dass fokussierende und defokussierende Kräf-<br />
te innerhalb der Linse gleich sind. Die zweite Gleichung h<strong>at</strong> jedoch für µ eff > 0<br />
zur Konsequenz, dass die Defokussierung beim Austritt aus der Linse größer wird<br />
als die Fokussierung. In Abb. 2.6 sind die numerisch berechneten Beschleunigun-<br />
gen, welche für den Abstand <strong>von</strong> 0, 2 mm zur Achse näherungsweise proportional<br />
zu den Federkonstanten auf der z-Achse sind, für den Zustand JKaKc = 000 <strong>von</strong><br />
Benzonitril an verschiedenen Stellen der Linse gezeigt. Die Werte für die Beschleu-<br />
nigungen erhält man aus den numerisch berechneten Feldern. Es ist unmittelbar<br />
zu erkennen, dass die Felder am Beginn des Linsenausgangs für die Fokussierung<br />
ungünstig sind. Es bleibt anzumerken, dass sich aus Gl. (2.19) mit µ eff < 0 ergibt,<br />
dass für tieffeldsuchende Moleküle die transversale Fokussierung am Linsenaus-<br />
gang wesentlich unkritischer ist.
20 Theoretische Grundlagen<br />
2.3.3 Trajektorien im Abbremser<br />
Für die Charakterisierung eines Altern<strong>at</strong>ing Gradient-Abbremsers ist es unabdingbar,<br />
die Bewegung <strong>von</strong> Molekülen durch die Appar<strong>at</strong>ur zu untersuchen und stabile Be-<br />
reiche im Phasenraum zu beschreiben. Das Ziel ist es, Ausdrücke für die Akzeptanz<br />
und die Transmission einer vorgegebenen Geometrie, bezogen auf alle sechs Frei-<br />
heitsgrade�r und �v, zu entwickeln. Zu diesem Zweck wird zunächst vereinfacht an-<br />
genommen, dass die transversale und die longitudinale Bewegungsgleichung ent-<br />
koppelt sind. Anschließend wird die existierende Kopplung als Korrektur betrach-<br />
tet.<br />
Hier soll nur die transversale Bewegung eines Moleküls in x-Richtung untersucht<br />
werden, da die Überlegungen analog für die y-Komponente gelten. Das Molekül<br />
bewege sich entlang der z-Achse mit der konstanten Geschwindigkeit vz. Unter der<br />
Annahme einer linearen Rückstellkraft ergibt sich dann innerhalb einer Linse die<br />
Bewegungsgleichung<br />
∂x<br />
∂z ± κ2x = 0 (2.20)<br />
mit den allgemein bekannten Lösungen des harmonischen Oszill<strong>at</strong>ors für den fo-<br />
kussierenden Fall (+) beziehungsweise mit Hyperbelfunktionen als Lösung für de-<br />
fokussierende Linsen (−). Die Kreisfrequenz Ω der Lösung ist hierbei gegeben durch<br />
Ω 2 = kx/m = 2µ effE0a3/(mr 2 0 a1), und κ 2 = kx/(mv 2 x) ist die Federkonstante in<br />
Energieeinheiten. Es erweist sich als zweckmäßig, den Effekt der elektrischen Linse<br />
mit Hilfe <strong>von</strong> Abbildungsm<strong>at</strong>rizen darzustellen, wie es im Bereich der linearen Op-<br />
tik und der Teilchenbeschleunigerphysik allgemein üblich ist. Diese lassen sich aus<br />
den Lösungen <strong>von</strong> Gl. (2.20) konstruieren und sind definiert über:<br />
� �<br />
� �<br />
x(z)<br />
x(z0)<br />
= M(z0|z)<br />
vx(z)<br />
vx(z0)<br />
. (2.21)<br />
Verschiedene z-Intervalle lassen sich durch M<strong>at</strong>rixmultiplik<strong>at</strong>ionen ausdrücken:<br />
M(z2|z0) = M(z2|z1)M(z1|z0). Ferner definiert man<br />
F := M(L|z 0,fok), D := M(L|z 0,defok), O := M(S|z 0,frei) (2.22)<br />
als Abbildungsm<strong>at</strong>rizen für fokussierende und defokussierende Linsen der Länge<br />
L beziehungsweise feldfreie Strecken der Länge S. Die explizite Form dieser Ma-<br />
trizen findet man bei Bethlem et al. [63]. Ein AG-Abbremser lässt sich dann allge-<br />
mein durch die M<strong>at</strong>rix M = ((FO) n (DO) n ) N mit n, N ∈ N beschreiben. Die<br />
Gesamtlänge skaliert mit N, während n, zusammen mit der Länge S + L und ab-<br />
hängig <strong>von</strong> der Geschwindigkeit vz der Moleküle, ein Maß für die Zeit ist, nach der
2.3 Altern<strong>at</strong>ing Gradient-Prinzip 21<br />
sich die Richtung der Fokussierung ändert, und dementsprechend mit der Radio-<br />
frequenz einer Paulfalle vergleichbar ist. Die Periode der Anordnung ist gegeben<br />
durch ℓz = 2n(L + S). Man kann zeigen, dass als notwendige Bedingung für die<br />
Stabilität der Moleküle gelten muss [68]:<br />
1<br />
|Spur(M)| < 1 . (2.23)<br />
2<br />
Die Stabilität <strong>von</strong> Teilchen-Trajektorien durch die Linsenkonfigur<strong>at</strong>ion M wurde<br />
ausführlich <strong>von</strong> Courant und Snyder beschrieben [69]. Durch geeignetes Parame-<br />
trisieren <strong>von</strong> M lässt sich die stabile Flugbahn x(z) eines Moleküls durch die oben<br />
beschriebene Anordnung berechnen und auf eine allgemeine Form bringen. Als Zu-<br />
sammenhang zwischen x und vx findet man für stabile Bahnen eine Ellipsenglei-<br />
chung [63]:<br />
�<br />
x(z) = cos(φ(z) + δ) β(vz, z)ɛ (2.24)<br />
γ(z)x 2 (z) + 2αx(z)vx(z) + βv 2 z(z) = ɛ . (2.25)<br />
Hier sind α, β und γ, bis auf ihre Einheiten, die aus der Teilchenbeschleunigerphy-<br />
sik bekannten Courant-Snyder-Parameter [69]. Sie hängen <strong>von</strong> z ab und haben die<br />
Periode ℓz der Linsenanordnung. Die Parameter ɛ und δ sind durch die Anfangs-<br />
bedingungen des jeweiligen Moleküls definiert, und φ(z) hängt <strong>von</strong> z, vz und β ab.<br />
Der Wurzelterm aus Gl. (2.24) h<strong>at</strong> die Periode ℓz, während die Periode des Kosinus-<br />
Term durch 2πℓzvz/ � z+ℓz<br />
z (1/β(z ′ ))dz ′ gegeben ist. Häufig ist der letzte Term groß<br />
im Vergleich zu ℓz, weswegen der Kosinusanteil auch als Makrobewegung und der<br />
Wurzelterm als Mikrobewegung bezeichnet werden. Aus Gl. (2.25) ergibt sich, dass<br />
sämtliche Moleküle mit beliebigen Anfangsparametern δ i und ɛ i < ɛ im x, vx-Pha-<br />
senraum innerhalb einer Ellipse mit Phasenraumvolumen πɛ liegen. Man beachte,<br />
dass sich die Form der Ellipse periodisch mit z ändert, nicht jedoch ihr Phasenraum-<br />
volumen.<br />
Die transversale Akzeptanz Axy = A 2 x ist gegeben durch das größte Phasenraumvo-<br />
lumen, welches sich verlustfrei durch die Elektroden bewegen kann. Dieses erhält<br />
man in guter Näherung für xmax − x min ≤ d ∀z, wobei d die Apertur der elektrischen<br />
Linse ist. Mit Gl. (2.24) folgt Axy = A 2 x =<br />
somit folgt:<br />
� πd 2<br />
4βmax<br />
� 2<br />
, wobei βmax ∝ 1/Ω gilt [63] und<br />
Axy ∝ d 4 Ω 2 ∝ d 2 E0 . (2.26)<br />
Die Akzeptanz wächst mit zunehmendem Feld auf der Achse und zunehmendem<br />
Elektrodenabstand. Da man im Experiment bei der maximal realisierbaren Span-<br />
nung arbeitet, skaliert E0 mit 1/d, und es gilt Axy ∝ d. Weil zum Abbremsen ein
22 Theoretische Grundlagen<br />
hohes E0 <strong>von</strong>nöten ist, kann man in der Praxis d nicht beliebig groß wählen, son-<br />
dern muss einen Kompromiss zwischen Abbremsvermögen und großer Akzeptanz<br />
finden. Untersucht man die Abhängigkeit der Akzeptanz <strong>von</strong> den Längen S und L,<br />
so ergeben sich optimale Ergebnisse für L ≈ 1/κ und S ≪ L. Praktisch muss S einen<br />
Mindestwert haben, um elektrische Überschläge zwischen den Elektroden zu ver-<br />
hindern. Das Experiment in dieser Arbeit h<strong>at</strong> Werte <strong>von</strong> S eff = 8 mm, L eff = 12 mm<br />
und d = 2r0 = 2 mm. Aufgrund der halbkugelförmigen Enden weichen diese effektiven<br />
Werte <strong>von</strong> S und L geringfügig <strong>von</strong> den mechanischen Werten S mech =<br />
7 mm , L mech = 13 mm ab, siehe hierzu Abb. 2.7.<br />
Betrachtet man die longitudinale Bewegung der Moleküle, d. h. die Bewegung ent-<br />
lang der Strahlachse, so ergibt sich bei eingeschalteter Hochspannung (HV) in z-<br />
Richtung ein Potential mit der Periodizität L + S. Es ist daher sinnvoll, den Werte-<br />
bereich der Koordin<strong>at</strong>e z auf das Intervall [0; L + S] zu beschränken, wobei z = 0<br />
als Mitte der Linse definiert wird. Um die longitudinale Fokussierung in geschalte-<br />
ten Feldern zu beschreiben, greift man auf das Konzept des synchronen Moleküls<br />
zurück [70]: Dieses ist ein hypothetisches Teilchen, welches sich zu den Schaltzeiten<br />
tan und taus in jeder Linse an der gleichen Stelle zan beziehungsweise zaus befindet.<br />
Die Gesamtlänge f := zaus − zan, über welche das synchrone Molekül den Feldern<br />
ausgesetzt ist, bezeichnet man als Fokussierlänge. Hochfeldsucher verlieren beim<br />
Hineinfliegen in die eingeschaltete Linse aufgrund des Stark-Effektes potentielle<br />
Energie, gewinnen den gleichen Energiebetrag jedoch an kinetischer Energie hinzu<br />
und werden beschleunigt. Beim Austritt aus der Linse kehrt sich dieser Prozess um,<br />
und die Moleküle werden wieder abgebremst. Im einfachsten Fall wählt man die<br />
Schaltpunkte des Feldes symmetrisch um z = 0. Das synchrone Molekül wird dann<br />
im gleichen Maß beschleunigt wie es abgebrenst wird, so dass es insgesamt seine<br />
Geschwindigkeit beibehält. Moleküle, die dem synchronen Molekül etwas voraus<br />
(hinterher) sind, befinden sich jedoch beim Einschalten des Feldes bereits weiter in<br />
(vor) der Linse und fliegen deshalb weiter (weniger) aus der Linse heraus, d. h. sie<br />
werden insgesamt abgebremst (beschleunigt). Als Konsequenz ergibt sich eine Fo-<br />
kussierung in longitudinaler Richtung, die als bunching bezeichnet wird. Schaltet<br />
man die Felder asymmetrisch um z = 0, so wird das synchrone Molekül entweder<br />
beschleunigt oder abgebremst. Ein Maß für die Stärke der Abbremsung ist die Posi-<br />
tion d := zaus, an der das Feld ausgeschaltet wird; dabei führen positive Werte <strong>von</strong><br />
d zur Abbremsung. Die kinetische Energie nimmt dabei pro Linse bei gleichbleiben-<br />
der potentieller Energie um den Betrag<br />
∆E kin = E Stark(zaus) − E Stark(zan) (2.27)
2.3 Altern<strong>at</strong>ing Gradient-Prinzip 23<br />
Elektrisches Feld<br />
HV<br />
-HV<br />
Leff<br />
L mech<br />
Seff<br />
Smech<br />
d<br />
d0<br />
Abbremsung<br />
Tieffeldsucher<br />
Abbremsung<br />
Hochfeldsucher<br />
z=0<br />
f<br />
f<br />
d<br />
HV<br />
-HV<br />
Fokussierung<br />
Tieffeldsucher<br />
Abbildung 2.7: Schem<strong>at</strong>ische Darstellung der Abbremsung. Gezeigt ist ein Schnitt<br />
durch zwei Elektrodenpaare in der x − z-Ebene. Die Schaltpunkte für das hoch- und<br />
das tieffeldsuchende synchrone Molekül sind durch senkrechte Striche markiert.<br />
Die schwarzen Linien kennzeichnen die mechanischen und effektiven Werte <strong>von</strong> L<br />
und S.
24 Theoretische Grundlagen<br />
ab. Diese Energiedifferenz kommt dadurch zustande, dass nach dem Einschalten<br />
der Hochspannung zunächst kontinuierlich kinetische Energie in potentielle Ener-<br />
gie umgewandelt wird, welche sich anschließend beim Ausschalten instantan ver-<br />
ringert. Da die zum Aufbau des elektrischen Feldes benötigte Energie genau um die<br />
Differenz der potentiellen Energie größer ist als die Feldenergie beim Ausschalten<br />
der Hochspannung, gewinnt die Spannungsquelle letztlich die Energie, welche den<br />
Molekülen entzogen wird. Das Abbremsen ist schem<strong>at</strong>isch in Abb. 2.7 dargestellt.<br />
Longitudinale Fokussierung wird auch in diesem Fall wieder erreicht, solange man<br />
d und f so wählt, dass zum Zeitpunkt des Ausschaltens das synchrone Molekül die<br />
abfallende Flanke des Feldes noch nicht verlassen h<strong>at</strong>. Um die longitudinale Fokus-<br />
sierung genauer zu untersuchen, geht man <strong>von</strong> einem Koordin<strong>at</strong>ensystem aus, das<br />
sich mit dem synchronen Molekül mitbewegt. In diesem Bild bewegen sich nicht-<br />
synchrone Moleküle in einem endlichen Potentialtopf periodisch um das synchrone<br />
Molekül herum, und es existiert ein stabiler Bereich im z, vz-Phasenraum [64]. Diese<br />
T<strong>at</strong>sache wird auch als Phasenstabilität bezeichnet. Man kann zeigen, dass sich in<br />
harmonischer Näherung des Potentials als Kreisfrequenz der Oszill<strong>at</strong>ion<br />
�<br />
�<br />
1 ∂EStark �<br />
ω =<br />
�<br />
m(S + L) ∂z<br />
� z=zw<br />
(2.28)<br />
ergibt [63], wobei zw der Wendepunkt der potentiellen Energie beim Linsenausgang<br />
ist.<br />
Um Tieffeldsucher abzubremsen, lassen sich die obigen Überlegungen analog über-<br />
tragen. Allerdings müssen die Felder eingeschaltet werden, während das synchrone<br />
Molekül die Linse erreicht, und wieder abgeschaltet, bevor es in der Mitte ankommt<br />
[71]. Die transversale Fokussierung wird dadurch erreicht, dass die Felder noch ein<br />
zweites Mal angeschaltet werden, und zwar im homogenen Bereich symmetrisch<br />
um z = 0 herum. Dieser Vorgang wird durch die Fokussierlänge f innerhalb der<br />
Elektroden, die Abbremslänge d vor den Elektroden und den Vers<strong>at</strong>z d0 der Ab-<br />
bremsstrecke gegenüber der Mitte des Elektrodenpaares charakterisiert. Man beach-<br />
te, dass d für Hoch- und Tieffeldsucher verschiedene Bedeutungen h<strong>at</strong>. Die Schalt-<br />
punkte für das Abbremsen und die Bedeutung der Parameter sind ebenfalls in Abb.<br />
2.7 zu sehen.<br />
Zum Abschluss soll qualit<strong>at</strong>iv auf die Kopplung <strong>von</strong> longitudinaler und trans-<br />
versaler Bewegung eingegangen werden. Für diese gibt es zwei grundlegende Me-<br />
chanismen: Die transversale Akzeptanz ist abhängig <strong>von</strong> κ, S und L, wobei κ ∝ 1/vz<br />
gilt. Mit steigendem κ sinkt die Akzeptanz, mit kleinerem L + S nimmt sie zu. Für<br />
sehr kleine Geschwindigkeiten wird es daher nötig sein, die Anzahl der aufeinan-
2.3 Altern<strong>at</strong>ing Gradient-Prinzip 25<br />
derfolgenden Elektrodenpaare gleicher Richtung zu reduzieren oder sogar kürzere<br />
Elektroden zu verwenden. In dem Geschwindigkeitsbereich, der zurzeit eperimen-<br />
tell zugänglich ist, spielt dieser Effekt jedoch eine untergeordnete Rolle. Der zweite<br />
Mechanismus hängt mit der longitudinalen Oszill<strong>at</strong>ion aus Gl. (2.28) zusammen:<br />
Für bestimmte Wertebereiche <strong>von</strong> ω erscheint den Molekülen die Länge der Linse<br />
stark verlängert oder verkürzt, was zu transversaler Über- bzw. Unterfokussierung<br />
führt. Dieser Effekt ist als parametrische Verstärkung bekannt [72].<br />
Es ist zu beachten, dass die obige Betrachtung quantit<strong>at</strong>iv nur für Moleküle gilt, die<br />
einen rein linearen Stark-Effekt zeigen. Eine quantit<strong>at</strong>ive Beschreibung des AG-Prin-<br />
zips für ein Molekül wie Benzonitril lässt sich nur durch numerische Integr<strong>at</strong>ion der<br />
Bewegungsgleichungen mit dem ebenfalls numerisch berechneten Stark-Effekt (sie-<br />
he Abschnitt 2.1.2) gewinnen. Dies wird mit dem Programmpaket libcoldmol [54]<br />
in einer Monte-Carlo-Simul<strong>at</strong>ion realisiert, in welche die mit dem Programm FEMLAB<br />
berechneten dreidimensionalen elektrischen Felder zuvor importiert wurden. Die<br />
Simul<strong>at</strong>ionen in den Kapiteln 4 und 5 stimmen qualit<strong>at</strong>iv mit den Result<strong>at</strong>en aus<br />
diesem Abschnitt überein.
Kapitel 3<br />
Experimenteller Aufbau<br />
3.1 Abbremsung <strong>von</strong> Molekülen mit einem Modul<br />
Der experimentelle Aufbau des Altern<strong>at</strong>ing Gradient-Abbremsers besteht aus drei<br />
Teilen: Zunächst wird in der Quellkammer in einer Überschallexpansion der Mo-<br />
lekularstrahl erzeugt. Der zweite Teil besteht aus dem eigentlichen Abbremser und<br />
Skimmer<br />
Düse<br />
Detektionslaser<br />
AG-Abbremsmodul<br />
662 mm<br />
Abbildung 3.1: Schem<strong>at</strong>ischer Versuchsaufbau.<br />
PMT<br />
der damit verbundenen Infrastruktur wie den Hochspannungsnetzgeräten und<br />
-schaltern. Die Detektion durch laserinduzierte Fluoreszenz bildet den dritten Teil<br />
des Experiments und beinhaltet einen schmalbandigen, frequenzstabilisierten Ring-<br />
27
28 Experimenteller Aufbau<br />
farbstofflaser (RDL, ring dye laser) sowie eine Photok<strong>at</strong>hode mit nachgeschaltetem<br />
Sekundärelektronenvervielfacher (PMT, photomultiplier tube). Eine schem<strong>at</strong>ische Über-<br />
sicht des Versuchsaufbaus zeigt Abb. 3.1.<br />
3.1.1 Molekularstrahl<br />
Die Erzeugung <strong>von</strong> Molekularstrahlen ist eine Technik, die seit langem verwendet<br />
und beherrscht wird [73]. Das Verfahren beruht darauf, dass es beim adiab<strong>at</strong>ischen<br />
Ausströmen eines Gases durch eine Düse in einen Bereich niedrigeren Druckes zu<br />
einer effizienten Kühlung der internen Freiheitsgrade der Teilchen kommt. Die inne-<br />
re Energie wird dabei fast komplett in die Vorwärtsbewegung umgesetzt. Für einen<br />
hinreichend großen Druckunterschied kommt es nach einem kurzen Bereich, in dem<br />
die Moleküle durch Stöße thermalisieren, zu einer Überschallexpansion. Als Konse-<br />
quenz ergibt sich ein stark kollimierter, schneller Strahl <strong>von</strong> intern und transl<strong>at</strong>o-<br />
risch kalten Molekülen, zwischen denen keine Stöße mehr st<strong>at</strong>tfinden. Im vorlie-<br />
genden Experiment wird ein Edelgas – üblicherweise Xenon – bei niedrigem Druck<br />
(pXe ≈ 0, 7 bar) und bei Raumtemper<strong>at</strong>ur durch ein Gefäß mit flüssigem Benzo-<br />
nitril (Aldrich, 99%) geleitet. Das entstandene Gasgemisch wird mit einer Repeti-<br />
tionsr<strong>at</strong>e <strong>von</strong> 40 Hz durch eine kühlbare Düse (General Valve Series 99) mit einer<br />
Öffnungsgröße <strong>von</strong> 0, 8 mm und einer Öffnungszeit <strong>von</strong> etwa 150 µs in die Quell-<br />
kammer expandiert. Die Position der Düse kann mit Hilfe eines Manipul<strong>at</strong>ors in<br />
allen drei Raumrichtungen verändert werden. Der zentrale Teil der Überschallex-<br />
pansion trifft nach 27 mm auf einen 1, 5 mm großen Skimmer, der den Strahl weiter<br />
kollimiert und als differentielle Pumpstufe dient. Der Druck in der Quellkammer<br />
liegt bei eingeschalteter Düse typischerweise im Bereich <strong>von</strong> 10 −5 mbar, hinter dem<br />
Skimmer bei etwa 10 −7 mbar. Der Skimmer ist derart auf einer beweglichen Pl<strong>at</strong>te<br />
angebracht, dass die Öffnung zwischen Quell- und Abbremskammer <strong>von</strong> außen ge-<br />
schlossen werden kann, um die Quellkammer separ<strong>at</strong> belüften oder abpumpen zu<br />
können [74]. Das Hochvakuum wird durch drei Turbomolekularpumpen erzeugt,<br />
welche an eine durch zwei Hubkolbenpumpen evakuierte Vorvakuumlinie ange-<br />
schlossen sind. Die Quellkammer h<strong>at</strong> eine Länge <strong>von</strong> 480 mm und wie sämtliche<br />
anderen Vakuumkammern auch einen Durchmesser <strong>von</strong> 235 mm. Weitere Details<br />
zum Vakuumsystem finden sich bei Wohlfart [75].<br />
Für das Abbremsen <strong>von</strong> OH-Radikalen muss der oben beschriebene Aufbau leicht<br />
modifiziert werden, da diese nicht chemisch stabil sind. Zunächst wird, wie oben be-<br />
schrieben, ein Gasgemisch aus Xenon und Salpetersäure (Aldrich, 90%) hergestellt<br />
und dann das OH in situ innerhalb der Expansion erzeugt. Dazu dissoziiert man<br />
die Salpetersäure mit einem gepulsten Excimerlaser (NEWEKS PSX-501-2) mit ei-
3.1 Aufbau für ein Modul 29<br />
ner Wellenlänge <strong>von</strong> 193 nm [76], einer Energie pro Puls <strong>von</strong> 3 mJ und einer Energie<br />
pro Puls und Fläche, die ohne Fokussierung etwa 20 mJ/cm 2 beträgt. Der Excimerla-<br />
ser wird mit einer Zylinderlinse auf die Achse des Molekularstrahls fokussiert und<br />
trifft diesen in einer 5 mm langen, UV-durchsichtigen Kapillare direkt hinter der Dü-<br />
se. Die Fläche des Fokus beträgt ungefähr 4 mm 2 , da<strong>von</strong> wird in einem Bereich <strong>von</strong><br />
etwa 1 mm 2 kaltes OH erzeugt. Darüber hinaus wird die Düse bei höherem Edelgas-<br />
druck (pXe ≈ 3, 0 bar) betrieben, da Salpetersäure und OH-Radikale im Gegens<strong>at</strong>z<br />
zu Benzonitril keine relevante Neigung zur Clusterbildung mit Xenon aufweisen.<br />
Die verfügbare Leistung des Excimerlasers und der Druck in der Quellkammer li-<br />
mitieren die Repetitionsr<strong>at</strong>e des gesamten Experimentes auf 20 Hz.<br />
3.1.2 Abbremsmodul<br />
Ein Abbremsmodul besteht aus 27 Elektrodenpaaren bei einer Gesamtlänge <strong>von</strong><br />
533 mm und beginnt 37 mm hinter der Skimmerspitze. Jede Elektrode aus hochpo-<br />
liertem Edelstahl ist L mech = 13 mm lang und h<strong>at</strong> die Form eines Zylinders mit<br />
halbkugelförmigen Enden (siehe Abb. 2.7), wobei der Radius jeweils 3 mm beträgt.<br />
Zur Befestigung der Elektroden dienen vier Edelstahlstäbe mit einem Durchmes-<br />
ser <strong>von</strong> 14 mm, die parallel zur Strahlachse ausgerichtet und mit Löchern im Ab-<br />
stand <strong>von</strong> 2, 5 mm versehen sind. Die Elektroden einer Abbremsstufe sind an diago-<br />
nal gegenüberliegenden Stäben mittels Stahlstiften so aufgesteckt, dass ihr Oberflä-<br />
chenabstand <strong>von</strong>einander 2, 0 mm und der Oberflächenabstand zur nächsten Stufe<br />
S mech = 7 mm beträgt. Die Orientierung der einzelnen Stufen wechselt nach der<br />
ersten Stufe und anschließend jeweils nach drei Stufen, so dass sich gemäß Ab-<br />
schnitt 2.3.3 die Anordnung (FO)((DO) 3 (FO) 3 ) 4 (DOFO) ergibt. Die Stäbe mit<br />
den Elektroden und das gesamte Modul können mit einer Genauigkeit <strong>von</strong> einigen<br />
hundertstel Millimetern justiert werden; Einzelheiten werden in Abschnitt 3.2 be-<br />
schrieben. Das erste Modul ist in Abb. 3.2(a) zu sehen.<br />
Die Vakuumkammer des Abbremsers ist mit 540 mm genauso lang wie das Modul<br />
zuzüglich der Länge S mech, damit eine Erweiterung auf mehrere Module möglich<br />
ist. Alle Stäbe sind mit ihrem eigenen HV-Schalter (Behlke Elektronik HTF-201-03-<br />
GSM) verbunden, jeweils zwei Schalter sind dabei an jeweils einem <strong>von</strong> insgesamt<br />
zwei 500 nF-Kondens<strong>at</strong>oren (FHI ELAB 3409) angeschlossen. Letztere können über<br />
zwei Spannungsquellen (FuG HCK 400-20000) auf bis zu ±20 kV aufgeladen wer-<br />
den. Um Überschläge zwischen den Elektroden auszuschließen, werden im Experi-<br />
ment allerdings Spannungen <strong>von</strong> ±15 kV benutzt. Bei dieser Spannung beträgt die<br />
elektrische Feldstärke auf der Molekularstrahlachse 150 kV/cm. Die Schaltung er-<br />
folgt so, dass die Hochspannung nur an zwei diagonal gegenüberliegenden Stäben
30 Experimenteller Aufbau<br />
(a) Das ursprüngliche Abbremsmodul mit Elektrodenpaaren in Dreieranordnung.<br />
Ebenfalls zu sehen sind die Mikrometerschrauben für die Justage der Stäbe.<br />
(b) Die zwei neuen Abbremsmodule innerhalb der Vakuumkammer. Die Linsen<br />
sind hier paarweise angeordnet.<br />
Abbildung 3.2: Abbremsmodule bei der Justage (a) und in der Kammer (b)
3.1 Aufbau für ein Modul 31<br />
anliegt, während die anderen beiden Stäbe geerdet sind. Die Schalter sind dazu in<br />
der Lage, Spannungspulse mit scharfen Flanken <strong>von</strong> einigen hundert Nanosekun-<br />
den Dauer zu erzeugen. Zusätzlich kann mittels externer Spannungsquellen eine<br />
Biasspannung <strong>von</strong> bis zu 300 V angelegt werden, um sogenannte Majorana-Über-<br />
gänge im feldfreien Raum zu verhindern.<br />
3.1.3 Detektion<br />
Der Nachweis der Moleküle erfolgt durch laserinduzierte Fluoreszenz (LIF). Der<br />
Detektionslaserstrahl wird senkrecht zur Molekularstrahlachse durch die hinter dem<br />
AG-Abbremser liegende Detektionskammer geführt und trifft den Molekularstrahl<br />
65 mm hinter dem Ende des letzten Elektrodenpaars. Dies entspricht einem Abstand<br />
zwischen Düse und Detektion <strong>von</strong> 662 mm. Der Laserstrahl ist am Ort der Detekti-<br />
on näherungsweise parallel mit einem Durchmesser <strong>von</strong> etwa 2, 0 mm. Das Fluores-<br />
zenzlicht wird senkrecht zur Laser- und Molekularstrahlrichtung durch einen Hohl-<br />
spiegel ( f = 250 mm) und eine Bikonvexlinse ( f = 50 mm) gesammelt und auf eine<br />
Photok<strong>at</strong>hode mit nachgeschaltetem Sekundärelektronenvervielfacher (PMT; Elec-<br />
tron Tubes B2F/RFI 98/3) abgebildet. Mit Hilfe des Digitalisierers kann das PMT-<br />
Signal entweder analog oder im Photonenzählmodus ausgewertet werden.<br />
Das Lasersystem besteht aus einem Dauerstrich-Ringfarbstofflaser (modifizierter<br />
Coherent 899-21) mit Rhodamin 110 (Radient Dyes) als Farbstoff, der durch einen<br />
Argon-Ionen-Laser (Coherent Innova Sabre) bei 514, 5 nm gepumpt wird [77]. Zur<br />
Frequenzstabilisierung im Bereich hoher Frequenzen dient eine interne Regelung<br />
des RDL. In einem zweiten Schritt wird die Differenz zwischen der Laserfrequenz<br />
des RDL und der Frequenz eines stabilisierten Helium-Neon-Lasers durch einen<br />
externen PID-Regler gesteuert, um niederfrequente Störungen im Bereich <strong>von</strong> etwa<br />
10 − 50 Hz zu eliminieren [53]. Zur Erzeugung der für die laserinduzierte Fluores-<br />
zenz benötigten Wellenlängen im UV-Bereich wird die Frequenz mit einem BBO-<br />
Kristall (Spectra Physics Wavetrain) verdoppelt. Die Wellenlänge des RDL wird<br />
grob durch ein Wellenlängenmeter mit einer Genauigkeit <strong>von</strong> 700 MHz gemessen<br />
und kann durch Vergleich des gemessenen Absorptionsspektrums einer Iod-Zelle<br />
mit bekannten Iodspektren auf etwa 200 MHz genau bestimmt werden. Der so sta-<br />
bilisierte RDL h<strong>at</strong> auf einer Zeitskala <strong>von</strong> wenigen Stunden eine Linienbreite <strong>von</strong><br />
3, 5 MHz im sichtbaren Bereich und kann sowohl zur Spektroskopie als auch zur<br />
selektiven Detektion einzelner Rot<strong>at</strong>ionszustände verwendet werden. Die Leistung<br />
des RDL beträgt etwa 500 mW bei einer Pumpleistung des Argon-Ionen-Lasers <strong>von</strong><br />
5 W, woraus UV-Leistungen <strong>von</strong> etwa 40 mW bei 274 nm (Benzonitril) und 20 mW<br />
bei 282 nm (OH) resultieren. Der Leistungsunterschied ergibt sich daraus, dass der
32 Experimenteller Aufbau<br />
BBO-Kristall für die Frequenzverdopplung <strong>von</strong> Licht der doppelten Detektionswel-<br />
lenlänge <strong>von</strong> Benzonitril optimiert ist. Der Farbstoff Rhodamin 110 deckt sowohl die<br />
Wellenlänge 547 nm für Benzonitril als auch 564 nm für die beiden OH-Zustände ab.<br />
3.1.4 Elektronik und Messsoftware<br />
Die Aufnahme der Messd<strong>at</strong>en und die Ansteuerung der einzelnen Geräte geschieht<br />
mit der am Fritz-Haber-Institut entwickelten Software KouDA. Über diese wird der<br />
Digitalisierer (Acqiris DC400), die Frequenz des RDL und der Verzögerungsgenera-<br />
tor (FHI ELAB DG 3008) kontrolliert, welcher die Düse, den Excimerlaser (nur für<br />
OH) und über einen Pulssequenzgener<strong>at</strong>or (FHI ELAB BU 1708) die Hochspan-<br />
nungsschalter triggert. Das Signal des PMT wird über den Digitalisierer wahlweise<br />
analog oder im zeitaufgelösten Photonenzählmodus in KouDA eingelesen.<br />
3.2 Erweiterung des Abbremsers auf zwei Module<br />
Mit einem Abbremsmodul ist es gelungen, die Abbremsung <strong>von</strong> OH in hoch- und<br />
tieffeldsuchenden Zuständen sowie <strong>von</strong> Benzonitril in verschiedenen Quantenzu-<br />
ständen zu demonstrieren (siehe Kapitel 4 und 5). Um hochfeldsuchende Molekü-<br />
le zum Stillstand zu bringen, ist es jedoch nötig, den Abbremser auf mindestens<br />
drei Module zu verlängern. Im Rahmen dieser Arbeit wurde die Verlängerung auf<br />
zwei Module vorgenommen. Ausführliche Simul<strong>at</strong>ionen unter Einbeziehung der<br />
Erkenntnisse aus Messungen an einem Modul zeigen, dass es für einen langen Ab-<br />
bremser vorteilhaft ist, die Richtung der Elektrodenpaare nach jeder zweiten st<strong>at</strong>t je-<br />
der dritten Linse zu ändern [75], so dass der neue Abbremser die Linsenanordnung<br />
(FO)((DO) 2 (FO) 2 ) 13 (DO) h<strong>at</strong>. Deshalb ist es erforderlich gewesen, das erste Modul<br />
ebenfalls auszutauschen.<br />
Zunächst werden die Elektroden mit je zwei Stahlstiften auf jeden separ<strong>at</strong>en Be-<br />
festigungsstab gesteckt. Der Abstand vom Stab kann dabei auf ±0, 01 mm genau<br />
justiert werden. Die vier Stäbe werden anschließend über isolierende Keramiken<br />
und bewegliche Pl<strong>at</strong>ten an einem Stahlrahmen befestigt. Die Justage der Stangen<br />
rel<strong>at</strong>iv zueinander erfolgt durch Mikrometerschrauben, mit welchen die Pl<strong>at</strong>ten,<br />
bezogen auf den Rahmen, in zwei Raumrichtungen bewegt werden können. Die<br />
Justage der dritten Richtung erfolgt durch Vergrößerung des Abstands zwischen<br />
Pl<strong>at</strong>ten und Rahmen durch Metallfolie. Die t<strong>at</strong>sächlichen Abstände der Elektro-<br />
den <strong>von</strong>einander müssen dabei einzeln durch Endmaße der gewünschten Länge<br />
kontrolliert werden. Dieses Verfahren lässt prinzipiell eine Justagegenauigkeit <strong>von</strong><br />
±0, 01 mm in den Elektrodenabständen eines einzelnen Paares und <strong>von</strong> ±0, 02 mm
3.2 Erweiterung auf zwei Module 33<br />
im gemittelten Abstand über alle Elektroden zu. Als wichtige Fehlerquelle muss<br />
die Maschinengenauigkeit der einzelnen Bauteile berücksichtigt werden. Die Bie-<br />
gung der Befestigungsstäbe verursacht einen transversalen Fehler im Abstand der<br />
Elektroden eines Paares <strong>von</strong> maximal ±0, 05 mm. Fehler in den Abständen und der<br />
Richtung der Löcher verursachen weiterhin eine Schiefstellung einzelner Elektro-<br />
den und fehlerbehaftete Abstände in Richtung der Strahlachse. Die Justage der Stä-<br />
be in diese Richtung erfolgt daher so, dass der durchschnittliche Vers<strong>at</strong>z innerhalb<br />
einzelner Elektrodenpaare minimal wird. Gemittelt über beide neuen Module ergibt<br />
sich dafür ein Wert <strong>von</strong> 0, 07 mm und ein mittlerer Abstand zweier Abbremsstufen<br />
<strong>von</strong> (7, 01 ± 0, 06) mm. Für das alte Abbremsmodul lässt sich durch grobe Messun-<br />
gen eine Abweichung der Elektrodenpositionen senkrecht zur Strahlachse <strong>von</strong> etwa<br />
±0, 1 mm und eine longitudinale Abweichung <strong>von</strong> ±0, 1 mm bestimmen. Es liegen<br />
also insgesamt geringfügig schlechtere Werte als für die beiden neuen Module vor.<br />
In Abb. 3.2(b) werden die beiden neuen Module fertig eingebaut in der Vakuum-<br />
kammer gezeigt.<br />
Der zweite Schritt der Verlängerung besteht in dem Einbau der beiden Module<br />
Abbildung 3.3: Justage des Moduls in der Vakuumkammer. Über seitliche Mikro-<br />
meterschrauben wird der Fuß auf der Bronzepl<strong>at</strong>te verschoben, mit den unteren<br />
Schrauben lässt sich die Höhe der Pl<strong>at</strong>te verstellen.<br />
in die Vakuumkammer und der anschließenden Justage rel<strong>at</strong>iv zur Mittelachse der<br />
Appar<strong>at</strong>ur. Das wichtigste Hilfsmittel hierfür ist ein Theodolit, dessen optische Ach-<br />
se mittels zweier Spiegel mit der Mittelachse der Appar<strong>at</strong>ur zur Deckung gebracht<br />
wird. Auf diese Achse werden dann die beiden Module, der Skimmer und die Düse
34 Experimenteller Aufbau<br />
justiert. Zu diesem Zweck können die zwei Aluminium-Füße jedes Modulrahmens<br />
auf Bronzepl<strong>at</strong>ten mit Mikrometerschrauben in zwei Richtungen seitlich verscho-<br />
ben werden. Die Höhe der Bronzepl<strong>at</strong>ten rel<strong>at</strong>iv zur Kammer kann ebenfalls über<br />
je vier Mikrometerschrauben angepasst werden. Diese Konstruktion ist in Abb. 3.3<br />
gezeigt. Da für die Justage mittels des Theodoliten kreisförmige Öffnungen benötigt<br />
werden, werden auf die Elektrodenpaare des Abbremsers Justagestücke aus Bronze<br />
aufgesteckt. Diese haben passende Aussparungen für die beiden Elektroden einer<br />
Stufe und ein zentrisches Loch mit einem Durchmesser <strong>von</strong> 0, 80 ± 0, 01 mm. Die<br />
Ungenauigkeit der Justagestücke liegt zwar bei ±0, 05 mm, ist jedoch für die Aus-<br />
richtung der Module zueinander vernachlässigbar, da die Stücke untereinander auf<br />
0, 01 mm genau identisch sind und lediglich eine rel<strong>at</strong>ive Achse festgelegt werden<br />
muss. In Bezug auf den Skimmer muss dieser Fehler allerdings berücksichtigt wer-<br />
den. Die Achse des Abbremsers lässt sich innerhalb jeder Stufe somit auf die Able-<br />
segenauigkeit des Theodoliten <strong>von</strong> ±0, 05 mm genau bestimmen. Unterschiedliche<br />
transversale Positionen der einzelnen Elektrodenpaare lassen sich dadurch kom-<br />
pensieren, dass die Position mehrerer Paare rel<strong>at</strong>iv zur Achse bestimmt wird und<br />
zur endgültigen Justage zwei Stufen nahe dem Mittelwert verwendet werden.<br />
Die Justage des Abstandes zwischen den beiden Modulen erfolgt durch Einpassen<br />
eines Bronzezylinders mit einer Dicke <strong>von</strong> 7, 01 ± 0, 01 mm mit einer endgültigen<br />
Genauigkeit <strong>von</strong> +0, 03 mm, die kleiner ist als der normale longitudinale Fehler. Der<br />
Abstand des ersten Moduls zum Skimmer ist nicht kritisch, da er über die Zeitver-<br />
zögerung der HV-Schalter kompensiert werden kann. Der Abstand der Düse vom<br />
Skimmer kann während des Experiments auf maximales Signal optimiert werden.<br />
Ein sofortiger Betrieb der Module mit einer Hochspannung <strong>von</strong> ±15 kV ist nicht<br />
möglich, da es aufgrund <strong>von</strong> Unebenheiten und Verunreinigungen der Oberflächen<br />
zu großen elektrischen Überschlägen kommen könnte, welche die Elektroden be-<br />
schädigen würden. Aus diesem Grund ist es nötig, den Abbremser vor dem Eins<strong>at</strong>z<br />
zu konditionieren, d. h. die Spannung schrittweise auf ±19, 5 kV zu erhöhen. Die-<br />
ser Vorgang dauert etwa 15 Stunden und muss zweimal durchgeführt werden, da<br />
jeweils nur diagonal gegenüberliegende Elektroden unter Hochspannung stehen.
Kapitel 4<br />
AG-Abbremsung <strong>von</strong> Benzonitril<br />
4.1 Detektion <strong>von</strong> Benzonitril<br />
Die Detektion <strong>von</strong> Benzonitril (BN) erfolgt mittels laserinduzierter Fluoreszenz sei-<br />
nes elektronischen S1 ← S0 Anregungsspektrums. Das Spektrum wurde außer-<br />
dem mit dem Programm pgopher [78] unter Verwendung der bekannten Molekül-<br />
konstanten [47] simuliert. In Abb. 4.1 sind das simulierte und das gemessene Spek-<br />
Intensität in willkürlichen Einheiten<br />
1 01 → 1 10<br />
4 04 → 4 13<br />
4 4,5 5 5,5 6 6,5 7<br />
Frequenz in GHz<br />
Abbildung 4.1: Gemessenes (oben) und simuliertes (unten) Spektrum des S1 ← S0-<br />
Übergangs <strong>von</strong> Benzonitril [79]. Frequenzen sind rel<strong>at</strong>iv zum theoretischen Ur-<br />
sprung des Übergangs S1, v = 0, JKaKc = 000 ←− S0, v = 0, JKaKc = 000 bei<br />
ν = 36512.74 cm −1 angegeben [80]. Das simulierte Spektrum wurde mit Trot = 3, 5 K<br />
und den Konstanten aus Referenz [47] berechnet.<br />
trum im experimentell relevanten Bereich gezeigt. Die im Experiment untersuch-<br />
ten Zustände sind gekennzeichnet. Das experimentelle Spektrum ist in zwei Teilen<br />
35<br />
0 00 → 1 11<br />
6 06 → 6 15
36 Altern<strong>at</strong>ing Gradient-Abbremsung <strong>von</strong> Benzonitril<br />
Intensität in willkürlichen Einheiten<br />
d = 2,5mm<br />
f = 5,0mm<br />
1,8 2 2,2 2,4<br />
TOF in ms<br />
d = 2,5mm<br />
f = 5,0mm<br />
1,8 2 2,2 2,4<br />
TOF in ms<br />
Abbildung 4.2: Analyse des TOF-Profils <strong>von</strong> BN. Links ist das ursprüngliche TOF-<br />
Profil für den Freiflug (schwarz), zusammen mit einer angepassten Gaußkurve (rot),<br />
und für optimales guiding (blau, vsyn = 320 m/s, d = 2, 5 mm, f = 5, 0 mm) gezeigt.<br />
Auf der rechten Seite wurde die Gaußkurve <strong>von</strong> den D<strong>at</strong>en abgezogen, die Freiflug-<br />
kurve repräsentiert dann die Residuen der Ausgleichsrechnung. Die hellen Kurven<br />
unter den experimentellen D<strong>at</strong>en sind skalierte Simul<strong>at</strong>ionen. Der Maßstab ist auf<br />
beiden Seiten gleich gewählt.<br />
aufgenommen worden, deren absolute Frequenz jeweils passend zu den Linienpo-<br />
sitionen der Simul<strong>at</strong>ion gewählt wurde. Experiment und Simul<strong>at</strong>ion stimmen gut<br />
überein. Die Linien haben ein Voigt-Profil mit einem Lorentz-Anteil aufgrund der<br />
n<strong>at</strong>ürlichen Lebensdauer <strong>von</strong> 8 MHz und einem Gauß-Anteil, der die Dopplerver-<br />
breiterung, Laserlinienbreite und Flugzeitverbreiterung beinhaltet, <strong>von</strong> 7, 5 MHz.<br />
Die daraus resultierende Linienbreite <strong>von</strong> 13 MHz ermöglicht eine volle Auflösung<br />
der Rot<strong>at</strong>ionsstruktur. Aus den rel<strong>at</strong>iven Linienintensitäten ergibt sich eine Rot<strong>at</strong>i-<br />
onstemper<strong>at</strong>ur <strong>von</strong> Trot = 3, 5 K. Die Detektion geschieht im feldfreien Raum, da-<br />
her werden sämtliche M-Zustände eines Rot<strong>at</strong>ionszustandes nachgewiesen. Für den<br />
Nachweis eines JKaKc -Zustandes wird die Laserfrequenz auf dem entsprechenden<br />
Übergang konstant gehalten.<br />
4.2 Abbremsung des Grundzustandes<br />
Der absolute Grundzustand <strong>von</strong> Benzonitril, JKaKc M = 0000, weist <strong>von</strong> allen Zu-<br />
ständen das größte effektive Dipolmoment bei relevanten Feldstärken auf und lässt<br />
sich daher am besten abbremsen. Da es nur einen einzigen M-Zustand gibt und so-<br />
mit im feldfreien Fall keine Übergänge zwischen entarteten Energieniveaus existie-
4.2 Abbremsung des Grundzustandes 37<br />
Intensität in willkürlichen Einheiten<br />
0,20 mm<br />
0,15 mm<br />
0,10 mm<br />
0,05 mm<br />
1,6 1,8 2 2,2<br />
0,00 mm<br />
2,4<br />
TOF in ms<br />
Abbildung 4.3: Auswirkung einer Fehl-<br />
stellung der Elektrodenpaare auf guiding-<br />
Simul<strong>at</strong>ionen. Der rechts angegebene Wert<br />
∆r ist die Standardabweichung der Nor-<br />
malverteilung, nach welcher die Stufen<br />
in x-, y-, und z-Richtung parallel versetzt<br />
wurden.<br />
ren, kann auf das Anlegen einer Biasspannung verzichtet werden (siehe Abschnitt<br />
3.1.2, S. 29). Zur Auswertung der experimentellen D<strong>at</strong>en wird in einem Flugzeit-<br />
profil (TOF-Profil) die Intensität gegen die Flugzeit <strong>von</strong> der Düse bis zur Detek-<br />
tion aufgetragen. Abb. 4.2 zeigt links ein Flugzeitprofil für einen reinen Freiflug<br />
(schwarz), also ohne angelegte Hochspannung, und für optimale longitudinale Fo-<br />
kussierung (blau) ohne Abbremsung (guiding). Aus Gründen der Anschaulichkeit<br />
werden in diesem Kapitel die TOF-Profile <strong>von</strong> BN immer abzüglich einer an den<br />
Freiflug angepassten Gaußkurve (rot) unter sonst identischen Bedingungen dar-<br />
gestellt, wie in Abb. 4.2 rechts zu sehen ist. Die aus der Subtraktion resultierende<br />
Freiflugkurve repräsentiert die Residuen der Ausgleichsrechnung. Diese haben für<br />
sämtliche in diesem Kapitel gezeigten Ergebnisse die gleiche Größenordnung und<br />
werden daher im Folgenden nicht mehr aufgeführt. Die rechts ebenfalls dargestell-<br />
ten Simul<strong>at</strong>ionen für beide Kurven wurden nach dem gleichen Verfahren bearbeitet<br />
und anschließend mit dem Faktor 1/17 skaliert. Diese Diskrepanz zwischen simu-<br />
liertem und experimentellem Verhältnis <strong>von</strong> guiding- zu Freiflugintensität lässt sich<br />
durch eine Fehlstellung der Elektrodenpaare erklären (siehe Abschnitt 2.3.3). Der<br />
Einfluss einer solchen Fehlstellung ist in Abb. 4.3 exemplarisch für die Simul<strong>at</strong>ion<br />
des optimalen guidings aus Abb. 4.2 gezeigt. In den Simul<strong>at</strong>ionen wurden sämtliche
38 Altern<strong>at</strong>ing Gradient-Abbremsung <strong>von</strong> Benzonitril<br />
Stufen normalverteilt in alle drei Raumrichtungen parallel versetzt, wobei der an-<br />
gegebene Wert ∆r die Standardabweichung der Verteilung angibt. Für ∆r = 0, 1 mm<br />
nimmt das Signal um einen Faktor 10, für ∆r = 0, 15 mm um den Faktor 20 ab. Da<br />
nur ein Parallelvers<strong>at</strong>z berücksichtigt wird, wird in der Simul<strong>at</strong>ion wahrscheinlich<br />
die Auswirkung <strong>von</strong> Fehlstellungen unterschätzt, so dass der experimentell beob-<br />
achtete Faktor 17 auf eine Fehlstellung der Größenordnung 0, 1 mm schließen lässt.<br />
Die Simul<strong>at</strong>ionen unter Berücksichtigung der Fehlstellung sind sehr rechenzeitin-<br />
tensiv. Deswegen wird im Folgenden auf sie verzichtet und st<strong>at</strong>tdessen die skalierte<br />
Simul<strong>at</strong>ion ohne Fehlstellung gezeigt, welche die Auswirkungen der Fehlstellung<br />
näherungsweise beschreibt. Simul<strong>at</strong>ionen werden im Folgenden als hellere Kurven<br />
gleicher Farbe unterhalb der jeweiligen Messung gezeigt. Auf die Darstellung der<br />
Residuen der Ausgleichsrechnung für die Simul<strong>at</strong>ion wird im Folgenden verzichtet,<br />
da sie vernachlässigbar klein sind (siehe Abb. 4.2).<br />
In Abb. 4.4 sind TOF-Profile für das guiding <strong>von</strong> Benzonitril mit verschiedenen Wer-<br />
ten der Fokussierlänge f zu sehen. Die Zeitsequenzen wurden für eine Geschwin-<br />
digkeit des synchronen Moleküls <strong>von</strong> vsyn = 320 m/s berechnet, was annähernd<br />
der mittleren Strahlgeschwindigkeit ¯vz entspricht. Man erkennt, dass sich ausge-<br />
hend <strong>von</strong> f = 2, 0 mm zunächst drei Peaks entwickeln, <strong>von</strong> denen der mittlere bei<br />
t = 2, 07 s dem synchronen Peak entspricht, d. h. dem Molekülpaket, das longitu-<br />
dinal um das synchrone Molekül herum fokussiert wurde. Die Intensität zwischen<br />
den Peaks ist geringer als im Freiflug, was ein Indiz dafür ist, dass Moleküle aus<br />
diesem Bereich heraus in die akzeptierten Pakete gedrängt werden. Seine maximale<br />
Intensität erreicht der Peak bei einer Fokussierlänge <strong>von</strong> f = 5, 0 mm. Mit zuneh-<br />
mendem f wird der synchrone Peak überfokussiert, während die beiden Seiten-<br />
peaks zunächst weiter wachsen, bis schließlich alle Peaks verschwinden und das<br />
Signal insgesamt unter das Freiflugniveau abfällt. Die beiden äußeren Peaks ent-<br />
sprechen Molekülen, die sich beim Eintritt in den Abbremser ein Elektrodenpaar<br />
vor oder nach dem synchronen Molekül befinden, jedoch die gleiche Anfangsge-<br />
schwindigkeit haben wie dieses. Für Moleküle aus diesen beiden Peaks steht jedes<br />
dritte Elektrodenpaar nicht unter Hochspannung, da diese immer entweder an al-<br />
len F-Linsen oder an allen D-Linsen anliegt. Sie erfahren daher nur zwei Drittel der<br />
fokussierenden und defokussierenden Kräfte. Bei Werten <strong>von</strong> f ≈ 7 mm kann die<br />
geringere Fokussierstärke durch die größere Fokussierlänge teilweise kompensiert<br />
werden, so dass in diesem Bereich die beiden nicht synchronen Peaks das TOF-Pro-<br />
fil dominieren. Simul<strong>at</strong>ionen ergeben Übereinstimmung mit dem Experiment für<br />
Werte <strong>von</strong> ¯vz = 323 m/s für die mittlere Strahlgeschwindigkeit, ∆ ¯vz = 30 m/s und<br />
∆ ¯vx = ∆ ¯vy = 20 m/s für die longitudinale bzw. transversale Geschwindigkeits-<br />
breite der gaußförmigen Geschwindigkeitsverteilung und ∆t0 = 150 µs als zeitliche
4.2 Abbremsung des Grundzustandes 39<br />
Intensität in willkürlichen Einheiten<br />
1,8 1,9 2 2,1 2,2 2,3<br />
TOF in ms<br />
8,0<br />
7,0<br />
6,0<br />
5,0<br />
4,0<br />
2,0<br />
Abbildung 4.4: Gemes-<br />
senes und simuliertes<br />
guiding <strong>von</strong> Benzonitril<br />
mit vsyn = 320 m/s<br />
für verschiedene Werte<br />
<strong>von</strong> f (rechts in mm an-<br />
gegeben). Als optimaler<br />
Wert ergibt sich f =<br />
5, 0 mm.
40 Altern<strong>at</strong>ing Gradient-Abbremsung <strong>von</strong> Benzonitril<br />
Anfangsbreite des Pulses.<br />
Simul<strong>at</strong>ionen und Messungen der Abbremsung des Grundzustands <strong>von</strong> Benzonitril<br />
sind in Abb. 4.5 gezeigt. Für d-Werte zwischen f = 4, 0 mm und f = 5, 5 mm und ei-<br />
ner Anfangsgeschwindigkeit des synchronen Moleküls <strong>von</strong> v0,syn = 320 m/s wurde<br />
jeweils die Fokussierlänge optimiert, die unterste Kurve zeigt zum Vergleich reines<br />
guiding mit f = 5, 0 mm. Der synchrone Peak verschiebt sich mit zunehmendem<br />
d in Richtung späterer Ankunftszeiten, gleichbedeutend mit einer kleineren End-<br />
geschwindigkeit, die jeweils unterhalb der experimentellen Kurve vermerkt ist. Mit<br />
größerem d nimmt die Intensität des synchronen Peaks immer schneller ab, was auf-<br />
grund der stark defokussierenden Kräfte am Ausgang der Linse auch zu erwarten<br />
ist (siehe Abb. 2.6). Für d = 5, 5 mm, entsprechend einer Endgeschwindigkeit <strong>von</strong><br />
275 m/s, ist der Peak gerade noch auszumachen, verschwindet aber bei noch höhe-<br />
rem d vollkommen. Der Geschwindigkeitsunterschied ist gleichbedeutend mit einer<br />
Änderung der kinetischen Energie um 28%. Es ist zu beachten, dass die Fokussier-<br />
länge f kleinere optimale Werte anninmt, wenn die Moleküle langsamer werden,<br />
da sich diese längere Zeit innnerhalb der Linsen befinden und sich bei gleichem f<br />
die effektive Fokussierung vergrößert. Dieser Effekt ließe sich am besten durch eine<br />
variable Fokussierlänge kompensieren, die sich für jedes Elektrodenpaar verringert.<br />
Entsprechende Messungen haben jedoch, vermutlich aufgrund der insgesamt gerin-<br />
gen Geschwindigkeitsänderung, keine signifikante Verbesserung ergeben.<br />
Die Intensität der beiden nicht synchronen Molekülpakete nimmt wesentlich schnel-<br />
ler ab als die Intensität des synchronen Molekülpaketes. Aufgrund der oben be-<br />
schriebenen schlechteren longitudinalen Fokussierung ist ihre Phasenraumvertei-<br />
lung wesentlich breiter, so dass im inhomogenen Feld wesentlich mehr Moleküle<br />
eine ungünstige Defokussierung erfahren und verloren gehen. Die beiden nicht syn-<br />
chronen Peaks sind somit nicht phasenstabil im Sinne <strong>von</strong> Abschnitt 2.3.3 und soll-<br />
ten daher für einen sehr langen Abbremser verschwinden. Die Simul<strong>at</strong>ionen stim-<br />
men auch in diesem Fall gut mit dem Experiment überein, wenn ähnliche Parameter<br />
wie für die guiding-Simul<strong>at</strong>ionen gewählt werden.<br />
In Abb. 4.6 ist die Situ<strong>at</strong>ion für die Abbremsung der Moleküle zu verschiedenen<br />
Zeitpunkten im z, vz-Phasenraum dargestellt. Hierfür wurden die gleichen Simula-<br />
tionen verwendet wie in Abb. 4.5. Jeder Punkt repräsentiert die Position eines ein-<br />
zelnen Moleküls in dem Moment, in dem sich das synchrone Molekül am Einschalt-<br />
punkt der Hochspannung der Stufen 1, 9, 15, 21 bzw. 27 befindet. Mit zunehmender<br />
Zeit verringert sich die Anzahl der Moleküle, da Teilchen auf metastabilen Trajek-<br />
torien defokussiert werden. In longitudinaler Richtung sammeln die Moleküle sich<br />
zunehmend in drei Paketen. In den letzten beiden Einstellungen ist zu erkennen,<br />
wie sich aus dem mittleren Paket allmählich die Moleküle um das synchrone Mole-
4.2 Abbremsung des Grundzustandes 41<br />
Intensität in willkürlichen Einheiten<br />
275 m/s<br />
282 m/s<br />
289 m/s<br />
295 m/s<br />
302 m/s<br />
307 m/s<br />
320 m/s<br />
4,75 / 4,75<br />
4,25 / 4,75<br />
1,8 1,9 2 2,1 2,2 2,3<br />
TOF in ms<br />
5,5 / 4,5<br />
5,25 / 4,5<br />
5,0 / 4,75<br />
4,5 / 4,75<br />
2,5 / 5,0<br />
Abbildung 4.5: Ab-<br />
bremsmessungen<br />
und -simul<strong>at</strong>ionen<br />
des Grundzustandes<br />
<strong>von</strong> BN für ver-<br />
schiedene Werte des<br />
Abbremspunktes d.<br />
Der f -Wert wurde<br />
jeweils optimiert. Die<br />
Endgeschwindigkeit ist<br />
links angegeben und<br />
das Wertepaar d (mm)<br />
/ f (mm) rechts.
42 Altern<strong>at</strong>ing Gradient-Abbremsung <strong>von</strong> Benzonitril<br />
vz in m/s<br />
400<br />
350<br />
300<br />
250<br />
0 0,2 0,4<br />
z in m<br />
0,6<br />
Abbildung 4.6: vz, z-Phasenraumverteilung für das Abbremsen <strong>von</strong> BN im Grund-<br />
zustand <strong>von</strong> 320 m/s auf 282 m/s zu festen Zeitpunkten. Das synchrone Molekül<br />
befindet sich am Anschaltpunkt der 1. (schwarz), 9. (blau), 15. (orange), 21. (grün)<br />
bzw. 27. (rot) Stufe. Das rote bzw. schwarze Pluszeichen markiert die Position des<br />
synchronen Moleküls.<br />
kül herum vom Rest der Moleküle in Richtung kleinerer Geschwindigkeiten trennen<br />
und das Ursprungspaket verlassen (siehe Abb. 4.5).<br />
In vergleichbaren Experimenten wurde bisher das mit m = 103 u ebenfalls schwe-<br />
re Molekül YbF mit einem zwölfstufigen AG-Abbremser <strong>von</strong> anfänglich 287 m/s auf<br />
276 m/s abgebremst [43], was etwa der gleichen Endgeschwindigkeit entspricht wie<br />
beim Abbremsen <strong>von</strong> Benzonitril im Grundzustand. Die Abnahme der kinetischen<br />
Energie betrug in diesem Experiment 0, 6% pro Stufe, verglichen mit 1% pro Stufe<br />
für Benzonitril im Grundzustand.<br />
4.3 Abbremsung höherer Rot<strong>at</strong>ionsniveaus<br />
Neben dem Grundzustand sind insbesondere die drei Zustände mit<br />
JKaKc = 101, 404, 606 zur Manipul<strong>at</strong>ion im AG-Abbremser geeignet, da sie bei rele-<br />
vanten Feldstärken das größte effektive Dipolmoment ihres jeweiligen J-Zustandes<br />
aufweisen. Da diese Zustände jedoch über jeweils (J + 1) M-Komponenten mit un-<br />
terschiedlichem Stark-Effekt verfügen, erweisen sich das guiding und das Abbrem-<br />
sen schwieriger als für den Grundzustand. Ein grundsätzliches Problem stellen die<br />
zahlreichen vermiedenen Kreuzungen dar, welche für sämtliche höheren Zustän-
4.3 Abbremsung höherer Rot<strong>at</strong>ionsniveaus 43<br />
Intensität in willkürlichen Einheiten<br />
1,8 1,9 2 2,1 2,2 2,3<br />
TOF in ms<br />
(a) 101-Zustand<br />
10,0<br />
8,0<br />
7,5<br />
6,0<br />
5,5<br />
3,0<br />
1,5<br />
1,8 1,9 2 2,1 2,2 2,3<br />
TOF in ms<br />
(b) 404-Zustand<br />
12,0<br />
10,0<br />
8,0<br />
6,0<br />
5,5<br />
4,0<br />
3,0<br />
1,8 1,9 2 2,1 2,2 2,3<br />
TOF in ms<br />
(c) 606-Zustand<br />
Abbildung 4.7: Messungen und Simul<strong>at</strong>ionen zum guiding <strong>von</strong> höheren Rot<strong>at</strong>ions-<br />
zuständen <strong>von</strong> Benzonitril. Am Rand ist jeweils der Wert <strong>von</strong> f in mm angegeben.<br />
de bei niedrigen Feldstärken auftreten, wie in Abb. 2.2 zu sehen ist. Es ist nicht<br />
<strong>von</strong> vornherein klar, ob Moleküle diese Kreuzungen adiab<strong>at</strong>isch durchlaufen, d. h.<br />
auf der gleichen Starkkurve und damit im gleichen Quantenzustand, oder diaba-<br />
tisch, indem sie in den kreuzenden Quantenzustand gleicher Symmetrie wechseln.<br />
Im letztgenannten Fall befinden sich die Moleküle anschließend in einem anderen<br />
JKaKc -Zustand und können daher nicht mehr bei der gleichen Frequenz detektiert<br />
werden. Adiab<strong>at</strong>isch durchlaufene Kreuzungen ziehen daher im Experiment eine<br />
geringere Intensität des ursprünglichen JKaKc -Zustands nach sich.<br />
Beim guiding äußert sich die Präsenz verschiedener M-Zustände in einer wesent-<br />
lich schwächeren Abhängigkeit vom Parameter f , da für jeden M-Zustand ein an-<br />
derer Wert der Fokussierlänge optimal ist, die Detektion jedoch nicht M-selektiv<br />
erfolgt. In Abb. 4.7 sind guiding-Messungen für die drei genannten Zustände ge-<br />
zeigt. An dieser Stelle ist zu beachten, dass die Zeitsequenzen unabhängig vom<br />
M-Zustand sind, da sich die Geschwindigkeit des synchronen Moleküls nicht än-<br />
dert. Wie erwartet ist der optimale Wert der Fokussierlänge umso größer, je mehr<br />
unpolare M-Zustände existieren (siehe Abb. 2.2). Für den 101-Zustand ergibt sich<br />
als bester Wert f = 5, 5 mm, für den 404- und 606-Zustand erhält man f = 6, 0 mm<br />
11,0<br />
10,0<br />
9,0<br />
8,0<br />
7,0<br />
6,0<br />
5,0
44 Altern<strong>at</strong>ing Gradient-Abbremsung <strong>von</strong> Benzonitril<br />
bzw. f = 7, 0 mm. Jedoch variiert das Flugzeitprofil besonders des 606-Zustands<br />
über einen großen Bereich <strong>von</strong> f nur minimal, was auf die zahlreichen M-Zustände<br />
mit unterschiedlichem µ eff zurückzuführen ist. Beim 101-Zustand ist die Intensität<br />
im Bereich der Peaks im Vergleich zum Freiflug system<strong>at</strong>isch zu klein, da dieser<br />
Zustand bei der angelegten Biasspannung <strong>von</strong> 200 V st<strong>at</strong>isch defokussiert wird, so<br />
dass bereits ohne Hochspannung die Transmission im Vergleich zum Freiflug sinkt.<br />
Die Biasspannung führt jedoch zu einem größeren Kontrast zwischen Molekülen<br />
im guiding-Peak und dem Freiflug-Untergrund. In der Simul<strong>at</strong>ion ist der Effekt der<br />
Biasspannung im Allgemeinen nicht berücksichtigt. Beim 606-Zustand liegt keine<br />
Biasspannung an, für den 404-Zustand beträgt sie 300 V. Da diese beiden Zustände<br />
im Durchschnitt wesentlich unpolarer sind, ist auch die st<strong>at</strong>ische Defokussierung<br />
geringer. Aufgrund des uneinheitlichen Verhaltens <strong>von</strong> µ eff(E) bei kleinen Feldstär-<br />
ken (vergleiche Abb. 2.2) lässt sich aber keine allgemeingültige Aussage über den<br />
Einfluss der Biasspannung treffen. Die Simul<strong>at</strong>ionen stimmen auch für die höhe-<br />
ren Zustände gut mit dem Experiment überein, allerdings scheint die Simul<strong>at</strong>ion<br />
system<strong>at</strong>isch kleinere Werte für die optimale Fokussierlänge zu ergeben. Dies kann<br />
eventuell durch eine longitudinale Fehlstellung der Elektroden erklärt werden, da<br />
gegeneinander versetzte Elektroden innerhalb einer Stufe die effektive Länge der<br />
Linse verringern. Sämtliche Simul<strong>at</strong>ionen sind mit dem gleichen Faktor skaliert wie<br />
beim Grundzustand. Die gute Übereinstimmung mit dem Experiment ist ein deut-<br />
liches Zeichen dafür, dass die zahlreichen vermiedenen Kreuzungen in der Stark-<br />
Mannigfaltigkeit adiab<strong>at</strong>isch durchlaufen werden, da die Simul<strong>at</strong>ion nur die adiaba-<br />
tische Passage berücksichtigt. Nichtadiab<strong>at</strong>isches Kreuzen kann keinen signifikan-<br />
ten Verlustmechanismus darstellen, denn andernfalls müsste sich für die Simul<strong>at</strong>i-<br />
on ein deutlich verschiedener Skalierungsfaktor ergeben als für den Grundzustand,<br />
welcher keine vermiedenen oder echten Kreuzungen h<strong>at</strong>.<br />
Beim Abbremsen der höheren J-Zustände ist der Einfluss der verschiedenen M-<br />
Zustände noch stärker als für reines guiding, da die optimalen Zeitsequenzen M-<br />
abhängig sind und für den jeweils polarsten Zustand (101M = 1010, 404M = 4040,<br />
606M = 6066) berechnet wurden. Da die Akzeptanz des Abbremsers für andere M-<br />
Zustände kleiner ist, tragen diese in geringerem Maße zum Signal bei als der op-<br />
timale M-Zustand. Aufgrund des verschiedenen Verlaufes <strong>von</strong> µ eff(E) im Bereich<br />
kleiner Feldstärken (vergleiche den Stark-Effekt aus Abb. 2.2) kann es zusätzlich zu<br />
einer Defokussierung in Bereichen schwacher Felder kommen. Insgesamt ist insbe-<br />
sondere für den 404- und 606-Zustand mit einer im Vergleich zum Grundzustand<br />
geringeren Intensität des abgebremsten Peaks zu rechnen, die zum Teil durch eine<br />
höhere Freiflugintensität (siehe das Spektrum in Abb. 4.1) kompensiert wird.<br />
Das Abbremsen der drei Zustände wird in Abb. 4.8 gezeigt. Der 101-Zustand kann
4.3 Abbremsung höherer Rot<strong>at</strong>ionsniveaus 45<br />
Intensität in willkürlichen Einheiten<br />
281m/s<br />
292m/s<br />
303m/s<br />
5,75 / 5,25<br />
286m/s 5,5 / 5,25<br />
5,25 / 5,25<br />
297m/s 5,0 / 5,25<br />
4,75 / 5,5<br />
309m/s 4,5 / 5,75<br />
318m/s 4,0 / 5,5<br />
325m/s 2,75 / 5,5<br />
1,8 1,9 2 2,1 2,2 2,3<br />
TOF in ms<br />
(a) 101-Zustand<br />
291m/s<br />
297m/s<br />
301m/s<br />
313m/s<br />
5,25 / 5,25<br />
5,0 / 5,75<br />
4,75 / 5,75<br />
4,0 / 6,0<br />
320m/s 3,0 / 6,0<br />
1,8 1,9 2 2,1 2,2 2,3<br />
TOF in ms<br />
(b) 404-Zustand<br />
300 m/s<br />
305 m/s<br />
309 m/s<br />
313 m/s<br />
320 m/s<br />
4,75 / 5,0<br />
4,5 / 5,0<br />
4,25 / 5,0<br />
4,0 / 5,0<br />
2,5 / 5,0<br />
1,8 1,9 2 2,1 2,2 2,3<br />
TOF in ms<br />
(c) 606-Zustand<br />
Abbildung 4.8: Abbremsen <strong>von</strong> höheren Rot<strong>at</strong>ionszuständen <strong>von</strong> Benzonitril. Am<br />
Rand ist jeweils der Wert <strong>von</strong> d (mm) / f (mm) angegeben.
46 Altern<strong>at</strong>ing Gradient-Abbremsung <strong>von</strong> Benzonitril<br />
<strong>von</strong> anfänglich 325 m/s bis auf eine Geschwindigkeit <strong>von</strong> 286 m/s bei einem d-<br />
Wert <strong>von</strong> 5, 5 mm abgebremst werden; das entspricht einer Reduktion der kineti-<br />
schen Energie um 23%. Bei d = 5, 75 mm verschwindet der Peak im Untergrund.<br />
Da nur zwei M-Zustände mit ähnlichem µ eff existieren, ist die Intensität des abge-<br />
bremsten Peaks für den 101-Zustand nicht signifikant schlechter als beim Grundzu-<br />
stand. Die anderen beiden Zustände können lediglich bis zu Abbremspunkten <strong>von</strong><br />
d = 5, 25 mm (404) bzw. d = 4, 75 mm (606) beobachtet werden. Der 404-Zustand<br />
wird dabei <strong>von</strong> 320 m/s bis auf 291 m/s abgebremst (17% Energieverlust), der 606-<br />
Zustand <strong>von</strong> 320 m/s auf 300 m/s (12% Energieverlust). Die unterschiedlichen An-<br />
fangsgeschwindigkeiten resultieren daraus, dass die Geschwindigkeit des Moleku-<br />
larstrahls <strong>von</strong> Tag zu Tag um etwa 5 − 10% schwanken kann. Für gleiche Werte des<br />
Abbremspunktes d verlieren Moleküle im 101-Zustand wie erwartet mehr kinetische<br />
Energie als solche im 404-Zustand, der 606-Zustand reagiert noch schwächer und<br />
zeigt zudem die geringsten Signalintensitäten. Verglichen mit dem Grundzustand<br />
weisen alle untersuchten höheren J-Zustände ein schlechteres Abbremsverhalten<br />
auf. Auch für das Abbremsen stimmen die Simul<strong>at</strong>ionen gut mit dem Experiment<br />
überein, wenn die Parameter des Molekularstrahls entsprechend angepasst werden.<br />
Dies ist ein weiteres Indiz dafür, dass der Einfluss <strong>von</strong> nichtadiab<strong>at</strong>isch durchlaufe-<br />
nen, vermiedenen Kreuzungen vernachlässigt werden kann. Nur für das Abbrem-<br />
sen des 606-Zustandes ergibt die Simul<strong>at</strong>ion etwa doppelte Peakintensitäten. Dies<br />
ist vermutlich auf Probleme mit der Düse, die während der Messung aufgetreten<br />
sind, zurückzuführen. Ein Vergleich des guidings aus Abb. 4.8(c) mit dem aus Abb.<br />
4.7(c) zeigt ebenfalls einen Unterschied um den Faktor 2 in der Intensität des gui-<br />
ding-Peaks.<br />
Angesichts der erfolgreichen Abbremsung <strong>von</strong> Benzonitril in verschiedenen Quan-<br />
tenzuständen stellt sich die Frage, inwieweit sich diese Quantenzustände <strong>von</strong>ein-<br />
ander trennen lassen. Weil die Detektion selektiv bezüglich JKaKc erfolgt, lassen die<br />
oben gezeigten Messungen keinen Rückschluss darauf zu, ob andere JKaKc -Zustän-<br />
de ebenfalls fokussiert bzw. abgebremst werden. Daher ist es nötig, das Verhalten<br />
<strong>von</strong> Zuständen zu untersuchen, wenn sie einer Zeitsequenz ausgesetzt sind, wel-<br />
che für einen anderen Zustand optimal ist. In Abb. 4.9(a) sind exemplarisch für<br />
zwei Abbremssequenzen des Grundzustandes die resultierenden TOF-Profile des<br />
404-Zustandes gezeigt. Der abgebremste Peak ist für d = 4, 75 mm erkennbar, ver-<br />
schwindet jedoch für d = 5, 0 mm fast vollkommen. Die zum Vergleich in Schwarz<br />
gezeigten entsprechenden Messungen für den Grundzustand zeigen im Experiment<br />
eine größere Intensität im abgebremsten Peak; in den Simul<strong>at</strong>ionen ist die Intensi-<br />
tät allerdings kleiner als für den 404-Zustand. Den Simul<strong>at</strong>ionen zufolge lassen sich<br />
die beiden Zustände nicht vollkommen trennen. Jedoch wird das ursprünglich im
4.3 Abbremsung höherer Rot<strong>at</strong>ionsniveaus 47<br />
Intensität in willkürlichen Einheiten<br />
000<br />
404<br />
000<br />
404<br />
d = 5,0mm<br />
f = -0,25mm<br />
v = 289m/s<br />
d = 4,75mm<br />
f = 0,25mm<br />
v = 295m/s<br />
1,8 2 2,2 2,4<br />
TOF in ms<br />
(a) Ein Abbremsmodul<br />
404<br />
000<br />
3.9 4 4.1 4.2 4.3<br />
TOF in ms<br />
(b) Zwei Abbremsmodule<br />
Abbildung 4.9: Verhalten des 404-Zustandes <strong>von</strong> Benzonitril beim Anlegen einer<br />
optimalen Zeitsequenz für den Grundzustand. (a) Messungen und Simul<strong>at</strong>ion mit<br />
einem Abbremsmodul. Es wurden optimale Zeitsequenzen mit d = 4, 75 mm (blau)<br />
bzw. d = 5, 0 mm (rot) angelegt. Zum Vergleich ist jeweils die Messung und die Si-<br />
mul<strong>at</strong>ion für den Grundzustand gezeigt (schwarz). (b) Messungen und Simul<strong>at</strong>ion<br />
mit zwei Abbremsmodulen (rot: Grundzustand, blau: 404-Zustand).
48 Altern<strong>at</strong>ing Gradient-Abbremsung <strong>von</strong> Benzonitril<br />
Freiflug vorhandene Verhältnis der Zustände <strong>von</strong> I4 /I000 ≈ 2, 4, welches man aus<br />
04<br />
den Linienintensitäten aus Abb. 4.1 erhält, im abgebremsten Paket nach Abzug des<br />
Freiflugs deutlich zu Gunsten des Grundzustandes verschoben (I4 /I000 ≈ 1, 6 für<br />
04<br />
die Simul<strong>at</strong>ion). Da der Freifluguntergrund dominiert, ist eine Trennung der bei-<br />
den Zustände mit einem Abbremsmodul nicht möglich. In Abb. 4.9(a) sind Simu-<br />
l<strong>at</strong>ionen für zwei Abbremsmodule gezeigt. Die Kurve für den 404-Zustand wurde<br />
mit dem Verhältnis der Intensitäten im Freiflug skaliert. Das Intensitätsverhältnis<br />
im Peak ist mit I4 /I000 ≈ 1, 1 weiter zu Gunsten des Grundzustandes verscho-<br />
04<br />
ben worden. Ähnliche Result<strong>at</strong>e sind auch für andere Zustände zu erwarten, so-<br />
lange sich die effektiven Dipolmomente hinreichend unterscheiden. Der Anteil des<br />
Grundzustandes im Molekularstrahl könnte somit signifikant erhöht werden, so-<br />
bald der Abbremser hinreichend lang ist. Theoretische und experimentelle Untersu-<br />
chungen für einen normalen Stark-Abbremser zeigen, dass es für zwei Zustände mit<br />
unterschiedlichem Stark-Effekt jeweils phasenstabile Moleküle gibt, solange beide<br />
mit der Zeitsequenz für den Zustand mit dem geringeren effektiven Dipolmoment<br />
abgebremst werden [70]. Da sich phasenstabile Gebiete im Phasenraum teilweise<br />
überlappen, kann es auch bei Verwendung einer Zeitsequenz für den Zustand mit<br />
dem größeren effektiven Dipolmoment dazu kommen, dass sich Moleküle beider<br />
Zustände mit unterschiedlich großer Akzeptanz phasenstabil durch die Appar<strong>at</strong>ur<br />
bewegen. Die Ergebnisse und Simul<strong>at</strong>ionen für Benzonitril deuten darauf hin, dass<br />
dies für die beiden Zustände 404 und 000 im AG-Abbremser der Fall ist, wenn eine<br />
Zeitsequenz für den 000-Zustand verwendet wird.<br />
Die teilweise Trennung <strong>von</strong> verschiedenen Konformeren großer Moleküle wurde<br />
bereits mit einem ähnlichem Aufbau (Quadrupolanordnung der Elektroden, siehe<br />
Abschnitt 2.3.2) verwirklicht und wird an anderer Stelle ausführlich beschrieben<br />
[53, 81]. Das Abbremsen verschiedener Quantenzustände <strong>von</strong> hochfeldsuchenden<br />
Molekülen wurde hier erstmalig experimentell realisiert.
Kapitel 5<br />
AG-Abbremsung <strong>von</strong> OH<br />
5.1 Detektion <strong>von</strong> OH<br />
Das elektronische Anregungsspektrum <strong>von</strong> OH wurde in den zwei Bereichen bei<br />
etwa 282 nm aufgenommen, in denen die zur Detektion verwendeten Übergänge<br />
liegen. Es ist in Abb. 5.1 gezeigt. Für den Nachweis der Moleküle im tieffeldsuchen-<br />
den Zustand wird der Hyperfeinübergang A 2 Σ + (v=1, J=3/2, F=2)← X 2 Π 3/2(v=<br />
0, J=3/2, f , F=2) des Q1(1)-Übergangs angeregt. Beim OH im hochfeldsuchenden<br />
Zustand wird für die Anregung der Hyperfeinübergang A 2 Σ + (v=1, J=1/2, F=1)←<br />
X 2 Π 3/2(v=0, J=3/2, e, F=2) des P1(1)-Übergangs verwendet. Die beiden Übergän-<br />
Intensität in willkürlichen Einheiten<br />
F=1 ← F=2<br />
F=1 ← F=1<br />
F=2 ← F=2<br />
-200 0 200<br />
Frequenz in MHz<br />
(a) Der Q1(1)-Übergang.<br />
F=2 ← F=1<br />
Intensität in willkürlichen Einheiten<br />
F=0 ← F=1<br />
F=1 ← F=2<br />
F=1 ← F=1<br />
-400 -200 0 200 400<br />
Frequenz in MHz<br />
(b) Der P1(1)-Übergang.<br />
Abbildung 5.1: Anregungsspektrum <strong>von</strong> OH. (a) zeigt den Q1(1)-Übergang<br />
A 2 Σ + (v=1, J=3/2)←X 2 Π 3/2(v=0, J=3/2, f ), (b) den P1(1)-Übergang A 2 Σ + (v=<br />
1, J=1/2)←X 2 Π 3/2(v=0, J=3/2, e) (hfs) <strong>von</strong> OH. Die Frequenzen sind rel<strong>at</strong>iv zum<br />
theoretischen Ursprung des jeweiligen Übergangs angegeben. Der F=0←F=2-<br />
Übergang des P1(1)-Überganges ist verboten.<br />
ge liegen bei 35429, 16 cm −1 (lfs) bzw. 35461, 50 cm −1 (hfs) [60]. Detektiert wird bei<br />
49
50 Altern<strong>at</strong>ing Gradient-Abbremsung <strong>von</strong> OH<br />
beiden Zuständen das Fluoreszenzlicht des Übergangs A 2 Σ + (v = 1) → X 2 Π(v =<br />
1) bei etwa 313 nm. Aufgrund des großen Frequenzunterschiedes zwischen Anregung<br />
und Fluoreszenz lässt sich das Streulicht des Lasers bei der Anregungsfre-<br />
quenz durch optische Filter vollkommen blocken. Wie Abb. 2.3 zeigt, kann die Hy-<br />
perfeinstruktur des Q1(1)- und des P1(1)-Übergangs vollständig aufgelöst werden.<br />
Die Detektion erfolgt im feldfreien Bereich und ist somit nicht selektiv bezüglich der<br />
feldfrei entarteten Quantenzustände |MJΩ| = 9/4 und |MJΩ| = 3/4 mit gleichem<br />
F, die im Feld energetisch aufspalten und daher einen unterschiedlichen Stark-Ef-<br />
fekt zeigen. Diese T<strong>at</strong>sache wurde in den Simul<strong>at</strong>ionen dieses Kapitels wie zuvor<br />
die feldfreie Entartung der M-Zustände <strong>von</strong> Benzonitril berücksichtigt.<br />
5.2 OH im hochfeldsuchenden Zustand<br />
Das Abbremsen <strong>von</strong> hochfeldsuchenden OH-Radikalen erfolgt prinzipiell wie für<br />
Benzonitril. Die Untersuchung des Abbrems- und Fokussierverhaltens stellt einen<br />
wichtigen Schritt dar, um die Vorgänge im Abbremser bei gutem Signal-Rausch-Ver-<br />
hältnis besser zu verstehen und die so gewonnenen Erkenntnisse später auf große<br />
Moleküle anwenden zu können. Weil die Herstellung der OH-Radikale aus Salpe-<br />
tersäure in einem kleinen longitudinalen Bereich <strong>von</strong> ungefähr 2 mm Länge durch<br />
einen Laserpuls <strong>von</strong> etwa 10 ns Dauer erfolgt, h<strong>at</strong> das OH-Paket eine geringe in-<br />
itiale räumliche und zeitliche Breite. Die Ausdehnung des Molekülpaketes wird da-<br />
her hauptsächlich durch die Geschwindigkeitsbreite bestimmt, weswegen der beim<br />
Benzonitril präsente Freifluguntergrund nicht beobachtet wird. Daher werden in<br />
diesem Abschnitt die ursprünglichen TOF-Profile ohne Abzug des Freifluges ge-<br />
zeigt. Weil aufgrund des höheren Xenon-Drucks der Molekularstrahl für OH schnel-<br />
ler ist als für Benzonitril, wird beim guiding auf Kosten geringer Intensitätseinbußen<br />
eine langsamere als die mittlere Strahlgeschwindigkeit verwendet. In Abb. 5.2(a) ist<br />
das guiding <strong>von</strong> Molekülen mit vsyn = 355 m/s bei einer mittleren Strahlgeschwin-<br />
digkeit <strong>von</strong> v = 365 m/s dargestellt. Die beiden unteren Kurven zeigen den ge-<br />
messenen und den simulierten Freiflug. Neben dem synchronen Peak bei 1, 85 ms<br />
ergeben sich wie zuvor beim Benzonitril Strukturen, die <strong>von</strong> Molekülen mit meta-<br />
stabilen Trajektorien herrühren. Allerdings ist eine einfache Zuordnung anhand der<br />
Differenz ihrer Positionen nicht möglich, da diese keinem räumlichen Elektrodenab-<br />
stand entspricht. Die optimale experimentelle Fokussierlänge beträgt f = 4, 5 mm,<br />
also 0, 5 mm weniger als bei Benzonitril im Grundzustand. Der optimale simulierte<br />
Wert <strong>von</strong> f stimmt mit dem Experiment überein.<br />
Das Abbremsen <strong>von</strong> hfs OH ist in Abb. 5.2(b) dargestellt. Von 355 m/s (guiding, rote
5.2 OH im hochfeldsuchenden Zustand 51<br />
Intensität in willkürlichen Einheiten<br />
x10<br />
6,0<br />
5,5<br />
5,0<br />
4,5<br />
4,0<br />
3,5<br />
1,4 1,6 1,8 2 2,2 2,4<br />
TOF in ms<br />
(a) guiding <strong>von</strong> hfs OH<br />
307 m/s<br />
316 m/s<br />
324 m/s 4,75 / 4,25<br />
332 m/s 4,5 / 4,25<br />
345 m/s<br />
355 m/s<br />
365 m/s<br />
x10<br />
1,4 1,6 1,8 2 2,2<br />
TOF in ms<br />
(b) Abbremsen <strong>von</strong> hfs OH<br />
5,25 / 3,5<br />
5,0 / 3,5<br />
4,0 / 4,5<br />
2,25/ 4,5<br />
Abbildung 5.2: Guiding und Abbremsen <strong>von</strong> hfs OH. In (a) ist jeweils der Wert <strong>von</strong><br />
f in mm angegeben, in (b) neben der Geschwindigkeit jeweils das Wertepaar d/ f in<br />
mm [71].<br />
Kurve) ausgehend kann der synchrone Peak mit d = 5, 25 mm und f = 3, 5 mm auf<br />
307 m/s abgebremst werden. Dies entspricht einer Abnahme der kinetischen Ener-<br />
gie um 25%. Das Experiment stimmt gut mit Simul<strong>at</strong>ionen überein. Der kleine Peak<br />
bei späteren Ankunftszeiten besteht aus Molekülen mit metastabilen Trajektorien,<br />
die für einen längeren Abbremser verschwinden. Eine Analyse der Simul<strong>at</strong>ionen<br />
aus Abb. 5.2(b) zeigt ferner, dass die bei hohen d-Werten auftretenden Strukturen<br />
um das synchrone Paket herum <strong>von</strong> Molekülen herrühren, die aus anderen initia-<br />
len Bereichen des Phasenraums stammen als die Moleküle im synchronen Paket. Es<br />
ist daher da<strong>von</strong> auszugehen, dass diese Peaks, welche sich bei der Detektion mit<br />
dem synchronen Peak zeitlich überlappen, ebenfalls aus Molekülen mit metastabi-<br />
len Trajektorien bestehen. Die Zeitsequenzen für das Abbremsen wurden für den<br />
polareren Zustand mit MJΩ = 9/4 berechnet. Sämtliche guiding- und Abbremssi-<br />
mul<strong>at</strong>ionen wurden mit einem Faktor <strong>von</strong> 1/10 im Vergleich zum simulierten Frei-<br />
flug skaliert. Dieser Faktor ist geringer als bei Benzonitril, liegt aber in der gleichen<br />
Größenordnung. Ein leicht unterschiedlicher Wert des Skalierungsfaktors ist plausi-
52 Altern<strong>at</strong>ing Gradient-Abbremsung <strong>von</strong> OH<br />
bel, da sich aufgrund des verschiedenen Verlaufes <strong>von</strong> µ eff(E) eine Fehlstellung der<br />
Elektroden für verschiedene Moleküle unterschiedlich auswirken kann. Der Ein-<br />
fluss des Elektrodenvers<strong>at</strong>zes wird in Abb. 5.5(a) im folgenden Abschnitt genauer<br />
betrachtet.<br />
Die erste AG-Abbremsung des vergleichbaren Moleküls CO mit einem zwölfstufi-<br />
gen AG-Abbremser ergab eine Geschwindigkeitsänderung <strong>von</strong> 275 m/s auf 260 m/s<br />
[42]. Dies entspricht einer Änderung der kinetischen Energie pro Stufe um<br />
∆E kin/E kin = 0, 9 %, was ungefähr mit dem Wert für hochfeldsuchendes OH im<br />
hier beschriebenen Experiment übereinstimmt.<br />
5.3 OH im tieffeldsuchenden Zustand<br />
Das AG-Prinzip ermöglicht es, innerhalb des gleichen Abbremsers sowohl hoch-<br />
als auch tieffeldsuchende Quantenzustände <strong>von</strong> Molekülen abzubremsen. Die Ma-<br />
nipul<strong>at</strong>ion <strong>von</strong> tieffeldsuchenden Teilchen ist im Vergleich zu hochfeldsuchenden<br />
Teilchen einfacher, da transversale und longitudinale Fokussierung besser unabhän-<br />
gig <strong>von</strong>einander über die drei Parameter f , d und d0 kontrolliert werden können.<br />
Das Abbremsen und die longitudinale Fokussierung erfolgt für tieffeldsuchendes<br />
OH, wie in Abschnitt 2.3 beschrieben, getrennt <strong>von</strong>einander. Der Parameter d ist<br />
dementsprechend anders definiert (zur Definition der Parameter siehe Abb. 2.7).<br />
Beim guiding in Abb. 5.3(b) muss d0 konstant bei −10, 0 mm, dem Mittelpunkt<br />
zwischen zwei Elektrodenpaaren, gehalten werden, da sonst Abbremsung erfolgt.<br />
Für die Messung des guidings wurde zunächst bei verschiedenen Fokussierlängen<br />
f die Abhängigkeit vom Parameter d untersucht, wie in Abb. 5.3(a) exemplarisch<br />
für f = 2, 5 mm gezeigt ist. Die Intensität des guiding-Peaks ist für d = 3, 0 mm<br />
am größten, aufgrund des geringeren Untergrundes wird im Folgenden dennoch<br />
ein Wert <strong>von</strong> d = 4, 0 mm verwendet. Letzterer ist konsistent mit dem optimalen<br />
d-Wert der Simul<strong>at</strong>ion. Das Variieren <strong>von</strong> f ergibt bei diesem konstanten d einen<br />
optimalen Wert zwischen 2, 5 mm und 3, 0 mm. Dass der Wert der optimalen trans-<br />
versalen Fokussierlänge kleiner ist als bei hfs OH h<strong>at</strong> zwei Ursachen: Erstens muss f<br />
für hfs OH groß genug sein, um einen bunching-Effekt zu gewährleisten, auch wenn<br />
dies bereits auf Kosten einer transversalen Überfokussierung geschieht. Zweitens<br />
werden die lfs OH-Radikale bereits während des bunchings leicht transversal fokus-<br />
siert, während die Strecke f klein bleiben muss, damit longitudinal defokussierende<br />
Kräfte vermieden werden. Experiment und Simul<strong>at</strong>ion stimmen sowohl beim bun-<br />
ching als auch beim guiding gut überein. Der optimale Wert der Parameter d und<br />
f wird aber jeweils leicht überschätzt. Außerdem werden die deutlichen Struktu-
5.3 OH im tieffeldsuchenden Zustand 53<br />
Intensität in willkürlichen Einheiten<br />
x15<br />
6,0<br />
5,0<br />
4,0<br />
3,0<br />
2,0<br />
1,0<br />
1,2 1,4 1,6 1,8 2 2,2 2,4<br />
TOF in ms<br />
(a) bunching <strong>von</strong> lfs OH<br />
Intensität in willkürlichen Einheiten<br />
x15<br />
4,0<br />
3,5<br />
3,0<br />
2,5<br />
2,0<br />
1,5<br />
1,0<br />
1,2 1,4 1,6 1,8 2 2,2 2,4<br />
TOF in ms<br />
(b) guiding <strong>von</strong> lfs OH<br />
Abbildung 5.3: Bunching und guiding <strong>von</strong> lfs OH. Beim bunching wurde f =<br />
2, 5 mm, beim guiding d = 4, 0 mm konstant gehalten. Der Wert <strong>von</strong> d bzw. f in<br />
mm ist rechts vermerkt. Der Parameter d0 = −10, 0 mm ist für beide Messreihen<br />
gleich.<br />
ren im TOF-Profil des bunchings bei früheren Ankunftszeiten <strong>von</strong> der Simul<strong>at</strong>ion<br />
nur unvollkommen wiedergegeben. Zwar lassen sich die Ankunftszeiten der meis-<br />
ten Peaks reproduzieren, nicht jedoch ihre Intensität. Da die Peakpositionen rel<strong>at</strong>iv<br />
zum synchronen Paket auch hier keinem im Experiment vorkommendem Abstand<br />
entsprechen, ist aber da<strong>von</strong> auszugehen, dass es sich um Moleküle mit metastabilen<br />
Trajektorien handelt. Der Skalierungsfaktor aller Simul<strong>at</strong>ionen für lfs OH liegt mit<br />
einem Wert <strong>von</strong> 1/15 zwischen dem <strong>von</strong> Benzonitril und hfs OH.<br />
Beim Abbremsen <strong>von</strong> lfs OH, gezeigt in Abb. 5.4(b), werden für optimales bunching<br />
die beiden Parameter d und d0 so gewählt, dass die Hochspannung zwischen den<br />
Elektrodenpaaren immer eingeschaltet wird, sobald sich das synchrone Molekül<br />
2, 0 mm vor der Mitte zwischen den Stufen befindet. Für d0 > −10, 0 mm wird in je-<br />
der Stufe die kinetische Energie um einen konstanten Betrag reduziert, wodurch die<br />
Geschwindigkeit während des Abbremsvorganges annähernd quadr<strong>at</strong>isch in der<br />
Anzahl der Stufen abnimmt. Die Fokussierlänge f muss somit ebenfalls quadra-
54 Altern<strong>at</strong>ing Gradient-Abbremsung <strong>von</strong> OH<br />
vgui (m/s) f (mm)<br />
305 2,5<br />
345 3,0<br />
385 3,5<br />
425 4,0<br />
Tabelle 5.1: Optimale Werte des Parameters f für das guiding bei verschiedenen<br />
Geschwindigkeiten.<br />
tisch kleiner werden, um eine optimale Fokussierung zu gewährleisten. Während<br />
dies beim Benzonitril aufgrund der geringen Geschwindigkeitsunterschiede keinen<br />
Signalgewinn brachte, ist es für lfs OH angebracht, da die Geschwindigkeit um et-<br />
wa 30% abnimmt. Um Richtwerte für das Variieren <strong>von</strong> f zu erhalten, wurden zu-<br />
nächst optimale konstante Werte <strong>von</strong> f für verschiedene Geschwindigkeiten durch<br />
guiding-Messungen gewonnen. In Tabelle (5.1) sind die Ergebnisse der Messungen<br />
zusammengefasst. Aus Gründen der Einfachheit wird die Fokussierlänge im Expe-<br />
riment jedoch nicht quadr<strong>at</strong>isch, sondern linear in der Stufennummer n verringert,<br />
also f = fmax − n · ∆ f . Dies stellt bei den verwendeten Parametern und den auf-<br />
tretenden Unterschieden <strong>von</strong> Anfangs- und Endgeschwindkeit eine gute Näherung<br />
dar. Aus Tabelle 5.1 ergibt sich ein optimaler Wert <strong>von</strong> ∆ f /∆v = 0, 025 mm/(m/s);<br />
<strong>von</strong> diesem ausgehend wird der Wert <strong>von</strong> ∆ f und der Startwert <strong>von</strong> f experimen-<br />
tell für jedes d optimiert. Dieselben Argumente wie für f gelten prinzipiell ana-<br />
log für die longitudinale Fokussierung d. Da diese jedoch wesentlich unkritischer<br />
ist als die transversale Fokussierung, wurde auf eine entsprechende Vari<strong>at</strong>ion <strong>von</strong><br />
d und d0 verzichtet. Das Schema in Abb. 5.4(a) zeigt die Regionen, in denen die<br />
Hochspannung angelegt wird, wobei die Bereiche hellerer Farbe die Vari<strong>at</strong>ion <strong>von</strong><br />
f andeuten. Sämtliche Zeitsequenzen zum Abbremsen <strong>von</strong> lfs OH wurden für den<br />
Zustand MJΩ = −9/4 berechnet. Ausgehend <strong>von</strong> 345 m/s (guiding, rote Kurve) ist<br />
es möglich, mit Werten <strong>von</strong> f = 0, 0 mm, d = 8.0 mm und d0 = −8, 0 mm lfs OH<br />
bis auf 239 m/s abzubremsen. Die mit dem Faktor 1/15 skalierte Simul<strong>at</strong>ion stimmt<br />
gut mit dem Experiment überein. Tieffeldsuchendes OH kann wesentlich weiter ab-<br />
gebremst werden als hfs Moleküle, da die Abbremsstrecke im Bereich des größten<br />
Feld<strong>gradient</strong>en liegt und die transversale Fokussierung in diesem Bereich für lfs OH<br />
besser funktioniert als für hfs OH.<br />
Der Einfluss des Parallelvers<strong>at</strong>zes <strong>von</strong> Elektrodenpaaren bis zu einem Wert <strong>von</strong><br />
∆r = 0, 15 mm ist in Abb. 5.5 für hfs OH und lfs OH simuliert worden. Für beide<br />
Zustände zeigt sich eine starke Abhängigkeit des optimalen guidings vom mittleren
5.3 OH im tieffeldsuchenden Zustand 55<br />
d f<br />
(a) Bereiche des Abbremsens<br />
und der Fokussierung<br />
-8,0 / 8,0 | 0,0 / 0,0<br />
-8,25 / 7,5 | 1,5 / 0,0<br />
-8,5 / 7,0 | 2,5 / 0,75<br />
-8,75 / 6,5 | 3,0 /2,0<br />
-9,25 / 5,5 |3,0 / 2,0<br />
-10,0 / 4,0 | 3,0 / 3,0<br />
x15<br />
239 m/s<br />
257 m/s<br />
276 m/s<br />
295 m/s<br />
323 m/s<br />
345 m/s<br />
360 m/s<br />
1.4 1.6 1.8 2 2.2 2.4<br />
TOF in ms<br />
(b) Abbremsmessungen für lfs OH<br />
Abbildung 5.4: Abbremsen <strong>von</strong> lfs OH. Zu jeder Kurve in (b) sind die Werte <strong>von</strong><br />
d0, d, fmax und fmin in mm angegeben. Die jeweilige Endgeschwindigkeit ist rechts<br />
vermerkt. In (a) ist die Bedeutung der jeweiligen Parameter schem<strong>at</strong>isch durch die<br />
farbigen Zonen innerhalb des Feldverlaufes illustriert. Der Bereich, über den der<br />
Wert <strong>von</strong> f variiert wurde, ist durch die hellere Farbe angedeutet [71].<br />
Parallelvers<strong>at</strong>z ∆r. Die Peakintensität nimmt beim hfs OH auf 2/9 (∆r = 0, 1 mm)<br />
bzw. auf 1/9 (∆r = 0, 15 mm) des ursprünglichen Wertes ab. Dies ist konsistent mit<br />
dem experimentell beobachteten Faktor <strong>von</strong> 1/10. Beim guiding <strong>von</strong> lfs OH ergibt<br />
sich ein ähnlich großer Effekt. Die Peakintensität nimmt für ∆r = 0, 1 mm auf 1/4<br />
und für ∆r = 0, 15 mm auf 1/10 des Ursprungswertes ab. Die Skalierungsfakto-<br />
ren sind <strong>von</strong> der Größenordnung her konsistent mit den experimentellen Ergebnis-<br />
sen; für lfs OH ergibt sich allerdings ein Unterschied <strong>von</strong> etwa einem Faktor 1, 5.<br />
Dies lässt darauf schließen, dass eine Fehlstellung, die über einen reinen Parallel-<br />
vers<strong>at</strong>z ganzer Elektrodenpaare hinausgeht, lfs Moleküle stärker beeinflusst als hfs<br />
Teilchen. Hierzu ist insbesondere anzumerken, dass sich auf hfs Moleküle vorwie-<br />
gend Fehlstellungen innerhalb eines Elektrodenpaares neg<strong>at</strong>iv auswirken, wohin-<br />
Intensität in willkürlichen Einheiten
56 Altern<strong>at</strong>ing Gradient-Abbremsung <strong>von</strong> OH<br />
Intensität in willkürlichen Einheiten<br />
0,15<br />
0,10<br />
0,05<br />
1,4 1,6 1,8 2<br />
0,00<br />
2,2<br />
TOF in ms<br />
(a) hfs OH<br />
0,15<br />
0,10<br />
0,05<br />
1,4 1,6 1,8 2<br />
0,00<br />
2,2<br />
TOF in ms<br />
(b) lfs OH: f = 3, 0 mm<br />
Abbildung 5.5: Einfluss einer Fehlstellung der Elektrodenpaare auf das optimale<br />
guiding <strong>von</strong> OH. (a) hfs OH, (b) lfs OH. Am Rand ist jeweils der Wert <strong>von</strong> ∆r in mm<br />
angegeben. Die Intensitätsachse in (b) h<strong>at</strong> einen doppelt so großen Maßstab wie in<br />
(a).
5.4 Einfluss der Biasspannung 57<br />
gegen lfs Moleküle während des bunchings dem Einfluss <strong>von</strong> zwei potentiell schief<br />
stehenden Elektrodenpaaren ausgesetzt sind. Betrachtet man für lfs OH das Ver-<br />
halten des Untergrundes, so fällt auf, dass die Intensität rel<strong>at</strong>iv zum guiding-Peak<br />
weniger stark abnimmt. Die geringere Abhängigkeit vom Elektrodenvers<strong>at</strong>z stützt<br />
die Vermutung, dass es sich bei diesen Strukturen um metastabile Pakete <strong>von</strong> Mo-<br />
lekülen handelt, und erklärt die Diskrepanz zwischen ihrer experimentellen und<br />
simulierten Intenstät in Abb. 5.3(a).<br />
Vergleichbare Experimente zum Abbremsen <strong>von</strong> tieffeldsuchenden Molekülen in<br />
einem AG-Abbremser wurden bisher nicht durchgeführt. Mittels konventioneller<br />
Stark-Abbremser ist es jedoch bereits möglich, Moleküle in tieffeldsuchenden Zu-<br />
ständen zum Stillstand zu bringen und anschließend zu fangen [82]. Insbesondere<br />
wurde dies schon für tieffeldsuchendes OH erreicht [83].<br />
5.4 Einfluss der Biasspannung<br />
Die Messungen der beiden vorherigen Abschnitte wurden bei einer Biasspannung<br />
<strong>von</strong> UB = 300 V vorgenommen, entsprechend einer maximalen Feldstärke <strong>von</strong><br />
2, 86 kV/cm. Der Einfluss der Biasspannung auf die integrierte Intensität des op-<br />
Integrierte Intensität<br />
3.5<br />
3<br />
2.5<br />
2<br />
1.5<br />
1<br />
Maximale elektrische Feldstärke in kV/cm<br />
0 0,93 1,90 2,86<br />
2<br />
1.5<br />
1<br />
lfs<br />
hfs<br />
0 100 200 300<br />
0 100 200 300<br />
Biasspannung in V<br />
(a) lfs OH<br />
2.5<br />
2<br />
1.5<br />
1<br />
Maximale elektrische Feldstärke in kV/cm<br />
0 0,95 1,90 2,86<br />
0 100 200 300<br />
Biasspannung in V<br />
(b) hfs OH<br />
Abbildung 5.6: Integrierte Intensität des guiding-Peaks für (a) lfs und (b) hfs OH in<br />
Abhängigkeit <strong>von</strong> UB und der entsprechenden maximalen Feldstärke auf der Achse<br />
rel<strong>at</strong>iv zur Intensität für UB = 0 V. Der kleine Ausschnitt in (a) zeigt die integrierte<br />
Intensität des simulierten Freiflugs beider Zustände. Die gestrichelte Linie in (b) bei<br />
Emax = 0, 65 kV/cm markiert die Position eines potentiellen Übergangs [71].<br />
timalen guiding-Peaks ist in Abb. 5.6 für lfs OH und hfs OH gezeigt. Während das<br />
Signal für lfs OH kontinuierlich mit UB zunimmt, ergibt sich für hfs OH ein steiler
58 Altern<strong>at</strong>ing Gradient-Abbremsung <strong>von</strong> OH<br />
Anstieg des Signals bei etwa 65 V, entsprechend einer maximalen Feldstärke <strong>von</strong><br />
Emax = 0, 62 kV/cm. Das Verhalten <strong>von</strong> lfs OH kann qualit<strong>at</strong>iv erklärt werden: Die<br />
Moleküle erfahren im konstant anliegenden Feld aufgrund ihrer eigenen Geschwin-<br />
digkeit eine Fokussierung, die zu einem Anstieg der Transmission mit UB führt. Si-<br />
mul<strong>at</strong>ionen dieses guidings bei anliegender Gleichspannung sind in dem kleinen<br />
Ausschnitt <strong>von</strong> Abb. 5.6(a) für die Freiflüge beider Zustände dargestellt. Außer-<br />
dem werden Majorana-Übergänge im feldfreien Bereich unterdrückt. Für hfs OH<br />
wirkt die konstant anliegende Spannung hingegen defokussierend, so dass im Ge-<br />
gens<strong>at</strong>z zum Experiment ein langsamer Abfall des Signals erwartet wird. Eine wahr-<br />
Energie in GHz<br />
0,1<br />
F = 2<br />
e<br />
0 F = 1<br />
-0,1<br />
-0,2<br />
-0,3<br />
0,05<br />
0<br />
-0,05<br />
0,6 0,7<br />
0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 1,2 1,4<br />
Elektrische Feldstärke in kV/cm<br />
(a) Kreuzung der Hyperfeinzustände<br />
|MF| 0,1<br />
0<br />
2<br />
1<br />
rel<strong>at</strong>iver Anteil an Parität<br />
1<br />
0,8<br />
0,6<br />
0,4<br />
0,2<br />
0<br />
|C + | 2<br />
|C -| 2<br />
|C +| 2<br />
|C -| 2<br />
2 4 6 8 10<br />
Elektrische Feldstärke in kV/cm<br />
(b) Mischkoeffizienten<br />
Abbildung 5.7: (a) Kreuzung der zwei Hyperfeinzustände <strong>von</strong> OH bei 0, 65 kV/cm,<br />
(b) Quadr<strong>at</strong>e der Mischkoeffizienten der (+)-Zustände � �e, F =1, |MF| =0 � (rot) und<br />
�<br />
� e, F =2, |MF| = 2 � (blau) mit Zuständen neg<strong>at</strong>iver Parität im Feld.<br />
scheinliche Erklärung des experimentellen Ergebnisses basiert darauf, dass sich bei<br />
einer Feldstärke <strong>von</strong> 0, 65 kV/cm eine echte Kreuzung der beiden Hyperfeinzu-<br />
stände | X 2 Π 3/2, J=3/2, e, |MJ|=0, F=1 〉 und | X 2 Π 3/2, J=3/2, e, |MJ|=2, F=2 〉 be-<br />
findet, <strong>von</strong> denen nur der letzte detektiert wird (siehe Abb. 5.7(b)). Sobald UB diese<br />
Schwelle übersteigt, ist ein Übergang zwischen diesen Zuständen als Verlustkanal<br />
ausgeschlossen, was den Anstieg der Transmission erklären kann. Da die angege-<br />
bene Feldstärke dem Wert auf der Achse entspricht, erstreckt sich der Anstieg noch<br />
bis zu höheren Werten, bevor das Signal in Sättigung geht. Aufgrund <strong>von</strong> gleicher<br />
positiver Parität ist ein elektrischer Übergang zwischen diesen Zuständen zwar di-<br />
polverboten, allerdings erfolgt im elektrischen Feld durch Kopplung <strong>von</strong> Zustän-<br />
den eine Mischung der Parität. Abb. 5.7(a) zeigt die Abhängigkeit der quadrier-<br />
ten Mischkoeffizienten, welche den Anteil positiver bzw. neg<strong>at</strong>iver Parität des je-<br />
weiligen Zustandes widerspiegeln, vom elektrischen Feld. Die Mischkoeffizienten<br />
sind gegeben durch die Projektion der kreuzenden Zustände � �e, F=1, |MF|=0 � und
5.4 Einfluss der Biasspannung 59<br />
�<br />
� e, F=2, |MF|= 2 � auf die Zustände mit gleichem |MF| im Feld:<br />
|C+| 2<br />
e,F=2,|MF|=2 =� e, F =2, |MF| =2 � �<br />
� HStark<br />
|C−| 2<br />
e,F=2,|MF|=2 =� e, F =2, |MF| =2 � � HStark<br />
� e, F =2, |MF| =2 � 2<br />
�<br />
� f , F=2, |MF| =2 � 2<br />
.<br />
(5.1)<br />
Die Ausdrücke für die Mischkoeffizienten des anderen Zustands ergeben sich ana-<br />
log, wobei jeweils auf zwei andere |MF|-Komponenten projeziert werden muss. Bei<br />
der Feldstärke <strong>von</strong> 0, 65 kV/cm ergibt sich für die kreuzenden Zustände ein Anteil<br />
neg<strong>at</strong>iver Parität <strong>von</strong> etwa 1% bzw. 4%. Für einen starken Übergang kann dieser<br />
Anteil an neg<strong>at</strong>iver Parität aber ausreichend groß sein, um den experimentell be-<br />
obachteten Effekt zu erklären. Insgesamt ist es plausibel, dass der Anstieg in der<br />
Transmission für hfs OH durch die Kreuzung verursacht wird. Sollte dies zutreffen,<br />
so wäre dies der erste Fall, in dem solch ein Übergang anders als durch rein spek-<br />
troskopische Methoden beobachtet wurde. Weitere Anhaltspunkte für diese Vermu-<br />
tung könnten ähnliche Messungen an weiteren Molekülen liefern.
Kapitel 6<br />
Ausblick<br />
Der verlängerte Abbremser soll es ermöglichen, Benzonitril im Grundzustand so<br />
weit zu verlangsamen, dass die abgebremsten Moleküle später als der Freiflug-<br />
Untergrund am Detektor ankommen. Aufgrund des so verringerten Hintergrun-<br />
des ist im Bereich des abgebremsten Peaks mit einem signifikant besseren Signal-<br />
Rausch-Verhältnis zu rechnen. In Abb. 6.1 sind Simul<strong>at</strong>ionen für den verlänger-<br />
ten Abbremser mit mehreren Modulen dargestellt. Benzonitril im Grundzustand<br />
lässt sich der Simul<strong>at</strong>ion zufolge mit d = 5, 25 mm bis auf 236 m/s abbremsen<br />
(∆E kin/E kin = 46 %), jedoch scheint es wahrscheinlich, dass ohne den Freiflug-Hin-<br />
tergrund auch für höhere Werte <strong>von</strong> d noch Moleküle beobachtet werden können.<br />
Die Simul<strong>at</strong>ionen aus Abb (6.1(a)) wurden mit Zeitsequenzen berechnet, innner-<br />
halb derer f nicht variiert. Durch die Verwendung <strong>von</strong> Zeitsequenzen mit variieren-<br />
dem f könnte die Transmission aufgrund des großen Geschwindigkeitsunterschie-<br />
des weiter erhöht werden, so dass die erfolgreiche Abbremsung mit d = 5, 5 mm<br />
(∆E kin/E kin = 53 %) oder mit d = 5, 75 mm (∆E kin/E kin = 60 %) realistisch er-<br />
scheint.<br />
Die Zeitsequenzen können experimentell durch die Verwendung <strong>von</strong> evolutionären<br />
Algorithmen in Form einer sogennanten feedback-control-Optimierung weiter ver-<br />
bessert werden; bei gutem Signal-Rausch-Verhältnis kann dies die Transmission um<br />
etwa 10% steigern [84]. Eine weitere Verbesserung der Transmission um einen Fak-<br />
tor 5 bis 10 ist bei Verwendung einer Even-Lavie-Düse [85] zu erwarten. Diese pro-<br />
duziert wesentlich kürzere und schmalere Pulse. Ausführliche Tests mit einer Even-<br />
Lavie-Düse wurden im Rahmen dieser Diplomarbeit durchgeführt, allerdings stell-<br />
te sich das verwendete Exemplar letztlich als defekt heraus.<br />
Das erste langfristige Ziel ist der Ausbau des AG-Abbremsers auf drei Module. Mit<br />
dann 81 Elektrodenpaaren ließe sich Benzonitril im Grundzustand mit d = 5, 5 mm<br />
bis auf 146 m/s (∆E/E = 79%) abbremsen, wie in Abb. 6.1(b) gezeigt ist. Die Si-<br />
mul<strong>at</strong>ionen für diesen Aufbau wurden mit einer linear variierenden Fokussierlänge<br />
61
62 Ausblick<br />
Intensität in willkürlichen Einheiten<br />
5,75<br />
5,5<br />
5,25<br />
5,0<br />
252 m/s<br />
x 17<br />
220 m/s<br />
236 m/s<br />
203 m/s<br />
3,4 3,6 3,8 4 4,2 4,4 4,6<br />
TOF in ms<br />
(a) 54 Stufen<br />
5,5 146 m/s<br />
5,25<br />
5,0 211 m/s<br />
x17<br />
181 m/s<br />
5 6 7<br />
TOF in ms<br />
(b) 81 Stufen<br />
5,25 96 m/s<br />
5,0<br />
x5<br />
158 m/s<br />
x85<br />
x5<br />
7 8 9 10 11<br />
TOF in ms<br />
(c) 108 Stufen<br />
Abbildung 6.1: Abbremssimul<strong>at</strong>ionen für Benzonitril im Grundzustand mit dem<br />
auf zwei (a), drei (b) und vier (c) Module verlängerten Abbremser. Die Intensitäts-<br />
achse in (a) und (b) h<strong>at</strong> jeweils den gleichen Maßstab, in (c) wurde sie mit dem<br />
Faktor 5 skaliert.<br />
berechnet. Für kleine Geschwindigkeiten wird die transversale Fokussierung, wie<br />
in Abschnitt 2.3.3 (S. 20) beschrieben, problem<strong>at</strong>isch, so dass zum weiteren Ab-<br />
bremsen eine andere Elektrodengeometrie in Betracht gezogen werden muss. Um<br />
die restliche kinetische Energie zu entziehen, wird daher ein spezielles Abbrems-<br />
modul benötigt, welches z. B. aus etwa 15 bis 20 individuell angepassten, kürzeren<br />
Abbremsstufen besteht, die einer Falle vorgelagert sind. Altern<strong>at</strong>iv kann die Ap-<br />
par<strong>at</strong>ur zuvor auf insgesamt 4 Module verlängert werden. Abb. 6.1(c) zeigt Simu-<br />
l<strong>at</strong>ionen für diesen Fall mit unveränderter Elektrodengeometrie und quadr<strong>at</strong>isch<br />
variierender Fokussierlänge. Mit d = 5, 25 mm könnten die Moleküle auf 96 m/s<br />
(∆E kin/E kin = 91 %) abgebremst werden, ab d = 5, 35 mm wären sie langsam genug,<br />
um direkt in eine Falle geladen zu werden. Eine Verbesserung der sehr geringen In-<br />
tensität bei hohen d-Werten könnte dabei durch Verwendung <strong>von</strong> Zeitsequenzen<br />
mit variierendem d oder durch eine andere Elektrodenanordnungen erreicht wer-<br />
den. Als Fallen sind bereits existierende elektrische Wechselstrom-Fallen geeignet,<br />
die unter Ausnutzung des AG-Prinzips hochfeldsuchende Moleküle speichern kön-<br />
nen und die ebenfalls am Fritz-Haber-Institut entwickelt werden [44–46].<br />
Zu den Molekülen, die mit dem langen AG-Abbremser signifikant verlangsamt wer-<br />
den könnten, gehören Tryptophan und kleine, polare Peptide. Mehrere Konforme-<br />
re <strong>von</strong> Tryptophan besitzen bei experimentell relevanten Feldstärken ein ähnlich<br />
großes effektives Dipolmoment pro Masseneinheit wie Benzonitril im Grundzu-
Ausblick 63<br />
stand. Daher wäre es prizipiell möglich, diese Konformere abzubremsen und in eine<br />
Falle zu laden. Bestimmte Konformere noch größerer polarer Moleküle könnten se-<br />
lektiv bezüglich ihres Quantenzustands zu Geschwindigkeiten abgebremst werden,<br />
die lange Beobachtungsdauern für spektroskopische Messungen erlauben würden.
Zusammenfassung<br />
Im Rahmen dieser Diplomarbeit wurde die Altern<strong>at</strong>ing Gradient-Fokussierung und<br />
-Abbremsung <strong>von</strong> Benzonitril und OH in verschiedenen Quantenzuständen de-<br />
monstriert. Es gelang, Benzonitril im absoluten Grundzustand <strong>von</strong> vstart = 320 m/s<br />
auf v end = 275 m/s abzubremsen, wodurch die kinetische Energie um 28% (1, 1%<br />
pro Stufe) reduziert wurde. Zusätzlich konnte Benzonitril in drei höheren Rot<strong>at</strong>i-<br />
onszuständen fokussiert und abgebremst werden: Beim Zustand JKaKc = 404 bzw.<br />
606 beträgt die Änderung der kinetischen Energie 17% bzw. 12%. Dies entspricht<br />
Endgeschwindigkeiten <strong>von</strong> v end = 291 m/s bzw. v end = 300 m/s. Die Geschwin-<br />
digkeit des 101-Zustands wurde bei einer Abnahme der kinetischen Energie um 23%<br />
<strong>von</strong> vstart = 325 m/s auf v end = 286 m/s verringert. Die Trennbarkeit <strong>von</strong> Zustän-<br />
den beim Abbremsen wurde am Beispiel der beiden Zustände 101 und 404 <strong>von</strong> Ben-<br />
zonitril untersucht. Die Messungen legen nahe, dass es prinzipiell möglich ist, für<br />
Zustände mit hinreichend verschiedenem effektiven Dipolmoment den jeweiligen<br />
Anteil am Molekularstrahl signifikant zu verändern.<br />
Hochfeldsuchendes OH wurde fokussiert und <strong>von</strong> anfänglich 355 m/s auf v end =<br />
316 m/s abgebremst (∆E kin/E kin = 21 %). Tieffeldsuchendes OH konnte bei ver-<br />
schiedenen Geschwindigkeiten fokussiert und <strong>von</strong> 345 m/s bis auf 239 m/s abge-<br />
bremst werden, dies entspricht einer Abnahme der kinetischen Energie um 52%.<br />
Der Einfluss der Biasspannung wurde für sämtliche Moleküle untersucht. Für tief-<br />
feldsuchendes OH stimmte die experimentelle Beobachtung qualit<strong>at</strong>iv mit der theo-<br />
retisch erwarteten Abhängigkeit überein. Dagegen konnte für Benzonitril kein ein-<br />
heitliches Verhalten festgestellt werden. Die Vari<strong>at</strong>ion der Biasspannung für hoch-<br />
feldsuchendes OH ergab einen sprunghaften Anstieg der Intensität. Mit großer Wahr-<br />
scheinlichkeit ist dieses Verhalten auf einen elektromagnetischen Übergang zwi-<br />
schen zwei kreuzenden Hyperfeinzuständen des OH-Radikals zurückzuführen.<br />
Alle experimentellen Ergebnisse können durch Monte-Carlo-Simul<strong>at</strong>ionen qualita-<br />
tiv und quantit<strong>at</strong>iv bestätigt werden. Abweichungen der Intensitäten lassen sich<br />
durch die Fehlstellung <strong>von</strong> Elektroden in der Größenordnung <strong>von</strong> 0, 1 mm erklären.<br />
Der Altern<strong>at</strong>ing Gradient-Abbremser wurde während dieser Diplomarbeit <strong>von</strong> einem<br />
auf zwei Module verlängert. Erste Messungen an der längeren Appar<strong>at</strong>ur werden<br />
voraussichtlich ab März 2008 st<strong>at</strong>tfinden.<br />
65
Abstract<br />
In this work, the deceler<strong>at</strong>ion of the molecules <strong>benzonitril</strong>e and OH in different<br />
quantum st<strong>at</strong>es is investig<strong>at</strong>ed, applying the <strong>altern<strong>at</strong>ing</strong>-<strong>gradient</strong> principle to achie-<br />
ve transverse focusing. While the process of deceler<strong>at</strong>ion itself works similar to con-<br />
ventional Stark deceler<strong>at</strong>ors, the <strong>altern<strong>at</strong>ing</strong>-<strong>gradient</strong> principle makes use of the lon-<br />
gitudinal motion of the molecules contained in a molecular beam for focusing. It<br />
employs electric lenses which each have a focusing effect in one transverse directi-<br />
on, and a defocusing effect in the other one. Using an array of 27 electric <strong>altern<strong>at</strong>ing</strong>-<br />
<strong>gradient</strong> lenses, <strong>benzonitril</strong>e in its high-field-seeking absolute ground st<strong>at</strong>e has been<br />
deceler<strong>at</strong>ed from 320 m/s down to 275 m/s. This corresponds to a change of 28% in<br />
kinetic energy (1, 1% per stage). In addition, deceler<strong>at</strong>ion of the excited rot<strong>at</strong>ional<br />
st<strong>at</strong>es JKaKc = 101, 404, and 606 is demonstr<strong>at</strong>ed, resulting in a reduction in kinetic<br />
energy of 23%, 17%, and 12%, respectively. For the two quantum st<strong>at</strong>es 000 and 404,<br />
the separability during simultaneous deceler<strong>at</strong>ion has been investig<strong>at</strong>ed. The results<br />
obtained show th<strong>at</strong> a complete separ<strong>at</strong>ion of these two st<strong>at</strong>es cannot be achieved.<br />
However, simul<strong>at</strong>ions based on the experimental results suggest th<strong>at</strong> the rel<strong>at</strong>ive<br />
abundance of different quantum st<strong>at</strong>es in the molecular beam can be changed signi-<br />
ficantly when using an extended appar<strong>at</strong>us of twice the current length.<br />
OH in both low-field-seeking and high-field-seeking quantum st<strong>at</strong>es has been suc-<br />
cessfully focused and deceler<strong>at</strong>ed. From an initial velocity of 355 m/s, OH in high-<br />
field-seeking quantum st<strong>at</strong>es could be slowed down to 316 m/s, its kinetic energy<br />
being reduced by 21% in the process. OH molecules in low-field-seeking quantum<br />
st<strong>at</strong>es have been slowed from initially 345 m/s down to 239 m/s; thereby more than<br />
half of their kinetic energy was removed. Throughout the experiment, a bias voltage<br />
was applied to the electrodes of the deceler<strong>at</strong>or. Its effect on the signal intensity has<br />
been studied for both <strong>benzonitril</strong>e and OH. While the influence of the bias voltage<br />
has not yet been completely understood, the results for low-field-seeking OH m<strong>at</strong>ch<br />
our expect<strong>at</strong>ions. For OH in its high-field-seeking quantum st<strong>at</strong>e, the d<strong>at</strong>a show a<br />
sudden increase in signal, which most likely can be <strong>at</strong>tributed to a real crossing of<br />
hyperfine levels.<br />
All experimental results can be reproduced by Monte-Carlo-simul<strong>at</strong>ions. Mism<strong>at</strong>-<br />
ches in peak intensities can be explained by a mechanical misalignment on the order<br />
of 0.1 mm. As a part of this thesis, the appar<strong>at</strong>us has been extended to twice its ori-<br />
ginal length, thus consisting now of 54 electric lenses. Experiments using this longer<br />
deceler<strong>at</strong>or will follow in due course.<br />
67
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8068 (2000).
Danksagung<br />
Diese Diplomarbeit wurde am Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft<br />
durchgeführt. Ich möchte allen Personen danken, die mir im letzten Jahr direkt oder<br />
indirekt bei der Verwirklichung dieser Arbeit geholfen haben.<br />
An erster Stelle möchte ich unserem Abteilungsleiter Herrn Prof. Dr. Gerard Meijer<br />
dafür danken, dass er mir diese spannende und anspruchsvolle Arbeit ermöglicht<br />
und mich sehr engagiert unterstützt h<strong>at</strong>.<br />
Besonderer Dank gebührt meinem Gruppenleiter Jochen Küpper, der trotz erfreu-<br />
licher V<strong>at</strong>erpflichten sehr viel Zeit dafür gefunden h<strong>at</strong>, meine zahlreichen Fragen<br />
ausführlich und geduldig zu beantworten. Er h<strong>at</strong> auch bei kleineren Problemen und<br />
Anliegen immer großes Verständnis gezeigt. Ohne seine volle Unterstützung wäre<br />
diese Diplomarbeit nicht möglich gewesen.<br />
Bei Kirstin Wohlfart möchte ich mich nicht nur für die großartige Vorarbeit und ihre<br />
enorme Hilfsbereitschaft während des gesamten Jahres bedanken, sondern auch für<br />
die gute Stimmung an langen gemeinsamen Messtagen. Frank Filsinger h<strong>at</strong> durch<br />
seine Arbeit an der Laserstabilisierung ebenfalls entscheidenden Anteil am Experi-<br />
ment.<br />
André van Roij h<strong>at</strong> mir durch den Zusammenbau der beiden neuen Abbremsmo-<br />
dule sehr geholfen. Gleiches gilt für Henrik Haak, der mich beim Ausbau der Ap-<br />
par<strong>at</strong>ur t<strong>at</strong>kräftig unterstützt h<strong>at</strong>. Unverzichtbar war der Eins<strong>at</strong>z Sandy Gewinners<br />
bei Problemen mit dem Lasersystem sowie die Hilfe Georg Hammers und Manfred<br />
Erdmanns bei vielen alltäglich anfallenden Arbeiten.<br />
Uwe Hoppe danke ich für seinen Eins<strong>at</strong>z bei der Verbesserung der Messsoftware.<br />
Meine Zimmergenossen Peter Zieger, Thomas Middelmann, Juliane Schrittenlacher<br />
und Alexander Stanik haben stets für eine positive Atmosphäre gesorgt. Alex ge-<br />
bührt zusätzlicher Dank für die Implementierung der feedback control-Optimierung<br />
und Peter für das Korrekturlesen.<br />
Meinen Eltern danke ich für das ausführliche Korrekturlesen und vor allem dafür,<br />
dass sie mir das Physikstudium ermöglicht haben.<br />
75
Selbständigkeitserklärung<br />
Ich versichere, dass ich diese Arbeit selbständig verfasst und keine anderen als die<br />
angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe.<br />
Berlin, 20. März 2008 Fabian Grätz<br />
77