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Die Realität des Absurden: Die Entwicklung philosophischer Ideen ...

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Gramlich 1<br />

<strong>Die</strong> <strong>Realität</strong> <strong>des</strong> <strong>Absurden</strong>: <strong>Die</strong> <strong>Entwicklung</strong> <strong>philosophischer</strong> <strong>Ideen</strong> in Friedrich<br />

Nietzsche, Albert Camus und Günter Grass<br />

Philosophische <strong>Ideen</strong> sind keine isolierten, fachlichen <strong>Ideen</strong>. Sie verwandeln und<br />

entwickeln sich zwischen verschiedenen Menschen, Nationen, Zeiten und Formen. So ist<br />

es auch mit der existentialistischen und absurden Philosophie, die einen Platz in der Welt<br />

<strong>des</strong> 20. Jahrhunderts findet. Sie begann im selbigen Jahrhundert in Frankreich unter<br />

Einfluss von vielen wichtigen frueheren Autoren und wirkt dann stark auf nachfolgende<br />

Autoren ein, sogar auf die, die nicht philosophisch schrieben oder schreiben. Friedrich<br />

Nietzsche spielte eine Rolle in den Anfaengen <strong>des</strong> Existenzialismus. Man koennte sagen,<br />

dass er existentialistisch war, weil er ueber die Idee, dass die Existenz <strong>des</strong> Lebens der<br />

Essenz voran geht, nachdachte. So hatte Jean-Paul Sartre Existenzialismus, in<br />

Wirklichkeit ein breites Studium, definiert. Nietzsche hatte aber nicht so viel Einwirkung<br />

auf diese philosophische Bewegung. Hegel, Husserl und Heidegger waren in dieser<br />

Hinsicht wichtiger, waehrend Nietzsche die literarischen und kulturellen Gedanken der<br />

Zeit beeinflusste (Schrift 3).<br />

Ich werde analysieren, wie Nietzsches <strong>Ideen</strong> in Also Sprach Zarathustra Albert<br />

Camus, einen franzoesischen existentialistischen Autor, beeinflussten, der wiederum<br />

einen starken Einfluss auf den deutschen Schriftsteller Guenter Grass hatte. Beide,<br />

Nietzsche und Camus, glaubten an einen positiven Nihilismus, und Camus’<br />

Beschaeftigung mit dem <strong>Absurden</strong> kommt von seiner Beschaeftigung mit Nietzsche. Das<br />

Absurde ist der Zustand, wenn das, was man in der Welt sieht, und wie man die Welt<br />

interpretieren kann, nicht zusammenpassen. Trotzdem glaubte Camus, dass man positiv


sein kann, und benutzt seinen Essay Der Mythos von Sisyphos, um seine Idee zu<br />

Gramlich 2<br />

erklaeren. Sisyphos, der absurde Held, war ein wichtiger Charakter fuer viele Autoren<br />

nach Camus, darunter auch Guenter Grass, der mit der Idee <strong>des</strong> <strong>Absurden</strong> arbeitet. Er<br />

benutzt Sisyphos in seinem Werk, Kopfgeburten, Oder die Deutschen Sterben Aus, als<br />

eine politische Allegorie, um seine <strong>Ideen</strong> vom Fortschritt im politischen Sinn zu<br />

erklaeren. Auch anwesend in seinen Werken sind viele Gedanken, die man als<br />

“nietzscheanistisch” beschreiben konnte. <strong>Die</strong> Linie der Beeinflussung geht von Nietzsche<br />

zu Camus, dann von Camus zu Grass, aber auch vielleicht von Nietzsche zu Grass. Mit<br />

diesen drei Menschen und der <strong>Entwicklung</strong> <strong>des</strong> Charackters von Sisyphos koennen wir<br />

analysieren, wie die philosophischen <strong>Ideen</strong> vom positiven Nihilismus und dem <strong>Absurden</strong><br />

durch Nationen fahren und sich aendern.<br />

Einfach gesagt ist Nihilismus, was wichtig ist, um Nietzsche und Camus zu<br />

verstehen, nicht der Glaube an Nichts, sondern, wenn man gar keinen Glauben hat. Er ist<br />

eine Disjunktion zwischen unserer Erfahurung der Welt und unserer Moeglichkeit, sie zu<br />

interpretieren (Ansell-Pearson 35). Nihilismus setzt voraus, das wir die Welt und unsere<br />

Rollen in der Welt einfach nicht verstehen koennen und dass die Religion keine gute<br />

Loesung bietet. Mit Nihilismus akzeptiert man, dass es keinen endgueltigen Lebenszweck<br />

gibt. Aktiver Nihilismus ist allerdings sehr positiv, denn man akzeptiert total diese<br />

Zwecklosigkeit und benutzt sie als eine Moeglichkeit fuer unendliche Gelegenheiten<br />

(Belliotti 144). Wie kann man das tun? Beide, Nietzsche und Camus, foerdern eine<br />

Philosophie, in der man ein bedeutungsvolles Leben, trotz <strong>des</strong> scheinbar drohenden<br />

Nihilismus, schaffen kann.


Gramlich 3<br />

Friedrich Nietzsche postulierte eine positive und lebensbejahende Philosophie von<br />

Aktion. Seine Philosophie ist eine Art positiver Nihilismus, und man kann sie besonders<br />

in seinem Werk Also Sprach Zarathustra sehen. Nietzsche denkt, es ist bestimmt<br />

schwierig, diese Zwecklosigkeit als eine Moeglichkeit zu sehen, aber moeglich, wenn<br />

man zu Zerstoerung und Neugestaltung offen steht (144). Nach Nietzsche ist alles im<br />

Wandel begriffen, obwohl die einfachsten Menschen denken, dass alles stabil ist und wir<br />

<strong>des</strong>wegen unsere objektiven <strong>Ideen</strong> von Gut und Boese haben (Nietzsche 218). Selbst die<br />

elementaren Lehren unserer Ethik, zum Beispiel, dass man nicht stehlen oder jemanden<br />

umbringen soll, sind nur Illusionen. Im Gegensatz zu der religioesen Moralitaet der Zeit<br />

fand Nietzsche das Mitleid als veraechtlich; er sah die Froehlichkeit als eine<br />

Notwendigkeit, und er dachte, dass die Ethik jedem Menschen voellig persoenlich ist.<br />

Nietzsche schreibt demnach, „O my brothers, shatter, shatter the old law-tables!” (219).<br />

Er wollte, dass Menschen ihre Moral total wegwerfen und eine neue Ethik schaffen.<br />

Nicht alle Menschen koennen so was Radikales tun; nur der Uebermensch kann wirklich<br />

erfolgreich sein. <strong>Die</strong> meisten Menschen werden wahrscheinlich nie Uebermenschen, aber<br />

sie koennen es versuchen. „What is great in man,“ schreibt Nietzsche, „is that he is a<br />

bridge and not a goal; what can be loved in man is that he is a going-across and a down-<br />

going“ (44). Wir koennen kein Ziel erreichen (Belliotti 142), aber wir muessen trotzdem<br />

wirklich leben. Ein echtes Leben ist eins, das man sich unendlich wuenschen wuerde,<br />

einschliesslich der schwierigen und tragischen Momente.<br />

Camus war auch ein positiver Nihilist, der die Welt mit einem wichtigen Wort-<br />

dem <strong>Absurden</strong>- beschreibt. Er sagt, es gaebe eine Diskrepanz zwischen unseren<br />

Anforderungen und dem Universum, das keine Antworten hat (Belliotti 146). Wir wissen


Gramlich 4<br />

inzwischen, dass er viel von Nietzsche bekam und dass Nietzsche auch das Konzept <strong>des</strong><br />

<strong>Absurden</strong> benutzte. Brunssen schreibt:<br />

Fuer Nietzsche, der das Absurde auch als „Chaos und Labyrinth <strong>des</strong><br />

Daseins“...bezeichnet, ist das Absurde...ein Phaenomen, das aus dem Konflikt<br />

zwischen dem Subjekt und einer von jeglicher Metaphysik, von allen absoluten<br />

Werten und Idealen entzauberten Welt hervorgeht...“ (27).<br />

Also ist die Welt an sich nicht absurd, sondern es liegt an der Auseinandersetzung mit der<br />

Welt, dass fuer Menschen die Welt absurd erscheint. Das Absurde existiert fuer<br />

Nietzsche und Camus, weil es Menschen gibt, die alles verstehen wollen, die sich aber<br />

gleichzeitig der Vergaenglichkeit ihres Seins- und daher auch der Existenz an und fuer<br />

sich- bewusst sind. Nach Camus wird das Absurde immer existieren, jedoch koennen wir<br />

darauf mit drei verschiedenen Wahlen reagieren. Man kann Selbstmord begehen,<br />

Religion finden, oder trotz <strong>des</strong> Schicksals weiter leben (146).<br />

In Sisyphos spricht er viel darueber, warum Selbstmord keine gute Wahl ist. Er<br />

schreibt, „Suicide, like the leap, is acceptance at its extreme“ (54). Selbstmord ist aber<br />

auch eine Verleugnung. Der absurde Mann muss durch seinen taeglichen Aufstand leben,<br />

um seine einzige Wahrheit zu beweisen- seinen tollkuehnen Widerstand (55). Obwohl<br />

Selbstmord das Absurde besiedelt, ist er eine Beleidigung <strong>des</strong> Lebens. Religion ist<br />

genauso eine schlechte Wahl, denn sie ist nach Camus, wie Nietzsche auch denkt, nur<br />

eine falsche Illusion (146). <strong>Die</strong>se Auswahlen koennen nur das Absurde ignorieren oder<br />

verdecken. Deshalb fordert Camus eine voellige Akzeptanz der Realitaet (van Stralen<br />

73). Sisyphos, der ewig einen Feldstein den Huegel hinauf und dann hinunter rollen<br />

muss, ist der absurde Held. Waehrend <strong>des</strong> Abstiegs realisiert er seine Situation, und


dieses Bewusstsein, sagt Camus, sei tragisch. Wir aber muessen uns vorstellen, dass<br />

Sisyphos gluecklich ist. <strong>Die</strong> an sich sinnlose Arbeit selbst kann einen Sinn schaffen.<br />

Gramlich 5<br />

Belliotti erklaert, der Stein ist Sein und dieser Stein kann einen Sinn schaffen, denn der<br />

Sinn kann eine „single-minded engagement“ (Belliotti 148). Ich finde, Sisyphos ist<br />

aehnlich zu Nietzsches Konzept <strong>des</strong> Uebermenschen. Beide sind fuer die respektiven<br />

Autoren ihre Helden, die ihren positiven Nihilismus repraesentieren.<br />

Nietzsche und Camus fordern, dass man einen Sinn in der Welt schaffen muss,<br />

aber gibt es tatsaechlich in der Welt einen Sinn? Ist es nur, meine ich, dass man ihn nicht<br />

finden oder begreifen kann? Ich finde, in dieser Frage kann man den ersten Unterschied<br />

zwischen den zwei Philosophen finden. Dazu schrieb Camus, dass er das gar nicht weiß.<br />

Ausserdem sagte er, „Ich weiss, dass ich diesen Sinn nicht kenne und dass ich ihn<br />

zunaechst unmoeglich erkennen kann. Was bedeutet mir ein Sinn, der ausserhalb meiner<br />

Situation liegt? Ich kann nur innerhalb menschlicher Grenzen begreifen“ (47- 28 in<br />

Brunssen). Nietzsche wuerde sagen, dass es keinen objektiven Sinn gibt. Das sagt er auf<br />

indirekte Weise in seiner beruehmten Aussage, „Gott ist tot.“ Dabei meint er nicht, dass<br />

er Gott hasst, obwohl er das Christentum kritisierte, sondern, dass wir Gott toeteten und<br />

es <strong>des</strong>wegen keine Moral gibt. Es ist einfach nicht moeglich, einen objektiven Sinn zu<br />

haben; wir muessen ihn schaffen. Obwohl Camus ebenfalls wie Nietzsche Atheist war,<br />

koennte man vielleicht sagen, dass seine Philosophie im Gegensatz zu Nietzsches steht,<br />

weil sie die Existenz Gottes einberechnet. Wenn Gott existiert und <strong>des</strong>wegen auch ein<br />

Sinn in der Welt existiert, gibt es noch das Absurde, denn das Absurde findet sich in dem<br />

Gefuehl von der Entzweiung eines Menschens.


Nietzsches Idee von ewiger Wiederkunft ist besonders wichtig fuer ein<br />

Gramlich 6<br />

Verstaendnis von Camus’ Essay ueber Sisyphos. Man koennte sagen, dass die <strong>Ideen</strong> von<br />

Nietzsche und Camus nicht zusammen passen, da in der Geschichte von Camus Sisyphos<br />

eigentlich keine Wahl hat. Sisyphos ist von den Goettern zu diesen Schicksal verurteilt<br />

worden. Auf der anderen Seite spricht Nietzsche viel ueber die Macht <strong>des</strong> Individuums.<br />

Man soll nicht nur sich selbst schaffen, sondern auch die Welt. In diesem Sinne ist man<br />

frei. Wenn man aber nach dieser Freiheit sucht, kann man sie nicht finden. „Your search<br />

has fatigued you and made you too wakeful,” schreibt er (70). Durch unseren Willen<br />

bekommen wir Freiheit (111). Camus spricht auch viel von Freiheit. Er sagte einmal in<br />

einem Interview, dass es die Arbeit eines Schriftstellers in der modernen Welt ist, eine<br />

„witness to freedom“ zu sein (Kritzman 468). Aber ob man wirklich frei ist, damit<br />

beschaeftigt sich Camus nicht. Er kann die Freiheit nur erleben, und das ist was wichtig<br />

ist (Camus 56).<br />

Das Beispiel von Sisyphos ist nur eine Metapher, aber wir alle haben Grenzen in<br />

unserem Leben, auch wenn wir nicht verurteilt sind wie Sisyphos. Allerdings kann<br />

Sisyphos die Freiheit noch erleben. Nietzsche und Camus stimmen ueberein, dass wir alle<br />

das gleiche Schicksal eventuell erleben (ein Beispiel von unseren menschlichen<br />

Grenzen), und wenn wir nachdenklich sind, ist diese Realisierung manchmal tragisch.<br />

Daher kommt die Absurditaet der Existenz. Jedoch muessen wir dieses Schicksal<br />

akzeptieren. Wenn Sisyphos seine Realitaet akzeptieren will, muss er den Stein immer<br />

noch oben anschieben und wir muessen ihn uns als froehlich einbilden. Wenn er das tut,<br />

wuenscht er sich dasselbe immer wieder, wie Nietzsche fordert, und die sinnlose und


Gramlich 7<br />

unfreiwillige Natur seiner Arbeit wird fuer ihn bedeutungsvoll. Sisyphos wandelt sich<br />

also vom Opfer zum Handelnden seines Schicksals.<br />

Wir alle sind natuerlich nicht Sisyphos und denken, dass wir mehr Freiheit haben.<br />

<strong>Die</strong> Realitaet ist, wir sind Menschen und werden irgendwann sterben. Nach Nietzsche<br />

und Camus hat die Welt keinen Sinn, oder min<strong>des</strong>tens koennen wir ihn nicht verstehen.<br />

Jedoch denken wir, dass wir einen Wert haben. <strong>Die</strong>ser Glaube ist nicht bestimmt falsch,<br />

weil wir einen Wert fuer uns schaffen koennen. Unsere Beschaeftigung mit dieser<br />

Absurditaet der Existenz und eine erforderliche Akzeptanz davon und ein Wille dafuer<br />

koennen eine Befreiung und einen moeglichen Sinn erschaffen.<br />

Ich finde, es gibt etwas Paradoxes in Also Sprach Zarathustra, was auch wichtig<br />

ist, um Camus besser zu verstehen. Es scheint, als ob ein Verstaendnis vom<br />

Uebermenschen ein lineares Konzept von der Zeit braucht, waehrend die ewige<br />

Wiederkunft ein kreisfoermiges voraussetzt (Ansell-Pearson 116). Clark sagt, wenn<br />

Nietzsche den Uebermenschen postuliert, sei er mit dem Leben nicht zufrieden, denn er<br />

kann es nicht als einen Zweck an sich sehen (118). <strong>Die</strong> ewige Wiederkunft fordert aber,<br />

dass man sein Leben genau, wie es jetzt ist und war, ewig will. Ansell-Pearson fragt,<br />

„How can one sacrifice the present for the future in a way that is free of resentment?”<br />

(107) Ich finde, man kann das ganz anders sagen. Was motiviert einen, sich zu aendern,<br />

wenn man dasselbe Leben will? Vielleicht existiert ein Unterschied zwischen dem Leben<br />

und unserer Gesinnung oder Ethik. Wir koennen dasselbe Leben wollen, aber in einem<br />

Sinn fordert das auch eine neue Lebensauffassung. Um dasselbe Leben zu wollen, muss<br />

man eigentlich froh sein und gar ohne Gefuehle von der Verstimmung. Ich glaube, die


Gramlich 8<br />

zwei <strong>Ideen</strong> von der ewigen Wiederkunft und dem Uebermenschen koennen auf diese Art<br />

zusammenpassen.<br />

Camus wuerde auch zustimmen. Sisyphos denkt gar nicht ueber die Zukunft nach,<br />

aber wenn wir diese zukuenftigen Ziele als neue Lebensauffassungen, im Gegensatz zu<br />

einem anderen Leben oder Lebenserfahrungen haben, passen diese Ziele in dem Mythos<br />

ein. Sisyphos macht nichts, was besonders „gut“ oder ein Endziel beschreiben koennte.<br />

Er ist aber gluecklich mit seiner Arbeit und wuerde nicht weiter gehen ohne diese<br />

Gluecklichkeit. Camus schreibt, dass wir ihn als froehlich einbilden muessen. Es ist eine<br />

Forderung. Wenn Sisyphos keine gute Lebensauffassung schaffen koennte, dann koennte<br />

man sagen, dass er das Absurde nicht akzeptiert. Also benutzt Camus nicht die Funktion<br />

der Zukunft in seiner Schrift, aber die <strong>Ideen</strong> von Nietzsche machen hier Sinn. Es ist leicht<br />

zu sehen, wie sie beide positive Nihilisten waren.<br />

Aber inwiefern ist Camus anders als Nietzsche? Wir wissen schon, dass beide<br />

Nietzsche und Camus positive Nihilisten waren. Ihre Helden, der Uebermensch und<br />

Sisyphos, sind auch sehr aehnlich, und Nietzsches Idee von ewiger Wiederkunft ist<br />

besonders wichtig, um Der Mythos von Sisyphos zu verstehen. Sie muessen aber<br />

Unterschiede haben, und ich finde, dass Camus viel pessimistischer ist. In seinem Essay<br />

schreibt er, „Between the certainty I have of my existence and the content I try to give to<br />

that assurance, the gap will never be filled. Forever I shall be a stranger to myself”<br />

(Camus 19). Der beruehmte Spruch von Socrates ist fuer ihn nicht nur unmoeglich,<br />

sondern auch nostalgisch (Camus 19). Waehrend Nietzsche wollte, dass man sich selbst<br />

neu erschafft, denkt Camus, dass man nie sich selbst verstehen kann. Obwohl Camus


Gramlich 9<br />

auch den positiven Nihilismus postulierte, finde ich seine Idee vom Selbstbewusstsein<br />

pessimistischer als Nietzsches.<br />

Es ist nicht nur, dass man Unterschiede zwischen Nietzsche und Camus sehen<br />

kann. Camus sagte oeffentlich, dass er Nietzsche verpflichtet war, aber zur gleichen Zeit<br />

kaempfte er gegen viele von Nietzsches <strong>Ideen</strong> (Aubyn 111). Er sagte 1951 in einem<br />

Interview, „What is admirable in Nietzsche, is that you always find in him something to<br />

correct which is dangerous elsewhere in his ideas“ (Sefler 419-20). Was soll das heissen?<br />

Ich finde, waehrend Nietzsche eine positive Philosophie von Aktion erschuf, gab es<br />

keinen Raum in seiner Philosophie fuer die Interaktionen zwischen Menschen, die sehr<br />

anders sind. Wahrscheinlich weil Camus viel politischer als Nietzsche war, kritisierte er<br />

Nietzsches mangelnde objektive Moralitaet. Camus lebte in der Zeit nach dem Holocaust<br />

und <strong>des</strong>wegen denkt Ansell-Pearson, dass es schwieriger fuer ihn war, ohne Moral und<br />

die Beurteilung von der Gesellschaft zu leben (Ansell-Pearson 59). Nietzsche sprach<br />

nicht so viel darueber, wie Menschen miteinander sich benehmen sollen. Seine Kritik der<br />

Gesellschaft war streng, aber seine Antworten dafuer waren abhaengig von dem<br />

Individuum und seine Moral. Nietzsche wollte keine politische Revolution, sondern eine<br />

kulturelle Revolution, in der wir unsere <strong>Ideen</strong> ueber die Welt befragen. Er sah die Politik<br />

als ein Mittel zum Zweck (7). Er dachte, wir sind jetzt in einer „pathological transitional<br />

stage,“ durch die wir hindurch gehen muessen (36). <strong>Die</strong> Funktion der politischen Welt<br />

war fuer Nietzsche nicht so wichtig. Er wollte, dass eine kulturelle Revolution passiert, in<br />

der jede Person das Selbst neu erschafft. Es gibt ein paar Probleme damit. Zuerst, was<br />

wuerde passieren, wenn wenige Leute so was tun? Was noch wichtiger zu fragen waere,<br />

was wuerde passieren, wenn ihre Moral nicht zusammenpasste? Jedoch ist Nietzsches


Gramlich 10<br />

Philosophie sehr optimistisch, und vielleicht weil sie sich gar nicht mit diesem Problem<br />

beschaeftigt.<br />

Andererseits glaubte Camus nicht an die Moeglichkeit sozialer Verbesserung (van<br />

Stralen 73). Er dachte, wie ich frueher sagte, dass die Situation <strong>des</strong> <strong>Absurden</strong> immer<br />

existieren wird, solange die Menschen existieren und versuchen, die irrationale Welt zu<br />

konfrontieren (Camus 21). Ein Mann, der von dem <strong>Absurden</strong> weiß, ist ewig daran<br />

gebunden (31). Sisyphos ist der absurde Held, weil er weder naiv optimistisch, noch total<br />

verzweifelt ist (Kritzman 465). Zur gleichen Zeit aendert er nicht die Welt (466). Er<br />

konfrontiert das Absurde und seine Gluecklichkeit mit seiner Arbeit kann einen<br />

Widerstand seines Schicksals repraesentieren. Kritzman erklaert, dass die politische<br />

Perspektive von Camus die Notwendigkeit und auch die Grenzen <strong>des</strong> politischen<br />

Widerstands hervor hebt (468). Also wie Sisyphos sich gegen sein Schicksal auflehnt,<br />

aber nicht alles aendern kann, gibt es fuer Camus Grenzen <strong>des</strong> politischen Widerstands.<br />

Das Ergebnis ist eine negativere Hoffnung fuer die Welt als bei Nietzsche. Haette<br />

Nietzsche mehr ueber die Gesellschaft und darueber, wie sie funktionieren soll, zu sagen,<br />

vielleicht wuerde er auch so ein Ergebnis postulieren. Wir muessen uns aber daran<br />

erinnern, dass Camus’ <strong>Ideen</strong> ueber das Individuum auch nicht so optimistisch erscheinen.<br />

Guenter Grass, der viel von Camus und vielleicht auch Nietzsche in seinen<br />

politischen <strong>Ideen</strong> bekam, repraesentiert, wie das Konzept <strong>des</strong> <strong>Absurden</strong> in die moderne<br />

politische Welt passen kann. Er wurde 1927 geboren, und von Camus’ Der Mythos von<br />

Sisyphos wurde er besonders beeinflusst. Grass’ Buecher konzentrieren sich allgemein<br />

auf ein oder zwei Probleme in der modernen Welt und in der Zukunft dieser Welt. Auf<br />

eine Interviewfrage, ob er lehren oder warnen oder sonst etwas wollte, antwortete Grass,


dass er die Leser einfach nicht irrleiten wolle. Auch sagte er, dass Menschen<br />

Gramlich 11<br />

niedergeschlagen seien, nicht, weil alles schrecklich sei, sondern weil wir alles, was wir<br />

begonnen haben, aendern koennten und es nicht machten (Grass, Gaffney 27). <strong>Die</strong>se Idee<br />

passt gut zu der Idee <strong>des</strong> <strong>Absurden</strong>. Wir schaffen Probleme in einer Welt, aber irgendwie<br />

haben wir Schwierigkeiten, auf sie zuzugreifen. Wie Nietzsche, der durch Zarathustra<br />

sagt, dass man seinen eigenen Weg finden soll, sagt Grass auch nicht zu seinen Lesern,<br />

was sie tun sollen. Zarathustra zoegerte allerdings gar nicht die Gesellschaft, die Religion<br />

und die Kultur zu kritisieren, aber er sagte auch, dass man seinen eigenen Weg als eine<br />

Reaktion auf diese Gesellschaft finden muss. Ein persoenliches Verstaendnis und eine<br />

persoenliche Behandlung von der manchmal absurden Wahrheit ist fuer Nietzsche,<br />

Camus und auch Grass eine Notwendigkeit.<br />

Bevor ich Grass’ Text analysiere, will ich seine persoenlichen <strong>Ideen</strong> zu Politik<br />

verstehen, denn er benutzt die Sisyphos-Allegorie, um seinen politischen Glauben in<br />

einem Interview zu erklaeren. 1991 in diesem Interview sagte Grass,<br />

I don’t believe in an end goal. I don’t think the stone will ever remain at the top of<br />

the mountain. We can take this myth [of Sisyphos] to be a positive depiction of<br />

the human condition…It may be that the stone always sli<strong>des</strong> away from us and<br />

must be rolled back up again, but it’s something we must do; the stone belongs to<br />

us (Grass, qtd. in Gaffney 29).<br />

Grass ist politisch sehr aktiv. In den 90er Jahren kritisierte er die Wiedervereinigung<br />

Deutschlands und wie schnell alles lief. Willy Brandt sagte, dass der Zug nach der<br />

deutschen Wiedervereinigung den Bahnhof verliess, und niemand ihn halten konnte.<br />

Dazu sagte Grass, er wolle keinen Zug fahren, der nicht gefuehrt werden koenne (20).


Gramlich 12<br />

Natuerlich war die Metapher von Brandt, aber er stimmt gut mit dem Mythos ueberein.<br />

Was wichtig ist, um den Mythos zu verstehen, ist, dass die Meinung, die Sisyphos findet,<br />

nicht nur von der Arbeit kommt, sondern von seiner Beziehung zu der Arbeit und dem<br />

Stein. Als Camus die Geschichte schrieb, haette er auch Sisyphos ohne die Aktivitaet<br />

beurteilen koennen. Oder Camus haette schreiben koennen, dass der Stein immer von<br />

Sisyphos wegrollt, so dass Sisyphos ihn nie einholen koennte. <strong>Die</strong> Geschichte wuerde<br />

dann sehr anders sein, denn es ist nicht nur der Stein, sondern auch seine aktive<br />

Beziehung zu dem Stein, in dem Sisyphos eine Meinung findet. So funktioniert es<br />

manchmal in der Gesellschaft. Grass kritisiert die Idee, dass die Wiedervereinigung so<br />

schnell geht und ohne den Druck von den Deutschen. Ich finde, Grass wuerde sagen, dass<br />

der Prozess mehr gehen sollte wie Sisyphos den Stein schiebt. Er waere langsamer und<br />

schwieriger, aber besser, nach Grass, weil die Menschen ihn fuehren koennten.<br />

In Grass’ Text, Kopfgeburten, Oder die Deutschen Sterben Aus, sieht man, wie er<br />

Sisyphos als politische Allegorie benutzt, besonders, wenn er die Charaktere von Harm<br />

und Doerte Peters beschreibt. Der Text findet 1979 vor der parlamentarischen Wahl statt<br />

und ist teils autobiografisch, teils fiktiv. Manchmal benutzt Grass das Autoren-Ich und<br />

schreibt ueber seine <strong>Ideen</strong> von der Politik und dem Mythos von Sisyphos. <strong>Die</strong> Geschichte<br />

handelt allerdings meistens von einem fiktiven Ehepaar, Harm und Doerte Peters, die<br />

aktiv waehrend der Protestjahre waren und jetzt Lehrer und noch politisch aktiv sind.<br />

Harm ist ein Mitglied der SPD und Doerte der FDP, aber beide arbeiten fuer das, was sie<br />

und Grass als progressive Reformen beschreiben. In Deutschland, zum Beispiel, sorgen<br />

sie sich um die Umwelt, die Abschaffung der Atomenergie und den kommenden<br />

politischen Wahlkampf, besonders um die Bedrohung von der CDU/CSU (Cory 524).


Gramlich 13<br />

Wenn man diese Fragen zu Reden von Grass in den 70er und 80er Jahren vergleicht, sieht<br />

man, dass Grass selbst darueber besorgt war (524).<br />

<strong>Die</strong> Geschichte geht auch um Harm und Doerte’s Realisierung globaler Probleme<br />

und wie sie aehnlich wie Sisyphos reagieren. Sie reisen ein paar Wochen nach Indien und<br />

gehen in die Slums, um die „echten“ Lebensprobleme zu verstehen, naemlich die<br />

Verarmung und die Unternaehrung trotz der Ueberbevoelkerung. Interessant ist der Name<br />

von dem Touristikunternehmen; es heisst Sisyphos. <strong>Die</strong> Broeschure beschreibt, dass die<br />

Reise nur fuer Leute ist, die den Stein schieben und auch die Wahrheit wissen wollen,<br />

auch wenn sie tragisch ist (Grass 25). Harm und Doerte moegen die Fakten wissen und<br />

uebernachten waehrend der Tour bei einer Familie. In diesem Sinn wollen sie die<br />

Absurditaet der Existenz konfrontieren. <strong>Die</strong> Deutschen sterben aus, aber andere Laender<br />

muessen sich mit der Ueberbevoelkerung beschaeftigen. Nur Menschen sind schuldig<br />

fuer das Problem der Ueberbevoelkerung, aber die Loesung ist ganz schwierig. Das<br />

Problem ist ein bisschen absurd, und das Ehepaar will mehr darueber wissen. Harm sieht<br />

seine politische Arbeit als Mitglied der SDP auf aehnliche Weise. Mit jeder kleinen<br />

Reform schiebt er den Stein den Huegel hinauf, aber die Arbeit endet nie. Er sagt, dass es<br />

immer eine andere Reform gibt, bis der Stein wieder unten liegt, wartend. Doerte<br />

ermutigt ihn und sagt, dass Sisyphos der Meister seines Schicksals ist, und dann geht er<br />

noch weiter (80). Harm, schreibt Grass, sei wirklich der absurde Held (80). Er arbeitet<br />

fuer seine politischen Hoffnungen, obwohl es kein Ende in Sicht gibt, und spezifisch in<br />

diesem Buch reist er in Drittweltlaender, um Probleme zu verstehen, die er nie loesen<br />

kann.


Gramlich 14<br />

Solche Gesinnung soll sehr empfohlen sein, aber zur gleichen Zeit wundere ich<br />

mich, inwieweit die Sisyphos Allegorie in Kopfgeburten standhaelt, wenn man ueber<br />

Harm und Doertes Unfaehigkeit, die Absurditaet der Welt zu konfrontieren, nachdenkt.<br />

Zum einen ist das erkennbar an der Idee vom Fortschritt, die in dem Roman eine grosse<br />

Rolle spielt. Der Fortschritt ist fuer Harm und Doerte eine Angewohnheit (Grass 130).<br />

Sie arbeiten fuer Reformen und wollen immer mehr verstehen, weil sie das immer getan<br />

haben, aber was bekommen sie davon? Wie viel koennen sie eigentlich, zum Beispiel,<br />

von der Reise bekommen? Danach und zwischen anderen Aktivitaeten gehen sie zu den<br />

Bequemlichkeiten eines Hotels. Am Ende <strong>des</strong> Buches sagt Harm auch, „I’m beginning to<br />

feel afraid of myself...All we’ve been doing is running after someone, I don’t know<br />

whom“ (130). Durch ihre Reisen lernten sie mehr ueber die Welt, aber beide sagen, dass<br />

sie die Ungerechtigkeiten in ihrer Heimat nicht sehen konnten (133).<br />

Zum anderen ist das erkennbar an der Beschaeftigung <strong>des</strong> Ehepaars mit einer<br />

persoenlichen Frage: das Kind Ja, das Kind Nein. Ihre Unentschiedenheit ueber die Frage<br />

repraesentiert ihre Widerwilligkeit, das Absurde zu konfrontieren. Sie koennen nie<br />

entscheiden, was sie wollen, und meistens haben sie die entgegengesetzten <strong>Ideen</strong> zur<br />

gleichen Zeit. Doerte sagt, dass sie nie ein Kind in diese Welt unter dem konservativen<br />

CSU-Politiker Franz Josef Strauss bringen wuerde (Grass 134). Am Ende schreibt Grass,<br />

dass sie ein Kind wollen, aber nein dazu sagen (130). Ich glaube, wenn Harm und Doerte<br />

die Idee von einem Baby aufgeben, auch wenn sie eins wirklich wollen, verlieren sie ihre<br />

Hoffnungen und Lust fuer politische und soziale Aenderung. Mark Cory schreibt, dass<br />

das Problem <strong>des</strong> Babys ihre eigene Unfaehigkeit repraesentiert, eine Verpflichtung zu der<br />

Zukunft Deutschlands einzugehen (Cory 525). Ich finde hier die Lehre von Nietzsche


Gramlich 15<br />

angebracht. Er schreibt, als Zarathustra, dass er das Land seiner Kinder liebt, das noch<br />

unentdeckt ist (Nietzsche 144). Harm und Doerte denken, dass sie die Absurditaet der<br />

Welt konfrontieren, aber sie kommen immer nicht weit genug. Sie sprechen ueber den<br />

Fortschritt und gehen weiter mit ihren politischen Wahlfeldzuegen, aber glauben sich<br />

selbst nicht und haben keine Hoffnungen fuer die Zukunft.<br />

Was koennen wir davon bekommen? Ist es irgendwie moeglich, der absurde Held,<br />

Sisyphos, zu sein? Harm und Doerte sind liberale, progressive und besorgte Buerger.<br />

Wenn es keine Hoffnung fuer sie gibt, was dann? Kann der Fortschritt sich eine Meinung<br />

selbst schaffen, oder muss er grosse, positive Ergebnisse schaffen? Vielleicht steht Harm<br />

zu stark bei der Allegorie. Grass selbst sagt, dass er einen Stein rollt, aber fuegt hinzu,<br />

„Look, stone. See how lightly I take you. You are so absurd and so used to me that<br />

you’ve become my trademark” (Grass 81). Grass lacht ueber den Stein, der ihn zu einem<br />

Held machen will. Es ist okay, nach Grass, nicht perfekt zu sein, aber man muss weiter<br />

gehen. Der Stein soll den Held nicht kontrollieren. Nietzsche wuerde dazu sagen, finde<br />

ich, dass Harm und Doerte misslingen, weil sie noch in dem selben System arbeiten. Sie<br />

haben sogenannte progressive <strong>Ideen</strong>, aber sie sind nur politische <strong>Ideen</strong>. Nietzsche sah die<br />

Politik nur als ein Mittel um das Ende, also wuerde er sagen, dass Harm und Doerte nicht<br />

quer denken. Andererseits finde ich die <strong>Ideen</strong> von dem Autoren-Ich in Kopfgeburten ein<br />

bisschen radikaler. Er will zum Beispiel den Pflichtschulunterricht abbauen; die Richter<br />

mit einem Zehntel der Strafzeit, die sie zumessen, bestrafen; keine Beamten haben; und<br />

dass die zwei Staaten (das Buch wurde vor dem Fall der Mauer geschrieben) ihre<br />

Systeme alle zehn Jahre wechseln (70-71). Es ist nur ein Traum, aber er repraesentiert<br />

eine ernste Unzufriedenheit mit der Gesellschaft.


Gramlich 16<br />

Grass schreibt diese <strong>Ideen</strong> durch sein Autoren-Ich, das auch sagt, dass Harm und<br />

Doerte Lehrer sind und denken, dass diese Aenderungen nur viele Menschen behindern<br />

wuerden (Grass 73). Eine andere Idee von dem Autoren-Ich ist es, eine deutsche<br />

Nationalstiftung zu bilden, um die Kluft zwischen Ost und West zu ueberbruecken. Es ist<br />

nur ein Traum, oder eine Kopfgeburt, sagt er, aber Cory denkt, Grass’ Hoffnungen fuer<br />

die Rolle der Literatur sind sehr stark (Cory 528). Grass schreibt, „Only literature (with<br />

its inner lining: history, myths, guilt, and other residues) arches over the two states that<br />

have so sulkily cut themselves off from each other“ (Grass 122). Andererseits beschreibt<br />

Harm die Literatur als eine Ablenkung (Cory 528). <strong>Die</strong>se <strong>Ideen</strong> sind ein bisschen<br />

nietzscheanistisch, weil sie ganz neu und grossartig sind und in dem normalen Konzept<br />

von der Gesellschaft nicht funktionieren koennen.<br />

Wie koennen wir diese nietzscheanistisch <strong>Ideen</strong> von Erschoepfung mit dem<br />

<strong>Absurden</strong> und Sisyphos in Kopfgeburten zusammen verstehen? Ich benutzte hier ein<br />

Beispiel. In dem Buch stellt Grass eine Situation als Fiktion dar, in dem es eine Billion<br />

Deutsche gibt. Er beschreibt sie als ruhelos. Aber warum wuerden sie ruhelos, fragt er?<br />

Es ist nicht der Fall, schreibt Grass, dass sie Gott finden oder den Sinn erfinden wollen,<br />

sondern sich selbst kennen wollen (Grass 29). Ist das nicht eine endlose Suche? Was sind<br />

die Deutschen? <strong>Die</strong> Frage ist bekannt. Menschen und Literatur beschaeftigen sich viel<br />

damit. Vielleicht ist eine Antwort, dass die Suche genauso wichtig ist wie die Schoepfung<br />

einer deutschen oder persoenlichen Identitaet. <strong>Die</strong> Schoepfung erfordert die Arbeit von<br />

vielen Menschen, und besonders, wuerde Grass sagen, Autoren, waehrend der Fortschritt<br />

der Identitaetsfrage eher passiv und reflektiv ist. Also wenn man den Stein schiebt,<br />

schafft man manchmal auch etwas Neues. Ich denke, fuer Camus kann irgendeine Arbeit


Gramlich 17<br />

bedeutungsvoll sein, aber fuer Nietzsche und Grass muss sie auch positiv, kreativ oder<br />

etwas mehr sein. Fuer Nietzsche heisst das Schoepfung und fuer Grass heisst das<br />

politische Hoffnungen durch total neue Reformen.<br />

Grass benutzt Harm und Doerte Peter, um seine <strong>Ideen</strong> vom Fortschritt zu<br />

erklaeren. In Aus dem Tagebuch einer Schnecke, mehr als zehn Jahre vorher, schrieb<br />

Grass, dass der Fortschritt zu langsam ist (Grass 131). Jetzt in Kopfgeburten redefiniert er<br />

den Fortschritt, weil der Fortschritt eigentlich zu schnell war und langsamer, echter<br />

Fortschritt notwendig ist. Rohlfs schreibt, dass „Autoren-Ich“ postuliert einen<br />

vorsichtigen Optimismus gegen die aufgegebene Stellung <strong>des</strong> Ehepaares, um eine<br />

positive Unterstuetzung zu der zu geben (Rohlfs 200). <strong>Die</strong> Position von Grass fordert<br />

mehr Zeit fuer den Fortschritt, denn er glaubt an einen Fortschritt, der langsamer und mit<br />

mehr Bemuehung stattfindet. Das ist warum, schreibt Grass, Sisyphos einen<br />

Vierradantrieb nicht kauft; er will seinem Stein nicht mehr Gas geben (Grass 129). Das<br />

Absurde erfordert, dass man nicht alles sofort versteht. Der Fortschritt, wenn er schnell<br />

geht, ist nicht erfolgreicher, sondern will einfach nicht das Absurde konfrontieren. Nach<br />

Camus ist das gefaehrlich. In diesem Sinn kritisiert Grass Harm, Doerte und die moderne<br />

Gesellschaft mit der Hilfe von Sisyphos als eine politische Allegorie.<br />

<strong>Die</strong> Idee <strong>des</strong> <strong>Absurden</strong>, dass heisst, dass das, was man erlebt und wie man die<br />

Welt verstehen kann, eigentlich nicht zusammen passen koennen, ist hier sehr wichtig.<br />

Das Konzept wurde von Camus befoerdert, aber vorher wurden die <strong>Ideen</strong> von Nietzsche<br />

sehr einflussreich auf ihn. Camus hatte dann auch grosse Einfluesse, besonders auf<br />

Guenter Grass, einen deutschen Schriftsteller. <strong>Die</strong> wichtige Frage, die vom Streit<br />

zwischen Nietzsche und Camus aufkommt, ist, ob wir immer pessimistisch sein muessen,


Gramlich 18<br />

wenn wir eine Gesellschaft analysieren. Trotz politischer und sozialistischer Kaempfe ist<br />

Grass froh und fordert ein Verstaendnis von dem Fortschritt im Zusammenhang mit<br />

Sisyphos. Grass ist viel politischer als Nietzsche war und benutzt seine Werke in diesem<br />

Kontext mit der Hilfe von <strong>Ideen</strong> <strong>des</strong> <strong>Absurden</strong>. Man kann aber auch sehen, dass <strong>Ideen</strong> die<br />

nietzscheanistisch in seinen Werken sind, vorkommen. Also kann man sehen, wie<br />

philosophische <strong>Ideen</strong> durch die Zeit, Nationen und verschiedene Menschen vermittelt<br />

werden und sich aendern. Wir lernen dabei, dass das Absurde gar nicht pessimistisch ist.<br />

Es passt in das Konzept <strong>des</strong> positiven Nihilismus und auch in die moderne politische<br />

Welt, und kann einen, wenn man natuerlich viel Lust darauf hat, motivieren.


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Gramlich 19<br />

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