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Dr. Markus Winkler Entwicklungsschwerpunkte im ... - Ja-Aktuell

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AUFSATZ ZIVILRECHT · DER VERGÜTUNGSANSPRUCH DES RECHTSANWALTS GEGENÜBER SEINEM MANDANTEN<br />

Anspruchs nach § 254 BGB besteht. Der BGH betont dabei, dass<br />

die Kenntnis des Mandanten um ein juristisches Problem den<br />

Rechtsanwalt sogar dann nicht entlasten kann, wenn der Mandant<br />

selbst über eine juristische Vorbildung verfügt. Im rein rechtlichen<br />

Bereich ist der Anwalt <strong>im</strong> Verhältnis zu seinem Mandanten<br />

grundsätzlich allein verantwortlich. 71<br />

Hinsichtlich der Verjährung 72 gelten die allgemeinen Vorschriften<br />

(§§ 195 ff. BGB). Die Sondervorschrift des § 51b BRAO<br />

(= § 51 BRAO a.F.) wurde mit dem Verjährungsanpassungsgesetz<br />

abgeschafft. 73<br />

F. PROZESSUALE DURCHSETZUNG<br />

I. § 29 ZPO<br />

Der Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts kann grundsätzlich am<br />

allgemeinen Gerichtsstand des Wohnsitzes bzw. des Sitzes des<br />

Mandanten gem. §§ 12, 13, 17 ZPO geltend gemacht werden.<br />

Für den Anwalt stellt sich die entscheidende Frage: Kann er seine<br />

Gebührenforderung wahlweise auch am Gericht des Kanzleisitzes<br />

nach § 29 ZPO geltend machen? Der X. Zivilsenat verneint dies<br />

grundsätzlich 74 und weicht damit von der früheren höchstrichterlichen<br />

Rechtsprechung ab, die für einen einheitlichen Gerichtsstand<br />

des Erfüllungsortes votierte. 75 Nach § 29 Abs. 1 ZPO ist,<br />

wenn über eine Verpflichtung aus einem Vertragsverhältnis gestritten<br />

wird, das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung<br />

zu erfüllen ist. Dieser Erfüllungsort best<strong>im</strong>mt sich – sofern<br />

keine gesetzlichen Sonderregelungen eingreifen – nach dem<br />

Leistungsort, der aus § 269 Abs. 1 und 2 BGB folgt. Die dispositive<br />

Norm des § 269 Abs. 1 BGB stellt die Regel auf, dass die Leistung<br />

an dem Ort zu erfolgen hat, an welchem der jeweilige Schuldner<br />

zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz<br />

hatte. Dies ist be<strong>im</strong> Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts als<br />

Geldschuld der Wohnsitz des Mandanten (§§ 270 Abs. 4, 269<br />

Abs. 1 BGB). Allein aus dem Abschluss eines Vertrags mit einem<br />

Rechtsanwalt ergibt sich nach dem BGH insbesondere keine stillschweigende<br />

Vereinbarung über einen Leistungsort dergestalt, dass<br />

der Mandant am Ort der Kanzlei seinen Zahlungsverpflichtungen<br />

nachkommen soll. 76 Auch weist der Anwaltsvertrag grundsätzlich<br />

keine Besonderheiten auf, die bei der nur hilfsweise einschlägigen<br />

Regel des § 269 Abs. 1 BGB zu beachten wären. Ein einheitlicher<br />

Erfüllungsort am Kanzleisitz wäre nach dem BGH eine vom Gesetz<br />

nicht gedeckte Privilegierung der Rechtsanwälte gegenüber anderen<br />

Gläubigern von Geldforderungen. 77<br />

Besonderheiten gelten <strong>im</strong> Hinblick auf Art. 5 EuGVVO. 78 Während<br />

<strong>im</strong> nationalen Recht eine Abkehr von einem einheitlichen<br />

AUFSATZ ÖFFENTLICHES RECHT · ENTWICKLUNGSSCHWERPUNKTE IM KOMMUNALRECHT<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Markus</strong> <strong>Winkler</strong>, Universität Mainz*<br />

<strong>Entwicklungsschwerpunkte</strong> <strong>im</strong> Kommunalrecht<br />

A. ÜBERGREIFENDE IMPULSE<br />

Das Kommunalrecht unterscheidet sich zwar stärker von Land zu<br />

Land als die anderen beiden Kernbereiche des Besonderen Verwaltungsrechts,<br />

das Baurecht und das allgemeine Gefahrenabwehrrecht.<br />

Auf manche Teilgebiete des Kommunalrechts wirken<br />

sich aber europäisches Gemeinschaftsrecht und Bundesrecht vereinheitlichend<br />

aus. Zudem erfassen best<strong>im</strong>mte Reformprojekte<br />

früher oder später alle Länder, und sei es auch zeitversetzt.<br />

Das Europarecht und das einfache Bundesrecht betreffen vor<br />

allem das privatrechtliche Handeln der Kommunen und die Wahl<br />

der Organisationsformen für die Erfüllung ihrer Aufgaben (III 2<br />

Erfüllungsort mit dieser BGH Rechtsprechung erfolgte, besteht <strong>im</strong><br />

europäischen Zuständigkeitsrecht nach Art. 5 Nr. 1b EuGVVO ein<br />

einheitlicher Gerichtsstand am Kanzleisitz des Rechtsanwalts. 79<br />

II. § 11 RVG<br />

Im Zusammenhang mit der prozessualen Durchsetzung des Vergütungsanspruches<br />

ist § 11 RVG zu beachten. Diese Vorschrift<br />

eröffnet dem <strong>im</strong> gerichtlichen Verfahren tätig gewordenen<br />

Rechtsanwalt – wie auch seinem Mandanten – die Möglichkeit,<br />

die vom Rechtsanwalt berechnete Vergütung durch ein einfaches,<br />

kostengünstiges und schnelles Verfahren gerichtlich überprüfen<br />

zu lassen. Hieraus folgt jedoch, dass dem Rechtsanwalt, der seine<br />

Vergütung nach § 11 RVG feststellen lassen kann, für eine Gebührenklage<br />

vor den ordentlichen Gerichten das Rechtsschutzbedürfnis<br />

fehlt, so dass die Klage unzulässig ist. 80<br />

G. FAZIT<br />

Am praxisorientierten Fall des Rechtsanwalts, der seinen Vergütungsanspruch<br />

aus dem Anwaltsvertrag durchsetzen will, lassen<br />

sich die Systematik des Bürgerlichen Gesetzbuches und die Fähigkeit<br />

zum stringenten Anspruchsaufbau <strong>im</strong> Rahmen einer Klausur<br />

hervorragend abprüfen. Die Spezialmaterie des Anwaltsrechts, das<br />

zumindest <strong>im</strong> Hinblick auf die dargestellten vier Grundpflichten<br />

jedem späteren Rechtsanwender bekannt sein sollte, wird dabei<br />

zum Maßstab des einzuhaltenden Pflichtenkatalogs des § 280<br />

Abs. 1 BGB. Zivilprozessuale Besonderheiten können dabei eine<br />

zusätzliche Herausforderung sein, die in einer praxisorientierten<br />

Ausbildung nicht vernachlässigt werden sollten.<br />

71 BGH NJW-RR 2005, 1435 m.w.N.<br />

72 Im Rahmen der Aufrechung sind §§ 390, 215 BGB zu beachten.<br />

73 Gesetz v. 9.12.2004, BGBl. I, 3214, in Kraft seit 15.12.2004, dazu Borgmann NJW<br />

2005, 22 (29). Diese Gesetzesänderung brachte das Ende der Rechtsprechung zum<br />

Sekundäranspruch gegen den Anwalt. Danach war ein Rechtsanwalt verpflichtet, seinen<br />

Mandanten auf mögliche Schadensersatzansprüche gegen sich selbst aufmerksam zu<br />

machen. Unterließ der Anwalt dies, so bestand ein Schadensersatzanspruch des Mandanten<br />

dahingehend, so behandelt zu werden, als sei die Verjährung nicht eingetreten.<br />

Dazu Sonthe<strong>im</strong>er DStR 2005, 834; Bruns NJW 2003, 1498 m.w.N. Zum Übergangsrecht:<br />

Zugehör WM Sonderbeilage Nr. 3/2006, 28 f.<br />

74 BGHZ 157, 20 = NJW 2004, 54. Dazu P. Gottwald FamRZ 2004, 98; Scherf NJW<br />

2004, 722; N. Schneider AnwBl 2004, 121; Neumann/Spangenberg BB 2004, 901.<br />

75 BGHZ 97, 79 (82) = NJW 1986, 79; BGH WM 1981, 411; BGH NJW 1991, 3095.<br />

76 BGHZ 157, 20 = NJW 2004, 54.<br />

77 BGHZ 157, 20 = NJW 2004, 54.<br />

78 BGH NJW 2006, 1806.<br />

79 Dazu Nagel/Gottwald Internationales Zivilprozessrecht, 6. Aufl. 2007, § 3 Rn. 46 einerseits<br />

und Rn. 50 ff. andererseits. Zu den Problemen um die internationale Zuständigkeit<br />

nach § 29 ZPO: H. Roth FS Schlosser, 2005, S. 773 ff.<br />

80 BGH NJW 1981, 875, 876 (allerdings noch zu § 19 BRAGO).<br />

und IV 2). Eine wichtige Rolle spielt daneben das Bundesverfassungsrecht.<br />

Neben Art. 28 I 2 und II GG stehen hier die Grundrechte<br />

<strong>im</strong> Mittelpunkt (II, III 1 und IV 1). Noch nicht absehbar ist,<br />

wie streng das 2006 in Art. 84 I 7 und Art. 85 I 2 GG aufgenommene<br />

Verbot an den Bundesgesetzgeber, den Kommunen neue<br />

Aufgaben zu übertragen, in der Praxis gehandhabt werden wird. 1<br />

* Der Autor ist Akademischer Rat am Lehrstuhl für Rechtsphilosophie und öffentliches<br />

Recht von Professor Uwe Volkmann an der Universität Mainz.<br />

1 Zu den Auslegungsmöglichkeiten Burgi DVBl 2007, 70 (76 f.); Schoch DVBl. 2007, 261<br />

(262 ff.)<br />

6/2007 405<br />

AUFSATZ


AUFSATZ<br />

AUFSATZ ÖFFENTLICHES RECHT · ENTWICKLUNGSSCHWERPUNKTE IM KOMMUNALRECHT<br />

An Vorhaben der Verwaltungsreform ist die Umstellung des<br />

kommunalen Haushaltsrecht auf die doppelte Buchführung <strong>im</strong><br />

vollen Gang. 2 Mit einer Reduzierung der für die Kommunalaufsicht<br />

zuständigen Mittelbehörden in den kleineren Flächenländern<br />

hat <strong>im</strong> <strong>Ja</strong>hr 2000 Rheinland-Pfalz begonnen. 2005 zog Niedersachsen<br />

nach, und bis 2008 wird Sachsen folgen. 3 In Sachsen-<br />

Anhalt und Sachsen ist die Kommunalaufsicht über kreisangehörige<br />

Gemeinden bereits den Landkreisen übertragen. 4 Für dünn<br />

besiedelte Gebiete in Norddeutschland wird zzt über die Bildung<br />

kreisfreier Großgemeinden anstelle bisheriger Landkreise 5 sowie<br />

von Regionalkreisen in der Größe früherer Regierungsbezirke 6<br />

diskutiert.<br />

B. KOMMUNALE DEMOKRATIE<br />

Nur punktuell beeinflusst das Bundesrecht die so genannte Kommunalverfassung,<br />

d.h. das innere Organisationsrecht der Gemeinden<br />

und Gemeindeverbände. Hier steht Art. 28 I 2 GG <strong>im</strong> Vordergrund,<br />

der den Ländern gebietet, in ihrem Recht eine kommunale<br />

Volksvertretung vorzusehen, die nach denselben Grundsätzen<br />

gewählt wird wie der Bundestag. Nur ausnahmsweise kann<br />

gem. Art. 28 I 4 GG eine Gemeindeversammlung an die Stelle des<br />

Repräsentativorgans treten. Die direktdemokratische Mitwirkung<br />

der örtlichen Gemeinschaft an der Kommunalverwaltung in Bürgerentscheiden<br />

ist jedoch nicht bereits deswegen verfassungswidrig.<br />

I. Repräsentation der örtlichen Gemeinschaft<br />

Volksvertretung ist in den Gemeinden der Gemeinderat. In den<br />

Städten heißt er Stadtrat oder Stadtverordnetenversammlung. In<br />

den Landkreisen wird das Volk durch den Kreistag repräsentiert.<br />

1. Entscheidungskompetenz der Kommunalvertretung<br />

Anders als staatliche Parlamente kann eine Kommunalvertretung<br />

grundsätzlich Beschlusskompetenzen auf Ausschüsse, Ortsbeiräte<br />

oder sogar auf den Bürgermeister oder Landrat übertragen. Die<br />

vom Grundgesetz hervorgehobene Position der Kommunalvertretung<br />

verbietet allerdings, dass sie zentrale Kompetenzen abgibt.<br />

Zu ihren nicht delegierbaren Kernkompetenzen gehört der Beschluss<br />

von Satzungen. Dieses Delegationsverbot betrifft indes nur<br />

die verbandsinterne Aufgabenverteilung. Es verhindert schon deshalb<br />

nicht, dass kommunale Satzungen dynamische Verweisungen<br />

auf Normen des Landesrechts enthalten. 7 Das gilt auch dann,<br />

wenn die staatliche Bezugsnorm auf einer ungesicherten Tatsachengrundlage<br />

ergangen ist und der Normgeber daher zur Beobachtung<br />

und u.U. zur Korrektur dieser Norm verpflichtet ist. 8 Unwirksam<br />

sind kommunale Satzungen allerdings, wenn ein anderer<br />

als der beschlossene Text ausgefertigt oder verkündet wurde. 9<br />

2. Beiräte und Ausschüsse der Kommunalvertretung<br />

Ausschüsse oder Ortsbeiräte können nur als Delegationsempfänger<br />

Hoheitsbefugnisse ausüben. Ihre demokratische Legit<strong>im</strong>ation<br />

leiten sie von der Kommunalvertretung als ganzer ab. Dass u.U.<br />

nur die wahlberechtigten Bewohner einzelner Ortsteile in Ortsbeiräten<br />

ein weiteres Mal vertreten sind, diejenigen anderer Ortsteile<br />

aber nicht, weil nicht für das ganze Gemeindegebiet Ortsbezirke<br />

gebildet sind, verletzt deshalb nicht die demokratische<br />

Gleichheit aller Bürger. 10 Ebenso unbedenklich ist, dass EU-Bürger<br />

außer in der kommunalen Volksvertretung auch <strong>im</strong> Ausländerbeirat<br />

vertreten sind; 11 dieser ist ein reines Beratungsgremium<br />

ohne Entscheidungsbefugnisse.<br />

Auch dass »sachkundige Bürger« in Ausschüsse der Kommunalvertretung<br />

berufen werden können, ohne dem Vertretungsorgan<br />

selbst anzugehören, steht grundsätzlich <strong>im</strong> Einklang mit dem<br />

Demokratieprinzip. Bilden sie allerdings die Mehrheit in einem<br />

406 6/2007<br />

beschließenden Ausschuss, so muss die Vertretung dessen Beschlusskompetenzen<br />

eng begrenzen, um seine geminderte personelle<br />

Legit<strong>im</strong>ation durch ein höheres Maß an sachlich-inhaltlicher<br />

Legit<strong>im</strong>ation zu kompensieren. 12 Bei der Besetzung der Ausschüsse<br />

gebietet Art. 28 I 2 GG, sicherzustellen, dass alle politischen<br />

Gruppierungen spiegelbildlich zu ihrem Sitzanteil <strong>im</strong> Gesamtorgan<br />

vertreten sind. Dies wäre jedenfalls be<strong>im</strong> Auszählungsverfahren<br />

nach d’Hondt nicht gewährleistet, wenn bei der Ausschusswahl<br />

mehrere Gruppierungen eine gemeinsame Liste aufstellen<br />

dürften. 13<br />

3. Status der Mitglieder und Fraktionen<br />

Dass die Fraktionen politischer Gruppierungen in einer Kommunalvertretung<br />

gleichmäßig mit Informationen, personellen, sächlichen<br />

und finanziellen Arbeitsmitteln auszustatten sind, 14 beruht<br />

ebenfalls auf Art. 28 I 2 GG, da ihre Arbeit der Repräsentativfunktion<br />

der Kommunalvertretung dient. Die Bildung einer<br />

Fraktion setzt eine grundsätzliche politische Übereinst<strong>im</strong>mung<br />

ihrer Mitglieder voraus, 15 wenn auch nicht deren Zugehörigkeit<br />

zur selben politischen Partei. Aus Art. 28 I 2 GG folgt auch ein<br />

Gebot proportionaler Berücksichtigung der Fraktionen bei der<br />

Ausschussbesetzung. 16 Art. 3 I, 9 I oder 21 I GG schützen die<br />

Fraktionsarbeit indes nicht. Da weder Art. 28 I 2 GG noch seine<br />

landesverfassungsrechtlichen ¾quivalente subjektive Rechte vermitteln,<br />

17 können die Fraktionen Teilnahmerechte mithin nicht<br />

auf verfassungsrechtliche, sondern nur auf einfachgesetzliche Normen<br />

wie z.B. § 30 RhPfGemO, § 36a HGO oder § 56 NRWGO<br />

stützen.<br />

Die kommunalrechtlichen Verbote an Mandatsträger, <strong>Dr</strong>itte<br />

gegenüber der Kommune zu vertreten, gelten auch für Weisungsbzw.<br />

Auftragsangelegenheiten; <strong>im</strong> Fall von Rechtsanwälten allerdings<br />

werden sie verfahrensrechtlich von § 3 II BRAO überlagert.<br />

18 Um Interessenkollisionen auszuschließen, die nicht nur<br />

punktuell aufträten, sondern geradezu vorprogrammiert wären,<br />

ist das Mandat in der Kommunalvertretung unvereinbar mit der<br />

Tätigkeit als Beamter oder Angestellter der Kommune selbst,<br />

eines öffentlich-rechtlichen Verbandes, dem sie angehört, oder<br />

der für die Kommune zuständigen Kommunalaufsichtsbehörde<br />

sowie mit leitenden Funktionen in Unternehmen, an denen die<br />

Kommune beteiligt ist.<br />

Eine solche Leitungsfunktion haben Personen inne, die das<br />

Unternehmen allein oder zusammen mit anderen nach außen<br />

ständig vertreten. Das trifft z.B. auf den ¾rztlichen Direktor eines<br />

Kreiskrankenhauses zu, nicht aber auf einen Chefarzt, der ihn <strong>im</strong><br />

Verhinderungsfall vertritt. 19 Weder das Verhältnismäßigkeitsprin-<br />

2 Überblick bei Thormann KommJur 2005, 281.<br />

3 Vgl. Hoegner/Groß DÖV 2000, 1040; Reffken NdsVBl 2006, 177; Fügemann SächsVBl<br />

2006, 1; Sponer LKV 2006, 337.<br />

4 Zu § 112 I SächsGemO vgl. SächsVerfGH LKV 2006, 79 (80).<br />

5 Ipsen NdsVBl 2005, 313; Sellmann/Sellmann NdsVBl 2006, 98.<br />

6 Kasper DÖV 2006, 589; Meyer DÖV 2006, 929; Schröder LKV 2006, 540.<br />

7 BVerwG NVwZ 2005, 1325 f.; BayVGH NVwZ-RR 2007, 57 f.<br />

8 Insoweit a.A. OVG NRW NVwZ 2005, 606 f.<br />

9 BVerwGE 120, 82, 86 = JA 2004, 795 (Meister), NRWOVG NWVBl. 1992, 288. Zu<br />

der vom Rechtsstaatsprinzip gebotenen Auflagenstärke des Bekanntmachungsorgans jetzt<br />

BVerwG NVwZ 2007, 216.<br />

10 RhPfOVG DVP 2002, 251 f.<br />

11 A.A. Troidl BayVBl 2004, 321 (326).<br />

12 Vgl. BVerfGE 107, 59 (87 f.) = JA 2004, 22 (Häußermann).<br />

13 BVerwGE 119, 305 (307 f.) = JA 2004, 603 (Schwind).<br />

14 HessVGH NVwZ-RR 1999, 188 und DÖV 2001, 256 f.; BayVGH NVwZ 2000,<br />

811 f.; OVG NRW NVwZ 2003, 376.<br />

15 NRWOVG DVBl 2005, 651 f.<br />

16 BremOVG DVBl 1990, 829; Groh NWVBl 2001, 41 (44); a.A. RhPfOVG NVwZ-RR<br />

1996, 460 f.<br />

17 Vgl. zu Art. 3, 9 und 28 I 2 GG BVerfGE 99, 1, 7.<br />

18 Zu Letzterem a.A. VG Schleswig NVwZ-RR 2001, 596.<br />

19 BWVGH DVBl 2001, 825; BayVGH NVwZ-RR 2004, 442 (443).


AUFSATZ ÖFFENTLICHES RECHT · ENTWICKLUNGSSCHWERPUNKTE IM KOMMUNALRECHT<br />

zip noch der gleichheitsrechtliche Gehalt des Art. 137 I GG<br />

gebietet, die Inkompatibilität auch bei Beschäftigten der Kommunen<br />

selbst und öffentlich-rechtlicher Verbände, denen sie angehören,<br />

auf die Inhaber von Leitungsfunktionen zu beschränken. 20<br />

Vertretungsmitglieder können auf ihr Mandat verzichten, ohne<br />

dass dafür ein wichtiger Grund vorliegen müsste. Rechtsmissbräuchlich<br />

und daher unwirksam ist jedoch ein kollektiver Rücktritt<br />

mit dem Ziel, eine Neuwahl herbeizuführen; er liefe auf ein<br />

<strong>im</strong> Gesetz nicht vorgesehenes Selbstauflösungsrecht der Vertretung<br />

hinaus. 21<br />

II. Unmittelbare Mitwirkung der örtlichen Gemeinschaft<br />

Während schlichte Einwohner der Kommunen nur Ansprüche<br />

auf Information durch die und auf Anregung eines Tätigwerdens<br />

der verfassten Organe besitzen, können ihre Bürger als der zur<br />

aktiven Mitwirkung berufene Teil der »örtlichen Gemeinschaft«<br />

mit Hilfe der Instrumente Bürgerbegehren und Bürgerentscheid<br />

auch unmittelbar Entscheidungen treffen.<br />

1. Zulässige Gegenstände<br />

Bürgerbegehren dürfen nur auf Entscheidungen gerichtet sein, die<br />

danach auch Inhalt eines Bürgerentscheids sein können. Die<br />

Kommunalordnungen begrenzen die in Betracht kommenden<br />

Gegenstände auf wichtige Angelegenheiten der Kommune <strong>im</strong><br />

Bereich der Selbstverwaltung. Des weiteren klammern sie Entscheidungen<br />

aus, die die Gestaltungsfreiheit des Repräsentativorgans<br />

beeinträchtigen würden, die innere Organisation der Kommunalverwaltung<br />

oder die Rechtmäßigkeit des kommunalen<br />

Verwaltungshandelns beträfen. 22 Der geschützte Gestaltungsspielraum<br />

der Kommunalvertretung umfasst <strong>im</strong> Kern Haushalts- und<br />

Planungsentscheidungen. 23<br />

Im Einzelnen sind Grundsatz- und Vollzugsentscheidungen oft<br />

unterschiedlich zu behandeln. So kann die Zahl der Beigeordneten<br />

<strong>im</strong> Rahmen der gesetzlichen Vorgaben per Bürgerentscheid<br />

geregelt werden. Ob ein best<strong>im</strong>mter Beigeordneter in sein Amt<br />

eingeführt wird, gehört jedoch zu den »Rechtsverhältnissen« der<br />

Organwalter und Bediensteten i.S. der Negativkataloge. 24 Abgaben,<br />

deren Höhe nicht bürgerentscheidfähig ist, sind neben den in<br />

den Kommunalabgabengesetzen vorgesehenen Gebühren und<br />

Beiträgen z.B. auch Parkgebühren. 25 Ob eine Abgabe überhaupt<br />

erhoben werden soll, kann aber Gegenstand eines Bürgerentscheids<br />

sein, soweit die Kommune zur Erhebung nicht gesetzlich<br />

verpflichtet ist. 26<br />

2. Rechtsstellung der Initiatoren<br />

Umstritten, aber kaum praktisch relevant ist, ob dadurch, dass ein<br />

Antrag auf Durchführung eines Bürgerentscheids gestellt wird,<br />

die Antragsteller bzw. das Bürgerbegehren als solches zum Organ<br />

der Kommune werden oder nicht. 27 Wichtiger ist in der Praxis,<br />

auf welchem Weg die Initiatoren die Durchführung erzwingen<br />

oder eine nach ihrer Ansicht unrichtige Feststellung des Abst<strong>im</strong>mungsergebnisses<br />

korrigieren lassen können.<br />

Lehnt die Kommunalvertretung den Antrag als unzulässig ab,<br />

so hält die Rechtsprechung durchweg eine Feststellungsklage gem<br />

§ 43 VwGO für statthaft, die auf Feststellung der Zulässigkeit des<br />

Bürgerentscheids gerichtet ist. Aktiv prozessführungsbefugt sind<br />

dabei je nach Landesrecht entweder die Unterzeichner 28 oder das<br />

Bürgerbegehren selbst, 29 gesetzlich vertreten jeweils durch die benannten<br />

Vertreter. Die Feststellungsklage tritt jedoch gem § 43 II<br />

VwGO zurück, falls eine Verpflichtungsklage auf Durchführung<br />

des Bürgerentscheids oder eine Anfechtungsklage gegen seine<br />

Nichtzulassung 30 statthaft ist. Sofern man <strong>im</strong> Verhältnis zwischen<br />

Kommunalorganen keine Außenwirkung für möglich hält und<br />

damit keinen Verwaltungsakt (VA) in der Entscheidung der<br />

Kommunalvertretung sieht, geht jedenfalls die allgemeine Leistungsklage<br />

auf Durchführung des Bürgerentscheids 31 der Feststellungsklage<br />

vor.<br />

Stellt der Wahlausschuss nach der Abst<strong>im</strong>mung fest, dass das<br />

Bürgerbegehren abgelehnt sei, so ist jedenfalls diese Feststellung<br />

ein VA gegenüber den Unterzeichnern bzw. dem Bürgerbegehren.<br />

Diese können sie daher mit Widerspruch und Anfechtungsklage<br />

angreifen. 32 Die Wahlprüfungsbeschwerde als kommunalwahlrechtlicher<br />

Sonderrechtsbehelf ist ausdrücklich ausgeschlossen<br />

und mangels einer Regelungslücke auch nicht analog anwendbar.<br />

33<br />

3. Verhältnis zu den Kompetenzen der gewählten Organe<br />

In den meisten Ländern entfaltet der positive Bürgerentscheid für<br />

mehrere <strong>Ja</strong>hre eine Sperrwirkung gegen Entscheidungen der<br />

Kommunalvertretung, die ihm widersprächen. Diese Sicherung<br />

seiner Effektivität verstößt nicht gegen ein bundesrechtliches<br />

Prinzip des Vorrangs der repräsentativen vor der direkten Demokratie.<br />

34 Nach bayerischem Verfassungsrecht soll trotz Art. 28<br />

I 1 GG anderes gelten, 35 weshalb in Bayern keine Sperrwirkung<br />

(mehr) eintritt.<br />

Die Mitglieder der gewählten Kommunalorgane und ihrer Teile<br />

können der Sperrwirkung allerdings vor einem Bürgerentscheid<br />

dadurch entgegentreten, dass sie sich in weiterem Maße in amtlicher<br />

Eigenschaft zu seinem Gegenstand äußern, als sie es vor<br />

Wahlentscheidungen der Bürger dürften. Während die Inhaber<br />

kommunaler ¾mter nämlich vor Wahlen zur Neutralität verpflichtet<br />

sind, wenn sie sich als solche äußern – und dies auch<br />

dann, wenn sich ein Amtsinhaber zur Wiederwahl stellt 36 –, können<br />

sie zum Thema eines Bürgerentscheids wertende Aussagen<br />

abgeben. Sie sind hier nur zur Sachlichkeit und Wahrhaftigkeit<br />

verpflichtet. Unzulässig ist allerdings die Auslage amtlicher Entscheidungsempfehlungen<br />

<strong>im</strong> Abst<strong>im</strong>mungslokal. 37<br />

C. ORGANISATIONSFORMEN DER AUFGABENERFÜLLUNG<br />

Längst hat die Privatisierungswelle auch die Kommunalverwaltung<br />

erreicht. Das Kommunalwirtschaftsrecht muss mittlerweile<br />

mit den Folgefragen des Umstands fertig werden, dass die Kommunen<br />

ihre Aufgaben in verschiedensten Organisationsformen<br />

erfüllen.<br />

20 BVerwGE 117, 11, 17 f. = JA 2003, 379 (Schliesky); meine gegenteilige Auffassung in<br />

Ley/Jutzi (Hrsg.) Staats- und Verwaltungsrecht für Rheinland-Pfalz, 4. Aufl 2005, Teil D<br />

Rn. 110 gebe ich auf.<br />

21 VG Osnabrück NVwZ-RR 2006, 278 (281 f.).<br />

22 NRWOVG NVwZ 2002, 766 f.; Ritgen NVwZ 2000, 129 (135).<br />

23 Vgl. zur Bauleitplanung Kautz BayVBl 2005, 193.<br />

24 HessVGH NVwZ 2004, 281 f.; Frotscher/Knecht DÖV 2005, 797 (808).<br />

25 VG Köln NVwZ-RR 2000, 455 f.<br />

26 BayVGH NVwZ 2000, 219 (220 f.); Oebbecke DV 37 (2004), 105 (110 f.).<br />

27 Pro RhPfOVG NVwZ-RR 1997, 241; VG Koblenz NVwZ-RR 2002, 453; Fügemann<br />

DVBl 2004, 343 (349); <strong>Winkler</strong> (Fn. 20) Rn. 214; contra HessVGH DVBl 2000, 928 f.;<br />

NRWOVG NVwZ-RR 2003, 448 f.; He<strong>im</strong>lich DÖV 1999, 1029 (1032); Ritgen Bürgerbegehren<br />

und Bürgerentscheid, 1997, S. 115 ff.<br />

28 BayVGH NVwZ 2000, 219 f.; HessVGH DVBl 2000, 928 (930); NRWOVG NVwZ-<br />

RR 2003, 448 (449); ebenso Fischer DÖV 1996, 181 (183 ff.).<br />

29 RhPfOVG NVwZ-RR 1997, 241 auf Grund der Organstellung »des Bürgerbegehrens«.<br />

30 Hofmann-Hoeppel/Weible BayVBl 2000, 577 (583); Schmidt-Aßmann/Röhl in: Schmidt-<br />

Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 13. Aufl 2005, 1. Kap. Rn. 91 m.w.N.<br />

31 He<strong>im</strong>lich DÖV 1999, 1029.<br />

32 HessVGH DÖV 2004, 966 (967).<br />

33 BWVGH DVBl 2001, 1280 (dort zur Klage eines Bürgers).<br />

34 So aber Huber, P.M. AöR 126 (2001) 165 (180 f.).<br />

35 BayVGH NVwZ-RR 2000, 737 (739); BayVerfGHE 50, 181 (202 ff.).<br />

36 BVerwGE 104, 323 (326 f.); 118, 101 (106 f.); BVerwG DÖV 2001, 1278; RhPfOVG<br />

DÖV 2002, 163 (165); BayVGH NVwZ-RR 2004, 440 f.; HessVGH NVwZ 2006,<br />

610 (611); zusf. Oebbecke NVwZ 2007, 30 ff.<br />

37 NRWOVG NWVBl 2004, 151 (152); HessVGH DÖV 2004, 966 (967); BayVGH<br />

NVwZ-RR 2000, 454.<br />

6/2007 407<br />

AUFSATZ


AUFSATZ<br />

AUFSATZ ÖFFENTLICHES RECHT · ENTWICKLUNGSSCHWERPUNKTE IM KOMMUNALRECHT<br />

I. Anforderungen an öffentliche Einrichtungen<br />

Dies betrifft trotz des insoweit missverständlichen Ausdrucks auch<br />

die öffentlichen Einrichtungen der Kommunen. Sie können ebenso<br />

in Formen des Gesellschaftsrechts betrieben werden, wie sie<br />

sich privatrechtlicher Handlungsformen bedienen dürfen. Unter<br />

öffentlichen Einrichtungen sind Sach- und Personalgesamtheiten<br />

zu verstehen, die durch einen besonderen Widmungsakt für einen<br />

Gemeinwohlzweck best<strong>im</strong>mt und tatsächlich in seinen Dienst<br />

gestellt worden sind. In Einzelfällen ist der Einrichtungscharakter<br />

zweifelhaft, so etwa bei kommunalen Internetseiten. 38 Die Kommune<br />

selbst streift die besonderen Bindungen des Kommunalrechts<br />

39 durch eine Wahl privatrechtlicher Organisationsformen<br />

jedenfalls nicht ab.<br />

1. Begrenzung der Einrichtungszwecke und -formen?<br />

Das betrifft zum einen die Zweckbindung der Einrichtung. Sie<br />

muss der Erfüllung kommunaler Aufgaben dienen. Bei der Ausgestaltung<br />

solcher Aufgaben ist dem Landesrecht durch Art. 28 II<br />

GG indes nur eine weite Grenze gezogen, und dies auch nur <strong>im</strong><br />

Hinblick auf Einrichtungen <strong>im</strong> Selbstverwaltungsbereich. So<br />

kann ein Land seinen Kommunen erlauben, den Umweltschutz<br />

als Selbstverwaltungsaufgabe auf den Zweck der Kl<strong>im</strong>avorsorge zu<br />

erstrecken, 40 während ein anderes dies mangels örtlichen Bezugs<br />

des Kl<strong>im</strong>aschutzes ausschließen kann. Art. 20a GG ersetzt<br />

eine landesrechtliche Zuweisung dieser Selbstverwaltungsaufgabe<br />

nicht. 41<br />

Für den spezifischen Bezug zur örtlichen Gemeinschaft unerheblich<br />

ist es jedenfalls, ob die Einrichtung sich über die Gemeinde-,<br />

Landkreis- oder sogar Landesgrenzen hinweg erstreckt, überhaupt<br />

auch nur zum Teil auf dem Gebiet der Kommune liegt oder nicht<br />

und ob sie ganz, zum Teil oder gar nicht <strong>im</strong> Eigentum der Kommune<br />

steht. Entscheidend ist allein, ob die Tätigkeit der Einrichtung<br />

der Gemeindebevölkerung bzw. dem Gemeindegebiet zugute<br />

kommt. 42 Die Trägerkommune ihrerseits ist nicht durch Art. 28 II<br />

GG daran gehindert, ihre Einrichtung außerhalb ihres eigenen Gebiets<br />

tätig werden zu lassen, denn das Selbstverwaltungsrecht begrenzt<br />

die kommunalen Kompetenzen nicht territorial. 43<br />

Auch wenn die Kommune einen Anschluss- und/oder Benutzungszwang<br />

anordnet, muss sie nicht selbst Trägerin der dadurch<br />

begünstigten Einrichtung sein. Damit die mit dem Zwang verbundenen<br />

Grundrechtseingriffe verhältnismäßig sind, muss die<br />

Kommune aber sicherstellen, dass die Benutzer vor dem Ausfall<br />

oder der Beeinträchtigung der Leistung <strong>im</strong> gleichen Umfang gesichert<br />

sind, als wenn sie durch die öffentliche Hand erfolgte. 44<br />

2. Vorgaben für Zugangs- und Benutzungsregelungen<br />

Zum anderen besteht der kommunalrechtliche Zugangsanspruch<br />

der Gemeinde- bzw. Kreiseinwohner und der ihnen gleichgestellten<br />

Personen nach Art. 21 BayGO, §§ 14 RhPfGemO, 22<br />

NdsGO u.s.w. unabhängig von der organisatorischen Verselbstständigung<br />

des Einrichtungsträgers. Stets bleibt die Kommune<br />

verpflichtet, den zur Benutzung berechtigten Einwohnern effektiv<br />

den Zugang zu verschaffen. Die Entscheidung über den Zugang<br />

muss die Kommune durch eigene, demokratisch legit<strong>im</strong>ierte Organe<br />

treffen. 45 Des weiteren muss sie sicherstellen, dass Ansprüche<br />

der Bürger und der Medien auf Zugang zu Informationen nach<br />

dem UIG und den Landespressegesetzen nach einer Privatisierung<br />

der Einrichtung weiterhin erfüllt werden. 46 Nicht durchgesetzt hat<br />

sich bislang die Forderung, den Zugangsanspruch zu den Einrichtungen<br />

zentraler Orte auf die Einwohner von Umlandgemeinden<br />

zu erstrecken. 47<br />

In welcher Form die Art und Weise der Benutzung geregelt<br />

werden kann, best<strong>im</strong>mt sich danach, ob die Einrichtung in Formen<br />

des öffentlichen oder des privaten Rechts betrieben wird.<br />

408 6/2007<br />

Nur wenn die Kommune selbst, eine andere Kommune auf<br />

Grund einer Zweckvereinbarung, ein Zweckverband oder eine<br />

Anstalt des öffentlichen Rechts die Einrichtung betreibt, kann<br />

der jeweilige Träger öffentlich-rechtliche Regelungen über die Benutzung<br />

durch Satzung, Allgemeinverfügung oder durch Verwaltungsakt<br />

<strong>im</strong> Einzelfall erlassen (Zwei-Stufen-Theorie). Unzulässig<br />

ist auch dann eine Benutzungsregelung durch Polizei- bzw.<br />

Gefahrenabwehrverordnung. 48 Hat sich die Kommune für eine<br />

juristische Person des Privatrechts als Einrichtungsträgerin entschieden,<br />

so ist dieser der Erlass eigener benutzungsregelnder Satzungen<br />

versagt. Ihr kann allenfalls die Befugnis zum Erlass von<br />

Verwaltungsakten eingeräumt werden. Ohne solche Beleihung<br />

kann sie die Modalitäten der Benutzung nur vertraglich vereinbaren<br />

oder kraft ihres Hausrechts einseitig festlegen. Ein Beispiel<br />

sind die Allgemeinen Versorgungsbedingungen der Versorgungsunternehmen<br />

in kommunaler Hand. 49 Privatrechtliche Geschäftsbedingungen<br />

zu verwenden, ist andererseits aber auch öffentlichrechtlichen<br />

Einrichtungsträgern freigestellt.<br />

II. Kommunale Kooperation und Vergaberecht<br />

Laut §§ 97 I, 100 I GWB müssen öffentliche Auftraggeber Waren,<br />

Bau- und Dienstleistungen <strong>im</strong> Wege transparenter Vergabeverfahren<br />

<strong>im</strong> Wettbewerb beschaffen, sofern der Auftragswert best<strong>im</strong>mte<br />

in der Vergabeverordnung festgelegte Schwellen überschreitet.<br />

Arbeiten Kommunen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben<br />

zusammen, so stellt sich nicht erst bei der Durchführung, sondern<br />

auch schon bei der organisatorischen Vorbereitung die Frage, ob<br />

das Vergaberecht auf die Kooperation anwendbar ist.<br />

1. Vergaberechtspflichtigkeit von Aufträgen an kommunale<br />

Trabanten<br />

Da die §§ 97 ff. GWB der Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen<br />

Vergaberichtlinien dienen, hängt die Pflicht zur Durchführung<br />

von Vergabeverfahren maßgeblich von der Auslegung dieser<br />

Richtlinien durch die Gemeinschaftsgerichte ab 50 . Von der Anwendung<br />

der Richtlinien hat der EuGH so genannte In-house-<br />

Geschäfte freigestellt. Sie liegen vor, wenn ein Auftrag zwar an<br />

eine von dem Auftraggeber verschiedene juristische Person erteilt<br />

wird, diese jedoch <strong>im</strong> Wesentlichen nur für ihn oder andere<br />

öffentliche Anteilseigner tätig wird und keine eigene Entscheidungsgewalt<br />

besitzt, sondern vom Auftraggeber allein oder gemeinsam<br />

mit anderen öffentlichen Stellen kontrolliert wird »wie<br />

eine eigene Dienststelle«. 51<br />

38 Bejahend Ott/Ramming BayVBl 2003, 454 (458 ff.); Frey DÖV 2005, 411 (420);<br />

differenzierend Duckstein/Gramlich SächsVBl 2004, 121 (127 f.); Mann, T. NdsVBl<br />

2007, 26 (29).<br />

39 Zur drittschützenden Wirkung der kommunalrechtlichen Subsidiaritätsklauseln zu<br />

Gunsten privater Konkurrenten RhPfVerfGH AS 27, 231; NRWOVG NWVBl 2003,<br />

1520 (1521 f.); BWVGH NVwZ 2006, 714 (715); vgl. aber auch noch BGH DVBl<br />

2006, 116 (117 f.).<br />

40 BVerwGE 125, 68 (72 f.); SHOVG NordÖR 2004, 152 (153).<br />

41 BVerwG NVwZ 2006, 595 (596 f.); BWVGH VBlBW 2004, 337 (340 f.); Schmidt, A.<br />

NVwZ 2006, 1354 (1357).<br />

42 BVerwGE 122, 350 (354 f.).<br />

43 NRWOVG NVwZ 2005, 1211 (1212); RhPfOVG DÖV 2006, 611 (612 f.); grds. a.A.<br />

Gern NJW 2002, 2593 (2595 ff.); Heilshorn VerwArch 96 (2005), 88; Scharpf NVwZ<br />

2005, 148.<br />

44 BVerwGE 123, 159 (164).<br />

45 BayVGH GewArch 1999, 197 (198).<br />

46 BGH DVBl 2005, 980 (981 f.); Köhler NJW 2005, 2337 (2338); Kühne/Czarnecki LKV<br />

2005, 481 (484).<br />

47 Burgi JZ 1999, 873; Seewald in: Steiner (Hrsg.) Besonderes Verwaltungsrecht, 8. Aufl<br />

2006, Rn. 149; für einen Anspruch de lege lata Schmidt, T.I. DÖV 2002, 696.<br />

48 BWVGH NVwZ 2000, 457.<br />

49 NdsOVG NVwZ 1999, 566; Brüning LKV 2000, 54.<br />

50 Zur Bereichsausnahme <strong>im</strong> ÖPNV EuGH Slg. 2003, 7747 – Altmark Trans; BVerwG<br />

DVBl. 2007, 307 (308 f.).<br />

51 EuGH Slg 1999, 8121 – Teckal; EuGH NZBau 2006, 452 (454) – Carbotermo.


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Letzteres ist aber nur der Fall, wenn der Auftragnehmer keine<br />

anderen Interessen verfolgt als die staatlichen oder kommunalen<br />

Auftraggeber. Halten an der beauftragten Organisation neben öffentlichen<br />

Trägern auch natürliche oder juristische Personen des<br />

Privatrechts Anteile, so schließt schon deren Interesse an der Gewinnerzielung<br />

ein In-house-Geschäft aus. 52 Gleiches dürfte für<br />

solche kommunalen Zweckverbände gelten, zu deren Mitgliedern<br />

neben Gebietskörperschaften auch Privatpersonen zählen.<br />

Da verschiedene Körperschaften des öffentlichen Rechts nicht<br />

<strong>im</strong>mer gleichgerichtete öffentliche Interessen vertreten, kommt es<br />

für die Anwendbarkeit des Vergaberechts auf die Interessenlage<br />

<strong>im</strong> Einzelfall an, wenn eine Kommune eine andere Kommune<br />

oder deren Eigengesellschaft mit Leistungen beauftragt. 53 Unbedeutend<br />

ist hingegen, ob die beauftragte Körperschaft selbst mit<br />

der Annahme und Ausführung des Auftrags wirtschaftliche Interessen<br />

verfolgt. 54<br />

2. Vergaberechtspflichtigkeit organisatorischer<br />

Grundgeschäfte?<br />

Der Bereichsausnahme für In-house-Geschäfte vorgelagert ist die<br />

Frage, ob es sich bei organisationsrechtlichen Vereinbarungen zwischen<br />

Kommunen um Aufträge i.S.d. § 99 GWB handelt. Dabei<br />

ist zweitrangig, ob ein entgeltliches Moment in dem Umstand<br />

gesehen werden kann, dass zusammen mit der Aufgabe die Befugnis<br />

zur Erhebung öffentlicher Abgaben oder Umlagen übergeht. 55<br />

Verpflichtet sich eine Kommune nicht zur Erfüllung best<strong>im</strong>mter<br />

Aufgaben <strong>im</strong> fremden Namen, sei es <strong>im</strong> Einzelfall oder allgemein,<br />

sondern überträgt ihr der bisher zuständige Verwaltungsträger die<br />

Aufgabe als eigene, so ist Inhalt des Rechtsgeschäfts bereits kein<br />

Leistungsauftrag. Vielmehr verfügen die Beteiligten damit über hoheitliche<br />

Kompetenzen. Die Übernahme einer Kompetenz ist jedoch<br />

keine marktgängige Leistung. Das Vergaberecht greift daher<br />

nicht ein. 56 Dass der Übergang konsensual geregelt wird, tut<br />

dem keinen Abbruch. Nichts anderes gilt, wenn die ausführende<br />

Körperschaft nicht allein zuständig wird, sondern kraft Gesetzes<br />

oder Vertrags Mitentscheidungsrechte und u.U. auch Einwirkungs-<br />

und Einstandspflichten gegenüber <strong>Dr</strong>itten <strong>im</strong> Hinblick<br />

auf die Aufgabenerfüllung bei dem bisher zuständigen Verwaltungsträger<br />

verbleiben. Die »mandatierende« Zweckvereinbarung<br />

darf deshalb ebenso ohne vorheriges Vergabeverfahren geschlossen<br />

werden wie die »delegierende«. 57 Aus denselben Gründen erfasst<br />

der Anwendungsbereich des Vergaberechts auch die Übertragung<br />

kommunaler Aufgaben auf einen Zweckverband nicht. 58<br />

D. FINANZIELLE MITTEL UND BELASTUNGEN<br />

Um ihre Aufgaben zu erfüllen, benötigen alle Träger öffentlicher<br />

Verwaltung Geld. Den Kommunen gewährleistet Art. 28 II 3 GG<br />

zwar eine aufgabenadäquate Finanzausstattung. Allerdings können<br />

sie nur zu einem geringen Teil selber entscheiden, welcher<br />

Aufgaben sie sich annehmen. Weist der Landesgesetzgeber den<br />

Kommunen neue Aufgaben zu, so muss er nach mittlerweile allen<br />

Landesverfassungen regeln, wie die davon verursachten Mehrkosten<br />

gedeckt werden sollen. 59 Über weite Strecken nach Bundesrecht<br />

richtet sich die Haftung für kommunale und aufsichtliche<br />

Fehler.<br />

I. Hoheitliche Einnahmequellen<br />

Über die Sicherung best<strong>im</strong>mter Steuerquellen in Art. 28 II 4 und<br />

106 V bis VIII GG hinaus verpflichtet das Selbstverwaltungsrecht<br />

den Staat zur Regelung eines ergänzenden Finanzausgleichs,<br />

schützt die Befugnis der Kommunen, privatrechtliche Einnahmen<br />

und Kapitalerträge zu erzielen, sowie diejenige, sonstige Abgaben<br />

zu erheben. Insbesondere die kommunale Abgabenerhebung begrenzt<br />

das Grundgesetz aber auch.<br />

1. Kreation neuer Abgaben<br />

Dabei schlägt als Erstes die Kompetenzverteilung zwischen Bund<br />

und Ländern auf die kommunale Ebene durch, da die Kommunen<br />

nur <strong>im</strong> Kompetenzbereich der Länder tätig werden und auch<br />

nur in diesem Rahmen eigene Abgaben »erfinden« können. Kommunale<br />

Sonderabgaben mit Ausgleichszweck unterliegen weniger<br />

strengen Beschränkungen als solche mit Finanzierungszweck, da<br />

sie in geringerem Maße als diese die Ordnungsfunktion der Finanzverfassung<br />

gefährden. 60 Um sie einzuführen, bedürfen die<br />

Kommunen auch keiner ausdrücklichen Ermächtigung.<br />

Was Steuern betrifft, ist hingegen der Katalog der Art. 105 und<br />

106 GG abschließend. Den Kommunen haben die Länder insoweit<br />

nur die Regelung der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern<br />

überlassen, für die nach Art. 105 IIa GG sie zuständig<br />

sind, deren Aufkommen nach Art. 106 VI 1 GG aber ohnehin<br />

den Kommunen zufließt. Andersartige Steuern dürfen die Kommunen<br />

nicht kreieren. Zu den örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern<br />

zählen <strong>im</strong> Wesentlichen die Hundesteuer, die Vergnügungssteuer<br />

und die Zweitwohnungssteuer.<br />

Örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern erfassen einen besonderen<br />

Aufwand für die persönliche Lebensführung. 61 Deshalb<br />

ist eine Zweitwohnungssteuer nicht auf Wohnungen anwendbar,<br />

die nur als Geld- oder Vermögensanlage gehalten werden. 62 Sie<br />

darf für Erwerbszweitwohnungen erhoben werden, nicht aber von<br />

Ehegatten, die die Wohnung allein aus beruflichen Gründen unterhalten<br />

und nicht dauernd getrennt leben. 63 Zulässig ist damit<br />

insoweit nur die Besteuerung von Zweitwohnungen am Urlaubsort.<br />

Von Studierenden kann bereits aus kompetenzrechtlichen<br />

Gründen keine Zweitwohnungssteuer erhoben werden, da die<br />

Zweitwohnung am Studienort kein Ausdruck besonderer wirtschaftlicher<br />

Leistungsfähigkeit ist. 64 Örtliche Verbrauch- und<br />

Aufwandsteuern dürfen schließlich nicht auf einen Lenkungseffekt<br />

gerichtet sein, der dem Regelungskonzept eines Bundesoder<br />

eines Landesgesetzes widerspricht. 65<br />

2. Staffelung der Höhe von Abgaben<br />

Ein zusätzlicher Konflikt tritt <strong>im</strong> Fall der Hunde- und der Vergnügungssteuer<br />

dann auf, wenn sie aus anderen Gründen als nach<br />

der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen abgestuft werden.<br />

¾hnliche Fragen wirft die soziale Staffelung von Gebühren und<br />

Beiträgen auf, etwa für Kindergärten und Musikschulen. 66 Maßstab<br />

ist hierfür jeweils Art. 3 I GG in seiner Ausprägung als<br />

Grundsatz der Abgabengerechtigkeit. Eine unterschiedliche Höhe<br />

der Abgaben bedarf danach eines legit<strong>im</strong>en Differenzierungsgrundes,<br />

der seinem Gewicht nach auch dazu geeignet ist, das<br />

Maß der Abstufung zu rechtfertigen. Ein geeigneter Rechtfertigungsgrund<br />

ist die Gefährlichkeit des besteuerten Gegenstandes,<br />

52 EuGH Slg 2005, 1 – Stadt Halle = JA 2005, 692 (Oberrath).<br />

53 OLG Düsseldorf NVwZ 2004, 1022; Hausmann/Bultmann NVwZ 2005, 377 (380).<br />

54 Bultmann NZBau 2006, 222 (223 f.).<br />

55 Vgl. dazu Schröder NVwZ 2005, 25 (29).<br />

56 OLG Düsseldorf NZBau 2006, 662 (664); Burgi NZBau 2005, 208 (210 f.).<br />

57 Burgi NZBau 2005, 208 (211 f.); a.A. OLG Düsseldorf NVwZ 2004, 1022 f.; Bergmann/Vetter<br />

NVwZ 2006, 497 (500); Storr SächsVBl 2006, 234 (239).<br />

58 OLG Düsseldorf NZBau 2006, 662 (664); Schröder NVwZ 2005, 25 (28); a.A. Hattig/<br />

Ruhland NWVBl 2006, 405 (408 f.).<br />

59 Zur Auslegung dieses »Konnexitätsprinzips« Dombert DVBl 2006, 1136 m.w.N.<br />

60 BVerwGE 122, 1 (5).<br />

61 Zur Vergnügungssteuer BVerwGE 120, 175 (182 f.).<br />

62 BVerwGE 99, 303 (304 f.).<br />

63 BVerfGE 114, 316 (335 ff.); a.A. noch BVerwGE 111, 122 (128).<br />

64 RhPfOVG, Beschl. v. 29. 1. 2007 – 6 B 11579/06, juris; MVOVG, Beschl. v.<br />

27. 2. 2007 – 1 M 103/06, juris; a.A. Meier, N./Juhre, KStZ 2005, 46 f.<br />

65 BVerfGE 98, 106 (119) = JA 1999, 635 (Heselhaus); BVerwGE 110, 248 (250).<br />

66 BVerfGE 97, 332 (344 ff.); BVerwGE 104, 60 (67); krit. Behr LKV 2005, 104 (107).<br />

6/2007 409<br />

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AUFSATZ<br />

AUFSATZ ÖFFENTLICHES RECHT · ENTWICKLUNGSSCHWERPUNKTE IM KOMMUNALRECHT<br />

z.B. eines Spielautomaten oder eines Hundes; ihr Grad kann bei<br />

Hunden anhand der Rassezugehörigkeit typisiert werden. 67<br />

Einen Gestaltungsspielraum nicht dem Grunde nach, aber über<br />

die Höhe besitzen die Gemeinden bei der Gewerbesteuer mit<br />

ihrem Recht zur Festlegung des Hebesatzes. Ob der Gesetzgeber<br />

dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht eine zulässige Schranke<br />

gesetzt hat, indem er seit 2004 einen Mindesthebesatz von 200 %<br />

vorschreibt, ist noch offen. Das BVerfG hat über eine dagegen gerichtete<br />

Kommunalverfassungsbeschwerde bislang nicht entschieden.<br />

68 Als Eingriff in die kommunale Finanzhoheit, der aber nicht<br />

deren Kernbereich berührt, beurteilt der SächsVerfGH die gesetzliche<br />

Anordnung von Mindestgebühren in Selbstverwaltungsangelegenheiten.<br />

69<br />

II. Haftung der und gegenüber den Kommunen<br />

Finanzielle Verluste drohen den Kommunen infolge von Schädigungen<br />

<strong>Dr</strong>itter durch kommunale Amts- und Organwalter. Ob<br />

der Ersatz hierfür die kommunalen Kassen belastet, hängt davon<br />

ab, inwieweit die Kommune für ihre Funktionsträger haftet und<br />

ob sie ihrerseits Ersatz vom Träger der Kommunalaufsicht erlangen<br />

kann, falls dessen Bedienstete die Aufsicht fehlerhaft geführt<br />

haben.<br />

1. Haftung der Kommunen für Verschulden ihrer Vertreter<br />

Im Rechtsverkehr werden die Kommunen regelmäßig durch ihre<br />

Hauptverwaltungsbeamten, d.h. die Bürgermeister und Landräte,<br />

gesetzlich vertreten. Neben ihnen sind meist auch Beigeordnete,<br />

die einen Geschäftsbereich leiten, 70 in dessen Grenzen vertretungsbefugt.<br />

Die Mitglieder der Verwaltungsspitze ermächtigen<br />

in der Regel nachgeordnete Bedienstete zur Ausübung ihrer<br />

Vertretungsmacht, soweit sie Geschäfte der laufenden Verwaltung<br />

betrifft. Zudem sind die Gemeinden nicht gehindert, sich rechtsgeschäftlich<br />

bestellter Vertreter i.S. der §§ 164 ff. BGB zu bedienen.<br />

Das in der Kommunalverwaltung vorhandene Wissen wird<br />

diesen zu Gunsten der Geschäftspartner der Kommune nach dem<br />

Rechtsgedanken des § 166 II BGB zugerechnet, soweit nicht die<br />

spezifisch öffentlich-rechtlichen Schranken des Datenschutzes<br />

auch einer behördeninternen Informationsübermittlung entgegenständen.<br />

71<br />

Beide Konstellationen unterscheiden sich <strong>im</strong> Hinblick auf die<br />

Vertreterhaftung nach § 179 BGB. Während sie die rechtsgeschäftlichen<br />

Vertreter zumindest hinsichtlich des Schadenersatzes<br />

uneingeschränkt trifft, sind Amts- und Organwalter, die ihre<br />

Vertretungsbefugnis überschreiten, <strong>Dr</strong>itten nur nach §§ 823 ff.<br />

BGB zum Schadenersatz verpflichtet, insbesondere bei hoheitlichem<br />

Tätigwerden nach § 839 BGB. Praktisch bedeutet dies vor<br />

allem, dass ihre Ersatzpflicht nicht ohne Verschulden eintritt. Die<br />

Kommune, für die sie handeln, haftet dem Geschäftspartner dann<br />

folglich auch nur nach § 831 oder §§ 89, 31 BGB bzw. nach<br />

Art. 34 GG. Sie kann sich auf die Nichtigkeit der von ihrem<br />

Organ ultra vires abgegebenen Willenserklärung allerdings nach<br />

Treu und Glauben nicht berufen, wenn dies dem Erklärungsempfänger<br />

unzumutbar wäre. 72<br />

2. Begrenzungen der rechtsgeschäftlichen Handlungsfähigkeit<br />

der Kommunen und der Schutz ihrer Geschäftspartner<br />

Besondere kommunalrechtliche Schutzvorschriften, die über die <strong>im</strong><br />

Verkehr unter Privatpersonen bestehenden Anforderungen hinausgehen,<br />

können die Wirksamkeit kommunaler Rechtsgeschäfte beeinträchtigen.<br />

Gerade in dieser Situation stellt sich die Frage nach<br />

einer Haftung gegenüber Geschäftspartnern, die auf den Bestand<br />

einer kommunalen Willenserklärung vertraut haben.<br />

Der klassische Fall solcher Schutzvorschriften ist die Form, die<br />

die Kommunalgesetze für Verpflichtungserklärungen vorsehen,<br />

410 6/2007<br />

d.h. für Willenserklärungen, die darauf abzielen, eine neue Verbindlichkeit<br />

der Kommune zu begründen. 73 Bei öffentlich-rechtlichen<br />

Willenserklärungen führt die Verletzung der Formvorschriften<br />

analog § 125 BGB, ggf. i.V.m. § 59 I VwVfG, zur<br />

Nichtigkeit. 74 Da dem Landesgesetzgeber die Kompetenz fehlt,<br />

Formvorschriften des bürgerlichen Rechts zu erlassen, versteht die<br />

Rechtsprechung die Best<strong>im</strong>mungen über Verpflichtungserklärungen<br />

geltungserhaltend als Regelungen der Vertretungsmacht, soweit<br />

sie zivilrechtliche Erklärungen betreffen. 75 Hier greifen die<br />

unter 1. referierten Grundsätze ein. Ein erst vor einigen <strong>Ja</strong>hren<br />

entdeckter weiterer Anwendungsfall ist der Vorbehalt einer aufsichtlichen<br />

Genehmigung für Bürgschaften und andere Rechtsgeschäfte,<br />

durch die eine Kommune sich dazu verpflichtet, für<br />

Verbindlichkeiten <strong>Dr</strong>itter zu haften. Verweigert die Aufsichtsbehörde<br />

unanfechtbar die Genehmigung, so ist die Willenserklärung<br />

der Kommune unwirksam; bis zu diesem Zeitpunkt ist sie<br />

schwebend unwirksam. 76<br />

Klärt die Kommune ihren Geschäftspartner nicht darüber auf,<br />

dass ihre eigene Willenserklärung genehmigungsbedürftig ist, so<br />

kann diese Unterlassung sie zum Schadenersatz aus Verschulden<br />

be<strong>im</strong> Vertragsschluss verpflichten, wenn das Geschäft scheitert. 77<br />

Gleiches dürfte für eine schuldhafte Nichtbeachtung der erwähnten<br />

Formvorschriften gelten. 78 Wenn allerdings auch die Aufsichtsbehörde<br />

falsch entschieden und ein Sicherungsgeschäft für<br />

Verbindlichkeiten <strong>Dr</strong>itter rechtswidrig genehmigt hat, wird die<br />

Kommune versuchen, den Träger der Aufsichtsbehörde in Regress<br />

zu nehmen, um die finanziellen Mehrbelastungen infolge<br />

der Übernahme einer Bürgschaft bzw. einer dinglichen Sicherheit<br />

abzuwälzen. Eine Anspruchsgrundlage könnte sich dafür wiederum<br />

in § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG finden. 79<br />

Dies setzt zunächst voraus, dass die Genehmigung schuldhaft<br />

zu Unrecht erteilt oder versagt wurde. Zur gewissenhaften Prüfung<br />

kommunaler Sicherungsgeschäfte sind die Bediensteten der<br />

Kommunalaufsichtsbehörde verpflichtet. Kommunalaufsicht und<br />

Kommune wirken be<strong>im</strong> Abschluss der Sicherungsgeschäfte auch<br />

nicht zur Erfüllung einer gemeinsamen Aufgabe »gleichsinnig«<br />

zusammen, was die Eigenschaft der Kommune als »<strong>Dr</strong>itte« <strong>im</strong><br />

Sinne des Amtshaftungsrechts ausschlösse. 80 Zweifelhaft ist allerdings,<br />

ob die aufsichtliche Amtspflicht zumindest auch auf den<br />

Schutz des Vermögens und der Zahlungsfähigkeit der beaufsichtigten<br />

Kommune gerichtet ist oder ausschließlich auf das öffentliche<br />

Interesse an einer sparsamen Haushaltsführung. 81 Im letztgenannten<br />

Fall scheitert ein Amtshaftungsanspruch der Kommune<br />

daran, dass die Amtspflicht nicht gerade ihrem Schutz dient.<br />

67 BVerwGE 110, 265 (272 ff.); BVerwG NVwZ 2005, 598 (599 f.).<br />

68 Vgl. BVerfGE 112, 216 (222 f.).<br />

69 SächsVerfGH SächsVBl 2006, 138 (139).<br />

70 Zu ihrem Schutz vor willkürlichem Entzug oder Neuzuschnitt des Geschäftsbereichs<br />

NRWOVG NWVBl. 2004, 348; MVOVG DÖV 2005, 214 f.<br />

71 KG NVwZ-RR 2000, 765 (768 f.); OLG Düsseldorf NJW 2004, 783 (784 f.).<br />

72 BGHZ 147, 381 (387 ff.) = JA 2002, 89 (Krauss); Sensburg NVwZ 2002, 179 f.<br />

73 BGHZ 97, 224 (227).<br />

74 RhPfOVG NVwZ 1998, 655; NdsOVG NdsVBl 2005, 264 (265); a.A. HessVGH<br />

NVwZ-RR 2005, 650 (651).<br />

75 BGHZ 92, 164 (174); 147, 381 (382); ausführlich Stelkens VerwArch 94 (2003) 48.<br />

76 BGHZ 142, 51 (53); BGH DVBl 2004, 577 (580).<br />

77 BGHZ 142, 51 (60 f.); BGH DVBl 2004, 577 (579 f.).<br />

78 Angedeutet in BGHZ 147, 381.<br />

79 Mit positivem Ergebnis BGHZ 153, 198 (203); ebenso Oebbecke DÖV 2001, 406<br />

(411); Komorowski VerwArch 93 (2002) 62 (95).<br />

80 Vgl. BGHZ 116, 312 (315); 148, 139 (147).<br />

81 Ablehnend daher v. Mutius/Groh NJW 2003, 1278 (1280 f.); Pegatzky LKV 2003, 451<br />

(452 ff.); Stelkens DVBl 2003, 22 (31).

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