David Helm: Auslegungspredigten

Kontextualisierung
(an statt nur das zu predigen, was Gott durch die Bibel zu sagen
beabsichtigt), waren wir wie ein Betrunkener, der sich an einem
Laternenmast festhält – nicht zur Erleuchtung, sondern um Halt
zu finden. Ein Prediger sollte aber eine andere Haltung einnehmen
und sich direkt unter den biblischen Text stellen. Denn die
Bibel ist das Medium, durch das der Heilige Geist spricht – und
nicht der Prediger selbst (siehe Hebr 3,7; Joh 6,63).
Nach jahrzehntelanger Arbeit als Pastor kann ich mich an
unzählige Male erinnern, wo ich so ein be rauschter Prediger war.
Ich nahm die Bibel, um das zu untermauern, wovon ich meinte,
es sagen zu müssen. Sie wurde ein nütz liches Werkzeug für mich.
Die Bibel half mir, das zu erreichen, was ich mir in den Kopf
gesetzt hatte. Gelegentlich habe ich die Tatsache aus den Augen
verloren, dass ich das Werkzeug sein sollte, also jemand, den
Gott gemäß seiner Absicht gebrauchen kann. Meine Aufgabe ist
es, das Licht zu verkünden, das er durch den Bibeltext verbreiten
will.
Die Fehler von damals können jedem von uns auch heute unterlaufen.
Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, wie wir die
Bibel so gebrauchen können wie ein Betrunkener ei nen Laternenmast.
Vielleicht haben Sie bestimmte Lehransichten, die Sie
zum Hauptthema jeder Ih rer Predigten machen, unabhängig davon,
was der Text vermitteln will. Vielleicht ziehen Sie politische,
soziale oder therapeutische Schlüsse, unabhängig von der Absicht
des Heiligen Geistes in diesem Text. Unterm Strich kann man
sagen, dass unsere Neigung, berauscht zu predigen statt auslegend
zu predigen, auf einer einzigen Sache beruht: Wir stellen
unsere tiefsten Leidenschaften, Pläne und Perspektiven über den
Bibeltext. Dabei wird die Bibel degradiert zu einer bloßen Stütze
für unsere persönliche Meinung.
Hier ein persönliches Beispiel, wie schnell so etwas passieren
kann. Vor vielen Jahren predigte ich über den 2. Korin therbrief.
Als ich zu den Kapiteln 8 und 9 kam, ent schied ich mich dafür,
diese zu überspringen und mit Kapitel 10 fortzufahren. Ich hatte
einen ganz einfachen Grund: Ich wollte mir die Kapitel 8 und
9 für irgendwann später im Gemeindeleben aufhe ben. In die-
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