21.09.2018 Aufrufe

BIBER 09_18 Ansicht fin

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Österreichische Post AG; PZ <strong>18</strong>Z041372 P; Biber Verlagsgesellschaft mbH, Museumsplatz 1, E 1.4, 1070 Wien<br />

www.dasbiber.at<br />

MIT SCHARF<br />

SEPTEMBER<br />

20<strong>18</strong><br />

NACH<br />

KABUL<br />

UND RETOUR<br />

Flüchtlinge auf Heimat-Besuch<br />

JUGO-<br />

ETIQUETTE<br />

VERLIEBT IN<br />

DEN ZUHÄLTER<br />

FLIRTZONE<br />

MOSCHEE<br />

DAS DATE NACH DEM GEBET


JOBS MIT AUSSICHTEN!<br />

Ausbildung, Karrierechancen, familienfreundliches Umfeld<br />

und ein tolles Team – das erwartet Sie als Mitarbeiterin oder<br />

Mitarbeiter in der SPAR-Feinkost.<br />

JOBS MIT AUSBILDUNG<br />

Feinkost ist unsere Kernkompetenz. Lassen Sie sich von uns<br />

zur Feinkost-Mitarbeiterin oder zum Feinkost-Mitarbeiter ausbilden.<br />

In einer Schulungsfiliale werden Sie schrittweise zum<br />

Feinkostprofi ausgebildet. Erst nach dieser Ausbildung geht’s<br />

in Ihrer Feinkost-Abteilung so richtig los.<br />

Yvonne S. hat Ihre Karriere als Lehrling<br />

begonnen. Wegen Ihrer Leidenschaft für<br />

Lebensmittel hat sie sich nach der Lehre für<br />

eine weitere Ausbildung und Karriere in der<br />

Feinkost entschieden. Heute leitet Sie erfolgreich<br />

eine Feinkostabteilung und ein 10-köpfiges<br />

Team.<br />

JOBS MIT KARRIERE<br />

In unserer Feinkost-Akademie lernen Sie von den Besten.<br />

Nach Abschluss der Ausbildung sind Ihrer Karriere<br />

keine Grenzen gesetzt! Führungspositionen wie Abteilungsleiter/in<br />

und Gebietsleiter/in werden bei uns bevorzugt<br />

mit eigenen Feinkost-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />

besetzt.<br />

Cindy B. hat als Quereinsteigerin in unserer<br />

Feinkost begonnen - war jetzt einige Jahre<br />

als Abteilungsleiterin tätig und startet gerade<br />

mit Ihrer Ausbildung zur Gebietsleiterin. Im<br />

Herbst wird Sie für rund 15 Feinkostabteilungen<br />

und mehr als 100 Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter verantwortlich sein.<br />

JETZT BEWERBEN!<br />

Informationen unter:<br />

www.spar.at/karriere<br />

Bewerbungen an:<br />

jobcenter@spar.at<br />

JOBS MIT<br />

ÖSTERREICH DRIN.


3<br />

minuten<br />

mit<br />

Elia<br />

Bragagna<br />

Wenn es um die schönste<br />

– aber oft nicht einfachste –<br />

Nebensache der Welt geht,<br />

ist Dr. Elia Bragagna nicht<br />

weit. Seit Matthias Strolz<br />

in einem Ö3-Interview die<br />

Wiener Sexualtherapeutin<br />

lobte, ist die Hilfe der<br />

Expertin gefragter denn je.<br />

Von Nada El-Azar, Foto: Ricardo Herrgott<br />

<strong>BIBER</strong>: Sprechen Sie noch viele Klienten<br />

auf Matthias Strolz an?<br />

ELIA BRAGAGNA: Es berufen sich tatsächlich<br />

viele auf ihn. Das, was Strolz<br />

in der Sendung angesprochen hat, ist<br />

ein für Paare typisches Problem und<br />

hat viele motiviert, über ihre Gefühle<br />

zu sprechen. In Bezug auf die eigenen<br />

sexuellen Bedürfnisse sind Menschen<br />

wahnsinnig verunsichert, was sie den<br />

Partnern sagen können. Im Gespräch<br />

kommt oft heraus, dass der jeweilige<br />

Partner oder die Partnerin nicht anders<br />

emp<strong>fin</strong>det.<br />

Wer geht zu einer Sexualmedizinerin?<br />

Was sind, Ihrer Meinung nach, typische<br />

Frauen- und Männerprobleme?<br />

Es gehen vor allem jene Menschen zu<br />

Sexualmedizinern, die wissen, dass es<br />

uns gibt. Es ist das Versäumnis vieler<br />

Kollegen, dass sie sich nicht sichtbar<br />

machen. Deswegen ist es mir wichtig,<br />

in den Medien präsent zu sein. Nicht<br />

aus Mediengeilheit, sondern um aufzuklären.<br />

Altersmäßig ist bei Patienten<br />

alles dabei. Frauen plagen Lustlosigkeit<br />

und Schmerzen beim Sex – auch weil<br />

viele sich zu sehr an der Sexualität der<br />

Männer orientieren. Bei Männern sind<br />

Erektionsstörungen und vorzeitiger<br />

Samenerguss die häufigsten Themen.<br />

Beobachten Sie eine neue „Volkskrankheit“?<br />

Für mich wäre das Performancesex.<br />

Weil Leute glauben, sie müssen den<br />

Schwachsinn erfüllen, der in Medien<br />

und Pornos vorgegeben wird. Ich<br />

beobachte bei jungen Männern, dass<br />

sie "normaler Sex" nicht mehr antörnt,<br />

weil sie der häufige Pornokonsum dafür<br />

abgestumpft hat. Das ist eine normale<br />

neurobiologische Reaktion. Bei Frauen<br />

äußert sich das so, dass sie Sex haben,<br />

obwohl ihre Körper noch nicht "rollig"<br />

genug sind. Dann wird auf Gleitmittel<br />

und Spucke zurückgegriffen – dieses<br />

Verhalten führt längerfristig zu Schmerzen<br />

beim Sex. Mir ist es ein Anliegen,<br />

dass wir einen gesunden Kontakt zu<br />

unserem Körper aufbauen. Den medialen<br />

Klischees zu entsprechen ist ein<br />

einziger Krampf.<br />

Alter: 62<br />

geboren in: Italien<br />

Berufung: Praktiziert seit 20<br />

Jahren als Sexualtherapeutin.<br />

Besonderes: Hat die erste<br />

Sexualambulanz am Wiener<br />

Wilhelminenspital initiiert.<br />

/ 3 MINUTEN / 3


3 3 MINUTEN MIT<br />

ELIA BRAGAGNA<br />

Von Matthias Strolz empfohlen.<br />

LOVE IS IN THE MOSQUE<br />

Gläubige Muslime lernen Gleichgesinnte<br />

nach dem Gebet kennen.<br />

24<br />

8 FACE OF THE MONTH:<br />

Ivana aus der Brigittenau erobert Los Angeles!<br />

10 IVANAS WELT<br />

When at Jugo’s house. Über Hausschuh-<br />

Zwang und Schleich-dich-Kaffee.<br />

POLITIKA<br />

12 KURZBESUCH IN KABUL<br />

EXKLUSIV: Junge Afghanen riskieren ihren<br />

positiven Asylstatus, um ihre kranken Eltern in<br />

ihrem Heimatland zu besuchen.<br />

16 „WELCHE FARBE HAT<br />

DIE TÜRKLINKE DEINER<br />

NACHBARN IN TEHERAN?“<br />

Ein Best-of der absurdesten Fragen bei<br />

Asylgesprächen.<br />

20 „HERR HACKER, WIE OFT<br />

KÜSSEN SIE IHRE FRAU<br />

TÄGLICH?“<br />

In der Politik wird bereits genug geredet: Biber<br />

fragt in Worten, Peter Hacker antwortet in<br />

Zahlen.<br />

IN<br />

22 DOPPELTE STAATS­<br />

BÜRGERSCHAFTEN<br />

Ein Anwalt klärt auf.<br />

RAMBAZAMBA<br />

24 AUFREISSZONE MOSCHEE<br />

Vor der Moschee, auf muslimischem Tinder<br />

oder in der MJÖ: Wo gläubige Muslime aus<br />

Wien ihre Liebe <strong>fin</strong>den.<br />

32 VERLIEBT UND VERKAUFT:<br />

Wenn junge Mädchen für ihren Freund<br />

anschaffen gehen – aus Liebe zu ihm.<br />

KARRIERE<br />

40 NICHTS ERLEBT.<br />

AUCH SCHÖN.<br />

Energiebündel Andrea hat diesen Sommer eine<br />

Woche auf einem Boot am Meer verbracht.<br />

RÜCKREISE AUF EIGENE GEFAHR<br />

In Österreich lebende Afghanen reisen<br />

in ihr Heimatland, um ihre Familie zu<br />

besuchen. Sie riskieren dabei Leben<br />

und positiven Asylbescheid.<br />

12


LOVERBOYS<br />

Junge Mädchen<br />

verlieben sich<br />

in tolle Jungs,<br />

die nur eines<br />

vorhaben: Mit Sex<br />

Geld verdienen<br />

HALT SEPTEMBER<br />

20<strong>18</strong><br />

nd_ Anzeige Biber_207x66mm<br />

32<br />

62<br />

ABENTEUER<br />

WÄRE EINE<br />

UNTER­<br />

TREIBUNG:<br />

Der Fotograf<br />

Loebell fuhr mit<br />

seinem Jeep von<br />

Kapstadt zum<br />

nördlichsten Gipfel<br />

Europas.<br />

Susanne Einzenberger, Christoph Liebentritt, Marko Mestrović, Cover: Susanne Einzenberger<br />

TECHNIK<br />

44 SHARING IS CARING<br />

Adam will mehr Bewusstsein für Shared<br />

Economy: „Wozu schonend umgehen, g‘heat ja<br />

eh ned mir“ – so geht das schon mal nicht.<br />

LIFE & STYLE<br />

46 HAUTFARBE ROT-WEISS-ROT<br />

Aleks lag zu lange in der Sonne und ihre<br />

Hautfarbe trägt nun die Nuance Österreich.<br />

48 MOSCHEE-COUTURE<br />

Jung, muslimisch, gutaussehend:<br />

Der Bajram-Style<br />

KULTUR<br />

56 ANTI ANTI<br />

Jelena ist genervt von Leuten, die immer anti<br />

alles sein müssen, einfach aus Prinzip.<br />

58 ICH BIN DRAGAN VON PARK,<br />

BRATE<br />

Welche Regeln gelten im Park? Wo darf<br />

wer stehen und warum trifft man dort mehr<br />

Burschen als Mädchen?<br />

OUT OF AUT<br />

62 MIT DEM LANDROVER<br />

DURCH AFRIKA<br />

Selbst<strong>fin</strong>dung, Abenteuer oder Freiheit?<br />

Benedikt Von Loebell reiste von Kapstadt über<br />

die afrikanische Westküste zum nördlichsten<br />

Zipfel Europas.<br />

70 DIE LEIDEN DES<br />

JUNGEN TODOR<br />

Todor über integrierte, fluchende Araber.<br />

• AHS-Matura<br />

• Berufsreifeprüfung<br />

• Studienberechtigungsprüfung<br />

• Sprachkurse, Latinum<br />

• Fernunterricht<br />

(Beginn jederzeit)<br />

Beginn: Frühjahr & Herbst<br />

HÖCHSTE<br />

ERFOLGSZAHL<br />

ÖSTERREICHS<br />

Tel.: 01/523 14 88, Neubaugasse 43, 1070 Wien, www.roland.at


Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />

Der Sommer neigt sich dem Ende zu, wir sind zurück<br />

von „unten“ und realisieren allmählich, dass die letzten<br />

Rationen von Evro-Krem, Schwarztee und gerösteten<br />

Sonnenblumenkernen nicht darüber hinwegtrösten,<br />

dass in knapp drei Monaten Weihnachten ist. Solche<br />

Sorgen hätten afghanische Flüchtlinge auch gerne,<br />

wenn sie vom Kurzurlaub aus ihrem Heimatland<br />

zurückkehren. Obwohl sie damit ihren positiven<br />

Asylstatus aufs Spiel setzen, besuchen viele Afghanen<br />

heimlich ausgerechnet jenes Land, aus dem sie<br />

geflüchtet sind. S. 12<br />

In der letzten Hoffnung auf eine späte Sommerliebe<br />

macht sich der eine oder andere gläubige Muslim<br />

top gestylt zum Freitagsgebet auf. Ja, ihr habt richtig<br />

gelesen: In Wiener Moscheen wird nicht nur gebetet,<br />

sondern auch gebaggert, was das Zeug hält. Wie flirten<br />

unter dem Halbmond abläuft, erfahrt ihr auf Seite 24.<br />

Der Fotograf Benedikt von Loebell hat eine<br />

fünfmonatige Abenteuerreise von Kapstadt<br />

nach Europa mit seinem Baby Bruce absolviert.<br />

Faszinierende Bilder von einem Kontinent im<br />

Umbruch. Ab S. 62<br />

Biber gibt’s nun schon mehr als zehn Jahre – das heißt<br />

schon was. Um uns weitere gute Jahre zu schenken,<br />

unterstützt uns doch mit einem biber Abo!<br />

IMPRESSUM<br />

MEDIENINHABER:<br />

Biber Verlagsgesellschaft mbH, Quartier 21,<br />

Musuemsplatz 1, E-1.4, 1070 Wien<br />

HERAUSGEBER & CHEFREDAKTEUR:<br />

Simon Kravagna<br />

STV. CHEFREDAKTEUR/IN:<br />

Amar Rajković<br />

Delna Antia (karenziert)<br />

CHEFiNNEN VOM DIENST:<br />

Amar Rajković<br />

Alexandra Stanić<br />

Melisa Erkurt<br />

CHEFREPORTERINNEN:<br />

Alexandra Stanić<br />

Melisa Erkurt<br />

FOTOCHEF:<br />

Marko Mestrović<br />

KOLUMNIST/IN:<br />

Ivana Cucujkić, Todor Ovtcharov<br />

REDAKTION & FOTOGRAFIE:<br />

Emira Abidi, Bilal Albeirouti, Aadilah<br />

Amin, Adam Bezeczky, Alex Dietrich,<br />

Emir Dizdarević, Susanne Einzenberger,<br />

Nada El-Azar, Maryam Ghanem<br />

Andrea Grman, Nour Khelifi, Sophie<br />

Kirchner, Christoph Liebentritt,<br />

Zoe Opratko, Jelena Pantić-Panić, Adis<br />

Serifović, Salme Taha Ali Mohamed,<br />

Aleksandra Tulej, Sarah Wagner,<br />

Artur Zolkiewicz<br />

ART DIRECTOR: Dieter Auracher<br />

LEKTORAT:<br />

Birgit Hohlbrugger<br />

CORPORATE SOCIAL INNOVATION:<br />

Andrea Grman<br />

BRANDED CONTENT:<br />

Katja Trost<br />

BUSINESS DEVELOPMENT:<br />

Andreas Wiesmüller<br />

GESCHÄFTSFÜHRUNG:<br />

Simon Kravagna<br />

Wilfried Wiesinger<br />

REDAKTIONSHUND:<br />

Tito<br />

KONTAKT: biber Verlagsgesellschaft mbH<br />

Quartier 21, Museumsplatz 1,<br />

E-1.4, 1070 Wien<br />

Tel: +43/1/ 9577528<br />

redaktion@dasbiber.at<br />

marketing@dasbiber.at<br />

abo@dasbiber.at<br />

WEBSITE: www.dasbiber.at<br />

Das Beste daran ist: Ihr zahlt so viel ihr wollt. Mehr<br />

Infos unter www.dasbiber.at/abo<br />

Mit scharfen Grüßen. Die Redaktion<br />

ÖAK GEPRÜFT 1. HJ 2017:<br />

Druckauflage 85.000 Stück<br />

verbreitete Auflage 80.601 Stück<br />

DRUCK: Mediaprint<br />

6 / MIT SCHARF /


Alle Fahrgäste <strong>fin</strong>den’s wohlriechend feiner,<br />

nur nicht Lukas, der isst Käsekrainer.<br />

#fahrfair<br />

Keine stark<br />

riechenden Speisen<br />

in den Öffis!


8 / MIT SCHARF /


FACE<br />

OF THE MONTH:<br />

IVANA<br />

STOJKOVIC<br />

Von Emira Abidi, Foto: Christoph Liebentritt<br />

Es ist der Tag, auf den Ivana ihr ganzes Leben lang gewartet hat.<br />

Los Angeles, Juli 20<strong>18</strong>, 30 Grad im Schatten, alle Augen sind auf<br />

sie gerichtet. Vor allem der nackte Schauspieler, der während<br />

ihres Monologs auf einer Nebenbühne auftaucht, bringt sie aus<br />

der Fassung. "Ich habe keine Ahnung, was ich dort oben gemacht<br />

habe“, so Ivana aufgeregt und sichtlich erfreut über das gedrehte<br />

Video, das ihrem Gedächtnis nun auf die Sprünge hilft.<br />

Ivi, wie ihre Freunde sie nennen, ist 25 Jahre alt und träumt von<br />

einer Karriere auf den großen Bühnen dieser Welt. Als Multitalent<br />

bewarb sie sich für die Weltmeisterschaften der darstellenden<br />

Künste in Los Angeles in den Kategorien „Hip Hop Tanz“ und<br />

„Schauspiel“. Jetzt steht sie da, 12 Flugstunden von ihrer Brigittenauer<br />

Hood entfernt und hat keinen Plan, was die Jury von<br />

ihr erwartet. Irgendwie können wir ihr nicht so recht glauben. Am<br />

Ende staubt sie nämlich in der Kategorie „Schauspiel“ Bronze ab<br />

und erklimmt mit ihrer mitreißenden Hip-Hop-Performance das<br />

oberste Stockerl. Vor allem die freche Art der Wienerin überzeugte<br />

die kritische Jury. „Ich habe der Jury vorgeworfen, sie wüsste<br />

nichts von Theater, wenn sie noch keine Vorstellung in Wien<br />

besucht haben", erklärt sie ihr Erfolgsrezept. Die große Klappe<br />

zahlt sich aus, denn sie wird zusätzlich mit einem Stipendium für<br />

das „Conservatory“, eine renommierte Schauspielschule in New<br />

York, belohnt.<br />

Die frisch erkorene Weltmeisterin unterwirft sich keinen Ernährungsvorschriften,<br />

anders ist ihr Lieblingsgericht „Steak mit überbackenem<br />

Käse“ von ihrem Freund zubereitet, nicht zu erklären.<br />

Für die Zukunft wünscht sich die Rampensau: "Spielen,<br />

spielen, spielen und davon leben können." Am liebsten<br />

im Wiener Burgtheater. Ob es dort in<br />

der Kantine das Steak mit überbackenem<br />

Käse gibt, wurde<br />

uns noch nicht<br />

überliefert.<br />

/ MIT SCHARF / 9


In Ivanas WELT berichtet die biber-Redakteurin<br />

Ivana Cucujkić über ihr daily life.<br />

IVANAS WELT<br />

#WHEN AT JUGO’S HOUSE<br />

Zu Besuch in einem Balkanhaushalt kann man als ungeübter Gast oft ins<br />

Fettnäpfchen treten. Eine Guideline über das perfekte Gastgeschenk,<br />

Hausschuhzwang und Schleich-dich-Kaffee.<br />

→ SCHUHE AUSZIEHEN: Ich wiederhole: Immer-die-<br />

Schuhe-ausziehen! Der Gast geber wird aus Verlegenheit<br />

anbieten, sie anzubehalten. In Wahrheit meint er<br />

aber: „Zieh sie ja aus, verdammt, und sau mir nicht den<br />

Teppich voll. Die Wohnung ist bli-tze-sau-ber.“<br />

→ PATSCHEN ANZIEHEN: Ein routinierter Jugo-Gastgeber<br />

wird immer Hauspatschen anbieten. Diese hat er<br />

in mehrfacher Ausführung im Ikea-Vorteilspack in den<br />

Größen 38 bis 43 parat. In seiner Erziehung wäre andernfalls<br />

wohl gravierend etwas schief gelaufen. Hausschuhe,<br />

sowie Jogginghosen, gehören da zum Lifestyle<br />

und in jeden gut sortierten Jugoschuhschrank. Als Gast<br />

darf man diese ablehnen, riskiert aber schiefe Blicke.<br />

cucujkic@dasbiber.at<br />

→ DIE WANDER-BONBONIERE: Am Balkan weltberühmt,<br />

ist der Klassiker unter den Gastgeschenken am<br />

aussagekräftigsten auf der Gastgeber-Beeindruckungsund<br />

Respektheitsskala. Lässt der Gast sich nicht lumpen,<br />

greift er zu den 500g-Lindt-Pralinés. Der Gastgeber<br />

wird innerlich begeistert nicken und sie vorsorglich<br />

zur Seite schaffen für seinen nächsten Gastauftritt. Das<br />

Schicksal dieser Konfektgeschenke ist es, immer wieder<br />

in einer fremden Naschlade zu landen. Die Wahl<br />

des Präsents aus zart-bitter sagt viel über die emotionale<br />

Bindung zwischen Gast und Gastgeber aus: Die<br />

schweizer Edelschoki schreit „I love you, I need you,<br />

ich will mich unbedingt bei dir einschleimen!“ Bei einem<br />

Null-Bock-Anstandsbesuch landet in der Glitzerpapiertasche<br />

eher ein ‚Merci‘ oder gleich die Jugo-Bonbonjera<br />

von minderer Qualität und Verpackungsdesign von<br />

1976.<br />

→ RUNTER DAMIT: Getränke werden stets ausgetrunken,<br />

bevor man geht. Ansonsten hinterlässt man Streit<br />

im Haus. (Also, wenn man daran glauben mag.)<br />

→ UND RUNTER DAMIT: Ja, auch bitte immer alles<br />

vom Teller essen, auch den dritten aufgezwungenen<br />

Nachschlag, auch bei akutem Sodbrennen. Die Nichtbeleidigung<br />

des Gastgebers hat hier oberste Priorität.<br />

→ DER „VERPISS-DICH-KAFFEE“: Das Ende eines<br />

geselligen Abends wird mit der „Sikteruša“ (sikter, türkisch:<br />

Schleich dich!) eingeläutet. Fragt die Gastgeberin<br />

„wer noch einen Kaffee will“, sollte jedem klar sein, dass<br />

nun (allerhöchste) Zeit ist zu gehen. Als Teil der Balkan<br />

Kaffee-Kultur ist die Sikteruša der ultimative konventionelle<br />

Code für „Ich hab die Schnauze voll von dir, gehst<br />

du jetzt bitte endlich?!“ Der Gastgeber wird laut Protokoll<br />

zum Bleiben überreden. Die einzig angemessene Reaktion<br />

darauf ist, sich mit Müdigkeit, Kopfweh oder sonst<br />

irgendwas Unglaubwürdigem herauszureden.<br />

→ VORZIMMERSESSION: In voller Montur angezogen,<br />

wird noch ein Thema nach dem anderen angerissen bis<br />

es unter der Daunendecke unangenehm feucht wird.<br />

Man ringt dem Gastgeber das Versprechen ab, das nächste<br />

Mal un-be-dingt auch zu kommen und verlässt sein<br />

Haus mit einem leichten Magengeschwür und einer in<br />

Alufolie abgepackten Miniatur des Abendmenüs.<br />

10 / MIT SCHARF /


FAMILIENBONUS<br />

Bis zu 1.500 €<br />

Steuern sparen<br />

pro Kind<br />

BMF/Fotolia<br />

Berechnen Sie Ihren<br />

persönlichen Vorteil:<br />

familienbonusplus.at<br />

Der Familienbonus Plus ist die bisher größte Entlastungsmaßnahme aller Zeiten für Familien. Insgesamt<br />

werden rund 950.000 Familien und etwa 1,6 Mio. Kinder in Höhe von bis zu 1,5 Mrd. Euro entlastet.<br />

Entgeltliche Einschaltung<br />

Ein großes Plus für Familien<br />

Was heißt das nun für Ihre Familie? Sie<br />

erhalten künftig einen Steuerbonus von<br />

bis zu 1.500 Euro pro Kind und Jahr. Der<br />

Familienbonus Plus vermindert also direkt<br />

Ihre zu zahlende Steuer. Bei niedrigeren<br />

Einkommen bedeutet das in Zukunft sogar<br />

nicht nur weniger, sondern gar keine Einkommensteuer<br />

mehr bezahlen zu müssen.<br />

Der Familienbonus Plus steht Ihnen so lange<br />

zu, so lange für das Kind Familienbeihilfe<br />

bezogen wird. Nach dem <strong>18</strong>. Geburtstag<br />

Ihres Kindes steht Ihnen ein reduzierter<br />

Betrag zu, wenn für dieses Kind weiterhin<br />

Familienbeihilfe bezogen wird.<br />

Neu: Der Kindermehrbetrag<br />

Anders als bisher werden nun auch geringverdienende<br />

Alleinerziehende bzw.<br />

Alleinverdienende berücksichtigt, die gar<br />

keine oder eine sehr niedrige Einkommensteuer<br />

bezahlen. Ihnen steht künftig ein so<br />

genannter Kindermehrbetrag in Höhe von<br />

250 Euro pro Kind und Jahr zu.<br />

Neues ersetzt Altes –<br />

zu Ihrem Vorteil<br />

Die gute Nachricht vorweg: Niemand steigt<br />

durch den Familienbonus Plus schlechter<br />

aus als zuvor. Im Gegenteil: Der Familienbonus<br />

Plus kann unter den Eltern aufgeteilt<br />

und damit optimal ausgenützt werden. Da<br />

er unmittelbar die Steuer und nicht nur die<br />

Steuerbemessungsgrundlage vermindert,<br />

hat er eine vielfach höhere Entlastungswirkung<br />

als die Abzugsfähigkeit von Kinderbetreuungskosten<br />

und die Berücksichtigung<br />

des Kinderfreibetrages, die ab 2019<br />

wegfallen.<br />

So holen Sie sich Ihren Bonus<br />

Sie können gegenüber Ihrem Arbeitgeber<br />

erklären, dass der Familienbonus Plus ab<br />

dem Jahr 2019 über die Lohnverrechnung<br />

berücksichtigt werden soll. Dann verringert<br />

sich schon während des Jahres Ihre<br />

Lohnsteuer. Sie können ihn aber auch nach<br />

Ablauf des Jahres beim Finanzamt über die<br />

Steuererklärung bzw. Arbeitnehmerveranlagung<br />

geltend machen.<br />

JETZT ERSPARNIS BERECHNEN<br />

Der bewährte Brutto-Netto-Rechner<br />

wurde erweitert, damit Sie sich Ihre<br />

persönliche Steuerersparnis durch den<br />

Familienbonus Plus beziehungsweise<br />

den Kindermehrbetrag ausrechnen<br />

können.<br />

Den Rechner, den aktuellen Folder<br />

sowie weitere Informationen <strong>fin</strong>den Sie<br />

gesammelt auf familienbonusplus.at


REISE IN<br />

DEN KRIEG<br />

Obwohl afghanische Flüchtlinge von den Konsequenzen wissen,<br />

reisen sie zurück in die Heimat: Sie gefährden damit nicht nur ihr<br />

Leben, sondern auch ihren positiven Asybescheid.<br />

Von Aadilah Amin und Alexandra Stanić<br />

Fotos: Christoph Liebentritt<br />

Natürlich war ich mir<br />

bewusst, was ich aufs<br />

Spiel setze“, beginnt<br />

Jawid * seine Erzählung.<br />

„Aber mir blieb nichts<br />

anderes übrig.“ Jawid ist ein schlanker,<br />

junger Mann in kariertem Hemd und<br />

Jeanshose, er wirkt aufgekratzt und<br />

unsicher. Vor 13 Jahren ist er nach<br />

Österreich geflohen, allein, ohne seine<br />

Familie. Jawid hat in Wien die Matura<br />

absolviert und arbeitet derzeit Vollzeit<br />

im pädagogischen Bereich. Er möchte<br />

möglichst wenig über sich preisgeben,<br />

zu groß die Angst, dass man heraus<strong>fin</strong>det,<br />

wer er ist. In Afghanistan würde man<br />

Jawids Auftreten als westlich bezeichnen.<br />

Als er sich auf die Reise zu seiner<br />

Mutter vorbereitet, achtet er deswegen<br />

besonders auf sein Erscheinungsbild,<br />

er möchte unter keinen Umständen<br />

auffallen. „Ich hab mir die Haare nicht<br />

gestylt wie gewöhnlich, legere Kleidung<br />

getragen und meinen Ohrring abgelegt“,<br />

erklärt der 26-Jährige. „Wenn<br />

die Taliban heraus<strong>fin</strong>den, dass ich<br />

Afghanistan verlassen habe und einen<br />

westlichen Lebensstil führe, würden sie<br />

mich entweder sofort umbringen oder<br />

mich kidnappen und Lösegeld verlangen.“<br />

Jawids größte Sorge ist, dass<br />

ihm Österreich seinen Asylbescheid<br />

aberkennt und er zurück nach Afghanistan<br />

muss. Der 26-Jährige führt hier<br />

ein glückliches Leben. Für ihn bedeutet<br />

Österreich Heimat – und doch riskiert<br />

er all das, in dem er nach Afghanistan<br />

reist. „Meine Mutter ist an einer Herz-<br />

Rhythmus-Störung erkrankt“, erklärt er.<br />

12 / POLITIKA /


Reist eine Person, die<br />

in Österreich Asyl<br />

erhalten hat, in das<br />

Land, aus dem er oder<br />

sie geflohen ist, ist das<br />

ein klarer Grund für<br />

die Abererkennung<br />

des Status.<br />

/ POLITIKA / 13


„Sie schafft es nicht alleine zum Arzt und<br />

mein Vater nimmt die Krankheit nicht<br />

ernst, deswegen bin ich hin, um ihr zur<br />

Seite zu stehen.“<br />

Reist eine Person, die in Österreich Asyl<br />

erhalten hat, in das Land, aus dem er<br />

oder sie geflohen ist, ist das ein klarer<br />

Grund für die Abererkennung des Status,<br />

gibt das Bundesministerium für Inneres<br />

auf Anfrage bekannt. Das Außenministerium<br />

warnt vor Reisen nach Afghanistan:<br />

„Im ganzen Land besteht das Risiko von<br />

gewalttätigen Auseinandersetzungen,<br />

Raketeneinschlägen, Minen, Terroranschlägen<br />

und kriminellen Übergriffen<br />

einschließlich Entführungen, Vergewaltigungen<br />

und bewaffneter Raubüberfällen.“<br />

DIE SCHULDGEFÜHLE<br />

Jawids Familie lebt in einem kleinen<br />

Dorf in der Provinz Ghazni. Als er Anfang<br />

August in der ostafghanischen Hauptstadt<br />

der Provinz, die auch den Namen<br />

Ghazni trägt, ankommt, besetzen diese<br />

die Taliban. „Sie haben Einkaufszentren<br />

angezündet, Häuser geplündert, die Straßen<br />

waren voller Blut“, beschreibt der<br />

junge Mann die Situation. Während er<br />

spricht, ist er aufgebracht. Die Lebensgefahr<br />

nimmt Jawid in Kauf, um seiner<br />

Mutter nach dreizehn Jahren bei schwerer<br />

Krankheit nahe sein zu können. „Ich<br />

hätte es mir nie verziehen, wäre ich nicht<br />

hingereist“, sagt er.<br />

Neben der innigen Beziehung zu<br />

seiner Mutter, die er auch von Wien aus<br />

aufrechterhalten konnte, steht Jawid<br />

unter viel Druck. „Meine Mutter hat<br />

mich immer wieder gefragt, wann ich<br />

endlich komme“, erklärt er. „Ich hatte<br />

so lange ein schlechtes Gewissen, dass<br />

ich sie nicht besucht habe.“ Deswegen<br />

ist die Freude beim Wiedersehen groß.<br />

Als Jawid nach insgesamt 24 Stunden<br />

Reisezeit ankommt, veranstaltet die<br />

Familie, trotz ihrer armen Verhältnisse,<br />

ein großes Abendessen - fast das ganze<br />

Dorf ist anwesend. Für die Einwohner ist<br />

es etwas sehr Besonderes, dass Jawid<br />

nach dreizehn Jahren wieder da ist.<br />

FAMILIE IST ALLES<br />

Ähnliche Gründe wie Jawid hatten auch<br />

Zara* und Rashid*, als sie letztes Jahr<br />

nach Afghanistan gereist sind. „Mein<br />

Vater ist sehr krank und meine Frau<br />

hat ihre Familie seit über zehn Jahren<br />

nicht mehr gesehen“, erklärt Rashid, der<br />

Elektrotechnik in Kabul studiert hat. Auf<br />

die Frage, ob sich das Ehepaar bewusst<br />

ist, dass sie gegen ein Gesetz verstoßen,<br />

antwortet der 48-Jährige: „Ja, aber wer<br />

würde das Risiko nicht eingehen, seinen<br />

kranken Vater vielleicht das letzte Mal zu<br />

sehen, bevor er stirbt?“ Seine Frau nickt<br />

zustimmend. „Ich liebe unsere Familie.<br />

Dass meine Kinder ihre Großeltern<br />

kaum kennen, bricht mir das Herz“, sagt<br />

sie. Rashid ist der Meinung, Österreich<br />

sollte geflohenen Afghanen zumindest<br />

die Möglichkeit geben, einen Antrag<br />

zu stellen, um in ihr Heimatland reisen<br />

zu dürfen. Derzeit können geflohene<br />

AfghanInnen nur dann nach Afghanistan<br />

reisen, wenn sie die österreichische<br />

Staatsbürgerschaft haben. „Aber die<br />

„<br />

Für Zeit mit<br />

meinem<br />

Vater nehme<br />

ich auch in<br />

Kauf, meinen<br />

Asylstatus zu<br />

verlieren.<br />

“<br />

zu bekommen, ist ein langwieriger und<br />

schwerer Prozess“, weiß Rashid.<br />

Familie hat in Afghanistan oberste<br />

Priorität, Clan- und Stammesgruppen<br />

spielen in der Gesellschaft eine große<br />

Rolle. Kinder sind eine Art Vorsorge,<br />

Familienmitglieder bauen aufeinander,<br />

sind abhängig voneinander. „Wie soll ich<br />

ein Gesetz ernstnehmen, dass einem<br />

Sohn verbietet, seine Eltern zu sehen?“,<br />

fragt Rashid. „Für Zeit mit meinem Vater<br />

nehme ich auch in Kauf, meinen Asylstatus<br />

zu verlieren.“<br />

Um ein Haar wäre das auch passiert.<br />

Bei der Heimreise nach Österreich wurde<br />

das Ehepaar mit ihren drei Kindern auf<br />

einem europäischen Flughafen aufgehalten.<br />

Auch Zara und Rashid sind<br />

vorsichtig mit den Informationen, die<br />

sie weitergeben. So viel erzählen sie<br />

aber: „Als die Polizisten uns gestoppt<br />

haben, kannten sie unseren Namen. Sie<br />

haben uns in einen Untersuchungsraum<br />

gebracht und uns stundenlang verhört.“<br />

Weil die Beamten keinen Beweis <strong>fin</strong>den<br />

konnten, dass die Familie in Afghanistan<br />

war, durften sie schlussendlich den Flug<br />

nach Wien antreten.<br />

In der afghanischen Community<br />

in Wien hört man immer wieder von<br />

Menschen, die bei der Einreise nach<br />

Österreich erwischt worden. Das Innenministerium<br />

führe dazu keine Statistik,<br />

wie uns auf Anfrage mitgeteilt wurde. Die<br />

Angst ist groß, trotzdem nehmen viele<br />

die Gefahr auf sich. Auch der 23-Jährige<br />

Ali * ist einer von ihnen. Er ist 2014 nach<br />

Österreich geflohen und hat dieses Jahr<br />

seinen positiven Asylbescheid erhalten.<br />

Einen Monat später ist er nach Afghanistan<br />

geflogen, um seine Familie wiederzusehen.<br />

„Als meine Mutter erfahren<br />

hat, dass ich einen positiven Asylstatus<br />

habe, ist sie in den Tränen ausgebrochen“,<br />

erinnert sich der 23-Jährige und<br />

schüttelt den Kopf. „Sie dachte, sie wird<br />

mich nie wieder sehen.“ Auch seiner<br />

Verlobten fällt die Situation zunehmend<br />

schwer. Ali ist ein aufgeweckter Mann,<br />

der ein ansteckendes Lachen hat. Aber<br />

es nimmt ihn sichtlich mit, dass die<br />

Lage in Afghanistan auch nach so vielen<br />

Jahren gefährlich ist und, dass er seiner<br />

Familie nicht nahe sein kann. Eine illegale<br />

Flucht, wie es Ali getan hat, kommt<br />

für sie nicht in Frage. „Sie haben keine<br />

Möglichkeit zu fliehen, sie sind weder fit<br />

genug noch haben sie genug Geld für<br />

Schlepper“, erklärt er. „Ich habe es nicht<br />

mehr ausgehalten, meine Familie so zu<br />

vermissen. Ich mache mir täglich riesige<br />

Sorgen um sie “, erklärt der junge Mann,<br />

der derzeit ein technisches Abendkolleg<br />

besucht. „Man bekommt von allen Seiten<br />

mit, wie unsicher das Land ist. Ich hätte<br />

es mir nie im Leben verziehen, wenn<br />

meiner Familie etwas passiert wäre und<br />

ich konnte sie nicht ein letztes Mal in die<br />

Arme schließen.“<br />

MIT 50 EURO ÜBER DIE<br />

GRENZE<br />

Ali fühlt sich, wie viele junge Afghanen,<br />

verantwortlich für seine Eltern.<br />

„Ich glaube, Österreicher können nicht<br />

nachvollziehen, wie wichtig uns Familie<br />

ist. Es fühlt sich so an als würde ich sie<br />

14 / POLITIKA /


Afghanische Flüchtlinge<br />

in Östereich bekommen<br />

einen Konventionspass.<br />

Darin steht: „Dieser<br />

Reisepass gilt für<br />

alle Staaten der<br />

Welt ausgenommen<br />

Afghanistan.“<br />

/ MIT SCHARF / 15


„<br />

Mein<br />

Gewissen<br />

plagt mich<br />

so sehr, dass<br />

ich bereit bin,<br />

mein Leben<br />

und alles,<br />

was ich hier<br />

aufgebaut<br />

habe, zu<br />

verlieren.<br />

“<br />

völlig ihrem schweren Schicksal überlassen“,<br />

so Ali. „Mein Gewissen plagt<br />

mich so sehr, dass ich bereit bin, mein<br />

Leben und alles, was ich hier aufgebaut<br />

habe, zu verlieren.“ Um das Schlimmste<br />

zu vermeiden, trifft Ali alle ihm möglichen<br />

Sicherheitsvorkehrungen. „Ich<br />

habe kaum jemandem erzählt, dass ich<br />

nach Afghanistan reise und mein Handy<br />

zurückgelassen, damit niemand Wind<br />

davon bekommt“, erklärt der Student.<br />

Die Schlepper, die er engagiert, arbeiten<br />

mit Zollbeamten zusammen. „Ich<br />

habe nicht einmal 50 Euro bezahlt, um<br />

es ohne legale Papiere über die Grenze<br />

zu schaffen“, so Ali. „Ich musste nicht<br />

einmal meinen Pass herzeigen, sie haben<br />

uns einfach durchgewunken.“<br />

Jawid, Zara, Rashid und Ali nehmen<br />

nicht nur das Risiko in Kauf, ihren Asylbescheid<br />

zu verlieren. Die Lage in Afghanistan<br />

ist gefährlich, dessen wird sich<br />

Jawid wird auf dem Weg zurück nach<br />

Wien bewusst: Drei Mal wurde er von<br />

Taliban angehalten. „Es wäre aus mit mir<br />

gewesen, hätten sie gewusst, dass ich in<br />

Österreich lebe“, erklärt der 26-Jährige.<br />

Jawid hat sich für diesen Fall eine Lüge<br />

überlegt. „Ich habe ihnen gesagt, dass<br />

ich auf dem Weg zu Verwandten bin, die<br />

im Iran leben “, so Jawid. „Als sie meine<br />

Koffer durchsucht haben, haben sie dort<br />

keinerlei Beweise gefunden, dass ich<br />

Um möglichst wenig westlich auszusehen, lassen viele afghanische<br />

Flüchtlinge Wertgegenstände wie Handys oder Ohrringe daheim.<br />

aus Wien komme.“ Als er das dritte Mal<br />

aufgehalten wird, ist er sich sicher, dass<br />

sie ihm auf die Schliche gekommen sind.<br />

„Einer der Männer hat mich lange und<br />

intensiv gemustert, ich hab nur darauf<br />

gewartet, dass er seine Waffe zückt und<br />

mich erschießt“, sagt Jawid und blickt zu<br />

Boden. „In diesem Moment habe erst so<br />

richtig realisiert, dass ich nicht nur meinen<br />

Asylstatus sondern auch mein Leben<br />

aufs Spiel setze.“ ●<br />

*Namen von der Redaktion geändert<br />

16 / POLITIKA /


ES WIRD WIEDER<br />

SCHNELL<br />

ERMITTELT<br />

DIE 6. STAFFEL | 10 BRANDNEUE FOLGEN<br />

ab 17. SEPT jeden MO 20:15<br />

/ MIT SCHARF / 17


„Warum<br />

gehst du nicht<br />

ins Fitness-<br />

Center?“<br />

<strong>18</strong> / POLITIKA /


„Was hast du<br />

am Donnerstag<br />

vor fünf Jahren<br />

gemacht?“<br />

Stellt euch vor, ihr sollt<br />

über die traumatische Zeit<br />

in eurer Heimat sprechen<br />

und die erste Frage, die<br />

ihr gestellt bekommt, ist<br />

die oben genannte.<br />

„Warum<br />

hast du keine<br />

Freundin?“<br />

In meinem Heimatland lernt<br />

man nicht einfach Frauen<br />

auf der Straße kennen. Und<br />

hier in Österreich fehlt mir<br />

das Geld, um mein Date auf<br />

ein Essen oder eine Taxifahrt<br />

einzuladen.<br />

„Warum<br />

gehst du nicht<br />

ins Fitness-<br />

Center?“<br />

Ja, Bikini-Figur habe ich keine,<br />

aber eine Kritik an meiner<br />

Fitness so bösartig während<br />

eines Asylgesprächs zu verpacken?<br />

Damit habe ich nicht<br />

gerechnet und gehe erstmal<br />

ein paar Klimmzüge machen.<br />

„Warum hast<br />

du so wenige<br />

Geschwister?“<br />

Ja, es stimmt, in meinem Herkunftsland<br />

sind Familien mit<br />

einem Sohn oder einer Tochter<br />

äußerst selten. Umgekehrt<br />

gibt es in Österreich selten<br />

Familien mit mehr als fünf<br />

Kindern. Selten aber doch.<br />

„Welche<br />

Farbe hat die<br />

Türklinke deiner<br />

Nachbarin in<br />

Teheran?“<br />

Damit will man die Stichhaltigkeit<br />

der erzählten<br />

Asylgeschichte prüfen,<br />

schon klar. Der Leiter<br />

unseres Medienkurses hat<br />

uns erzählt, dass er nicht<br />

wüsste, welche Farbe seine<br />

eigene Tür hat. Wisst ihr<br />

eure?<br />

Der Volksmund<br />

behauptet, es gäbe<br />

keine blöden Fragen.<br />

Der war anscheinend<br />

noch nie bei einem<br />

Asylgespräch.<br />

Ein Best-Of:<br />

von Amar Rajkovic<br />

Illus: Vinz Schwarzbauer<br />

Bin furchtbar unsportlich und<br />

wurde deswegen in der Schule<br />

gehänselt. Müssen Sie das<br />

Thema nochmal auffrischen?<br />

„Warum<br />

spielst du kein<br />

Volleyball?“<br />

„Warum hast<br />

du deine Frau<br />

beschnitten?“<br />

Erstens: Ich habe keine Frau<br />

und zweitens: Ich habe noch<br />

immer keine Frau.<br />

„Vermisst<br />

du deine<br />

Kinder?“<br />

Ich habe sie (die Referentin)<br />

gefragt, ob sie Mutter sei.<br />

Sie verneinte und lachte. Ich<br />

musste weinen.<br />

Klarstellung: Die hier angeführten Fragen<br />

sind nur die negativen Beispiele aus Asylgesprächen.<br />

Das sollte kein Generalverdacht<br />

gegenüber Asyl-Referenten sein, die oftmals<br />

gute Arbeit leisten. Zum Glück leben<br />

wir nicht in Ländern wie Afghanistan oder<br />

Somalia, in denen Kritik an der Regierung<br />

unerwünscht ist und bestraft wird.<br />

/ POLITIKA / 19


Herr Hacker, wie viele<br />

Tage soll man auf<br />

einen Termin beim<br />

Facharzt warten?<br />

Wie viele<br />

Mitglieder<br />

der derzeitigen<br />

Bundesregierung<br />

müssten sofort<br />

zurücktreten?<br />

Wie viel<br />

Prozent wird<br />

die SPÖ bei<br />

den nächsten<br />

Wahlen in Wien<br />

erreichen?<br />

Auf einer Skala<br />

von 0 bis 100:<br />

Wie viele Meter<br />

rechts von der<br />

Mitte steht<br />

Sebastian Kurz?<br />

Interview in Zahlen:<br />

In der Politik wird bereits genug<br />

geredet. Biber fragt in Worten. Der<br />

Wiener Stadtrat für Gesundheit,<br />

Soziales und Sport Peter Hacker<br />

(SPÖ) antwortet nur mit einer Zahl.<br />

16 *<br />

50<br />

66<br />

Von Amar Rajković, Fotos: Christoph Liebentritt<br />

Mitarbeit: Emira Abidi<br />

* Die österreichische Regierung<br />

zählt 14 Minister und<br />

2 Staatssekretäre<br />

Vier Mal am Tag muss sich Hacker zum<br />

Krankenhaus-Nord-Desaster rechtfertigen<br />

Zwei von Hackers Freunden wählen die FPÖ<br />

In welchem<br />

Bezirk<br />

verbringen Sie<br />

am liebsten Ihre<br />

Freizeit?<br />

Wie viele Tage<br />

könnten Sie<br />

mit 150€ ohne<br />

Wohnkosten<br />

überleben?<br />

Wie oft küssen<br />

Sie Ihre Frau<br />

täglich?<br />

Wie viele<br />

Nummern<br />

haben Sie auf<br />

Ihrem Handy<br />

gespeichert?<br />

Wie viele<br />

Stunden<br />

schlafen Sie<br />

täglich?<br />

20<br />

7<br />

2<br />

1350<br />

5<br />

20 / POLITIKA /


Auf einer Skala<br />

von 0 bis<br />

100: Wie viele<br />

Meter links<br />

von der Mitte<br />

steht Michael<br />

Ludwig?<br />

Wie viele Ihrer<br />

Freunde wählen<br />

die FPÖ?<br />

Wie oft haben<br />

Sie schon<br />

Lederhose<br />

getragen?<br />

Wie viel PS hat<br />

Ihr Auto?<br />

Wie viel Geld<br />

haben Sie<br />

gerade in der<br />

Geldtasche?<br />

33<br />

2<br />

0<br />

260<br />

445€<br />

Der Wiener Politiker muss mit fünf Stunden Schlaf auskommen<br />

Wenn es nach Hacker geht, dürften Asylverfahren nicht<br />

länger als sechs Monate dauern<br />

Wie viele<br />

Stunden<br />

arbeiten Sie<br />

täglich?<br />

Wie hoch ist<br />

das Budget der<br />

Stadt Wien für<br />

Gesundheit im<br />

Jahr 20<strong>18</strong>?<br />

Wie viele<br />

Tage soll man<br />

höchstens für<br />

einen Termin<br />

bei einem<br />

Facharzt warten<br />

müssen?<br />

Wie oft am Tag<br />

werden Sie auf<br />

das Desaster<br />

von KH Nord<br />

angesprochen?<br />

Wie viele<br />

Monate soll ein<br />

Asylverfahren<br />

maximal<br />

dauern<br />

15<br />

5.000.000.000<br />

0<br />

4<br />

6<br />

/ POLITIKA / 21


„Ausgestoßen<br />

– vom eigenen<br />

Land“<br />

Seit den ersten Österreichern mit<br />

türkischen Wurzeln die rot-weißrote<br />

Staatsbürgerschaft aberkannt<br />

wurde, zittern tausende Menschen<br />

um ihre Existenz. „Im schlimmsten<br />

Fall werden aus Steuerzahlern jetzt<br />

Sozialhilfeempfänger“, kritisiert<br />

Anwalt Kazim Yilmaz.<br />

Von Sarah Wagner und Marko Mestrovic (Foto)<br />

Während des Wahlkampfs 2017 wurde<br />

den Freiheitlichen eine Namensliste von<br />

Personen zugespielt, die angeblich eine<br />

österreichisch-türkische Doppelstaatsbürgerschaft<br />

besitzen sollen. Seit Monaten ermitteln die zuständigen<br />

Behörden. Allein in Wien werden <strong>18</strong>.500 Fälle<br />

überprüft. Der Grund: Doppelstaatsbürgerschaften<br />

sind in Österreich verboten. Vier Wiener mit türkischen<br />

Wurzeln haben bereits die österreichische<br />

Staatsbürgerschaft verloren. Drei von ihnen sind<br />

dagegen in Berufung gegangen. Anwalt Kazim Yilmaz<br />

vertritt einen der betroffenen Austro-Türken.<br />

IBER:Was bedeutet die Aberkennung der österreichischen<br />

Staatsbürgerschaft?<br />

KAZIM YILMAZ: Alles, was mit der österreichischen<br />

Staatsbürgerschaft verbunden ist, kann für die Menschen<br />

drastische Konsequenzen haben. Die Aufenthalts-<br />

wie auch Arbeitsgenehmigung vieler Betroffener<br />

beruht auf der österreichischen Staatszugehörigkeit.<br />

In einem ersten Schritt müssen sie sich bei Verlust der<br />

Staatsbürgerschaft um einen gültigen Aufenthaltstitel<br />

kümmern, erst damit können sie dann eine Arbeitsgenehmigung<br />

beantragen. Im schlimmsten Fall werden<br />

jetzt aus Steuerzahlern Sozialhilfeempfänger.<br />

Wie können Betroffene beweisen, dass sie keine tür-<br />

Die Karrieremesse<br />

für vielfältige Talente<br />

VIELFALT. KOMPETENZ. POTENTIAL.<br />

Was zählt sind Kompetenzen und Erfahrungen – unabhängig von<br />

Alter, Geschlecht, ethnischer Herkunft, sexueller Orientierung,<br />

Religion, sozialem Status und/oder Behinderung.<br />

9. Oktober 20<strong>18</strong><br />

10:00 - <strong>18</strong>:00 / MAK Wien<br />

Mailen Sie uns: office@fairversity.at<br />

Rufen Sie uns an: +43 (0) 1 93 466 14<br />

Mobil: +43 (0) 676 88 56 36 300<br />

Tolle Arbeitgeber CV-Check Bewerbungsfoto Speeddating Spannende Jobs Netzwerk<br />

Come as you are – be who you are!<br />

22 / MIT SCHARF /<br />

www.fairversity.at


kische Staatsbürgerschaft besitzen?<br />

Die Betroffenen sollen eine Bestätigung des türkischen<br />

Konsulats vorlegen, dass sie keine türkischen StaatsbürgerInnen<br />

sind. Allerdings bekommen sie keine Dokumente<br />

vom Konsulat, weil sie eben keinen türkischen<br />

Pass haben.Die Behörden verlangendamit etwas sehr<br />

kurioses, nämlich einen Umstand zu beweisen, der<br />

nicht da ist. Es ist wirklich absurd, denn eigentlich liegt<br />

die Beweislast bei der Behörde. Jetzt versucht man hier<br />

künstlich die Beweislast auf die Bürger umzuwälzen.<br />

Wie wird sich dieser Prozess auf die Integration auswirken?<br />

Es geht um Menschen, die schon seit 40 Jahren hier<br />

leben und sich als Österreicher fühlen – nur eben<br />

türkische Wurzeln haben. Jetzt haben viele das Gefühl,<br />

dass sie nicht gewollt sind; dass man künstlich versucht,<br />

eine – so wie mein Mandant es nennt – Hetzjagd<br />

auf Menschen mit türkischen Wurzeln zu betreiben. Das<br />

ist für die Integration natürlich höchst unerfreulich. Sie<br />

werden sich ausgestoßen fühlen – vom eigenen Land!<br />

Wie können sich Betroffene wehren?<br />

Jeder Fall ist anders gelagert, aber Betroffene sollten<br />

jemanden konsultieren, der sich nicht nur mit dem<br />

österreichischen Staatsbürgerschaftsrecht ausreichend<br />

auskennt, sondern auch mit den Grundzügen des türkischen<br />

Rechts. ●<br />

Anwalt Dr. Kazim Yilmaz<br />

und sein Mandant sprechen<br />

von einer „Hetzjagd“<br />

auf Menschen mit<br />

türkischen Wurzeln<br />

Wandern Sie durch die Wiener Weinberge<br />

und genießen Sie dabei Wiener Wein<br />

und Wiener Schmankerln, von Neustift<br />

bis nach Nußdorf, von Strebersdorf bis<br />

Stammersdorf und in Ottakring.<br />

Herrliche Aussicht auf Wien<br />

Viele köstliche Labestationen<br />

Insgesamt 25 km Weinwege<br />

20<strong>18</strong><br />

Der 12.Wiener Weinwandertag<br />

www.umweltmusterstadt.wien.at<br />

29. bis 30.<br />

3 Routen:<br />

1 Neustift bis Nußdorf<br />

2 Strebersdorf bis Stammersdorf<br />

3 Weinspaziergang Ottakring<br />

September<br />

20<strong>18</strong><br />

10 – <strong>18</strong> Uhr<br />

– bezahlte Anzeige – www.message.at, Foto: Julius Silver<br />

Informieren Sie<br />

sich auf unserer<br />

Gratis-APP über<br />

die Strecken!<br />

/ MIT SCHARF / 23


24 / RAMBAZAMBA /


Flirtzone<br />

Moschee<br />

Wo gläubige Muslime ihre<br />

große Liebe <strong>fin</strong>den<br />

Beim Koranunterricht,<br />

in der Moschee, auf<br />

muslimischem Tinder<br />

oder in einem islamischen<br />

Verein – junge<br />

Muslime auf Partnersuche<br />

in Wien<br />

Von Maryam Ghanem , Fotos: Susanne Einzenberger<br />

Eine Menschenmenge, die sich in eine Richtung<br />

begibt. Scharenweise Männer in ihren<br />

schönsten Gewändern. Frauen, die ihr perfektes<br />

Make-up aufgelegt haben. Blicke, die<br />

heimlich ausgetauscht werden. Der Gebetsruf,<br />

der die Weite füllt. Es ist 8:30 an einem heißen Dienstagmorgen<br />

Ende August vor dem Islamischen Zentrum in<br />

Wien. Austro-Muslime aus verschiedensten Herkunftsländern<br />

haben sich zum Eid-Gebet, dem muslimischen<br />

Opferfest, versammelt, um zu beten – einige aber auch,<br />

um sich umzuschauen. Beim Festtagsgebet treffen vor der<br />

Moschee junge Männer und Frauen aufeinander, die auf<br />

Partnersuche sind. So vielfältig die versammelten Nationalitäten<br />

sind, so vielfältig sind heutzutage die Möglichkeiten,<br />

als gläubiger Muslim eine Partnerin in Wien kennenzulernen<br />

– und das ganz ohne Hilfe der Eltern.<br />

CATWALK IN DIE MOSCHEE<br />

„Meistens sind das anfangs nur Blicke, die ausgetauscht<br />

werden, da die meisten Mädchen und Jungen sich nicht<br />

trauen, einander an solchen Orten anzusprechen“, erzählt<br />

Ismail * vom Szenario vor der Moschee. „Ansonsten<br />

sind viele Männer auf der Suche. Sie schauen mit ihren<br />

/ RAMBAZAMBA / 25


Immer mehr junge Frauen mit knalligen Kopftüchern und<br />

starkem Make-Up machen sich vor der Moschee auf die<br />

Suche nach ihrer großen Liebe.<br />

Die jungen Männer stehen teilweise zu fünfzehnt vor der<br />

Moschee und beobachten die jungen Frauen. Wenn sich die<br />

Blicke treffen, checkt man einander auf Social Media aus.<br />

Freunden durch die Gegend und fragen sich<br />

gegenseitig aus, wer diese und jene ist.“<br />

Ein Instagram in Reallife: Junge Muslime<br />

präsentieren sich speziell an diesem Tag von<br />

ihrer schönsten Seite, manche besorgen<br />

sich sogar Wochen im Voraus ein nagelneues<br />

„Eid-Outfit“. Während Frauen mit<br />

ihren schönsten Kleidern und dem dezenten<br />

Make-Up auffallen, tragen Männer ihre<br />

getrimmten Bärte und die polierten Schuhe<br />

zur Schau. Das Morgengebet am Eid rückt<br />

immer mehr in den Hintergrund, während<br />

sich sorgfältig abgestimmte Outfits und<br />

perfekt gegelte Frisuren in den Vordergrund<br />

drängen. „Es ist heute einfach nicht mehr<br />

das, was es mal war“, denkt Ismail laut.<br />

Ismails Freund Osama * erklärt, wie es in seinem<br />

Männerkreis nach dem Eid-Gebet zugeht. Sobald man ein<br />

Mädchen sieht, das einem gefällt, wird herumgefragt und<br />

es wird auf Social Media, meistens Instagram, aus<strong>fin</strong>dig<br />

gemacht. Beten und im Anschluss die Lage checken.<br />

„Zwei Fliegen mit einer Klappe. Je mehr Iman (=Glaube)<br />

man zeigt, desto seriöser wirkt man. Welches muslimische<br />

Mädchen will einen Player?“, schildert der 21-Jährige.<br />

Die Religionspraxis<br />

ist beim<br />

Großteil der<br />

muslimischen<br />

Jugendlichen<br />

nicht mehr<br />

Grund allein,<br />

zum Koranunterricht<br />

zu gehen.<br />

Nach dem Gebet geht’s mit Freunden in die<br />

Millenium City, die in der Nähe der Moschee<br />

ist, sagt der Student. „Dort schaut man sich<br />

dann richtig um“, meint er. „Es gibt immer<br />

die ein oder andere, die man kennt, also<br />

geht man grüßen. Je länger das Gespräch<br />

anhält, desto mehr Fame erntet man dann<br />

anschließend bei den Jungs.“ Sowohl er<br />

als auch Ismail wissen aber, dass einige<br />

muslimische Mädchen trotz ihres modernen<br />

Lebensstils nicht mit fremden Jungen<br />

gesehen werden wollen. Aus diesem Grund<br />

nutzen junge Muslime, die auf Partnersuche<br />

sind, Anlässe wie das Eid-Gebet, um sich<br />

unverbindlich umzuschauen.<br />

STYLEN STATT SUREN LERNEN<br />

Zara * berichtet von einer ähnlichen Situation in der<br />

afghanischen Community: „Einerseits stellt man sich im<br />

Koranunterricht zur Schau, andererseits bedeutet er auch<br />

eine Integration in die Community.“ Wenn auch genug<br />

afghanische Jugendliche zum Koranunterricht gehen, um<br />

ihren Glauben zu festigen, gibt es doch einige, bei denen<br />

die Religionspraxis nicht Grund allein für ihren Besuch ist.<br />

26 / RAMBAZAMBA /


„Das war besonders auffällig, als die Teilnehmerzahl nach<br />

Einführung eines geschlechterseparaten Koranunterrichts<br />

drastisch gesunken ist“, erinnert sich die 23-Jährige.<br />

„Man merkt schnell, wer die Moschee mit einer religiösen<br />

Absicht betritt und wer nicht.“ Die Burschen, die<br />

alle um die <strong>18</strong> sind, haben auf dem Weg in die Moschee<br />

die ankommenden Mädchen beobachtet. „Die Mädchen<br />

im Alter von 16 kamen immer aufgestylt zum Unterricht,<br />

haben gekichert, verstohlene Blicke ausgetauscht und sich<br />

Briefchen über die Jungs geschrieben“, sagt die Studentin.<br />

Um eine optimale Konzentration zu gewährleisten, wurde<br />

der Koranunterricht in Mädchen- und Burschen-Gruppen<br />

aufgeteilt.<br />

MUSLIMISCH, JUGENDLICH SUCHT<br />

Doch die jungen Austro-Muslime wissen sich zu helfen.<br />

Der Verein Muslimische Jugend Österreich, kurz „MJÖ“,<br />

wird im Spaß schon „Parship für Muslime“ genannt. Hier<br />

haben sich schon einige Ehepaare kennengelernt. Es ist<br />

ein offenes Geheimnis innerhalb der muslimischen Community,<br />

dass man hier seinen Partner fürs Leben <strong>fin</strong>den<br />

kann. Öffentlich über ihre Liebe reden will keines der sechs<br />

Paare, die für diesen Artikel angefragt wurden.<br />

„Die MJÖ selbst hat nicht die Absicht, dass man gezielt<br />

dorthin geht, um sich mit dem anderen Geschlecht auszutauschen“,<br />

erzählt Monika von ihrer Zeit als aktives Mitglied.<br />

„Trotzdem ist man sich dessen bewusst, dass viele<br />

mit dieser Absicht beitreten und zu den Veranstaltungen<br />

kommen.“ Sie <strong>fin</strong>det es aber dennoch okay, zumal das<br />

Ganze einem einen „Halal -Rahmen“ vorgibt, um Leute zu<br />

sehen und kennenzulernen. Wenn man sich das genauer<br />

anschaut, ist es weder verwerflich noch allzu verwunderlich.<br />

Eine junge, gläubige Muslima wird wohl kaum nach<br />

einem jungen Mann Ausschau halten, der vor einer Diskothek<br />

Schlange steht. Gläubige Muslime zielen darauf ab,<br />

jemanden zu <strong>fin</strong>den, der dieselbe Halal-Haram-Ratio aufweist,<br />

sprich, der dasselbe Verständnis bzw. Verhältnis von<br />

richtig und falsch im Islam hat. Die Muslimische Jugend<br />

Österreich bietet neben ihren gelegentlichen Festen und<br />

traditionellen Camps auch den Raum und die Möglichkeit,<br />

jemanden vom anderen Geschlecht kennenzulernen.<br />

Ab<br />

€ 3.50<br />

Transfergebühr *<br />

Jetzt kannst Du vor Freude<br />

schreien – Western Union hat<br />

attraktive Gebühren!<br />

Finde teilnehmende<br />

Standorte hier:<br />

wu.com/neu<br />

RECHTSSWIPEN FÜR DAS<br />

JA-WORT<br />

„Ich habe relativ schnell eingesehen, dass die Männer<br />

in meiner Umgebung nichts für mich sind, weil sie leider<br />

Du kannst im Chat<br />

sogar eine dritte<br />

Person dabeihaben,<br />

die darauf achtet,<br />

dass das Gespräch<br />

halal verläuft.<br />

*Western Union verdient auch an der Konvertierung von<br />

Währungen. Neue Preise sind nur in teilnehmenden<br />

Standorten seit 05.06. verfügbar. Western Union Payment<br />

Services Ireland Limited ist von der Irischen Zentralbank<br />

zugelassen. © 20<strong>18</strong> Western Union Holdings, Inc. Alle<br />

Rechte vorbehalten.


Monika und ihr Mann haben sich auf muzmatch - dem Tinder<br />

für gläubige Muslime - kennengelernt und sind mittlerweile<br />

verheiratet.<br />

nie auf derselben intellektuellen Ebene waren und eine Frau<br />

am Herd wollten“, antwortet Monika als wahrscheinlichen<br />

Grund, wieso sie ihre zweite Hälfte noch nicht gefunden hat.<br />

„Auch hat man mich wegen meiner dunklen Hautfarbe und<br />

meiner Herkunft misstrauisch betrachtet“, vermutet Monika,<br />

die aus Bangladesch stammt. Sie gesteht, dass sie kurz davor<br />

war, Nicht-Muslime zu daten, da sie ihr fast schon muslimischer<br />

erschienen. „Einige Männer haben auch heute noch<br />

ein Problem damit, wenn die Frau gebildeter ist oder mehr<br />

verdient als der Mann.“ Darum hat Monika in Sachen Liebe<br />

einen alternativen Weg eingeschlagen und sich online auf die<br />

Suche begeben. Seinen Partner durch Social Media kennenzulernen<br />

ist im 21. Jahrhundert nichts<br />

Außergewöhnliches. Allerdings handelt<br />

es sich hierbei nicht um Facebook und<br />

Co., nein, die Tinder-Taktik hat nun<br />

auch die muslimische Welt erreicht und<br />

von Grund auf revolutioniert. Monika<br />

ist heute mit einem deutschen Konvertiten<br />

glücklich verheiratet und ihm<br />

zuliebe sogar von Wien nach Deutschland<br />

gezogen. Sie haben sich auf der<br />

App muzmatch kennengelernt, die im Prinzip eine Halal-<br />

Version von Tinder ist. Rechtsswipen für Ja, linksswipen für<br />

Nein – je nachdem, wie ansprechend die Person auf einen<br />

wirkt. Jedes Profil soll mehrere Fotos zeigen, mit der Option,<br />

dass Frauen ihre Bilder verschwommen erscheinen lassen<br />

können, sodass sie der Mann quasi erst dann sieht, wenn<br />

er sie nach rechts wischt. Eine Präventivmaßnahme zur Vermeidung<br />

von Oberflächlichkeit, aber auch um die Ehre der<br />

Frau zu wahren. Die Suche nach potentiellen Partnern lässt<br />

sich unter anderem nach Ethnie, Sprache und Region filtern,<br />

was Monika sehr geschätzt hat, nachdem nur das österreichische/deutsche<br />

Mindsetting für sie in Frage gekommen<br />

ist. „Du kannst im Chat sogar eine dritte Person dabeihaben,<br />

die darauf achtet, dass das Gespräch auch halal verläuft.<br />

Sowas wie ein Wali, ein Beschützer sozusagen“, erklärt die<br />

27-Jährige. Bevor eine Freundin ihr die App empfohlen hat,<br />

hat Monika sich nicht vorstellen können, dass sich tatsächlich<br />

etwas Ernstes daraus entwickeln könnte. „Ich habe dem<br />

eine Chance gegeben. Am Ende des Tages ist es dasselbe<br />

wie Facebook und Instagram.“ Selbige Freundin hat ihren<br />

Verlobten ebenfalls auf muzmatch gefunden und heiratet<br />

demnächst. Vor Nutzung der App hat sich Monika dem anderen<br />

Geschlecht herkömmlich genähert, wie der Rest ihres<br />

Kreises eben, und Männer entweder durch gemeinsame<br />

Freunde oder durch die Uni kennengelernt. Leicht ist es ihr<br />

nicht gefallen: „Man muss heraus<strong>fin</strong>den, ob die Person Single<br />

ist und ob sie überhaupt Interesse hat. Die App hat den<br />

Vorteil, dass beide Parteien wissen, beide wollen heiraten,<br />

ohne Umschweife. Man weiß, woran man ist.“<br />

„Muslimische Zusammenkünfte wie das Eid-Gebet sind<br />

Gelegenheiten, Menschen deiner Art zu treffen“, meint Osama,<br />

„Es liegt also durchaus im Bereich des Möglichen, der<br />

großen Liebe in einer Moschee oder Ähnlichem zu begegnen.“<br />

Noch hat er die Partnerin fürs Leben nicht gefunden,<br />

aber was nicht ist, kann ja pünktlich zum nächsten Eid noch<br />

werden! ●<br />

*Namen von der Redaktion geändert<br />

Es liegt durchaus<br />

im Bereich des<br />

Möglichen, der großen<br />

Liebe in einer Moschee<br />

oder Ähnlichem<br />

zu begegnen.<br />

** Die Fotos wurden für die Story nachgestellt. Das Paar auf den Bildern<br />

steht in keinem Bezug zum Text.<br />

bereitgestellt<br />

28 / / RAMBAZAMBA MIT SCHARF / /


Bezahlte Anzeige<br />

Anwar Marbin E.<br />

Magna Steyr<br />

Fahrzeugtechnik<br />

Wir vermitteln<br />

nah und fern.<br />

Unique / Grayling<br />

Flexiblen Menschen, die gerne etwas weiterbringen möchten,<br />

bietet der österreichische Arbeitsmarkt interessante Möglichkeiten.<br />

So auch für Anwar aus Wien, der dank der überregionalen<br />

Personalvermittlung des AMS einen Job in der Steiermark gefunden<br />

hat. Hier kann er seine technischen Fähigkeiten einsetzen und<br />

sich sowohl beruflich als auch persönlich weiterentwickeln.<br />

Erfahren Sie mehr: www.ams.at<br />

AMS. Vielseitig wie das Leben.<br />

/ MIT SCHARF / 29


MEINUNG<br />

HEULT NICHT RUM.<br />

Von Aleksandra Tulej<br />

„Du kannst immer alles so leicht abschütteln,<br />

über alles Witze reißen und hältst<br />

sowieso alles aus.“ bekomme ich oft zu<br />

hören. Ich habe oft innerlich meine Augen<br />

verdreht, wenn Menschen um mich herum<br />

psychisch schwach waren, weinten oder Probleme<br />

hatten, die ich nicht nachvollziehen konnte. Lange war<br />

ich der Meinung, dass Tränen ein Zeichen von Schwäche<br />

sind. Weinen war nie eine meiner Stärken - meine<br />

Wut in Texte wie diesen zu verpacken schon eher.<br />

MAN IST NICHT IMMER UNZERSTÖRBAR<br />

Ich habe seit Jahren einen hässlichen Wegbegleiter<br />

an meiner Seite, eine hereditäre Nervenkrankheit. Sie<br />

lässt meine Beine und Arme phasenweise taub werden,<br />

und nimmt mir oft viel Kraft weg, die ich eigentlich<br />

brauche. Ich kann mittlerweile relativ gut damit<br />

umgehen und würde behaupten, dass man sie mir<br />

nicht im Alltag anmerkt. Das ist gut für mein toughes<br />

Image. Aber letztens machte sich seit längerem<br />

wieder ein hässlicher Schub breit, der mich nicht nur<br />

körperlich, sondern auch mental beansprucht hat. Ich<br />

habe plötzlich begonnen, wie ein Legastheniker Buchstaben<br />

und dann auch ganze Wörter zu verwechseln.<br />

Ganze Satzkonstruktionen, die in meinem Kopf Sinn<br />

ergeben haben, kamen dann ausgesprochen ganz<br />

anders heraus, als ich es vorhatte. Es hat mir Angst<br />

gemacht, vor allem weil Schreiben und Gedankengänge<br />

aneinander knüpfen gleichzeitig mein Job und<br />

meine liebste Tätigkeit ist. Ich merke einfach, wie<br />

diese Sache voranschreitet und wie eine hässliche,<br />

dunkle Wolke über mir schwebt, gegen die ich machtlos<br />

bin. Es liegt aber sehr wohl in meiner Macht, zu<br />

entscheiden, wie ich damit umgehe. Sich mehr Witze<br />

und weniger Gedanken dazu auszudenken, ist ein Teil<br />

davon.<br />

HEULT NICHT RUM<br />

Ich scrolle mich tagtäglich auf Selbstdartellungs-<br />

tulej@dasbiber.at<br />

Plattformen wie Instagram durch. Neben<br />

den gewohnten Posts, die ein perfektes<br />

Leben inszenieren sollen, und die uns<br />

sowieso alle ankotzen, stoße ich immer<br />

mehr auf Texte und Profile die sich body positivity,<br />

Selbstakzeptanz, seelischen und physischen<br />

Krankheiten widmen. Lange war ich unschlüssig, was<br />

ich davon halten soll. Ob die Leute nicht ein wenig<br />

übertreiben, habe ich mich gefragt. „Heult nicht rum,<br />

jeder hat sein Päckchen zu tragen“, dachte ich mir.<br />

Ob wir nicht andere Probleme auf der Welt haben?<br />

Die Momentane politische Lage, das Weltgeschehen<br />

allgemein, Menschen, denen es viel, viel schlechter<br />

geht? Natürlich. Aber es gibt Dinge, die wir als Einzelpersonen<br />

nicht sofort ändern können, und Dinge, bei<br />

denen wir sehr wohl in der Lage dazu sind.<br />

Ich denke, bei mir war es lange das Problem,<br />

dass ich mir selbst nicht eingestehen konnte, dass<br />

ich körperlich nie so fit und geschickt sein werde wie<br />

„normale“ Menschen. Ich muss mit Dingen klarkommen,<br />

mit denen ich lange nicht klarkommen wollte. Ich<br />

schaffe keine Liegestütze, weil meine Arme nicht stark<br />

genug sind, und ich hasse sie dafür. Ich stolpere so<br />

oft über meine eigenen Beine, ich lasse Gegenstände<br />

fallen und verliere das Gleichgewicht, und ich hasse<br />

es. Nicht wegen dem körperlichen Erscheinungsbild,<br />

sondern dem in meinem Kopf.<br />

KOMM WIEDER, WENN DU LUFT KRIEGST<br />

Ich stelle mich hier keineswegs als Nonplusultra dar.<br />

Ich will einfach mehr Bewusstsein dafür, dass Menschen<br />

nicht immer ihr bestes Selbst widergeben<br />

müssen, um zufrieden und von anderen akzeptiert zu<br />

werden. Um mit einem aus dem Kontext gerissen Zitat<br />

eines der größten Poeten unserer Zeit, Haftbefehl,<br />

abzuschließen, „Komm wieder, wenn du Luft kriegst.“<br />

Ich muss jetzt Luft holen und dabei seine gesammelten<br />

Werke rauf- und runterhören, damit mein angekratztes<br />

toughes Image nicht zu sehr leidet. ●<br />

Marko Mestrović<br />

30 / MIT SCHARF /


STARTKLAR FÜR EINE<br />

KARRIERE BEI DER<br />

POLIZEI?<br />

Bewirb dich jetzt und lege bei<br />

der Polizei eine Karriere auf<br />

der Überholspur hin. Als Polizistin<br />

oder Polizist behältst<br />

du die Übersicht in Extremsituationen,<br />

triffst schnell Entscheidungen<br />

und bist immer<br />

im Einsatz für die Sicherheit in<br />

Österreich.<br />

Die Polizeigrundausbildung ist<br />

die Basis für deine Karriere bei<br />

der Polizei. Sie dauert 24 Monate,<br />

davon 17 Monate theoretische<br />

Fachausbildung sowie<br />

sieben Monate praktische<br />

Einführung, um den Dienst in<br />

einer Polizeiinspektion kennenzulernen.<br />

Später hast du<br />

bei der Polizei zahlreiche Entwicklungsmöglichkeiten<br />

wie<br />

das Bachelorstudium „Polizeiliche<br />

Führung“ oder das Masterstudium<br />

„Strategisches Sicherheitsmanagement“.<br />

Du kannst dich aber auch auf<br />

ein Fachgebiet spezialisieren,<br />

Bewirb dich. Jetzt!<br />

wie den Kriminal- oder Verkehrsdienst<br />

oder später für<br />

das Einsatzkommando Cobra,<br />

die Alpinpolizei oder die Flugpolizei<br />

bewerben.<br />

Haben wir auch dein Interesse<br />

geweckt?<br />

Dann bewirb dich. Jetzt.<br />

Hol dir alle Informationen über den spannenden Polizeiberuf<br />

und bewirb dich im Bundesland deiner Wahl.<br />

www.polizeikarriere.com<br />

Entgeltliche Einschaltung des Innenministeriums


VERLIEBT<br />

IN DEN<br />

ZUHÄLTER<br />

32 / MIT SCHARF /


Lena* denkt, sie hätte die Liebe ihres Lebens<br />

gefunden. Was sie nicht weiß: Ihr Freund ist<br />

Mitglied eines Prostitutionsrings. Er schickt<br />

sie auf den Strich und sie macht mit.<br />

Von Aleksandra Tulej, Fotos: Susanne Einzenberger<br />

Lena * ist 17, als sie ihren ersten<br />

Freund Amir* beim Fortgehen<br />

kennenlernt. Sie ist zum ersten<br />

Mal richtig verliebt. „Er war eben so<br />

anders als die anderen Jungs in meiner<br />

damaligen Klasse. Er war so aufmerksam<br />

und nicht so kindisch“, erzählt sie. Amir *<br />

ist drei Jahre älter als Lena. Er lebt in<br />

derselben Stadt in Deutschland wie sie.<br />

Er geht nicht mehr zur Schule und macht<br />

auf Lena von Anfang an einen reifen<br />

Eindruck. Es dauert nicht lange, bis Lena<br />

einwilligt, mit ihm zu schlafen. „Er war<br />

sogar mein erster Kuss“, sagt sie. „Und<br />

viele meiner Freundinnen hatten zu der<br />

Zeit ihren ersten Freund und dann auch<br />

Sex mit ihm, ich dachte mir nicht viel<br />

dabei“, erzählt sie. Ihre Eltern wissen<br />

nicht von ihrem Freund, sie will es ihnen<br />

erst erzählen, wenn es wirklich ernst ist<br />

– sie sind bei dem Thema etwas streng.<br />

Eine Zeit lang ist alles rosig – Lena<br />

denkt, sie hätte auf Anhieb die Liebe<br />

ihres Lebens gefunden. Sie verbringen<br />

viel Zeit miteinander, er stellt sie seinen<br />

Freunden vor. Was sie zu dem Zeitpunkt<br />

nicht weiß: Sie ist einem Loverboy zum<br />

Opfer gefallen.<br />

Loverboys sind junge Männer, die<br />

von organisierten Prostitutionsringen<br />

angeheuert werden. Sie <strong>fin</strong>den jüngere<br />

Mädchen, die sie so lange manipulieren<br />

und von sich abhängig machen, bis diese<br />

für sie anschaffen gehen. Aus Liebe<br />

und aus Naivität. Wie bei Lena. Sie ist<br />

kein Einzelfall: In Deutschland gibt es<br />

mittlerweile Vereine, die sich spezifisch<br />

mit der Prävention der Loverboy-Masche<br />

beschäftigen. „Wir dürfen nicht vergessen,<br />

dass die Opfer im Vorfeld verliebt<br />

gemacht werden, und da schaltet der<br />

Kopf zumindest für eine Zeit ab“, erzählt<br />

der Gründer des Vereins „Elterninitiative“<br />

aus Düsseldorf. Die Organisation klärt<br />

über das Loverboy- Phänomen auf und<br />

berät betroffene Eltern und Opfer.<br />

DER ERSTE FREIER<br />

„Er wollte plötzlich immer öfter wissen,<br />

wo ich bin, mit wem, und was ich mache.<br />

Ich wusste aber nie, was er gerade<br />

macht oder wo er sich aufhält“, sagt sie.<br />

Er wird immer fordernder und ungeduldiger.<br />

Irgendwann erzählt er Lena, er<br />

hätte Schulden, die er nicht abbezahlen<br />

kann. Und sie könnte ihm helfen, an das<br />

Geld zu kommen, indem sie mit fremden<br />

Männern gegen Bezahlung schläft.<br />

„Zuerst habe ich nicht wirklich verstanden,<br />

dass er das überhaupt ernst meinen<br />

könnte. Ich hatte bis zu dem Zeitpunkt<br />

null Berührungspunkte mit diesem Milieu.<br />

Ich war da immerhin erst 17 Jahre alt.<br />

Aber irgendwie hat er mich dann überzeugt,<br />

das mitzumachen. Es war schrittweise.<br />

Er stellte es so dar, als ob das<br />

keine große Sache wäre, mit fremden<br />

Männern für Geld zu schlafen“, sagt sie.<br />

Der Schein trügt - Die Loverboyfalle hat voll zugeschlagen<br />

/ RAMBAZAMBA / 33


Gründe dafür, warum sie keinem davon<br />

erzählt. Ein paar ihrer Freundinnen<br />

kennen Amir, nach außen hin scheint er<br />

ja nach wie vor wie der perfekte Freund.<br />

Ihrer Familie erzählt sie, sie würde bei<br />

ihren Freundinnen abhängen oder in die<br />

Stadt gehen, während sie mit fremden<br />

Männern für Geld schläft. Das Verhältnis<br />

zu ihren Eltern ist gut. Aber von ihrer<br />

Beziehung und von ihrem „Nebenjob“<br />

wissen auch sie nichts.<br />

Sie sucht die Gründe für seine plötzliche<br />

Wut und Launenhaftigkeit bei sich<br />

selbst. Genau zu dem Zeitpunkt hat der<br />

Loverboy sein Ziel schon erreicht: Lena<br />

willigt ein, sich für ihn zu prostituieren.<br />

In einem Laufhaus hat sie nie gearbeitet<br />

– sie war ja damals noch minderjährig.<br />

Die Freier kommen in die Wohnung eines<br />

Kumpels von Amir, den Lena auch schon<br />

länger kennt. Ob sie sich noch an den<br />

ersten „Kunden“ erinnert? „Das erste<br />

Mal war das gar kein Sex. Ich bin einfach<br />

dagelegen. Er hat mich kurz angetatscht<br />

und dann hat er sich angezogen und ist<br />

aus dem Zimmer hinausgegangen. Aber<br />

Zuerst Liebe, dann Sex für Geld.<br />

das erste Mal war nicht schlimm. Schlimmer<br />

ist es dann mit der Zeit geworden“,<br />

sagt sie. „Aber es war nicht so, wie<br />

man sich das vorstellt, mit Puff und so.<br />

Drogen habe ich nie genommen, hat er<br />

auch nicht. Wir haben nur manchmal<br />

Gras geraucht. Ich war ja auch nicht am<br />

Straßenstrich. „Aber ich habe es einfach<br />

gemacht und nicht wirklich mitgedacht.<br />

Heute graust mir, wenn ich daran denke,<br />

was in dieser Wohnung (Anm. von Amirs *<br />

Freund) alles passiert ist“, sagt das Mädchen.<br />

Das Geld hat er abkassiert, sie hat<br />

nie etwas davon gesehen.<br />

Angst und Scham sind genau die<br />

VORMITTAGS SCHULE,<br />

ABENDS ANSCHAFFEN<br />

„Tendenziell ist ein Mädchen, das sich<br />

gerade in einem problematischen Umfeld<br />

be<strong>fin</strong>det oder in irgendeiner Krise steckt,<br />

natürlich angreifbarer. Deswegen ist die<br />

Masche ja auch so gemein. Die jungen<br />

Männer spielen sich als Held und Retter<br />

des Mädchens auf, der ihr einen Lebenssinn,<br />

nämlich die gemeinsame Beziehung<br />

und Zukunft präsentiert und diesen<br />

Strohhalm ergreifen die Mädchen“,<br />

sagt Annika Schönhoff von der Berliner<br />

Präventionsorganisation „Liebe ohne<br />

Zwang“.<br />

Lena kommt aus einem stabilen<br />

Umfeld – trotzdem beginnt sie irgendwann,<br />

ein Doppelleben zu führen. Aus<br />

Liebe zu ihrem Freund, der nun auch<br />

ihr Zuhälter geworden ist. Vormittags<br />

sitzt sie ganz normal im Unterricht und<br />

abends ist sie eine minderjährige Prostituierte.<br />

„Ich habe ja irgendwo gewusst,<br />

dass das nicht normal sein kann. Aber<br />

ich wollte es einfach nicht wahrhaben“,<br />

gesteht sie. Sie weiß lange nicht, dass<br />

das, was sie hier tut, Zwangsprostitution<br />

ist. Nach außen hin kriegt sie ihr Doppelleben<br />

auf die Reihe. Ihre Noten lassen<br />

nicht nach und sie lässt sich nichts<br />

anmerken.<br />

„Viele Loverboys achten darauf, dass<br />

das Mädchen ihr Leben augenscheinlich<br />

erst einmal ganz normal weiterführt, was<br />

früher oder später natürlich nicht mehr<br />

geht“, so Annika Schönhoff von „Liebe<br />

ohne Zwang“. Aber wie kommen die<br />

Loverboys überhaupt zu ihren Opfern?<br />

„In der Schule oft über sogenannte Mittelsmänner,<br />

also Jungen aus ihrer Klasse,<br />

die mit dem Loverboy „befreundet“<br />

sind – auch sie können emotional von<br />

ihm manipuliert und für seine Zwecke<br />

missbraucht werden und so betroffen<br />

sein“, sagt sie. Ganz häufig auch über<br />

34 / RAMBAZAMBA /


das Internet, da der Aufwand geringer<br />

sei: „Eine Nachricht copy and paste an<br />

tausend Mädchen versandt, wenn eine<br />

antwortet reicht das ja vorerst schon“,<br />

sagt Schönhoff.<br />

EINE VON TAUSEND<br />

Eine von Tausend ist Lena nicht. Irgendwann<br />

wird ihr klar, dass sie nicht die<br />

einzige ist, die für ihren Freund und<br />

seine Kumpels anschaffen geht. Amir *<br />

meint anfangs, sie müsse das nicht lange<br />

machen. Aber es nimmt einfach kein<br />

Ende. Sie will aussteigen, aber es scheint<br />

zuerst unmöglich. Sie hat Angst davor,<br />

was er tun würde, wenn sie aufhört, und<br />

andererseits liebt sie ihn noch irgendwie.<br />

Genau das ist das Problem an der<br />

„Loverboy-Methode“: Die Opfer sehen<br />

ihre Zuhälter oft nicht als solche. Wie<br />

viele Mädchen der Loverboy-Masche<br />

zum Opfer fallen, ist nicht bekannt, da<br />

die meisten Fälle nicht angezeigt werden.<br />

Und wenn, gestaltet sich auch das<br />

oft schwierig.<br />

„Die Mädchen werden so gefügig<br />

gemacht, dass sie noch im Gerichtssaal<br />

„<br />

Loverboys sind<br />

jung, damit der<br />

Altersunterschied<br />

zu den Mädchen,<br />

die teilweise erst<br />

11 Jahre alt sind,<br />

nicht allzu groß ist.<br />

“<br />

von ihrem Freund sprechen und nicht<br />

von ihrem Täter“, heißt es seitens der<br />

ELIOD.<br />

„Loverboys achten auf ihr Äußeres<br />

und ihr Auftreten, sie wollen von den<br />

Mädchen als gutaussehend wahrgenommen<br />

werden, tragen die neuesten<br />

Klamotten und geben auch für sie<br />

ungewöhnlich viel Geld aus. Sie sind<br />

jung, damit der Altersunterschied zu den<br />

Mädchen, die teilweise erst 11 Jahre alt<br />

sind, nicht allzu groß ist. Es gibt Loverboys,<br />

die alleine agieren, meistens steht<br />

jedoch etwas Größeres dahinter, wie eine<br />

Organisation, also organisiertes Verbrechen“,<br />

so Schönhoff von „Liebe ohne<br />

Zwang“.<br />

Dass es viel zu viele Mädchen sind,<br />

die dieser Masche zum Opfer fallen, sieht<br />

man auf der Internetseite der deutschen<br />

Organisation „No Loverboys.“ Der Verein<br />

ist eine Anlaufstelle für Opfer und Angehörige<br />

und betreibt auch Prävention. In<br />

dem Gästebuch auf der Internetseite des<br />

Vereins liest man Einträge von jungen<br />

Frauen, die dringend Hilfe brauchen –<br />

manche von ihnen nehmen die Hilfe an,<br />

manche wiederum nicht.<br />

„ER WEISS, DASS ER MICH<br />

DAMIT RUMBEKOMMT“<br />

So schreibt zum Beispiel eine Userin mit<br />

dem Nicknamen „Mona“, die laut eigener<br />

Angaben mit 13 auf dem Kinderstrich<br />

in Berlin auf der Bülowstraße stand<br />

und auch Opfer der Loverboy-Masche<br />

war, über ihre Erfahrungen. „Nun bin<br />

ich mit 17 (Jahren) immer noch da,<br />

VERSÜSS DIR<br />

DEINEN TAG!<br />

AB SOFORT 7X<br />

IN ÖSTERREICH<br />

1x Pasching<br />

4x Wien<br />

2x Graz<br />

DUNKIN.AT<br />

DUNKIN_AT<br />

/ MIT SCHARF / 35


Viele ausgebeutete Frauen verlassen die Stadt,<br />

um einen Neuanfang zu wagen.<br />

sehe 12-Jährige, die hier stehen, sich<br />

Männern anbieten, damit sie ihren (sic.)<br />

„Freund“ aus den Schulden helfen können.<br />

Ich könnte jedes mal (sic.) heulen,<br />

wenn ich diese unschuldigen Mädchen<br />

sehe die nur noch verliebt sind und alles<br />

für ihren „Freund“ machen würden, so<br />

wie ich.“ Ihr Loverboy hat ihr damals<br />

Schuhe, Kleidung und ein Handy gekauft.<br />

Sie nahm es an, weil sie verliebt war.<br />

„Ich denke ich habe damals einfach<br />

Liebe und Zuneigung gebraucht und die<br />

habe ich von ihm bekommen, auch noch<br />

manchmal heute. Er führt mich manchmal<br />

zum Essen gehen aus, geht mit<br />

mir ins Theater. Weil er weiß das (sic.)<br />

ich das liebe und er damit mich immer<br />

rumbekommt…“, schreibt sie in ihrem<br />

Eintrag.<br />

„MIR FEHLEN JAHRE IM<br />

LEBENSLAUF“<br />

Die jungen Frauen sind sich also durchaus<br />

bewusst, dass das, was sie hier<br />

tun, keinesfalls normal ist. Der Ausstieg<br />

aber gestaltet sich schwierig, wenn das<br />

Opfer psychisch schon so abhängig von<br />

seinem Zuhälter ist. So schreibt „Shirin“<br />

auf dem Forum: „Ja, ich gehe zu meinem<br />

Loverboy zurück !!! Er hat mich vergewaltigt,<br />

geschlagen, verkauft! Ich war ein<br />

paar Jahre raus, aber ich komme in der<br />

Gesellschaft nicht mehr klar. Mir fehlen<br />

Jahre im Lebenslauf. Mir fehlen Freunde.<br />

(…)“<br />

So hätte Lenas * Geschichte auch<br />

enden können. Aber es kommt anders:<br />

Lena zieht im Sommer nach ihrem<br />

Schulabschluss in eine andere Stadt in<br />

Deutschland, um mit der Uni zu beginnen.<br />

Das ist der Befreiungsschlag, auf<br />

den sie so lange gewartet hatte. Amir *<br />

versucht sie anfangs noch zu kontaktieren,<br />

er will sie bei sich behalten. Er merkt<br />

aber, dass er immer weniger Kontrolle<br />

über sie hat, da sie einfach physisch<br />

nicht mehr da ist. Lena schafft es,<br />

sich nach und nach von ihm emotional<br />

abzukapseln – es fällt ihr leichter, als sie<br />

in ein neues Umfeld kommt und er nicht<br />

mehr ihren Alltag bestimmt. Als er das<br />

merkt, gibt er irgendwann auf. „Er hatte<br />

ja noch genug andere Mädchen, die<br />

auf die Masche reingefallen sind“ , sagt<br />

sie. „Und es werden noch neue dazukommen.“<br />

Dennoch hat sie gemischte<br />

Gefühle, wenn sie daran denkt, dass<br />

sie ihm in ihrer Heimatstadt begegnen<br />

könnte, wenn sie ihre Eltern in den Ferien<br />

besucht. Aber daran denkt sie vorerst<br />

nicht, sondern versucht, alles hinter sich<br />

zu lassen und ihre Zukunft zu planen –<br />

ohne ihn.<br />

Sie hat Amir während der beinahe<br />

zwei Jahre ihrer Bekanntschaft kein<br />

einziges Mal mit der Polizei gedroht,<br />

die Scham ist für sie zu groß. Auch ihre<br />

Eltern wissen bis jetzt nichts von all dem,<br />

was sie monatelang gemacht hat. Angezeigt<br />

hat sie ihn bis heute nicht. ●<br />

*Namen von der Redaktion geändert<br />

** Alle Fotos wurden für die Geschichte<br />

nachgestellt. Die Models auf den Bildern<br />

sind nicht die Personen aus dem Artikel.<br />

36 / RAMBAZAMBA /


WAS IST<br />

ZWANGSPROSTITUTION?<br />

Laut dem Bundeskriminalamt belief sich die Zahl der<br />

Anzeigen wegen Menschenhandels in Österreich im<br />

vergangenen Jahr auf 34 Fälle. Die Dunkelziffer dürfte<br />

viel höher sein. In Deutschland wurden im Jahr 2017<br />

43 Verfahren wegen Menschenhandels zur sexuellen<br />

Ausbeutung mit minderjährigen Opfern registriert.<br />

Menschenhandel ist seit 2000 in dem sogenannten<br />

Palermo-Protokoll der Vereinten Nationen international<br />

einheitlich de<strong>fin</strong>iert als: Menschen anwerben,<br />

anbieten, verbringen, vermitteln, beherbergen oder<br />

annehmen durch die Anwendung unerlaubter Mittel wie<br />

Täuschung, Zwang, Drohung oder Nötigung zum Zweck<br />

der Ausbeutung. Die Einwilligung eines Opfers in die<br />

Ausbeutung ist für die De<strong>fin</strong>ition unerheblich.<br />

Unter dem Begriff Zwangsprostitution, der rechtlich<br />

nicht de<strong>fin</strong>iert ist, ist die illegale Praxis zu verstehen,<br />

Menschen zur Arbeit als Prostituierte zu zwingen. Der<br />

Zwang zur Prostitution kann entweder durch physische<br />

oder psychische Gewalt, Täuschung, Erpressung,<br />

Ausnutzung einer Zwangslage oder Ausnutzung<br />

der Hilflosigkeit eines Opfers ausgeübt werden.<br />

WIE SCHAFFT MAN<br />

ES RAUS?<br />

„Strafen für Loverboys fallen nicht niedrig aus, denn sie<br />

machen sich vieler Delikte schuldig, alleine schon, weil die<br />

Mädchen meist minderjährig sind“, sagt Annika Schönhoff<br />

von „Liebe ohne Zwang“.<br />

So gut wie alle Mädchen sind traumatisiert und brauchen<br />

auch eine therapeutische Begleitung, um das Erlebte zu<br />

verarbeiten und auch wieder Vertrauen aufbauen zu können,<br />

wie sie erzählt. „Schließlich muss das Mädchen anfangen,<br />

sich wieder ein selbstbestimmtes Leben aufzubauen. Da es<br />

keine verlässlichen Zahlen dafür gibt, wie viele Mädchen<br />

überhaupt betroffen sind, kann man leider auch nicht ins<br />

Verhältnis setzen, wie viele es tatsächlich schaffen auszusteigen.<br />

Mit der richtigen Unterstützung ist es aber auf jeden<br />

Fall möglich.“<br />

Vereine in Deutschland, die sich um die Prävention und<br />

Betreeung von Opfern und ihren Angehörigen kümmern:<br />

Die Elterninitiative: www.die-elterninitiative.de/<br />

NO Loverboys: www.no-loverboys.de<br />

Liebe ohne Zwang: liebe-ohne-zwang.de<br />

Bezahlte Anzeige<br />

Sie möchten die Berufsreifeprüfung machen oder die<br />

Matura nachholen? Oder Sie planen den nächsten<br />

beruflichen Schritt mit der Meisterprüfung? Der waff<br />

begleitet und fördert Sie dabei mit bis zu 2.000 Euro.<br />

/ MIT SCHARF / 37<br />

Wien fördert dich.<br />

Informieren Sie sich! waff.at oder 01 217 48 - 555


Elisabeth (vorne Rechts) mit ihrer besten Frundin Crista und ihrer großen rumänischen Familie<br />

ICH BIN RUMÄNERIN,<br />

OIDA!<br />

Biber-Leserin Elisabeth hat mit sieben ihre beste Freundin<br />

Crista, eine gebürtige Rumänin, kennengelernt. Heute<br />

sind beide 25 und Elisabeth spricht mittlerweile fließend<br />

Rumänisch und ist Teil von Cristas Großfamilie. Mit<br />

dieser Geschichte möchte Elisabeth ihrer rumänischen<br />

Familie danke sagen.<br />

Foto: Maximilian Salzer<br />

In der ersten Klasse Volksschule lernte ich Crista Gloria<br />

Ciuciu kennen. Sie war ein exotischer Vogel verglichen<br />

mit den anderen Kindern: Sie hatte lange, rabenschwarze<br />

Haare, kam (unfreiwillig) mit pompösen Prinzessinnenkleidern<br />

zur Schule und hatte als einzige die erste Hausaufgabe<br />

nicht ordnungsgemäß erledigt. Da wir den gleichen Schulweg<br />

hatten, wurden wir sehr bald ganz besondere Freundinnen.<br />

Ganz besondere Freundinnen deshalb, weil ich nicht nur Cristas<br />

Freundin wurde, sondern ein Teil ihrer rumänischen Großfamilie.<br />

„Elisabeth, wenn du zu uns kommen willst, musst du<br />

Rumänisch lernen. Wir reden alle rumänisch und wenn du<br />

uns nicht verstehst, werden meine Söhne dumme Sachen<br />

über dich reden und dabei lachen – lern Rumänisch!“, so in<br />

etwa begrüßte mich Cristas Mama, Maria-Dorina Ciuciu, eine<br />

imposante Frau, die mit eiserner Faust ihre 7- köpfige Familie<br />

regierte. Komischerweise haben mich ihre Worte als kleines<br />

Mädchen nicht abgeschreckt, sondern ich habe mich mit<br />

vollem Enthusiasmus in eine traditionelle Balkanfamilie integriert.<br />

Tatsächlich waren Tanti Dorinas Söhne etwas anders als<br />

übliche große Brüder. Sie vereinten in ihren jungen Jahren<br />

balkanisches Machogehabe mit einem frechen Mundwerk<br />

und einer großen Portion Humor. Niemand hat mich je so zum<br />

Lachen gebracht wie Cristas Brüder. Und abgehärtet haben uns<br />

die Burschen auch. Dank ihnen haut mich so schnell kein Mann<br />

um!<br />

„TE IUBESC“<br />

Doch ich war nicht nur mit Cristas Brüdern unterwegs, ich<br />

wurde komplett in den Familienalltag der Familie Ciuciu integriert.<br />

Nach der Schule half ich Crista oft bei ihren Pflichten im<br />

38 / RAMBAZAMBA /


Haushalt - und das waren nicht wenige. Gemeinsam<br />

gingen wir einkaufen, putzten die Fenster oder das<br />

Bad, schälten Berge von Kartoffeln und kochten für die<br />

ganze Familie. Crista konnte das alles schon mit sieben<br />

Jahren, und ich lernte es von ihr!<br />

Am Sonntag ging die ganze Familie in die rumänisch-penticostale<br />

Kirche, eine christliche Freikirche,<br />

und ich war oft dabei. Der feste Glaube an Gott ist bei<br />

allen in der Familie gleich und die Stärke, die sie aus<br />

ihrem Glauben ziehen, hat meinen eigenen Glauben<br />

gefestigt und gestärkt, wenn nicht sogar begründet.<br />

Egal wie schwer das Leben auch sein mag, einer der<br />

Ciucius wird mir immer mit voller Überzeugung sagen:<br />

„Orice lucru Domnul il face frumos la vremea lui. “ 1<br />

Jeden Abend wurde gemeinsam in der Familie<br />

gegessen, gelacht und vor allem diskutiert (und das<br />

ganz schön hitzig!) . Jedes Gefühl hatte Platz und<br />

dadurch konnten Streits auch heftig werden. Doch<br />

der Zusammenhalt und die Liebe dieser Familie waren<br />

und sind stärker als jeder Streit. Es kommt immer der<br />

Moment, in dem sich die Streitenden in die Arme fallen<br />

und sich „Te iubesc“ 2 sagen.<br />

IN GUTEN UND IN SCHLECHTEN<br />

ZEITEN<br />

Immer wieder wurde mir klar gemacht, dass ich ein Teil<br />

der Familie bin. Hatte ich gute Noten oder erreichte<br />

etwas, waren alle stolz auf mich. In schweren Zeiten<br />

standen alle Ciucius hinter mir und jeder versuchte<br />

mich auf seine Art wieder aufzubauen. Nichts, was<br />

ich tat, blieb unkommentiert, und oft habe ich mir<br />

gewünscht, dass meine Taten von der Familie Ciuciu<br />

unbemerkt bleiben (was nie der Fall war!). Es war<br />

oft hart, von Cristas Mama kritisiert zu werden, und<br />

manchmal war es auch nervig, von den Brüdern vor<br />

allen anderen verarscht zu werden. Doch da muss man<br />

durch, wenn man Teil der Familie Ciuciu sein will. Und<br />

das wollte ich von Anfang an, und will es noch immer.<br />

Die Ciucius sind für mich nicht nur die Familie meiner<br />

besten Freundin, sie sind meine eigene, zweite Familie<br />

geworden. Kommen Freunde der Familie zu Besuch,<br />

können sie es meist gar nicht glauben, dass ich keine<br />

Rumänin bin und eigentlich gar nicht dazugehöre.<br />

Ich fühle mich als Teil eines einzigartigen Integrationsprozesses,<br />

denn ich wurde zur Rumänin, oder wie<br />

wir sagen zur „Rumänerin“ gemacht. Dank der Ciucius<br />

habe ich eine Sprache gelernt, ein Land kennengelernt<br />

und bin Teil einer Kultur geworden, aus der ich eigentlich<br />

nicht stamme.<br />

Da mich Tanti Dorina vor zwanzig Jahren wie eine<br />

Tochter bei sich aufnahm und mir erlaubte, Teil ihrer<br />

großartigen Familie zu sein, kann ich heute voller Stolz<br />

sagen: „Eu sunt romanca“ 3 ! ●<br />

1 Alle Dinge macht Gott zur rechten Zeit schön.<br />

2 Ich liebe dich<br />

3 Ich bin Rumänin.<br />

Abb.: Thomas Hochwallner<br />

#fuckreality<br />

ÖFFNUNGSZEITEN<br />

DI – FR 11.00 – 19.00H<br />

SA 11.00 – 15.00H<br />

EINTRITT FREI<br />

AUSSTELLUNG<br />

05 10 20<strong>18</strong> –<br />

24 11 20<strong>18</strong><br />

Kuratiert von<br />

Martin Kusch<br />

Alexandra Schantl<br />

Ruth Schnell<br />

KUNSTRAUM NIEDEROESTERREICH<br />

HERRENGASSE 13<br />

A-1010 WIEN<br />

WWW.KUNSTRAUM.NET


MEINUNG<br />

Nichts erlebt.<br />

Auch schön.<br />

Willkommen zurück aus der Sommerpause!<br />

Ich hoffe, ihr seid alle noch frisch von<br />

den Ferien. Habt ihr viel gesehen? Viel<br />

erlebt? Ich habe in meinem Urlaub nichts<br />

gemacht. Und es war großartig.<br />

Ich hatte diesen Sommer das Privileg,<br />

eine Woche lang auf einem Boot zu<br />

sitzen und nichts zu tun. Keine Verpflichtungen,<br />

keine Aufgaben, kein Internet,<br />

kein Fernseher. Nur essen, schlafen,<br />

lesen und auf das große weite Meer<br />

hinausblicken.<br />

Vor drei Jahren wäre das noch undenkbar<br />

gewesen. Ich bin ein Mensch, der<br />

immer viel Action braucht – auch im<br />

Urlaub. Eine Woche Nichtstun am Strand<br />

ist für mich ein absolutes No-Go. Ich bin<br />

eher für Hardcore-Sightseeing, mehrtägige<br />

Wandertouren und exzessives<br />

Feiern. Wer braucht schon Schlaf? Aber<br />

heuer konnte ich gar nicht genug Ruhe<br />

von meinem turbulenten Alltag bekommen.<br />

Es ist so angenehm, wenn deine<br />

einzige Herausforderung darin besteht,<br />

zu entscheiden, ob du am Abend Pasta<br />

isst oder doch lieber Pizza. Doch um<br />

ehrlich zu sein: Das mit Strandurlaub in<br />

Bibione mit 10 Millionen anderen Menschen<br />

habe ich immer noch nicht ganz<br />

verstanden. Das muss mir bitte noch<br />

jemand erklären.<br />

grman@dasbiber.at<br />

KARRIERE & KOHLE<br />

Studieren statt Saunieren<br />

Von Andrea Grman<br />

FOMO<br />

(fear of missing out)?!<br />

Nicht mit uns! Im 15. Bezirk<br />

gibt‘s bald was Neues: Die<br />

VHS eröffnet dort das „Neue<br />

Colosseum“ – ein Treffpunkt<br />

für alle Kampfkunst-Interessierten<br />

jeglichen Alters und<br />

Fitnesslevels. Durch die Kombination<br />

aus Technik, Kraft,<br />

Beweglichkeit und Genauigkeit<br />

<strong>fin</strong>dest du zu körperlicher und<br />

mentaler Stärke. Die perfekte<br />

Gelegenheit, um voll an dein<br />

Limit zu gehen. Lass dir dieses<br />

Kampfvergnügen nicht entgehen<br />

und schau beim Schnuppertag<br />

am 20. September in<br />

der VHS Rudolfsheim-Fünfhaus<br />

vorbei. Mehr Infos unter<br />

www.vhs.at/rudolfsheim<br />

Wie hat deine Karriere<br />

begonnen?<br />

Ich habe eine Lehre<br />

gemacht - allerdings<br />

als Kellner. Danach<br />

habe ich zwei Jahre<br />

lang als Kellner gearbeitet,<br />

bevor ich mich<br />

1996 als Filialleiter bei<br />

MONDO (jetzt Penny)<br />

bewarb. Das war mein<br />

Ziel und das habe ich<br />

auch geschafft.<br />

Was sind Herausforderungen<br />

in deinem<br />

Arbeitsalltag bei<br />

PENNY?<br />

In der Filiale selbst<br />

gibt es selten Schwierigkeiten,<br />

denn da ist<br />

man ein eingespieltes<br />

Team.<br />

Doch zurzeit habe ich<br />

Schwierigkeiten bei<br />

der Personalsuche.<br />

Es ist gar nicht so einfach, eine<br />

passende Person zu <strong>fin</strong>den, die das<br />

4<br />

FRAGEN AN:<br />

V. Mujanovic, Filialleiter und<br />

Rayonsleiter in spe bei PENNY<br />

Vom Lehrling zum<br />

Rayonsleiter<br />

Coaching-Tipp<br />

An alle im Ausland geborenen<br />

Frauen, die sich in Österreich selbständig<br />

machen möchten: Komm<br />

zur OpenBox Academy vom 1. bis<br />

3. Oktober 20<strong>18</strong>, organisiert von<br />

KulturenReich. Hier bekommst du<br />

Unterstützung bei Ideen<strong>fin</strong>dung,<br />

Businessplan und Marketing. Bewirb<br />

dich bis zum 21. September 20<strong>18</strong>:<br />

www.kulturenreich.at<br />

EVENT-TIPPS<br />

Hey, Jungtalente, aufgepasst! Im Oktober<br />

gibt es gleich mehrere Events für euch:<br />

Schaut am 9. Oktober bei der fair.versity<br />

Austria für einen CV-Check, Karrierecoaching<br />

und interessante Speaker vorbei<br />

(www.fairversity.at). Am 17. Und <strong>18</strong>.<br />

Oktober erfahrt ihr am Tag der Lehre+<br />

alles über die Jobs der Zukunft (www.<br />

tag-der-lehre.at). Beide Messen <strong>fin</strong>den im<br />

MAK Wien statt.<br />

Team gut ergänzt.<br />

Ab wann bist du in<br />

deinen Augen<br />

erfolgreich?<br />

Wenn meine Mitarbeiterinnen<br />

und<br />

Mitarbeiter gerne und<br />

motiviert zur Arbeit<br />

kommen und ich sie in<br />

jeder Hinsicht unterstützen<br />

kann.<br />

Hast du Tipps für<br />

Menschen, die neu in<br />

Österreich sind?<br />

Das Wichtigste ist,<br />

dass du aktiv auf die<br />

Menschen im Land<br />

zugehst. In Bezug<br />

auf PENNY muss ich<br />

sagen, dass es wirklich<br />

egal ist, woher<br />

du stammst. Wenn<br />

Persönlichkeit und<br />

Motivation passen,<br />

erlernst du auch die<br />

nötigen fachlichen Fertigkeiten und<br />

kannst erfolgreich sein.<br />

Marko Mestrović, Penny<br />

40 / KARRIERE /


Bessere<br />

Aussichten!<br />

www.vhs.at


Selbermacher<br />

Christoph Thomann<br />

würde keiner Fliege<br />

etwas zuleide tun.<br />

Aber einer<br />

Heuschrecke oder<br />

einem Mehlwurm?<br />

Mit Sicherheit!<br />

Text: Nada El-Azar, Fotos: Susanne Einzenberger<br />

Uns wird von klein auf beigebracht:<br />

Was am Boden kriecht, isst man<br />

nicht“, sagt Christoph, am Tresen<br />

des Berber am Naschmarkt stehend. Hier<br />

gibt es einige Produkte seines Unternehmens<br />

Zirp bereits zu kaufen: Gefriergetrocknete<br />

Mehlwürmer und in Salz ausgebackene<br />

Heuschrecken in hipper Verpackung. Auch<br />

im nussig-schmeckenden Pesto wurmt‘s.<br />

Der 32-jährige, studierte Gesundheitsmanager<br />

kam zum ersten Mal durch einen<br />

FH-Kollegen mit dem Thema Insekten essen<br />

in Berührung. Jetzt, im verflixten siebenten<br />

Jahr, steht Christoph mit Zirp vor großen<br />

Herausforderungen. „Bisher bin ich eine<br />

One-Man-Show, und um das Thema auf<br />

höhere Ebenen zu bringen, brauche ich<br />

mehr Partner.“<br />

Da ist ja der<br />

Wurm drin!<br />

NAHRHAFT UND NACHHALTIG<br />

Was ist die Mission von Zirp? „Ich möchte<br />

die Menschen an eine gesunde Alternative<br />

zu Fleisch heranführen.“ Besonders im<br />

Punkt Nachhaltigkeit haben die Insekten die<br />

Fühler vorn. Für einen Output von einem<br />

Kilogramm Protein verbraucht das Züchten<br />

von Heimchen lediglich 2kg Futtermittel<br />

und wenig Wasser - im Gegensatz zum<br />

Rind, welches dafür 20kg Futter und ganze<br />

16.000 Liter Wasser benötigt. „80 Prozent<br />

unserer Ackerflächen werden für die Produktion<br />

von Fleisch verwendet – das geht<br />

sich nicht lange aus“, sagt Christoph. Zwei<br />

Milliarden Menschen weltweit essen täglich<br />

Insekten, in denen Proteine, ungesättigte<br />

Fettsäuren, Vitamine und weitere wichtige<br />

Bausteine enthalten sind. „Wir ekeln uns nur<br />

42 / KARRIERE /


davor, weil wir so erzogen wurden. Auch<br />

ich musste mich natürlich überwinden.“<br />

Wer sich nicht an den Anblick gewöhnen<br />

möchte, kann etwa aus Mehlwürmern ganz<br />

leicht ein nahrhaftes Mehl herstellen.<br />

UNGEZIEFER IN DEN MUND?<br />

In den Anfangsjahren von Zirp war es<br />

schwer, an die Insekten für die Weiterverarbeitung<br />

zu kommen. „Wir sind<br />

tatsächlich ins Tiergeschäft gegangen,<br />

weil wir es nicht besser wussten“, lacht<br />

Christoph. „Aber wir haben nun Partner,<br />

die Insekten eigens für den menschlichen<br />

Subtil im Pesto,<br />

oder doch im<br />

Naturzustand?<br />

Insekten sind<br />

vielseitig weiterzuverarbeiten.<br />

Verzehr züchten.“ Welche Tiere verarbeitet<br />

werden, entscheiden die Züchter. Die<br />

Mehl- und Buffalowürmer, die aus Kärnten<br />

kommen, eignen sich hervorragend für<br />

eine Massenzüchtung. Die Vorarlberger<br />

Wanderheuschrecken bleiben hingegen<br />

eine Delikatesse, allein dadurch, dass sie<br />

als Flug- und Schwarmtiere schwerer zu<br />

züchten sind. Ab Oktober sind Zirp-Produkte<br />

auch im Einzelhandel erhältlich.<br />

Mutig genug? Unterstütze Zirp jetzt:<br />

www.insektenessen.at<br />

www.facebook.com/Zirpinsects<br />

WKO-WIEN HILFT<br />

Im Gründerservice der WKO-<br />

Wien kann man bei einem<br />

Beratungsgespräch alle Fragen<br />

stellen, die die Gründung eines<br />

Unternehmens betreffen. Im<br />

Vorhinein kann man sich auch<br />

schon eigenständig online<br />

informieren. Ob generelle<br />

Tipps zur Selbstständigkeit,<br />

rechtliche Voraussetzungen,<br />

Amtswege oder Finanzierungsund<br />

Förderungsmöglichkeiten:<br />

Auf der Website kommt man<br />

mit wenigen Klicks zu allen<br />

wichtigen Informationen.<br />

wko.at/wien<br />

www.gruenderservice.at<br />

Die Selbermacherw-Serie ist eine<br />

redaktionelle Kooperation von das<br />

biber mit der Wirtschaftskammer<br />

Wien.<br />

ZEIGEN SIE<br />

WAS SIE<br />

KÖNNEN<br />

» WKO FIRMEN A–Z –<br />

IHRE INDIVIDUELLE VISITENKARTE IM WEB<br />

Sie wollen Ihre Produkte und<br />

Dienstleistungen online präsentieren?<br />

Mit wenigen Klicks und ohne Kosten?<br />

Das WKO Firmen A–Z macht's<br />

möglich und bietet zusätzlich<br />

wertvolle Services.<br />

W wko.at/firmen T +43 1 514 50-3900


TECHNIK & MOBIL<br />

Alt+F4 und der Tag gehört dir.<br />

Von Adam Bezeczky<br />

Einmal Rossi sein<br />

MEINUNG<br />

Share<br />

and care<br />

Mittlerweile teilen wir alles: Fahrräder,<br />

Autos und Mopeds. Flott<br />

per App gebucht sind sie Verkehrsmittel,<br />

die allen gehören.<br />

Doch damit geht auch Verantwortung<br />

verloren – weil sich<br />

die Nutzer häufig denken „Wozu<br />

damit schonend umgehen,<br />

gheat ja eh ned mir“. Das hat im<br />

Gebüsch liegende Fahrräder, zerfahrene<br />

Autos und Mopeds, die<br />

im Weg rumstehen, zur Folge.<br />

Wir lernen also: „Shared Economy“<br />

funktioniert nur mit disziplinierten<br />

Menschen. Vielleicht<br />

könnten wir die freie Zeit, die wir<br />

durch die vielen Apps gewinnen,<br />

sinnvoll nutzen. Um zum Beispiel<br />

Verantwortungsbewusstsein und<br />

den menschenwürdigen Umgang<br />

miteinander zu üben. Denn nur<br />

weil wir Technologie haben,<br />

heißt es nicht, dass wir uns auch<br />

wirklich weiter entwickelt haben.<br />

bezeczky@dasbiber.at<br />

MotoGP auf der Nintendo Switch ist die einzige Möglichkeit für Motorrad-Fans,<br />

auch unterwegs auf die Rennpiste zu gehen. Publisher Milestone lässt sich<br />

nicht lumpen und hat nicht nur das gesamte MotoGP-Fahrerlager abgebildet,<br />

sondern auch einen Karrieremodus spendiert. Leichte Abstriche müssen<br />

die Fans bei der Grafik machen, doch das Gesamtpaket ist aus einem Guss.<br />

Freunde des gepflegten Motorsports können bedenkenlos zugreifen!<br />

Wild wild West<br />

In Red Dead Redemption 2 durchstreifen<br />

wir als Arthur Morgan den amerikanischen<br />

Wilden Westen. Bereits jetzt ist das Spiel<br />

von GTA-Macher Rockstar Games eine der<br />

meisterwarteten Releases des Herbstes.<br />

Ob wir als Halunke mit Herz oder als gnadenloser<br />

Revolverheld in die Geschichtsbücher<br />

eingehen, entscheiden wir selbst<br />

– das Spiel wird komplette Handlungsfreiheit<br />

bieten.<br />

LÄSTIGE<br />

AKTIONÄRE<br />

Weil Elon Musk die lästigen<br />

Fragen der Aktionäre auf<br />

den Keks gehen, will er Tesla<br />

von der Börse nehmen. Das<br />

Kleingeld - einige Milliarden<br />

Dollar - sollen Investoren aus<br />

Saudi-Arabien beisteuern.<br />

Schließlich ist das Erdöl-Zeitalter<br />

am Auslaufen. Eigentlich<br />

keine schlechte Idee von<br />

Musk, zwei Fliegen mit einer<br />

Klappe zu<br />

schlagen<br />

- doch die<br />

Börsenaufsicht<br />

SEC ermittelt, ob<br />

Musk mit seiner<br />

Ankündigung<br />

gegen Gesetze<br />

verstoßen hat.<br />

Marko Mestrović, Rockstar Games, Milestone<br />

44 / TECHNIK /


DER TOP-EVENT<br />

FÜR JOBS MIT ZUKUNFT!<br />

Mehr Infos<br />

und Online-<br />

Anmeldung auf<br />

tag-der-lehre.at<br />

Karriere mit Lehre zahlt sich aus – alle Infos zu den Jobs der Zukunft.<br />

• Rund 50 Topunternehmen und Institutionen informieren dich über Traumberufe.<br />

• Viele interaktive Info-Stände laden dich ein, deine Talente zu testen.<br />

• Lass dich rund um das Thema Lehre beraten und star te deine Karriere.<br />

• Der Eintritt ist kostenlos.<br />

• Öffnungszeiten: 1 7.+<strong>18</strong>. OKT: von 08:30 Uhr – 15:30 Uhr<br />

/ MIT SCHARF / 45<br />

Bezahlte Anzeige


LIFE & STYLE<br />

Mache mir die Welt, wie sie<br />

mir gefällt<br />

Aleksandra Tulej<br />

MEINUNG<br />

Ehre, wem<br />

Ehre gebührt.<br />

„Aber das gehört sich nicht.“ – Diesen<br />

Satz habe ich in den letzten Wochen einmal<br />

zu oft gehört. Ich war längere Zeit in<br />

Polen unterwegs und er scheint dort wie<br />

ein grausames Mantra in die Köpfe der<br />

Leute eingeprägt zu sein. Es gehört sich,<br />

sonntags in die Messe zu gehen. Obwohl<br />

der Pfarrer schon wegen sexueller Belästigung<br />

Minderjähriger angeklagt ist.<br />

Es gehört sich, deine Oma in einer anderen<br />

Stadt zu besuchen. Obwohl du mit<br />

jener Oma keine einzige positive Konnotation<br />

hast, milde ausgedrückt. Es gehört<br />

sich, den Nachbarn lächelnd zu grüßen,<br />

obwohl dieser jedes Mal auf deine Brüste<br />

starrt, wenn er mit dir redet und dabei<br />

grausig grinst. Wisst ihr was? Nein,<br />

oida. Time`s up. Respekt bekommt von<br />

mir der, der sich ihn verdient und mich<br />

genau so behandelt. Ich werde nicht<br />

mehr höflich, nett und zuvorkommend<br />

zu Menschen sein, die mir nicht dasselbe<br />

erweisen. Egal, ob es ältere Menschen<br />

sind, der Papst, der König von Madagaskar<br />

oder einfach jemand, den man<br />

tolerieren muss, weil „es halt so ist.“ Mir<br />

wird keiner mehr sagen, was sich gehört<br />

und was nicht.<br />

tulej@dasbiber.at<br />

SONNENBRAND-TIPP:<br />

HAUTFARBE<br />

ROT-WEISS-ROT<br />

Während mein Instagram-Feed von goldgebräunten<br />

Bikinifotos am Strand überschwemmt<br />

ist, trägt meine Haut momentan den Farbton<br />

Österreich: Rot-weiß-rot. Ich schäle mich außerdem<br />

wie eine Schlange, mein Po ist rot wie der<br />

von einem Pavian und allgemein ähnelt meine<br />

Hautfarbe der eines deutschen Familienvaters<br />

am Ballermann. Sogar meine Fußsohlen schälen<br />

sich. Mehr sexy geht nicht, echt nicht. Ich<br />

hatte die Sonne im Norden Polens also unterschätzt<br />

und jaule nun jedes Mal auf, wenn ich<br />

irgendwo ankomme. BH tragen ist auch nicht<br />

drin, aber dafür ist es sowieso zu heiß. Ich war<br />

quasi schon in Bepanthen baden und schmiere<br />

mich mit allem ein, was ich in die Finger<br />

kriege. Die Erlösung habe ich aber erst in der<br />

Natur gefunden: Eine Aloe Vera Pflanze. Keine<br />

Creme mit Aloe-Extrakt, kein Sprüh-Dings mit<br />

Aloe drin, einfach direkt den Saft der Pflanze<br />

auf den wunden<br />

Körper schmieren<br />

und langsam<br />

aber sicher wieder<br />

atmen können.<br />

Bald kann es meine<br />

Haut vielleicht<br />

auch.<br />

Yoga-Tinka<br />

Yogalehrerin<br />

EXPERIMENT<br />

Make-up für<br />

die Haare?<br />

Ich färbe mir meine Haare<br />

immer selbst, was allerdings<br />

schon zu dem ein<br />

oder anderen Fiasko geführt<br />

hat, wie dem Textmarker-<br />

Debakel im September<br />

2017, wir erinnern uns alle.<br />

Wer nicht so (über)mütig<br />

ist und trotzdem Bock auf<br />

bunte Haare hat, kann sich<br />

jetzt freuen: Das Colovista<br />

Hair Make-up von L’Oreal<br />

gibt es im ganzen Farbspektrum<br />

des Regenbogens.<br />

Die Farbe lässt sich auf<br />

einzelne Strähnen auftragen<br />

und wäscht sich nach einer<br />

Haarwäsche wieder aus.<br />

Easy und für Experimente<br />

jedenfalls top!<br />

Wie bist du zum Yoga gekommen?<br />

Als Teenager habe ich Yoga ausprobiert<br />

und irgendwann ist es zu einer regelmäßigen<br />

Praxis geworden. Mittlerweile ist<br />

Yoga für mich ein Werkzeug zum Entspannen,<br />

Auspowern und um meine Gedanken<br />

zu beruhigen, je nachdem, was ich gerade<br />

brauche.<br />

Warum sollte jeder Yoga machen?<br />

Yoga bringt Bewegung in unseren Körper<br />

und Geist und das wirkt sich auf unseren<br />

Gefühlszustand aus. Je entspannter und<br />

ausgeglichener wir sind, desto freundlicher<br />

und glücklicher werden wir dann.<br />

Mehr über die Yoga-Stunden <strong>fin</strong>det ihr auf<br />

Instagram: yoga_tinka, Facebook: Yoga-<br />

Tinka oder auf www.yogatinka.at<br />

Marko Mestrović, Unsplash, another kind of beauty blog<br />

46 / LIFESTYLE /


TM<br />

Mc<br />

Menü<br />

Mc<br />

F1rst Chicken<br />

Das McF1rst Menü besteht entweder aus einem McF1rst Beef oder McF1rst Chicken, mittleren Pommes oder Snack Salat<br />

und einem mittleren Kaltgetränk (ausgenommen Bier, Orangensaft). *Unverbindliche Preisempfehlung. In allen teilnehmenden<br />

Restaurants. Nicht mit anderen Rabatt-Aktionen kombinierbar. Produkte teilweise mit Schmelzkäsezubereitung.


JUNG,<br />

MUSLIMISCH,<br />

GUTAUSSEHEND<br />

Fotos: Marko Mestrović<br />

Glowing skin is<br />

always in. Eine<br />

marokkanischdeutsche<br />

Besucherin<br />

mit blumigem<br />

Kopfschmuck.


Ob freitags vor der Moschee oder beim morgendlichen<br />

Festtagsgebet: Wiener Muslime<br />

machen mit ihren farbenprächtigen Outfits<br />

die Straßen Wiens unsicher. Sie holen ihr<br />

spektakulärstes Gewand aus dem Schrank<br />

und verwandeln damit jede Moschee in eine<br />

Modenschau. Time to shine!<br />

Männer aus Gambia glänzen mit ihren farbenprächtigen<br />

Gewändern. Wortwörtlich.<br />

/ MIT SCHARF / 49


Für die einen ist ein<br />

Henna-Muster ein<br />

schönes Accessoire,<br />

für die anderen ein<br />

langlebiger Brauch.<br />

50 / MIT SCHARF /


Ohrringe farblich abgestimmt<br />

auf das Kopftuch: Muslimische<br />

Mode, wie sie leibt und lebt.<br />

Die Kunst liegt im Detail. Wie bei<br />

dieser somalischen jungen Frau.<br />

Sprachen<br />

lernen<br />

und mehr<br />

verstehen<br />

Jetzt Englisch, Spanisch,<br />

Italienisch und viele weitere<br />

Sprachen lernen.<br />

Jetzt<br />

anmelden<br />

WIFI. Wissen Ist Für Immer.<br />

wifiwien.at/sprachen<br />

/ MIT SCHARF / 51


Je bunter, desto<br />

besser! Traditionelles<br />

aus Kenia.


WAS FRAU BEWEGT<br />

Like & Schein<br />

Von Delna Antia-Tatić und Julie Brass (Fotos)<br />

Weißes Kleid und Strohhut oder unrasiert mit Kaiserschnittsnarbe? Die<br />

Welt auf Social Media inszeniert alles, Hauptsache, es gefällt. Wir fragen<br />

uns: Was ist echt, was privat und was will ich sein? 1 Tag, 1 Auto,1 Thema<br />

– und 5 Frauen, die losfahren, den Kopf frei kriegen, ordentlich PS<br />

genießen und sich austauschen; darüber: Was Frau bewegt.<br />

Diesmal: Selbstbilder in Social Media.<br />

/ LIFESTYLE / 53


NUR WER POSTET, EXISTIERT<br />

Wir werden unterbrochen. Jemand ist da, in unserem Auto. Es<br />

ist eine Frau und sie will wissen, ob sie etwas für uns tun kann.<br />

Halleluja! Der bzw. „die Mercedes“ spricht mit uns. Natürlich<br />

gibt es stets jede Menge für uns zu tun. Aber weil dieser Samstag<br />

mit Wind und Regen startet, wünschen wir es uns zunächst<br />

einmal wärmer. Höflich verkündet uns Miss Mercedes, dass sie<br />

die Temperatur auf 23 Grad regelt. WOW. Das ist wahrhaft ein<br />

soziales Medium! Unsere neue A-Klasse <strong>18</strong>0d redet, versteht,<br />

lernt und wechselt auf Wunsch den Radiosender. Unbewusst,<br />

aber dank weiblicher bzw. plappernder Intuition, hatten wir sie<br />

mit dem Codewort „Hey Mercedes“ aktiviert und schon war sie<br />

ganz Ohr. Wir werden ganz flattrig. Im Kontakt mit künstlicher<br />

Intelligenz verpassen wir fast die Einfahrt. Aber „Mercedes“<br />

behält die Nerven. Sie ist nicht nur eine Frau des Wortes, sondern<br />

auch der Tat. So bremst sie kurzerhand – und ohne höflich<br />

zu fragen – als sie meine Abstandsbemessung beim Wenden<br />

zu gewagt <strong>fin</strong>det.<br />

Dann lässt sie mich die Einfahrt passieren und wir steigen<br />

aus. In „Heidi’s Zauberpark“ entdecken wir weiße Hasen im<br />

Gras, ein blaues Pferd im Teich und Kois im Wasser. Hier ist<br />

wohl #digitaldetox und #inspirationalquotes angesagt, grinsen<br />

wir. Die Grünoase der Lebensberatung ist zwar nicht gerade<br />

„instagramable“, aber der Ort beschäftigt sich mit einer ähnlicher<br />

Frage: Wie viel Zauber braucht es zum Glück?<br />

Keine 08/15-Fotos bitte! Fashionexpertin Barbara hat da ästhetische<br />

Ansprüche. „Verstanden“ antworten wir und Miss Mercedes.<br />

#sprachsteuerung #socialstars #hightechluxus<br />

Selbst die Schönen sind heute nicht mehr schön!“<br />

Unsere Fotogra<strong>fin</strong> ist sofort im Thema. Nicht nur<br />

Menschen mit normalen Taillen, Nasen und Oberarmen<br />

stünden unter Druck, übernatürlich schlank,<br />

zierlich und muskulös auszusehen. „Selbst Models, die eh<br />

schon dünn sind, ziehen auf Instagram ihre Taille schmäler –<br />

und verschieben dabei den Hintergrund.“ Julie schüttelt den<br />

Kopf. Ich staune währenddessen über die Palette unzähliger<br />

Tools, welche zur digitalen Schnellverschönerung angeboten<br />

werden – und damit jedem Kind suggerieren: Echt ist nicht<br />

erwünscht. Gleichzeitig boomen Trends wie #bodypositivity<br />

#selbstliebe – und erinnert ihr euch noch an #nofilter?<br />

„Was ist da los?“, frage ich in den Rückspiegel. „Alles<br />

Doppelmoral?“. Auf der Rückbank der neusten A-Klasse<br />

kuscheln drei Frauen vom Fach. Marion lehnt sich vor: „Früher<br />

war Social Media ein Ort, wo normale Leute endlich das sein<br />

konnten, was sonst nur Schauspielern und Models vorbehalten<br />

war. Eine Gegenbewegung zur klassischen Welt der Werbung<br />

voller Supermodels. Inzwischen ist aber diese Gegenbewegung<br />

selbst extrem kommerziell.“ Die 35-Jährige ist nicht nur erfolgreiche<br />

Bloggerin und Fotogra<strong>fin</strong>, sondern auch Social Media<br />

Strategin. Ihr Reiseblog „Lady Venom“ hat über 270 Tausend<br />

Follower. (Randbemerkung: Reisebloggen ist ein Job und kein<br />

Urlaub, bitteschön.)<br />

270 Tausend Follower auf Instagram ohne ein einziges Selfie!<br />

Reisebloggerin Marion hat ihre Prinzipien und erinnert sich gern an die<br />

gute alte Zeit, als Instagram noch nicht Mainstream war. #mbux<br />

54 / LIFESTYLE /


„Die KOMMUNIKATIVE“<br />

Unser Testwagen:<br />

Mercedes A <strong>18</strong>0 d<br />

Mit der neuen A-Klasse lässt sich<br />

reden – dank MBUX – Mercedes<br />

Benz User Experience. Intelligente<br />

Sprachsteuerung, Augmented<br />

Reality Navigationstechnologie<br />

und ein ganzheitliches Touchbedienkonzept<br />

samt Touchscreen/<br />

pad machen Fahren zu einem<br />

Luxus- wie Hightech-Erlebnis.<br />

Ausstattung: Fahrassistenz-<br />

Systeme mit S-Klasse-Funktion,<br />

PRE-SAFE-PLUS System, LED<br />

High Performance-Scheinwerfer,<br />

teilautomatisiertes Fahren.<br />

Leistung: 85 kW/116 PS, 260 Nm<br />

Dieses glückliche Lachen ist natürlich nicht inszeniert. Wir hatten beim Shooting ganz in echt<br />

Spaß! Lebensart-Redakteurin Laila kennt nämlich den Unterschied zwischen Wirklichkeit und<br />

Wunschbildern im Social Media. #augmentedreality #keepitreal<br />

Dieses Auto wurde im Rahmen<br />

einer Kooperation mit Mercedes zur<br />

Verfügung gestellt.<br />

KEIN FSK<br />

„Auf Instagram wird Glück inszeniert“, be<strong>fin</strong>det Laila<br />

und strahlt glücklich in Julies Kamera. „Wir teilen unsere<br />

Wunschbilder vom Leben, keine Abbilder vom Echten.“<br />

Das ist oft trivial, ob Happy-Family-Pics, Urlaubsfotos vom<br />

In<strong>fin</strong>itypool oder verträumt im Sonnenblumenfeld, hier zeigt<br />

jeder ein Leben wie in der Ramawerbung. „Daher muss ich<br />

heute auch nicht mehr dürr sein, sondern fit“, ergänzt die<br />

Leiterin des Lebensart-Ressorts beim Kurier. Fitness und<br />

Gesundheit sind wahrliche Mega-Trends im Social Media.<br />

Und „Superbowlfood“ samt Yogafotos mit der Message #keineausreden<br />

sind an sich auch eine gute Sache, bloß geraten<br />

Trends schnell außer Kontrolle. Wenn 12-jährige Mädchen<br />

eine „Veganer-Challenge“ antreten, ist Vorsicht angesagt.<br />

Auf den Kanälen herrscht enormer Druck, Teenies spüren ihn<br />

besonders. „Und es gibt kein FSK“, kritisiert Bloggerin Marion.<br />

Sie wünscht sich mehr „Sendungsverantwortung“ von<br />

ihren KollegInnen und empfiehlt jedem User Selbststeuerung<br />

bei der Mediennutzung: Selbst sie entfolgt bewusst Blogs,<br />

weil der Vergleich ihr nicht gut tut.<br />

Denn natürlich taucht die Frage auf: Wer ist am glücklichsten?<br />

Und anders als im echten Leben kann man das im<br />

Social Media messen. So steht die Inszenierung des Glücks<br />

in Relation zum Kampf um Likes. Das kann ungesund werden<br />

und unglücklich machen. Vergleichen ist immer übel, aber<br />

in einer Scheinwelt mit 1 Milliarden Mitstreitern besonders<br />

frustrierend. „Ich poste gerne Fotos von Reisen. Die Leute<br />

denken dann zwar, ich sei ständig unterwegs,“ zwinkert Barbara,<br />

„aber für mich ist es eine Art Tagebuch.“ Die Fashionista<br />

besitzt dabei einen ästhetischen Anspruch. „Manchmal<br />

frage ich mich schon, warum dieses 08/15-Foto 3000 Likes<br />

bekommt und meins nur 100?“ Marion tröstet: „Anspruchsloser<br />

Content funktioniert immer am besten.“ Sie rät: Posiere<br />

rückwärts mit weißem Kleid und Strohhut, dann multiplizieren<br />

sich die Herzen. Die Reisebloggerin weiß wovon sie spricht.<br />

Und trotzdem <strong>fin</strong>det man auf ihrem Blog kaum Fotos mit ihr<br />

und kein einziges Selfie. Warum? „Das bin ich nicht.“ Authentizität<br />

geht vor „Likeshunting“.<br />

TRÄNEN AUF INSTAGRAM?<br />

Apropos #authenticity: Was haltet ihr von Trends wie Body<br />

Positivity, die zu mehr Selbstakzeptanz motivieren und alte<br />

Frauenbilder durchbrechen wollen, will ich wissen. Gerade<br />

Bloggerinnen halten ja immer öfter die unschönen Seiten des<br />

Lebens vor die Kamera: Von unrasierte Waden, einem Klecks<br />

Regelblutung bis hin zur Kaiserschnittnarbe wird so Aufmerksamkeit<br />

auf Tabuthemen gelenkt. „Das sind gute Gegentrends<br />

– und bringen etwas Tiefe in die Scheinwelt.“<br />

Übrigens, Miss Mercedes hat auch eine Kamera mit der<br />

sie die total reale Realität abbildet. Auf dem – „Wahnsinns“ –<br />

Touchscreen Display im Cockpit wird nämlich per Augmented<br />

Reality Funktion gezeigt, was draußen in echt vorkommt. Dabei<br />

wird nichts beschönigt, wir hatten das auf der Herfahrt genau<br />

kontrolliert: Beim Radfahrer an der Ampel stimmte alles, Taille<br />

und Oberarm entsprachen komplett der Wahrheit. Dafür wird<br />

die Realität mit praktischen Hinweisen wie Hausnummern<br />

versehen. Wirklich intelligent unser Auto mit der schlanken<br />

Silhoutte und dem sportlichen Hintern. So gesehen, kann es<br />

nur glücklich sein.<br />

Wir sind es. Denn ob echt, fake, schön, schiach, gut oder<br />

böse – am Ende zählt doch, dass wir Frauen einen lustigen<br />

Vormittag im Regen hatten. Daher hüpfen wir zum Abschluss<br />

einen Boomerang im Zauberpark, springen in unsere Zauber-A-<br />

Klasse und spielen Mercedes vs. Reality.●<br />

/ LIFESTYLE / 55


MEINUNG<br />

„Das ist meine<br />

Meinung“<br />

Ich war nie besonders gut darin, mit<br />

Meinungen umzugehen, die komplett<br />

von meiner eigenen abdriften.<br />

Zugegeben, das ist nicht die beste<br />

Eigenschaft und ich arbeite daran,<br />

aber ehrlich gesagt, in letzter Zeit<br />

wird es schlimmer. Aufgefallen ist<br />

es mir schon bei „harmlosen“ Dingen<br />

wie Wonder Woman und Black<br />

Panther. Diese Filme repräsentieren<br />

für so viele ein nie dagewesenes<br />

Empowerment und dann killt irgendwer<br />

deinen Vibe mit: „Meh, nix<br />

Besonderes.“ Interessiert keinen. Es<br />

geht um so viel mehr, als ob du den<br />

Film jetzt leiwand <strong>fin</strong>dest oder nicht.<br />

Es gibt Leute, die sind prinzipiell<br />

mal „anti“. Egal welche Argumente,<br />

Hauptsache sie widersprechen dir.<br />

Das hat mich immer schon genervt,<br />

aber unter den heutigen politischen<br />

Bedingungen ist es unerträglich.<br />

Ob du <strong>fin</strong>dest, dass Flüchtlinge im<br />

Meer ertrinken sollten oder nicht,<br />

ist keine Meinung. Genauso wenig<br />

wie, ob Frauen an einer Vergewaltigung<br />

„schuld“ sein können oder es<br />

legitim ist, Kinder an der US-Grenze<br />

ihren Eltern zu entreißen. Und wenn<br />

ja, dann verschone mich bitte mit<br />

deiner „Meinung“.<br />

pantic@dasbiber.at<br />

KULTURA NEWS<br />

Verstaubte Museen sind<br />

Schnee von gestern.<br />

Von Jelena Pantić-Panić<br />

Mit „Island of Promise“<br />

hatte die ungarische Band<br />

Belau 2015 ihren Durchbruch.<br />

Für ihr Debütalbum<br />

wurden die beiden Musiker<br />

mit der Odyssee, dem<br />

ungarischen Grammy, in<br />

der Kategorie elektronische<br />

Musik ausgezeichnet.<br />

Dieses Jahr brachten sie<br />

mit der Österreicherin<br />

Sophie Lindinger den<br />

Track „Breathe“ raus.<br />

Was bedeutet euer<br />

Bandname „Belau“?<br />

Als Kinder lernten wir alle<br />

Hauptstädte der Welt auswendig.<br />

Wir sind dabei auf<br />

die kleine Insel „Palau“ im<br />

Pazifischen Ozean gestoßen.<br />

Die Inselbewohner<br />

nennen es aber „Belau“.<br />

Der Name und die Kultur<br />

haben uns über die Jahre<br />

inspiriert. Wir sind uns<br />

sicher, dass wir dort einmal<br />

spielen werden.<br />

Wie stellt ihr euch eure Fans vor, wenn<br />

sie eure Musik hören<br />

Sie liegen hoffentlich gerade am Strand,<br />

sind auf Reisen oder flüchten aus der<br />

Stadt in die Natur. Wer uns zuhause<br />

oder im Büro hört, stellt sich vermutlich<br />

Buchtipp<br />

FAMILIEN-<br />

GESCHICHTE<br />

“Versteckte Jahre – Der Mann, der meinen<br />

Großvater rettete“ ist die Geschichte vom<br />

jüdischen Hansi, der 1942 dem Tod im KZ<br />

entkam, weil ihm der Österreicher “Pepi”<br />

das Leben rettete. Die 29-jährige Wienerin<br />

und Journalistin Anna Goldenberg hat die<br />

Geschichte ihrer Familie aufgeschrieben.<br />

Die Infos entnahm sie den Notizen ihres<br />

mittlerweile verstorbenen Großvaters, vielen<br />

Gesprächen mit ihrer Großmutter, Dokumenten,<br />

Archiven und Zeitzeugen. „Ich habe<br />

jede Minute des Schreibens genossen”, sagt<br />

Anna. Ein Wunsch blieb ihr jedoch verwehrt:<br />

mit ihrem Großvater darüber zu sprechen.<br />

Erschienen beim Paul Zsolnay Verlag,<br />

um 20 Euro.<br />

5<br />

FRAGEN AN:<br />

vor, in der Natur zu<br />

sein.<br />

Wie ist die Zusammenarbeit<br />

mit Sophie<br />

entstanden?<br />

Leyya (Anm. Sophies<br />

Band) ist ein großartiger<br />

Act, vor allem<br />

dank Sophies Stimme.<br />

Wir haben sie kontaktiert,<br />

ihr gefiel die<br />

Musik sofort und kurz<br />

darauf hat sie ihren<br />

Part geschrieben und<br />

uns geschickt. Wir<br />

haben uns zwar leider<br />

nicht für die Aufnahme<br />

getroffen, sind<br />

aber dafür in Austin,<br />

Texas zusammen<br />

aufgetreten.<br />

Woran arbeitet ihr<br />

derzeit?<br />

Im Fokus liegt das<br />

Touren und im Hintergrund<br />

arbeiten wir am<br />

zweiten Album, das<br />

im Frühling 2019 erscheint.<br />

Was wollt ihr in Zukunft erreichen?<br />

Gute Songs schreiben, viele Menschen<br />

berühren und die Welt bereisen.<br />

BELAU<br />

GOOD<br />

VIBES<br />

ONLY<br />

Alle Infos, Songs und Konzert-Termine <strong>fin</strong>det<br />

ihr unter belaumusic.com<br />

Marko Mestrović, Kristijan Smok, Hansel Literaturverlage, von Belau bereitgestellt<br />

56 / KULTURA /


”Es ist nicht unser<br />

Ziel, eine Mehrheit<br />

zufriedenzustellen.”<br />

CHARITY-LAUF<br />

FÜR EINE OFFENE<br />

FLÜCHTLINGSPOLITIK<br />

“Žen” ist die erste offen lesbische Band am Balkan.<br />

Die vier Kroatinnen aus Zagreb machen<br />

audio-visuellen progressiven Indie Postrock mit<br />

einer queer-feministischen Geisteshaltung und<br />

produzieren ihre Songs in Graz. Ende September<br />

spielen sie zum zweiten Mal in Wien.<br />

<strong>BIBER</strong>: Was<br />

hat es mit dem<br />

Bandnamen auf<br />

sich?<br />

ŽEN: Žen ist ein<br />

fiktives kroatisches<br />

Wort,<br />

das männliche<br />

Geschlecht des<br />

Wortes “Frau”.<br />

Was bedeutet es,<br />

eine künstlerische<br />

Identität aufzubauen, in<br />

Zeiten von populistischen<br />

Kräften, die nicht nur Minderheiten<br />

als Bedrohungen<br />

und Abweichungen betrachten,<br />

sondern auch Frauenrechte<br />

als Ganzes?<br />

Manchmal ist es nicht einfach,<br />

aber da wir beschlossen<br />

haben, ehrlich zu sein und die<br />

Dinge zu tun, die wir lieben,<br />

denken wir, dass wir nicht<br />

anders können. Es ist nicht<br />

unser Ziel, eine Mehrheit<br />

zufriedenzustellen. Wir möchten,<br />

dass unser Publikum über<br />

Dinge nachdenkt, die in der<br />

Welt geschehen, um sich dessen<br />

bewusst zu sein.<br />

Ihr spielt am Waves Festival.<br />

Macht es euch nervös, dass<br />

ihr die Frauen der Musikindustrie<br />

begeistern wollt?<br />

Keinesfalls, es begeistert uns,<br />

dass Frauen sich schließlich<br />

entschlossen haben, in Jobs<br />

zu arbeiten, in denen sie<br />

immer eine Minderheit waren.<br />

Das ist fantastisch. Wir<br />

treffen immer mehr Frauen<br />

in der Musikindustrie und wir<br />

denken, dass sie sehr gut und<br />

hingebungsvoll sind und sich<br />

ihrem Geschäft voll widmen.<br />

Wer sind eure Heldinnen?<br />

Helden sind alle Frauen, die<br />

sich entschieden haben, ihre<br />

Meinung ohne Angst auszudrücken,<br />

all die Mütter, die<br />

ihre Kinder geleitet haben und<br />

besonders erwähnt Vox Feminae,<br />

Rdeče zore, Pitchwise…<br />

Žen treten am 28. September am<br />

diesjährigen Waves Vienna Festival<br />

auf. Das Festival steht heuer unter<br />

dem Motto “East meets West“ und<br />

dauert von 27.-29. September<br />

20<strong>18</strong>, weitere Infos unter wavesvienna.com<br />

LebensLauf<br />

30. September 20<strong>18</strong><br />

Kurpark Oberlaa<br />

1100 Wien<br />

Info und Anmeldung<br />

www.lebens-lauf.at<br />

Wir brauchen Hilfe,<br />

um helfen zu können!<br />

/ KULTURA / 57


MEINE STRASSE, MEIN ZUHAUSE,<br />

MEIN PARK<br />

58 / KULTURA /


Die Medien schreiben<br />

über sie, die Anrainer<br />

beschweren sich und die<br />

Polizei beobachtet sie mit<br />

Argusaugen. Aber wer<br />

sind die Wiener Park-Kids<br />

wirklich und welche Regeln<br />

gelten in ihrer Welt?<br />

Von Jelena Pantić-Panić, Fotos gregorbuchhaus.com und Park-Kids<br />

Die hoarten Jungs aus dem Park<br />

Knockout. Ein Körper liegt am Boden, der Täter<br />

sprüht mit Kreide die Umrisse der Silhouette<br />

auf den Asphalt. Was wie eine Folge von Law<br />

& Order beginnt, ist in Wahrheit ein harmloses<br />

Straßentheater im Fiakerpark im dritten Wiener<br />

Gemeindebezirk. Die beiden Protagonisten Sabine Maringer (im<br />

Stück Shugga X) und Arno Uhl (Angelo A.) haben den „Fightclubfuture“<br />

ins Leben gerufen, ein interaktives Stück über<br />

Versagensängste, den Wunsch nach Anerkennung - In der<br />

einzigen Sprache, die die Jugendlichen berührt: Rap.<br />

Mit Texten wie „egal wie die anderen ticken, lass dir deinen<br />

Kopf nicht ficken“, will die Compania Tétaté zu den Jugendlichen<br />

durchdringen, mit ihnen das „Park Life“ feiern und sie<br />

bestärken. Zuerst muss sie aber in ihre Köpfe blicken. Monatelang<br />

beschäftigten sich die beiden Streetartists Sabine und<br />

Arno mit dem Mikrokosmos Park und den Lebensrealitäten<br />

Jugendlicher, die sieben Stunden täglich dort verbringen.<br />

WIE FUNKTIONIERT EIGENTLICH<br />

EIN PARK?<br />

Aber: Park ist nicht gleich Park. Jeder Park ist räumlich verschieden<br />

unterteilt, was das soziale Gefüge maßgeblich formt.<br />

Eine mögliche Einteilung könnte so aussehen: In der einen<br />

Ecke spielen ältere Männer Karten, im Käfig spielen Jugendliche<br />

Fußball, auf den Bänken ruhen sich Passanten aus, am<br />

Spielplatz rutschen kleine Kinder, die Mütter sitzen in der Nähe,<br />

passen auf und plaudern und irgendwo am<br />

Rand trinken ein paar Alkoholiker ihr Bier.<br />

Änderungen können hier eine große Wirkung<br />

haben. Zum Beispiel eine Baustelle in der<br />

Alko-Ecke drängt die Trinker näher an die<br />

Kinder - wie verändert sich dann das Gefüge?<br />

„Die Kinder wissen ganz genau wer in welche<br />

Ecke gehört und wo sie sich aufhalten dürfen<br />

und wo nicht“, erklärt Theaterpädagogin<br />

und Straßenkünstlerin Sabine. Insgesamt<br />

sind Parks nach den vorgesehenen Tätig-<br />

Den größten<br />

Zündstoff im<br />

Stück bietet<br />

die starke<br />

Frauenrolle.<br />

keiten getrennt, manchmal aber auch nach Nationalitäten oder<br />

Geschlecht.<br />

NO GIRLS ALLOWED<br />

Apropos Geschlecht: Den größten Zündstoff im Stück bietet<br />

die starke Frauenrolle. Die Burschen halten es teilweise schwer<br />

aus, dass Shugga X im Streit ihrem Spielpartner widerspricht<br />

und er sich am Ende sogar bei ihr entschuldigt. „Was ist das für<br />

ein Mannsweib? Hau ihr doch eine rein, wenn sie sich so aufführt!“,<br />

tönt es aus dem Käfig. Gerade der Park ist für Burschen<br />

ein Raum, an dem sie ihre Männlichkeit reproduzieren und zur<br />

Schau stellen. Mädchen sind hier deutlich eingeschränkter.<br />

Bereits eine Studie aus 2002 zur Freizeitsituation jugendlicher<br />

MigrantInnen in öffentlichen Räumen thematisiert strenge<br />

Verhaltensvorschriften, Regulierungen und eine Formulierung<br />

sozialen Verhaltens, die bestimmen wie Mädchen sich zu<br />

benehmen haben. Halten sie diese Vorgaben nicht ein, werden<br />

sie mit Gerüchten, Klatsch und Ausschluss bestraft.<br />

Je älter sie werden, je später die Tageszeit und je kälter<br />

das Wetter, desto weniger Mädchen <strong>fin</strong>den sich in Parks. Doch<br />

auch Mädels untereinander machen es sich nicht einfach.<br />

Mädchengruppen brechen leichter und der Umgang in der<br />

Gruppe ist teilweise brutaler als bei Burschen. Diese haben<br />

eine wesentlich unkompliziertere Gruppenbildung, während<br />

Mädchen aus ihrer viel schneller rausfliegen. Einen Sonderstatus<br />

im Park erreicht ein Mädchen, wenn einer der Burschen<br />

in sie verliebt ist - dann wird sie von allen<br />

beschützt. Das und vieles mehr beschreibt<br />

Danila Mayer in ihrem Buch „Park Youth in<br />

Vienna“, wo sie den Mikrokosmos Park mit<br />

allen seinen Besonderheiten untersucht und<br />

zeigt, dass das Sozialverhalten in Parks eine<br />

regelrechte Wissenschaft ist.<br />

WER SIND DIE PARK-KIDS?<br />

Um zum Stück zurückzukehren: Während<br />

manche Burschen von der starken Frauen-<br />

/ KULTURA / 59


Die Jungs müssen ihre Probleme im Park ganz selbst aus der Welt schaffen<br />

rolle irritiert waren, emp<strong>fin</strong>den sie die Mädchen, vor allem die<br />

kleinen, als tolles Vorbild. Dabei ging es den Autoren weniger<br />

um Mann-Frau, sondern darum, „dass man trotz eines Streits<br />

zueinander zurück<strong>fin</strong>det, den Schmerz des anderen versteht<br />

und zusammenhält“, erzählt Sabine.<br />

Und Schmerz emp<strong>fin</strong>den die Jugendlichen oft. Viele von<br />

ihnen fühlen sich entweder unbeachtet, missverstanden oder<br />

abgestempelt. Wenn sie jünger sind, haben sie noch Ambitionen.<br />

„Sie sagen Sachen wie: Lachen Sie mich bitte nicht aus<br />

aber ich will Astronaut werden“, erzählt Sabine. Diese Träume<br />

werden von Lehrern und Eltern zerstört. Die Kids werden nicht<br />

ausreichend unterstützt und wer mit fünf Menschen in zwei<br />

Zimmern wohnt, sich um seine Geschwister kümmern, im<br />

Haushalt helfen und dolmetschen muss, hat kaum Möglichkeiten<br />

sich selbst zu entfalten.<br />

AUSBILDUNG: STRASSE<br />

Durch diese Umstände haben die Kids in jungen Jahren schon<br />

sehr viel Lebenserfahrung. Der Park ist zudem ein guter Lehrer.<br />

„Die Kinder und Jugendlichen gehen alleine in den Park und<br />

da es niemanden gibt, der maßregelt, müssen sie jegliche<br />

Probleme untereinander ausmachen“, erläutert Sabine die<br />

Eigenständigkeit der Park-Kids. Sie können vielleicht nicht<br />

Goethe zitieren aber sie können sich ausgezeichnet alleine<br />

zurecht<strong>fin</strong>den. Sie sind street smart, charmant und haben eine<br />

außerordentlich hohe Beobachtungsgabe. Ihr Park ist ihr Platz<br />

und sie wissen wer da hingehört und wer nicht.<br />

HOL’ DOCH DIE POLIZEI!<br />

Park-Kids gibt es aber immer weniger. Parkbetreuungseinrichtungen<br />

berichtet von einem Schwund der Jugendlichen durch<br />

die Ausbildungspflicht, die mit dem Schuljahr 2017/<strong>18</strong> in Kraft<br />

getreten ist. Dadurch sind mehr Kinder in<br />

den Parks und je mehr kleine Kinder, desto<br />

weniger Jugendliche. Und die die noch<br />

da sind, fühlen sich von Polizeikontrollen<br />

eingeschüchtert. Parkbetreuung sowie die<br />

Jugendlichen selbst nehmen verstärkte Polizeikontrollen<br />

wahr. „Der einzige öffentliche<br />

Platz, an dem sie sich frei bewegen können,<br />

wird ihnen weggenommen“, sagt Sabine.<br />

Aus der Landesdirektion Wien kann man das<br />

Oft entstehen<br />

hier Freundschaften<br />

fürs<br />

Leben …<br />

kaum bestätigen: „In den Sommermonaten sind generell mehr<br />

Menschen im öffentlichen Raum, da wird präventiv kontrolliert.<br />

Es gibt aber keine angelegte Aktion und keinen verstärkten<br />

Schwerpunkt.“ Kontrolliert wird nach Verschmutzungen,<br />

Sachbeschädigungen wie Graffiti aber auch Suchtmittel und<br />

Körperverletzung sind Thema. Ein Standardeinsatz der Polizei<br />

im Park: Lärmbelästigung.<br />

WIR GEGEN DEN REST DER WELT<br />

Die meist älteren Damen, die sich über den Lärm der Jugendlichen<br />

beschweren, sind aber ihr kleinstes Problem. Sobald sie<br />

mitbekommen, dass sie von biber interviewt werden, brennt<br />

ihnen ein anderes Thema auf der Zunge: Strache, Kurz und<br />

Kopftuch. Die Wut ist groß: „Auf Strache. Und auf Österreicher.<br />

Sie wollen, dass Kopftuch und so wegkommt, weil sie<br />

Angst haben. Aber sie verstehen nicht, dass nicht jeder Muslim<br />

Terrorist ist. Es sind ganz normale Menschen und die die was<br />

machen, sind einfach dumm“, sagt der 13-jährige Tilo mit<br />

kosovo-albanischen Wurzeln.<br />

Obwohl sie sich kaum für Politik interessieren oder dieses<br />

Thema zuhause nicht behandelt wird: Das Kopftuchverbot<br />

an Schulen haben alle mitbekommen. Wer sich gegen das<br />

Kopftuch positioniert, ist Feind. Und das nicht nur bei Muslimen,<br />

denn auch Nicht-Muslime sehen es als Angriff gegen die<br />

Leute, mit denen sie aufwachsen. Die Jugendlichen bilden sich<br />

schnell eine Meinung oder nehmen diese aus ihrem Umfeld<br />

auf. „Es hat sich vieles verschlechtert. Ich <strong>fin</strong>de, dass so ein<br />

junger Typ wie Kurz nicht an die Macht kommen sollte. Weil er<br />

hat schon jetzt vieles zerstört. Er ist halt kein guter Mensch“,<br />

<strong>fin</strong>det der 14-jährige Dušan klare Worte. Argumentieren<br />

können die Jugendlichen schwer, sie wissen aber, was sich<br />

für sie richtig anfühlt und was nicht - und<br />

daran richten sie sich. Fremdbeschreibungen<br />

bekommen sie mit, aber sie versuchen sie<br />

abzublocken. Sie nehmen die Politik, die<br />

Polizei, die Anrainer und alle anderen, die<br />

etwas über sie zu sagen haben, wahr. Aber<br />

wie Außenstehende ihren Park und sie sehen,<br />

spielt im Endeffekt keine Rolle. Für sie bedeutet<br />

der Park Zufluchtsort und Familie. Und<br />

Familie hält zusammen. ●<br />

60 / KULTURA /


Verhüllt,<br />

enthüllt!<br />

Das Kopftuch<br />

<strong>18</strong>. Oktober 20<strong>18</strong><br />

bis 26. Februar 2019<br />

www.weltmuseumwien.at<br />

/ MIT SCHARF / 61


MIT BEN<br />

& BRUCE<br />

DURCH<br />

AFRIKA<br />

62 / OUT OF AUT /


Zeigt das euren Eltern,<br />

wenn die wieder klagen,<br />

dass ein Urlaub in Thailand<br />

zu gefährlich sei.<br />

Fotograf Benedikt Von<br />

Loebell reiste mit seinem<br />

Landrover Bruce von<br />

Kapstadt weg über die<br />

afrikanische Westküste<br />

zum nördlichsten Zipfel<br />

Europas.<br />

Von Amar Rajkovic und Benedikt Von Loebell (Fotos)<br />

/ OUT OF AUT / 63


Weibliche<br />

Angehörige des<br />

Himbastamms,<br />

der in Angola<br />

und Namibia zu<br />

Hause ist.<br />

Wow, ihr wisst ja gar nicht, wie<br />

schön Wien ist“, schleudert<br />

uns Benedikt Von Loebell<br />

entgegen als wir ihn drei Wochen nach<br />

dem Ende seiner fünfmonatigen Reise<br />

im MQ treffen. Er muss es ja wissen.<br />

Loebell sieht wie ein prototypischer<br />

Abenteurer aus: Sonnenbrille im nach<br />

hinten gekämmten Haar, Dreitagebart<br />

und ein freundliches Lächeln, das einem<br />

sagen möchte: „Das machen wir schon<br />

irgendwie.“<br />

Genau diese Gelassenheit half dem<br />

Globetrotter auf seiner Reise vom südlichsten<br />

Zipfel Afrikas bis zum Nordkap<br />

in Norwegen. Als er zum Beispiel die<br />

Entscheidung treffen musste, ob er durch<br />

die namibische Steppe weiterfährt oder<br />

in die Hauptstadt Windhoek umkehrt,<br />

um seinen pochenden Zahn behandeln<br />

zu lassen. Oder in dem Moment an der<br />

senegalesisch-mauretanischen Grenze,<br />

als Loebell in den Sinn kommt, dass er<br />

in die strenge muslimische Republik<br />

Mauretanien einreist und blöderweise<br />

ungeöffneten Alkohol in seiner Fahrertür<br />

verstaut hatte. Über 25.000 Kilometer<br />

legte er mit „Bruce“, wie er seinen Land-<br />

Rover liebevoll nennt, auf seiner jüngsten<br />

Reise zurück. Würde man die Strecke am<br />

Stück durchfahren, wären das schlappe<br />

315 Stunden Fahrzeit laut Google-Maps.<br />

REISEN, UM NICHT<br />

ANZUKOMMEN<br />

Doch Loebell hatte es nicht eilig. „Die<br />

Reise ist das Ziel, nicht das Ziel ist<br />

die Reise“, argumentiert er, wenn ihn<br />

abenteuerneidige Zuhörer fragen, ob<br />

Manche nennen<br />

es Selbst<strong>fin</strong>dung,<br />

manche Abenteuer,<br />

Loebell spricht von<br />

Freiheit.<br />

Jetzt fehlt nur<br />

noch der Gorilla -<br />

Regenwald in Gabun


Das wohl einsamste Telefon auf der Welt: Gesehen in Namibia<br />

man dieses waghalsige Unterfangen<br />

nicht auch in vier Wochen hineinpressen<br />

könnte. Solch eine Reise sei auch<br />

nicht mit Urlaub zu vergleichen. Manche<br />

nennen es Selbst<strong>fin</strong>dung, manche<br />

Abenteuer, Loebell spricht von Freiheit.<br />

Ja, Freiheit bedeutet auch nicht in der<br />

Nähe von Siedlungen zu übernachten,<br />

die unter Beschuss geraten könnten.<br />

So geschehen in Kamerun, wo seit<br />

geraumer Zeit die unterdrückte englischsprachige<br />

Minderheit aufbegehrt<br />

und die Reaktionen der französischsprachigen<br />

Elite zu spüren bekommt.<br />

Freiheit bedeutet auch, das Konzert von<br />

Fema Kuti in Lagos zu besuchen, einen<br />

der vielen Söhne der Afrobeatlegende<br />

Fela Kuti. Die nigerianische Hauptstadt<br />

habe einen bleibenden Eindruck beim in<br />

Bogota geborenen Fotografen hinterlassen.<br />

„Stellt euch vor, in dreißig Jahren<br />

ist Lagos die größte Mega-Metropole der<br />

Welt“, teilt er uns mit weit aufgerissenen<br />

Augen mit. (Mega-Metropolen sind<br />

Städte mit über zehn Millionen Einwohnern.<br />

Lagos soll verschiedenen Schätzungen<br />

zufolge 2050 zwischen 60 und<br />

Fema Kuti ist der<br />

Sohn von Musiklegende<br />

Fela Kuti.<br />

/ OUT OF AUT / 65


Ein Strand und ganz viele Fischerboote. Gesehen in Nouakchott, Hauptstadt Mauretaniens.<br />

„<br />

Lagos in Nigeria ist in 30 Jahren die<br />

größte Metropole der Welt.<br />

“<br />

Im Hintergrund wird gebaut und im Vordergrund versucht zu überleben -<br />

Megametropole Lagos in Nigeria<br />

100 Millionen Einwohner haben) Genau<br />

wie überall gebe es dort auch Gewinner<br />

und Verlierer. Der Anblick der Armenviertel<br />

auf dem Wasser mit dem Kranwald<br />

dahinter ist imposant und tieftraurig<br />

zugleich. Genau wie so vieles in Afrika.<br />

Ein Kontinent in Aufruhr, mit unglaublichem<br />

Potenzial und unverkennbaren<br />

Spuren des Kolonialismus. Als Loebell in<br />

der Elfenbeinküste am beeindruckenden<br />

Sakralbau vorbeifährt, der ihn an den<br />

Petersdom erinnert, fragte er sich: „Wo<br />

kommt das Geld für den Bau her?“.<br />

Ebenso beeindruckend die futuristisch<br />

bunten Wohnbauten, die in den Himmel<br />

von Accra in Ghana ragen.<br />

BROMANCE AUF RÄDERN<br />

Von First-World-Problems habe er nicht<br />

viel mitbekommen auf der Reise. Etwas<br />

erinnerte ihn doch an die entwickelte,<br />

industrialisierte Welt. Die Plastikmüllberge,<br />

die seinen Weg säumten, waren<br />

dem Fotografen immer wieder ein Memo,<br />

dass selbst die mauretanische Wüste<br />

vor Menschenmüll nicht geschützt ist.<br />

Loebell schoss immer wieder Bilder von<br />

abgeholzten Gebieten in Westafrika,<br />

die Monokulturen wie Palmöl zum Opfer<br />

fielen. Dazu benutzte er eine Drohne,<br />

66 / OUT OF AUT /


Buena Vista Social Club auf gabunisch.<br />

RICHTHAUSENSTR. 2, 1170 WIEN, 9 – <strong>18</strong> UHR<br />

MISTFEST<br />

Bezahlte Anzeige<br />

22<br />

23<br />

www.abfall.wien.at<br />

die48er<br />

/ OUT OF AUT / 67


Ganz erstaunt war Loebell über diesen gewaltigen Sakralbau mitten im Nirgendwo in der Elfenbeinküste.<br />

deren Einsatz in manchen Ländern wie<br />

Marokko jedoch strengstens untersagt<br />

war. Angesprochen auf die Flüchtlingskrise,<br />

die die europäische Öffentlichkeit<br />

seit drei Jahren in Atem hält, winkt<br />

Loebell nur ab. Er möchte nicht politisch<br />

werden. Gleichzeitig sah er auf seinem<br />

Trip oft die Gründe, warum die Menschen<br />

möglicherweise alles riskieren, um<br />

nach Europa zu gelangen. Es war nicht<br />

das erste Abenteuer des 40-jährigen<br />

Fotografen. 2011 machte er sich auf den<br />

Weg nach Kapstadt, standesgemäß nicht<br />

mit dem Flugzeug, sondern mit seiner<br />

großen Liebe „Bruce“. Damals über die<br />

„Ostflanke“ von Ägypten über Tansania<br />

bis nach Kapstadt. Es wird also wieder<br />

Zeit für einen Trip, Herr Abenteurer,<br />

vielleicht von Alaska nach Patagonien?<br />

„Weiß noch nicht, Venezuela würde mich<br />

momentan reizen.“ Ob er jemanden mitnehmen<br />

würde? „Meine Freiheit kann ich<br />

nur alleine mit Bruce genießen.“ Geht in<br />

Ordnung, aber dafür wollen wir die Fotos<br />

sehen! ●<br />

„<br />

Meine<br />

Freiheit<br />

kann ich nur<br />

mit meinem<br />

Bruce<br />

genießen.<br />

“<br />

Sein treuester<br />

Weggefährte:<br />

Fotograf Loebell<br />

mit dem Landrover<br />

Bruce.<br />

68 / OUT OF AUT /


wgkk.at<br />

Die WGKK in den sozialen Medien –<br />

wir informieren vielseitig!<br />

Die WGKK ist auf Facebook!<br />

Wir wollen informieren, Service bieten und spannende<br />

Geschichten aus der Wiener Gebietskrankenkasse<br />

(WGKK) erzählen und freuen uns auf Ihr „Gefällt mir“!<br />

Wenn Sie Fragen oder Anregungen haben, schicken<br />

Sie uns gerne eine Nachricht!<br />

https://www.facebook.com/wgkk.at


„Die Leiden des jungen Todor“<br />

Von Todor Ovtcharov<br />

Die guten<br />

alten Zeiten<br />

Ich hatte mal eine Tante, von der niemand sicher<br />

war, wie alt sie eigentlich war. Wenn alle Legenden<br />

über ihr Leben wahr waren, dann war sie<br />

mindestens 106. Das schien unglaublich, da sie immer<br />

in bester physischer und psychischer Verfassung war.<br />

Das einzig Schlechte an ihr war, dass sie allen immer<br />

die Wahrheit sagte. Sie betrachtete zum Beispiel meine<br />

Mutter und meinte, dass sie genau drei Kilo zugenommen<br />

hatte. Meine Mutter schämte sich, da sie wusste,<br />

dass ihr genau diese drei Kilo schlaflose Nächte<br />

bereiteten und sie ohne Erfolg versuchte, sie wieder zu<br />

verlieren. Wie konnte die Tante genau wissen, um wie<br />

viel meine Mutter zugenommen hatte? Das blieb ein<br />

Geheimnis genau wie ihr langes, fast ewiges Leben.<br />

Man erzählte, dass sie die halbe Welt umkreist hatte<br />

ohne einen einzigen Groschen auszugeben. Als ich<br />

sie fragte, ob das stimmt, antwortete sie: „Für schöne<br />

Frauen gibt es keine Grenzen!“ und schickte mich,<br />

ihr Zigaretten zu kaufen, die sie danach mit einer sehr<br />

langen Zigarettenspitze rauchte. Als sie erfuhr, dass<br />

ich nach Wien fahren werde, sagte sie: „Oh Wien! Dort<br />

musste man vor dem ersten Weltkrieg sein. Damals war<br />

das Leben wirklich schön! Man zahlte mit echtem Gold<br />

und das Gold war überall. Selbst wenn man nur eine<br />

Goldmünze in seiner Tasche hat, dann fühlt man sich<br />

sicher!“ Ich hatte noch nie eine Goldmünze besessen<br />

und kannte dieses Gefühl von Sicherheit nicht. „Und<br />

genau das ist dein Fehler!“, sagte meine Tante. Obwohl<br />

ich keine Goldmünze hatte, fuhr ich trotzdem nach<br />

Wien. Das erste Mal, als ich wieder in Bulgarien war,<br />

fragte sie mich, wie ich mich fühle. „Gut!“, antwortete<br />

ich. Sie schüttelte nur den Kopf. „Du wirst früher oder<br />

später verstehen, dass Wien nicht mehr das ist, was es<br />

einmal war!“ Das sind die letzten Worte, die ich von ihr<br />

gehört habe.<br />

„Wien ist nicht mehr das, was es einmal war!“,<br />

sagt der Taxifahrer zu mir und nickt in meine Richtung<br />

während wir warten, dass der unendliche Nachmittagsverkehr<br />

endlich abebbt. Er fährt in einem Gemisch aus<br />

Arabisch und Wienerisch fort: “Als ich hierher gekommen<br />

bin, 1973, war alles schöner, ruhiger und sauberer.<br />

Die Menschen waren reicher. Sie mieteten das Taxi für<br />

einen ganzen Abend und ich fuhr sie von einer Feier<br />

zur nächsten. Jetzt wollen sie nicht mal einen Zehner<br />

spendieren. Es ist voll mit Betrunkenen und Drogensüchtigen,<br />

die guten alten Wiener mit guten Manieren,<br />

dicken Brieftaschen und Respekt vor den arbeitenden<br />

Taxifahrern gibt es nicht mehr. Überall nur Ausländer.<br />

Zuerst kamen die diebischen Polen, als die Mauer fiel.<br />

Alles wurde schrecklich. Und früher haben die Menschen<br />

nicht mal ihre Häuser zugesperrt. Danach ist alles<br />

schrecklich geworden! Es kam das ganze Gesindel aus<br />

Jugoslawien und jetzt neuerdings alle Araber! Ich bin ein<br />

echter Wiener! Und diesen schereckliche Verkeher gab<br />

es auch nicht!” Ich bin sicher, dass der Fahrer ein echter<br />

Wiener ist, so wie er sich über alles beschwert mit<br />

einem leichten arabischen Akzent. Und von den guten<br />

alten Zeiten zu träumen, als die Menschen das Taxi für<br />

einen ganzen Abend gemietet haben und er Tausende<br />

von Schilligen bekam. Ich kann nichts zu ihm sagen. Der<br />

Taxifahrer heißt Muhammed und kommt aus Ägypten.<br />

Nichts hat sich verändert seit den Erzählungen<br />

meiner Tante bis zu dem Gespräch mit Muhammed. Und<br />

Wien ist auch dasselbe. ●<br />

70 / MIT SCHARF /


SA | 6. OKT | 2 0<strong>18</strong><br />

IN GANZ ÖSTERREICH AB <strong>18</strong>:00 | LANGENACHT.ORF.AT<br />

TICKETS UNTER TICKETS.ORF.AT

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!