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Österreichische Post AG; PZ <strong>18</strong>Z041372 P; Biber Verlagsgesellschaft mbH, Museumsplatz 1, E 1.4, 1070 Wien<br />
www.dasbiber.at<br />
MIT SCHARF<br />
SEPTEMBER<br />
20<strong>18</strong><br />
NACH<br />
KABUL<br />
UND RETOUR<br />
Flüchtlinge auf Heimat-Besuch<br />
JUGO-<br />
ETIQUETTE<br />
VERLIEBT IN<br />
DEN ZUHÄLTER<br />
FLIRTZONE<br />
MOSCHEE<br />
DAS DATE NACH DEM GEBET
JOBS MIT AUSSICHTEN!<br />
Ausbildung, Karrierechancen, familienfreundliches Umfeld<br />
und ein tolles Team – das erwartet Sie als Mitarbeiterin oder<br />
Mitarbeiter in der SPAR-Feinkost.<br />
JOBS MIT AUSBILDUNG<br />
Feinkost ist unsere Kernkompetenz. Lassen Sie sich von uns<br />
zur Feinkost-Mitarbeiterin oder zum Feinkost-Mitarbeiter ausbilden.<br />
In einer Schulungsfiliale werden Sie schrittweise zum<br />
Feinkostprofi ausgebildet. Erst nach dieser Ausbildung geht’s<br />
in Ihrer Feinkost-Abteilung so richtig los.<br />
Yvonne S. hat Ihre Karriere als Lehrling<br />
begonnen. Wegen Ihrer Leidenschaft für<br />
Lebensmittel hat sie sich nach der Lehre für<br />
eine weitere Ausbildung und Karriere in der<br />
Feinkost entschieden. Heute leitet Sie erfolgreich<br />
eine Feinkostabteilung und ein 10-köpfiges<br />
Team.<br />
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In unserer Feinkost-Akademie lernen Sie von den Besten.<br />
Nach Abschluss der Ausbildung sind Ihrer Karriere<br />
keine Grenzen gesetzt! Führungspositionen wie Abteilungsleiter/in<br />
und Gebietsleiter/in werden bei uns bevorzugt<br />
mit eigenen Feinkost-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />
besetzt.<br />
Cindy B. hat als Quereinsteigerin in unserer<br />
Feinkost begonnen - war jetzt einige Jahre<br />
als Abteilungsleiterin tätig und startet gerade<br />
mit Ihrer Ausbildung zur Gebietsleiterin. Im<br />
Herbst wird Sie für rund 15 Feinkostabteilungen<br />
und mehr als 100 Mitarbeiterinnen und<br />
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JOBS MIT<br />
ÖSTERREICH DRIN.
3<br />
minuten<br />
mit<br />
Elia<br />
Bragagna<br />
Wenn es um die schönste<br />
– aber oft nicht einfachste –<br />
Nebensache der Welt geht,<br />
ist Dr. Elia Bragagna nicht<br />
weit. Seit Matthias Strolz<br />
in einem Ö3-Interview die<br />
Wiener Sexualtherapeutin<br />
lobte, ist die Hilfe der<br />
Expertin gefragter denn je.<br />
Von Nada El-Azar, Foto: Ricardo Herrgott<br />
<strong>BIBER</strong>: Sprechen Sie noch viele Klienten<br />
auf Matthias Strolz an?<br />
ELIA BRAGAGNA: Es berufen sich tatsächlich<br />
viele auf ihn. Das, was Strolz<br />
in der Sendung angesprochen hat, ist<br />
ein für Paare typisches Problem und<br />
hat viele motiviert, über ihre Gefühle<br />
zu sprechen. In Bezug auf die eigenen<br />
sexuellen Bedürfnisse sind Menschen<br />
wahnsinnig verunsichert, was sie den<br />
Partnern sagen können. Im Gespräch<br />
kommt oft heraus, dass der jeweilige<br />
Partner oder die Partnerin nicht anders<br />
emp<strong>fin</strong>det.<br />
Wer geht zu einer Sexualmedizinerin?<br />
Was sind, Ihrer Meinung nach, typische<br />
Frauen- und Männerprobleme?<br />
Es gehen vor allem jene Menschen zu<br />
Sexualmedizinern, die wissen, dass es<br />
uns gibt. Es ist das Versäumnis vieler<br />
Kollegen, dass sie sich nicht sichtbar<br />
machen. Deswegen ist es mir wichtig,<br />
in den Medien präsent zu sein. Nicht<br />
aus Mediengeilheit, sondern um aufzuklären.<br />
Altersmäßig ist bei Patienten<br />
alles dabei. Frauen plagen Lustlosigkeit<br />
und Schmerzen beim Sex – auch weil<br />
viele sich zu sehr an der Sexualität der<br />
Männer orientieren. Bei Männern sind<br />
Erektionsstörungen und vorzeitiger<br />
Samenerguss die häufigsten Themen.<br />
Beobachten Sie eine neue „Volkskrankheit“?<br />
Für mich wäre das Performancesex.<br />
Weil Leute glauben, sie müssen den<br />
Schwachsinn erfüllen, der in Medien<br />
und Pornos vorgegeben wird. Ich<br />
beobachte bei jungen Männern, dass<br />
sie "normaler Sex" nicht mehr antörnt,<br />
weil sie der häufige Pornokonsum dafür<br />
abgestumpft hat. Das ist eine normale<br />
neurobiologische Reaktion. Bei Frauen<br />
äußert sich das so, dass sie Sex haben,<br />
obwohl ihre Körper noch nicht "rollig"<br />
genug sind. Dann wird auf Gleitmittel<br />
und Spucke zurückgegriffen – dieses<br />
Verhalten führt längerfristig zu Schmerzen<br />
beim Sex. Mir ist es ein Anliegen,<br />
dass wir einen gesunden Kontakt zu<br />
unserem Körper aufbauen. Den medialen<br />
Klischees zu entsprechen ist ein<br />
einziger Krampf.<br />
Alter: 62<br />
geboren in: Italien<br />
Berufung: Praktiziert seit 20<br />
Jahren als Sexualtherapeutin.<br />
Besonderes: Hat die erste<br />
Sexualambulanz am Wiener<br />
Wilhelminenspital initiiert.<br />
/ 3 MINUTEN / 3
3 3 MINUTEN MIT<br />
ELIA BRAGAGNA<br />
Von Matthias Strolz empfohlen.<br />
LOVE IS IN THE MOSQUE<br />
Gläubige Muslime lernen Gleichgesinnte<br />
nach dem Gebet kennen.<br />
24<br />
8 FACE OF THE MONTH:<br />
Ivana aus der Brigittenau erobert Los Angeles!<br />
10 IVANAS WELT<br />
When at Jugo’s house. Über Hausschuh-<br />
Zwang und Schleich-dich-Kaffee.<br />
POLITIKA<br />
12 KURZBESUCH IN KABUL<br />
EXKLUSIV: Junge Afghanen riskieren ihren<br />
positiven Asylstatus, um ihre kranken Eltern in<br />
ihrem Heimatland zu besuchen.<br />
16 „WELCHE FARBE HAT<br />
DIE TÜRKLINKE DEINER<br />
NACHBARN IN TEHERAN?“<br />
Ein Best-of der absurdesten Fragen bei<br />
Asylgesprächen.<br />
20 „HERR HACKER, WIE OFT<br />
KÜSSEN SIE IHRE FRAU<br />
TÄGLICH?“<br />
In der Politik wird bereits genug geredet: Biber<br />
fragt in Worten, Peter Hacker antwortet in<br />
Zahlen.<br />
IN<br />
22 DOPPELTE STAATS<br />
BÜRGERSCHAFTEN<br />
Ein Anwalt klärt auf.<br />
RAMBAZAMBA<br />
24 AUFREISSZONE MOSCHEE<br />
Vor der Moschee, auf muslimischem Tinder<br />
oder in der MJÖ: Wo gläubige Muslime aus<br />
Wien ihre Liebe <strong>fin</strong>den.<br />
32 VERLIEBT UND VERKAUFT:<br />
Wenn junge Mädchen für ihren Freund<br />
anschaffen gehen – aus Liebe zu ihm.<br />
KARRIERE<br />
40 NICHTS ERLEBT.<br />
AUCH SCHÖN.<br />
Energiebündel Andrea hat diesen Sommer eine<br />
Woche auf einem Boot am Meer verbracht.<br />
RÜCKREISE AUF EIGENE GEFAHR<br />
In Österreich lebende Afghanen reisen<br />
in ihr Heimatland, um ihre Familie zu<br />
besuchen. Sie riskieren dabei Leben<br />
und positiven Asylbescheid.<br />
12
LOVERBOYS<br />
Junge Mädchen<br />
verlieben sich<br />
in tolle Jungs,<br />
die nur eines<br />
vorhaben: Mit Sex<br />
Geld verdienen<br />
HALT SEPTEMBER<br />
20<strong>18</strong><br />
nd_ Anzeige Biber_207x66mm<br />
32<br />
62<br />
ABENTEUER<br />
WÄRE EINE<br />
UNTER<br />
TREIBUNG:<br />
Der Fotograf<br />
Loebell fuhr mit<br />
seinem Jeep von<br />
Kapstadt zum<br />
nördlichsten Gipfel<br />
Europas.<br />
Susanne Einzenberger, Christoph Liebentritt, Marko Mestrović, Cover: Susanne Einzenberger<br />
TECHNIK<br />
44 SHARING IS CARING<br />
Adam will mehr Bewusstsein für Shared<br />
Economy: „Wozu schonend umgehen, g‘heat ja<br />
eh ned mir“ – so geht das schon mal nicht.<br />
LIFE & STYLE<br />
46 HAUTFARBE ROT-WEISS-ROT<br />
Aleks lag zu lange in der Sonne und ihre<br />
Hautfarbe trägt nun die Nuance Österreich.<br />
48 MOSCHEE-COUTURE<br />
Jung, muslimisch, gutaussehend:<br />
Der Bajram-Style<br />
KULTUR<br />
56 ANTI ANTI<br />
Jelena ist genervt von Leuten, die immer anti<br />
alles sein müssen, einfach aus Prinzip.<br />
58 ICH BIN DRAGAN VON PARK,<br />
BRATE<br />
Welche Regeln gelten im Park? Wo darf<br />
wer stehen und warum trifft man dort mehr<br />
Burschen als Mädchen?<br />
OUT OF AUT<br />
62 MIT DEM LANDROVER<br />
DURCH AFRIKA<br />
Selbst<strong>fin</strong>dung, Abenteuer oder Freiheit?<br />
Benedikt Von Loebell reiste von Kapstadt über<br />
die afrikanische Westküste zum nördlichsten<br />
Zipfel Europas.<br />
70 DIE LEIDEN DES<br />
JUNGEN TODOR<br />
Todor über integrierte, fluchende Araber.<br />
• AHS-Matura<br />
• Berufsreifeprüfung<br />
• Studienberechtigungsprüfung<br />
• Sprachkurse, Latinum<br />
• Fernunterricht<br />
(Beginn jederzeit)<br />
Beginn: Frühjahr & Herbst<br />
HÖCHSTE<br />
ERFOLGSZAHL<br />
ÖSTERREICHS<br />
Tel.: 01/523 14 88, Neubaugasse 43, 1070 Wien, www.roland.at
Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />
Der Sommer neigt sich dem Ende zu, wir sind zurück<br />
von „unten“ und realisieren allmählich, dass die letzten<br />
Rationen von Evro-Krem, Schwarztee und gerösteten<br />
Sonnenblumenkernen nicht darüber hinwegtrösten,<br />
dass in knapp drei Monaten Weihnachten ist. Solche<br />
Sorgen hätten afghanische Flüchtlinge auch gerne,<br />
wenn sie vom Kurzurlaub aus ihrem Heimatland<br />
zurückkehren. Obwohl sie damit ihren positiven<br />
Asylstatus aufs Spiel setzen, besuchen viele Afghanen<br />
heimlich ausgerechnet jenes Land, aus dem sie<br />
geflüchtet sind. S. 12<br />
In der letzten Hoffnung auf eine späte Sommerliebe<br />
macht sich der eine oder andere gläubige Muslim<br />
top gestylt zum Freitagsgebet auf. Ja, ihr habt richtig<br />
gelesen: In Wiener Moscheen wird nicht nur gebetet,<br />
sondern auch gebaggert, was das Zeug hält. Wie flirten<br />
unter dem Halbmond abläuft, erfahrt ihr auf Seite 24.<br />
Der Fotograf Benedikt von Loebell hat eine<br />
fünfmonatige Abenteuerreise von Kapstadt<br />
nach Europa mit seinem Baby Bruce absolviert.<br />
Faszinierende Bilder von einem Kontinent im<br />
Umbruch. Ab S. 62<br />
Biber gibt’s nun schon mehr als zehn Jahre – das heißt<br />
schon was. Um uns weitere gute Jahre zu schenken,<br />
unterstützt uns doch mit einem biber Abo!<br />
IMPRESSUM<br />
MEDIENINHABER:<br />
Biber Verlagsgesellschaft mbH, Quartier 21,<br />
Musuemsplatz 1, E-1.4, 1070 Wien<br />
HERAUSGEBER & CHEFREDAKTEUR:<br />
Simon Kravagna<br />
STV. CHEFREDAKTEUR/IN:<br />
Amar Rajković<br />
Delna Antia (karenziert)<br />
CHEFiNNEN VOM DIENST:<br />
Amar Rajković<br />
Alexandra Stanić<br />
Melisa Erkurt<br />
CHEFREPORTERINNEN:<br />
Alexandra Stanić<br />
Melisa Erkurt<br />
FOTOCHEF:<br />
Marko Mestrović<br />
KOLUMNIST/IN:<br />
Ivana Cucujkić, Todor Ovtcharov<br />
REDAKTION & FOTOGRAFIE:<br />
Emira Abidi, Bilal Albeirouti, Aadilah<br />
Amin, Adam Bezeczky, Alex Dietrich,<br />
Emir Dizdarević, Susanne Einzenberger,<br />
Nada El-Azar, Maryam Ghanem<br />
Andrea Grman, Nour Khelifi, Sophie<br />
Kirchner, Christoph Liebentritt,<br />
Zoe Opratko, Jelena Pantić-Panić, Adis<br />
Serifović, Salme Taha Ali Mohamed,<br />
Aleksandra Tulej, Sarah Wagner,<br />
Artur Zolkiewicz<br />
ART DIRECTOR: Dieter Auracher<br />
LEKTORAT:<br />
Birgit Hohlbrugger<br />
CORPORATE SOCIAL INNOVATION:<br />
Andrea Grman<br />
BRANDED CONTENT:<br />
Katja Trost<br />
BUSINESS DEVELOPMENT:<br />
Andreas Wiesmüller<br />
GESCHÄFTSFÜHRUNG:<br />
Simon Kravagna<br />
Wilfried Wiesinger<br />
REDAKTIONSHUND:<br />
Tito<br />
KONTAKT: biber Verlagsgesellschaft mbH<br />
Quartier 21, Museumsplatz 1,<br />
E-1.4, 1070 Wien<br />
Tel: +43/1/ 9577528<br />
redaktion@dasbiber.at<br />
marketing@dasbiber.at<br />
abo@dasbiber.at<br />
WEBSITE: www.dasbiber.at<br />
Das Beste daran ist: Ihr zahlt so viel ihr wollt. Mehr<br />
Infos unter www.dasbiber.at/abo<br />
Mit scharfen Grüßen. Die Redaktion<br />
ÖAK GEPRÜFT 1. HJ 2017:<br />
Druckauflage 85.000 Stück<br />
verbreitete Auflage 80.601 Stück<br />
DRUCK: Mediaprint<br />
6 / MIT SCHARF /
Alle Fahrgäste <strong>fin</strong>den’s wohlriechend feiner,<br />
nur nicht Lukas, der isst Käsekrainer.<br />
#fahrfair<br />
Keine stark<br />
riechenden Speisen<br />
in den Öffis!
8 / MIT SCHARF /
FACE<br />
OF THE MONTH:<br />
IVANA<br />
STOJKOVIC<br />
Von Emira Abidi, Foto: Christoph Liebentritt<br />
Es ist der Tag, auf den Ivana ihr ganzes Leben lang gewartet hat.<br />
Los Angeles, Juli 20<strong>18</strong>, 30 Grad im Schatten, alle Augen sind auf<br />
sie gerichtet. Vor allem der nackte Schauspieler, der während<br />
ihres Monologs auf einer Nebenbühne auftaucht, bringt sie aus<br />
der Fassung. "Ich habe keine Ahnung, was ich dort oben gemacht<br />
habe“, so Ivana aufgeregt und sichtlich erfreut über das gedrehte<br />
Video, das ihrem Gedächtnis nun auf die Sprünge hilft.<br />
Ivi, wie ihre Freunde sie nennen, ist 25 Jahre alt und träumt von<br />
einer Karriere auf den großen Bühnen dieser Welt. Als Multitalent<br />
bewarb sie sich für die Weltmeisterschaften der darstellenden<br />
Künste in Los Angeles in den Kategorien „Hip Hop Tanz“ und<br />
„Schauspiel“. Jetzt steht sie da, 12 Flugstunden von ihrer Brigittenauer<br />
Hood entfernt und hat keinen Plan, was die Jury von<br />
ihr erwartet. Irgendwie können wir ihr nicht so recht glauben. Am<br />
Ende staubt sie nämlich in der Kategorie „Schauspiel“ Bronze ab<br />
und erklimmt mit ihrer mitreißenden Hip-Hop-Performance das<br />
oberste Stockerl. Vor allem die freche Art der Wienerin überzeugte<br />
die kritische Jury. „Ich habe der Jury vorgeworfen, sie wüsste<br />
nichts von Theater, wenn sie noch keine Vorstellung in Wien<br />
besucht haben", erklärt sie ihr Erfolgsrezept. Die große Klappe<br />
zahlt sich aus, denn sie wird zusätzlich mit einem Stipendium für<br />
das „Conservatory“, eine renommierte Schauspielschule in New<br />
York, belohnt.<br />
Die frisch erkorene Weltmeisterin unterwirft sich keinen Ernährungsvorschriften,<br />
anders ist ihr Lieblingsgericht „Steak mit überbackenem<br />
Käse“ von ihrem Freund zubereitet, nicht zu erklären.<br />
Für die Zukunft wünscht sich die Rampensau: "Spielen,<br />
spielen, spielen und davon leben können." Am liebsten<br />
im Wiener Burgtheater. Ob es dort in<br />
der Kantine das Steak mit überbackenem<br />
Käse gibt, wurde<br />
uns noch nicht<br />
überliefert.<br />
/ MIT SCHARF / 9
In Ivanas WELT berichtet die biber-Redakteurin<br />
Ivana Cucujkić über ihr daily life.<br />
IVANAS WELT<br />
#WHEN AT JUGO’S HOUSE<br />
Zu Besuch in einem Balkanhaushalt kann man als ungeübter Gast oft ins<br />
Fettnäpfchen treten. Eine Guideline über das perfekte Gastgeschenk,<br />
Hausschuhzwang und Schleich-dich-Kaffee.<br />
→ SCHUHE AUSZIEHEN: Ich wiederhole: Immer-die-<br />
Schuhe-ausziehen! Der Gast geber wird aus Verlegenheit<br />
anbieten, sie anzubehalten. In Wahrheit meint er<br />
aber: „Zieh sie ja aus, verdammt, und sau mir nicht den<br />
Teppich voll. Die Wohnung ist bli-tze-sau-ber.“<br />
→ PATSCHEN ANZIEHEN: Ein routinierter Jugo-Gastgeber<br />
wird immer Hauspatschen anbieten. Diese hat er<br />
in mehrfacher Ausführung im Ikea-Vorteilspack in den<br />
Größen 38 bis 43 parat. In seiner Erziehung wäre andernfalls<br />
wohl gravierend etwas schief gelaufen. Hausschuhe,<br />
sowie Jogginghosen, gehören da zum Lifestyle<br />
und in jeden gut sortierten Jugoschuhschrank. Als Gast<br />
darf man diese ablehnen, riskiert aber schiefe Blicke.<br />
cucujkic@dasbiber.at<br />
→ DIE WANDER-BONBONIERE: Am Balkan weltberühmt,<br />
ist der Klassiker unter den Gastgeschenken am<br />
aussagekräftigsten auf der Gastgeber-Beeindruckungsund<br />
Respektheitsskala. Lässt der Gast sich nicht lumpen,<br />
greift er zu den 500g-Lindt-Pralinés. Der Gastgeber<br />
wird innerlich begeistert nicken und sie vorsorglich<br />
zur Seite schaffen für seinen nächsten Gastauftritt. Das<br />
Schicksal dieser Konfektgeschenke ist es, immer wieder<br />
in einer fremden Naschlade zu landen. Die Wahl<br />
des Präsents aus zart-bitter sagt viel über die emotionale<br />
Bindung zwischen Gast und Gastgeber aus: Die<br />
schweizer Edelschoki schreit „I love you, I need you,<br />
ich will mich unbedingt bei dir einschleimen!“ Bei einem<br />
Null-Bock-Anstandsbesuch landet in der Glitzerpapiertasche<br />
eher ein ‚Merci‘ oder gleich die Jugo-Bonbonjera<br />
von minderer Qualität und Verpackungsdesign von<br />
1976.<br />
→ RUNTER DAMIT: Getränke werden stets ausgetrunken,<br />
bevor man geht. Ansonsten hinterlässt man Streit<br />
im Haus. (Also, wenn man daran glauben mag.)<br />
→ UND RUNTER DAMIT: Ja, auch bitte immer alles<br />
vom Teller essen, auch den dritten aufgezwungenen<br />
Nachschlag, auch bei akutem Sodbrennen. Die Nichtbeleidigung<br />
des Gastgebers hat hier oberste Priorität.<br />
→ DER „VERPISS-DICH-KAFFEE“: Das Ende eines<br />
geselligen Abends wird mit der „Sikteruša“ (sikter, türkisch:<br />
Schleich dich!) eingeläutet. Fragt die Gastgeberin<br />
„wer noch einen Kaffee will“, sollte jedem klar sein, dass<br />
nun (allerhöchste) Zeit ist zu gehen. Als Teil der Balkan<br />
Kaffee-Kultur ist die Sikteruša der ultimative konventionelle<br />
Code für „Ich hab die Schnauze voll von dir, gehst<br />
du jetzt bitte endlich?!“ Der Gastgeber wird laut Protokoll<br />
zum Bleiben überreden. Die einzig angemessene Reaktion<br />
darauf ist, sich mit Müdigkeit, Kopfweh oder sonst<br />
irgendwas Unglaubwürdigem herauszureden.<br />
→ VORZIMMERSESSION: In voller Montur angezogen,<br />
wird noch ein Thema nach dem anderen angerissen bis<br />
es unter der Daunendecke unangenehm feucht wird.<br />
Man ringt dem Gastgeber das Versprechen ab, das nächste<br />
Mal un-be-dingt auch zu kommen und verlässt sein<br />
Haus mit einem leichten Magengeschwür und einer in<br />
Alufolie abgepackten Miniatur des Abendmenüs.<br />
10 / MIT SCHARF /
FAMILIENBONUS<br />
Bis zu 1.500 €<br />
Steuern sparen<br />
pro Kind<br />
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Berechnen Sie Ihren<br />
persönlichen Vorteil:<br />
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Der Familienbonus Plus ist die bisher größte Entlastungsmaßnahme aller Zeiten für Familien. Insgesamt<br />
werden rund 950.000 Familien und etwa 1,6 Mio. Kinder in Höhe von bis zu 1,5 Mrd. Euro entlastet.<br />
Entgeltliche Einschaltung<br />
Ein großes Plus für Familien<br />
Was heißt das nun für Ihre Familie? Sie<br />
erhalten künftig einen Steuerbonus von<br />
bis zu 1.500 Euro pro Kind und Jahr. Der<br />
Familienbonus Plus vermindert also direkt<br />
Ihre zu zahlende Steuer. Bei niedrigeren<br />
Einkommen bedeutet das in Zukunft sogar<br />
nicht nur weniger, sondern gar keine Einkommensteuer<br />
mehr bezahlen zu müssen.<br />
Der Familienbonus Plus steht Ihnen so lange<br />
zu, so lange für das Kind Familienbeihilfe<br />
bezogen wird. Nach dem <strong>18</strong>. Geburtstag<br />
Ihres Kindes steht Ihnen ein reduzierter<br />
Betrag zu, wenn für dieses Kind weiterhin<br />
Familienbeihilfe bezogen wird.<br />
Neu: Der Kindermehrbetrag<br />
Anders als bisher werden nun auch geringverdienende<br />
Alleinerziehende bzw.<br />
Alleinverdienende berücksichtigt, die gar<br />
keine oder eine sehr niedrige Einkommensteuer<br />
bezahlen. Ihnen steht künftig ein so<br />
genannter Kindermehrbetrag in Höhe von<br />
250 Euro pro Kind und Jahr zu.<br />
Neues ersetzt Altes –<br />
zu Ihrem Vorteil<br />
Die gute Nachricht vorweg: Niemand steigt<br />
durch den Familienbonus Plus schlechter<br />
aus als zuvor. Im Gegenteil: Der Familienbonus<br />
Plus kann unter den Eltern aufgeteilt<br />
und damit optimal ausgenützt werden. Da<br />
er unmittelbar die Steuer und nicht nur die<br />
Steuerbemessungsgrundlage vermindert,<br />
hat er eine vielfach höhere Entlastungswirkung<br />
als die Abzugsfähigkeit von Kinderbetreuungskosten<br />
und die Berücksichtigung<br />
des Kinderfreibetrages, die ab 2019<br />
wegfallen.<br />
So holen Sie sich Ihren Bonus<br />
Sie können gegenüber Ihrem Arbeitgeber<br />
erklären, dass der Familienbonus Plus ab<br />
dem Jahr 2019 über die Lohnverrechnung<br />
berücksichtigt werden soll. Dann verringert<br />
sich schon während des Jahres Ihre<br />
Lohnsteuer. Sie können ihn aber auch nach<br />
Ablauf des Jahres beim Finanzamt über die<br />
Steuererklärung bzw. Arbeitnehmerveranlagung<br />
geltend machen.<br />
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wurde erweitert, damit Sie sich Ihre<br />
persönliche Steuerersparnis durch den<br />
Familienbonus Plus beziehungsweise<br />
den Kindermehrbetrag ausrechnen<br />
können.<br />
Den Rechner, den aktuellen Folder<br />
sowie weitere Informationen <strong>fin</strong>den Sie<br />
gesammelt auf familienbonusplus.at
REISE IN<br />
DEN KRIEG<br />
Obwohl afghanische Flüchtlinge von den Konsequenzen wissen,<br />
reisen sie zurück in die Heimat: Sie gefährden damit nicht nur ihr<br />
Leben, sondern auch ihren positiven Asybescheid.<br />
Von Aadilah Amin und Alexandra Stanić<br />
Fotos: Christoph Liebentritt<br />
Natürlich war ich mir<br />
bewusst, was ich aufs<br />
Spiel setze“, beginnt<br />
Jawid * seine Erzählung.<br />
„Aber mir blieb nichts<br />
anderes übrig.“ Jawid ist ein schlanker,<br />
junger Mann in kariertem Hemd und<br />
Jeanshose, er wirkt aufgekratzt und<br />
unsicher. Vor 13 Jahren ist er nach<br />
Österreich geflohen, allein, ohne seine<br />
Familie. Jawid hat in Wien die Matura<br />
absolviert und arbeitet derzeit Vollzeit<br />
im pädagogischen Bereich. Er möchte<br />
möglichst wenig über sich preisgeben,<br />
zu groß die Angst, dass man heraus<strong>fin</strong>det,<br />
wer er ist. In Afghanistan würde man<br />
Jawids Auftreten als westlich bezeichnen.<br />
Als er sich auf die Reise zu seiner<br />
Mutter vorbereitet, achtet er deswegen<br />
besonders auf sein Erscheinungsbild,<br />
er möchte unter keinen Umständen<br />
auffallen. „Ich hab mir die Haare nicht<br />
gestylt wie gewöhnlich, legere Kleidung<br />
getragen und meinen Ohrring abgelegt“,<br />
erklärt der 26-Jährige. „Wenn<br />
die Taliban heraus<strong>fin</strong>den, dass ich<br />
Afghanistan verlassen habe und einen<br />
westlichen Lebensstil führe, würden sie<br />
mich entweder sofort umbringen oder<br />
mich kidnappen und Lösegeld verlangen.“<br />
Jawids größte Sorge ist, dass<br />
ihm Österreich seinen Asylbescheid<br />
aberkennt und er zurück nach Afghanistan<br />
muss. Der 26-Jährige führt hier<br />
ein glückliches Leben. Für ihn bedeutet<br />
Österreich Heimat – und doch riskiert<br />
er all das, in dem er nach Afghanistan<br />
reist. „Meine Mutter ist an einer Herz-<br />
Rhythmus-Störung erkrankt“, erklärt er.<br />
12 / POLITIKA /
Reist eine Person, die<br />
in Österreich Asyl<br />
erhalten hat, in das<br />
Land, aus dem er oder<br />
sie geflohen ist, ist das<br />
ein klarer Grund für<br />
die Abererkennung<br />
des Status.<br />
/ POLITIKA / 13
„Sie schafft es nicht alleine zum Arzt und<br />
mein Vater nimmt die Krankheit nicht<br />
ernst, deswegen bin ich hin, um ihr zur<br />
Seite zu stehen.“<br />
Reist eine Person, die in Österreich Asyl<br />
erhalten hat, in das Land, aus dem er<br />
oder sie geflohen ist, ist das ein klarer<br />
Grund für die Abererkennung des Status,<br />
gibt das Bundesministerium für Inneres<br />
auf Anfrage bekannt. Das Außenministerium<br />
warnt vor Reisen nach Afghanistan:<br />
„Im ganzen Land besteht das Risiko von<br />
gewalttätigen Auseinandersetzungen,<br />
Raketeneinschlägen, Minen, Terroranschlägen<br />
und kriminellen Übergriffen<br />
einschließlich Entführungen, Vergewaltigungen<br />
und bewaffneter Raubüberfällen.“<br />
DIE SCHULDGEFÜHLE<br />
Jawids Familie lebt in einem kleinen<br />
Dorf in der Provinz Ghazni. Als er Anfang<br />
August in der ostafghanischen Hauptstadt<br />
der Provinz, die auch den Namen<br />
Ghazni trägt, ankommt, besetzen diese<br />
die Taliban. „Sie haben Einkaufszentren<br />
angezündet, Häuser geplündert, die Straßen<br />
waren voller Blut“, beschreibt der<br />
junge Mann die Situation. Während er<br />
spricht, ist er aufgebracht. Die Lebensgefahr<br />
nimmt Jawid in Kauf, um seiner<br />
Mutter nach dreizehn Jahren bei schwerer<br />
Krankheit nahe sein zu können. „Ich<br />
hätte es mir nie verziehen, wäre ich nicht<br />
hingereist“, sagt er.<br />
Neben der innigen Beziehung zu<br />
seiner Mutter, die er auch von Wien aus<br />
aufrechterhalten konnte, steht Jawid<br />
unter viel Druck. „Meine Mutter hat<br />
mich immer wieder gefragt, wann ich<br />
endlich komme“, erklärt er. „Ich hatte<br />
so lange ein schlechtes Gewissen, dass<br />
ich sie nicht besucht habe.“ Deswegen<br />
ist die Freude beim Wiedersehen groß.<br />
Als Jawid nach insgesamt 24 Stunden<br />
Reisezeit ankommt, veranstaltet die<br />
Familie, trotz ihrer armen Verhältnisse,<br />
ein großes Abendessen - fast das ganze<br />
Dorf ist anwesend. Für die Einwohner ist<br />
es etwas sehr Besonderes, dass Jawid<br />
nach dreizehn Jahren wieder da ist.<br />
FAMILIE IST ALLES<br />
Ähnliche Gründe wie Jawid hatten auch<br />
Zara* und Rashid*, als sie letztes Jahr<br />
nach Afghanistan gereist sind. „Mein<br />
Vater ist sehr krank und meine Frau<br />
hat ihre Familie seit über zehn Jahren<br />
nicht mehr gesehen“, erklärt Rashid, der<br />
Elektrotechnik in Kabul studiert hat. Auf<br />
die Frage, ob sich das Ehepaar bewusst<br />
ist, dass sie gegen ein Gesetz verstoßen,<br />
antwortet der 48-Jährige: „Ja, aber wer<br />
würde das Risiko nicht eingehen, seinen<br />
kranken Vater vielleicht das letzte Mal zu<br />
sehen, bevor er stirbt?“ Seine Frau nickt<br />
zustimmend. „Ich liebe unsere Familie.<br />
Dass meine Kinder ihre Großeltern<br />
kaum kennen, bricht mir das Herz“, sagt<br />
sie. Rashid ist der Meinung, Österreich<br />
sollte geflohenen Afghanen zumindest<br />
die Möglichkeit geben, einen Antrag<br />
zu stellen, um in ihr Heimatland reisen<br />
zu dürfen. Derzeit können geflohene<br />
AfghanInnen nur dann nach Afghanistan<br />
reisen, wenn sie die österreichische<br />
Staatsbürgerschaft haben. „Aber die<br />
„<br />
Für Zeit mit<br />
meinem<br />
Vater nehme<br />
ich auch in<br />
Kauf, meinen<br />
Asylstatus zu<br />
verlieren.<br />
“<br />
zu bekommen, ist ein langwieriger und<br />
schwerer Prozess“, weiß Rashid.<br />
Familie hat in Afghanistan oberste<br />
Priorität, Clan- und Stammesgruppen<br />
spielen in der Gesellschaft eine große<br />
Rolle. Kinder sind eine Art Vorsorge,<br />
Familienmitglieder bauen aufeinander,<br />
sind abhängig voneinander. „Wie soll ich<br />
ein Gesetz ernstnehmen, dass einem<br />
Sohn verbietet, seine Eltern zu sehen?“,<br />
fragt Rashid. „Für Zeit mit meinem Vater<br />
nehme ich auch in Kauf, meinen Asylstatus<br />
zu verlieren.“<br />
Um ein Haar wäre das auch passiert.<br />
Bei der Heimreise nach Österreich wurde<br />
das Ehepaar mit ihren drei Kindern auf<br />
einem europäischen Flughafen aufgehalten.<br />
Auch Zara und Rashid sind<br />
vorsichtig mit den Informationen, die<br />
sie weitergeben. So viel erzählen sie<br />
aber: „Als die Polizisten uns gestoppt<br />
haben, kannten sie unseren Namen. Sie<br />
haben uns in einen Untersuchungsraum<br />
gebracht und uns stundenlang verhört.“<br />
Weil die Beamten keinen Beweis <strong>fin</strong>den<br />
konnten, dass die Familie in Afghanistan<br />
war, durften sie schlussendlich den Flug<br />
nach Wien antreten.<br />
In der afghanischen Community<br />
in Wien hört man immer wieder von<br />
Menschen, die bei der Einreise nach<br />
Österreich erwischt worden. Das Innenministerium<br />
führe dazu keine Statistik,<br />
wie uns auf Anfrage mitgeteilt wurde. Die<br />
Angst ist groß, trotzdem nehmen viele<br />
die Gefahr auf sich. Auch der 23-Jährige<br />
Ali * ist einer von ihnen. Er ist 2014 nach<br />
Österreich geflohen und hat dieses Jahr<br />
seinen positiven Asylbescheid erhalten.<br />
Einen Monat später ist er nach Afghanistan<br />
geflogen, um seine Familie wiederzusehen.<br />
„Als meine Mutter erfahren<br />
hat, dass ich einen positiven Asylstatus<br />
habe, ist sie in den Tränen ausgebrochen“,<br />
erinnert sich der 23-Jährige und<br />
schüttelt den Kopf. „Sie dachte, sie wird<br />
mich nie wieder sehen.“ Auch seiner<br />
Verlobten fällt die Situation zunehmend<br />
schwer. Ali ist ein aufgeweckter Mann,<br />
der ein ansteckendes Lachen hat. Aber<br />
es nimmt ihn sichtlich mit, dass die<br />
Lage in Afghanistan auch nach so vielen<br />
Jahren gefährlich ist und, dass er seiner<br />
Familie nicht nahe sein kann. Eine illegale<br />
Flucht, wie es Ali getan hat, kommt<br />
für sie nicht in Frage. „Sie haben keine<br />
Möglichkeit zu fliehen, sie sind weder fit<br />
genug noch haben sie genug Geld für<br />
Schlepper“, erklärt er. „Ich habe es nicht<br />
mehr ausgehalten, meine Familie so zu<br />
vermissen. Ich mache mir täglich riesige<br />
Sorgen um sie “, erklärt der junge Mann,<br />
der derzeit ein technisches Abendkolleg<br />
besucht. „Man bekommt von allen Seiten<br />
mit, wie unsicher das Land ist. Ich hätte<br />
es mir nie im Leben verziehen, wenn<br />
meiner Familie etwas passiert wäre und<br />
ich konnte sie nicht ein letztes Mal in die<br />
Arme schließen.“<br />
MIT 50 EURO ÜBER DIE<br />
GRENZE<br />
Ali fühlt sich, wie viele junge Afghanen,<br />
verantwortlich für seine Eltern.<br />
„Ich glaube, Österreicher können nicht<br />
nachvollziehen, wie wichtig uns Familie<br />
ist. Es fühlt sich so an als würde ich sie<br />
14 / POLITIKA /
Afghanische Flüchtlinge<br />
in Östereich bekommen<br />
einen Konventionspass.<br />
Darin steht: „Dieser<br />
Reisepass gilt für<br />
alle Staaten der<br />
Welt ausgenommen<br />
Afghanistan.“<br />
/ MIT SCHARF / 15
„<br />
Mein<br />
Gewissen<br />
plagt mich<br />
so sehr, dass<br />
ich bereit bin,<br />
mein Leben<br />
und alles,<br />
was ich hier<br />
aufgebaut<br />
habe, zu<br />
verlieren.<br />
“<br />
völlig ihrem schweren Schicksal überlassen“,<br />
so Ali. „Mein Gewissen plagt<br />
mich so sehr, dass ich bereit bin, mein<br />
Leben und alles, was ich hier aufgebaut<br />
habe, zu verlieren.“ Um das Schlimmste<br />
zu vermeiden, trifft Ali alle ihm möglichen<br />
Sicherheitsvorkehrungen. „Ich<br />
habe kaum jemandem erzählt, dass ich<br />
nach Afghanistan reise und mein Handy<br />
zurückgelassen, damit niemand Wind<br />
davon bekommt“, erklärt der Student.<br />
Die Schlepper, die er engagiert, arbeiten<br />
mit Zollbeamten zusammen. „Ich<br />
habe nicht einmal 50 Euro bezahlt, um<br />
es ohne legale Papiere über die Grenze<br />
zu schaffen“, so Ali. „Ich musste nicht<br />
einmal meinen Pass herzeigen, sie haben<br />
uns einfach durchgewunken.“<br />
Jawid, Zara, Rashid und Ali nehmen<br />
nicht nur das Risiko in Kauf, ihren Asylbescheid<br />
zu verlieren. Die Lage in Afghanistan<br />
ist gefährlich, dessen wird sich<br />
Jawid wird auf dem Weg zurück nach<br />
Wien bewusst: Drei Mal wurde er von<br />
Taliban angehalten. „Es wäre aus mit mir<br />
gewesen, hätten sie gewusst, dass ich in<br />
Österreich lebe“, erklärt der 26-Jährige.<br />
Jawid hat sich für diesen Fall eine Lüge<br />
überlegt. „Ich habe ihnen gesagt, dass<br />
ich auf dem Weg zu Verwandten bin, die<br />
im Iran leben “, so Jawid. „Als sie meine<br />
Koffer durchsucht haben, haben sie dort<br />
keinerlei Beweise gefunden, dass ich<br />
Um möglichst wenig westlich auszusehen, lassen viele afghanische<br />
Flüchtlinge Wertgegenstände wie Handys oder Ohrringe daheim.<br />
aus Wien komme.“ Als er das dritte Mal<br />
aufgehalten wird, ist er sich sicher, dass<br />
sie ihm auf die Schliche gekommen sind.<br />
„Einer der Männer hat mich lange und<br />
intensiv gemustert, ich hab nur darauf<br />
gewartet, dass er seine Waffe zückt und<br />
mich erschießt“, sagt Jawid und blickt zu<br />
Boden. „In diesem Moment habe erst so<br />
richtig realisiert, dass ich nicht nur meinen<br />
Asylstatus sondern auch mein Leben<br />
aufs Spiel setze.“ ●<br />
*Namen von der Redaktion geändert<br />
16 / POLITIKA /
ES WIRD WIEDER<br />
SCHNELL<br />
ERMITTELT<br />
DIE 6. STAFFEL | 10 BRANDNEUE FOLGEN<br />
ab 17. SEPT jeden MO 20:15<br />
/ MIT SCHARF / 17
„Warum<br />
gehst du nicht<br />
ins Fitness-<br />
Center?“<br />
<strong>18</strong> / POLITIKA /
„Was hast du<br />
am Donnerstag<br />
vor fünf Jahren<br />
gemacht?“<br />
Stellt euch vor, ihr sollt<br />
über die traumatische Zeit<br />
in eurer Heimat sprechen<br />
und die erste Frage, die<br />
ihr gestellt bekommt, ist<br />
die oben genannte.<br />
„Warum<br />
hast du keine<br />
Freundin?“<br />
In meinem Heimatland lernt<br />
man nicht einfach Frauen<br />
auf der Straße kennen. Und<br />
hier in Österreich fehlt mir<br />
das Geld, um mein Date auf<br />
ein Essen oder eine Taxifahrt<br />
einzuladen.<br />
„Warum<br />
gehst du nicht<br />
ins Fitness-<br />
Center?“<br />
Ja, Bikini-Figur habe ich keine,<br />
aber eine Kritik an meiner<br />
Fitness so bösartig während<br />
eines Asylgesprächs zu verpacken?<br />
Damit habe ich nicht<br />
gerechnet und gehe erstmal<br />
ein paar Klimmzüge machen.<br />
„Warum hast<br />
du so wenige<br />
Geschwister?“<br />
Ja, es stimmt, in meinem Herkunftsland<br />
sind Familien mit<br />
einem Sohn oder einer Tochter<br />
äußerst selten. Umgekehrt<br />
gibt es in Österreich selten<br />
Familien mit mehr als fünf<br />
Kindern. Selten aber doch.<br />
„Welche<br />
Farbe hat die<br />
Türklinke deiner<br />
Nachbarin in<br />
Teheran?“<br />
Damit will man die Stichhaltigkeit<br />
der erzählten<br />
Asylgeschichte prüfen,<br />
schon klar. Der Leiter<br />
unseres Medienkurses hat<br />
uns erzählt, dass er nicht<br />
wüsste, welche Farbe seine<br />
eigene Tür hat. Wisst ihr<br />
eure?<br />
Der Volksmund<br />
behauptet, es gäbe<br />
keine blöden Fragen.<br />
Der war anscheinend<br />
noch nie bei einem<br />
Asylgespräch.<br />
Ein Best-Of:<br />
von Amar Rajkovic<br />
Illus: Vinz Schwarzbauer<br />
Bin furchtbar unsportlich und<br />
wurde deswegen in der Schule<br />
gehänselt. Müssen Sie das<br />
Thema nochmal auffrischen?<br />
„Warum<br />
spielst du kein<br />
Volleyball?“<br />
„Warum hast<br />
du deine Frau<br />
beschnitten?“<br />
Erstens: Ich habe keine Frau<br />
und zweitens: Ich habe noch<br />
immer keine Frau.<br />
„Vermisst<br />
du deine<br />
Kinder?“<br />
Ich habe sie (die Referentin)<br />
gefragt, ob sie Mutter sei.<br />
Sie verneinte und lachte. Ich<br />
musste weinen.<br />
Klarstellung: Die hier angeführten Fragen<br />
sind nur die negativen Beispiele aus Asylgesprächen.<br />
Das sollte kein Generalverdacht<br />
gegenüber Asyl-Referenten sein, die oftmals<br />
gute Arbeit leisten. Zum Glück leben<br />
wir nicht in Ländern wie Afghanistan oder<br />
Somalia, in denen Kritik an der Regierung<br />
unerwünscht ist und bestraft wird.<br />
/ POLITIKA / 19
Herr Hacker, wie viele<br />
Tage soll man auf<br />
einen Termin beim<br />
Facharzt warten?<br />
Wie viele<br />
Mitglieder<br />
der derzeitigen<br />
Bundesregierung<br />
müssten sofort<br />
zurücktreten?<br />
Wie viel<br />
Prozent wird<br />
die SPÖ bei<br />
den nächsten<br />
Wahlen in Wien<br />
erreichen?<br />
Auf einer Skala<br />
von 0 bis 100:<br />
Wie viele Meter<br />
rechts von der<br />
Mitte steht<br />
Sebastian Kurz?<br />
Interview in Zahlen:<br />
In der Politik wird bereits genug<br />
geredet. Biber fragt in Worten. Der<br />
Wiener Stadtrat für Gesundheit,<br />
Soziales und Sport Peter Hacker<br />
(SPÖ) antwortet nur mit einer Zahl.<br />
16 *<br />
50<br />
66<br />
Von Amar Rajković, Fotos: Christoph Liebentritt<br />
Mitarbeit: Emira Abidi<br />
* Die österreichische Regierung<br />
zählt 14 Minister und<br />
2 Staatssekretäre<br />
Vier Mal am Tag muss sich Hacker zum<br />
Krankenhaus-Nord-Desaster rechtfertigen<br />
Zwei von Hackers Freunden wählen die FPÖ<br />
In welchem<br />
Bezirk<br />
verbringen Sie<br />
am liebsten Ihre<br />
Freizeit?<br />
Wie viele Tage<br />
könnten Sie<br />
mit 150€ ohne<br />
Wohnkosten<br />
überleben?<br />
Wie oft küssen<br />
Sie Ihre Frau<br />
täglich?<br />
Wie viele<br />
Nummern<br />
haben Sie auf<br />
Ihrem Handy<br />
gespeichert?<br />
Wie viele<br />
Stunden<br />
schlafen Sie<br />
täglich?<br />
20<br />
7<br />
2<br />
1350<br />
5<br />
20 / POLITIKA /
Auf einer Skala<br />
von 0 bis<br />
100: Wie viele<br />
Meter links<br />
von der Mitte<br />
steht Michael<br />
Ludwig?<br />
Wie viele Ihrer<br />
Freunde wählen<br />
die FPÖ?<br />
Wie oft haben<br />
Sie schon<br />
Lederhose<br />
getragen?<br />
Wie viel PS hat<br />
Ihr Auto?<br />
Wie viel Geld<br />
haben Sie<br />
gerade in der<br />
Geldtasche?<br />
33<br />
2<br />
0<br />
260<br />
445€<br />
Der Wiener Politiker muss mit fünf Stunden Schlaf auskommen<br />
Wenn es nach Hacker geht, dürften Asylverfahren nicht<br />
länger als sechs Monate dauern<br />
Wie viele<br />
Stunden<br />
arbeiten Sie<br />
täglich?<br />
Wie hoch ist<br />
das Budget der<br />
Stadt Wien für<br />
Gesundheit im<br />
Jahr 20<strong>18</strong>?<br />
Wie viele<br />
Tage soll man<br />
höchstens für<br />
einen Termin<br />
bei einem<br />
Facharzt warten<br />
müssen?<br />
Wie oft am Tag<br />
werden Sie auf<br />
das Desaster<br />
von KH Nord<br />
angesprochen?<br />
Wie viele<br />
Monate soll ein<br />
Asylverfahren<br />
maximal<br />
dauern<br />
15<br />
5.000.000.000<br />
0<br />
4<br />
6<br />
/ POLITIKA / 21
„Ausgestoßen<br />
– vom eigenen<br />
Land“<br />
Seit den ersten Österreichern mit<br />
türkischen Wurzeln die rot-weißrote<br />
Staatsbürgerschaft aberkannt<br />
wurde, zittern tausende Menschen<br />
um ihre Existenz. „Im schlimmsten<br />
Fall werden aus Steuerzahlern jetzt<br />
Sozialhilfeempfänger“, kritisiert<br />
Anwalt Kazim Yilmaz.<br />
Von Sarah Wagner und Marko Mestrovic (Foto)<br />
Während des Wahlkampfs 2017 wurde<br />
den Freiheitlichen eine Namensliste von<br />
Personen zugespielt, die angeblich eine<br />
österreichisch-türkische Doppelstaatsbürgerschaft<br />
besitzen sollen. Seit Monaten ermitteln die zuständigen<br />
Behörden. Allein in Wien werden <strong>18</strong>.500 Fälle<br />
überprüft. Der Grund: Doppelstaatsbürgerschaften<br />
sind in Österreich verboten. Vier Wiener mit türkischen<br />
Wurzeln haben bereits die österreichische<br />
Staatsbürgerschaft verloren. Drei von ihnen sind<br />
dagegen in Berufung gegangen. Anwalt Kazim Yilmaz<br />
vertritt einen der betroffenen Austro-Türken.<br />
IBER:Was bedeutet die Aberkennung der österreichischen<br />
Staatsbürgerschaft?<br />
KAZIM YILMAZ: Alles, was mit der österreichischen<br />
Staatsbürgerschaft verbunden ist, kann für die Menschen<br />
drastische Konsequenzen haben. Die Aufenthalts-<br />
wie auch Arbeitsgenehmigung vieler Betroffener<br />
beruht auf der österreichischen Staatszugehörigkeit.<br />
In einem ersten Schritt müssen sie sich bei Verlust der<br />
Staatsbürgerschaft um einen gültigen Aufenthaltstitel<br />
kümmern, erst damit können sie dann eine Arbeitsgenehmigung<br />
beantragen. Im schlimmsten Fall werden<br />
jetzt aus Steuerzahlern Sozialhilfeempfänger.<br />
Wie können Betroffene beweisen, dass sie keine tür-<br />
Die Karrieremesse<br />
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22 / MIT SCHARF /<br />
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kische Staatsbürgerschaft besitzen?<br />
Die Betroffenen sollen eine Bestätigung des türkischen<br />
Konsulats vorlegen, dass sie keine türkischen StaatsbürgerInnen<br />
sind. Allerdings bekommen sie keine Dokumente<br />
vom Konsulat, weil sie eben keinen türkischen<br />
Pass haben.Die Behörden verlangendamit etwas sehr<br />
kurioses, nämlich einen Umstand zu beweisen, der<br />
nicht da ist. Es ist wirklich absurd, denn eigentlich liegt<br />
die Beweislast bei der Behörde. Jetzt versucht man hier<br />
künstlich die Beweislast auf die Bürger umzuwälzen.<br />
Wie wird sich dieser Prozess auf die Integration auswirken?<br />
Es geht um Menschen, die schon seit 40 Jahren hier<br />
leben und sich als Österreicher fühlen – nur eben<br />
türkische Wurzeln haben. Jetzt haben viele das Gefühl,<br />
dass sie nicht gewollt sind; dass man künstlich versucht,<br />
eine – so wie mein Mandant es nennt – Hetzjagd<br />
auf Menschen mit türkischen Wurzeln zu betreiben. Das<br />
ist für die Integration natürlich höchst unerfreulich. Sie<br />
werden sich ausgestoßen fühlen – vom eigenen Land!<br />
Wie können sich Betroffene wehren?<br />
Jeder Fall ist anders gelagert, aber Betroffene sollten<br />
jemanden konsultieren, der sich nicht nur mit dem<br />
österreichischen Staatsbürgerschaftsrecht ausreichend<br />
auskennt, sondern auch mit den Grundzügen des türkischen<br />
Rechts. ●<br />
Anwalt Dr. Kazim Yilmaz<br />
und sein Mandant sprechen<br />
von einer „Hetzjagd“<br />
auf Menschen mit<br />
türkischen Wurzeln<br />
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/ MIT SCHARF / 23
24 / RAMBAZAMBA /
Flirtzone<br />
Moschee<br />
Wo gläubige Muslime ihre<br />
große Liebe <strong>fin</strong>den<br />
Beim Koranunterricht,<br />
in der Moschee, auf<br />
muslimischem Tinder<br />
oder in einem islamischen<br />
Verein – junge<br />
Muslime auf Partnersuche<br />
in Wien<br />
Von Maryam Ghanem , Fotos: Susanne Einzenberger<br />
Eine Menschenmenge, die sich in eine Richtung<br />
begibt. Scharenweise Männer in ihren<br />
schönsten Gewändern. Frauen, die ihr perfektes<br />
Make-up aufgelegt haben. Blicke, die<br />
heimlich ausgetauscht werden. Der Gebetsruf,<br />
der die Weite füllt. Es ist 8:30 an einem heißen Dienstagmorgen<br />
Ende August vor dem Islamischen Zentrum in<br />
Wien. Austro-Muslime aus verschiedensten Herkunftsländern<br />
haben sich zum Eid-Gebet, dem muslimischen<br />
Opferfest, versammelt, um zu beten – einige aber auch,<br />
um sich umzuschauen. Beim Festtagsgebet treffen vor der<br />
Moschee junge Männer und Frauen aufeinander, die auf<br />
Partnersuche sind. So vielfältig die versammelten Nationalitäten<br />
sind, so vielfältig sind heutzutage die Möglichkeiten,<br />
als gläubiger Muslim eine Partnerin in Wien kennenzulernen<br />
– und das ganz ohne Hilfe der Eltern.<br />
CATWALK IN DIE MOSCHEE<br />
„Meistens sind das anfangs nur Blicke, die ausgetauscht<br />
werden, da die meisten Mädchen und Jungen sich nicht<br />
trauen, einander an solchen Orten anzusprechen“, erzählt<br />
Ismail * vom Szenario vor der Moschee. „Ansonsten<br />
sind viele Männer auf der Suche. Sie schauen mit ihren<br />
/ RAMBAZAMBA / 25
Immer mehr junge Frauen mit knalligen Kopftüchern und<br />
starkem Make-Up machen sich vor der Moschee auf die<br />
Suche nach ihrer großen Liebe.<br />
Die jungen Männer stehen teilweise zu fünfzehnt vor der<br />
Moschee und beobachten die jungen Frauen. Wenn sich die<br />
Blicke treffen, checkt man einander auf Social Media aus.<br />
Freunden durch die Gegend und fragen sich<br />
gegenseitig aus, wer diese und jene ist.“<br />
Ein Instagram in Reallife: Junge Muslime<br />
präsentieren sich speziell an diesem Tag von<br />
ihrer schönsten Seite, manche besorgen<br />
sich sogar Wochen im Voraus ein nagelneues<br />
„Eid-Outfit“. Während Frauen mit<br />
ihren schönsten Kleidern und dem dezenten<br />
Make-Up auffallen, tragen Männer ihre<br />
getrimmten Bärte und die polierten Schuhe<br />
zur Schau. Das Morgengebet am Eid rückt<br />
immer mehr in den Hintergrund, während<br />
sich sorgfältig abgestimmte Outfits und<br />
perfekt gegelte Frisuren in den Vordergrund<br />
drängen. „Es ist heute einfach nicht mehr<br />
das, was es mal war“, denkt Ismail laut.<br />
Ismails Freund Osama * erklärt, wie es in seinem<br />
Männerkreis nach dem Eid-Gebet zugeht. Sobald man ein<br />
Mädchen sieht, das einem gefällt, wird herumgefragt und<br />
es wird auf Social Media, meistens Instagram, aus<strong>fin</strong>dig<br />
gemacht. Beten und im Anschluss die Lage checken.<br />
„Zwei Fliegen mit einer Klappe. Je mehr Iman (=Glaube)<br />
man zeigt, desto seriöser wirkt man. Welches muslimische<br />
Mädchen will einen Player?“, schildert der 21-Jährige.<br />
Die Religionspraxis<br />
ist beim<br />
Großteil der<br />
muslimischen<br />
Jugendlichen<br />
nicht mehr<br />
Grund allein,<br />
zum Koranunterricht<br />
zu gehen.<br />
Nach dem Gebet geht’s mit Freunden in die<br />
Millenium City, die in der Nähe der Moschee<br />
ist, sagt der Student. „Dort schaut man sich<br />
dann richtig um“, meint er. „Es gibt immer<br />
die ein oder andere, die man kennt, also<br />
geht man grüßen. Je länger das Gespräch<br />
anhält, desto mehr Fame erntet man dann<br />
anschließend bei den Jungs.“ Sowohl er<br />
als auch Ismail wissen aber, dass einige<br />
muslimische Mädchen trotz ihres modernen<br />
Lebensstils nicht mit fremden Jungen<br />
gesehen werden wollen. Aus diesem Grund<br />
nutzen junge Muslime, die auf Partnersuche<br />
sind, Anlässe wie das Eid-Gebet, um sich<br />
unverbindlich umzuschauen.<br />
STYLEN STATT SUREN LERNEN<br />
Zara * berichtet von einer ähnlichen Situation in der<br />
afghanischen Community: „Einerseits stellt man sich im<br />
Koranunterricht zur Schau, andererseits bedeutet er auch<br />
eine Integration in die Community.“ Wenn auch genug<br />
afghanische Jugendliche zum Koranunterricht gehen, um<br />
ihren Glauben zu festigen, gibt es doch einige, bei denen<br />
die Religionspraxis nicht Grund allein für ihren Besuch ist.<br />
26 / RAMBAZAMBA /
„Das war besonders auffällig, als die Teilnehmerzahl nach<br />
Einführung eines geschlechterseparaten Koranunterrichts<br />
drastisch gesunken ist“, erinnert sich die 23-Jährige.<br />
„Man merkt schnell, wer die Moschee mit einer religiösen<br />
Absicht betritt und wer nicht.“ Die Burschen, die<br />
alle um die <strong>18</strong> sind, haben auf dem Weg in die Moschee<br />
die ankommenden Mädchen beobachtet. „Die Mädchen<br />
im Alter von 16 kamen immer aufgestylt zum Unterricht,<br />
haben gekichert, verstohlene Blicke ausgetauscht und sich<br />
Briefchen über die Jungs geschrieben“, sagt die Studentin.<br />
Um eine optimale Konzentration zu gewährleisten, wurde<br />
der Koranunterricht in Mädchen- und Burschen-Gruppen<br />
aufgeteilt.<br />
MUSLIMISCH, JUGENDLICH SUCHT<br />
Doch die jungen Austro-Muslime wissen sich zu helfen.<br />
Der Verein Muslimische Jugend Österreich, kurz „MJÖ“,<br />
wird im Spaß schon „Parship für Muslime“ genannt. Hier<br />
haben sich schon einige Ehepaare kennengelernt. Es ist<br />
ein offenes Geheimnis innerhalb der muslimischen Community,<br />
dass man hier seinen Partner fürs Leben <strong>fin</strong>den<br />
kann. Öffentlich über ihre Liebe reden will keines der sechs<br />
Paare, die für diesen Artikel angefragt wurden.<br />
„Die MJÖ selbst hat nicht die Absicht, dass man gezielt<br />
dorthin geht, um sich mit dem anderen Geschlecht auszutauschen“,<br />
erzählt Monika von ihrer Zeit als aktives Mitglied.<br />
„Trotzdem ist man sich dessen bewusst, dass viele<br />
mit dieser Absicht beitreten und zu den Veranstaltungen<br />
kommen.“ Sie <strong>fin</strong>det es aber dennoch okay, zumal das<br />
Ganze einem einen „Halal -Rahmen“ vorgibt, um Leute zu<br />
sehen und kennenzulernen. Wenn man sich das genauer<br />
anschaut, ist es weder verwerflich noch allzu verwunderlich.<br />
Eine junge, gläubige Muslima wird wohl kaum nach<br />
einem jungen Mann Ausschau halten, der vor einer Diskothek<br />
Schlange steht. Gläubige Muslime zielen darauf ab,<br />
jemanden zu <strong>fin</strong>den, der dieselbe Halal-Haram-Ratio aufweist,<br />
sprich, der dasselbe Verständnis bzw. Verhältnis von<br />
richtig und falsch im Islam hat. Die Muslimische Jugend<br />
Österreich bietet neben ihren gelegentlichen Festen und<br />
traditionellen Camps auch den Raum und die Möglichkeit,<br />
jemanden vom anderen Geschlecht kennenzulernen.<br />
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halal verläuft.<br />
*Western Union verdient auch an der Konvertierung von<br />
Währungen. Neue Preise sind nur in teilnehmenden<br />
Standorten seit 05.06. verfügbar. Western Union Payment<br />
Services Ireland Limited ist von der Irischen Zentralbank<br />
zugelassen. © 20<strong>18</strong> Western Union Holdings, Inc. Alle<br />
Rechte vorbehalten.
Monika und ihr Mann haben sich auf muzmatch - dem Tinder<br />
für gläubige Muslime - kennengelernt und sind mittlerweile<br />
verheiratet.<br />
nie auf derselben intellektuellen Ebene waren und eine Frau<br />
am Herd wollten“, antwortet Monika als wahrscheinlichen<br />
Grund, wieso sie ihre zweite Hälfte noch nicht gefunden hat.<br />
„Auch hat man mich wegen meiner dunklen Hautfarbe und<br />
meiner Herkunft misstrauisch betrachtet“, vermutet Monika,<br />
die aus Bangladesch stammt. Sie gesteht, dass sie kurz davor<br />
war, Nicht-Muslime zu daten, da sie ihr fast schon muslimischer<br />
erschienen. „Einige Männer haben auch heute noch<br />
ein Problem damit, wenn die Frau gebildeter ist oder mehr<br />
verdient als der Mann.“ Darum hat Monika in Sachen Liebe<br />
einen alternativen Weg eingeschlagen und sich online auf die<br />
Suche begeben. Seinen Partner durch Social Media kennenzulernen<br />
ist im 21. Jahrhundert nichts<br />
Außergewöhnliches. Allerdings handelt<br />
es sich hierbei nicht um Facebook und<br />
Co., nein, die Tinder-Taktik hat nun<br />
auch die muslimische Welt erreicht und<br />
von Grund auf revolutioniert. Monika<br />
ist heute mit einem deutschen Konvertiten<br />
glücklich verheiratet und ihm<br />
zuliebe sogar von Wien nach Deutschland<br />
gezogen. Sie haben sich auf der<br />
App muzmatch kennengelernt, die im Prinzip eine Halal-<br />
Version von Tinder ist. Rechtsswipen für Ja, linksswipen für<br />
Nein – je nachdem, wie ansprechend die Person auf einen<br />
wirkt. Jedes Profil soll mehrere Fotos zeigen, mit der Option,<br />
dass Frauen ihre Bilder verschwommen erscheinen lassen<br />
können, sodass sie der Mann quasi erst dann sieht, wenn<br />
er sie nach rechts wischt. Eine Präventivmaßnahme zur Vermeidung<br />
von Oberflächlichkeit, aber auch um die Ehre der<br />
Frau zu wahren. Die Suche nach potentiellen Partnern lässt<br />
sich unter anderem nach Ethnie, Sprache und Region filtern,<br />
was Monika sehr geschätzt hat, nachdem nur das österreichische/deutsche<br />
Mindsetting für sie in Frage gekommen<br />
ist. „Du kannst im Chat sogar eine dritte Person dabeihaben,<br />
die darauf achtet, dass das Gespräch auch halal verläuft.<br />
Sowas wie ein Wali, ein Beschützer sozusagen“, erklärt die<br />
27-Jährige. Bevor eine Freundin ihr die App empfohlen hat,<br />
hat Monika sich nicht vorstellen können, dass sich tatsächlich<br />
etwas Ernstes daraus entwickeln könnte. „Ich habe dem<br />
eine Chance gegeben. Am Ende des Tages ist es dasselbe<br />
wie Facebook und Instagram.“ Selbige Freundin hat ihren<br />
Verlobten ebenfalls auf muzmatch gefunden und heiratet<br />
demnächst. Vor Nutzung der App hat sich Monika dem anderen<br />
Geschlecht herkömmlich genähert, wie der Rest ihres<br />
Kreises eben, und Männer entweder durch gemeinsame<br />
Freunde oder durch die Uni kennengelernt. Leicht ist es ihr<br />
nicht gefallen: „Man muss heraus<strong>fin</strong>den, ob die Person Single<br />
ist und ob sie überhaupt Interesse hat. Die App hat den<br />
Vorteil, dass beide Parteien wissen, beide wollen heiraten,<br />
ohne Umschweife. Man weiß, woran man ist.“<br />
„Muslimische Zusammenkünfte wie das Eid-Gebet sind<br />
Gelegenheiten, Menschen deiner Art zu treffen“, meint Osama,<br />
„Es liegt also durchaus im Bereich des Möglichen, der<br />
großen Liebe in einer Moschee oder Ähnlichem zu begegnen.“<br />
Noch hat er die Partnerin fürs Leben nicht gefunden,<br />
aber was nicht ist, kann ja pünktlich zum nächsten Eid noch<br />
werden! ●<br />
*Namen von der Redaktion geändert<br />
Es liegt durchaus<br />
im Bereich des<br />
Möglichen, der großen<br />
Liebe in einer Moschee<br />
oder Ähnlichem<br />
zu begegnen.<br />
** Die Fotos wurden für die Story nachgestellt. Das Paar auf den Bildern<br />
steht in keinem Bezug zum Text.<br />
bereitgestellt<br />
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/ MIT SCHARF / 29
MEINUNG<br />
HEULT NICHT RUM.<br />
Von Aleksandra Tulej<br />
„Du kannst immer alles so leicht abschütteln,<br />
über alles Witze reißen und hältst<br />
sowieso alles aus.“ bekomme ich oft zu<br />
hören. Ich habe oft innerlich meine Augen<br />
verdreht, wenn Menschen um mich herum<br />
psychisch schwach waren, weinten oder Probleme<br />
hatten, die ich nicht nachvollziehen konnte. Lange war<br />
ich der Meinung, dass Tränen ein Zeichen von Schwäche<br />
sind. Weinen war nie eine meiner Stärken - meine<br />
Wut in Texte wie diesen zu verpacken schon eher.<br />
MAN IST NICHT IMMER UNZERSTÖRBAR<br />
Ich habe seit Jahren einen hässlichen Wegbegleiter<br />
an meiner Seite, eine hereditäre Nervenkrankheit. Sie<br />
lässt meine Beine und Arme phasenweise taub werden,<br />
und nimmt mir oft viel Kraft weg, die ich eigentlich<br />
brauche. Ich kann mittlerweile relativ gut damit<br />
umgehen und würde behaupten, dass man sie mir<br />
nicht im Alltag anmerkt. Das ist gut für mein toughes<br />
Image. Aber letztens machte sich seit längerem<br />
wieder ein hässlicher Schub breit, der mich nicht nur<br />
körperlich, sondern auch mental beansprucht hat. Ich<br />
habe plötzlich begonnen, wie ein Legastheniker Buchstaben<br />
und dann auch ganze Wörter zu verwechseln.<br />
Ganze Satzkonstruktionen, die in meinem Kopf Sinn<br />
ergeben haben, kamen dann ausgesprochen ganz<br />
anders heraus, als ich es vorhatte. Es hat mir Angst<br />
gemacht, vor allem weil Schreiben und Gedankengänge<br />
aneinander knüpfen gleichzeitig mein Job und<br />
meine liebste Tätigkeit ist. Ich merke einfach, wie<br />
diese Sache voranschreitet und wie eine hässliche,<br />
dunkle Wolke über mir schwebt, gegen die ich machtlos<br />
bin. Es liegt aber sehr wohl in meiner Macht, zu<br />
entscheiden, wie ich damit umgehe. Sich mehr Witze<br />
und weniger Gedanken dazu auszudenken, ist ein Teil<br />
davon.<br />
HEULT NICHT RUM<br />
Ich scrolle mich tagtäglich auf Selbstdartellungs-<br />
tulej@dasbiber.at<br />
Plattformen wie Instagram durch. Neben<br />
den gewohnten Posts, die ein perfektes<br />
Leben inszenieren sollen, und die uns<br />
sowieso alle ankotzen, stoße ich immer<br />
mehr auf Texte und Profile die sich body positivity,<br />
Selbstakzeptanz, seelischen und physischen<br />
Krankheiten widmen. Lange war ich unschlüssig, was<br />
ich davon halten soll. Ob die Leute nicht ein wenig<br />
übertreiben, habe ich mich gefragt. „Heult nicht rum,<br />
jeder hat sein Päckchen zu tragen“, dachte ich mir.<br />
Ob wir nicht andere Probleme auf der Welt haben?<br />
Die Momentane politische Lage, das Weltgeschehen<br />
allgemein, Menschen, denen es viel, viel schlechter<br />
geht? Natürlich. Aber es gibt Dinge, die wir als Einzelpersonen<br />
nicht sofort ändern können, und Dinge, bei<br />
denen wir sehr wohl in der Lage dazu sind.<br />
Ich denke, bei mir war es lange das Problem,<br />
dass ich mir selbst nicht eingestehen konnte, dass<br />
ich körperlich nie so fit und geschickt sein werde wie<br />
„normale“ Menschen. Ich muss mit Dingen klarkommen,<br />
mit denen ich lange nicht klarkommen wollte. Ich<br />
schaffe keine Liegestütze, weil meine Arme nicht stark<br />
genug sind, und ich hasse sie dafür. Ich stolpere so<br />
oft über meine eigenen Beine, ich lasse Gegenstände<br />
fallen und verliere das Gleichgewicht, und ich hasse<br />
es. Nicht wegen dem körperlichen Erscheinungsbild,<br />
sondern dem in meinem Kopf.<br />
KOMM WIEDER, WENN DU LUFT KRIEGST<br />
Ich stelle mich hier keineswegs als Nonplusultra dar.<br />
Ich will einfach mehr Bewusstsein dafür, dass Menschen<br />
nicht immer ihr bestes Selbst widergeben<br />
müssen, um zufrieden und von anderen akzeptiert zu<br />
werden. Um mit einem aus dem Kontext gerissen Zitat<br />
eines der größten Poeten unserer Zeit, Haftbefehl,<br />
abzuschließen, „Komm wieder, wenn du Luft kriegst.“<br />
Ich muss jetzt Luft holen und dabei seine gesammelten<br />
Werke rauf- und runterhören, damit mein angekratztes<br />
toughes Image nicht zu sehr leidet. ●<br />
Marko Mestrović<br />
30 / MIT SCHARF /
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32 / MIT SCHARF /
Lena* denkt, sie hätte die Liebe ihres Lebens<br />
gefunden. Was sie nicht weiß: Ihr Freund ist<br />
Mitglied eines Prostitutionsrings. Er schickt<br />
sie auf den Strich und sie macht mit.<br />
Von Aleksandra Tulej, Fotos: Susanne Einzenberger<br />
Lena * ist 17, als sie ihren ersten<br />
Freund Amir* beim Fortgehen<br />
kennenlernt. Sie ist zum ersten<br />
Mal richtig verliebt. „Er war eben so<br />
anders als die anderen Jungs in meiner<br />
damaligen Klasse. Er war so aufmerksam<br />
und nicht so kindisch“, erzählt sie. Amir *<br />
ist drei Jahre älter als Lena. Er lebt in<br />
derselben Stadt in Deutschland wie sie.<br />
Er geht nicht mehr zur Schule und macht<br />
auf Lena von Anfang an einen reifen<br />
Eindruck. Es dauert nicht lange, bis Lena<br />
einwilligt, mit ihm zu schlafen. „Er war<br />
sogar mein erster Kuss“, sagt sie. „Und<br />
viele meiner Freundinnen hatten zu der<br />
Zeit ihren ersten Freund und dann auch<br />
Sex mit ihm, ich dachte mir nicht viel<br />
dabei“, erzählt sie. Ihre Eltern wissen<br />
nicht von ihrem Freund, sie will es ihnen<br />
erst erzählen, wenn es wirklich ernst ist<br />
– sie sind bei dem Thema etwas streng.<br />
Eine Zeit lang ist alles rosig – Lena<br />
denkt, sie hätte auf Anhieb die Liebe<br />
ihres Lebens gefunden. Sie verbringen<br />
viel Zeit miteinander, er stellt sie seinen<br />
Freunden vor. Was sie zu dem Zeitpunkt<br />
nicht weiß: Sie ist einem Loverboy zum<br />
Opfer gefallen.<br />
Loverboys sind junge Männer, die<br />
von organisierten Prostitutionsringen<br />
angeheuert werden. Sie <strong>fin</strong>den jüngere<br />
Mädchen, die sie so lange manipulieren<br />
und von sich abhängig machen, bis diese<br />
für sie anschaffen gehen. Aus Liebe<br />
und aus Naivität. Wie bei Lena. Sie ist<br />
kein Einzelfall: In Deutschland gibt es<br />
mittlerweile Vereine, die sich spezifisch<br />
mit der Prävention der Loverboy-Masche<br />
beschäftigen. „Wir dürfen nicht vergessen,<br />
dass die Opfer im Vorfeld verliebt<br />
gemacht werden, und da schaltet der<br />
Kopf zumindest für eine Zeit ab“, erzählt<br />
der Gründer des Vereins „Elterninitiative“<br />
aus Düsseldorf. Die Organisation klärt<br />
über das Loverboy- Phänomen auf und<br />
berät betroffene Eltern und Opfer.<br />
DER ERSTE FREIER<br />
„Er wollte plötzlich immer öfter wissen,<br />
wo ich bin, mit wem, und was ich mache.<br />
Ich wusste aber nie, was er gerade<br />
macht oder wo er sich aufhält“, sagt sie.<br />
Er wird immer fordernder und ungeduldiger.<br />
Irgendwann erzählt er Lena, er<br />
hätte Schulden, die er nicht abbezahlen<br />
kann. Und sie könnte ihm helfen, an das<br />
Geld zu kommen, indem sie mit fremden<br />
Männern gegen Bezahlung schläft.<br />
„Zuerst habe ich nicht wirklich verstanden,<br />
dass er das überhaupt ernst meinen<br />
könnte. Ich hatte bis zu dem Zeitpunkt<br />
null Berührungspunkte mit diesem Milieu.<br />
Ich war da immerhin erst 17 Jahre alt.<br />
Aber irgendwie hat er mich dann überzeugt,<br />
das mitzumachen. Es war schrittweise.<br />
Er stellte es so dar, als ob das<br />
keine große Sache wäre, mit fremden<br />
Männern für Geld zu schlafen“, sagt sie.<br />
Der Schein trügt - Die Loverboyfalle hat voll zugeschlagen<br />
/ RAMBAZAMBA / 33
Gründe dafür, warum sie keinem davon<br />
erzählt. Ein paar ihrer Freundinnen<br />
kennen Amir, nach außen hin scheint er<br />
ja nach wie vor wie der perfekte Freund.<br />
Ihrer Familie erzählt sie, sie würde bei<br />
ihren Freundinnen abhängen oder in die<br />
Stadt gehen, während sie mit fremden<br />
Männern für Geld schläft. Das Verhältnis<br />
zu ihren Eltern ist gut. Aber von ihrer<br />
Beziehung und von ihrem „Nebenjob“<br />
wissen auch sie nichts.<br />
Sie sucht die Gründe für seine plötzliche<br />
Wut und Launenhaftigkeit bei sich<br />
selbst. Genau zu dem Zeitpunkt hat der<br />
Loverboy sein Ziel schon erreicht: Lena<br />
willigt ein, sich für ihn zu prostituieren.<br />
In einem Laufhaus hat sie nie gearbeitet<br />
– sie war ja damals noch minderjährig.<br />
Die Freier kommen in die Wohnung eines<br />
Kumpels von Amir, den Lena auch schon<br />
länger kennt. Ob sie sich noch an den<br />
ersten „Kunden“ erinnert? „Das erste<br />
Mal war das gar kein Sex. Ich bin einfach<br />
dagelegen. Er hat mich kurz angetatscht<br />
und dann hat er sich angezogen und ist<br />
aus dem Zimmer hinausgegangen. Aber<br />
Zuerst Liebe, dann Sex für Geld.<br />
das erste Mal war nicht schlimm. Schlimmer<br />
ist es dann mit der Zeit geworden“,<br />
sagt sie. „Aber es war nicht so, wie<br />
man sich das vorstellt, mit Puff und so.<br />
Drogen habe ich nie genommen, hat er<br />
auch nicht. Wir haben nur manchmal<br />
Gras geraucht. Ich war ja auch nicht am<br />
Straßenstrich. „Aber ich habe es einfach<br />
gemacht und nicht wirklich mitgedacht.<br />
Heute graust mir, wenn ich daran denke,<br />
was in dieser Wohnung (Anm. von Amirs *<br />
Freund) alles passiert ist“, sagt das Mädchen.<br />
Das Geld hat er abkassiert, sie hat<br />
nie etwas davon gesehen.<br />
Angst und Scham sind genau die<br />
VORMITTAGS SCHULE,<br />
ABENDS ANSCHAFFEN<br />
„Tendenziell ist ein Mädchen, das sich<br />
gerade in einem problematischen Umfeld<br />
be<strong>fin</strong>det oder in irgendeiner Krise steckt,<br />
natürlich angreifbarer. Deswegen ist die<br />
Masche ja auch so gemein. Die jungen<br />
Männer spielen sich als Held und Retter<br />
des Mädchens auf, der ihr einen Lebenssinn,<br />
nämlich die gemeinsame Beziehung<br />
und Zukunft präsentiert und diesen<br />
Strohhalm ergreifen die Mädchen“,<br />
sagt Annika Schönhoff von der Berliner<br />
Präventionsorganisation „Liebe ohne<br />
Zwang“.<br />
Lena kommt aus einem stabilen<br />
Umfeld – trotzdem beginnt sie irgendwann,<br />
ein Doppelleben zu führen. Aus<br />
Liebe zu ihrem Freund, der nun auch<br />
ihr Zuhälter geworden ist. Vormittags<br />
sitzt sie ganz normal im Unterricht und<br />
abends ist sie eine minderjährige Prostituierte.<br />
„Ich habe ja irgendwo gewusst,<br />
dass das nicht normal sein kann. Aber<br />
ich wollte es einfach nicht wahrhaben“,<br />
gesteht sie. Sie weiß lange nicht, dass<br />
das, was sie hier tut, Zwangsprostitution<br />
ist. Nach außen hin kriegt sie ihr Doppelleben<br />
auf die Reihe. Ihre Noten lassen<br />
nicht nach und sie lässt sich nichts<br />
anmerken.<br />
„Viele Loverboys achten darauf, dass<br />
das Mädchen ihr Leben augenscheinlich<br />
erst einmal ganz normal weiterführt, was<br />
früher oder später natürlich nicht mehr<br />
geht“, so Annika Schönhoff von „Liebe<br />
ohne Zwang“. Aber wie kommen die<br />
Loverboys überhaupt zu ihren Opfern?<br />
„In der Schule oft über sogenannte Mittelsmänner,<br />
also Jungen aus ihrer Klasse,<br />
die mit dem Loverboy „befreundet“<br />
sind – auch sie können emotional von<br />
ihm manipuliert und für seine Zwecke<br />
missbraucht werden und so betroffen<br />
sein“, sagt sie. Ganz häufig auch über<br />
34 / RAMBAZAMBA /
das Internet, da der Aufwand geringer<br />
sei: „Eine Nachricht copy and paste an<br />
tausend Mädchen versandt, wenn eine<br />
antwortet reicht das ja vorerst schon“,<br />
sagt Schönhoff.<br />
EINE VON TAUSEND<br />
Eine von Tausend ist Lena nicht. Irgendwann<br />
wird ihr klar, dass sie nicht die<br />
einzige ist, die für ihren Freund und<br />
seine Kumpels anschaffen geht. Amir *<br />
meint anfangs, sie müsse das nicht lange<br />
machen. Aber es nimmt einfach kein<br />
Ende. Sie will aussteigen, aber es scheint<br />
zuerst unmöglich. Sie hat Angst davor,<br />
was er tun würde, wenn sie aufhört, und<br />
andererseits liebt sie ihn noch irgendwie.<br />
Genau das ist das Problem an der<br />
„Loverboy-Methode“: Die Opfer sehen<br />
ihre Zuhälter oft nicht als solche. Wie<br />
viele Mädchen der Loverboy-Masche<br />
zum Opfer fallen, ist nicht bekannt, da<br />
die meisten Fälle nicht angezeigt werden.<br />
Und wenn, gestaltet sich auch das<br />
oft schwierig.<br />
„Die Mädchen werden so gefügig<br />
gemacht, dass sie noch im Gerichtssaal<br />
„<br />
Loverboys sind<br />
jung, damit der<br />
Altersunterschied<br />
zu den Mädchen,<br />
die teilweise erst<br />
11 Jahre alt sind,<br />
nicht allzu groß ist.<br />
“<br />
von ihrem Freund sprechen und nicht<br />
von ihrem Täter“, heißt es seitens der<br />
ELIOD.<br />
„Loverboys achten auf ihr Äußeres<br />
und ihr Auftreten, sie wollen von den<br />
Mädchen als gutaussehend wahrgenommen<br />
werden, tragen die neuesten<br />
Klamotten und geben auch für sie<br />
ungewöhnlich viel Geld aus. Sie sind<br />
jung, damit der Altersunterschied zu den<br />
Mädchen, die teilweise erst 11 Jahre alt<br />
sind, nicht allzu groß ist. Es gibt Loverboys,<br />
die alleine agieren, meistens steht<br />
jedoch etwas Größeres dahinter, wie eine<br />
Organisation, also organisiertes Verbrechen“,<br />
so Schönhoff von „Liebe ohne<br />
Zwang“.<br />
Dass es viel zu viele Mädchen sind,<br />
die dieser Masche zum Opfer fallen, sieht<br />
man auf der Internetseite der deutschen<br />
Organisation „No Loverboys.“ Der Verein<br />
ist eine Anlaufstelle für Opfer und Angehörige<br />
und betreibt auch Prävention. In<br />
dem Gästebuch auf der Internetseite des<br />
Vereins liest man Einträge von jungen<br />
Frauen, die dringend Hilfe brauchen –<br />
manche von ihnen nehmen die Hilfe an,<br />
manche wiederum nicht.<br />
„ER WEISS, DASS ER MICH<br />
DAMIT RUMBEKOMMT“<br />
So schreibt zum Beispiel eine Userin mit<br />
dem Nicknamen „Mona“, die laut eigener<br />
Angaben mit 13 auf dem Kinderstrich<br />
in Berlin auf der Bülowstraße stand<br />
und auch Opfer der Loverboy-Masche<br />
war, über ihre Erfahrungen. „Nun bin<br />
ich mit 17 (Jahren) immer noch da,<br />
VERSÜSS DIR<br />
DEINEN TAG!<br />
AB SOFORT 7X<br />
IN ÖSTERREICH<br />
1x Pasching<br />
4x Wien<br />
2x Graz<br />
DUNKIN.AT<br />
DUNKIN_AT<br />
/ MIT SCHARF / 35
Viele ausgebeutete Frauen verlassen die Stadt,<br />
um einen Neuanfang zu wagen.<br />
sehe 12-Jährige, die hier stehen, sich<br />
Männern anbieten, damit sie ihren (sic.)<br />
„Freund“ aus den Schulden helfen können.<br />
Ich könnte jedes mal (sic.) heulen,<br />
wenn ich diese unschuldigen Mädchen<br />
sehe die nur noch verliebt sind und alles<br />
für ihren „Freund“ machen würden, so<br />
wie ich.“ Ihr Loverboy hat ihr damals<br />
Schuhe, Kleidung und ein Handy gekauft.<br />
Sie nahm es an, weil sie verliebt war.<br />
„Ich denke ich habe damals einfach<br />
Liebe und Zuneigung gebraucht und die<br />
habe ich von ihm bekommen, auch noch<br />
manchmal heute. Er führt mich manchmal<br />
zum Essen gehen aus, geht mit<br />
mir ins Theater. Weil er weiß das (sic.)<br />
ich das liebe und er damit mich immer<br />
rumbekommt…“, schreibt sie in ihrem<br />
Eintrag.<br />
„MIR FEHLEN JAHRE IM<br />
LEBENSLAUF“<br />
Die jungen Frauen sind sich also durchaus<br />
bewusst, dass das, was sie hier<br />
tun, keinesfalls normal ist. Der Ausstieg<br />
aber gestaltet sich schwierig, wenn das<br />
Opfer psychisch schon so abhängig von<br />
seinem Zuhälter ist. So schreibt „Shirin“<br />
auf dem Forum: „Ja, ich gehe zu meinem<br />
Loverboy zurück !!! Er hat mich vergewaltigt,<br />
geschlagen, verkauft! Ich war ein<br />
paar Jahre raus, aber ich komme in der<br />
Gesellschaft nicht mehr klar. Mir fehlen<br />
Jahre im Lebenslauf. Mir fehlen Freunde.<br />
(…)“<br />
So hätte Lenas * Geschichte auch<br />
enden können. Aber es kommt anders:<br />
Lena zieht im Sommer nach ihrem<br />
Schulabschluss in eine andere Stadt in<br />
Deutschland, um mit der Uni zu beginnen.<br />
Das ist der Befreiungsschlag, auf<br />
den sie so lange gewartet hatte. Amir *<br />
versucht sie anfangs noch zu kontaktieren,<br />
er will sie bei sich behalten. Er merkt<br />
aber, dass er immer weniger Kontrolle<br />
über sie hat, da sie einfach physisch<br />
nicht mehr da ist. Lena schafft es,<br />
sich nach und nach von ihm emotional<br />
abzukapseln – es fällt ihr leichter, als sie<br />
in ein neues Umfeld kommt und er nicht<br />
mehr ihren Alltag bestimmt. Als er das<br />
merkt, gibt er irgendwann auf. „Er hatte<br />
ja noch genug andere Mädchen, die<br />
auf die Masche reingefallen sind“ , sagt<br />
sie. „Und es werden noch neue dazukommen.“<br />
Dennoch hat sie gemischte<br />
Gefühle, wenn sie daran denkt, dass<br />
sie ihm in ihrer Heimatstadt begegnen<br />
könnte, wenn sie ihre Eltern in den Ferien<br />
besucht. Aber daran denkt sie vorerst<br />
nicht, sondern versucht, alles hinter sich<br />
zu lassen und ihre Zukunft zu planen –<br />
ohne ihn.<br />
Sie hat Amir während der beinahe<br />
zwei Jahre ihrer Bekanntschaft kein<br />
einziges Mal mit der Polizei gedroht,<br />
die Scham ist für sie zu groß. Auch ihre<br />
Eltern wissen bis jetzt nichts von all dem,<br />
was sie monatelang gemacht hat. Angezeigt<br />
hat sie ihn bis heute nicht. ●<br />
*Namen von der Redaktion geändert<br />
** Alle Fotos wurden für die Geschichte<br />
nachgestellt. Die Models auf den Bildern<br />
sind nicht die Personen aus dem Artikel.<br />
36 / RAMBAZAMBA /
WAS IST<br />
ZWANGSPROSTITUTION?<br />
Laut dem Bundeskriminalamt belief sich die Zahl der<br />
Anzeigen wegen Menschenhandels in Österreich im<br />
vergangenen Jahr auf 34 Fälle. Die Dunkelziffer dürfte<br />
viel höher sein. In Deutschland wurden im Jahr 2017<br />
43 Verfahren wegen Menschenhandels zur sexuellen<br />
Ausbeutung mit minderjährigen Opfern registriert.<br />
Menschenhandel ist seit 2000 in dem sogenannten<br />
Palermo-Protokoll der Vereinten Nationen international<br />
einheitlich de<strong>fin</strong>iert als: Menschen anwerben,<br />
anbieten, verbringen, vermitteln, beherbergen oder<br />
annehmen durch die Anwendung unerlaubter Mittel wie<br />
Täuschung, Zwang, Drohung oder Nötigung zum Zweck<br />
der Ausbeutung. Die Einwilligung eines Opfers in die<br />
Ausbeutung ist für die De<strong>fin</strong>ition unerheblich.<br />
Unter dem Begriff Zwangsprostitution, der rechtlich<br />
nicht de<strong>fin</strong>iert ist, ist die illegale Praxis zu verstehen,<br />
Menschen zur Arbeit als Prostituierte zu zwingen. Der<br />
Zwang zur Prostitution kann entweder durch physische<br />
oder psychische Gewalt, Täuschung, Erpressung,<br />
Ausnutzung einer Zwangslage oder Ausnutzung<br />
der Hilflosigkeit eines Opfers ausgeübt werden.<br />
WIE SCHAFFT MAN<br />
ES RAUS?<br />
„Strafen für Loverboys fallen nicht niedrig aus, denn sie<br />
machen sich vieler Delikte schuldig, alleine schon, weil die<br />
Mädchen meist minderjährig sind“, sagt Annika Schönhoff<br />
von „Liebe ohne Zwang“.<br />
So gut wie alle Mädchen sind traumatisiert und brauchen<br />
auch eine therapeutische Begleitung, um das Erlebte zu<br />
verarbeiten und auch wieder Vertrauen aufbauen zu können,<br />
wie sie erzählt. „Schließlich muss das Mädchen anfangen,<br />
sich wieder ein selbstbestimmtes Leben aufzubauen. Da es<br />
keine verlässlichen Zahlen dafür gibt, wie viele Mädchen<br />
überhaupt betroffen sind, kann man leider auch nicht ins<br />
Verhältnis setzen, wie viele es tatsächlich schaffen auszusteigen.<br />
Mit der richtigen Unterstützung ist es aber auf jeden<br />
Fall möglich.“<br />
Vereine in Deutschland, die sich um die Prävention und<br />
Betreeung von Opfern und ihren Angehörigen kümmern:<br />
Die Elterninitiative: www.die-elterninitiative.de/<br />
NO Loverboys: www.no-loverboys.de<br />
Liebe ohne Zwang: liebe-ohne-zwang.de<br />
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Elisabeth (vorne Rechts) mit ihrer besten Frundin Crista und ihrer großen rumänischen Familie<br />
ICH BIN RUMÄNERIN,<br />
OIDA!<br />
Biber-Leserin Elisabeth hat mit sieben ihre beste Freundin<br />
Crista, eine gebürtige Rumänin, kennengelernt. Heute<br />
sind beide 25 und Elisabeth spricht mittlerweile fließend<br />
Rumänisch und ist Teil von Cristas Großfamilie. Mit<br />
dieser Geschichte möchte Elisabeth ihrer rumänischen<br />
Familie danke sagen.<br />
Foto: Maximilian Salzer<br />
In der ersten Klasse Volksschule lernte ich Crista Gloria<br />
Ciuciu kennen. Sie war ein exotischer Vogel verglichen<br />
mit den anderen Kindern: Sie hatte lange, rabenschwarze<br />
Haare, kam (unfreiwillig) mit pompösen Prinzessinnenkleidern<br />
zur Schule und hatte als einzige die erste Hausaufgabe<br />
nicht ordnungsgemäß erledigt. Da wir den gleichen Schulweg<br />
hatten, wurden wir sehr bald ganz besondere Freundinnen.<br />
Ganz besondere Freundinnen deshalb, weil ich nicht nur Cristas<br />
Freundin wurde, sondern ein Teil ihrer rumänischen Großfamilie.<br />
„Elisabeth, wenn du zu uns kommen willst, musst du<br />
Rumänisch lernen. Wir reden alle rumänisch und wenn du<br />
uns nicht verstehst, werden meine Söhne dumme Sachen<br />
über dich reden und dabei lachen – lern Rumänisch!“, so in<br />
etwa begrüßte mich Cristas Mama, Maria-Dorina Ciuciu, eine<br />
imposante Frau, die mit eiserner Faust ihre 7- köpfige Familie<br />
regierte. Komischerweise haben mich ihre Worte als kleines<br />
Mädchen nicht abgeschreckt, sondern ich habe mich mit<br />
vollem Enthusiasmus in eine traditionelle Balkanfamilie integriert.<br />
Tatsächlich waren Tanti Dorinas Söhne etwas anders als<br />
übliche große Brüder. Sie vereinten in ihren jungen Jahren<br />
balkanisches Machogehabe mit einem frechen Mundwerk<br />
und einer großen Portion Humor. Niemand hat mich je so zum<br />
Lachen gebracht wie Cristas Brüder. Und abgehärtet haben uns<br />
die Burschen auch. Dank ihnen haut mich so schnell kein Mann<br />
um!<br />
„TE IUBESC“<br />
Doch ich war nicht nur mit Cristas Brüdern unterwegs, ich<br />
wurde komplett in den Familienalltag der Familie Ciuciu integriert.<br />
Nach der Schule half ich Crista oft bei ihren Pflichten im<br />
38 / RAMBAZAMBA /
Haushalt - und das waren nicht wenige. Gemeinsam<br />
gingen wir einkaufen, putzten die Fenster oder das<br />
Bad, schälten Berge von Kartoffeln und kochten für die<br />
ganze Familie. Crista konnte das alles schon mit sieben<br />
Jahren, und ich lernte es von ihr!<br />
Am Sonntag ging die ganze Familie in die rumänisch-penticostale<br />
Kirche, eine christliche Freikirche,<br />
und ich war oft dabei. Der feste Glaube an Gott ist bei<br />
allen in der Familie gleich und die Stärke, die sie aus<br />
ihrem Glauben ziehen, hat meinen eigenen Glauben<br />
gefestigt und gestärkt, wenn nicht sogar begründet.<br />
Egal wie schwer das Leben auch sein mag, einer der<br />
Ciucius wird mir immer mit voller Überzeugung sagen:<br />
„Orice lucru Domnul il face frumos la vremea lui. “ 1<br />
Jeden Abend wurde gemeinsam in der Familie<br />
gegessen, gelacht und vor allem diskutiert (und das<br />
ganz schön hitzig!) . Jedes Gefühl hatte Platz und<br />
dadurch konnten Streits auch heftig werden. Doch<br />
der Zusammenhalt und die Liebe dieser Familie waren<br />
und sind stärker als jeder Streit. Es kommt immer der<br />
Moment, in dem sich die Streitenden in die Arme fallen<br />
und sich „Te iubesc“ 2 sagen.<br />
IN GUTEN UND IN SCHLECHTEN<br />
ZEITEN<br />
Immer wieder wurde mir klar gemacht, dass ich ein Teil<br />
der Familie bin. Hatte ich gute Noten oder erreichte<br />
etwas, waren alle stolz auf mich. In schweren Zeiten<br />
standen alle Ciucius hinter mir und jeder versuchte<br />
mich auf seine Art wieder aufzubauen. Nichts, was<br />
ich tat, blieb unkommentiert, und oft habe ich mir<br />
gewünscht, dass meine Taten von der Familie Ciuciu<br />
unbemerkt bleiben (was nie der Fall war!). Es war<br />
oft hart, von Cristas Mama kritisiert zu werden, und<br />
manchmal war es auch nervig, von den Brüdern vor<br />
allen anderen verarscht zu werden. Doch da muss man<br />
durch, wenn man Teil der Familie Ciuciu sein will. Und<br />
das wollte ich von Anfang an, und will es noch immer.<br />
Die Ciucius sind für mich nicht nur die Familie meiner<br />
besten Freundin, sie sind meine eigene, zweite Familie<br />
geworden. Kommen Freunde der Familie zu Besuch,<br />
können sie es meist gar nicht glauben, dass ich keine<br />
Rumänin bin und eigentlich gar nicht dazugehöre.<br />
Ich fühle mich als Teil eines einzigartigen Integrationsprozesses,<br />
denn ich wurde zur Rumänin, oder wie<br />
wir sagen zur „Rumänerin“ gemacht. Dank der Ciucius<br />
habe ich eine Sprache gelernt, ein Land kennengelernt<br />
und bin Teil einer Kultur geworden, aus der ich eigentlich<br />
nicht stamme.<br />
Da mich Tanti Dorina vor zwanzig Jahren wie eine<br />
Tochter bei sich aufnahm und mir erlaubte, Teil ihrer<br />
großartigen Familie zu sein, kann ich heute voller Stolz<br />
sagen: „Eu sunt romanca“ 3 ! ●<br />
1 Alle Dinge macht Gott zur rechten Zeit schön.<br />
2 Ich liebe dich<br />
3 Ich bin Rumänin.<br />
Abb.: Thomas Hochwallner<br />
#fuckreality<br />
ÖFFNUNGSZEITEN<br />
DI – FR 11.00 – 19.00H<br />
SA 11.00 – 15.00H<br />
EINTRITT FREI<br />
AUSSTELLUNG<br />
05 10 20<strong>18</strong> –<br />
24 11 20<strong>18</strong><br />
Kuratiert von<br />
Martin Kusch<br />
Alexandra Schantl<br />
Ruth Schnell<br />
KUNSTRAUM NIEDEROESTERREICH<br />
HERRENGASSE 13<br />
A-1010 WIEN<br />
WWW.KUNSTRAUM.NET
MEINUNG<br />
Nichts erlebt.<br />
Auch schön.<br />
Willkommen zurück aus der Sommerpause!<br />
Ich hoffe, ihr seid alle noch frisch von<br />
den Ferien. Habt ihr viel gesehen? Viel<br />
erlebt? Ich habe in meinem Urlaub nichts<br />
gemacht. Und es war großartig.<br />
Ich hatte diesen Sommer das Privileg,<br />
eine Woche lang auf einem Boot zu<br />
sitzen und nichts zu tun. Keine Verpflichtungen,<br />
keine Aufgaben, kein Internet,<br />
kein Fernseher. Nur essen, schlafen,<br />
lesen und auf das große weite Meer<br />
hinausblicken.<br />
Vor drei Jahren wäre das noch undenkbar<br />
gewesen. Ich bin ein Mensch, der<br />
immer viel Action braucht – auch im<br />
Urlaub. Eine Woche Nichtstun am Strand<br />
ist für mich ein absolutes No-Go. Ich bin<br />
eher für Hardcore-Sightseeing, mehrtägige<br />
Wandertouren und exzessives<br />
Feiern. Wer braucht schon Schlaf? Aber<br />
heuer konnte ich gar nicht genug Ruhe<br />
von meinem turbulenten Alltag bekommen.<br />
Es ist so angenehm, wenn deine<br />
einzige Herausforderung darin besteht,<br />
zu entscheiden, ob du am Abend Pasta<br />
isst oder doch lieber Pizza. Doch um<br />
ehrlich zu sein: Das mit Strandurlaub in<br />
Bibione mit 10 Millionen anderen Menschen<br />
habe ich immer noch nicht ganz<br />
verstanden. Das muss mir bitte noch<br />
jemand erklären.<br />
grman@dasbiber.at<br />
KARRIERE & KOHLE<br />
Studieren statt Saunieren<br />
Von Andrea Grman<br />
FOMO<br />
(fear of missing out)?!<br />
Nicht mit uns! Im 15. Bezirk<br />
gibt‘s bald was Neues: Die<br />
VHS eröffnet dort das „Neue<br />
Colosseum“ – ein Treffpunkt<br />
für alle Kampfkunst-Interessierten<br />
jeglichen Alters und<br />
Fitnesslevels. Durch die Kombination<br />
aus Technik, Kraft,<br />
Beweglichkeit und Genauigkeit<br />
<strong>fin</strong>dest du zu körperlicher und<br />
mentaler Stärke. Die perfekte<br />
Gelegenheit, um voll an dein<br />
Limit zu gehen. Lass dir dieses<br />
Kampfvergnügen nicht entgehen<br />
und schau beim Schnuppertag<br />
am 20. September in<br />
der VHS Rudolfsheim-Fünfhaus<br />
vorbei. Mehr Infos unter<br />
www.vhs.at/rudolfsheim<br />
Wie hat deine Karriere<br />
begonnen?<br />
Ich habe eine Lehre<br />
gemacht - allerdings<br />
als Kellner. Danach<br />
habe ich zwei Jahre<br />
lang als Kellner gearbeitet,<br />
bevor ich mich<br />
1996 als Filialleiter bei<br />
MONDO (jetzt Penny)<br />
bewarb. Das war mein<br />
Ziel und das habe ich<br />
auch geschafft.<br />
Was sind Herausforderungen<br />
in deinem<br />
Arbeitsalltag bei<br />
PENNY?<br />
In der Filiale selbst<br />
gibt es selten Schwierigkeiten,<br />
denn da ist<br />
man ein eingespieltes<br />
Team.<br />
Doch zurzeit habe ich<br />
Schwierigkeiten bei<br />
der Personalsuche.<br />
Es ist gar nicht so einfach, eine<br />
passende Person zu <strong>fin</strong>den, die das<br />
4<br />
FRAGEN AN:<br />
V. Mujanovic, Filialleiter und<br />
Rayonsleiter in spe bei PENNY<br />
Vom Lehrling zum<br />
Rayonsleiter<br />
Coaching-Tipp<br />
An alle im Ausland geborenen<br />
Frauen, die sich in Österreich selbständig<br />
machen möchten: Komm<br />
zur OpenBox Academy vom 1. bis<br />
3. Oktober 20<strong>18</strong>, organisiert von<br />
KulturenReich. Hier bekommst du<br />
Unterstützung bei Ideen<strong>fin</strong>dung,<br />
Businessplan und Marketing. Bewirb<br />
dich bis zum 21. September 20<strong>18</strong>:<br />
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EVENT-TIPPS<br />
Hey, Jungtalente, aufgepasst! Im Oktober<br />
gibt es gleich mehrere Events für euch:<br />
Schaut am 9. Oktober bei der fair.versity<br />
Austria für einen CV-Check, Karrierecoaching<br />
und interessante Speaker vorbei<br />
(www.fairversity.at). Am 17. Und <strong>18</strong>.<br />
Oktober erfahrt ihr am Tag der Lehre+<br />
alles über die Jobs der Zukunft (www.<br />
tag-der-lehre.at). Beide Messen <strong>fin</strong>den im<br />
MAK Wien statt.<br />
Team gut ergänzt.<br />
Ab wann bist du in<br />
deinen Augen<br />
erfolgreich?<br />
Wenn meine Mitarbeiterinnen<br />
und<br />
Mitarbeiter gerne und<br />
motiviert zur Arbeit<br />
kommen und ich sie in<br />
jeder Hinsicht unterstützen<br />
kann.<br />
Hast du Tipps für<br />
Menschen, die neu in<br />
Österreich sind?<br />
Das Wichtigste ist,<br />
dass du aktiv auf die<br />
Menschen im Land<br />
zugehst. In Bezug<br />
auf PENNY muss ich<br />
sagen, dass es wirklich<br />
egal ist, woher<br />
du stammst. Wenn<br />
Persönlichkeit und<br />
Motivation passen,<br />
erlernst du auch die<br />
nötigen fachlichen Fertigkeiten und<br />
kannst erfolgreich sein.<br />
Marko Mestrović, Penny<br />
40 / KARRIERE /
Bessere<br />
Aussichten!<br />
www.vhs.at
Selbermacher<br />
Christoph Thomann<br />
würde keiner Fliege<br />
etwas zuleide tun.<br />
Aber einer<br />
Heuschrecke oder<br />
einem Mehlwurm?<br />
Mit Sicherheit!<br />
Text: Nada El-Azar, Fotos: Susanne Einzenberger<br />
Uns wird von klein auf beigebracht:<br />
Was am Boden kriecht, isst man<br />
nicht“, sagt Christoph, am Tresen<br />
des Berber am Naschmarkt stehend. Hier<br />
gibt es einige Produkte seines Unternehmens<br />
Zirp bereits zu kaufen: Gefriergetrocknete<br />
Mehlwürmer und in Salz ausgebackene<br />
Heuschrecken in hipper Verpackung. Auch<br />
im nussig-schmeckenden Pesto wurmt‘s.<br />
Der 32-jährige, studierte Gesundheitsmanager<br />
kam zum ersten Mal durch einen<br />
FH-Kollegen mit dem Thema Insekten essen<br />
in Berührung. Jetzt, im verflixten siebenten<br />
Jahr, steht Christoph mit Zirp vor großen<br />
Herausforderungen. „Bisher bin ich eine<br />
One-Man-Show, und um das Thema auf<br />
höhere Ebenen zu bringen, brauche ich<br />
mehr Partner.“<br />
Da ist ja der<br />
Wurm drin!<br />
NAHRHAFT UND NACHHALTIG<br />
Was ist die Mission von Zirp? „Ich möchte<br />
die Menschen an eine gesunde Alternative<br />
zu Fleisch heranführen.“ Besonders im<br />
Punkt Nachhaltigkeit haben die Insekten die<br />
Fühler vorn. Für einen Output von einem<br />
Kilogramm Protein verbraucht das Züchten<br />
von Heimchen lediglich 2kg Futtermittel<br />
und wenig Wasser - im Gegensatz zum<br />
Rind, welches dafür 20kg Futter und ganze<br />
16.000 Liter Wasser benötigt. „80 Prozent<br />
unserer Ackerflächen werden für die Produktion<br />
von Fleisch verwendet – das geht<br />
sich nicht lange aus“, sagt Christoph. Zwei<br />
Milliarden Menschen weltweit essen täglich<br />
Insekten, in denen Proteine, ungesättigte<br />
Fettsäuren, Vitamine und weitere wichtige<br />
Bausteine enthalten sind. „Wir ekeln uns nur<br />
42 / KARRIERE /
davor, weil wir so erzogen wurden. Auch<br />
ich musste mich natürlich überwinden.“<br />
Wer sich nicht an den Anblick gewöhnen<br />
möchte, kann etwa aus Mehlwürmern ganz<br />
leicht ein nahrhaftes Mehl herstellen.<br />
UNGEZIEFER IN DEN MUND?<br />
In den Anfangsjahren von Zirp war es<br />
schwer, an die Insekten für die Weiterverarbeitung<br />
zu kommen. „Wir sind<br />
tatsächlich ins Tiergeschäft gegangen,<br />
weil wir es nicht besser wussten“, lacht<br />
Christoph. „Aber wir haben nun Partner,<br />
die Insekten eigens für den menschlichen<br />
Subtil im Pesto,<br />
oder doch im<br />
Naturzustand?<br />
Insekten sind<br />
vielseitig weiterzuverarbeiten.<br />
Verzehr züchten.“ Welche Tiere verarbeitet<br />
werden, entscheiden die Züchter. Die<br />
Mehl- und Buffalowürmer, die aus Kärnten<br />
kommen, eignen sich hervorragend für<br />
eine Massenzüchtung. Die Vorarlberger<br />
Wanderheuschrecken bleiben hingegen<br />
eine Delikatesse, allein dadurch, dass sie<br />
als Flug- und Schwarmtiere schwerer zu<br />
züchten sind. Ab Oktober sind Zirp-Produkte<br />
auch im Einzelhandel erhältlich.<br />
Mutig genug? Unterstütze Zirp jetzt:<br />
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stellen, die die Gründung eines<br />
Unternehmens betreffen. Im<br />
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rechtliche Voraussetzungen,<br />
Amtswege oder Finanzierungsund<br />
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wichtigen Informationen.<br />
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Die Selbermacherw-Serie ist eine<br />
redaktionelle Kooperation von das<br />
biber mit der Wirtschaftskammer<br />
Wien.<br />
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TECHNIK & MOBIL<br />
Alt+F4 und der Tag gehört dir.<br />
Von Adam Bezeczky<br />
Einmal Rossi sein<br />
MEINUNG<br />
Share<br />
and care<br />
Mittlerweile teilen wir alles: Fahrräder,<br />
Autos und Mopeds. Flott<br />
per App gebucht sind sie Verkehrsmittel,<br />
die allen gehören.<br />
Doch damit geht auch Verantwortung<br />
verloren – weil sich<br />
die Nutzer häufig denken „Wozu<br />
damit schonend umgehen,<br />
gheat ja eh ned mir“. Das hat im<br />
Gebüsch liegende Fahrräder, zerfahrene<br />
Autos und Mopeds, die<br />
im Weg rumstehen, zur Folge.<br />
Wir lernen also: „Shared Economy“<br />
funktioniert nur mit disziplinierten<br />
Menschen. Vielleicht<br />
könnten wir die freie Zeit, die wir<br />
durch die vielen Apps gewinnen,<br />
sinnvoll nutzen. Um zum Beispiel<br />
Verantwortungsbewusstsein und<br />
den menschenwürdigen Umgang<br />
miteinander zu üben. Denn nur<br />
weil wir Technologie haben,<br />
heißt es nicht, dass wir uns auch<br />
wirklich weiter entwickelt haben.<br />
bezeczky@dasbiber.at<br />
MotoGP auf der Nintendo Switch ist die einzige Möglichkeit für Motorrad-Fans,<br />
auch unterwegs auf die Rennpiste zu gehen. Publisher Milestone lässt sich<br />
nicht lumpen und hat nicht nur das gesamte MotoGP-Fahrerlager abgebildet,<br />
sondern auch einen Karrieremodus spendiert. Leichte Abstriche müssen<br />
die Fans bei der Grafik machen, doch das Gesamtpaket ist aus einem Guss.<br />
Freunde des gepflegten Motorsports können bedenkenlos zugreifen!<br />
Wild wild West<br />
In Red Dead Redemption 2 durchstreifen<br />
wir als Arthur Morgan den amerikanischen<br />
Wilden Westen. Bereits jetzt ist das Spiel<br />
von GTA-Macher Rockstar Games eine der<br />
meisterwarteten Releases des Herbstes.<br />
Ob wir als Halunke mit Herz oder als gnadenloser<br />
Revolverheld in die Geschichtsbücher<br />
eingehen, entscheiden wir selbst<br />
– das Spiel wird komplette Handlungsfreiheit<br />
bieten.<br />
LÄSTIGE<br />
AKTIONÄRE<br />
Weil Elon Musk die lästigen<br />
Fragen der Aktionäre auf<br />
den Keks gehen, will er Tesla<br />
von der Börse nehmen. Das<br />
Kleingeld - einige Milliarden<br />
Dollar - sollen Investoren aus<br />
Saudi-Arabien beisteuern.<br />
Schließlich ist das Erdöl-Zeitalter<br />
am Auslaufen. Eigentlich<br />
keine schlechte Idee von<br />
Musk, zwei Fliegen mit einer<br />
Klappe zu<br />
schlagen<br />
- doch die<br />
Börsenaufsicht<br />
SEC ermittelt, ob<br />
Musk mit seiner<br />
Ankündigung<br />
gegen Gesetze<br />
verstoßen hat.<br />
Marko Mestrović, Rockstar Games, Milestone<br />
44 / TECHNIK /
DER TOP-EVENT<br />
FÜR JOBS MIT ZUKUNFT!<br />
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und Online-<br />
Anmeldung auf<br />
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• Der Eintritt ist kostenlos.<br />
• Öffnungszeiten: 1 7.+<strong>18</strong>. OKT: von 08:30 Uhr – 15:30 Uhr<br />
/ MIT SCHARF / 45<br />
Bezahlte Anzeige
LIFE & STYLE<br />
Mache mir die Welt, wie sie<br />
mir gefällt<br />
Aleksandra Tulej<br />
MEINUNG<br />
Ehre, wem<br />
Ehre gebührt.<br />
„Aber das gehört sich nicht.“ – Diesen<br />
Satz habe ich in den letzten Wochen einmal<br />
zu oft gehört. Ich war längere Zeit in<br />
Polen unterwegs und er scheint dort wie<br />
ein grausames Mantra in die Köpfe der<br />
Leute eingeprägt zu sein. Es gehört sich,<br />
sonntags in die Messe zu gehen. Obwohl<br />
der Pfarrer schon wegen sexueller Belästigung<br />
Minderjähriger angeklagt ist.<br />
Es gehört sich, deine Oma in einer anderen<br />
Stadt zu besuchen. Obwohl du mit<br />
jener Oma keine einzige positive Konnotation<br />
hast, milde ausgedrückt. Es gehört<br />
sich, den Nachbarn lächelnd zu grüßen,<br />
obwohl dieser jedes Mal auf deine Brüste<br />
starrt, wenn er mit dir redet und dabei<br />
grausig grinst. Wisst ihr was? Nein,<br />
oida. Time`s up. Respekt bekommt von<br />
mir der, der sich ihn verdient und mich<br />
genau so behandelt. Ich werde nicht<br />
mehr höflich, nett und zuvorkommend<br />
zu Menschen sein, die mir nicht dasselbe<br />
erweisen. Egal, ob es ältere Menschen<br />
sind, der Papst, der König von Madagaskar<br />
oder einfach jemand, den man<br />
tolerieren muss, weil „es halt so ist.“ Mir<br />
wird keiner mehr sagen, was sich gehört<br />
und was nicht.<br />
tulej@dasbiber.at<br />
SONNENBRAND-TIPP:<br />
HAUTFARBE<br />
ROT-WEISS-ROT<br />
Während mein Instagram-Feed von goldgebräunten<br />
Bikinifotos am Strand überschwemmt<br />
ist, trägt meine Haut momentan den Farbton<br />
Österreich: Rot-weiß-rot. Ich schäle mich außerdem<br />
wie eine Schlange, mein Po ist rot wie der<br />
von einem Pavian und allgemein ähnelt meine<br />
Hautfarbe der eines deutschen Familienvaters<br />
am Ballermann. Sogar meine Fußsohlen schälen<br />
sich. Mehr sexy geht nicht, echt nicht. Ich<br />
hatte die Sonne im Norden Polens also unterschätzt<br />
und jaule nun jedes Mal auf, wenn ich<br />
irgendwo ankomme. BH tragen ist auch nicht<br />
drin, aber dafür ist es sowieso zu heiß. Ich war<br />
quasi schon in Bepanthen baden und schmiere<br />
mich mit allem ein, was ich in die Finger<br />
kriege. Die Erlösung habe ich aber erst in der<br />
Natur gefunden: Eine Aloe Vera Pflanze. Keine<br />
Creme mit Aloe-Extrakt, kein Sprüh-Dings mit<br />
Aloe drin, einfach direkt den Saft der Pflanze<br />
auf den wunden<br />
Körper schmieren<br />
und langsam<br />
aber sicher wieder<br />
atmen können.<br />
Bald kann es meine<br />
Haut vielleicht<br />
auch.<br />
Yoga-Tinka<br />
Yogalehrerin<br />
EXPERIMENT<br />
Make-up für<br />
die Haare?<br />
Ich färbe mir meine Haare<br />
immer selbst, was allerdings<br />
schon zu dem ein<br />
oder anderen Fiasko geführt<br />
hat, wie dem Textmarker-<br />
Debakel im September<br />
2017, wir erinnern uns alle.<br />
Wer nicht so (über)mütig<br />
ist und trotzdem Bock auf<br />
bunte Haare hat, kann sich<br />
jetzt freuen: Das Colovista<br />
Hair Make-up von L’Oreal<br />
gibt es im ganzen Farbspektrum<br />
des Regenbogens.<br />
Die Farbe lässt sich auf<br />
einzelne Strähnen auftragen<br />
und wäscht sich nach einer<br />
Haarwäsche wieder aus.<br />
Easy und für Experimente<br />
jedenfalls top!<br />
Wie bist du zum Yoga gekommen?<br />
Als Teenager habe ich Yoga ausprobiert<br />
und irgendwann ist es zu einer regelmäßigen<br />
Praxis geworden. Mittlerweile ist<br />
Yoga für mich ein Werkzeug zum Entspannen,<br />
Auspowern und um meine Gedanken<br />
zu beruhigen, je nachdem, was ich gerade<br />
brauche.<br />
Warum sollte jeder Yoga machen?<br />
Yoga bringt Bewegung in unseren Körper<br />
und Geist und das wirkt sich auf unseren<br />
Gefühlszustand aus. Je entspannter und<br />
ausgeglichener wir sind, desto freundlicher<br />
und glücklicher werden wir dann.<br />
Mehr über die Yoga-Stunden <strong>fin</strong>det ihr auf<br />
Instagram: yoga_tinka, Facebook: Yoga-<br />
Tinka oder auf www.yogatinka.at<br />
Marko Mestrović, Unsplash, another kind of beauty blog<br />
46 / LIFESTYLE /
TM<br />
Mc<br />
Menü<br />
Mc<br />
F1rst Chicken<br />
Das McF1rst Menü besteht entweder aus einem McF1rst Beef oder McF1rst Chicken, mittleren Pommes oder Snack Salat<br />
und einem mittleren Kaltgetränk (ausgenommen Bier, Orangensaft). *Unverbindliche Preisempfehlung. In allen teilnehmenden<br />
Restaurants. Nicht mit anderen Rabatt-Aktionen kombinierbar. Produkte teilweise mit Schmelzkäsezubereitung.
JUNG,<br />
MUSLIMISCH,<br />
GUTAUSSEHEND<br />
Fotos: Marko Mestrović<br />
Glowing skin is<br />
always in. Eine<br />
marokkanischdeutsche<br />
Besucherin<br />
mit blumigem<br />
Kopfschmuck.
Ob freitags vor der Moschee oder beim morgendlichen<br />
Festtagsgebet: Wiener Muslime<br />
machen mit ihren farbenprächtigen Outfits<br />
die Straßen Wiens unsicher. Sie holen ihr<br />
spektakulärstes Gewand aus dem Schrank<br />
und verwandeln damit jede Moschee in eine<br />
Modenschau. Time to shine!<br />
Männer aus Gambia glänzen mit ihren farbenprächtigen<br />
Gewändern. Wortwörtlich.<br />
/ MIT SCHARF / 49
Für die einen ist ein<br />
Henna-Muster ein<br />
schönes Accessoire,<br />
für die anderen ein<br />
langlebiger Brauch.<br />
50 / MIT SCHARF /
Ohrringe farblich abgestimmt<br />
auf das Kopftuch: Muslimische<br />
Mode, wie sie leibt und lebt.<br />
Die Kunst liegt im Detail. Wie bei<br />
dieser somalischen jungen Frau.<br />
Sprachen<br />
lernen<br />
und mehr<br />
verstehen<br />
Jetzt Englisch, Spanisch,<br />
Italienisch und viele weitere<br />
Sprachen lernen.<br />
Jetzt<br />
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WIFI. Wissen Ist Für Immer.<br />
wifiwien.at/sprachen<br />
/ MIT SCHARF / 51
Je bunter, desto<br />
besser! Traditionelles<br />
aus Kenia.
WAS FRAU BEWEGT<br />
Like & Schein<br />
Von Delna Antia-Tatić und Julie Brass (Fotos)<br />
Weißes Kleid und Strohhut oder unrasiert mit Kaiserschnittsnarbe? Die<br />
Welt auf Social Media inszeniert alles, Hauptsache, es gefällt. Wir fragen<br />
uns: Was ist echt, was privat und was will ich sein? 1 Tag, 1 Auto,1 Thema<br />
– und 5 Frauen, die losfahren, den Kopf frei kriegen, ordentlich PS<br />
genießen und sich austauschen; darüber: Was Frau bewegt.<br />
Diesmal: Selbstbilder in Social Media.<br />
/ LIFESTYLE / 53
NUR WER POSTET, EXISTIERT<br />
Wir werden unterbrochen. Jemand ist da, in unserem Auto. Es<br />
ist eine Frau und sie will wissen, ob sie etwas für uns tun kann.<br />
Halleluja! Der bzw. „die Mercedes“ spricht mit uns. Natürlich<br />
gibt es stets jede Menge für uns zu tun. Aber weil dieser Samstag<br />
mit Wind und Regen startet, wünschen wir es uns zunächst<br />
einmal wärmer. Höflich verkündet uns Miss Mercedes, dass sie<br />
die Temperatur auf 23 Grad regelt. WOW. Das ist wahrhaft ein<br />
soziales Medium! Unsere neue A-Klasse <strong>18</strong>0d redet, versteht,<br />
lernt und wechselt auf Wunsch den Radiosender. Unbewusst,<br />
aber dank weiblicher bzw. plappernder Intuition, hatten wir sie<br />
mit dem Codewort „Hey Mercedes“ aktiviert und schon war sie<br />
ganz Ohr. Wir werden ganz flattrig. Im Kontakt mit künstlicher<br />
Intelligenz verpassen wir fast die Einfahrt. Aber „Mercedes“<br />
behält die Nerven. Sie ist nicht nur eine Frau des Wortes, sondern<br />
auch der Tat. So bremst sie kurzerhand – und ohne höflich<br />
zu fragen – als sie meine Abstandsbemessung beim Wenden<br />
zu gewagt <strong>fin</strong>det.<br />
Dann lässt sie mich die Einfahrt passieren und wir steigen<br />
aus. In „Heidi’s Zauberpark“ entdecken wir weiße Hasen im<br />
Gras, ein blaues Pferd im Teich und Kois im Wasser. Hier ist<br />
wohl #digitaldetox und #inspirationalquotes angesagt, grinsen<br />
wir. Die Grünoase der Lebensberatung ist zwar nicht gerade<br />
„instagramable“, aber der Ort beschäftigt sich mit einer ähnlicher<br />
Frage: Wie viel Zauber braucht es zum Glück?<br />
Keine 08/15-Fotos bitte! Fashionexpertin Barbara hat da ästhetische<br />
Ansprüche. „Verstanden“ antworten wir und Miss Mercedes.<br />
#sprachsteuerung #socialstars #hightechluxus<br />
Selbst die Schönen sind heute nicht mehr schön!“<br />
Unsere Fotogra<strong>fin</strong> ist sofort im Thema. Nicht nur<br />
Menschen mit normalen Taillen, Nasen und Oberarmen<br />
stünden unter Druck, übernatürlich schlank,<br />
zierlich und muskulös auszusehen. „Selbst Models, die eh<br />
schon dünn sind, ziehen auf Instagram ihre Taille schmäler –<br />
und verschieben dabei den Hintergrund.“ Julie schüttelt den<br />
Kopf. Ich staune währenddessen über die Palette unzähliger<br />
Tools, welche zur digitalen Schnellverschönerung angeboten<br />
werden – und damit jedem Kind suggerieren: Echt ist nicht<br />
erwünscht. Gleichzeitig boomen Trends wie #bodypositivity<br />
#selbstliebe – und erinnert ihr euch noch an #nofilter?<br />
„Was ist da los?“, frage ich in den Rückspiegel. „Alles<br />
Doppelmoral?“. Auf der Rückbank der neusten A-Klasse<br />
kuscheln drei Frauen vom Fach. Marion lehnt sich vor: „Früher<br />
war Social Media ein Ort, wo normale Leute endlich das sein<br />
konnten, was sonst nur Schauspielern und Models vorbehalten<br />
war. Eine Gegenbewegung zur klassischen Welt der Werbung<br />
voller Supermodels. Inzwischen ist aber diese Gegenbewegung<br />
selbst extrem kommerziell.“ Die 35-Jährige ist nicht nur erfolgreiche<br />
Bloggerin und Fotogra<strong>fin</strong>, sondern auch Social Media<br />
Strategin. Ihr Reiseblog „Lady Venom“ hat über 270 Tausend<br />
Follower. (Randbemerkung: Reisebloggen ist ein Job und kein<br />
Urlaub, bitteschön.)<br />
270 Tausend Follower auf Instagram ohne ein einziges Selfie!<br />
Reisebloggerin Marion hat ihre Prinzipien und erinnert sich gern an die<br />
gute alte Zeit, als Instagram noch nicht Mainstream war. #mbux<br />
54 / LIFESTYLE /
„Die KOMMUNIKATIVE“<br />
Unser Testwagen:<br />
Mercedes A <strong>18</strong>0 d<br />
Mit der neuen A-Klasse lässt sich<br />
reden – dank MBUX – Mercedes<br />
Benz User Experience. Intelligente<br />
Sprachsteuerung, Augmented<br />
Reality Navigationstechnologie<br />
und ein ganzheitliches Touchbedienkonzept<br />
samt Touchscreen/<br />
pad machen Fahren zu einem<br />
Luxus- wie Hightech-Erlebnis.<br />
Ausstattung: Fahrassistenz-<br />
Systeme mit S-Klasse-Funktion,<br />
PRE-SAFE-PLUS System, LED<br />
High Performance-Scheinwerfer,<br />
teilautomatisiertes Fahren.<br />
Leistung: 85 kW/116 PS, 260 Nm<br />
Dieses glückliche Lachen ist natürlich nicht inszeniert. Wir hatten beim Shooting ganz in echt<br />
Spaß! Lebensart-Redakteurin Laila kennt nämlich den Unterschied zwischen Wirklichkeit und<br />
Wunschbildern im Social Media. #augmentedreality #keepitreal<br />
Dieses Auto wurde im Rahmen<br />
einer Kooperation mit Mercedes zur<br />
Verfügung gestellt.<br />
KEIN FSK<br />
„Auf Instagram wird Glück inszeniert“, be<strong>fin</strong>det Laila<br />
und strahlt glücklich in Julies Kamera. „Wir teilen unsere<br />
Wunschbilder vom Leben, keine Abbilder vom Echten.“<br />
Das ist oft trivial, ob Happy-Family-Pics, Urlaubsfotos vom<br />
In<strong>fin</strong>itypool oder verträumt im Sonnenblumenfeld, hier zeigt<br />
jeder ein Leben wie in der Ramawerbung. „Daher muss ich<br />
heute auch nicht mehr dürr sein, sondern fit“, ergänzt die<br />
Leiterin des Lebensart-Ressorts beim Kurier. Fitness und<br />
Gesundheit sind wahrliche Mega-Trends im Social Media.<br />
Und „Superbowlfood“ samt Yogafotos mit der Message #keineausreden<br />
sind an sich auch eine gute Sache, bloß geraten<br />
Trends schnell außer Kontrolle. Wenn 12-jährige Mädchen<br />
eine „Veganer-Challenge“ antreten, ist Vorsicht angesagt.<br />
Auf den Kanälen herrscht enormer Druck, Teenies spüren ihn<br />
besonders. „Und es gibt kein FSK“, kritisiert Bloggerin Marion.<br />
Sie wünscht sich mehr „Sendungsverantwortung“ von<br />
ihren KollegInnen und empfiehlt jedem User Selbststeuerung<br />
bei der Mediennutzung: Selbst sie entfolgt bewusst Blogs,<br />
weil der Vergleich ihr nicht gut tut.<br />
Denn natürlich taucht die Frage auf: Wer ist am glücklichsten?<br />
Und anders als im echten Leben kann man das im<br />
Social Media messen. So steht die Inszenierung des Glücks<br />
in Relation zum Kampf um Likes. Das kann ungesund werden<br />
und unglücklich machen. Vergleichen ist immer übel, aber<br />
in einer Scheinwelt mit 1 Milliarden Mitstreitern besonders<br />
frustrierend. „Ich poste gerne Fotos von Reisen. Die Leute<br />
denken dann zwar, ich sei ständig unterwegs,“ zwinkert Barbara,<br />
„aber für mich ist es eine Art Tagebuch.“ Die Fashionista<br />
besitzt dabei einen ästhetischen Anspruch. „Manchmal<br />
frage ich mich schon, warum dieses 08/15-Foto 3000 Likes<br />
bekommt und meins nur 100?“ Marion tröstet: „Anspruchsloser<br />
Content funktioniert immer am besten.“ Sie rät: Posiere<br />
rückwärts mit weißem Kleid und Strohhut, dann multiplizieren<br />
sich die Herzen. Die Reisebloggerin weiß wovon sie spricht.<br />
Und trotzdem <strong>fin</strong>det man auf ihrem Blog kaum Fotos mit ihr<br />
und kein einziges Selfie. Warum? „Das bin ich nicht.“ Authentizität<br />
geht vor „Likeshunting“.<br />
TRÄNEN AUF INSTAGRAM?<br />
Apropos #authenticity: Was haltet ihr von Trends wie Body<br />
Positivity, die zu mehr Selbstakzeptanz motivieren und alte<br />
Frauenbilder durchbrechen wollen, will ich wissen. Gerade<br />
Bloggerinnen halten ja immer öfter die unschönen Seiten des<br />
Lebens vor die Kamera: Von unrasierte Waden, einem Klecks<br />
Regelblutung bis hin zur Kaiserschnittnarbe wird so Aufmerksamkeit<br />
auf Tabuthemen gelenkt. „Das sind gute Gegentrends<br />
– und bringen etwas Tiefe in die Scheinwelt.“<br />
Übrigens, Miss Mercedes hat auch eine Kamera mit der<br />
sie die total reale Realität abbildet. Auf dem – „Wahnsinns“ –<br />
Touchscreen Display im Cockpit wird nämlich per Augmented<br />
Reality Funktion gezeigt, was draußen in echt vorkommt. Dabei<br />
wird nichts beschönigt, wir hatten das auf der Herfahrt genau<br />
kontrolliert: Beim Radfahrer an der Ampel stimmte alles, Taille<br />
und Oberarm entsprachen komplett der Wahrheit. Dafür wird<br />
die Realität mit praktischen Hinweisen wie Hausnummern<br />
versehen. Wirklich intelligent unser Auto mit der schlanken<br />
Silhoutte und dem sportlichen Hintern. So gesehen, kann es<br />
nur glücklich sein.<br />
Wir sind es. Denn ob echt, fake, schön, schiach, gut oder<br />
böse – am Ende zählt doch, dass wir Frauen einen lustigen<br />
Vormittag im Regen hatten. Daher hüpfen wir zum Abschluss<br />
einen Boomerang im Zauberpark, springen in unsere Zauber-A-<br />
Klasse und spielen Mercedes vs. Reality.●<br />
/ LIFESTYLE / 55
MEINUNG<br />
„Das ist meine<br />
Meinung“<br />
Ich war nie besonders gut darin, mit<br />
Meinungen umzugehen, die komplett<br />
von meiner eigenen abdriften.<br />
Zugegeben, das ist nicht die beste<br />
Eigenschaft und ich arbeite daran,<br />
aber ehrlich gesagt, in letzter Zeit<br />
wird es schlimmer. Aufgefallen ist<br />
es mir schon bei „harmlosen“ Dingen<br />
wie Wonder Woman und Black<br />
Panther. Diese Filme repräsentieren<br />
für so viele ein nie dagewesenes<br />
Empowerment und dann killt irgendwer<br />
deinen Vibe mit: „Meh, nix<br />
Besonderes.“ Interessiert keinen. Es<br />
geht um so viel mehr, als ob du den<br />
Film jetzt leiwand <strong>fin</strong>dest oder nicht.<br />
Es gibt Leute, die sind prinzipiell<br />
mal „anti“. Egal welche Argumente,<br />
Hauptsache sie widersprechen dir.<br />
Das hat mich immer schon genervt,<br />
aber unter den heutigen politischen<br />
Bedingungen ist es unerträglich.<br />
Ob du <strong>fin</strong>dest, dass Flüchtlinge im<br />
Meer ertrinken sollten oder nicht,<br />
ist keine Meinung. Genauso wenig<br />
wie, ob Frauen an einer Vergewaltigung<br />
„schuld“ sein können oder es<br />
legitim ist, Kinder an der US-Grenze<br />
ihren Eltern zu entreißen. Und wenn<br />
ja, dann verschone mich bitte mit<br />
deiner „Meinung“.<br />
pantic@dasbiber.at<br />
KULTURA NEWS<br />
Verstaubte Museen sind<br />
Schnee von gestern.<br />
Von Jelena Pantić-Panić<br />
Mit „Island of Promise“<br />
hatte die ungarische Band<br />
Belau 2015 ihren Durchbruch.<br />
Für ihr Debütalbum<br />
wurden die beiden Musiker<br />
mit der Odyssee, dem<br />
ungarischen Grammy, in<br />
der Kategorie elektronische<br />
Musik ausgezeichnet.<br />
Dieses Jahr brachten sie<br />
mit der Österreicherin<br />
Sophie Lindinger den<br />
Track „Breathe“ raus.<br />
Was bedeutet euer<br />
Bandname „Belau“?<br />
Als Kinder lernten wir alle<br />
Hauptstädte der Welt auswendig.<br />
Wir sind dabei auf<br />
die kleine Insel „Palau“ im<br />
Pazifischen Ozean gestoßen.<br />
Die Inselbewohner<br />
nennen es aber „Belau“.<br />
Der Name und die Kultur<br />
haben uns über die Jahre<br />
inspiriert. Wir sind uns<br />
sicher, dass wir dort einmal<br />
spielen werden.<br />
Wie stellt ihr euch eure Fans vor, wenn<br />
sie eure Musik hören<br />
Sie liegen hoffentlich gerade am Strand,<br />
sind auf Reisen oder flüchten aus der<br />
Stadt in die Natur. Wer uns zuhause<br />
oder im Büro hört, stellt sich vermutlich<br />
Buchtipp<br />
FAMILIEN-<br />
GESCHICHTE<br />
“Versteckte Jahre – Der Mann, der meinen<br />
Großvater rettete“ ist die Geschichte vom<br />
jüdischen Hansi, der 1942 dem Tod im KZ<br />
entkam, weil ihm der Österreicher “Pepi”<br />
das Leben rettete. Die 29-jährige Wienerin<br />
und Journalistin Anna Goldenberg hat die<br />
Geschichte ihrer Familie aufgeschrieben.<br />
Die Infos entnahm sie den Notizen ihres<br />
mittlerweile verstorbenen Großvaters, vielen<br />
Gesprächen mit ihrer Großmutter, Dokumenten,<br />
Archiven und Zeitzeugen. „Ich habe<br />
jede Minute des Schreibens genossen”, sagt<br />
Anna. Ein Wunsch blieb ihr jedoch verwehrt:<br />
mit ihrem Großvater darüber zu sprechen.<br />
Erschienen beim Paul Zsolnay Verlag,<br />
um 20 Euro.<br />
5<br />
FRAGEN AN:<br />
vor, in der Natur zu<br />
sein.<br />
Wie ist die Zusammenarbeit<br />
mit Sophie<br />
entstanden?<br />
Leyya (Anm. Sophies<br />
Band) ist ein großartiger<br />
Act, vor allem<br />
dank Sophies Stimme.<br />
Wir haben sie kontaktiert,<br />
ihr gefiel die<br />
Musik sofort und kurz<br />
darauf hat sie ihren<br />
Part geschrieben und<br />
uns geschickt. Wir<br />
haben uns zwar leider<br />
nicht für die Aufnahme<br />
getroffen, sind<br />
aber dafür in Austin,<br />
Texas zusammen<br />
aufgetreten.<br />
Woran arbeitet ihr<br />
derzeit?<br />
Im Fokus liegt das<br />
Touren und im Hintergrund<br />
arbeiten wir am<br />
zweiten Album, das<br />
im Frühling 2019 erscheint.<br />
Was wollt ihr in Zukunft erreichen?<br />
Gute Songs schreiben, viele Menschen<br />
berühren und die Welt bereisen.<br />
BELAU<br />
GOOD<br />
VIBES<br />
ONLY<br />
Alle Infos, Songs und Konzert-Termine <strong>fin</strong>det<br />
ihr unter belaumusic.com<br />
Marko Mestrović, Kristijan Smok, Hansel Literaturverlage, von Belau bereitgestellt<br />
56 / KULTURA /
”Es ist nicht unser<br />
Ziel, eine Mehrheit<br />
zufriedenzustellen.”<br />
CHARITY-LAUF<br />
FÜR EINE OFFENE<br />
FLÜCHTLINGSPOLITIK<br />
“Žen” ist die erste offen lesbische Band am Balkan.<br />
Die vier Kroatinnen aus Zagreb machen<br />
audio-visuellen progressiven Indie Postrock mit<br />
einer queer-feministischen Geisteshaltung und<br />
produzieren ihre Songs in Graz. Ende September<br />
spielen sie zum zweiten Mal in Wien.<br />
<strong>BIBER</strong>: Was<br />
hat es mit dem<br />
Bandnamen auf<br />
sich?<br />
ŽEN: Žen ist ein<br />
fiktives kroatisches<br />
Wort,<br />
das männliche<br />
Geschlecht des<br />
Wortes “Frau”.<br />
Was bedeutet es,<br />
eine künstlerische<br />
Identität aufzubauen, in<br />
Zeiten von populistischen<br />
Kräften, die nicht nur Minderheiten<br />
als Bedrohungen<br />
und Abweichungen betrachten,<br />
sondern auch Frauenrechte<br />
als Ganzes?<br />
Manchmal ist es nicht einfach,<br />
aber da wir beschlossen<br />
haben, ehrlich zu sein und die<br />
Dinge zu tun, die wir lieben,<br />
denken wir, dass wir nicht<br />
anders können. Es ist nicht<br />
unser Ziel, eine Mehrheit<br />
zufriedenzustellen. Wir möchten,<br />
dass unser Publikum über<br />
Dinge nachdenkt, die in der<br />
Welt geschehen, um sich dessen<br />
bewusst zu sein.<br />
Ihr spielt am Waves Festival.<br />
Macht es euch nervös, dass<br />
ihr die Frauen der Musikindustrie<br />
begeistern wollt?<br />
Keinesfalls, es begeistert uns,<br />
dass Frauen sich schließlich<br />
entschlossen haben, in Jobs<br />
zu arbeiten, in denen sie<br />
immer eine Minderheit waren.<br />
Das ist fantastisch. Wir<br />
treffen immer mehr Frauen<br />
in der Musikindustrie und wir<br />
denken, dass sie sehr gut und<br />
hingebungsvoll sind und sich<br />
ihrem Geschäft voll widmen.<br />
Wer sind eure Heldinnen?<br />
Helden sind alle Frauen, die<br />
sich entschieden haben, ihre<br />
Meinung ohne Angst auszudrücken,<br />
all die Mütter, die<br />
ihre Kinder geleitet haben und<br />
besonders erwähnt Vox Feminae,<br />
Rdeče zore, Pitchwise…<br />
Žen treten am 28. September am<br />
diesjährigen Waves Vienna Festival<br />
auf. Das Festival steht heuer unter<br />
dem Motto “East meets West“ und<br />
dauert von 27.-29. September<br />
20<strong>18</strong>, weitere Infos unter wavesvienna.com<br />
LebensLauf<br />
30. September 20<strong>18</strong><br />
Kurpark Oberlaa<br />
1100 Wien<br />
Info und Anmeldung<br />
www.lebens-lauf.at<br />
Wir brauchen Hilfe,<br />
um helfen zu können!<br />
/ KULTURA / 57
MEINE STRASSE, MEIN ZUHAUSE,<br />
MEIN PARK<br />
58 / KULTURA /
Die Medien schreiben<br />
über sie, die Anrainer<br />
beschweren sich und die<br />
Polizei beobachtet sie mit<br />
Argusaugen. Aber wer<br />
sind die Wiener Park-Kids<br />
wirklich und welche Regeln<br />
gelten in ihrer Welt?<br />
Von Jelena Pantić-Panić, Fotos gregorbuchhaus.com und Park-Kids<br />
Die hoarten Jungs aus dem Park<br />
Knockout. Ein Körper liegt am Boden, der Täter<br />
sprüht mit Kreide die Umrisse der Silhouette<br />
auf den Asphalt. Was wie eine Folge von Law<br />
& Order beginnt, ist in Wahrheit ein harmloses<br />
Straßentheater im Fiakerpark im dritten Wiener<br />
Gemeindebezirk. Die beiden Protagonisten Sabine Maringer (im<br />
Stück Shugga X) und Arno Uhl (Angelo A.) haben den „Fightclubfuture“<br />
ins Leben gerufen, ein interaktives Stück über<br />
Versagensängste, den Wunsch nach Anerkennung - In der<br />
einzigen Sprache, die die Jugendlichen berührt: Rap.<br />
Mit Texten wie „egal wie die anderen ticken, lass dir deinen<br />
Kopf nicht ficken“, will die Compania Tétaté zu den Jugendlichen<br />
durchdringen, mit ihnen das „Park Life“ feiern und sie<br />
bestärken. Zuerst muss sie aber in ihre Köpfe blicken. Monatelang<br />
beschäftigten sich die beiden Streetartists Sabine und<br />
Arno mit dem Mikrokosmos Park und den Lebensrealitäten<br />
Jugendlicher, die sieben Stunden täglich dort verbringen.<br />
WIE FUNKTIONIERT EIGENTLICH<br />
EIN PARK?<br />
Aber: Park ist nicht gleich Park. Jeder Park ist räumlich verschieden<br />
unterteilt, was das soziale Gefüge maßgeblich formt.<br />
Eine mögliche Einteilung könnte so aussehen: In der einen<br />
Ecke spielen ältere Männer Karten, im Käfig spielen Jugendliche<br />
Fußball, auf den Bänken ruhen sich Passanten aus, am<br />
Spielplatz rutschen kleine Kinder, die Mütter sitzen in der Nähe,<br />
passen auf und plaudern und irgendwo am<br />
Rand trinken ein paar Alkoholiker ihr Bier.<br />
Änderungen können hier eine große Wirkung<br />
haben. Zum Beispiel eine Baustelle in der<br />
Alko-Ecke drängt die Trinker näher an die<br />
Kinder - wie verändert sich dann das Gefüge?<br />
„Die Kinder wissen ganz genau wer in welche<br />
Ecke gehört und wo sie sich aufhalten dürfen<br />
und wo nicht“, erklärt Theaterpädagogin<br />
und Straßenkünstlerin Sabine. Insgesamt<br />
sind Parks nach den vorgesehenen Tätig-<br />
Den größten<br />
Zündstoff im<br />
Stück bietet<br />
die starke<br />
Frauenrolle.<br />
keiten getrennt, manchmal aber auch nach Nationalitäten oder<br />
Geschlecht.<br />
NO GIRLS ALLOWED<br />
Apropos Geschlecht: Den größten Zündstoff im Stück bietet<br />
die starke Frauenrolle. Die Burschen halten es teilweise schwer<br />
aus, dass Shugga X im Streit ihrem Spielpartner widerspricht<br />
und er sich am Ende sogar bei ihr entschuldigt. „Was ist das für<br />
ein Mannsweib? Hau ihr doch eine rein, wenn sie sich so aufführt!“,<br />
tönt es aus dem Käfig. Gerade der Park ist für Burschen<br />
ein Raum, an dem sie ihre Männlichkeit reproduzieren und zur<br />
Schau stellen. Mädchen sind hier deutlich eingeschränkter.<br />
Bereits eine Studie aus 2002 zur Freizeitsituation jugendlicher<br />
MigrantInnen in öffentlichen Räumen thematisiert strenge<br />
Verhaltensvorschriften, Regulierungen und eine Formulierung<br />
sozialen Verhaltens, die bestimmen wie Mädchen sich zu<br />
benehmen haben. Halten sie diese Vorgaben nicht ein, werden<br />
sie mit Gerüchten, Klatsch und Ausschluss bestraft.<br />
Je älter sie werden, je später die Tageszeit und je kälter<br />
das Wetter, desto weniger Mädchen <strong>fin</strong>den sich in Parks. Doch<br />
auch Mädels untereinander machen es sich nicht einfach.<br />
Mädchengruppen brechen leichter und der Umgang in der<br />
Gruppe ist teilweise brutaler als bei Burschen. Diese haben<br />
eine wesentlich unkompliziertere Gruppenbildung, während<br />
Mädchen aus ihrer viel schneller rausfliegen. Einen Sonderstatus<br />
im Park erreicht ein Mädchen, wenn einer der Burschen<br />
in sie verliebt ist - dann wird sie von allen<br />
beschützt. Das und vieles mehr beschreibt<br />
Danila Mayer in ihrem Buch „Park Youth in<br />
Vienna“, wo sie den Mikrokosmos Park mit<br />
allen seinen Besonderheiten untersucht und<br />
zeigt, dass das Sozialverhalten in Parks eine<br />
regelrechte Wissenschaft ist.<br />
WER SIND DIE PARK-KIDS?<br />
Um zum Stück zurückzukehren: Während<br />
manche Burschen von der starken Frauen-<br />
/ KULTURA / 59
Die Jungs müssen ihre Probleme im Park ganz selbst aus der Welt schaffen<br />
rolle irritiert waren, emp<strong>fin</strong>den sie die Mädchen, vor allem die<br />
kleinen, als tolles Vorbild. Dabei ging es den Autoren weniger<br />
um Mann-Frau, sondern darum, „dass man trotz eines Streits<br />
zueinander zurück<strong>fin</strong>det, den Schmerz des anderen versteht<br />
und zusammenhält“, erzählt Sabine.<br />
Und Schmerz emp<strong>fin</strong>den die Jugendlichen oft. Viele von<br />
ihnen fühlen sich entweder unbeachtet, missverstanden oder<br />
abgestempelt. Wenn sie jünger sind, haben sie noch Ambitionen.<br />
„Sie sagen Sachen wie: Lachen Sie mich bitte nicht aus<br />
aber ich will Astronaut werden“, erzählt Sabine. Diese Träume<br />
werden von Lehrern und Eltern zerstört. Die Kids werden nicht<br />
ausreichend unterstützt und wer mit fünf Menschen in zwei<br />
Zimmern wohnt, sich um seine Geschwister kümmern, im<br />
Haushalt helfen und dolmetschen muss, hat kaum Möglichkeiten<br />
sich selbst zu entfalten.<br />
AUSBILDUNG: STRASSE<br />
Durch diese Umstände haben die Kids in jungen Jahren schon<br />
sehr viel Lebenserfahrung. Der Park ist zudem ein guter Lehrer.<br />
„Die Kinder und Jugendlichen gehen alleine in den Park und<br />
da es niemanden gibt, der maßregelt, müssen sie jegliche<br />
Probleme untereinander ausmachen“, erläutert Sabine die<br />
Eigenständigkeit der Park-Kids. Sie können vielleicht nicht<br />
Goethe zitieren aber sie können sich ausgezeichnet alleine<br />
zurecht<strong>fin</strong>den. Sie sind street smart, charmant und haben eine<br />
außerordentlich hohe Beobachtungsgabe. Ihr Park ist ihr Platz<br />
und sie wissen wer da hingehört und wer nicht.<br />
HOL’ DOCH DIE POLIZEI!<br />
Park-Kids gibt es aber immer weniger. Parkbetreuungseinrichtungen<br />
berichtet von einem Schwund der Jugendlichen durch<br />
die Ausbildungspflicht, die mit dem Schuljahr 2017/<strong>18</strong> in Kraft<br />
getreten ist. Dadurch sind mehr Kinder in<br />
den Parks und je mehr kleine Kinder, desto<br />
weniger Jugendliche. Und die die noch<br />
da sind, fühlen sich von Polizeikontrollen<br />
eingeschüchtert. Parkbetreuung sowie die<br />
Jugendlichen selbst nehmen verstärkte Polizeikontrollen<br />
wahr. „Der einzige öffentliche<br />
Platz, an dem sie sich frei bewegen können,<br />
wird ihnen weggenommen“, sagt Sabine.<br />
Aus der Landesdirektion Wien kann man das<br />
Oft entstehen<br />
hier Freundschaften<br />
fürs<br />
Leben …<br />
kaum bestätigen: „In den Sommermonaten sind generell mehr<br />
Menschen im öffentlichen Raum, da wird präventiv kontrolliert.<br />
Es gibt aber keine angelegte Aktion und keinen verstärkten<br />
Schwerpunkt.“ Kontrolliert wird nach Verschmutzungen,<br />
Sachbeschädigungen wie Graffiti aber auch Suchtmittel und<br />
Körperverletzung sind Thema. Ein Standardeinsatz der Polizei<br />
im Park: Lärmbelästigung.<br />
WIR GEGEN DEN REST DER WELT<br />
Die meist älteren Damen, die sich über den Lärm der Jugendlichen<br />
beschweren, sind aber ihr kleinstes Problem. Sobald sie<br />
mitbekommen, dass sie von biber interviewt werden, brennt<br />
ihnen ein anderes Thema auf der Zunge: Strache, Kurz und<br />
Kopftuch. Die Wut ist groß: „Auf Strache. Und auf Österreicher.<br />
Sie wollen, dass Kopftuch und so wegkommt, weil sie<br />
Angst haben. Aber sie verstehen nicht, dass nicht jeder Muslim<br />
Terrorist ist. Es sind ganz normale Menschen und die die was<br />
machen, sind einfach dumm“, sagt der 13-jährige Tilo mit<br />
kosovo-albanischen Wurzeln.<br />
Obwohl sie sich kaum für Politik interessieren oder dieses<br />
Thema zuhause nicht behandelt wird: Das Kopftuchverbot<br />
an Schulen haben alle mitbekommen. Wer sich gegen das<br />
Kopftuch positioniert, ist Feind. Und das nicht nur bei Muslimen,<br />
denn auch Nicht-Muslime sehen es als Angriff gegen die<br />
Leute, mit denen sie aufwachsen. Die Jugendlichen bilden sich<br />
schnell eine Meinung oder nehmen diese aus ihrem Umfeld<br />
auf. „Es hat sich vieles verschlechtert. Ich <strong>fin</strong>de, dass so ein<br />
junger Typ wie Kurz nicht an die Macht kommen sollte. Weil er<br />
hat schon jetzt vieles zerstört. Er ist halt kein guter Mensch“,<br />
<strong>fin</strong>det der 14-jährige Dušan klare Worte. Argumentieren<br />
können die Jugendlichen schwer, sie wissen aber, was sich<br />
für sie richtig anfühlt und was nicht - und<br />
daran richten sie sich. Fremdbeschreibungen<br />
bekommen sie mit, aber sie versuchen sie<br />
abzublocken. Sie nehmen die Politik, die<br />
Polizei, die Anrainer und alle anderen, die<br />
etwas über sie zu sagen haben, wahr. Aber<br />
wie Außenstehende ihren Park und sie sehen,<br />
spielt im Endeffekt keine Rolle. Für sie bedeutet<br />
der Park Zufluchtsort und Familie. Und<br />
Familie hält zusammen. ●<br />
60 / KULTURA /
Verhüllt,<br />
enthüllt!<br />
Das Kopftuch<br />
<strong>18</strong>. Oktober 20<strong>18</strong><br />
bis 26. Februar 2019<br />
www.weltmuseumwien.at<br />
/ MIT SCHARF / 61
MIT BEN<br />
& BRUCE<br />
DURCH<br />
AFRIKA<br />
62 / OUT OF AUT /
Zeigt das euren Eltern,<br />
wenn die wieder klagen,<br />
dass ein Urlaub in Thailand<br />
zu gefährlich sei.<br />
Fotograf Benedikt Von<br />
Loebell reiste mit seinem<br />
Landrover Bruce von<br />
Kapstadt weg über die<br />
afrikanische Westküste<br />
zum nördlichsten Zipfel<br />
Europas.<br />
Von Amar Rajkovic und Benedikt Von Loebell (Fotos)<br />
/ OUT OF AUT / 63
Weibliche<br />
Angehörige des<br />
Himbastamms,<br />
der in Angola<br />
und Namibia zu<br />
Hause ist.<br />
Wow, ihr wisst ja gar nicht, wie<br />
schön Wien ist“, schleudert<br />
uns Benedikt Von Loebell<br />
entgegen als wir ihn drei Wochen nach<br />
dem Ende seiner fünfmonatigen Reise<br />
im MQ treffen. Er muss es ja wissen.<br />
Loebell sieht wie ein prototypischer<br />
Abenteurer aus: Sonnenbrille im nach<br />
hinten gekämmten Haar, Dreitagebart<br />
und ein freundliches Lächeln, das einem<br />
sagen möchte: „Das machen wir schon<br />
irgendwie.“<br />
Genau diese Gelassenheit half dem<br />
Globetrotter auf seiner Reise vom südlichsten<br />
Zipfel Afrikas bis zum Nordkap<br />
in Norwegen. Als er zum Beispiel die<br />
Entscheidung treffen musste, ob er durch<br />
die namibische Steppe weiterfährt oder<br />
in die Hauptstadt Windhoek umkehrt,<br />
um seinen pochenden Zahn behandeln<br />
zu lassen. Oder in dem Moment an der<br />
senegalesisch-mauretanischen Grenze,<br />
als Loebell in den Sinn kommt, dass er<br />
in die strenge muslimische Republik<br />
Mauretanien einreist und blöderweise<br />
ungeöffneten Alkohol in seiner Fahrertür<br />
verstaut hatte. Über 25.000 Kilometer<br />
legte er mit „Bruce“, wie er seinen Land-<br />
Rover liebevoll nennt, auf seiner jüngsten<br />
Reise zurück. Würde man die Strecke am<br />
Stück durchfahren, wären das schlappe<br />
315 Stunden Fahrzeit laut Google-Maps.<br />
REISEN, UM NICHT<br />
ANZUKOMMEN<br />
Doch Loebell hatte es nicht eilig. „Die<br />
Reise ist das Ziel, nicht das Ziel ist<br />
die Reise“, argumentiert er, wenn ihn<br />
abenteuerneidige Zuhörer fragen, ob<br />
Manche nennen<br />
es Selbst<strong>fin</strong>dung,<br />
manche Abenteuer,<br />
Loebell spricht von<br />
Freiheit.<br />
Jetzt fehlt nur<br />
noch der Gorilla -<br />
Regenwald in Gabun
Das wohl einsamste Telefon auf der Welt: Gesehen in Namibia<br />
man dieses waghalsige Unterfangen<br />
nicht auch in vier Wochen hineinpressen<br />
könnte. Solch eine Reise sei auch<br />
nicht mit Urlaub zu vergleichen. Manche<br />
nennen es Selbst<strong>fin</strong>dung, manche<br />
Abenteuer, Loebell spricht von Freiheit.<br />
Ja, Freiheit bedeutet auch nicht in der<br />
Nähe von Siedlungen zu übernachten,<br />
die unter Beschuss geraten könnten.<br />
So geschehen in Kamerun, wo seit<br />
geraumer Zeit die unterdrückte englischsprachige<br />
Minderheit aufbegehrt<br />
und die Reaktionen der französischsprachigen<br />
Elite zu spüren bekommt.<br />
Freiheit bedeutet auch, das Konzert von<br />
Fema Kuti in Lagos zu besuchen, einen<br />
der vielen Söhne der Afrobeatlegende<br />
Fela Kuti. Die nigerianische Hauptstadt<br />
habe einen bleibenden Eindruck beim in<br />
Bogota geborenen Fotografen hinterlassen.<br />
„Stellt euch vor, in dreißig Jahren<br />
ist Lagos die größte Mega-Metropole der<br />
Welt“, teilt er uns mit weit aufgerissenen<br />
Augen mit. (Mega-Metropolen sind<br />
Städte mit über zehn Millionen Einwohnern.<br />
Lagos soll verschiedenen Schätzungen<br />
zufolge 2050 zwischen 60 und<br />
Fema Kuti ist der<br />
Sohn von Musiklegende<br />
Fela Kuti.<br />
/ OUT OF AUT / 65
Ein Strand und ganz viele Fischerboote. Gesehen in Nouakchott, Hauptstadt Mauretaniens.<br />
„<br />
Lagos in Nigeria ist in 30 Jahren die<br />
größte Metropole der Welt.<br />
“<br />
Im Hintergrund wird gebaut und im Vordergrund versucht zu überleben -<br />
Megametropole Lagos in Nigeria<br />
100 Millionen Einwohner haben) Genau<br />
wie überall gebe es dort auch Gewinner<br />
und Verlierer. Der Anblick der Armenviertel<br />
auf dem Wasser mit dem Kranwald<br />
dahinter ist imposant und tieftraurig<br />
zugleich. Genau wie so vieles in Afrika.<br />
Ein Kontinent in Aufruhr, mit unglaublichem<br />
Potenzial und unverkennbaren<br />
Spuren des Kolonialismus. Als Loebell in<br />
der Elfenbeinküste am beeindruckenden<br />
Sakralbau vorbeifährt, der ihn an den<br />
Petersdom erinnert, fragte er sich: „Wo<br />
kommt das Geld für den Bau her?“.<br />
Ebenso beeindruckend die futuristisch<br />
bunten Wohnbauten, die in den Himmel<br />
von Accra in Ghana ragen.<br />
BROMANCE AUF RÄDERN<br />
Von First-World-Problems habe er nicht<br />
viel mitbekommen auf der Reise. Etwas<br />
erinnerte ihn doch an die entwickelte,<br />
industrialisierte Welt. Die Plastikmüllberge,<br />
die seinen Weg säumten, waren<br />
dem Fotografen immer wieder ein Memo,<br />
dass selbst die mauretanische Wüste<br />
vor Menschenmüll nicht geschützt ist.<br />
Loebell schoss immer wieder Bilder von<br />
abgeholzten Gebieten in Westafrika,<br />
die Monokulturen wie Palmöl zum Opfer<br />
fielen. Dazu benutzte er eine Drohne,<br />
66 / OUT OF AUT /
Buena Vista Social Club auf gabunisch.<br />
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/ OUT OF AUT / 67
Ganz erstaunt war Loebell über diesen gewaltigen Sakralbau mitten im Nirgendwo in der Elfenbeinküste.<br />
deren Einsatz in manchen Ländern wie<br />
Marokko jedoch strengstens untersagt<br />
war. Angesprochen auf die Flüchtlingskrise,<br />
die die europäische Öffentlichkeit<br />
seit drei Jahren in Atem hält, winkt<br />
Loebell nur ab. Er möchte nicht politisch<br />
werden. Gleichzeitig sah er auf seinem<br />
Trip oft die Gründe, warum die Menschen<br />
möglicherweise alles riskieren, um<br />
nach Europa zu gelangen. Es war nicht<br />
das erste Abenteuer des 40-jährigen<br />
Fotografen. 2011 machte er sich auf den<br />
Weg nach Kapstadt, standesgemäß nicht<br />
mit dem Flugzeug, sondern mit seiner<br />
großen Liebe „Bruce“. Damals über die<br />
„Ostflanke“ von Ägypten über Tansania<br />
bis nach Kapstadt. Es wird also wieder<br />
Zeit für einen Trip, Herr Abenteurer,<br />
vielleicht von Alaska nach Patagonien?<br />
„Weiß noch nicht, Venezuela würde mich<br />
momentan reizen.“ Ob er jemanden mitnehmen<br />
würde? „Meine Freiheit kann ich<br />
nur alleine mit Bruce genießen.“ Geht in<br />
Ordnung, aber dafür wollen wir die Fotos<br />
sehen! ●<br />
„<br />
Meine<br />
Freiheit<br />
kann ich nur<br />
mit meinem<br />
Bruce<br />
genießen.<br />
“<br />
Sein treuester<br />
Weggefährte:<br />
Fotograf Loebell<br />
mit dem Landrover<br />
Bruce.<br />
68 / OUT OF AUT /
wgkk.at<br />
Die WGKK in den sozialen Medien –<br />
wir informieren vielseitig!<br />
Die WGKK ist auf Facebook!<br />
Wir wollen informieren, Service bieten und spannende<br />
Geschichten aus der Wiener Gebietskrankenkasse<br />
(WGKK) erzählen und freuen uns auf Ihr „Gefällt mir“!<br />
Wenn Sie Fragen oder Anregungen haben, schicken<br />
Sie uns gerne eine Nachricht!<br />
https://www.facebook.com/wgkk.at
„Die Leiden des jungen Todor“<br />
Von Todor Ovtcharov<br />
Die guten<br />
alten Zeiten<br />
Ich hatte mal eine Tante, von der niemand sicher<br />
war, wie alt sie eigentlich war. Wenn alle Legenden<br />
über ihr Leben wahr waren, dann war sie<br />
mindestens 106. Das schien unglaublich, da sie immer<br />
in bester physischer und psychischer Verfassung war.<br />
Das einzig Schlechte an ihr war, dass sie allen immer<br />
die Wahrheit sagte. Sie betrachtete zum Beispiel meine<br />
Mutter und meinte, dass sie genau drei Kilo zugenommen<br />
hatte. Meine Mutter schämte sich, da sie wusste,<br />
dass ihr genau diese drei Kilo schlaflose Nächte<br />
bereiteten und sie ohne Erfolg versuchte, sie wieder zu<br />
verlieren. Wie konnte die Tante genau wissen, um wie<br />
viel meine Mutter zugenommen hatte? Das blieb ein<br />
Geheimnis genau wie ihr langes, fast ewiges Leben.<br />
Man erzählte, dass sie die halbe Welt umkreist hatte<br />
ohne einen einzigen Groschen auszugeben. Als ich<br />
sie fragte, ob das stimmt, antwortete sie: „Für schöne<br />
Frauen gibt es keine Grenzen!“ und schickte mich,<br />
ihr Zigaretten zu kaufen, die sie danach mit einer sehr<br />
langen Zigarettenspitze rauchte. Als sie erfuhr, dass<br />
ich nach Wien fahren werde, sagte sie: „Oh Wien! Dort<br />
musste man vor dem ersten Weltkrieg sein. Damals war<br />
das Leben wirklich schön! Man zahlte mit echtem Gold<br />
und das Gold war überall. Selbst wenn man nur eine<br />
Goldmünze in seiner Tasche hat, dann fühlt man sich<br />
sicher!“ Ich hatte noch nie eine Goldmünze besessen<br />
und kannte dieses Gefühl von Sicherheit nicht. „Und<br />
genau das ist dein Fehler!“, sagte meine Tante. Obwohl<br />
ich keine Goldmünze hatte, fuhr ich trotzdem nach<br />
Wien. Das erste Mal, als ich wieder in Bulgarien war,<br />
fragte sie mich, wie ich mich fühle. „Gut!“, antwortete<br />
ich. Sie schüttelte nur den Kopf. „Du wirst früher oder<br />
später verstehen, dass Wien nicht mehr das ist, was es<br />
einmal war!“ Das sind die letzten Worte, die ich von ihr<br />
gehört habe.<br />
„Wien ist nicht mehr das, was es einmal war!“,<br />
sagt der Taxifahrer zu mir und nickt in meine Richtung<br />
während wir warten, dass der unendliche Nachmittagsverkehr<br />
endlich abebbt. Er fährt in einem Gemisch aus<br />
Arabisch und Wienerisch fort: “Als ich hierher gekommen<br />
bin, 1973, war alles schöner, ruhiger und sauberer.<br />
Die Menschen waren reicher. Sie mieteten das Taxi für<br />
einen ganzen Abend und ich fuhr sie von einer Feier<br />
zur nächsten. Jetzt wollen sie nicht mal einen Zehner<br />
spendieren. Es ist voll mit Betrunkenen und Drogensüchtigen,<br />
die guten alten Wiener mit guten Manieren,<br />
dicken Brieftaschen und Respekt vor den arbeitenden<br />
Taxifahrern gibt es nicht mehr. Überall nur Ausländer.<br />
Zuerst kamen die diebischen Polen, als die Mauer fiel.<br />
Alles wurde schrecklich. Und früher haben die Menschen<br />
nicht mal ihre Häuser zugesperrt. Danach ist alles<br />
schrecklich geworden! Es kam das ganze Gesindel aus<br />
Jugoslawien und jetzt neuerdings alle Araber! Ich bin ein<br />
echter Wiener! Und diesen schereckliche Verkeher gab<br />
es auch nicht!” Ich bin sicher, dass der Fahrer ein echter<br />
Wiener ist, so wie er sich über alles beschwert mit<br />
einem leichten arabischen Akzent. Und von den guten<br />
alten Zeiten zu träumen, als die Menschen das Taxi für<br />
einen ganzen Abend gemietet haben und er Tausende<br />
von Schilligen bekam. Ich kann nichts zu ihm sagen. Der<br />
Taxifahrer heißt Muhammed und kommt aus Ägypten.<br />
Nichts hat sich verändert seit den Erzählungen<br />
meiner Tante bis zu dem Gespräch mit Muhammed. Und<br />
Wien ist auch dasselbe. ●<br />
70 / MIT SCHARF /
SA | 6. OKT | 2 0<strong>18</strong><br />
IN GANZ ÖSTERREICH AB <strong>18</strong>:00 | LANGENACHT.ORF.AT<br />
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