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Hier Text<br />
Extra Liebe für ADS ADS-<strong>Kinder</strong> <strong>Kinder</strong><br />
Experten schätzen, dass heute<br />
zwischen fünf und zehn Prozent<br />
der deutschen <strong>Kinder</strong> unter einer<br />
Aufmerksamkeits-Defizit-Störung<br />
(ADS) leiden. Jungen sind davon mehr<br />
betroffen als Mädchen. Doch wirklich<br />
neu ist ADS nicht.<br />
1808: Als Kind wurde Kaiser Napoleon<br />
I. von seinem Leibarzt als „Schrecken<br />
der Schule, Qual der Familie und<br />
Plage der Umgebung“ beschrieben.<br />
4<br />
1844: Der Struwwelpeter entstand<br />
mit den Themen: Zappelphilipp, Fliegender<br />
Robert, dem zündelnden Paulinchen<br />
und dem bitterbösen Friederich.<br />
1881: Der deutsche Badearzt Scher pf<br />
beschrieb das impulsive Irresein als häufigste<br />
kindliche Störung.<br />
1902: George F. Still, <strong>Kinder</strong>arzt am<br />
Hospital for Sick Children in London,<br />
sah den Beginn von Auffälligkeiten<br />
vor dem 8. Lebensjahr. Er vermutete<br />
eine biologische Ursache, eine leichte<br />
Form von Hirnschädigung.<br />
In Deutschland interessierte das Thema<br />
lange Zeit nicht. Hier wurden Erziehung<br />
und Umwelt für Fehlverhalten<br />
verantwortlich gemacht. Erst<br />
1985 bekamen viele Eltern und <strong>Kinder</strong><br />
Hilfe durch das Buch von W.<br />
Eichlseder: Unkonzentriert? – Hilfen<br />
für Eltern hyperaktiver <strong>Kinder</strong>.<br />
1998: Zum ersten Mal erschienen in<br />
Fachzeitschriften Artikel über ADS für<br />
Erwachsene (Kraus und Krause; Trott;<br />
Droll).<br />
Einblicke ins Gehirn zeigten, dass es<br />
sich bei ADS um eine Hirnstoffwechsel-Störung<br />
handelt, die meist im<br />
Kindes- und Jugendalter ausbricht.<br />
Typische Symptome sind Unaufmerksamkeit,<br />
Hyperaktivität, und impulsives<br />
Verhalten.<br />
Die Ursachen liegen in einer mangelhaften<br />
Durchblutung von bestimmten<br />
Hirnarealen, so dass die für die<br />
Reizübertragung zuständigen Botenstoffe<br />
wie z. B. Dopamin in unzureichender<br />
Menge ausgeschüttet und/<br />
oder zu schnell abgebaut werden.<br />
Es konnte nachgewiesen werden:<br />
� alleinige Verhaltenstherapie brachte<br />
geringe Erfolge.<br />
� Medikamente brachten deutlich<br />
bessere Erfolge.<br />
Therapie und Medikament (nach klarer<br />
Diagnose!) hält man heute für das<br />
Beste.<br />
ADS beeinflusst Verhalten<br />
und Leistung<br />
Das Chaos im Kopf führt zu chaotischem<br />
Verhalten.<br />
Cordula Neuhaus, Diplom-Psychologin,<br />
Diplom-Heilpädagogin und <strong>Kinder</strong>psychologin,<br />
hat in ihrer Praxis in<br />
den vergangenen 22 Jahren unzählige<br />
<strong>Kinder</strong> mit ADS behandelt, Eltern<br />
trainiert und Lehrer/Erzieher beraten.<br />
Wegen ihrer Erfahrung und Kompetenz<br />
wird Frau Neuhaus zu vie-<br />
Ausgabe 3 • 2007
len nationalen und internationalen<br />
Fachveranstaltungen eingeladen. Engagiert<br />
setzt sie sich für die Aufklärung<br />
über ADS ein, schult Ärzte, Psychologen<br />
und Therapeuten in ganz<br />
Deutschland. Zwei ihrer Bücher finden<br />
Sie unten.<br />
Sie sagt: „<strong>Kinder</strong>/Jugendliche können<br />
sich weniger verhalten, als dass<br />
sie sich ereignen.“<br />
So kann sich ADS auswirken:<br />
� mangelndes Durchhaltevermögen<br />
� Unkonzentriertheit<br />
� Reizbarkeit<br />
� Wahrnehmungsstörungen<br />
� gestörte Sprachentwicklung<br />
� Gedächtnisschwäche<br />
� Entwicklungsstörungen der Motorik<br />
� Ungeduld<br />
� Aggressivität<br />
� Zwänge<br />
� Allergien<br />
Nico besuchte einen unserer <strong>Kinder</strong>-<br />
Hauskreise. Ich nannte ihn liebevoll<br />
„unsere Sprungfeder“ und er quittierte<br />
das mit strahlendem Gesicht.<br />
Meistens saß er auf der Couch und<br />
wie von einer unsichtbaren Feder bewegt,<br />
hopste er auf und ab. Manchmal<br />
funkte er ins Programm. Und<br />
wahrscheinlich wurden wir ihm nicht<br />
immer gerecht. Nico fiel auf – am<br />
meisten durch seinen unvergleichlichen<br />
Charme! Sein Gesicht leuchtete<br />
immer wie ein Sonnenaufgang. Damit<br />
eroberte er unsere Herzen.<br />
„ADS-<strong>Kinder</strong> können nicht so wollen,<br />
wie sie wollen sollen“, sagt Cordula<br />
Neuhaus und wirbt um Akzeptanz<br />
für diejenigen, die durch extremes<br />
Verhalten auffallen.<br />
Manche ADS-<strong>Kinder</strong><br />
� unterbrechen ständig<br />
� machen Gedankensprünge<br />
� schwätzen permanent<br />
� haben Nebenbeschäftigungen<br />
� reden unverschämt<br />
� bleiben nicht sitzen oder träumen<br />
weit weg<br />
� reagieren aggressiv<br />
� sind unaufmerksam<br />
� handeln impulsiv<br />
� können Fragen nicht sofort beantworten<br />
� schaffen ein Chaos<br />
Daran haben nicht nur Eltern, Lehrer<br />
und Mitarbeiter der Gemeinde<br />
zu tragen. Das Kind selbst leidet dar-<br />
unter, dass es „anders“ ist als seine<br />
Geschwister und Schulkameraden.<br />
Es findet schwer Freunde und wird<br />
leicht zum Außenseiter.<br />
Viele ADS-<strong>Kinder</strong> sind<br />
hochbegabt<br />
Unter ihnen findet man z. B. Genies<br />
in Mathematik, begabte Künstler,<br />
hervorragende Sportler.<br />
In meinem Seminar sagte eine Frau:<br />
„Wenn ich unserem Sohn eine Geschichte<br />
vorlese, dann erzählt er sie<br />
wortwörtlich nach.“<br />
Eine andere Mutti erzählte von ihrem<br />
ADS-Mädchen, das sehr musikalisch<br />
ist. „Manchmal, wenn ihr die Schimpferei<br />
zu viel ist, verschwindet sie in<br />
ihrem Zimmer, singt laut Jesus-Lieder<br />
und dichtet eigene Strophen dazu.<br />
Danach geht es ihr besser.“<br />
Eine Referentin, selbst von ADS betroffen,<br />
spricht fünf Sprachen und<br />
spielt fünf Instrumente.<br />
Gudrun Ringstad empfiehlt: „Wir<br />
sollten frühzeitig die Dinge fördern,<br />
bei denen die Augen der <strong>Kinder</strong> zu<br />
leuchten beginnen.“<br />
Frau Ringstad, Gründerin der ADS-<br />
Arbeit im Reha-Zentrum Krelingen,<br />
hat selbst ein inzwischen erwachsenes<br />
ADS-Kind. Eine ihrer wichtigsten<br />
Erfahrungen war, dass es der ganzen<br />
Familie sehr viel besser geht, wenn es<br />
gelingt, die Allgemeinsituation zu entlasten.<br />
Dazu gehört, dass man, wenn<br />
möglich, dem schulischen Druck ausweicht,<br />
Schulnoten nicht in den Mittelpunkt<br />
stellt, sondern die Anstrengung<br />
lobt, die das Kind leistet. Das<br />
Kind kann von den Hausaufgaben<br />
befreit werden, was wohl eher bedeutet,<br />
dass hauptsächlich die Mutter<br />
von den Hausaufgaben befreit<br />
wird. Übrigens, <strong>Kinder</strong> können eine<br />
ADS-<strong>Kinder</strong>freizeit im Reha-Zentrum<br />
Krelingen mitmachen. Diese Arbeit<br />
wurde extra dafür entwickelt, um betroffene<br />
Familien zu entlasten.<br />
ADS-<strong>Kinder</strong> brauchen starke,<br />
liebevolle Mitarbeiter<br />
Lieben heißt verstehen, annehmen,<br />
fördern.<br />
� Informieren Sie sich im Internet,<br />
durch Bücher und Vorträge.<br />
Als ich hörte, dass ADS-<strong>Kinder</strong><br />
„mit dem leisesten Windhauch<br />
davon fliegen“, darum leicht verführbar<br />
und suchtgefährdet sind,<br />
Artikel<br />
gewannen sie mein Herz.<br />
� Sammeln Sie Erfahrungen mit<br />
ADSlern, sprechen Sie mit ihren<br />
Eltern.<br />
� Beten Sie für das Kind, dass es<br />
Jesus kennenlernt und durch ihn<br />
Schutz und Halt fürs Leben findet.<br />
„Für mich ist ADS heute kein Paket<br />
mehr, das ich mit mir herumschleppe.<br />
Ich kann mich jetzt so akzeptieren,<br />
wie ich bin, da ich weiß, dass<br />
Gott mich auch so akzeptiert wie<br />
ich bin.“ Martin Wieber (25), in idea<br />
Spektrum 47/2006<br />
Verschenken Sie extra Liebe an ADS-<br />
<strong>Kinder</strong> in Ihrer Gruppe. Zeigen Sie<br />
Geduld, echte Akzeptanz und Mitgefühl.<br />
Gehen Sie darauf ein, was diese<br />
<strong>Kinder</strong> wollen und lassen sie weg,<br />
was sie überhaupt nicht mögen.<br />
Was mögen/brauchen<br />
ADS-<strong>Kinder</strong>?<br />
� eine klare Führung<br />
� geordnete Abläufe<br />
� begrenzte Aufgaben<br />
� kneten<br />
� Tonarbeiten<br />
� toben<br />
� Tischtennis<br />
� Film anschauen<br />
� allein etwas tun<br />
� sie möchten helfen, besonders<br />
kleinen <strong>Kinder</strong>n<br />
ADS-<strong>Kinder</strong> haben oft ein Spezialgebiet.<br />
Da sind sie hochkonzentriert dabei.<br />
Was mögen ADS-<strong>Kinder</strong><br />
meistens nicht?<br />
� ausmalen<br />
� ausschneiden<br />
� kleben<br />
� im Chor singen<br />
� still sitzen<br />
� Gruppenaktivitäten<br />
� Ball spielen<br />
� Memory- und Puzzlespiele<br />
� viele Anweisungen auf einmal.<br />
Zum Beispiel: „Nimm dir ein Blatt,<br />
male das Bild aus und schneide<br />
es aus. Dann klebst du es ganz<br />
oben auf die Collage. Verwende<br />
wenig Kleber und schmier den<br />
Tisch nicht voll.“<br />
� ständige Kritik (bringt sowieso<br />
nichts!)<br />
Ausgabe 3 • 2007 5
Artikel<br />
Vorschläge und<br />
pädagogische Tipps<br />
1. Geben Sie dem Programm einen<br />
festen Ablauf. Teilen Sie Änderungen<br />
rechtzeitig mit, damit sich<br />
das Kind umstellen kann.<br />
2. Lassen Sie das Kind mit allen Sinnen<br />
lernen, besonders mit den<br />
Händen. Manche müssen greifen,<br />
um zu begreifen.<br />
3. Stellen Sie klare Regeln auf, seien<br />
Sie konsequent. Wenn das Kind<br />
blockiert ist, dann zeigen Sie ihm<br />
andere Wege auf.<br />
4. Handeln Sie gerecht, denn beim<br />
Thema Gerechtigkeit sind ADS-<br />
<strong>Kinder</strong> oft Spezialisten.<br />
5. Konzentrieren Sie sich auf das<br />
Positive. Loben Sie! ADS-<strong>Kinder</strong><br />
brauchen schon auf halbem Weg<br />
eine Rückmeldung.<br />
6. Beschäftigen Sie während einer<br />
Gruppenarbeit das ADS-Kind allein,<br />
wenn es das möchte.<br />
7. Zerlegen Sie Aufgaben in einzelne<br />
Schritte. Beispiel: „Stell deinen<br />
Stuhl an den Tisch.“ Warten Sie,<br />
bis das erledigt ist. Dann: „Holst<br />
du bitte die Stifte?“<br />
8. Kontrolle ist nötig, denn ADS-<strong>Kinder</strong><br />
lernen wenig aus Erfahrung,<br />
sie ziehen keine Konsequenzen.<br />
9. Bei extremem Verhalten erlau-<br />
4 : 0 gegen die Angst<br />
Mit der biblischen Lektion „Elia flieht<br />
vor Isebel“, erzählen Sie Ihrer Gruppe,<br />
wie die Angst 4 : 0 besiegt werden<br />
kann.<br />
Bilderheft mit Text, 24 cm x 33 cm,<br />
8 Bilder, illustrierter Bibelvers, Programm,<br />
Bastelarbeiten, Vertiefungen<br />
uvm.<br />
Best.-Nr. 2560 • EUR 8,95 (CHF 19,–)<br />
6<br />
ben Sie dem Kind, kurze Zeit aus<br />
dem Raum zu gehen (wenn keine<br />
Gefahr besteht), eventuell mit<br />
einem Mitarbeiter.<br />
10. Kritisieren Sie nicht, ignorieren<br />
Sie. Ziel ist es, zu beruhigen. Das<br />
gelingt meistens durch kurzen<br />
Körperkontakt, z. B. die Hand auf<br />
die Schulter legen.<br />
11. Blamieren Sie das Kind nicht vor<br />
der Gruppe. Versuchen Sie, Verständnis<br />
für das Kind zu wecken.<br />
12. Vermeiden Sie Zeitdruck. Stress<br />
verwirrt ADSler.<br />
Aus Erfahrung rät G. Ringstad: „Behalten<br />
Sie Humor. Nehmen Sie nichts<br />
persönlich. ADS-<strong>Kinder</strong> sind nicht<br />
bösartig, sie leiden nur von Zeit zu<br />
Zeit unter Sprachdurchfall.“<br />
Lob und Anerkennung tanken ADS-<br />
<strong>Kinder</strong> gern. Das ist für sie Liebe pur<br />
und motiviert zu neuen Taten.<br />
Oben wurde Ihnen Klein-Napoleon<br />
vorgestellt. Könnte es sein, dass<br />
in Ihrer Gruppe in einem auffälligen<br />
Kind ein zukünftiger Bundespräsident<br />
oder eine Kanzlerin steckt? Die sollten<br />
dann besser erzogen und teamfähiger<br />
sein, als Napoleon. Akzeptieren<br />
und fördern Sie ADS-<strong>Kinder</strong>. Denn<br />
Schulungsangebote<br />
ZAK*-1 Kurs in München<br />
25.–26. Jan. 2008<br />
15.–16. Feb. 2008<br />
29. Feb.–1. März 2008<br />
Es geht jeweils freitgsabend von<br />
17.30 Uhr bis 21.30 Uhr und samstags<br />
von 10.00 Uhr bis 17.00 Uhr<br />
Infos unter: <strong>KEB</strong>-München<br />
Tel.: 089 5389950<br />
E-Mail: keb.muenchen@t-online.de<br />
Helfertraining<br />
Wochenend-Seminar für<br />
13–16-jährige Helfer in der Arbeit<br />
unter <strong>Kinder</strong>n<br />
vom 26.–28. Oktober 2007<br />
Infos unter <strong>KEB</strong>-Ruhrgebiet<br />
Tel.: 02365 67872<br />
E-Mail: keb.ruhrgebiet@t-online.de<br />
wenn sie später einmal im Amt sind,<br />
dann werden sie denen die Steuern<br />
erlassen, die ihnen extra Liebe<br />
schenkten.<br />
Quellenangabe<br />
Unterlagen und Referat von Gudrun<br />
Ringstad<br />
Unterlagen und Referat von Andrea<br />
Weiß<br />
Leben mit Handicap von D. Ehrentraut,<br />
treffpunkt 02/2005<br />
Literatur<br />
Cordula Neuhaus, Das hyperaktive Kind<br />
und seine Probleme, Stuttgart, 2002<br />
Cordula Neuhaus ,Der hyperaktive Jugendliche<br />
und seine Probleme, Stuttgart,<br />
2000<br />
Konzentrationsschwierigkeiten in der<br />
Schule<br />
In diesem Buch gibt der Norweger Bjarne<br />
Vetrhus Einblick in seine 30-jährige Erfahrung<br />
in Elternhaus und Schule.<br />
Bestellung unter: ads-buchbestellung@grzkrelingen.de<br />
Aufmerksamkeitsgestörte, hyperaktive<br />
<strong>Kinder</strong> und Jugendliche im Unterricht;<br />
Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung<br />
München (Hrsg.) Auer<br />
Verlag GmbH ISBN 340303248-5<br />
Elfriede Grotz, , <strong>KEB</strong>-Kaiserslautern<br />
ZAK-1 Kurs in Bregenz (Österreich)<br />
2.–3. Nov. 2007<br />
16.–17. Nov. 2007<br />
30. Nov.–1. Dez. 2007<br />
Infos und Anmeldung beim Schulungsteam:<br />
schulung@keb-austria.com<br />
Aktuelle Termine für Schulungen in der<br />
Schweiz erfahren Sie auf der Internetseite:<br />
www.keb.ch.<br />
*ZAK bedeutet Zielorientierte Arbeit<br />
mit <strong>Kinder</strong>n<br />
Ausgabe 3 • 2007