Immobilia 2008/11 - SVIT
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Dossier<br />
Baurecht<br />
Tageslicht – zwischen Gesundheit<br />
und Energieeffizienz<br />
Ivo Cathomen<br />
Tageslicht ist ein menschliches Bedürfnis und ein wohlerworbenes Recht<br />
– und gelegentlich ein Streitfall.<br />
Tageslicht ist dank<br />
der technischen<br />
Entwicklung des<br />
Fensterbaus ein<br />
wichtiges<br />
Gestaltungselement<br />
in der<br />
modernen<br />
Architektur. Im<br />
Bild eine<br />
Dachkonstruktion<br />
in Berlin.<br />
hältnis von Fenster- zu Bodenfläche angenommen.<br />
Dieser ist zusätzlich abhängig<br />
von Grössen wie der notwendigen Beleuchtungsstärke,<br />
der Regelung, dem Reflexionsgrad<br />
der Wände, dem Transmissionsgrad<br />
der Verglasung, der Höhe des Fenstersturzes,<br />
der Art des Sonnenschutzes<br />
und der Beschattung durch Balkon und<br />
Umgebung.<br />
Die Anforderungen von Minergie-Eco an<br />
die Tageslichtnutzung gelten vereinfacht<br />
als erfüllt, wenn mindestens 50% der maximalen<br />
Tageslichtstunden in den Hauptnutzflächen<br />
erreicht werden. Ist am Referenztag<br />
(21. März bzw. 21. September) eine<br />
ausreichende Belichtung durch Tageslicht<br />
(also ohne Kunstlicht) von mindestens 4.5<br />
Stunden (Wohnen: 4.1 Stunden) möglich,<br />
gilt die Anforderung als erfüllt. Es gilt dabei<br />
der flächengewichtete Mittelwert über alle<br />
Räume im Gebäude, wobei nur Flächen der<br />
Hauptnutzung berücksichtigt werden.<br />
Zahlreiche Kantone und Gemeinden in der<br />
Schweiz kennen im Baurecht Mindestanforderungen<br />
und Verbote zu Fensterflächen<br />
und Ausrichtung von Wohnbauten.<br />
Unter dem Titel des Gesundheitsschutzes<br />
ist am häufigsten eine Mindestregelung<br />
der Fensterfläche in Wohn- und Schlafzimmern,<br />
Küchen und Räumen, in denen regelmässig<br />
gearbeitet wird, im Verhältnis<br />
von 1 zu 10 zur Bodenfläche anzutreffen.<br />
Vereinzelt schreiben die Kantone im Baurecht<br />
vor, dass der Bau von Wohnungen<br />
untersagt ist, bei denen sämtliche Wohnund<br />
Schlafräume nach Nordost bis Nordwest<br />
orientiert sind.<br />
Die Verordnung zum Arbeitsgesetz über<br />
die Gesundheitsvorsorge schreibt für das<br />
Arbeitsumfeld vor, dass in Arbeitsräumen<br />
grundsätzlich Tageslicht vorhanden und<br />
eine künstliche Beleuchtung, die der Art<br />
und den Anforderungen der Arbeit angepasste<br />
Sehverhältnisse (Gleichmässigkeit,<br />
Blendung, Lichtfarbe, Farbspektrum) gewährleistet<br />
sein müssen. Räume ohne natürliche<br />
Beleuchtung dürfen nur dann als<br />
Arbeitsräume benützt werden, wenn durch<br />
besondere bauliche oder organisatorische<br />
Massnahmen sichergestellt ist, dass den<br />
Anforderungen der Gesundheitsvorsorge<br />
insgesamt Genüge getan ist.<br />
SIA-Norm als Richtlinie<br />
Nicht auf den gesundheitlichen, sondern<br />
auf den energetischen Aspekt geht die<br />
SIA-Norm 380/4 «Elektrische Energie im<br />
Hochbau» ein. Sie liefert auch die konkretesten<br />
Hinweise auf eine sinnvolle Tageslichtnutzung.<br />
Minergie-Eco hat hinsichtlich<br />
der Anforderungen an die Tageslichtnutzung<br />
die SIA-Norm zum Massstab<br />
genommen und stellt Planern und Bauherren<br />
auf dem Internet ein Berechnungsinstrument<br />
zur Verfügung (www.minergie.ch<br />
> Minergie-Eco > Dokumente für<br />
Zertifizierung zum Downloaden > «Tageslicht-Tool»<br />
Minergie-Eco).<br />
Die Vorgaben beruhen auf der Beleuchtungsleistung<br />
sowie der Volllaststunden.<br />
Für die Berechnung der Volllaststunden<br />
muss die Tageslichtnutzung berücksichtigt<br />
werden. Dafür wird ein einfacher Zusammenhang<br />
der Volllaststunden mit dem Ver-<br />
Streitpunkt Schattenwurf<br />
Über den so genannten Schattenwurf entbrennen<br />
regelmässig Rechtsstreite. Nicht<br />
nur der Schattenwurf von neuen, meist hohen<br />
Gebäuden kann zu Einsprachen führen.<br />
Auch jener von wachsenden Bäumen<br />
verursacht Nachbarschaftsstreitigkeiten.<br />
Am medienwirksamsten war der Streit um<br />
die Beschattung rund um das geplante<br />
Fussballstadion Hardturm. Das<br />
Verwaltungs gericht des Kantons Zürich<br />
stuft die Mehrbeschattung eines Nachbargrundstücks<br />
schliesslich nicht als übermässig<br />
ein. Die Mehrbeschattung stelle<br />
zwar immer noch einen gewissen Nachteil,<br />
aber jedenfalls keine erhebliche Erschwerung<br />
für eine zonengemässe Überbauung<br />
dar, hiess es im damaligen Urteil.<br />
In der Regel taucht die Frage des Schattenwurfs<br />
bei Projekten mit einer Höhe von<br />
mehr als 25 Metern auf. Hier gilt der Grundsatz,<br />
dass dieser nicht übermässig sein<br />
darf. Der Kanton und die Stadt Zürich haben<br />
sich dem Thema Hochhäuser und<br />
Schattenwurf speziell gewidmet. Das Baugesetz<br />
schreibt vor, dass die Nachbarschaft<br />
durch Schattenwurf in Wohnzonen oder<br />
gegenüber bewohnten Gebäuden nicht<br />
6 immobilia November <strong>2008</strong>