Messebeilage_RG_2018_Gesamtpdf_07-11-2018
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Anzeigen-Sonderveröffentlichung<br />
BERLIN<br />
MESSEN<br />
Gesundheit | Messemagazin | 23<br />
Jeder zweite Bundesbürger fühlt<br />
sich von Burnout bedroht. Sechs<br />
von zehn Befragten klagen gelegentlich<br />
über typische Burnout-Symptome<br />
wie anhaltende Erschöpfung,<br />
innere Anspannung und Rückenschmerzen.<br />
Dies zeigt eine Umfrage<br />
der Krankenkasse pronova BKK.<br />
Fast neun von zehn Deutschen fühlen<br />
sich demnach von ihrer Arbeit<br />
gestresst. Mehr als die Hälfte der<br />
Arbeitnehmer leidet zumindest hin<br />
und wieder unter Rückenschmerzen,<br />
anhaltender Müdigkeit, innerer<br />
Anspannung, Lustlosigkeit oder<br />
Schlafstörungen. Je 61 Prozent der<br />
Menschen in Deutschland klagen<br />
über Rückenschmerzen oder Erschöpfung<br />
– 23 Prozent jeweils sogar<br />
häufig. 59 Prozent fühlen sich<br />
manchmal innerlich angespannt.<br />
54 Prozent der Befragten grübeln<br />
über ihre Arbeit, 53 Prozent schlafen<br />
nach eigenen Angaben schlecht.<br />
Hauptgründe sind Termindruck,<br />
Stress und Überstunden.<br />
Die Patienten diskutieren darüber,<br />
was einen guten Lehrer ausmacht,<br />
Therapeutin von Piechowski sammelt<br />
die Begriffe, notiert Stichpunkte<br />
an der Tafel.<br />
„Ich muss mich fragen, wie realistisch<br />
ist es, all diesen Ansprüchen gerecht<br />
zu werden? Und ich muss gucken, wie<br />
erfüllbar sind die Ansprüche. Wo kann<br />
ich mich abgrenzen. Weil was passiert,<br />
wenn ich Ansprüche habe, die ich<br />
nicht erreichen kann.“ – „Ich bin unzufrieden.“<br />
– „Ich bin ständig unzufrieden,<br />
was noch?“ – „Überfordert.“<br />
Symptome sind Kraftlosigkeit, aber<br />
auch Kopf- und Magenschmerzen.<br />
Von Piechowskis Patienten sind auch<br />
deshalb hier, weil sie den Anspruch<br />
haben, all diesen Erwartungen, immer<br />
gerecht zu werden. Es sind die<br />
besonders engagierten, verantwortungsbewussten,<br />
fleißigen Lehrer, die<br />
sich so lange im System Schule aufreiben,<br />
bis dann irgendwann gar nichts<br />
mehr geht, erzählt die Psychologin.<br />
„Das sind alles mögliche Symptome<br />
eines Burnouts“, sagte Gerd Herold,<br />
Beratungsarzt der pronova BKK. Der<br />
Umfrage zufolge sehen 50 Prozent<br />
der Beschäftigten daher auch für sich<br />
ein mäßiges bis hohes Burnout-Risiko.<br />
Jeder Siebte sieht bei sich selbst<br />
die Gefahr, vollkommen auszubrennen.<br />
Zu den Hauptgründen für das<br />
Gefühl völliger Erschöpfung zählen<br />
laut einer Umfrage häufig auftretender<br />
Termindruck (34 Prozent), starker<br />
emotionaler Stress durch Kunden<br />
oder Patienten (30 Prozent), Überstunden<br />
und ein schlechtes Arbeitsklima<br />
(je 29 Prozent).<br />
In der Tagesklinik<br />
„Dann begrüße ich Sie zur Gruppentherapiestunde<br />
und wir beginnen wie<br />
immer mit der Lobe-Runde.“ Eine<br />
Tafel, ein Stuhlkreis, drei Lehrerinnen,<br />
ein Lehrer und eine Psychotherapeutin:<br />
Gesprächstherapie in der<br />
Fliedler-Klinik in Berlin-Mitte. Die<br />
Lehrer, die in die Tagesklinik für<br />
Psychiatrie kommen, haben alle ein<br />
ähnliches Problem. Sie leiden an einer<br />
Erschöpfungsdepression, auch<br />
häufig Bur nout genannt, oder an einer<br />
depressiven Erkrankung. Durch<br />
den Alltag an der Schule.<br />
Bild: GettyImages/KatarzynaBialasiewicz<br />
Sich selbst loben<br />
Anti-Burnout-Therapie in einer Tagesklinik<br />
„Was war in den letzten Tagen lobenswert<br />
für Sie im Sinne ihrer Therapie,<br />
wo haben Sie was getan, was<br />
ein Lob verdient hat?“ Psychotherapeutin<br />
Franziska von Piechowski beginnt<br />
ihre Gruppentherapie stets mit<br />
einer Runde Eigenlob, das die Patienten<br />
sich selbst aussprechen. Denn<br />
Lehrer – vor allem die, die hier in der<br />
Klinik sind – würden viel zu viel an<br />
sich selbst kritisieren. Sich selbst loben,<br />
das falle ihnen häufig schwer<br />
und findet viel zu selten statt.<br />
„Daher jetzt die Frage an Sie, wofür<br />
möchten Sie sich loben?“ – „Ich<br />
lobe mich dafür, dass ich den Schutzkokon,<br />
den ich hier aufgebaut habe,<br />
verlassen habe und heute Mittag mit<br />
einem Freund Mittag essen war und<br />
zum ersten Mal auch über die Problematik<br />
geredet habe.“ Die Lehrer,<br />
die an diesem Nachmittag im Gruppenraum<br />
im Bürohaus am Gendarmenmarkt<br />
sitzen, sind zwischen Mitte<br />
30 und Mitte 50. Sie unterrichten<br />
normalerweise an Grund-, Gemeinschafts-<br />
oder Sonderschulen. Hier in<br />
der Gruppe sind sie eher in der Rolle,<br />
die sonst Schüler haben.<br />
„Kommen wir zu Ansprüchen und<br />
Erwartungen im Lehrerberuf im Job,<br />
lassen Sie uns mal sammeln, womit<br />
Sie im Alltag konfrontiert sind.“ –<br />
„Immer parat sein, immer auf den<br />
Punkt da zu sein, man erwartet von<br />
uns, immer da zu sein. Kommt eine<br />
Mutter und will irgendwas, muss ich<br />
antworten. Ich sage, ich hab Pause: Ist<br />
doch gut, dass Sie Pause haben, dann<br />
kann ich ja kommen.“<br />
„Die häufigsten Symptome bei Lehrern<br />
mit Burnout: Sie kommen mit diesem<br />
typischen Ausgebrannt-Sein, dass sie<br />
emotional erschöpft sind und im Antrieb<br />
deutlich gemindert. Sie fühlen<br />
sich kraftlos – aber kommen auch<br />
mit körperliche Beschwerden, starken<br />
Kopfschmerzen, Magenschmerzen<br />
oder Konzentrationsprobleme.“<br />
Meditation am Morgen<br />
In die Tagesklinik erscheinen ihre<br />
Patienten wie zu einem normalen<br />
Bürojob, also von 8:30 Uhr bis<br />
17 Uhr. Sie beginnen ihre Tage zum<br />
Beispiel mit Lichttherapie oder einer<br />
Meditation. Auf das gemeinsame<br />
Frühstück und die Morgenvisite folgt<br />
eine zweistündige Psychotherapie,<br />
einzeln durchgeführt oder wie heute<br />
in einer Gruppensitzung.<br />
15 bis 20 Prozent seiner Patienten<br />
sind mittlerweile Lehrer, sagt Jürgen<br />
Ortmann. Er ist der leitende Psychologe<br />
der Klinik. Viele melden sich<br />
mit Erschöpfungserscheinungen,<br />
Ermattung, Antriebslosigkeit bei ihrem<br />
Hausarzt — und landen dann<br />
in der Klinik. Um einen Burnout zu<br />
vermeiden, ist es wichtig, frühzeitig<br />
gegenzusteuern und zu regulieren,<br />
damit es erst gar nicht dazu kommt<br />
„auszubrennen“.<br />
dpa