Das Wiener Modell 2 – Wohnbau für die Stadt des 21. Jahrhunderts
ISBN 978-3-86859-561-1 https://www.jovis.de/de/buecher/details/product/das-wiener-modell-2.html
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Wohnen als „besondere Ware“<br />
Die Diskussion, ob man Wohnen und <strong>Wohnbau</strong> als Ware behandeln kann, durchzieht das<br />
gesamte 19. und 20. Jahrhundert und beschäftigte insbesondere auch das „Rote Wien“ der<br />
1920er-Jahre. Hier war man sich einig, dass Wohnen eine besondere Ware darstellt, <strong>die</strong> nicht<br />
den Marktmechanismen unterliegt. Als Gründe da<strong>für</strong> galten damals und gelten heute:<br />
1. Wohnkosten stellen einen Teil <strong>–</strong> vermutlich den größten <strong>–</strong> der <strong>für</strong> <strong>die</strong> „Ware<br />
Arbeitskraft“ erforderlichen Reproduktionskosten dar. Erhöhen sich <strong>die</strong> Wohn- und<br />
damit <strong>die</strong> Reproduktionskosten, so steigt auch der Wert der Arbeitskraft, den<br />
Unternehmer zu zahlen haben. Niedrigere Wohnkosten <strong>für</strong> <strong>die</strong> Arbeiter kommen<br />
somit unmittelbar dem produzierenden Gewerbe zugute <strong>–</strong> eine Umschichtung vom<br />
nicht produktiven Kapital der Hauseigentümer zum produktiven Kapital der Industrie,<br />
<strong>die</strong> damit auch international konkurrenzfähiger wird.<br />
2. Vor allem in der gegenwärtigen Debatte wird hervorgestrichen, dass Wohnen einen<br />
Teil der <strong>Das</strong>einsvorsorge darstellt, also ebenso wie Bildung, Gesundheit oder öffentlicher<br />
Verkehr nicht zur Gänze den Marktgesetzen unterliegen kann. Wohnen<br />
bildet gemäß internationalem Recht explizit auch ein Menschenrecht. Seitens der<br />
EU wird <strong>die</strong>s insofern anerkannt, als sozialer <strong>Wohnbau</strong> wie <strong>die</strong> anderen Elemente<br />
der <strong>Das</strong>einsvorsorge (gemäß dem sogenannten Almunia-Report SGEI „Services of<br />
General Economic Interest“) nicht den strengen Wettbewerbsregelungen unterliegt.<br />
Strittig ist nur, wem der soziale <strong>Wohnbau</strong> zugute kommen soll: nach derzeitiger<br />
Ansicht der EU-Kommission nur einem Kreis wirklich Armer, nach Ansicht vieler<br />
NGOs und vieler Städte auch Haushalten der Mittelschicht, um das Entstehen von<br />
stigmatisierten Sozialghettos zu verhindern.<br />
3. Argumentiert wird auch, dass ein Wohnungsmarkt nie ein „normaler“ Markt sein<br />
kann, da wichtige Charakteristika eines Marktes <strong>–</strong> völlige Transparenz, Waffengleichheit<br />
zwischen Anbieter und Käufer, rasche Möglichkeit <strong>des</strong> Reagierens auf<br />
veränderte Nachfrage <strong>–</strong> fehlen. Zudem kann es sich gar nicht um einen einheitlichen<br />
Markt handeln, da Wohnen in viele horizontal geschichtete Teilmärkte mit unterschiedlicher<br />
Regelungsdichte zerfällt und Marktteilnehmern aus vielfältigen<br />
Gründen ein Wechsel von einem Teilmarkt in einen anderen nicht möglich ist.<br />
Wolfgang Förster<br />
PUSH-Consulting KG,<br />
Initiator und Berater der IBA_Wien<br />
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